Verbesserte Version EU-Ratspräsidentschaft_final MS
Transcrição
Verbesserte Version EU-Ratspräsidentschaft_final MS
Forderungen des NABU an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Oktober 2006 Naturschutzbund Deutschland Invalidenstraße 112 10115 Berlin www.NABU.de NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Präambel Der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2007 kommt eine große Bedeutung für eine Reihe einzelner Politikfelder und für die Zukunft der EU insgesamt zu. So hat die Bundesregierung wiederholt erklärt, die vorerst gescheiterte Diskussion über die Europäische Verfassung wieder in Gang zu bringen. Das 50jährige Jubiläum der Römischen Verträge im März 2007 ist hierfür ein geeigneter Zeitpunkt. Umfragen belegen, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas eine gesunde und lebenswerte Umwelt wollen. Im Umweltbereich hat die EU das besondere Vertrauen der Bevölkerung. Dies sollte gerade in Zeiten der „Euroskepsis“ genutzt werden! Im Rahmen der Verhandlungen muss daher sichergestellt werden, dass das Ziel einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung adäquat in der Verfassung verankert wird und Rückschritte gegenüber dem gegenwärtigen „Acquis communautaire“ verhindert werden. Zum anderen kann die Bundesregierung in ihrer Ratspräsidentschaft sowie auf dem in Deutschland stattfindenden G8-Gipfel wesentliche Impulse zur Umsetzung des von den europäischen Regierungschefs mehrfach bekräftigten Zieles setzen, das Artensterben bis zum Jahr 2010 zu stoppen. Insbesondere die Umsetzung des Aktionsplans der „Biodiversity Communication“ der Europäischen Kommission vom Mai 2006 sowie die Vorbereitungen zur 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) im Frühjahr 2008 in Bonn geben der Bundesregierung hierfür zahlreiche Gelegenheiten. Endspurt 2010 einleiten – Umsetzung von „Natura 2000“ vollenden und Rahmenbedingungen verbessern! Sowohl die Europäische Union als auch ihre Mitgliedstaaten haben sich als Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention (CBD, 1992) zu deren Umsetzung verpflichtet. Zudem haben die EU und ihre Mitgliedstaaten auf dem EU-Gipfel in Göteborg (2001) beschlossen, den weiteren Verlust an biologischer Vielfalt bis zum Jahr 2010 zu stoppen. Die von allen Mitgliedstaaten der EG bzw. EU einvernehmlich verabschiedete EG-Vogelschutz- (1979) und Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) Richtlinie (1992) sind zentrale, unverzichtbare Bausteine zum Schutz der biologischen Vielfalt, zur Umsetzung der CBD und zur Erreichung des 2010-Zieles. Nachdem das kohärente Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ inzwischen in fast allen EU-Mitgliedstaaten – zumindest an Land – vervollständigt ist, muss es nun durch Managementplanungen für die Gebiete, eine adäquate Finanzausstattung und durch ein kontinuierliches Monitoring der Entwicklung von Lebensräumen und Populationen, umgesetzt werden. Die Kohärenz des Gebietsnetzes ist mit den Mitteln des Biotopverbundes – gerade im Hinblick auf die Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandels – in der Art zu verbessern, wie es die EUKommission in ihrer „Biodiversity Communication“ und dem zugehörigen Arbeitsprogramm vom 22. Mai 2006 beschlossen hat. Die Umsetzung der Richtlinien und der Schutz der biologischen Vielfalt insgesamt muss darüber hinaus durch eine Integration in alle sektoralen Politikbereiche und ihre Finanzierungsinstrumente, insbesondere im Agrar-, Verkehrs- und Kohäsionsbereich, verbessert werden. Gerade angesichts des Klimawandels Seite 2 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 müssen existierende Belastungen der Ökosysteme reduziert und auch außerhalb von Schutzgebieten die Belange des Biodiversitätserhalts ausreichend berücksichtigt werden. Mit der vollständigen Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien leisten Deutschland und die anderen EU-Staaten einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Biodiversitätkonvention und zur Erreichung des 2010Zieles. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • die „Biodiversity Communication“ und den Aktionsplan der EU-Kommission vom 22. Mai 2006 sowohl auf EU- als auch auf nationaler und Länderebene best möglich unterstützen und sich im Rahmen der Ratspräsidentschaft darum bemühen, diese Ziele und ihre Umsetzung in verbindliche Beschlüsse der Mitgliedstaaten zu fassen, • sich auf EU-, nationaler und Länderebene für die Vervollständigung des kohärenten Netzes „Natura 2000“, insbesondere für den Bereich mariner Schutzgebiete, einsetzen, • Kommission und Mitgliedstaaten auffordern, verstärkte Anstrengungen für ein gutes Management der Natura 2000-Gebiete und des gesamten Netzwerks zu unternehmen (einschließlich der Ergreifung von Initiativen für verbesserte Kommunikation zwischen allen Beteiligten, dem Austausch von „best implementation practices“ sowie konsistenter und konsequenter Durchsetzung der Richtlinien durch die Kommission) und gleichzeitig alle, lediglich von kurzfristigen Partikularinteressen geleiteten Forderungen nach einer Revision der EG-Vogelschutz- und FFH-Richtlinie vor 2010 entschieden abzulehnen, dies auch im Sinne der endlich erreichten Planungssicherheit für Landnutzer und Investoren, • auf EU-Ebene die Weichen für eine bessere Finanzierung von „Natura 2000“ stellen. Hierfür sollten die Erfahrungen aus der dann abgeschlossenen Programm-Phase der Instrumente wie LIFE+, Agrar-, Struktur- und Fischereifonds zusammen getragen und Diskussionen zu einem integrativen Ansatz zur Finanzierung von „Natura 2000“ angestoßen werden, etwa durch eine Konferenz mit Experten der anderen Mitgliedstaaten, • sich im Rahmen der abschließenden Verhandlungen für ein starkes und effektives LIFE+-Instrument einsetzen, bei dem mindestens 50–55% des Budgets für Naturschutz und Biodiversität eingesetzt werden und damit keinen Rückschritt gegenüber dem vorangegangenen „LIFE-Nature“Programm zulassen, • ausgehend von diesen Erkenntnissen erste Impulse für eine Reform des EUBudgets (einschließlich Agrarpolitik) im Jahr 2008 geben, die auch die seit langem benötigte vollständige Integration des Natur- und Umweltschutzes in alle Politikbereiche zum Inhalt haben sollte. Die Präsidentschaft könnte hier z.B. durch eine Konferenz mit den EU-Umwelt- und Agrarministern entscheidende Anstöße liefern. Seite 3 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Fortschritte im Artenschutz erzielen! Der NABU und seine Partnerverbände von BirdLife International – ebenso wie die Dachverbände auf nationaler, EU- und internationaler Ebene (Deklaration von World Parrot Trust, Pro Wildlife und mehr als 240 NGOs, 12/2004) – fordern schon seit langem einen generellen Importstopp für Wildvögel, solange nicht ein Nutzen dieses Handels für den Naturschutz bewiesen werden kann. Mit 87% der weltweit registrierten Vogelimporte und 1,7 Millionen Tieren jährlich ist die EU der mit Abstand größte Importeur wild gefangener Vögel. Studien belegen, dass von insgesamt 3,5 bis 4 Millionen in Asien, Afrika und Lateinamerika jährlich für den EUHeimtiermarkt gefangenen Wildvögeln auszugehen ist, da bis zu 60 Prozent dieser Tiere schon beim Fang und auf dem Transport sterben. Dies stellt in vielen Fällen ein schwerwiegendes Problem für Naturschutz, Tierschutz und Seuchenbekämpfung dar. Deutschland zählt innerhalb der EU zu den Hauptabnehmern exotischer Wildvögel. Erfahrungen in Ländern wie den USA (Wild Birds Conservation Act, WBCA, 1992), Kanada, Israel und Australien zeigen, dass entgegen immer wieder geäußerter gegenteiliger Behauptungen ein Verbot des Wildvogelhandels auch den illegalen Handel massiv reduziert und nicht fördert. Bei einem generellen Importverbot werden Zollkontrollen einfacher. Diese Regelung trägt damit auch zum Bürokratieabbau und zur Verwaltungsvereinfachung auf EU- und nationaler Ebene bei. Die Europäische Union hat anlässlich der Vogelgrippe im letzten Jahr einen vorübergehenden Handelsstopp verhängt. Inzwischen haben sich etliche europäische Politiker für einen dauerhaften Importstopp ausgesprochen. In die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft fällt auch die 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) im Juni 2007 in den Niederlanden. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • sich in den kommenden Sitzungen der Ministerräte für ein dauerhaftes Importverbot für Wildvögel einsetzen, • den Vorsitz der Ratspräsidentschaft nutzen, um die vorliegenden Anträge zum besseren Schutz von Haien auf der CITES-Vertragsstaatenkonferenz im Juni 2007 in den Niederlanden innerhalb der EU durchzusetzen. Seite 4 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Agrarpolitik Die EU-Agrarpolitik hat in den letzten Jahrzehnten zu einem dramatischen Verlust an Lebensräumen und biologischer Vielfalt in ganz Europa geführt. Mit der EUAgrarreform von 2003 wurde ein erster Schritt getan, um eine naturverträglichere und verbraucherfreundlichere Landwirtschaft umzusetzen. Die Ratsbeschlüsse zum EU-Haushalt für die Jahre 2007–2013 haben jedoch eine massive Kürzung der Mittel für ländliche Entwicklung zur Folge, mit denen ökologische Leistungen gezielt honoriert werden können. Die für das Jahr 2008 vorgesehene Zwischenbewertung des EU-Agrarbudgets stellt daher eine wichtige Chance dar, um die langfristigen Förderprioritäten der EU-Agrarpolitik festzulegen und zusätzliche Mittel in die ländliche Entwicklung umzuschichten. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • eine Debatte über die langfristigen Ziele der Agrarförderung und die Honorierung gesellschaftlicher Leistungen sowie über künftige Förderschwerpunkte der EU-Agrarpolitik anstoßen, • sich dafür einsetzen, dass die Zwischenbewertung des EU-Agrarhaushalts in 2008 zu einer Stärkung der Agrarumweltprogramme und des EUSchutzgebietsnetzes Natura 2000 beiträgt, indem die obligatorische Modulation deutlich ausgebaut wird, • sicherstellen, dass im Zuge der Debatte um den Bürokratieabbau nicht das geltende Umweltrecht geschwächt wird und „Cross Compliance“ ein elementarer Bestandteil der EU-Agrarpolitik bleibt, • ein Zertifizierungssystem erarbeiten, das die nachhaltige Erzeugung nachwachsender Rohstoffe innerhalb und außerhalb der EU unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf Ökosysteme und Biodiversität garantiert. Meeresschutz und Fischerei Meere sind in Europa und global sehr großen Belastungen ausgesetzt. Der fortschreitende Verlust an biologischer Vielfalt, der Grad der Verschmutzung durch Schadstoffe und die Auswirkungen der Klimaveränderung sind einige der am deutlichsten sichtbaren Warnsignale. In der Jahrtausendstudie der Vereinten Nationen zur Bewertung der Ökosysteme wurden die Erschöpfung der Fischbestände und die schädliche Algenblüte (die zur Zerstörung des Lebens in den Meeren führt) als zwei besonders augenfällige Beispiele genannt, welche die abrupten und potenziell irreversiblen Änderungen der Ökosysteme verdeutlichen. Angesichts des zunehmend bedrohlichen Zustands der Ozeane und Meere Europas, enthielt das 6. Umweltaktionsprogramm der EU die Verpflichtung, eine thematische Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt zu entwickeln, deren Gesamtziel es ist, die nachhaltige Nutzung der Meere zu fördern und Meeresökosysteme zu erhalten. Diese Meeresstrategie-Richtlinie soll die zentrale Säule der europäischen Bemühungen zum Schutz der Meere werden. Die Seite 5 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Verabschiedung der Richtlinie wird voraussichtlich im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft stattfinden. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • sich aufbauend auf den Ergebnissen der finnischen EU-Ratspräsidentschaft für die Verabschiedung einer anspruchsund wirkungsvollen Meeresstrategie-Richtlinie einsetzen. Dazu ist es u.a. unabdinglich, o konkrete Kriterien für die Feststellung des angestrebten guten Umweltzustands der Meere innerhalb der Richtlinie festzuschreiben und o die Richtlinienziele als für alle anderen Politikfelder der EU, insbesondere für die Gemeinsame Fischereipolitik (CFP), verbindlich zu erklären, • gegenüber der EU-Kommission und in den Ministerräten darauf drängen, dass im Grünbuch „Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union: eine europäische Vision für Ozeane und Meere“ die Ziele der Meeresschutzstrategie und das Vorsorgeprinzip fest verankert werden, • sich innerhalb der EU für die Etablierung von Meeresschutzgebieten in den europäischen Meeresgebieten sowie auf der Hohen See einsetzen, • die Ratspräsidentschaft nutzen, um europäische Unterstützung für den langfristigen Schutz von Biodiversität auf der Hohen See im Rahmen der Vereinten Nationen zu gewährleisten. Schutz der Wälder Europa ist ein großer Abnehmermarkt für illegal geschlagenes Holz aus Tropen- und Primärwäldern. Auf europäischer Ebene wurde daher der „Forest Law Enforcement, Governance and Trade“-Prozess (FLEGT) gestartet, der diesen Importen auf der Basis freiwilliger Partnerschaftsabkommen entgegenwirken soll. Die bisherigen Ergebnisse sind leider sehr unbefriedigend. Der Schutz der letzten Urwälder muss auf europäischer und internationaler Ebene koordiniert und konsequent vorangebracht und der Handel mit Holz aus illegaler und nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft gestoppt werden. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • für die Verhandlungen über freiwillige Partnerschaftsabkommen als Maßnahmen gegen illegale Holzeinschläge (EU-FLEGT-Prozess) ein Niveau garantieren, das dem Nachhaltigkeitsanspruch der Weltgipfel in Rio und Johannesburg gerecht wird, • die Verhandlungen zur „Vermiedenen Entwaldung“ als Querschnittsaufgabe von UNFCCC und CBD so vorantreiben, dass sowohl ein langfristiger Schutz der letzten Urwälder, als auch die dringende Reduktion von CO2-Emissionen garantiert werden, Seite 6 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 • gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Kommission darauf drängen, dass o spätestens bis März 2007 Vorschläge für weitere gesetzliche Maßnahmen der EU gegen die Importe von Holz aus illegalem Einschlag und dem Handel mit solchem Raubholz vorliegen. Diese sollten zügig im Europäischen Parlament und im EU-Ministerrat behandelt werden, o jährliche Berichte über die Fortschritte bei der Umsetzung des FLEGTProzesses vorgelegt werden. Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie Auf ihrem EU-Gipfel im Juni 2006 haben die Staats- und Regierungschefs eine neue EU-Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Im Vergleich zur bisherigen Strategie ist sie um die Bereiche „good governance“ und „nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“ ergänzt worden. Die übrigen prioritären Bereiche, in denen durch konkrete Maßnahmen zu erwartende, nicht-nachhaltige Trends umgekehrt werden sollen, wurden beibehalten: Klimawandel und nachhaltige Energien, Mobilität und Verkehr, Ressourcenmanagement, öffentliche Gesundheit, Armut und alternde Gesellschaft. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • zum geplanten Austausch über bewährte Praktiken im Bereich des ökologischen öffentlichen Beschaffungswesens und dessen Möglichkeiten zur Förderung weiterer wichtiger Produktgruppen beitragen, • die vorgesehene Diskussion zur Weiterentwicklung und Überprüfung der Indikatoren für nachhaltige Entwicklung (bzgl. Qualität und Vergleichbarkeit sowie ihrer Relevanz für die neue Nachhaltigkeitsstrategie der EU) aktiv begleiten, • die Forderung der Nachhaltigkeitsstrategie bekräftigen, bis 2008 eine sektorspezifische Überprüfung aller potenziell umweltschädlichen EUSubventionen durch die Kommission durchzuführen und einfordern, dass die angekündigte Reform des EU-Budgets diese Subventionen schnellstmöglich auf Null reduziert, • unter dem Gesichtspunkt der Ressourceneffizienz die Diskussion über nachhaltige Lebensstile sowie Produktions- und Konsummuster intensivieren. Die Ergebnisse sollten in den für das Jahr 2007 geplanten EU-Aktionsplan einfließen. Seite 7 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Lissabon-Strategie Bei den Diskussionen über die Lissabon-Strategie auf dem Frühjahrsgipfel 2007 muss der Zusammenhang zwischen einer gesunden Umwelt, dem Wohlergehen der Menschen und der ökonomischen Entwicklung, angesichts der Ergebnisse des Millenium Ecosystem Assessment (MA), herausgestellt werden. Nachhaltige Entwicklung muss das übergeordnete Prinzip der EU-Politik bleiben, denn ohne die ökologischen Leistungen einer intakten Umwelt ist eine wettbewerbsfähige Entwicklung genauso wenig möglich, wie das langfristige Überleben der Menschen an sich. Die EU sollte sich das Ziel setzen zur ressourceneffizientesten und nachhaltigsten Region der Erde zu werden – dies wird auch der europäischen Wirtschaft langfristige Wettbewerbsvorteile sichern. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • die schon seit Jahren diskutierte und geforderte Integration des Umweltschutzes in alle Politikbereiche in der Lissabon-Strategie verankern, • sicherstellen, dass die Initiativen zum Bürokratieabbau („better regulation“) nicht zu einer Verschlechterung bestehender Umweltstandards führen. Der Abbau von Umweltstandards würde nicht zum Bürokratieabbau, sondern zu Rechtsunsicherheiten für Kommunen, Planer und Unternehmen führen und gleichzeitig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EUUmweltpolitik erschüttern. Energie- und Klimaschutzpolitik Der vom Menschen verursachte Treibhauseffekt und die dadurch bedingte Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Folgen des Klimawandels erleben wir bereits heute überall auf der Welt: extremere Temperaturen und größere Dürren, stärkere und heftigere Stürme und ein steigender Meeresspiegel. Hauptursache für diese Entwicklung ist die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas mit der Freisetzung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2). Die derzeitigen Prognosen für die Entwicklung der weltweiten CO2-Emissionen sind weit entfernt von den aus Sicht des Klimaschutzes notwendigen Minderungen. Die aktuelle Prognose der Internationalen Energieagentur erwartet eine massive Zunahme der weltweiten CO2-Emissionen. Das Emissionswachstum resultiert dabei sowohl aus dem immensen Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern Indien und China, als auch zu einem ganz erheblichen Teil aus der Entwicklung in den OECD-Staaten. Um diesen Trend zu durchbrechen, müssen große internationale Anstrengungen unternommen werden. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • als ersten Schritt ein post-2012-Reduktionsziel für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls von mindestens 30% bis 2020 für die EU festlegen. Dieses Ziel muss konsequent verfolgt werden und in den Ratsschlussfolgerungen einer der beiden Gipfel der Staats- und Seite 8 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Regierungschefs im März oder Juni 2007 verbindlich festgelegt werden. Um unter einer Erwärmung von 2° C zu bleiben, ist im weiteren Verlauf eine Reduzierung der weltweiten Treibhausgase bis 2050 um 50% gegenüber 1990 gefordert, was eine Treibhausgasminderung der Industrieländer um 60– 80% bedeutet. • eine Harmonisierung und Verbesserung des EU-Emissionshandelssystems im Rahmen des Review-Prozesses der EU-ETS-Richtlinie für post-2012 forcieren. Ein wichtiges Element wird hier die verpflichtende Einführung der Auktionierung sein. • sektorspezifische Ausbauziele für Erneuerbare Energien festlegen. Um die Erreichung der schon beschlossenen und darüber hinausgehender Reduktionsziele zu garantieren, muss der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien durch konkrete sektorspezifische und mitgliedstaatsbezogene Ausbauziele für erneuerbare Energien sichergestellt werden. Die Ziele für die sektoralen Bereiche müssen so festgeschrieben werden, dass ein übergeordnetes Ausbauziel von mindestens 25% Anteil Erneuerbarer Energien am Gesamtprimärenergiebedarf bis 2020 erreicht wird. • eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz voranbringen. Zentrale Handlungsfelder sind hier der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, energieeffiziente Kraftfahrzeuge, energieeffiziente Geräte und energieeffiziente Gebäude. • die Verhandlungen zur „Vermiedenen Entwaldung“ bzw. zur „Vermiedenen Zerstörung von Mooren“ als Querschnittsaufgabe von UNFCCC und CBD so vorantreiben, dass sowohl langfristiger Schutz der letzten Urwälder und Moore, als auch die dringende Reduktion von CO2-Emissionen garantiert werden. Verkehrspolitik Insbesondere der motorisierte Individualverkehr, der Straßengüterverkehr und der Luftverkehr sind Verursacher gesundheitlicher Gefährdungen und hoher Umweltbelastungen, während steigende Energiekosten diese Mobilitätsformen zunehmend verteuern. Die EU hat sich dabei das Ziel gesetzt, Mobilität effizienter, umweltverträglicher und fairer zu gestalten, was in vielen Bereichen bisher vollkommen unzureichend umgesetzt wurde. So wurde bei Pkw auf eine Selbstverpflichtung der Autohersteller zur Reduktion des Treibhausgases CO2 auf durchschnittlich 140 g/km bis 2008/2009 gesetzt, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingehalten wird. Bestrebungen, fossile Kraftstoffe durch alternative (Bio-) Kraftstoffe zu ersetzen, werden grundsätzlich begrüßt, sofern diese nach Nachhaltigkeitskriterien produziert werden. Gutschriften für die Automobilindustrie aus einer verstärkten Verwendung von Biokraftstoffen bei den CO2-Emissionswerten ihrer Fahrzeuge darf es hingegen nicht geben. Der Emissionsstandard Euro 5 für Pkw ist für die Werte der Partikelmasse (PM10) und für Stickoxide noch nicht festgeschrieben worden. Die EU-Luftreinhalterichtlinie hingegen wurde bereits 1996 formuliert. Da sich die einzelnen Mitgliedstaaten und deren Städte und Kommunen jedoch nicht rechzeitig auf die Richtlinie vorbereitet Seite 9 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 haben und deren Umsetzung nun Probleme bereitet, wird in einer Novellierung bereits an einer Verwässerung der Grenzwerte gearbeitet. Für den stark wachsenden und besonders umweltschädlichen Flugverkehr sind bisher verschiedene Regelwerke zur Reduktion der Emissionen angedacht, jedoch keines angewendet worden. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • auf die Erfüllung der Selbstverpflichtung eines durchschnittlichen Ausstoß des Treibhausgases CO2 aller neu verkauften Pkw auf 140 g/km bis 2008/2009 drängen und auch den Wert von 120 g/km bis 2012 anmahnen. Wenn die Selbstverpflichtung verfehlt wird, muss spätestens 2008 ein EUweit verbindlicher CO2-Grenzwert für neue Pkw eingeführt werden. • sich für einen Euro-5-Standard einsetzen, bei dem der Grenzwert für Stickoxide von derzeit 200 mg/km auf 80 mg/km abgesenkt wird. Dieser Wert ist mit moderner Technik erreichbar, wie Diesel-Pkw von DaimlerChrysler und Volkswagen zeigen, die noch in diesem Jahr in den USA auf den Markt kommen. Darüber hinaus sollte der Grenzwert für Partikel (PM10) auf 2,5 mg/km festgelegt werden, statt wie von der Kommission vorgeschlagen auf 5 mg/km. • eine Verwässerung der EU-Luftreinhalterichtlinie verhindern. Um die Bevölkerung vor der gesundheitlichen Belastung durch Rußpartikel zu schützen, müssen die derzeit gültigen Tagesmittelwerte beibehalten werden. Eine Aufweichung der Feinstaubgrenzwerte und ein Aufschieben der Minderungsmaßnahmen ist angesichts der Dringlichkeit des Problems inakzeptabel. • ökonomische Instrumente zur Schaffung von mehr Kostengerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern und zur Internalisierung der ökologischen und sozialen Folgekosten des Flugverkehrs schaffen. Die Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen CO2-Emissionshandel im Zuge der zweiten Periode ab 2008 wäre ein erster, wenn auch nicht ausreichender Schritt zur Regulierung der Emissionen. • im Rahmen der Überprüfung der „Biofuels Directive“ gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere ein verbindliches, international gültiges Zertifizierungssystem zur ökologischen Erzeugung von Biokraftstoffen festlegen. Eine steuerliche Förderung bzw. eine Anrechnung von Biokraftstoffen in einem Quotensystem muss sich an Nachhaltigkeitskriterien, wie z.B. der CO2-Performance vom Anbau bis zur Nutzung im Fahrzeug, ausrichten, aber auch Aspekte zur Biodiversität und zum Wasser- bzw. Bodenhaushalt berücksichtigen. Seite 10 von 11 NABU • Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft • Oktober 2006 Abfallpolitik Die Europäische Kommission hat im Dezember 2005 zusammen mit der thematischen Strategie zur Vermeidung und Wiederverwertung von Abfällen einen Vorschlag zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie vorgelegt. Mit dem Vorschlag befasst sich nun im Laufe des Herbstes 2005 das Europäische Parlament. Im Rahmen der Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie wird, unter dem Vorwand effizientere Abfallverbrennungsanlagen fördern zu wollen, eine politische Diskussion über eine Umklassifizierung von Verbrennungsanlagen als Verwertungsanlagen anhand von Effizienzkriterien geführt. Dies ist und bleibt jedoch eine klare Aufgabe der IVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG), welche die besten verfügbaren Techniken u.a. für Abfallverbrennungsanlagen vorschreibt. Die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie wird während der deutschen Ratspräsidentschaft fortlaufen. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte • die Abfallrahmenrichtlinie als politischen Rahmen für das europäische Abfallrecht verstehen. Als solcher sollten von ihr Impulse für entsprechende Recyclingrichtlinien (Tochterrichtlinien) für einzelne Abfallfraktionen (z.B. Altöl, biologisch abbaubare Abfälle und Bauabfälle) ausgehen. In diesem Zusammenhang sollten auch konkrete Recycling-Ziele beibehalten bzw. entwickelt werden. In diesem Rahmen sollte die deutsche Ratspräsidentschaft insbesondere die Erarbeitung einer EU-Bioabfallrichtlinie einfordern. • konstruktiv zu der Diskussion über Abfallvermeidung beitragen. Vor allem sollten die von der EU-Kommission vorgeschlagenen obligatorischen Abfallvermeidungspläne nicht pauschal abgelehnt werden, sondern ein effizienter Umgang damit gefunden werden. In diesem Rahmen sollten für Europa eine einheitliche Terminologie, sowie Indikatoren, Kriterien, Maßnahmen, Ziele und Kontrollen entwickelt werden. • sich für die Festlegung von ehrgeizigen und konkreten Minimumwerten der Energieeffizienz für Abfallverbrennungsanlagen in der Richtlinie über die Verbrennung von Abfällen (Richtlinie 2000/76/EG) einsetzen. Impressum © NABU Bundesverband NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V. Invalidenstr. 112 Herbert-Rabius-Str. 26 10115 Berlin 53225 Bonn Tel. 030 284 984 30 Tel. 0228 40 36 0 e-mail: [email protected] Internet: www.NABU.de Ansprechpartner: Jörg-Andreas Krüger, Leiter des Fachbereichs Naturschutz und Umweltpolitik Seite 11 von 11