"Verrückt, verrückt, absolut verrückt"
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"Verrückt, verrückt, absolut verrückt"
Süddeutsche Zeitung, 11.08.2014, Ausgabe Deutschland, S. 23 / Ressort: Sport "Verrückt, verrückt, absolut verrückt" Bayern und der BVB vor dem Supercup: Zwei Stadionfeste mit 155500 Besuchern, eine neue Krankmeldung von Ribéry, ein Dortmunder 0:4 in Liverpool - und natürlich weitere Stänkereien München - Ganz in Schwarz gekleidet lief Robert Lewandowski eiligen Schrittes Richtung Ausgang. Schwarzes Shirt, schwarze Hose, und unter dem Arm: ein schwarzer Kulturbeutel aus Leder. Die Journalisten streckten ihm Mikrofone entgegen, die Kameramänner folgten seinem Lauf mit den Objektiven. Aber das war Robert Lewandowski egal. Er wollte nur raus, garantiert nichts sagen - zu der verbalen Fernstichelei zwischen seinem ehemaligen Klub Borussia Dortmund und seinem neuen Verein, dem FC Bayern. Der unglaublich rasante, schwarze Lewandowski war schon fast am Ausgang, da stellte ihn eine Frau in Orange. Justyna Lewánska schwang ihre Handtasche durch die Luft, redete einfach auf ihn ein, zehn Minuten lang. Die polnische Generalkonsulin mit Sitz in München war glücklich, dass der Pole Lewandowski in ihre Nähe gezogen war. Niemand traute sich, die beiden zu stören. Und so blieb Deutschlands beiden nachweislich tollsten Klubs - nach Schweinsteigers missglückter BVB-Gesangseinlage - zumindest ein weiterer Debattenbeitrag erspart. "Wir lassen uns von Niemandem den Mund verbieten", sagte dafür Münchens Sportvorstand Matthias Sammer am Samstag am Rande der Saisoneröffnung. Damit reagierte er auf eine Aussage von BVB-Sportdirektor Michael Zorc, der zuvor erklärt hatte: "Es wäre schön, wenn Karl-Heinz Rummenigge einfach mal den Mund halten würde." Vorstandschef Rummenigge wiederum hatte diese Aussage provoziert, als er öffentlich eine Ausstiegsklausel von Marco Reus ausgeplaudert hatte. Seit Tagen wird gestänkert zwischen Dortmund und München, am Mittwoch (18 Uhr) wird dann endlich Fußball gespielt. Der Supercup steht an, Bayern gegen Dortmund. Eigentlich könnte man ja meinen, es gäbe genügend Platz für die beiden Klubs in Deutschland, die sich zum jeweils offiziellen Saisonauftakt an sich selbst berauschten. 65500 Menschen strömten am Samstag in München ins Stadion, um Pep Guardiolas Fünf-gegen-Zwei-Übungskreisel zu bestaunen. 90000 Fans waren es sogar in Dortmund. Zahlen, die durchaus als "verrückt, verrückt, absolut verrückt, überragend", zu bezeichnen sind, wie Philipp Lahm feststellte. Der ehemalige Kapitän der Nationalmannschaft betrat nach einem - offenbar erfolgreichen - Werbe-Road-Trip des FC Bayern durch die USA erstmals als Weltmeister den Münchner Rasen. "Für die Amerikaner war das eine Weltsensation, als wir in Portland sechs Weltmeister eingewechselt haben", sprach Rummenigge; und Stadionsprecher Stephan Lehmann vergaß nicht einmal den gar nicht anwesenden Toni Kroos, der ja nach der WM zu Real Madrid gewechselt war: "Wir sind stolz, dass Toni im Finale noch unser Spieler war." Und klar: "Ich sage nur Lewandowski. Ich bin heilfroh, dass er nicht mehr gegen uns spielt." Egal, ob in München oder Dortmund, die Kader werden neu gemischt, noch bleibt für Guardiola und seinen Kollegen Jürgen Klopp ein wenig Zeit für Experimente. Guardiola etwa ließ am Samstag auf kleinem Feld zwei kuriose kleine Mannschaften antreten: Eine Dreierkette mit Alaba links, Boateng rechts und Lahm zentral (davor Robben, Schweinsteiger, Pizarro und Lewandowski) verlor 2:3 gegen eine Auswahl um Götze, Dante und Shaqiri. Die Dortmunder wiederum unterlagen am Montag ohne Lewandowski im letzten Testspiel vor dem Supercup beim FC Liverpool 0:4 (0:2). Allerdings war es dabei nicht seine Offensive, die Klopp die größten Sorgen bereitet haben dürfte. Vor allem die Defensive offenbarte große Schwächen, musste sie doch ohne Torwart Roman Weidenfeller und Innenverteidiger Mats Hummels klarkommen. Hummels, soeben zum neuen BVB-Kapitän gekürt, hatte sich in Brasilien eine Sehnenreizung im Knie zugezogen, die weiter leichte Probleme verursacht. Mitte der Woche soll er wieder trainieren, den Supercup verpasst er. Wer beim FC Bayern dieses Spiel verpassen wird, darauf ist sogar Guardiola gespannt: "Der Doktor sagt am Dienstag, wer fit ist. Dann nominiere ich." Als gesichert gilt, dass der Doktor Einsätze von Franck Ribéry und Rafinha ausschließen wird. Der Franzose, der wegen vielfältiger Rücken- und Gesäßprobleme schon die WM verpasst hatte, wird wohl eine Woche pausieren müssen, diesmal allerdings wegen Problemen an der Patellasehne. Rafinha knickte am Samstag im Training um, Diagnose: Außenbandriss am linken Sprunggelenk. Richtig fit ist zumindest Manuel Neuer, der am Samstag mit einigem Recht im Mittelpunkt des Rahmenprogramms "Elfmeterschießen auf den besten Torwart der Welt" gestanden hatte, und zuvor aus ebenso guten Gründen angekündigt worden war als der "Herr-19-Ballkontakte-gegen Algerien". Neuer stand jedenfalls in den Katakomben der Arena und versicherte glaubwürdig, dass er sich "riesig freut, dass es wieder los geht". Drei Wochen Urlaub hätten "locker ausgereicht". Schön locker hätten sicher auch Dortmunder und Münchner am Mittwoch die Saison angehen können, aber dafür ist es nun zu spät. Jürgen Klopp lässt lieber ausrichten, seine Borussia sei "die einzige Spitzenmannschaft der Welt, der jedes Jahr der beste Spieler weggekauft wird, die aber trotzdem immer weiter oben mitmischt". In diesem Fall meinte er Lewandowski, nicht Reus, der ja der nächste sein könnte. Kaum auszudenken, was der Pole noch zur Debatte beigetragen hätte, wäre er nicht von der Generalkonsulin bezirzt worden. PHILIPP SCHNEIDER Bildunterschrift: Spaß beim Stadionfest: FC-Bayern-Verteidiger Dante (rechts) scherzt mit dem lädierten Ribéry, Zugang Lewandowski schaut gespannt zu. Foto:ulmer/imago Bauchlandung in Liverpool: Zugang Matthias Ginter (gelbes Trikot) verlor mit Borussia Dortmund beim Härtetest auf der Insel krachend 0:4. Foto:bpi/imago Quelle Süddeutsche Zeitung, 11.08.2014, Ausgabe Deutschland, S. 23 Ressort Sport Dokumentnummer A57775007 Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://www.genios.de:443/document/SZ__A57775007 Alle Rechte vorbehalten: (c) Sueddeutscher Verlag GmbH, Muenchen © GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH