Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes

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Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
Wirtschaftliche Auswirkungen des
Luftverkehrsdrehkreuzes München
auf Bayern
Eine vbw Studie, erstellt von dem Institut der deutschen Wirtschaft Consult GmbH
in Zusammenarbeit mit dem Economica Institut und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Stand: Oktober 2015
www.vbw-bayern.de
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Vorwort
X
Vorwort
Bayern profitiert von einem leistungsfähigen Münchner Flughafen
Wesentliche Grundlage des bayerischen Geschäftsmodells ist die Spitzenstellung beim
Export. Bayerns Wirtschaft ist global vernetzt: Jedes zweite Unternehmen ist heute
schon in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden. Für die Abwicklung von
Geschäftsbeziehungen und Warenströmen sind die Unternehmen auf eine moderne
und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur angewiesen.
Ein internationales Luftverkehrsdrehkreuz sichert und schafft Arbeitsplätze und Wertschöpfung im gesamten Freistaat. Die Wirkungen gehen weit über die Flughafenregion
hinaus. Die Studie ermittelt die direkten, indirekten und induzierten Wertschöpfungsund Beschäftigungseffekte auf Basis eines eigens entwickelten Modells. Eine zusätzliche quantitative Analyse von Standorteffekten und katalytischen Effekten zeigt auf,
dass die Präsenz eines Flughafens von internationaler Bedeutung auch zum Entstehen
einer Wissensregion führt und Innovationen am Standort fördert.
Der Flughafen München hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hub entwickelt
und ist heute der zweitwichtigste Flughafen in Deutschland. Das Wettbewerbsumfeld
entwickelt sich dynamisch – insbesondere die starke Expansion in den Golfstaaten
erzeugt erheblichen Druck auf die europäischen Standorte. Um die Drehkreuzfunktion
zu erhalten, müssen in den nachfragestarken Zeiten ausreichend viele Slots für Umsteigeverbindungen zur Verfügung stehen; anderenfalls droht eine Abwanderung von
Airlines und Flugverbindungen an andere Luftverkehrsdrehkreuze.
Wir haben in Szenarien ermitteln lassen, welche Effekte zu erwarten wären, wenn der
Münchner Flughafen seine Hub-Funktion verliert, und welche wirtschaftlichen Auswirkungen die Abwicklung zusätzlicher Flugverbindungen über erweiterte Kapazitäten
hätte. Die positiven Wirkungen eines Ausbaus für ganz Bayern wären erheblich – noch
weitaus wichtiger ist aber, dass die Hub-Funktion gebraucht wird, um Arbeitsplätze und
Wohlstand auf heutigem Niveau zu sichern. Die Berechnungen sind bewusst konservativ erfolgt. Mit einer Verbesserung der landseitigen Anbindung etwa ließe sich die Anziehungskraft des Flughafens noch deutlich steigern.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Bayerische Wirtschaft braucht einen bedarfsgerecht ausgebauten Flughafen München, und der Freistaat profitiert im Ganzen davon.
Bertram Brossardt
16. Oktober 2015
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Inhalt
X
Inhalt
1
Executive summary .................................................................................... 1
1.1
Die wesentlichen Ergebnisse in aller Kürze................................................... 1
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.2.5
1.2.6
1.2.7
1.2.8
Wichtigste Ergebnisse im Überblick .............................................................. 2
Identifikation als Hub ..................................................................................... 2
Die Anziehungskraft des Hubflughafens München ........................................ 3
Wirtschaftseffekte ......................................................................................... 3
Standorteffekte ............................................................................................. 4
Wissensökonomische Effekte ....................................................................... 5
Der Flughafen München und seine Bedeutung für bayerische Unternehmen 6
Wachstumsstarke neue Hubkonkurrenten..................................................... 7
Szenarien...................................................................................................... 7
2
Fragestellungen und Studiendesign ......................................................... 9
3
Identifikation Münchens als Hub-Flughafen ........................................... 11
4
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens .................................... 17
5
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität ................................... 29
5.1
5.1.1
5.1.2
5.1.3
Wirtschaftseffekte auf gesamtbayerischer Ebene........................................ 29
Wertschöpfungsnetzwerk Flughafen München ............................................ 29
Bruttowertschöpfungseffekte ....................................................................... 30
Beschäftigungseffekte ................................................................................. 32
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
Standorteffekte in der Flughafenregion ....................................................... 34
Flughäfen im wissensökonomischen Kontext .............................................. 36
Standorteffekte von Hub-Flughäfen: Das Fallbeispiel München .................. 38
Wissensregion Flughafen............................................................................ 49
5.3
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.3.5
Bedeutung für bayerische Unternehmen ..................................................... 58
Bedeutung von Flughäfen für die Wirtschaft ................................................ 59
Bedeutung der Güte von Flugverbindungen für die Wirtschaft .................... 65
Bedeutung von Frachtleistungen für die bayerische Wirtschaft ................... 68
Landseitige Erschließung des Flughafens München ................................... 71
Gründe für eine Ansiedlung nahe dem Flughafen München ........................ 72
6
Mögliche Entwicklungspfade ................................................................... 77
6.1
6.1.1
6.1.2
6.1.3
Wachstumsstarke neue Hub-Konkurrenten ................................................. 77
Der Ausbau der Flughafeninfrastruktur in der Golfregion und der Türkei ..... 79
Die Konzentration auf Megacities nimmt zu ................................................ 82
Unterstützung der Regierungen für die Expansionsstrategie ....................... 83
Inhalt
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München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
6.1.4
6.1.5
6.1.6
6.1.7
Kapazitätsaufteilung wichtiger Airlines ........................................................ 85
Bedrohungspotenzial für europäische Gesellschaften steigt ....................... 87
Europa-China-Verkehr mit höherer Immunität ............................................. 89
Zusammenfassung ..................................................................................... 89
6.2
6.2.1
6.2.2
6.2.3
Szenarien.................................................................................................... 91
Szenario 1: Verlust der Hub-Funktion ......................................................... 94
Szenario 2: Ausbau des Flughafens............................................................ 96
Szenario 3: Verbesserung der Erreichbarkeit .............................................. 97
7
Methodische Anhänge ............................................................................ 103
7.1
Gravitationsmodell .................................................................................... 103
7.2
Ausreißer bei der Passagierbefragung ...................................................... 106
7.3
Der Fall Prag............................................................................................. 106
7.4
7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
7.4.5
7.4.6
7.4.7
Methodik multiregionale Input-Output-Tabellen ......................................... 107
Definition von Satellitensystemen ............................................................. 107
Anwendungsmöglichkeiten von Satellitensystemen .................................. 108
Multiregionale Input-Output-Tabelle „Flughafen München“ ........................ 110
Berechnung ökonomischer Effekte ........................................................... 117
Berechnung von Wertschöpfungseffekten ................................................. 117
Berechnung von Beschäftigungseffekten .................................................. 118
Berechnung von Multiplikatoreffekten ....................................................... 118
7.5
Fragebogen zur Unternehmensbefragung................................................. 120
Quellenverzeichnis.................................................................................................... 128
Ansprechpartner ....................................................................................................... 131
Impressum ................................................................................................................ 131
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Executive summary
1
1 Executive summary
Der Flughafen München als Prosperitätstreiber und Garant für Wettbewerbsfähigkeit
1.1
Die wesentlichen Ergebnisse in aller Kürze
Der Flughafen München hat maßgeblichen Anteil an dem hohen Wohlstandsniveau in
ganz Bayern. 4,4 Milliarden Euro Wertschöpfung und fast 70.000 Arbeitsplätze werden
im gesamten Freistaat durch den Flughafen gesichert. Bayern profitiert dreifach vom
zweitgrößten Flughafen Deutschlands:
– Direkte Einbettung in die globale Wirtschaft. Ein bedeutender Teil des bayerischen
Wohlstands wird durch Exporte heimischer Unternehmen erwirtschaftet. Die ausgeprägte internationale Arbeitsteilung ist ein Garant für die starke Wettbewerbsposition, die Bayern innehat.
– Indirekte Einbettung in die globale Wirtschaft. Eine Vielzahl von Unternehmen in
Bayern ist Zulieferer bzw. Kunde von Unternehmen, die in globale Wertschöpfungsketten eingebettet sind. Diese Unternehmen profitieren dementsprechend ebenso
von der Vernetzung Bayerns mit der Welt.
– Einbettung in Forschungs- und Entwicklungsnetzwerke. Sowohl Industrie- als auch
Dienstleistungsunternehmen engagieren sich immer stärker in wissensintensiven
Netzwerken, um ihre Kernkompetenzen zu stärken und Alleinstellungsmerkmale zu
entwickeln. 70 Prozent der Unternehmen arbeiten eng mit Zulieferern und Kunden
zusammen, gut 20 Prozent mit anderen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Die dort entstehenden Innovationsimpulse spielen eine maßgebliche
Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Unternehmen – Netzwerke wirken
sich signifikant positiv auf ihren Erfolg aus.
Die hohen Mobilitätsvoraussetzungen in der heutigen Wirtschaft können vor diesem
Hintergrund nur über leistungsfähige Flughäfen bedarfsgerecht erfüllt werden. Allerdings gerät die starke Position des Flughafens München mit seiner Drehkreuzfunktion
zunehmend unter Druck. Starke neue Wettbewerber insbesondere aus dem Nahen
Osten streben konsequent auf den Markt und gewinnen sukzessive Marktanteile.
Szenarien zeigen, dass ein Verlust der Drehkreuzfunktion zu erheblichen Wohlstandsverlusten für den Freistaat führen würde. Es fielen nicht nur gut 17.000 Arbeitsplätze in
ganz Bayern weg, sondern die Wettbewerbsfähigkeit würde im Ganzen leiden. Die
Einbettung in Netzwerke würde erheblich erschwert werden, wodurch Innovationsimpulse seltener zustande kämen.
2
Executive summary
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München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Bayern als wissensintensiver und vernetzter Standort benötigt die Einbindung in die
Weltwirtschaft, um auch in Zukunft den weiter steigenden Anforderungen gerecht werden zu können. Nur so kann das hohe Wohlstandsniveau im Freistaat aufrechterhalten
werden.
1.2
1.2.1
Wichtigste Ergebnisse im Überblick
Identifikation als Hub
– Das Besondere eines Hubs besteht vor allem darin, dass Flughäfen durch die Bündelung ihrer Passagierströme Skaleneffekte erzielen können und Flughafenbetreiber
sowie Passagiere im allgemeinen und Geschäftsreisende im Besonderen von einer
höheren Attraktivität durch ein vielfältigeres Destinationsnetz und einer dichteren
Flugtaktung profitieren.
– Der Flughafen München hat sich seit seiner Eröffnung im Jahre 1992 sukzessive
von einem einfachen Flughafen hin zu einem Drehscheibenflughafen mit internationaler Strahlkraft entwickelt.
– Die Jahre 2003 und 2004 mit der Eröffnung des zweiten Terminals und der damit
einhergehenden größeren Anzahl an Flugverbindungen insbesondere im Interkontinentalverkehr spielen in dieser Entwicklung eine wichtige Rolle.
– Während der Regionalflughafen Nürnberg lediglich gut 40 Ziele (und davon viele nur
saisonal mit Blick auf den Urlaubstourismus) anfliegt, ist die Auswahl am HubFlughafen München mit gut 230 regelmäßig angeflogenen Zielen (davon viele hochrangige Interkontinentalziele) etwa sechsmal so hoch. Der Flughafen Düsseldorf
liegt mit rund 190 Zielen ebenfalls deutlich unter dem Destinationsangebot Münchens – nur Frankfurt hat in Deutschland mit knapp 300 Destinationen ein noch breiteres Angebot. München bietet dabei knapp 70 interkontinentale Destinationen
(Amerika, Afrika und Asien) an. In Düsseldorf gehören zu dieser Kategorie lediglich
knapp 40 Destinationen – Frankfurt bietet knapp 140 interkontinentale Ziele.
– Der Flughafen München gehört zu den 30 passagierstärksten Flughäfen weltweit.
Mit knapp 38,7 Millionen Passagieren im Jahr 2013 liegt der Flughafen deutschlandweit auf Platz 2 nach dem Frankfurter Flughafen mit 58,0 Millionen Passagieren. Seit 2000 hat sich die Passagierzahl um zwei Drittel erhöht. Im Vergleich dazu
kommt der drittgrößte Flughafen Deutschlands Düsseldorf derzeit auf 21,2 Millionen
Fluggäste – das Wachstum seit 2000 beträgt lediglich ein Drittel. Bis 2025 soll die
Passagierzahl am Flughafen München um rund 50 Prozent auf 58,2 Millionen weiter
anwachsen. Generell wird in dieser Prognose Engpassfreiheit, d.h. ein nachfragege-
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Executive summary
3
rechter Ausbau jeglicher Infrastruktur, unterstellt. Verspätete Ausbaumaßnahmen
führen unter Umständen zu einem verzögerten Eintreten der Prognosewerte.
1.2.2
Die Anziehungskraft des Hubflughafens München
– Die Distanz zwischen Wohnort des Passagiers und Flughafen spielt eine entscheidende Rolle – je näher der Wohnort am Flughafen München liegt, desto häufiger
wird letzterer genutzt. Dieser Zusammenhang gilt für Privatpassagiere in stärkerem
Ausmaß. Geschäftsreisen hingegen müssen absolviert werden, egal wie weit der
passende Flughafen entfernt ist. Dieses Muster gilt für die Flughäfen München,
Nürnberg sowie Frankfurt.
– Sowohl Privat- als auch Geschäftspassagiere kommen überproportional oft aus
einwohnerstarken Gemeinden, wobei für Geschäftspassagiere sogar ein noch höherer Wert ermittelt wurde. Das lässt auf eine verstärkte Präferenz von Personen in
urbanen Regionen gegenüber Personen aus ländlichen Gegenden für Flugreisen
schließen. Urbane Lebensstile, der Trend zur Reurbanisierung und die zunehmende
Einbettung von Unternehmen in wissensintensiven Netzwerken in hochurbanisierten
Regionen sind maßgeblich treibende Kräfte dieser Entwicklung.
– Sowohl Privat- als auch Geschäftspassagiere stammen bevorzugt aus Gemeinden
mit hoher Kaufkraft, wobei wiederum der Effekt für Geschäftspassagiere etwas stärker ausfällt. Hier kommen vermutlich die Flugkosten und die danach (zum Beispiel
im Urlaub) folgenden Kosten zum Tragen.
– Der Flughafen wird primär von Passagieren und Unternehmen aus der südlichen
Hälfte Bayerns genutzt. Passagiere aus Franken orientieren sich eher zum Nürnberger oder Frankfurter Flughafen.
– Eine bessere landseitige Anbindung würde die Erreichbarkeit des Flughafens München erhöhen und damit auch seine Bedeutung für die nördlichen Bezirke Bayerns
deutlich stärken.
1.2.3
Wirtschaftseffekte
– Mittels der Input-Output-Analyse wurde der volkswirtschaftliche Impact des Flughafens München für das Jahr 2012 berechnet. Auf Basis dessen wurde für den Freistaat Bayern eine Wertschöpfung von 4,4 Milliarden Euro errechnet. Dies entspricht
einem Anteil am Bruttoregionalprodukt in Höhe von 1,0 Prozent. Der jährliche Wertschöpfungsbeitrag für Deutschland beträgt sogar 5,0 Milliarden Euro.
– Der Wertschöpfungsmultiplikator liegt für Deutschland bei 1,0068. Dabei definiert
die Flughafen München GmbH (FMG) den Wertschöpfungsmultiplikator als Quotient
aus gesamtem Bruttowertschöpfungseffekt und direktem Wertschöpfungseffekt abzüglich direkten Effekts, d.h. pro am Flughafen München erwirtschafteten Euro wird
4
Executive summary
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München auf Bayern
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noch ein weiterer Euro in anderen Wirtschaftssektoren Deutschlands erwirtschaftet.
Für Bayern beträgt der Wertschöpfungsmultiplikator 0,7809.
– Am Flughafen München selbst sind 32.250 Personen direkt beschäftigt. Dazu kommen noch 35.751 indirekt Beschäftigte (deutschlandweit, inklusive Bayern) bei Vorleistungsbetrieben sowie 9.317 Beschäftigte durch Einkommenseffekte (induzierte
Effekte aufgrund der getätigten Einkäufe der Beschäftigten). Insgesamt entspricht
dies einem totalen Beschäftigungseffekt von 77.318 Personen für ganz Deutschland. Knapp 87 Prozent des gesamten Beschäftigungseffekts (67.222 Beschäftigte)
wird in Bayern selbst wirksam. Knapp jeder hundertste Arbeitsplatz in Bayern lässt
sich damit auf den Münchner Flughafen zurückführen.
– Der Beschäftigungsmultiplikator liegt für Deutschland bei 1,3975 und für Bayern bei
1,0844. Diese Werte sind sowohl für Bayern als auch Deutschland höher als die
Wertschöpfungsmultiplikatoren. Der volks- und regionalwirtschaftliche „Beschäftigungshebel“ des Flughafen Münchens ist noch größer als der „Wertschöpfungshebel“.
1.2.4
Standorteffekte
– Eine hochwertige und leistungsstarke Luftverkehrsanbindung schafft wichtige komparative Wettbewerbsvorteile für die Wirtschaft als einen Nutzer des Luftverkehrs.
Auf Basis der Analyse sozio-ökonomischer Indikatoren lassen sich die positiven Effekte des Münchner Flughafens für die Flughafenregion nachweisen.
– Die Gemeinden der Flughafenregion sind im Bayernvergleich überdurchschnittlich
stark gewachsen. Die Gemeinde Hallbergmoos im Landkreis Freising beispielsweise war zwischen 1980 und 2012 die wachstumsstärkste Gemeinde Bayerns bezogen auf die Einwohner.
– Das starke Wirtschaftswachstum innerhalb der Flughafenregion hat zu einem massiven Beschäftigungsaufbau dort geführt. Bayernweit zählen die Gemeinden der
Flughafenregion zu den wachstumsstärksten Gemeinden. In Westdeutschland rangieren die Landkreise Erding (Platz 5) und Freising (Platz 2) unter den Landkreisen
mit den höchsten Beschäftigungszuwächsen im Zeitraum von 1980 bis 2013.
– Zwischen 1980 und 2013 lag das durchschnittliche jährliche Beschäftigtenwachstum
in der Flughafenregion bei 2,4 Prozent. Vergleichsregionen mit einer ähnlichen sozio-ökonomischen Struktur in den 80er Jahren verzeichnen ein deutlich geringeres
Wachstum (Bayern: 0,4 Prozent; Deutschland. 0,9 Prozent).
– Die positiven wirtschaftlichen Effekte zeigen sich besonders deutlich in der prozentualen Veränderung des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner. Mit einer durchschnittlichen Zuwachsrate von 2,7 Prozent pro Jahr lag die Wachstumsrate des BIP je
Einwohner deutlich über den Wachstumsraten der Vergleichsregionen Bayerns und
Deutschlands (beide 2,1 Prozent).
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1.2.5
Executive summary
5
Wissensökonomische Effekte
– In den zurückliegenden Jahren hat sich das unmittelbare Umfeld von Flughäfen zunehmend zu Kristallisationspunkten der Wissensökonomie und zu Zentren der Innovation verdichtet. Ein weltweit gutes Beispiel für diesen Entwicklungsprozess ist der
Flughafen München.
– Die Flughafenregion ist Standort einer Vielzahl von wissensintensiven Global Playern unterschiedlichster Branchenherkunft.
– Wissensintensive Unternehmen profitieren hierbei von einer Vielzahl von namhaften
Bildungs- und Forschungseinrichtungen in der Flughafenregion und darüber hinaus.
Indikatoren des Büroimmobilienmarkts spiegeln diesen Entwicklungsprozess wider.
– Der strukturelle Wandlungsprozess der Flughafenregion hin zur Wissensregion zeigt
sich besonders deutlich anhand der Entwicklung der Qualifikationsstruktur. So
wuchs der Anteil Hochqualifizierter pro 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
zwischen 2001 und 2011 um durchschnittlich 2,6 Prozent und lag zuletzt bei 8,6
Hochqualifizierten je 100 Beschäftigte – die Vergleichsregionen sind jeweils 2011
lediglich 5,6 Hochqualifizierte von 100 Beschäftigten tätig.
– Die Flughafenregion ist nicht nur Wissens-, sondern auch Erfinder- und Innovationsregion. Die hohe Innovationsdynamik im Vergleich zu strukturähnlichen Regionen in
Bayern und Deutschland lässt sich dabei sowohl in der absoluten Anzahl registrierter Patente als auch in der Anzahl der Patente in Relation zur Einwohnerzahl erkennen. In beiden Fällen nehmen die Landkreise der Flughafenregion Spitzenpositionen ein.
– Die Patentintensität je 10.000 Einwohner lag zwischen 2010 und 2014 bei einem
Wert von 29,8. Strukturähnliche Regionen Bayerns und Deutschlands zeigen eine
deutlich geringer ausgeprägte Innovationsdynamik. Hier lag die Patentintensität bei
lediglich 18,0 beziehungsweise 10,8 Patentanmeldungen je 10.000 Einwohner.
– Die herausgehobene Situation des Flughafenumfeldes und der Landeshauptstadt
als hoch vernetzter und leistungsfähiger Raum generiert positive Impulse für ganz
Bayern. Erstens sichern die direkt in nationale und internationale Forschungs- und
Entwicklungsnetzwerken eingebundenen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit
und den hohen Wohlstand im Freistaat. Zweitens profitieren Unternehmen im Freistaat von der Wissensgenerierung über Netzwerke. Über 70 Prozent der Unternehmen in Bayern sind eingebunden in Entwicklungskooperationen mit Zulieferern oder
Kunden, rund ein Viertel der Unternehmen arbeitet mit wissenschaftlichen Instituten
oder Universitäten zusammen.
6
1.2.6
Executive summary
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Der Flughafen München und seine Bedeutung für bayerische Unternehmen
– Bayern internationalisiert seine Wertschöpfungsketten und -netzwerke zunehmend
und profitiert hierbei von der verstärkten Offenheit der Weltwirtschaft. In diesem Zusammenhang leisten Flughäfen einen essentiellen Beitrag für die Leistungsfähigkeit
der Unternehmen in ganz Bayern. Fast 40 Prozent nutzen Flughäfen für die Passage und gut 20 Prozent, um Frachtdienstleistungen in Auftrag zu geben.
– Während Beschäftigte bei fast drei von vier großen Unternehmen, die grundsätzlich
Flughäfen nutzen, regelmäßig geschäftlich per Flugzeug reisen, fällt der Anteil bei
kleinen Unternehmen mit gut 40 Prozent deutlich niedriger aus. Bei Frachtdienstleistungen sind die Anteile rund 33 Prozent zu knapp 20 Prozent verteilt.
– Knapp 95 Prozent der Flüge von bayerischen Unternehmen werden über die drei
Flughäfen München, Nürnberg und Frankfurt am Main abgewickelt. Dem Flughafen
München fällt dabei mit Abstand die wichtigste Rolle zu.
– Jüngere Unternehmen, die nach 1992 gegründet wurden, nutzen Flughäfen häufiger
als Unternehmen, deren Gründungsjahr vor 1992 liegt – unabhängig von ihrem Firmensitz. Die Bedeutung von Flughäfen wird demnach auch in Zukunft mit jeder
Neugründung weiter steigen.
– Die Güte der Flugverbindung wirkt sich positiv auf internationale Investitionsentscheidungen aus.
– Die betriebliche Standortwahl ist zumeist das Ergebnis eines komplexen Abwägungsprozesses unterschiedlichster Standortargumente. Hauptansiedlungsgründe
von Unternehmen in der Region Flughafen München (Landkreise München, Erding
und Freising und Landeshauptstadt München) liegen in der guten Straßeninfrastruktur und den attraktiven Gewerbeflächen.
– Die gute Erreichbarkeit von Flugzielen ist vor allem für die Unternehmen wichtig, für
die eine regelmäßige Flugtätigkeit von hoher Relevanz für ihren Geschäftserfolg ist.
Mehr als vier von fünf dieser Unternehmen nennen die räumliche Nähe zum Flughafen als Ansiedlungsgrund.
– Trotz seiner hohen Anziehungskraft auf Unternehmen zeichnet sich das Umfeld des
Münchner Flughafens im Vergleich zu anderen Fallbeispielen wie Frankfurt am Main
oder Amsterdam durch relative günstige Gewerbeimmobilienpreise aus. So liegt die
Durchschnittsmiete bei Gewerbeimmobilien im Umland des Flughafens seit 2012 bei
rund 9 Euro je Quadratmeter, während in der Innenstadt von München durchschnittliche Mieten von gut 15 Euro je Quadratmeter gezahlt werden. Ursächlich für diesen
Umstand ist u. a. eine schlechtere landseitige Anbindung des Standorts, wie Vergleiche zu den Flughäfen in Frankfurt oder Amsterdam zeigen.
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1.2.7
Executive summary
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Wachstumsstarke neue Hubkonkurrenten
– Der Flughafen München hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten seit seiner
Eröffnung zu einem wichtigen Drehkreuz im internationalen Luftverkehr entwickelt.
Gleichzeitig wird der Flughafen mit einem verschärften Wettbewerbsumfeld und
dem Aufstreben neuer Konkurrenten konfrontiert. Gefahren drohen vor allem aus
der Türkei und den Golfstaaten mit ihren wachstumsstarken Fluggesellschaften, hohen finanziellen Ressourcen und schnellen Planungsverfahren beim Infrastrukturausbau.
– Die arabische Halbinsel und die Türkei positionieren sich zunehmend als Drehscheibe im globalen Ost-West-Verkehr sowie im Verkehr zwischen Asien und Afrika
und Europa und Afrika. Die Stärke der Fluggesellschaften zeigt sich vor allem auf
den südostasiatischen Routen und im Australiengeschäft.
– Der strukturelle Wandel lässt sich anhand der Verschiebung von Passagierströmen
erkennen. Während 2005 noch drei Viertel der Passagiere zwischen Indien und den
USA in Europa umstiegen und nur vier Prozent auf der arabischen Halbinsel bzw. in
der Türkei, waren es 2013 nur noch 46 Prozent in Europa und schon 38 Prozent am
Golf beziehungsweise in der Türkei.
– Von 2004 bis 2014 wuchs der Anteil von Golf-Airlines im Europa-, Mittelost- und
Asienverkehr von 8,2 Prozent auf 18,5 Prozent.
– Während die Drehscheibenflughäfen in der Türkei und am persischen Golf von 2010
bis 2013 hinsichtlich der Passagierzahlen zwischen 40,9 Prozent (Dubai) und 59,7
Prozent (Istanbul) wuchsen, lagen die Wachstumsraten in Europa deutlich niedriger.
So stiegen die Passagierzahlen beispielsweise am Flughafen Paris Charles de
Gaulle um 7,1 Prozent und am Flughafen Amsterdam Schiphol um 16,2 Prozent.
Der Flughafen München konnte ein Wachstum von 11,4 Prozent verzeichnen.
– Insgesamt konnte sich der Flughafen München in den zurückliegenden Jahren im
Kontext der großen europäischen Drehkreuze gut behaupten und sogar Verkehr
und prozentuale Anteile hinzugewinnen. Dennoch ist durch die Entwicklungen insbesondere im Nahen Osten Aufmerksamkeit gefragt, da die Wettbewerber schnell
aufholen und weniger Planungs- und Finanzierungsschwierigkeiten ausgesetzt sind
als deutsche Wettbewerber. Sollten sich die relativen Anteilsverluste weiter in dieser
Geschwindigkeit entwickeln, wird ein zweiter Hub-Flughafen in Deutschland früher
oder später in Frage gestellt.
1.2.8
Szenarien
– Auf Basis des Gravitationsmodells lassen sich die ökonomischen Auswirkungen
verschiedener Szenarien untersuchen. In der vorliegenden Studie wurden drei
Hauptszenarien berücksichtigt, ein Verlust der Hub-Funktion, der Bau einer dritten
8
Executive summary
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
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Start- und Landebahn sowie eine verbesserte landseitige Anbindung des Flughafens München.
– Verlust der Hub-Funktion: Gesetzt die Annahme, dass der Flughafen München aufgrund einer fehlenden Hub-Funktion für Passagiere genauso attraktiv wäre wie die
Flughäfen Stuttgart, Salzburg oder Leipzig, müsste man mit dem Verlust von über
1,1 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung in Deutschland (-0,9 Milliarden Euro in
Bayern) und dem Verlust von über 22.500 Beschäftigten (davon mehr als 17.300
Beschäftigte in Bayern) rechnen. Anders herum betrachtet beziffern diese Zahlen
den Wert der Hub-Funktion des Flughafens München. Ein abgemildertes Szenario,
in dem davon ausgegangen wird, dass der Flughafen München zehn vor 40 hochrangingen Interkontinentalzielen verliert, beziffert die Beschäftigungsverluste auf
12.000 im Freistaat und bis zu 15.000 in Deutschland. Dieses Szenario kann so interpretiert werden, dass der Flughafen München aufgrund der ökonomischen Stärke
der Landeshauptstadt auch bei Verlust der Hub-Funktion noch eine ähnliche Bedeutung aufwiese wie die Flughäfen Düsseldorf, Berlin-Tegel oder Hamburg.
– Bau der dritten Start- und Landebahn: Die zusätzliche Bruttowertschöpfung betrüge
fast exakt eine Milliarde Euro für Deutschland (0,9 Milliarden Euro für Bayern). Dabei würden 19.900 Arbeitsplätze (davon 15.316 Arbeitsplätze in Bayern) geschaffen
werden. Diese Werte sind als Untergrenze anzusehen, da die variablen Kosten der
dritten Start- und Landebahn derzeit unbekannt sind und die direkten Beschäftigungseffekte auf der Steigerung der Passagierzahlen (bis zu 20.000 Arbeitsplätze)
unberücksichtigt bleiben.
– Ausbau der landseitigen Erreichbarkeit: Als letztes Szenario wurden vier Annahmen
über eine landseitig verbesserte Zufahrt zum Flughafen München getroffen (bessere
Anbindung der Landeshauptstadt, bessere Anbindung über die nördlich, nordöstlich
und südöstlich verlaufenden Verkehrsachsen). Auch hier sind die direkten Beschäftigungseffekte nicht berücksichtigt, weshalb auch dieses Szenario konservativ gerechnet ist. Die wirksamste Maßnahme stellt eine Verbesserung des Anschlusses
nach München dar, da dadurch auch ein großer Teil Süd- und Südwestbayerns profitiert. Hier kann ein Bruttowertschöpfungseffekt von bis zu knapp über 100 Millionen
Euro (davon etwa 90 Millionen in Bayern). Damit zusammen hinge der Aufbau von
gut 2.100 Arbeitsplätzen (davon 1.600 in Bayern). Eine bessere Anbindung bspw.
über die nördliche bzw. südöstliche Verkehrsachse würde dazu führen, dass der
Flughafen München auch für Franken und Österreicher schneller erreichbar wäre.
Die direkte Ausstrahlung und damit die Bedeutung des Flughafens München für die
beiden Regionen würden damit zunehmen.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
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Fragestellungen und Studiendesign
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Fragestellungen und Studiendesign
Analyse des Einflusses des Flughafens München auf den Freistaat Bayern
Der Vernetzungsgrad der Weltwirtschaft nimmt immer weiter zu. In diesem Zusammenhang steigt die Bedeutung der Luftverkehrswirtschaft, denn im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern erfüllt das Flugzeug wie kein anderes Transportmedium die
Erfordernisse einer global orientierten Wirtschaft nach raumübergreifender Mobilität
und Flexibilität. Dies gilt vor allem für den Freistaat Bayern mit seiner stark international
vernetzten Wirtschaft.
Das hohe Wohlstandsniveau im Freistaat Bayern setzt eine entsprechend hohe Produktivität voraus, die sich nicht ohne ausgeprägtes arbeitsteiliges Wirtschaften erzielen
lässt. Es sind die Verkehrsinfrastrukturen und die gesunkenen Mobilitätskosten, die
das Entbündeln der Wertschöpfungskette erst ermöglichen, die am besten geeigneten
Zulieferer einzubinden helfen und das für moderne Gesellschaften typische räumliche
Auseinanderfallen von Produktion und Konsum gestatten.
Flughäfen sind damit besonders strukturrelevant, binden sie doch eine Region in globale Waren- und Wissensströme ein. Neben dieser verkehrlichen Funktion gehen von
Flughäfen aber auch eine Reihe weiterer positiver Effekte aus. Hauptsächlich sind es
Agglomerationseffekte in Form von höheren Unternehmensdichten, Innovations-,
Gründungs- oder Erfinderintensitäten in der Umgebung von Flughäfen. Besonders
ausgeprägt sind diese Effekte an Flughäfen mit Drehscheibenfunktion, wie zum Beispiel dem Flughafen München.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen
des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf den Freistaat Bayern. Um sich dieser zentralen Frage zu nähern, wurde ein innovativer und umfassender methodischer Zugang
entwickelt, der unterschiedlichste quantitative Methoden miteinander verschränkt. Es
wurde ein Gravitationsmodell der neuesten Art eingesetzt, flankiert von einem multiregionalen Input-Output-Modell, über das die ökonomischen Effekte des Münchner Flughafens analysiert werden können. Darüber hinaus wurden eine breit angelegte Unternehmensbefragung und eine Patentanalyse durchgeführt sowie öffentliche Statistiken
und die aktuelle Literatur ausgewertet.
Zunächst wird auf Basis eines Gravitationsmodells der neuesten Generation der Effekt
von geografischer und zeitlicher Distanz zwischen wirtschaftlichen Akteuren im ökonomischen Kontext integriert (Kapitel 1). Es lässt sich damit errechnen, welcher Anteil
des Passagieraufkommens des Flughafens Münchens autonom ist – also nur von den
Gegebenheiten der Region abhängt – und welcher Teil eine darüber hinausgehende
überregionale Carrier- und Hub-Funktion hat. Dabei soll die Bedeutung des Münchner
Flughafens als internationales Drehkreuz herausgearbeitet werden. Das Ziel dieses
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Fragestellungen und Studiendesign
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Untersuchungsmoduls besteht darin, quantitativ die Bedeutung der Hub-Funktion des
Flughafens München zu bestimmen – dafür werden in Kapitel 3 die Grundlagen gelegt.
Auf Basis der Analysen wurde ein multiregionales Input-Output-Modell erarbeitet, über
das direkte, indirekte und induzierte Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte des
Flughafens Münchens errechnet werden (Kapitel 5.1). Anschließend erfolgt eine Betrachtung der katalytischen Effekte, die vom Flughafen München ausgehen, mit besonderem Blick auf die Wissensökonomie (Kapitel 5.2). Ergänzend dazu stellt eine groß
angelegte Unternehmensbefragung den Zusammenhang zwischen der unternehmerischen Tätigkeit in Bayern und der Notwendigkeit eines Flughafen her, um internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit den hohen Wohlstand in Bayern auch in Zukunft
gewährleisten zu können (Kapitel 5.3).
Da es sich bei der Luftverkehrswirtschaft um einen zunehmend volatileren Wirtschaftszweig handelt und sich die Konkurrenzkulisse durch das Aufstreben neuer internationaler Wettbewerber zunehmend verschärft, ist es angebracht, sich in einem weiteren
Schritt (Kapitel 6.1) einen Überblick über das derzeitige Wettbewerbsumfeld des Drehscheibenflughafens München zu verschaffen.
Darauf aufbauend werden in Kapitel 6.2 drei Szenarien vorgestellt, wie die weitere
Entwicklung des Münchner Flughafens laufen könnte. Das erste Szenario bewertet
einen Verlust der Hubfunktion, das zweite Szenario berücksichtigt den Bau einer dritten
Start- und Landebahn. Das dritte Szenario beschäftigt sich schließlich mit einer verbesserten Erreichbarkeit des Flughafens.
Kapitel 1 stellt für den methodisch interessierten Leser die Vorgehensweisen bei der
Erarbeitung des Gravitationsmodells sowie bei der Erstellung der multiregionalen InputOutput-Tabellen vor.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
3
Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
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Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
München – Drehscheibe im globalen Luftverkehr
Im Gegensatz zu anderen Flughafenkategorien zeichnet sich ein Hub durch seine Knotenpunktfunktion innerhalb des internationalen Luftverkehrs aus. Solche Knotenpunkte
im globalen Luftverkehr, auch Drehkreuze genannt, sind aus Kosten- und Effizienzüberlegungen der Fluggesellschaften heraus entstanden, weil der so genannte Punktzu-Punkt-Verkehr – also Direktverbindungen zwischen einzelnen Destinationen – für
die Fluggesellschaften speziell auf Mittel- und Langstrecken in vielen Fällen nicht mehr
profitabel war. Das Passagieraufkommen war zu gering, die Flugzeuge halb leer (vgl.
Fraport, 2014). Das Besondere eines Hubs besteht vor allem darin, dass Flughäfen
durch die Bündelung ihrer Passagierströme Skaleneffekte erzielen können und Flughafenbetreiber sowie Passagiere im Allgemeinen und Geschäftsreisende im Besonderen
von einer höheren Attraktivität durch ein vielfältigeres Destinationsnetz und einer dichteren Flugtaktung profitieren.
Bis heute hält die Literatur keine allgemeingültige Definition eines Hub-Flughafens bereit (vgl. Rodriguez-Deniz et al., 2013). Es herrscht jedoch ein Einverständnis darüber,
dass ein Hub ein Flughafen ist, der über eine deutlich überdurchschnittliche Anzahl von
Flugzielen verfügt und damit zu einem Drehkreuz für umsteigende Passagiere werden
kann. Weitere Eigenschaften können unter anderem regionale Zubringerflüge und eine
zeitliche Abstimmung der Anschlussflüge sein.
Intuitiv kann man annehmen, dass ein Flughafen durch den Service als Hub überproportional viele Passagiere anziehen wird. Es stellt sich hier allerdings sofort die Frage:
überproportional im Verhältnis wozu? Als offensichtliche Antwort kann hier die Anzahl
der Flüge als Maßstab dienen.
Eine weitere Frage ist, auf welche Passagiertypen sich die Eigenschaft des Hubs auswirken könnte. Aus der Definition des Hubs heraus sollte sich der Anteil der Transferpassagiere, auch „Umsteiger“ genannt, erhöhen. Weiterhin kann man vermuten, dass
auch die Zahl der Personen im Quellaufkommen (Passagiere, die vom Wohnort aus
landseitig zum Flughafen kommen) zunehmen könnte, da diese vom erweiterten Angebot an Flügen angezogen werden.
Zum Flughafen München konnten zu diesem Zweck unter anderem die absolute Anzahl von Passagieren (zurück bis 1970), die Anzahl der regelmäßig angeflogenen Ziele
(zurück bis 2000, sowie 1992), sämtliche angeflogenen Ziele (inklusive der nicht regelmäßig angeflogenen) aufgeschlüsselt nach Zielen und Passagierzahlen (zurück bis
1992) in Erfahrung gebracht werden. Details der Passagiere liegen zu den Umsteigern
(zurück bis 1995) und dem Quellaufkommen (zurück bis 1997) vor. Diese Zahlen
stammen entweder aus öffentlich zugänglichen Berichten (Geschäftsberichte und dergleichen) oder wurden vom Flughafen München auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
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Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
In Abbildung 1 wird die Auswirkung der Anzahl von Flügen auf das Quellaufkommen
dargestellt. Da es möglich ist, dass Passagiere von unterschiedlichen Flugangeboten
unterschiedlich stark angezogen werden, ist nicht nur die Zahl der regelmäßig angeflogenen Ziele (dunkelgrau, Mitte), sondern auch der Ziele mit mehr als 10.000 Passagieren (blau, links) sowie die Anzahl aller Ziele (dunkelblau, rechts) eingetragen. Dabei
zeigt sich, dass bei keiner dieser Angebotstypen ein Knick in der Nachfrage (daher in
der Passagierzahl) zu erkennen ist.
Für alle drei Typen gilt ein linearer Zusammenhang – je mehr Flugziele, desto mehr
Passagiere. Bei den Flügen mit mehr als 10.000 Passagieren stieg die Anzahl der
Flugziele beispielsweise von 147 auf 189 im Zeitraum von 1997 bis 2013. Gleichzeitig
wuchsen die Passagierzahlen im Quellaufkommen von 8,9 Millionen auf 14,5 Millionen.
Dieser Zusammenhang ist zwar linear, aber deutlich überproportional: Nahm die Anzahl der regelmäßigen Flugziele beispielsweise lediglich um knapp sieben Prozent zu,
wurden gleichzeitig 33,5 Prozent mehr Passagiere transportiert. Dieser Effekt kommt
höchstwahrscheinlich durch das allgemeine Wachsen der Nachfrage nach Flügen im
Lauf der Zeit zustande. Der Hub-Effekt wird daher vermutlich von diesem Wachstum
überlagert.
Abbildung 1
Zusammenhänge zwischen der Anzahl von Flugzielen mit mehr als 10.000
Passagieren, regelmäßig angeflogenen Zielen und aller Ziele mit Quellaufkommen
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
13
Dieselben Untersuchungen wurden für innerdeutsche Flüge, Kontinentalflüge und Interkontinentalflüge durchgeführt, wobei jedoch stets derselbe lineare Zusammenhang
erkennbar war. Einige Male schienen Ansätze von Nichtlinearitäten erkennbar, aufgrund der vergleichsweise wenigen Datenpunkte zeigten die zur Analyse verwendeten
Statistiken aber keine signifikanten Ergebnisse.
Im Fall der Umsteiger zeigt sich hingegen ein anderes Bild. Hier konnte, wie in Abbildung 2 zu sehen, ein Knick bei etwa 35 bis 40 interkontinentalen Flugzielen mit mehr
als 10.000 Passagieren nachgewiesen werden. Die mittelblaue (mittlerer Abschnitt)
und dunkelblaue Linie (rechter Abschnitt) zeigen die Regressionsgeraden vor bzw.
nach dem Jahr 2004. Dieser Zeitpunkt ist insofern bemerkenswert, als im Sommer
2003 das Terminal 2 eröffnet werden konnte, welches die Kapazität des Flughafens auf
25 Millionen Passagiere verdoppelte. Ob sich dieser Knick aus der Inbetriebnahme von
Terminal 2 oder der Anzahl der gut besetzten Interkontinentalflüge ableitet, ist anhand
der Daten nicht mit letztgültiger Sicherheit zu beantworten. Für letzteres spricht allerdings, dass sich das Jahr 2004 in den anderen Daten nicht besonders heraushebt, bei
den Interkontinentalflügen mit mehr als 10.000 Passagieren aber eine wichtige Rolle
spielt.
Abbildung 2
Zusammenhänge zwischen der Anzahl von interkontinentalen Flugzielen mit
mehr als 10.000 Umsteigern
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
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Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Für die Studie von besonderem Interesse sind Steigungen der Geraden in Abbildung 2.
Die mittlere, mittelblaue Gerade zeigt ein Verhältnis von 420.000 Umsteigern je hochrangigem interkontinentalem Flugziel, die obere, dunkelblaue Gerade eines von
1,64 Millionen Umsteigern. Die Steigung der zweiten Geraden ist allerdings von stärkerer Ungenauigkeit behaftet, was zu einem guten Teil der Wirtschaftskrise in den Jahren
2008 und 2009 zuzurechnen ist.
Interessant ist, dass die mittlere, mittelblaue Linie bei etwa 15 hochrangigen interkontinentalen Flugzielen durch die x-Achse stoßen würde, was gleichbedeutend mit „keine
Umsteiger“ ist. Da anzunehmen ist, dass es auch bei wenigen derartigen Flügen noch
Umsteiger geben wird, kann man diese mittlere Gerade nicht linear weiter verlängern.
Vielmehr ist anzunehmen, dass die tatsächliche Funktion eine weitere Biegung beschreibt, um durch den Nullpunkt gehen zu können. Das ist mit der links unteren, grauen Geraden dargestellt. Vermutlich muss diese Linie sogar noch flacher und höher
verlaufen, da auch ohne hochrangige interkontinentale Flüge mit Umsteigern zu rechnen ist. Diese drei Geraden zeigen gut den deutlich überproportionalen Zusammenhang zwischen den hochrangigen interkontinentalen Flügen und den Umsteigern.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Frage, ab wann der Flughafen München zum Hub geworden ist, sich nicht mit letztgültiger Klarheit beantworten lässt. Sicherlich spielten die Jahre 2003 bzw. 2004 (als erstes ganzes Jahr mit Terminal 2) eine
wesentliche Rolle. Der Knick zwischen den beiden Regressionsgraden in Abbildung 2
legt nahe, dass die Eröffnung des Terminals 2 eine markante Rolle auf dem Weg zum
Hub spielt. Die Infrastrukturausstattung des Flughafens scheint eine wichtigere Rolle
zu spielen als die reine Anzahl der Flugziele, wenn diese beiden sich überlagernden
Effekte separiert werden. Aufgrund der Berechnungen liegt zumindest für den Flughafen München der Schluss nahe, dass erst das Terminal 2 die notwendigen Kapazitäten
geschaffen hat, um je weiterem hochrangigem Interkontinentalziel deutlich mehr
Passagiere anzuziehen. Eine Mindestzahl an hochrangigen Interkontinentalzielen ist
ebenfalls für die Ausübung einer Hub-Funktion notwendig. In München liegt die Zahl
bei rund 35 Zielen.
Von 2000 bis 2013 konnte der Flughafen München somit einen Passagierzuwachs von
zwei Dritteln auf 38,7 Millionen verzeichnen. Düsseldorf als drittgrößter Flughafen
Deutschlands erzielte im gleichen Zeitraum lediglich ein Wachstum von einem Drittel
auf zuletzt 21,2 Millionen Passagiere (vgl. Geschäftsberichte der Flughäfen, 2013 und
2003). Heute gehört der Flughafen München zu den 30 passagierstärksten Flughäfen
weltweit (vgl. Airports Council International, 2013). Mit rund 6,5 Millionen Reisenden im
außereuropäischen Passagierverkehr liegt der Anteil interkontinentalen Flugverkehrs
bei rund 17 Prozent. In Düsseldorf liegt dieser Anteil bei lediglich 13 Prozent. Flughäfen wie Nürnberg oder Stuttgart kommen auf einen Anteil von rund 4,5 Prozent, BerlinTegel auf rund 5,6 Prozent. Frankfurt als der Mega-Hub in Deutschland erzielt einen
Anteil von knapp 40 Prozent (vgl. ADV- Monatsstatistik, 2014).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Identifikation Münchens als Hub-Flughafen
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Die fast vier Millionen Passagiere mit Interkontinentalzielen, die München im Vergleich
zu Düsseldorf mehr aufweist, ermöglichen dem Standort ein viel differenzierteres Destinationsnetz. Während München 67 interkontinentale Destinationen (Amerika, Afrika
und Asien, ohne Passagierlimits) anbietet, sind es in Düsseldorf lediglich 36 interkontinentale Destinationen – am Frankfurter Flughafen können Passagiere zwischen rund
140 interkontinentalen Destinationen wählen (vgl. Geschäftsberichte der Flughäfen,
2013).
Der Flughafen Düsseldorf kann als guter Vergleich herangezogen werden, konnte dieser sich doch in den zurückliegenden Jahren zunehmend als drittes Drehkreuz der
Lufthansa vor all im Bereich des Interkontinentalverkehrs etablieren und eine hubähnliche Qualität aufbauen. So bieten die Lufthansa und andere Fluggesellschaften heute
im Vergleich zu den anderen Flughäfen in Deutschland bis auf Frankfurt und München
eine Vielzahl an Langstreckenverbindungen nach Nordamerika und Asien ab Düsseldorf an.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Flughafen München: Infrastruktureinrichtung mit hoher Anziehungskraft
Im Folgenden wird die Anziehungskraft des Flughafens München für die Gemeinden in
ganz Bayern analysiert. Zur Erhöhung der Lesbarkeit wird an dieser Stelle von theoretischen Ausführungen Abstand genommen. Ausführliche Darstellungen hierzu finden
sich im methodischen Anhang im Unterkapitel 7.1.
Da beim Gravitationsmodell die Passagieranzahl aus den umliegenden Wohnorten
analysiert wird, findet im Folgenden nur das Quellaufkommen Beachtung. Dieses umfasst einsteigende Passagiere, die von ihrem Wohnsitz zum Flughafen reisen, um von
dort abzufliegen. Daneben gibt es noch eine andere Kategorie von Einsteigern, nämlich die Besucher. Das sind Passagiere, beispielsweise aus den USA, die bereits nach
München geflogen sind, dort ihrem Reisezweck nachgekommen sind und jetzt einsteigen, um zurückzufliegen. Datengrundlage ist eine Passagierbefragung am Flughafen
München durch die Flughafen München GmbH (FMG), an der gut 37.000 Passagiere
im Jahr 2013 teilgenommen haben. Methodisch kommt ein leistungsstarkes Gravitationsmodell der neuesten Generation zum Einsatz, welches den Effekt von geografischer und zeitlicher Distanz zwischen wirtschaftlichen Akteuren in die ökonomische
Berechnung integriert.
In Abbildung 3 werden die Anteile der Passagiere an der Wohnbevölkerung der Gemeinden dargestellt. Zur besseren Sichtbarkeit wurden die Farbwerte auf den Wert von
München normiert. Alle Gemeinden, deren Anteil höher als München war, wurden also
auf den Farbwert der Hauptstadt kalibriert (bei den Berechnungen wurden natürlich die
Originalwerte verwendet). Die Farbwerte der beiden Grafiken lassen sich daher nicht
direkt miteinander vergleichen.
Durch die Darstellung der Anteile wird in diesen Grafiken die „Strahlkraft“ des Flughafens im Sinn der Attraktivität auf potenzielle Passagiere erstmals sichtbar. Die Farbskalen sind hier linear (abgesehen von den verkürzten Ausreißern, die über München
hinausragen würden), weshalb die mittleren Blautöne auch etwa die halben Anteile der
dunklen Blautöne darstellen. Dreidimensional gedacht ist daher rund um den Flughafen
München eine Art Kegel zu erkennen, der mit zunehmender Distanz immer niedriger
wird und flach ausläuft. Da die Distanz in dieser Studie als Zeit gemessen wird, ist es
auch zu erklären, warum die großen Verkehrsachsen im Münchner Umfeld gut erkennbar sind. Die A8 und A93 von München in Richtung Südsüdost nach Kufstein sind
sichtbar, ebenso die A92 nach Nordosten und die A9 in Richtung Norden nach Ingolstadt sowie die A96 in Richtung Westsüdwest.
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 3
Anteil der Passagiere an der Bevölkerung mit privatem (oben) und
geschäftlichem (unten) Reisegrund
Darstellung: eigene Darstellung Economica, Näheres zur Methodik s. Kapitel 7.1
Datengrundlage: Flughafen München
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
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Die aktuelle Grenze der Attraktivität nach Norden ist ebenso erkennbar. Bis etwa Regensburg, Ingolstadt und Augsburg sind noch erhöhte Passagieranteile sichtbar, jenseits davon sind selbst blass-blaue Farben und damit sehr geringe Passagierzahlen
nur sehr selten zu beobachten.
Hier stellt sich nun die Frage, von welchen Flughäfen die Bewohner der in mittlerer
Distanz zu den Flughäfen liegenden Gemeinden – etwa jener südlich von München in
direkter Alpennähe – abfliegen. Die näheren Ausführungen zur Methodik in Kapitel 7.1
zeigen, dass die Neigung, einen Flug zu unternehmen, über ganz Bayern gleich verteilt
sein müsste oder zumindest sein könnte. Tatsächlich spielt aber die Distanz eine derart
wesentliche Rolle (mehr bei Privaten, weniger bei den Geschäftsreisenden, wie sich
zeigen wird), dass sie auch darüber entscheidet, ob überhaupt eine Flugreise unternommen wird oder nicht. Dieses Ergebnis zeigt sich auch bei anderen Studien immer
wieder und kann beispielsweise bei Studierenden an den Technischen Universitäten
oder an Fachhochschulen nachgewiesen werden (vgl. Fichtinger et al., 2012 und Grohall et al., 2005). Die Nähe zu einer derartigen Bildungseinrichtung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dort zu studieren, statistisch höchst signifikant und ist oft wesentlicher
als die persönlichen Vorlieben für weiter entfernt angebotene Studienrichtungen. Wenn
man solche Verhaltensmuster bei derart wichtigen Entscheidungen beobachten kann,
erscheint es weniger erstaunlich, dass sie sich auch bezüglich Flugreisen zeigen.
Zusätzlich gilt, dass bei Geschäftsreisenden die Kaufkraft eine etwas wichtigere Rolle
spielt, weshalb aus urbanen Regionen und dem Münchner Umland bevorzugt Geschäftspassagiere anzutreffen sind.
Die Ergebnisse des Gravitationsmodells für die Anzahl der Geschäfts- und Privatpassagiere sind in Tabelle 1 abzulesen. Neben jeder erklärenden Variablen steht zunächst
der entsprechende Koeffizient der Geschäftspassagiere, welcher als Elastizität zu interpretieren ist: Steigt die Anzahl der Einwohner einer Gemeinde um 1 Prozent, steigt
die Anzahl der Geschäftspassagiere im Durchschnitt um 2,29 Prozent. Der daneben
stehende P-Wert ist – nicht vollständig korrekt, dafür verständlicher erklärt – die Wahrscheinlichkeit, mit der die erklärende Variable in Wahrheit keinen Einfluss auf das Passagieraufkommen hat. Die korrekte Definition des P-Wertes ist die Wahrscheinlichkeit,
dass bei gültiger Null-Hypothese ein Wert auftritt, der zumindest so extrem ist wie der
tatsächlich beobachtete Wert. Die Null-Hypothese hier lautet, dass der Koeffizient in
Wahrheit den Wert 0,0 besitzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl der Einwohner
einer Gemeinde keinen Einfluss auf das dortige Geschäftspassagieraufkommen besitzt, beträgt 0,02 Prozent und ist statistisch höchst signifikant.
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Tabelle 1
Ergebnisse des Gravitationsmodells
Geschäftlich
Privat
Koeffizient
P-Wert
Koeffizient
P-Wert
2,29
0,0002
2,08
0,0183
Zeit MUC
-0,64
0,0008
-0,99
0,0001
Zeit NUE
0,62
0,0033
0,20
0,4304
Zeit FMM
0,06
0,8200
-0,13
0,7048
Zeit SZG
-0,16
0,4308
0,27
0,3131
Zeit FRA
0,78
0,0119
2,10
0,0000
Zeit HOQ
-0,11
0,8194
0,00
0,9947
Zeit STR
-0,49
0,2442
0,30
0,5896
Zeit ZHR
-0,43
0,5480
0,26
0,7771
Zeit PRG*
-1,57
0,0014
-0,47
0,4386
0,29
0,7857
0,32
0,7765
-0,10
0,3131
-0,09
0,5154
0,77
0,4057
-0,71
0,5759
Beschäftigte am Wohnort
Kaufkraft
-0,91
3,58
0,1582
0,0021
-0,05
3,13
0,9563
0,0500
Exportquote
-0,05
0,2819
-0,02
0,7152
Einwohner
Zeit LEJ
Steuerbarer Umsatz aus L&L
Verfügbares Haushaltseinkommen
*Näheres zur methodischen Erläuterung siehe in Kapitel 7.1
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
Die in der Tabelle hervorgehobenen Werte sind jene, die als statistisch signifikant eingestuft wurden. Hierfür ist ein P-Wert kleiner oder gleich 5 Prozent notwendig, womit
einigermaßen sicher ist, dass die erklärende Variable das Passagieraufkommen auch
tatsächlich beeinflusst. Der Wert der Kaufkraft bei den Geschäftskunden ist mit exakt
5 Prozent ein Grenzfall, wird aber noch aufgenommen. Da in unserem Kulturkreis das
Dezimalsystem verwendet wird, ist 5 Prozent eine „schöne runde Zahl“. Letztlich ist sie
aber nur ein willkürlich gewählter Punkt. Genauso gut kann man jeden anderen niedrigen Prozentwert verwenden.
Wäre der Anteil der Passagiere unabhängig von der Zahl der Einwohner der Gemeinden (zum Beispiel immer 0,71 Prozent), müsste der Koeffizient der Einwohner den
Wert 1,0 annehmen. Bei den gegebenen Werten von 2,29 bzw. 2,08 ist allerdings ein
ausgesprochen überproportionales Ansteigen der Passagierzahlen in größeren Gemeinden zu verzeichnen. Genau gesagt ist bei einem Anstieg der Gemeindegröße um
1 Prozent mit 2,29 Prozent mehr Geschäfts- und 2,08 Prozent mehr Privatpassagieren
zu rechnen. Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass ein „urbaner Lebensstil“ mit einer
vermehrten Anzahl von Flugreisen einhergeht. Urbane Lebensstile, der Trend zur
Reurbanisierung und die zunehmende Einbettung von Unternehmen in wissensintensi-
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
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ven Netzwerken in hochurbanisierten Regionen sind maßgebliche treibende Kräfte
dieser Entwicklung. Die Organisationsstruktur transnationaler Unternehmen lassen
einen gemeinsamen Kern erkennen. Immer stärker spezialisierte Einheiten werden
weltweit in ein Netzwerk von Aktivitäten integriert, welche die Effizienz, Reaktionsfähigkeit und Kreativität fördern. Städte beherbergen solche Aktivitäten und urbane Drehscheiben – wie zum Beispiel ein Flughafen – spielen als firmeninterne oder -externe
Knoten in den globalen Wissensnetzwerken eine entscheidende Rolle.
Die Zeit zum Münchner Flughafen (Zeit MUC) ist hochgradig signifikant und erhält Koeffizienten von -0,64 und -0,99. Steigt die Anreisezeit daher um 1 Prozent an, sinkt die
Zahl der Passagiere um 0,64 Prozent bzw. um 0,99 Prozent. Geschäftskunden reagieren weniger stark, was ein Hinweis darauf ist, dass Geschäftsreisen unternommen
werden müssen, egal wie weit weg der Flughafen liegt. Die angegebenen Werte liegen
recht genau in der Mitte des Intervalls der in anderen Studien gefundenen Koeffizienten.
Dazu passend ist das Ergebnis der Reisezeit zum Flughafen Nürnberg (Zeit NUE). Da
von dort vor allem innerdeutsche und EU-weite Flüge angeboten werden, ist dieser
Flughafen für Geschäftskunden durchaus von Interesse, während er für private Urlaubsreisende tendenziell weniger attraktiv ist als der Flughafen München. Daher ist
auch nur der Koeffizient der Geschäftskunden signifikant. Sein Koeffizient ist positiv, da
mit fallender Distanz zu Nürnberg weniger Passagiere in München im Datensatz vorkommen (anders ausgedrückt: mit steigender Distanz zu Nürnberg steigt auch die Anzahl der Passagiere in München).
Das Regressionsergebnis für den Flughafen Frankfurt (Zeit FRA) hingegen erscheint
mehr als nur plausibel. Die räumliche Nähe eines Wohnortes zu Frankfurt senkt die
Passagierzahlen in München. Der Koeffizient von 0,78 der Geschäftspassagiere liegt
durchaus im Bereich der beiden anderen Flughafenkoeffizienten (MUC und NUE). Der
Wert von 2,10 bei den Privatpassagieren ist deutlich höher. Damit steigen die Passagierzahlen in München um 2,1 Prozent, wenn die Distanz eines Wohnortes sich zu
Frankfurt um 1 Prozent erhöht. Das bedeutet letztlich, dass dieser Anstieg deutlich
steiler verläuft als bei den Geschäftskunden. In Abbildung 3 ist das daran zu erkennen,
dass die Trennlinie Regensburg – Nürnberg – Augsburg bei den privaten (obere Grafik)
schärfer verläuft als bei den Geschäftspassagieren. Diese zeigen zwar auch kaum
Passagieranteile nördlich dieser Linie, Richtung München ist aber ein glatterer Verlauf
zu erkennen, im Gegensatz zum plötzlich entstehenden Plateau der Privatpassagiere
(die größere Fläche an mittel-orange gefärbten Gemeinden).
Die Flughäfen Memmingen (Zeit FMM), Salzburg (Zeit SZG), Hof (Zeit HOQ), Stuttgart
(Zeit STR), Zürich (Zeit ZHR) und Leipzig (Zeit LEJ) werden nicht als signifikant eingestuft. Die Ergebnisse zum Flughafen Prag (PRG) werden in Kapitel 7.1 näher erläutert,
hier aber als nicht signifikant eingeordnet.
Von den wirtschaftlichen Faktoren wird einzig die Kaufkraft als signifikant eingestuft –
diese ist aber offenbar von großer Wichtigkeit. Steigt sie um 1 Prozent, gibt es im
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Durchschnitt um 3,6 Prozent mehr Geschäfts- und um 3,1 Prozent mehr Privatpassagiere. Dass Geschäftspassagiere vermutlich eher aus kaufkraftstarken Gegenden
kommen, erscheint intuitiv. Bei den Privatpassagieren muss man bedenken, dass Flugreisen oft auch zu tendenziell teuren Urlaubsdestinationen führen, was die Selektion
hin zu kaufkraftstarken Gemeinden sicherlich verstärkt.
Die vorliegenden Berechnungen wurden vor dem Hintergrund einer Ceteris-paribusBetrachtung durchgeführt (siehe Abschnitt 7.1). Das heißt, dass jeder Koeffizient für
sich wirksam wird – bei gleichzeitiger Beibehaltung aller anderen Werte. Das gilt natürlich auch für den Koeffizienten der Einwohner, der die Präferenz urbaner Bevölkerungsschichten für Flugreisen zum Ausdruck bringt – allerdings bei gleicher Kaufkraft,
wie man sie auch in anderen Regionen findet. Bedenkt man, dass es in Städten nicht
nur mehr Einwohner gibt, sondern auch die Kaufkraft je Einwohner höher ist, kommen
dort beide erklärenden Variablen gleichzeitig zum Tragen.
Folgendes Bild resultiert aus der Regressionsanalyse:
– Die Distanz zwischen Wohnort und Flughafen spielt eine entscheidende Rolle. Diese ist für Privatpassagiere nochmals wichtiger, was daran liegen dürfte, dass Geschäftsreisen unternommen werden müssen, egal wie weit der passende Flughafen
entfernt ist. Dieses Muster gilt für alle im Modell vorkommenden und als signifikant
erachteten Flughäfen (München, Nürnberg, Frankfurt).
– Sowohl Privat- als auch Geschäftspassagiere kommen bevorzugt aus einwohnerstarken Gemeinden, wobei für Geschäftspassagiere ein höherer Wert ermittelt wird.
Das lässt auf eine verstärkte Präferenz von Personen aus urbanen Lagen gegenüber Personen aus ländlichen Gegenden für Flugreisen schließen.
– Sowohl Privat- als auch Geschäftspassagiere kommen bevorzugt aus Gemeinden
mit hoher Kaufkraft, wobei wiederum der Effekt für Geschäftspassagiere etwas stärker sein dürfte. Hier kommen vermutlich die Flugkosten und die danach (zum Beispiel im Urlaub) folgenden Kosten zum Tragen.
– Steuerbare Umsätze, Haushaltseinkommen, Beschäftigung und Exportquote scheinen keine substanzielle Rolle zu spielen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier die
Kaufkraft der stärkere Indikator.
Aus diesen direkten Ergebnissen des Regressionsmodells lassen sich einige weitere
interessante Schlüsse ziehen. So ist es zum Beispiel möglich, die verschiedenen Konkurrenzflughäfen zu München aus dem Modell herauszurechnen und sich so eine Welt
mit dem Flughafen München als lokalen Monopolisten anzusehen. Um die Darstellung
zu erleichtern, wird hierzu die zweidimensionale Landkarte rund um den Flughafen
fächerförmig auf eine eindimensionale Gerade zusammengeklappt. Sämtliche Distanzen, seien sie nach Berchtesgaden oder nach Augsburg gemessen, sind daher auf
diesem Zahlenstrahl zu finden. In Abbildung 4 sind die metrischen (unveränderte Zahlen) und logarithmierten Geschäftspassagieranteile mit steigender Reisezeit zum Flug-
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
23
hafen München dargestellt, wobei davon ausgegangen wird, dass alle Gemeinden
gleich groß sind und über dieselbe Kaufkraft verfügen. Ferner wird angenommen, dass
im Umkreis von 20 bis 30 Minuten rund um einen Flughafen die Reisezeit keine Rolle
spielt – diese Annahme wurde anhand der für den Flughafen München verfügbaren
Daten getroffen. Eine Regressionsanalyse zeigt, dass bei der Verwendung von logarithmierten Reisezeiten keine Erhöhung der Passagieranteile mehr zu erreichen ist,
auch wenn die Reisezeit weiter verkürzt wird. Das Argument basiert dementsprechend
auf einer empirischen Beobachtung und nicht etwa auf theoretischen Überlegungen
oder Modellannahmen.
Die Darstellung über eine eindimensionale Gerade führt zur Ausbildung linearer Funktionsabschnitte rund um die Konkurrenzflughäfen. Die Logarithmierung ist eine in der
Ökonomie übliche Herangehensweise, um multiplikative Unterschiede besser sichtbar
zu machen. Es werden drei Szenarien durchgespielt:
– Die Anziehungskraft des Flughafens München ohne andere Flughäfen in der Nähe,
die die Passagierzahlen beeinflussen könnten (blaue Linie). Die Anziehungskraft
fällt relativ rasch, weil Hürden wie die Anreisezeit bei ungünstigen Flugzeiten, Parkplatzkosten, schlechtere Anreise per Bahn etc. mit steigender Distanz zunehmen.
Der ähnliche Effekt wurde weiter oben anhand der Auswahl eines Studiengangs erläutert. Ohne dass andere Flughäfen in der Nähe sind, fällt die Anziehungskraft des
Flughafens München somit am stärksten aus – die blaue Linie befindet sich bis zu
ca. Kilometer 200 dauerhaft über den beiden anderen Linien.
– Die Anziehungskraft des Flughafens München unter Berücksichtigung, dass der
Flughafen Nürnberg existiert (hellblaue Linie). Je näher ein potenzieller Passagier
an Nürnberg wohnt und je weiter weg von München, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass München der Flughafen seiner Wahl ist. Rund um Nürnberg
wird deshalb das Niveau der Passagiere für den Flughafen München in etwa halbiert. In einiger Distanz zu Nürnberg (egal ob Richtung München
oder weiter weg) ist dieser Effekt allerdings bereits wieder wesentlich schwächer,
weshalb sich die hellblaue und blaue Linie wieder annähern.
– Im dritten Szenario wird zusätzlich der Flughafen Frankfurt berücksichtigt (graue
Linie). Diese Linie ist zwar nahe München kaum bemerkbar und verläuft fast identisch zur blauen Linie bei 20 bis 30 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München.
Frankfurt liegt für diese Gemeinden relativ weit entfernt, München dafür sehr nah.
Ab etwa 100 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München ist der Flughafen Frankfurt
allerdings deutlich spürbar und senkt das dort bereits niedrige Niveau der Passagieranteile nochmals erheblich ab. Bei 200 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München liegt damit der Passagieranteil je Einwohner bei nahe Null. Fast alle Reisenden wählen dann den Frankfurter Flughafen.
Diese Kurven entsprechen sehr genau den Beobachtungen in Abbildung 3, wo ab Regensburg – Ingolstadt – Augsburg nur noch sehr geringe Passagieranteile für den
Flughafen München zu beobachten sind. Dies sind zunächst die vergleichsweise
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
schwachen, aber nahe dem Flughafen doch wirksamen Effekte des Nürnberger Flughafens und weiter nördlich des Flughafens Frankfurt.
Abbildung 4
Anteil der Geschäftspassagiere an der Bevölkerung bei steigender Distanz mit
und ohne Nürnberg und Frankfurt; metrisch oben, logarithmiert unten
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
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Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
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Es werden drei Szenarien durchgespielt:
– Die Anziehungskraft des Flughafens München ohne andere Flughäfen in der Nähe,
die die Passagierzahlen beeinflussen könnten (blaue Linie). Die Anziehungskraft
fällt relativ rasch, weil Hürden wie die Anreisezeit bei ungünstigen Flugzeiten, Parkplatzkosten, schlechtere Anreise per Bahn etc. mit steigender Distanz zunehmen.
Der ähnliche Effekt wurde weiter oben anhand der Auswahl eines Studiengangs erläutert. Ohne dass andere Flughäfen in der Nähe sind, fällt die Anziehungskraft des
Flughafens München somit am stärksten aus – die blaue Linie befindet sich bis zu
ca. Kilometer 200 dauerhaft über den beiden anderen Linien.
– Die Anziehungskraft des Flughafens München unter Berücksichtigung, dass der
Flughafen Nürnberg existiert (hellblaue Linie). Je näher ein potenzieller Passagier
an Nürnberg wohnt und je weiter weg von München, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass München der Flughafen seiner Wahl ist. Rund um Nürnberg
wird deshalb das Niveau der Passagiere für den Flughafen München in etwa halbiert. In einiger Distanz zu Nürnberg (egal ob Richtung München
oder weiter weg) ist dieser Effekt allerdings bereits wieder wesentlich schwächer,
weshalb sich die hellblaue und blaue Linie wieder annähern.
– Im dritten Szenario wird zusätzlich der Flughafen Frankfurt berücksichtigt (graue
Linie). Diese Linie ist zwar nahe München kaum bemerkbar und verläuft fast identisch zur blauen Linie bei 20 bis 30 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München.
Frankfurt liegt für diese Gemeinden relativ weit entfernt, München dafür sehr nah.
Ab etwa 100 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München ist der Flughafen Frankfurt
allerdings deutlich spürbar und senkt das dort bereits niedrige Niveau der Passagieranteile nochmals erheblich ab. Bei 200 Minuten Fahrtzeit zum Flughafen München liegt damit der Passagieranteil je Einwohner bei nahe Null. Fast alle Reisenden wählen dann den Frankfurter Flughafen.
Diese Kurven entsprechen sehr genau den Beobachtungen in Abbildung 3, wo ab Regensburg – Ingolstadt – Augsburg nur noch sehr geringe Passagieranteile für den
Flughafen München zu beobachten sind. Dies sind zunächst die vergleichsweise
schwachen, aber nahe dem Flughafen doch wirksamen Effekte des Nürnberger Flughafens und weiter nördlich des Flughafens Frankfurt.
nur die Reisezeiten zu den Flughäfen betrachtet wurden, lässt sich durch
das Modell auch ein berechneter Anteil für die Passagierzahlen und -anteile einer jeden Gemeinde für alle als signifikant eingestuften erklärenden Variablen (mit Ausnahme der Reisezeit zu Prag) ermitteln. In Abbildung 5 ist das für die Anteile der Geschäftspassagiere geschehen, wobei die obere Grafik das Pendant zur unteren Grafik
in Abbildung 3 darstellt: Man erkennt noch immer, dass die Nähe zum Flughafen München eine bedeutende Rolle spielt, welche aber durch die Einwohnerzahl und Kaufkraft
öfters durchbrochen wird. So weist beispielsweise Landshut, die langgestreckte Gemeinde nordöstlich des Flughafens, einen deutlich höheren geschätzten PassagieranAbbildung 4
26
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
teil auf als die Gemeinden der direkten Umgebung – auch wenn diese näher am Flughafen liegen. Ebenso sind wieder die drei großen Städte Regensburg, Ingolstadt und
Augsburg erkennbar. Im Gegensatz zu Abbildung 3 stammen diese „Buckel“ aber nicht
vom statistischen Rauschen der Daten, sondern werden zu 100 Prozent vom Modell
erklärt.
Der untere Teil von Abbildung 5 stellt genau dieselben Daten dar wie der obere, allerdings auf dreidimensionale Art. Zur besseren Sichtbarkeit wurde die Karte um 90 Grad
gedreht, wodurch Norden rechts verortet wird. Ebenso wurde, wie bei den anderen
Anteilskarten, das maximale Niveau normiert. Dadurch verbindet diese Art der Abbildung die korrekte geografische Darstellung der Karten mit der anschaulichen Höhendarstellung von Abbildung 4, wodurch die schnelle Abnahme der Anteile der Passagiere sichtbar wird, welche nur in den regionalen Zentren etwas höher liegen.
Die Kernaussage dieser Grafiken ist letztlich, dass der Flughafen München zwar den
nächsten echten Konkurrenten erst in Frankfurt hat, durch eine bessere landseitige
Anbindung aber substanziell profitieren kann. Hierzu werden in Kapitel 1 weitere Berechnungen angestellt.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Anziehungskraft des Hub-Flughafen Münchens
Abbildung 5
Vom Modell berechneter Anteil der Geschäftspassagiere an der Bevölkerung
– in der unteren, dreidimensionalen Grafik gleichen Inhalts ist Norden rechts –
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
27
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
5
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
29
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Kraftzentrum Flughafen München
Die positiven Effekte von Flughäfen zum Beispiel auf die Wirtschaftsstruktur sind weitreichend. Diese stehen im nachfolgenden Kapitel im Mittelpunkt. Dabei gliedert sich
das Kapitel in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt reflektiert die Wirtschaftseffekte auf
gesamtbayerischer Ebene. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das Wertschöpfungsnetzwerk Flughafen. Der zweite Abschnitt widmet sich den Standorteffekten in der
Flughafenregion München. Dieser Abschnitt geht zudem der Frage nach der Bedeutung des Flughafens im wissensökonomischen Kontext nach. Der dritte und letzte Abschnitt rückt hingegen die Bedeutung des Flughafens für bayerische Unternehmen in
den Fokus. Basis dieses Abschnitts ist eine exklusive bayernweite Unternehmensbefragung.
5.1
Wirtschaftseffekte auf gesamtbayerischer Ebene
Die wirtschaftlichen Effekte des Flughafens München strahlen auf den gesamten Freistaat aus. Dabei muss zwischen drei quantitativ zu messenden Effekten unterschieden
werden.
– Direkte Effekte: Direkte Effekte entstehen dadurch, dass der Flughafen rund 32.250
Personen beschäftigt und damit positiv zum Wertschöpfungs- und Einkommensniveau in Bayern beiträgt.
– Indirekte Effekte: Die indirekten Effekte bestehen aus Beschäftigungs- und Einkommenseffekten bei den Zulieferern des Flughafens, also durch Vorleistungsbeziehungen.
– Induzierte Effekte: Induzierte Effekte entstehen dadurch, dass die Flughafenbeschäftigten und die Beschäftigten bei den Zulieferern Konsumausgaben tätigen, die
wiederum der bayerischen Wirtschaft zugutekommen.
Im Folgenden werden diese Wertschöpfungs- und Einkommenseffekte für den Flughafen München mithilfe einer komplexen multiregionalen Input-Output-Analyse berechnet.
Auch hier wird mit Blick auf die Lesbarkeit von theoretischen Ausführungen Abstand
genommen. Ausführliche Darstellungen hierzu finden sich im methodischen Anhang im
Unterkapitel 7.2.
5.1.1
Wertschöpfungsnetzwerk Flughafen München
Unumstritten ist, dass dem Flughafen München in Bayern eine besondere Bedeutung
zukommt und dass von diesem auch ein beträchtlicher Beitrag zur bayerischen Wirt-
30
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
schaftsleistung ausgeht. Und dennoch ist zu vermuten, dass der Flughafen München in
seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung möglicherweise unterschätzt wird.
Während man mit dem Flughafen primär den Flughafenbetrieb, die Luftfahrt an sich
und das Handling verbindet, bleiben andere Wirtschaftssektoren, wie das Beherbergungs- und Gaststättenwesen, der Einzelhandel, die Finanzdienstleister oder die öffentliche Verwaltung, meist unberücksichtigt. Der Flughafen München setzt sich somit
aus einer Vielzahl von Branchen und Wirtschaftssektoren zusammen.
Das Wertschöpfungsnetzwerk Münchner Flughafen berührt eine Vielzahl von Branchen, sodass Passagierzuwächse zu positiven Folgeeffekten in vielen anderen Sektoren und Unternehmen führen können. Folgende Wirtschaftstätigkeiten werden, aufbauend auf der NACE Rev. 2-Klassifikation, für den Flughafen München erfasst:
-
Verarbeitendes Gewerbe, Herstellung von Waren (C),
Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (G),
Verkehr und Lagerei (H),
Gastgewerbe / Beherbergung und Gastronomie (I),
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (K),
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (N),
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (O).
Sämtliche Teilbereiche dieses Wertschöpfungsnetzwerks werden im Rahmen dieser
Studie berücksichtigt.
Insgesamt waren am Flughafen München 552 Unternehmen im Jahr 2013 angesiedelt,
von welchen 353 Betriebe permanent Personal beschäftigten. Als bereinigte Grundgesamtheit für die Berechnungen gehen die Informationen von 336 Betrieben in die Berechnungen ein. Gut 32.000 Personen sind gegenwärtig am Flughafen München beschäftigt. Die größten Arbeitgeber sind der Lufthansa-Konzern mit 10.800 und der
FMG-Konzern mit 8.200 Beschäftigten.
5.1.2
Bruttowertschöpfungseffekte
Am Münchner Flughafen wurde im Jahr 2012 eine direkte Wertschöpfung in Höhe von
2.492 Millionen Euro erwirtschaftet. Inklusive der indirekten und induzierten Effekte
überschritt der jährliche Wertschöpfungsbeitrag deutschlandweit sogar die 5 Milliarden
Euro-Grenze.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
31
Abbildung 6
Bruttowertschöpfungseffekte in Deutschland, 2012, in Millionen Euro
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Berechnung: eigene Berechnung Economica
Mit 4.438 Millionen Euro wird der größte Teil der generierten Wertschöpfung (knapp
89 Prozent) in Bayern selbst wirksam. Dies entspricht einem Anteil am regionalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) Bayerns in Höhe von 1,03 Prozent. Anders ausgedrückt: Jeder
hundertste in Bayern erwirtschaftete Euro ist entweder direkt, indirekt oder induziert auf
den Flughafen München zurückzuführen.
Der seitens des Flughafens München definierte Wertschöpfungsmultiplikator als Quotient aus gesamtem Bruttowertschöpfungseffekt und direktem Wertschöpfungseffekt
abzüglich direktem Effekt berechnet sich somit für Deutschland mit 1,0068, d. h. pro
am Flughafen München erwirtschafteten Euro wird noch ein weiterer Euro in anderen
Wirtschaftssektoren Deutschlands erwirtschaftet. Für Bayern beträgt der Wertschöpfungsmultiplikator 0,7809, d. h. knapp 80 Prozent der indirekten und induzierten Effekte
werden in Bayern selbst wirksam oder anders ausgedrückt: Pro Euro, der am Flughafen München generiert wird, werden weitere 80 Cent in anderen Sektoren in Bayern
erwirtschaftet.
Der Ausgabenmultiplikator, definiert als Quotient aus gesamtem Bruttowertschöpfungseffekt und Gesamtausgaben, beläuft sich für Deutschland auf 0,9798, für Bayern
auf 0,8695. Der Ausgabenmultiplikator ist mit 1 begrenzt, es gäbe in diesem Fall ent-
32
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
lang der gesamten Wertschöpfungskette keinen Wertschöpfungsabfluss in Form von
Importen. Der sehr hohe Ausgabenmultiplikator für die Unternehmen am Flughafen
München zeigt, dass nur ein sehr geringer Anteil der Wertschöpfung durch Importe aus
dem Ausland abfließt. Auch der Anteil der Vorleistungsbezüge aus den anderen Bundesländern Deutschlands ist entlang der gesamten Wertschöpfungskette gering.
5.1.3
Beschäftigungseffekte
Am Flughafen München waren 2012 insgesamt 32.250 Personen beschäftigt. Zu diesem direkten Beschäftigungseffekt kommen noch 35.751 indirekt Beschäftigte
(deutschlandweit, inklusive Bayern) bei Vorleistungsbetrieben entlang der gesamten
Wertschöpfungskette und 9.317 Personen, deren Arbeitsplatz durch die ausgelösten
Einkommenseffekte, die sogenannten induzierten Effekte, abgesichert wurde. Insgesamt entspricht dies einem totalen Beschäftigungseffekt von 77.318 Personen für ganz
Deutschland.
Abbildung 7
Beschäftigungseffekte in Deutschland, 2012, in Köpfen
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Berechnung: eigene Berechnung Economica
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
33
Abbildung 8
Beschäftigungseffekte in Bayern, 2012, in Köpfen
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Berechnung: eigene Berechnung Economica
Knapp 87 Prozent des gesamten Beschäftigungseffekts werden in Bayern selbst wirksam. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung Bayern beläuft sich somit auf
0,97 Prozent, d. h. knapp jeden hundertsten Arbeitsplatz in Bayern verdankt man dem
Münchner Flughafen.
Der Beschäftigungsmultiplikator, definiert als Quotient aus gesamtem Beschäftigungseffekt und direktem Beschäftigungseffekt abzüglich des direkten Effekts, berechnet sich
für Deutschland mit 1,3975, für Bayern mit 1,0844. Diese Werte sind sowohl für Bayern
als auch für Deutschland höher als die Wertschöpfungsmultiplikatoren, was dahingehend interpretiert werden kann, dass der volks- und regionalwirtschaftliche „Beschäftigungshebel“ des Flughafen Münchens noch größer ist als der „Wertschöpfungshebel“.
34
5.2
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Standorteffekte in der Flughafenregion
Die Luftverkehrswirtschaft gilt heute weltweit als Garant und als treibende Kraft für die
Wirtschafts- und Beschäftigtenentwicklung. Die ökonomischen Effekte von Flughäfen
sind dabei vielfältig und oftmals weitreichend. Während man sich in der Vergangenheit
zumeist ausschließlich auf die Analyse angebotsseitiger Effekte konzentriert hat, d. h.
die direkten, indirekten und induzierten Effekte (siehe oben), geht die vorliegende Studie einen Schritt weiter und ergänzt die aktuelle Analyse um einen Baustein sogenannter nachfrageseitiger Effekte.
Diese Effekte werden zumeist als katalytische Effekte bezeichnet und umfassen den
nachfrageseitigen Nutzen, welcher sich aus der verbesserten Erreichbarkeit eines
Standorts ergibt. Weitergehend differenziert, lassen sich die katalytischen Effekte zudem in passagierseitige und unternehmensseitige katalytische Effekte unterteilen. Als
Nutzer des Luftverkehrs profitieren sowohl Unternehmen als auch Touristen von einer
verbesserten Erreichbarkeit. In beiden Fällen erhöht sich die Attraktivität des Standortes aufgrund der optimierten nationalen und internationalen Erreichbarkeit.
Für die Wirtschaft als Nutzer des Luftverkehrs schlägt sich eine verbesserte Erreichbarkeit vor allem in einer Produktivitätssteigerung, Kostensenkungen, der besseren
Erschließung von Absatzmöglichkeiten sowie in einer besseren Einbindung in Netzwerke nieder. Darüber hinaus äußert sich eine verbesserte Erreichbarkeit auch in Reisezeitersparnis sowie in höherer Flexibilität hinsichtlich der Vereinbarkeit von Geschäftsterminen. Besonders ausgeprägt sind katalytische Effekte an Drehscheibenflughäfen mit ihrer Vielzahl von Flugverbindungen und der im Vergleich zu anderen
Flughafentypen höheren Taktung der Flugverbindungen.
Bei der Erfassung katalytischer Effekte gilt es grundsätzlich zu beachten, dass die
Messung ein schwieriges Unterfangen darstellt. Die Effekte sind in ihrem Gesamtausmaß nur schwer quantifizierbar, da eine Vielzahl von Wechselbeziehungen im Rahmen
der Analyse zu berücksichtigen ist.
Das nachfolgende Kapitel hat vor diesem Hintergrund die Aufgabe einer konstruktiven
Näherung an die Messung katalytischer Effekte. Das Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt thematisiert allgemeine Entwicklungstendenzen, die derzeit im Umfeld von Flughäfen zu erkennen sind. Die Betrachtung erfolgt dabei aus der
wissensökonomischen Perspektive. Dieser Abschnitt dient einer leichteren Einordung
und einem besseren Verständnis vor allem im Hinblick auf den im dritten Abschnitt
diskutierten sich vollziehenden Transformationsprozess der Flughafenregion hin zu
einer Wissensregion.
Im zweiten Abschnitt erfolgt die Diskussion der Standorteffekte von Hub-Flughäfen
anhand des Fallbeispiels München. Im Vordergrund dieses Abschnitts stehen folgende
Fragen:
– Welchen Entwicklungspfad hat die Flughafenregion seit dem Jahr 1980 und vor allem seit 1992 wirtschaftsstrukturell eingeschlagen?
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
35
– Wie haben sich die Unternehmens- und Beschäftigungsdichte in der Flughafenregion im Zeitverlauf entwickelt?
– Wie gestaltet sich die Gründungsdynamik rund um den Flughafen?
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen erfolgt eine detaillierte Analyse von ausgewählten Indikatoren. Die räumliche Analyseeinheit stellt die Flughafenregion München
dar. Sie umfasst die Landkreise Erding und Freising, also jene Landkreise, deren Gemarkung der Flughafen München schneidet. Die beiden Kreise waren in den 1980er
Jahren relativ homogen zueinander und ländlich geprägt. Hier lassen sich die katalytischen Flughafeneffekte am besten isolieren.
Eine wesentliche Ausgangshypothese der Studie ist, dass sich rund um den Flughafen
Unternehmen ansiedeln, die keine direkten Geschäftsbeziehungen zu diesem aufweisen, aber gleichwohl von positiven Impulsen wie Infrastrukturverbesserungen (Zugang
zum Flughafen oder zu ausgebauten Straßen) profitieren. Das ist ein wesentlicher katalytischer Effekt von Hub-Flughäfen. Um diese erhöhte Unternehmensdichte und in
der Ableitung Beschäftigungsdichte nachzuweisen, wird ein Vergleich entsprechender
Kennziffern zwischen der Flughafenregion München und anderen Anfang der 1980er
Jahre wirtschafts- und siedlungsstrukturell vergleichbaren Regionen in Bayern und in
Deutschland durchgeführt. Auf Deutschlandebene finden wegen der unterschiedlichen
politischen Systeme zur damaligen Zeit nur Regionen in Westdeutschland Berücksichtigung. Grundlage für die Ermittlung von Vergleichsregionen in Bayern und Westdeutschland ist ein statistisches Verfahren: die euklidische Distanzmaßberechnung.
Auf Basis dieses Vorgehens wurden in Bayern die vier zu der Region Flughafen München ähnlichsten Landkreise identifiziert, die als Gruppe die Vergleichsregion Bayern
ergeben. Im Einzelnen handelt es sich um die Landkreise Aichach-Friedberg, NeuburgSchrobenhausen, Miltenberg und Günzburg. Auf Deutschlandebene wurden die zehn
strukturähnlichsten Landkreise identifiziert, die in der nachfolgenden Analyse als Gruppe die Vergleichsregion Deutschland bilden. Hierzu zählen die Landkreise Northeim,
Rhein-Lahn Kreis, Neckar-Odenwald Kreis, Aichach-Friedberg, Plön, Leer, Vogelsbergkreis, Bad Kreuznach, Neuburg-Schrobenhausen und Werra-Meißer Kreis. Die
zwei bayerischen Landkreise Aichach-Friedberg und Neuburg-Schrobenhausen werden in beiden Gruppen berücksichtigt, weil sie eine besonders hohe Ähnlichkeit zur
Region Flughafen München aufweisen (im deutschlandweiten Vergleich Platz 4 und 9).
Im deutschlandweiten Vergleich platzieren sich die beiden anderen bayerischen, der
Flughafenregion am ähnlichsten, Regionen Miltenberg und Günzburg auf den Plätzen
14 und 15 bezüglich ihrer wirtschaftsstrukturellen Ähnlichkeit und werden damit nur im
Bayernsample berücksichtigt, in dem sie Platz 3 und Platz 4 erreichen.
Im dritten Abschnitt rücken wissensbasierte Wirtschaftsaktivitäten in den Fokus der
Betrachtung. Dieser Abschnitt soll aufzeigen, inwieweit sich die Flughafenregion zu
einem Ort der Wissensökonomie verdichtet hat. Die zentralen Fragen dieses Abschnitts lauten:
36
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
– Wie hat sich die Wissensökonomie rund um den Flughafen München in den zurückliegenden Jahren entwickelt?
– Inwieweit unterscheidet sich das wissensökonomische Raummuster der Flughafenregion von Raummustern in strukturähnlichen Regionen in Bayern und Westdeutschland?
Im Zentrum dieses Abschnitts steht eine räumliche Patentanalyse, die Rückschlüsse
auf die Erfinder- und Innovationsdichte in der Flughafenregion München zulässt.
Insgesamt soll das Kapitel aufzeigen, inwieweit die Regionen rund um den Flughafen
in katalytischer Art vom Drehscheibenflughafen München profitieren.
5.2.1
Flughäfen im wissensökonomischen Kontext
Die wachsende Bedeutung der Wissensökonomie und damit der Übergang von einer
ressourcenbasierten hin zu einer Wirtschaft mit der Ressource Wissen im Mittelpunkt
ist unverkennbar geworden.
Abbildung 9 stellt diese Entwicklung dar.
Abbildung 9
Prozentuale Veränderung von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungs- und Industriebranchen
115
110
105
100
95
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Wissensintensive Industrien
Wissensintensive Dienstleister
Nichtwissensintensive Industrien
Nichtwissensintensive gewerbliche Dienstleister
Darstellung: IW Consult (2014), Definition nach NIW (2010): Liste wissens- und technologieintensiver
Güter und Wirtschaftszweige
Datengrundlage: Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigtenstatistik, Sozialversicherungspflicht,
Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen, Nürnberg
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
37
Deutlich lässt sich die zunehmende Wissensintensivierung sowohl bei den Dienstleistungen als auch im industriellen Bereich erkennen. So stieg die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SVB) in wissensintensiven Dienstleistungen und Industrien in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich an, während die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in nicht wissensintensiven Dienstleistungsbranchen und gewerblichen Industrien seit geraumer Zeit zu stagnieren scheint oder – wie
im Fall von nicht wissensintensiven Industrien – zu sinken beginnt.
Mit dem Wandlungsprozess von einer ressourcenbasierten hin zu einer wissensbasierten Wirtschaft ist eine verstärkte räumliche und funktionale Ausdifferenzierung von
Wertschöpfungsketten verbunden. Wettbewerbsfähig bleiben vor allem jene Unternehmen, welche fortlaufend innovieren und ihre Wissensbestände kontinuierlich weiterentwickeln. Hierzu greifen wissensintensive Unternehmen auf unterschiedlichste
Wissensquellen zurück, die sowohl lokal und regional als auch global verortet sein
können. Der komplexe Prozess der Wissensgenerierung wird dabei in dreierlei Hinsicht
befördert:
– Zum einen wirken die gesunkenen Kosten im Bereich des Verkehrswesens und der
Informations- und Kommunikationssysteme unterstützend. Vor allem die in den letzten Jahren gefallenen Mobilitätskosten ermöglichen heute das schnelle und flexible
Zusammenbringen von räumlich auseinanderliegenden Wissensträgern und Netzwerkpartnern.
– Die Vereinfachung der Reiseabläufe erhöht die Bereitschaft von Netzwerkpartnern,
sich regelmäßig persönlich zu treffen, Wissen auszutauschen und neue Formen der
Kooperation zu etablieren.
– Schließlich wird der Prozess der Wissensgenerierung durch die Fortentwicklung von
Managementtechniken forciert, welche einen erheblichen Beitrag zur verbesserten
Koordinierung von internationalen Kooperationen und Netzwerkbeziehungen leisten.
Im Kontext der Wissensökonomie nimmt folglich die Bedeutung der Erreichbarkeit zu.
Standorte von bester Erreichbarkeit profitieren in besonderer Weise. Die Standort- und
Immobilienentwicklung direkt an bzw. im unmittelbaren Umfeld von internationalen
Flughäfen – wie zum Beispiel in Frankfurt am Main, Amsterdam, München, Zürich und
Düsseldorf – oder um Bahnhöfe des Hochgeschwindigkeitsverkehrs – wie zum Beispiel
in Montabaur und Limburg – verdeutlicht diesen räumlichen Konzentrationsprozess
eindrücklich. Vor allem internationale Flughäfen mit Drehscheibenfunktion sind in den
letzten beiden Dekaden Sitz einer Vielzahl von wissensintensiven Unternehmen geworden.
38
5.2.2
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Standorteffekte von Hub-Flughäfen: Das Fallbeispiel München
Seit der bereits in den 1980er Jahren konkreten Perspektive einer Eröffnung des Flughafens „Franz Josef Strauß“ im Jahr 1992 unterliegt die ehemals agrarisch geprägte
Flughafenregion einem starken strukturellen Wandel. Dies gilt sowohl für die Wirtschaftsstruktur als auch für die Demografie und das morphologische Erscheinungsbild
der Region. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht verzeichnete die Flughafenregion in
den zurückliegen Jahren ein stark überdurchschnittliches Wachstum und zählt heute –
wie noch im Detail zu zeigen sein wird – zu den wachstumsstärksten Räumen in
Deutschland.
Ausgehend von den frühen 1980er Jahren hat sich die Flughafenregion aus demografischer Sicht extrem positiv entwickelt. Abbildung 10 fasst die prozentuale Bevölkerungsveränderung in Bayern für den Zeitraum von 1980 bis 2012 auf Gemeindeebene
zusammen. Es zeigt sich deutlich, dass die Gemeinden der Landkreise Erding und
Freising innerhalb des Betrachtungszeitraums zu den wachstumsstärksten Gemeinden
im Freistaat zählten. So lag das Bevölkerungswachstum in nahezu allen Gemeinden
der Flughafenregion deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 15,3 Prozent. In
den meisten Fällen unterlag die Bevölkerungsveränderung einer prozentualen Zuwachsrate im oberen zweistelligen Bereich und vereinzelt sogar im dreistelligen Bereich.
Neben der Gemeinde Hallbergmoos (185,3 Prozent), der wachstumsstärksten bayerischen Gemeinde im Betrachtungszeitraum, verzeichneten auch die Gemeinden Berglern (137,1 Prozent), Attenkirchen (105,7 Prozent) und Oberding (101,4 Prozent)
dreistellige Zuwachsraten. Sie gehören damit zu einer Gruppe von insgesamt zwölf
Gemeinden in Bayern, deren Bevölkerung sich gegenüber dem Ausgangsjahr 1980
(weit) mehr als verdoppelt hat.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
39
Abbildung 10
Bevölkerungsentwicklung in Prozent auf Gemeindeebene von 1980 bis 2012
Darstellung: IW Consult (2014), Flughafenregion grafisch hervorgehoben
Datengrundlage: Datenbank Genesis, Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
Insgesamt wuchs die Bevölkerung in der Flughafenregion im Zeitraum von 1981 bis
2011 pro Jahr um durchschnittlich 1,3 Prozent und damit deutlich stärker als in den
beiden Gruppen strukturähnlicher Vergleichsregionen in Bayern (0,6 Prozent) und
Deutschland (0,3 Prozent).
Dieses massive Bevölkerungswachstum blieb nicht ohne Auswirkungen auf die siedlungs- und verkehrsstrukturelle Beschaffenheit der Flughafenregion und damit auf deren räumliches Erscheinungsbild. Zusammengenommen wuchsen die Gewerbe- und
Industrieflächen um 56,3 Prozent und die Wohnflächen um 43,9 Prozent. Damit fiel das
Wachstum in diesem Bereich deutlich höher aus als in den strukturähnlichen bayeri-
40
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
schen und westdeutschen Vergleichsregionen (siehe Tabelle 2). Die starke Entwicklung der Wohnflächen ist überraschend vor dem Hintergrund, dass Flughäfen und ihre
direkten Umfelder – nicht zuletzt aufgrund der Lärmemissionen – häufig als wenig attraktive Wohnstandorte wahrgenommen werden. Im Fall München werden diese Effekte offenbar von der Attraktivität der Landschaft und der Wirtschaftsstärke des Großraums Münchens überkompensiert.
Tabelle 2
Veränderung der Nutzflächen in Prozent von 1996 bis 2012
Bodenflächen
(nach Art der Nutzung)
Regionen
in West-D (10)
Regionen
in BY (4)
Region
Flughafen (2)
Landwirtschaft
-3,6
-5,6
-3,2
Gewerbe und Industrie
24,6
35,6
56,3
Wohnen
32,6
30,4
43,9
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Datenbank Genesis, Bayerisches Landesamt Statistik und Datenverarbeitung
Ursächlich für die oben beschriebenen demografischen und siedlungsstrukturellen
Entwicklungen ist eine vor allem seit den 1990er Jahren anhaltende positive Wirtschaftsentwicklung innerhalb der Flughafenregion, die seitdem mit einem starken Beschäftigungsaufbau einhergeht. Abbildung 11 stellt die Veränderung der Beschäftigung
in Prozent für den Zeitraum von 1980 bis 2013 auf Gemeindeebene dar. Besonders
hohe Beschäftigungszuwächse zeigen sich demnach im direkten Umfeld des Flughafens, hier vor allem in den Gemeinden Oberding (2.085,4 Prozent), Hallbergmoos
(2.071,4 Prozent) und Marzling (165,7 Prozent) sowie in der Kreisstadt Freising
(189,5 Prozent), aber auch innerhalb des Flughafenkorridors zwischen der Landeshauptstadt München und dem Flughafen München mit den Gemeinden Unterföhring
(505,1 Prozent), Ismaning (254,4 Prozent), Garching (179,3 Prozent), Oberschleißheim
(104,5 Prozent), Unterschleißheim (364,8 Prozent), Eching (54,4 Prozent) und Neufahrn (13,7 Prozent).
Die Kommunen Eching, Garching, Hallbergmoos, Ismaning, Neufahrn, Oberschleißheim, Unterföhring und Unterschließheim bilden zusammen die NordAllianz – Metropolregion München Nord.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
41
Abbildung 11
Beschäftigtenveränderung in Prozent auf Gemeindeebene von 1980 bis 2013
Darstellung: IW Consult (2014), Flughafenregion grafisch hervorgehoben
Datengrundlage: Datenbank Genesis, Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
Setzt man alle westdeutschen Landkreise in ein Ranking, so gehören die Landkreise
Erding (Platz 5) und Freising (Platz 2) zu den Top 5 Landkreisen mit den höchsten Zuwächsen bei der Beschäftigung im Zeitraum von 1980 bis 2013. Lediglich der Landkreis Vechta konnte einen im Vergleich zum Landkreis Freising einen höheren Beschäftigtenzuwachs verzeichnen. Damit zählt die Flughafenregion in Bezug auf die
Beschäftigtenwicklung zu den wachstumsstärksten Regionen in Deutschland. Das jährliche Wachstum lag bis Ende 2013, ausgehend von 1980, bei 2,4 Prozent. Im Vergleich
dazu kommen strukturähnliche Landkreise der Vergleichsregion Bayern lediglich auf
eine jährliche Wachstumsrate von 0,9 Prozent, während strukturähnliche Landkreise
der Vergleichsregion Westdeutschland ein jährliches Wachstum von 0,4 Prozent verzeichnen.
42
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 12 fasst die Beschäftigtenentwicklung noch einmal für die drei Vergleichsregionen zusammen. Zwar lässt sich bereits für die Zeitspanne von 1980 bis 1992 ein
starkes Beschäftigungswachstum für die Flughafenregion erkennen (auch als Vorläufereffekt hinsichtlich der Flughafeneröffnung). Allerdings gewinnt dies insbesondere in
den Folgejahren nach der Eröffnung des Münchner Flughafens deutlich an Dynamik.
Während die Wachstumskurve für die Vergleichsregionen in Bayern leicht besser verläuft als die der westdeutschen Vergleichsregionen, setzt sich der Entwicklungsverlauf
der Beschäftigtenzahlen für die Flughafenregion mit der Inbetriebnahme des Flughafens im Jahr 1992 deutlich von den Entwicklungsverläufen der Vergleichsregionen
Bayerns und Deutschlands ab und entwickelt sich seitdem kontinuierlich von diesen
fort.
Abbildung 12
Beschäftigtenveränderung in Prozent
1980=100
220
200
180
160
140
120
100
1980
1992
1995
Region West-D.
2000
Region BY
2005
2010
2013
Region Flughafen
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) (2010): Statistik der gemeldeten erwerbsfähigen Personen, Nürnberg
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
43
Die Beschäftigtenentwicklung steht in einem engen Verhältnis mit der Entwicklung der
Anzahl von Betrieben. Ähnlich wie die Anzahl der Beschäftigten ist auch die Anzahl der
Unternehmen in der Flughafenregion im Betrachtungszeitraum stark gestiegen. Wurden zu Beginn der 1980er Jahre 4.616 Betriebe in der Flughafenregion registriert, waren es 1992 bereits 5.845 und Ende 2013 mehr als 8.100 Betriebe. Dies entspricht
einem Anstieg von 77,2 Prozent. Im Vergleich hierzu stieg die Anzahl der Unternehmen in der Vergleichsgruppe in Bayern um 40,2 Prozent und in der Vergleichsgruppe
in Westdeutschland um 19 Prozent (Abbildung 13).
Insgesamt wuchs die Anzahl der Betriebe in der Flughafenregion zwischen den Jahren
1980 und 2013 durchschnittlich um 1,7 Prozent pro Jahr und damit deutlich stärker als
in den bayerischen Vergleichsregionen. Diese erreichten ein durchschnittliches Wachstum von 1 Prozent pro Jahr. Am niedrigsten fiel hingegen das durchschnittliche jährliche Wachstum in den strukturähnlichen Vergleichsregionen Westdeutschlands aus.
Hier lag das jährliche Wachstum bei gerade einmal 0,5 Prozent und damit 1,2 Prozentpunkte niedriger als in der Flughafenregion.
Abbildung 13
Veränderung der Betriebsanzahl in Prozent
1980=100
180
170
160
150
140
130
120
110
100
1980
Region West-D.
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: IW Regionaldatenbank (2014)
1992
Region BY
2013
Region Flughafen
44
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Ähnlich wie bei der Beschäftigungsentwicklung zeigt sich auch bei der Entwicklung der
Anzahl der Betriebe ein deutlicher Schub ab dem Jahr 1992. Es ist davon auszugehen,
dass diese Entwicklungsdynamik im engen Verhältnis mit der Flughafeneröffnung und
der damit einhergehenden verbesserten standörtlichen Erreichbarkeit steht, welche für
viele Unternehmen zusätzlich zur Nähe zur Landeshauptstadt München weitere Argumente für eine Ansiedlung schuf (siehe auch Kapitel 5.3).
Trotz der starken Zuwanderung in die Flughafenregion konnte die Betriebsdichte pro
100 Einwohner im Zeitverlauf von 1980 bis 2013 weiter gesteigert werden – noch ein
Hinweis für die hohe standörtliche Dynamik in der Flughafenregion.
Lag die Betriebsdichte zu Beginn des Betrachtungszeitraums noch bei 2,3 Betrieben je
100 Einwohner, betrug die Relation 2013 rund 2,8 Betriebe je 100 Einwohner
(21,2 Prozent). Im Vergleich dazu stieg die Betriebsdichte in den strukturähnlichen Regionen Bayerns von rund 2,3 auf 2,7 Betriebe je 100 Einwohner (17,7 Prozent). Die
geringsten Zuwächse verzeichneten die strukturähnlichen Regionen Westdeutschlands, deren Betriebsdichte sich von 2,3 auf 2,5 Betriebe je 100 Einwohner erhöhte
(10,3 Prozent).
Die positiven Standorteffekte des Flughafens lassen sich besonders gut am Entwicklungsverlauf des realisierten Bruttoinlandsprodukts je Einwohner ablesen. So hat sich
die Flughafenregion im Langzeitverlauf deutlich positiver entwickelt als ähnlich strukturierte Vergleichsregion in Bayern oder Deutschland. Seit dem Jahr 1992 wuchs das
Bruttoinlandsprodukt je Einwohner kontinuierlich an, wie Abbildung 14 eindrücklich
verdeutlicht.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
45
Abbildung 14
Prozentuale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner
1992=100
180
170
160
150
140
130
120
110
100
1992
1995
Region West-D.
2000
Region BY
2005
2010
2012
Region Flughafen
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Statistisches Bundesamt (2013): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder. Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik
Deutschland 1992, 1994 bis 2012, Reihe 2, Band 1 (Berechnungsstand August 2013)
Dabei lag die jährlich Zuwachsrate mit 2,7 Prozent deutlich über den jährlichen Wachstumsraten in den Vergleichsregionen Bayerns und Deutschlands (beide 2,1 Prozent).
Insgesamt ist das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in der Flughafenregion im Zeitraum von Anfang der 1990er Jahre bis 2012 von gut 17.000 Euro auf knapp
30.000 Euro und damit um rund zwei Drittel gestiegen. Weniger dynamisch verlief im
Vergleich dazu die Entwicklung in den strukturähnlichen Vergleichsregionen in Bayern
und Deutschland. Hier betrug das Wachstum lediglich rund 50 Prozent.
46
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Tabelle 3
Bruttoinlandsprodukt in Euro je Einwohner
Jahr
Regionen
in West-D. (10)
Regionen
in BY (4)
Region
Flughafen (2)
1992
16.344
20.252
17.103
1995
17.030
20.695
20.790
2000
18.283
21.917
23.110
2005
19.808
24.412
25.606
2010
22.999
29.216
27.441
2012
24.484
30.189
28.583
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Statistisches Bundesamt (2013): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder. Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik
Deutschland 1992, 1994 bis 2012, Reihe 2, Band 1 (Berechnungsstand August 2013)
Ein hohes Beschäftigungswachstum und ein starker Anstieg der Betriebszahlen sind
Indikatoren wirtschaftlicher Prosperität. Auf der Staatsseite schlägt sich diese wirtschaftliche Situation zumeist in einem erhöhten Steueraufkommen nieder. Lag der
Gemeindeanteil an der Einkommensteuer pro Einwohner in der Flughafenregion zu
Beginn der 1980er Jahre durchschnittlich noch bei 159 Euro, stieg er bis zum Jahr
2013 auf rund 560 Euro an. Dies entspricht einer Steigerung von rund 251 Prozent.
Demgegenüber betrug der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer je Einwohner in
den strukturähnlichen Vergleichsregionen Bayerns zunächst 145 Euro und steigerte
sich in den Folgejahren bis 2013 um rund 211 Prozent auf 449 Euro.
Auch hier zeigt sich das Auseinanderdriften der Regionen ab Anfang der 90er Jahren,
in denen der Flughafen eröffnet wurde (Abbildung 15). Wie bereits bei den zurückliegenden Indikatoren sind auch beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer je Einwohner die positiven standörtlichen Effekte des Drehscheibenflughafens klar erkennbar.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
47
Abbildung 15
Prozentuale Veränderung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer je Einwohner
1980=100
350
300
250
200
150
100
1980
1985
1990
Region BY
1995
2000
2005
2010
2013
Region Flughafen
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Datenbank Genesis, Bayerisches Landesamt Statistik und Datenverarbeitung
Insgesamt müssen bei den vorgestellten Analysen auch positive spill-over-Effekte aus
der Metropole München inklusive des dazugehörigen gleichnamigen Landkreises berücksichtigt werden Beide Regionen haben stark an Prosperität und wirtschaftlicher
Strahlkraft gewonnenen. Innerhalb der Metropolregion München bestehen intensive
Pendler- und wirtschaftliche Austauschbeziehungen. Die dargestellten Effekte können
demnach nicht trennscharf allein der Flughafenentwicklung zugeordnet werden.
Gleichwohl profitiert die gesamte Metropolregion von den positiven spill-over-Effekten
des Flughafens – der Flughafen München wurde beispielsweise bei den World Airport
Awards des Unternehmens Skytrax von Flugreisenden auf den 3. Platz weltweit eingestuft (vgl. World Airport Awards, 2014).
Es bestehen damit reziproke Impulse, die sich gegenseitig verstärken. Für einen maßgeblichen endogenen Anteil an der Entwicklung der Flughafenregion spricht, dass andere Regionen im direkten Umfeld von München sich nicht so stark entwickelt haben
wie die Flughafenregion (siehe Tabelle 4).
Die an die Landeshauptstadt München angrenzenden Landkreise im Westen (Dachau,
Fürstenfeldbruck und Starnberg) und der Landkreis Ebersberg im Osten Münchens
erzielen nicht die Wachstumsraten im Beschäftigungsaufbau insgesamt bzw. bei
Hochqualifizierten (Beschäftigte mit Fachhoch- oder Hochschulabschluss) im Besonde-
48
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
ren oder bei der Einwohnerentwicklung und damit einhergehend der Wohnflächen wie
die Flughafenregion und damit die beiden Landkreise Freising und Erding.
Tabelle 4
Prozentuale Veränderung ausgewählter Indikatoren im Zeitverlauf
SVB (AO)
(1980-2013)
Wohnen
(1996-2011)
Bevölkerung
(1980-2012)
Hochqualifizierte
SVB (1998-2012)
Starnberg
70,4
41,9
22,2
114,4
Dachau
68,5
33,3
37,0
90,0
Fürstenfeldbruck
54,5
18,3
20,1
119,2
Ebersberg
83,2
41,9
34,9
92,0
117,5
43,9
46,2
133,9
Flughafenregion
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Datenbank Genesis, Bayerisches Landesamt Statistik und Datenverarbeitung
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
5.2.3
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
49
Wissensregion Flughafen
Flughäfen gewinnen im Kontext der Wissensökonomie an Bedeutung. Vielfach hat sich
das direkte Umfeld von Flughäfen zu Orten wissensintensiver Wirtschaftsaktivitäten
verdichtet mit dem Flughafen als zentralen Ankerpunkt. Als europäische Beispiele können Amsterdam, Düsseldorf, Zürich oder München genannt werden.
Physisch-materiell äußert sich der Transformationsprozess in einer erhöhten Bauaktivität von Gewerbeimmobilien – insbesondere von Büroimmobilien – und folglich in einem
Wachstum des Büroflächenbestands. Damit einhergehend erfolgt eine schrittweise
Veränderung des landschaftlichen Erscheinungsbildes der Flughäfen bzw. des jeweiligen Umfelds.
Statistisch zeigt sich der Transformationsprozess beispielweise in der Zunahme von
Hochqualifizierten und damit in einer veränderten lokalen und regionalen Qualifikationsstruktur, einer gestiegenen Anzahl angemeldeter Patente oder einer erhöhten
Gründungsaktivität. Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass die Messung von Innovationaktivitäten innerhalb einer Raumeinheit aus methodischer Perspektive nicht unproblematisch ist. Methodische Herausforderungen entstehen vor allem dadurch, dass in
der öffentlich verfügbaren Statistik nur Inputfaktoren (Anzahl der Ingenieure, des Forschungs- und Entwicklungspersonals etc.) abgebildet werden, die aber nicht notwendigerweise zu einem höheren Output (mehr Innovationen) führen müssen. Ein ideales
Indikatoren-Set zur Messung von Innovationen existiert daher nicht – zur korrekten
Messung des Innovationsoutputs müssten Unternehmensbefragungen auf kleinräumiger Ebene mit sehr hohem Aufwand durchgeführt werden. Trotz dieser methodischen
Schwierigkeiten ist die Verwendung der oben genannten Indikatoren in einem umfassenden Ansatz gerechtfertigt, liefern sie doch wichtige erste und vergleichbare Anhaltspunkte für den Nachvollzug des wissensökonomischen Entwicklungspfads sowie
zur Beurteilung des gegenwärtigen Innovationspotenzials in der Flughafenregion München. Die Region ist weltweit ein gutes Beispiel für den räumlichen Restrukturierungsprozess und die gewachsene Bedeutung von Flughäfen und deren Umfeld im Kontext
der Wissensökonomie.
Der hohe Stellenwert der Flughafenregion bzw. des Flughafenkorridors für wissensbasierte Wirtschaftsaktivitäten spiegelt sich im Büroflächenumsatz der letzten Jahre wider. Abbildung 17 fasst den Büroflächenumsatz für die zehn umsatzstärksten Branchen
im Zeitraum von 2004 bis 2014 (drittes Quartal) zusammen. Der Büroflächenumsatz
berücksichtigt den realisierten Umsatz in den Gemeinden der bereits erwähnten NordAllianz.
Branchen mit einer „naturgegebenen“ Affinität zum Luftverkehr, wie zum Beispiel die
Logistikbranche, haben dabei einen nur sehr geringen Nachfrageanteil am gesamten
Büroflächenumsatz. Ihr Anteil liegt bei gerade einmal fünf Prozent und gleicht damit
dem Flächenumsatz von unternehmensbezogenen Dienstleistern. Die stärkste Nachfrage nach Büroflächen kommt hingegen von Industrieunternehmen. Deren Anteil am
gesamten Büroflächenumsatz liegt bei 23 Prozent. Demgegenüber können die Branchengruppen „Verlagswesen, Medien“ und „elektronische Datenverarbeitung“ Anteile
50
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
von rund 15 Prozent bzw. elf Prozent aufweisen, während die viertstärkste Branche,
das Versicherungswesen, rund zehn Prozent zum Gesamtergebnis beiträgt.
Die schwächste Nachfrage mit jeweils drei Prozent gibt es in den Branchen „Bau, Immobilien“ und „Ausbildung, Gesundheit Soziales“.
Abbildung 16
Büroflächenumsatz nach Branchen
– Top-10 Brachen im Zeitraum 2004-Q3 2014 –
Industrie
12
Verlagswesen, Medien
23
3
EDV
3
Versicherungen
5
Handel
5
15
6
Banken,
Finanzdienstlesitungen
Unternehmensbezogene
Dienstleistungen
7
10
11
Transport. Verkehr,
Lagerhaltung
Bau, Immobilien
Gesamtsumme: 855.100 m²
Anzahl Vertragsabschlüsse: 960
Quelle: Jones Lang Lasalle (2014)
Datengrundlage: Jones Lang Lasalle (2014): Bürovermietungsmarkt München – NordAllianz 2014 Q3.
Aus dieser Langzeitbetrachtung lassen sich zwei Erkenntnisse ableiten:


Entgegen der gängigen Vermutung sind es nicht stark flughafenkonditionierte
Unternehmen – wie zum Beispiel Logistiker – die den höchsten Beitrag am Flächenumsatz stellen, sondern Verlags- und Medienunternehmen, Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister, unternehmensbezogenen Dienstleister
etc. und damit Unternehmen der Wissensökonomie.
Das Flughafenumfeld sowie die Achse zwischen Innenstadt und Flughafen
werden seitens der Wissensökonomie zunehmend als Unternehmensstandort
gewählt (siehe. auch Abschnitt 5.3).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
51
Die Landkreise der Flughafenregion – welche ebenfalls in Teilen innerhalb der NordAllianz aufgehen – profitieren von diesen Entwicklungen und beheimaten heute eine
Vielzahl von global tätigen Unternehmen aus unterschiedlichsten wissensintensiven
Branchen. Als Beispiele lassen sich Unternehmen wie SAP, Cisco Systems, Texas
Instruments oder Merial nennen.
Die standörtliche Attraktivität der Flughafenregion für Unternehmen der Wissensökonomie speist sich dabei aus einem Bündel an Standortqualitäten, die in dieser räumlichen Kombination nur sehr selten anzutreffen sind.
Hierzu gehört einerseits der hohe Vernetzungsgrad der Flughafenregion. Dieser ergibt
sich aus der Existenz des Drehscheibenflughafens mit seiner hohen Anzahl von Direktverbindungen zu nationalen, europäischen und globalen Destinationen. Aus dieser
hochwertigen Luftanbindung des Standorts erwachsen für wissensintensive Unternehmen eine Vielzahl von Erreichbarkeitsvorteilen vor allem zu Netzwerkpartnern, weltweit
verstreuten Wissenspools sowie zu Absatz- und Beschaffungsmärkten.
In der Wissensökonomie ist der Mensch eine erfolgskritische Größe, ist er doch Träger
des für den Innovationsprozess und die Wissensgenerierung entscheidenden impliziten
Wissens. Vor diesem Hintergrund sind vor allem jene Städte und Regionen begünstigt,
welche über eine qualifizierte Humankapitalbasis verfügen. Dies betrifft vor allem die
räumliche Ausstattung mit Hochqualifizierten, also jenen Beschäftigten, die über einen
akademischen Hochschulabschluss verfügen.
So stieg der Anteil Hochqualifizierter an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen den Jahren 2001 und 2011 weiter an (siehe Abbildung 17) und lag zuletzt
bei 8,6 Hochqualifizierten je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dies entspricht gegenüber dem Jahr 2001 einem Anstieg um rund 2,0 Hochqualifizierte bzw.
einem jährlichen Wachstum von rund 2,6 Prozent (Tabelle 5). Im Vergleich dazu stieg
der Anteil von Hochqualifizierten im selben Zeitraum innerhalb der strukturähnlichen
Vergleichsregionen Bayerns von 4,2 auf 5,6 je 100 Beschäftigte und innerhalb der
strukturähnlichen Regionen Deutschlands von 4,3 auf 5,6.
52
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 17
Veränderung Anteil hochqualifizierter Arbeitnehmer (HQ) und Ingenieure (Ing.) je
100 sozialpflichtig Beschäftigte im Zeitverlauf
9
8
7
6
5
4
3
2
1
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Anteil HQ (West-D.)
Anteil HQ (BY)
Anteil HQ (Flughafenregion)
Anteil Ing. (West-D.)
Anteil Ing. (BY)
Anteil Ing. (Flughafenregion)
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Bundesagentur für Arbeit (BA)
Zwar fällt das durchschnittliche Wachstum pro Jahr innerhalb der Flughafenregion im
Vergleich zu strukturähnlichen Regionen in Bayern und Deutschland geringer aus (vgl.
Tabelle 5), allerdings kann die Flughafenregion nach wie vor den Anteil der hochqualifizierten Arbeitnehmer gemessen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
steigern, unabhängig von den deutlich höheren Ausgangsniveaus. Dieser Entwicklungsverlauf hält bis heute an.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
53
Tabelle 5
Durchschnittliches prozentuales Wachstum pro Jahr
Indikator
(Betrachtungszeitraum)
Regionen
in West-D. (10)
Regionen
in BY (4)
Region
Flughafen (2)
Hochqualifizierte
je 100 SVB
(2001-2011)
2,7
2,8
2,6
Ingenieure je 100 SVB
(2001-2011)
1,2
1,7
1,0
FuE-Personal (Vollzeitäquivalent)
je 1.000 Erwerbstätige
(2001-2011)
-2,4
-6,8
4,0
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Bundesagentur für Arbeit (BA)
Ein ähnliches Entwicklungsbild zeigt sich für die Ingenieurquote. Im Kontext der Wissensökonomie wird der Berufsgruppe der Ingenieure eine besonders hohe Forschungs- und Entwicklungskompetenz bzw. Fähigkeit zu innovieren zugesprochen. Die
Flughafenregion konnte sich in den zurückliegenden Jahren im Wettbewerb um Ingenieure behaupten und zeichnet sich heute durch eine sehr gute Position in Bezug auf
den Anteil von Ingenieuren je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus. Auch
wenn der Anteil im Zeitraum von 2001 bis 2011 lediglich um 10,6 Prozent zunahm –
und der Anstieg damit geringer ausfällt als in den strukturähnlichen Vergleichsregionen
in Bayern (18,9 Prozent) und Deutschland (12,1 Prozent) –, verzeichnet die Flughafenregion mit 3,6 Ingenieuren pro 100 Beschäftigten einen teilweise mehr als zweimal so
hohen Ingenieuranteil pro 100 Beschäftigten als strukturähnliche Vergleichsregionen.
Besonders stark zeigt sich die Wissensintensivierung der Wirtschaftslandschaft innerhalb der Flughafenregion am Beispiel der gegenüber der Ingenieurdichte breiter gefassten Dichte von Forschung und Entwicklung (FuE), d. h. an der Anzahl an FuEPersonal (Vollzeitäquivalente) bezogen auf 1.000 Erwerbstätige. Sie umfasst neben
Ingenieuren unter anderem auch Naturwissenschaftler, technisches Personal und dergleichen.
Im Vergleich zeigt sich, dass die Flughafenregion seit dem Jahr 2001 den Anteil an
FuE-Personal je 1.000 Erwerbstätigen kontinuierlich steigern und sich damit im Gegensatz zu strukturähnlichen Regionen in Bayern und Deutschland rückläufigen Entwicklungsverläufen widersetzen konnte. Es zeigt sich ferner, dass die Flughafenregion
heute im Vergleich zu den anderen Regionen über die mit Abstand höchste FuE-Dichte
verfügt: ein weiterer Hinweis für die hohe wissensökonomische Dynamik in der Flughafenregion (siehe Abbildung 18).
54
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 18
Veränderung Anteil FuE-Personal (Vollzeitäquivalente) je 1.000 Erwerbstätige im
Zeitverlauf
8,0
7,0
6,0
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
2001
2003
Region West-D.
2005
2007
Region BY
2009
2011
Region Flughafen
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft
Zwischen den Jahren 2001 und 2011 konnte die Flughafenregion ihren FuEPersonalbestand je 1.000 Erwerbstätige um mehr als 48 Prozent steigern. Dies entspricht einem Wachstum von ungefähr vier Prozent pro Jahr. Vergleichsregionen in
Bayern (-50,6 Prozent) und Deutschland (-21,2 Prozent) verzeichneten hingegen eine
rückläufige FuE-Personalintensität. Pro Jahr verringerte sich der Anteil des FuEPersonals je 1.000 Erwerbstätigen um durchschnittlich -6,8 Prozent in Bayern und um 2,4 Prozent in Westdeutschland. Zuletzt kamen in der Flughafenregion auf 1.000 Erwerbstätige 7,4 FuE-Beschäftigte, ausgehend von 5 FuE-Beschäftigen im Jahr 2001.
Vergleichszahlen für strukturähnliche Regionen in Bayern und Westdeutschland liegen
im Jahr 2011 hingegen um die Hälfte niedriger (siehe Tabelle 6).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
55
Tabelle 6
FuE-Indikatoren im Zeitverlauf von 2001 bis 2011
Regionen
in West-D (10)
Regionen
in BY (4)
Region
Flughafen (2)
FuE-Personal (VZÄ) je
1.000 Erwerbsfähige
(Durchschnittliches
Wachstum p.a. in Prozent)
-2,4
-6,8
4,0
FuE-Personal (VZÄ) je
1.000 Erwerbsfähige
(absolut)
4,0 (2001)
3,2 (2011)
6,6 (2001)
3,2 (2011)
5,0 (2001)
7,4 (2011)
FuE-Personal (VZÄ) je
1.000 Erwerbsfähige
(Veränderung in Prozent)
-21,2
-50,6
48,4
Darstellung: IW Consult (2014)
Datengrundlage: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft
Die zunehmende Wissensproduktion schlägt sich auch in der wachsenden Anzahl angemeldeter Patente nieder. Diese liefert wichtige Anhaltspunkte für die Güte wissensbasierter Aktivitäten und gibt zudem Aufschluss über die Erfinder- und Innovationsdichte einer Raumeinheit. Ferner liefern Patente wertvolle Hinweise zur räumlichen Verortung von Wissen.
Die Patentanalyse erhärtet die zurückliegenden empirischen Befunde und verdeutlicht
noch einmal in eindrücklicher Weise die hohe Bedeutung der Flughafenregion als Ort
der Wissensproduktion. Mit Blick auf Abbildung 19 lässt sich die hohe Innovationsdynamik im Vergleich zu strukturähnlichen Regionen noch einmal klar erkennen. In absoluten Größen sind die Landkreise der Flughafenregion, also Erding und Freising, die
bedeutendsten Patenanmelder. So lag beispielsweise die absolute Anzahl angemeldeter Patente zwischen Januar 2010 und Dezember 2014 im Landkreis Erding bei 376
Patenten und im Landkreis Freising bei 516 Patenten. An dritter Stelle liegt der Landkreis Aichach-Friedberg mit insgesamt 295 registrierten Patenten.
56
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 19
Anzahl der registrierten Patente (EP / PCT)
Freising
Erding
Aichach-Friedberg
Günzburg
Miltenberg
Bad Kreuznach
Neuburg-Schrobenhausen
Plön
Neckar-Odenwald-Kreis
Northeim
Rhein-Lahn-Kreis
Vogelsbergkreis
Werra-Meißner-Kreis
Leer
0
2010/01-2014/12(e)
100
200
300
2005/01-2009/12
400
500
600
2000/01-2004/12
Anmerkung: Hochrechnung per Datenstand 31.10.2014
Darstellung und Quelle: Economica (2014)
Setzt man die absolute Anzahl registrierter Patente in Bezug zur Einwohnerzahl, so tritt
die hohe Innovationsdynamik der Flughafenregion noch deutlicher zutage (siehe Abbildung 20). In Relation zur Anzahl der Einwohner nimmt die Flughafenregion erneut mit
einem deutlichen Abstand den Spitzenplatz unter den betrachteten Regionen ein. So
lag die Patentintensität, also die Anzahl registrierter Patente bzw. Erfindungen pro
10.000 Einwohner, im Zeitraum von 2010 bis 2014 bei 29,8 Patenten pro 10.000 Einwohner. Im Gegensatz dazu kommen strukturähnliche Regionen in Bayern auf eine
Patentintensität von 18,0 Patentanmeldungen pro 10.000 Einwohner, während für
strukturgleiche Regionen in Deutschland eine Relation von 10,8 Patentanmeldungen
pro 10.000 Einwohner registriert wird.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
57
Abbildung 20
Patente pro 10.000 Einwohner
Freising
Erding
Aichach-Friedberg
Günzburg
Neuburg-Schrobenhausen
Miltenberg
Plön
Bad Kreuznach
Rhein-Lahn-Kreis
Neckar-Odenwald-Kreis
Northeim
Vogelsbergkreis
Werra-Meißner-Kreis
Leer
0
2010/01-2014/12(e)
10
2005/01-2009/12
20
30
40
2000/01-2004/12
Anmerkung: Hochrechnung per Datenstand 31.10.2014
Darstellung und Quelle: Economica (2014)
Die in den vorangegangenen Abschnitten herangezogenen Indikatoren lassen die
Raumwirksamkeit des Flughafens München klar erkennen. Nahezu alle diskutierten
Indikatoren haben sich im Zeitverlauf positiv entwickelt. Die positiven Standorteffekte
des Flughafens München sind klar erkennbar, sowohl physisch-materiell – zum Beispiel in Form einer erhöhten Bauaktivität im Bereich des Gewerbeimmobilienmarktes –,
als auch statistisch in Form der Analyse von strukturbeschreibenden Indikatoren.
Die herausgehobene Situation des Flughafenumfeldes und der Landeshauptstadt als
hoch vernetzter und leistungsfähiger Raum generiert positive Impulse für ganz Bayern.
Erstens sichern die direkt in nationale und internationale Forschungs- und Entwicklungsnetzwerken eingebundenen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit und den
hohen Wohlstand im Freistaat. Zweitens profitieren Unternehmen in ganz Bayern von
der Wissensgenerierung über Wertschöpfungsketten. Über 70 Prozent der Unternehmen in Bayern sind eingebunden in Entwicklungskooperationen mit Zulieferern oder
Kunden, rund ein Viertel der Unternehmen arbeitet mit wissenschaftlichen Instituten
oder Universitäten zusammen (vgl. vbw, 2015). Solche Netzwerke wirken sich signifikant positiv auf den Erfolg der Unternehmen aus (vgl. IW Consult, 2012).
58
5.3
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Bedeutung für bayerische Unternehmen
Flughäfen spielen für die Geschäftstätigkeit vieler bayerischer Unternehmen eine wichtige Rolle. Sie sichern den Zugang zu einer globalisierten Welt und damit die Wettbewerbsfähigkeit großer Teile der bayerischen Wirtschaft.
Bayern profitiert von der weiter zunehmenden Offenheit der Weltwirtschaft. Das derzeit
diskutierte transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (Trans-Atlantic Free
Trade Agreement) kann beispielsweise dazu beitragen, dass die bayerischen Unternehmen auch in Zukunft ihre internationale Marktstellung weiter verbessern und maßgeblich zu einem höheren Wohlstandsniveau im Freistaat beitragen können. Bayern
lag mit einem Ausfuhrvolumen von 167 Milliarden Euro knapp hinter BadenWürttemberg (2013) an zweiter Stelle der Bundesländer und ist damit stark in den
Welthandel integriert. Zum Vergleich: Aus ganz Polen wurden Waren im Wert von
152 Milliarden Euro ausgeführt.
Neben Frachtleistungen steigt auch der Passagierverkehr kontinuierlich an. Allein im
ersten Halbjahr 2014 wurde an den Hauptverkehrsflughäfen in Deutschland eine Gesamtzahl von gut 97 Millionen Passagieren gezählt. Im Juni 2013 lag die Zahl erst bei
knapp 95 Millionen Passagieren, im Juni 2011 bei gut 93 Millionen Passagieren. Hier
zeigt sich die erhebliche Dynamik und immer weiter steigende Einbettung Deutschlands in die Weltwirtschaft. Dabei sind rund 40 Prozent aller Flugreisen geschäftlich
bedingt (vgl. BDL, 2014a).
Um weiter von der fortschreitenden Globalisierung profitieren zu können, muss allerdings die Verkehrsinfrastruktur höchsten Standards genügen. Zwei Merkmale von
Flughäfen sind besonders wichtig, wenn sie den Anforderungen von Unternehmen
bestmöglich genügen wollen:
– Je mehr Flugverbindungen in einer regelmäßigen Taktung angeboten werden, desto
besser. Eine Hub-Funktion trägt dazu entscheidend bei. Während beispielsweise
der Regionalflughafen Nürnberg lediglich gut 40 Ziele (und davon viele nur saisonal
mit Blick auf den Urlaubstourismus) anfliegt, ist die Auswahl am Hub-Flughafen
München mit rund 230 Zielen etwa sechsmal so hoch.
– Eine schnelle Erreichbarkeit der Flughäfen sichert ihre Stellung im internationalen
Wettbewerb um Hub-Funktionen und den damit einhergehenden positiven Effekten.
Je besser ein Flughafen landseitig erreichbar ist, desto stärker wird er auch von Unternehmen im entfernten Umfeld in Anspruch genommen (siehe auch Kapitel 1).
Vor diesem Hintergrund wurde für die vorliegende Studie eine exklusive Unternehmensbefragung unter 1.000 bayerischen Unternehmen durchgeführt – der Fragebogen
findet sich in Kapitel 7.5. Knapp 40 Prozent (379 Unternehmen) der befragten Unternehmen nutzen Flughäfen für Geschäftsreisen, gut 20 Prozent (203 Unternehmen) für
das Versenden von Fracht. Die Ergebnisse harmonieren gut mit anderen empirischen
Studien. So zeigt eine vbw-Studie von Anfang 2014, dass ebenfalls gut 20 Prozent der
bayerischen Unternehmen direkt in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
59
sind (vgl. vbw, 2014). Die große Mehrheit dieser Unternehmen fragt Frachtdienstleistungen nach. Der höhere Anteil bei Geschäftsreisen resultiert daraus, dass Unternehmen Flughäfen auch regelmäßig für inländische Flüge nutzen (siehe folgende Ausführungen).
Die oberste Führungsebene der 379 Unternehmen hat sich im August 2014 zu einem
umfassenden Telefoninterview bereit erklärt. Alle weiteren Ergebnisse beziehen sich
demnach auf die 379 Unternehmen und nicht etwa auf die Basisstichprobe der 1.000
Unternehmen. Damit kann die Bedeutung von Flughäfen innerhalb der Wertschöpfungsketten bayerischer Unternehmen mit hoher Güte und Aktualität geprüft und bewertet werden. Die Stichprobe ist so konzipiert, dass die Anzahl der Unternehmen valide Rückschlüsse auf die Meinung aller Unternehmen in Bayern gewährleistet. Die Verteilung der befragten Unternehmen über Umsatzgrößen und Branchen entspricht nicht
der Grundgesamtheit aller Unternehmen in Bayern. Deshalb wurden die Ergebnisse
der Befragung anhand des Unternehmensregisters von Bayern repräsentativ hochgerechnet. Die Hochrechnung erfolgte umsatzgewichtet, um Aussagen für die bayerische
Wirtschaft als solche treffen zu können – ein kurzer Exkurs findet sich in Kapitel 5.3.1.
Tabelle 7
Nutzung von Flughäfen durch die Wirtschaft
– Anteil der Unternehmen in Prozent –
Passage
Fracht
Häufig
12,1
4,6
Gelegentlich
10,6
5,8
Selten
10,6
4,7
3,9
5,0
62,8
79,9
In Ausnahmefällen
Nie
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
5.3.1
Bedeutung von Flughäfen für die Wirtschaft
Flughäfen können aus zwei Gründen wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sein:
– Passage: Insbesondere wissensintensive Dienstleistungsunternehmen, wie Anwaltssozietäten, Unternehmensberatungen und Forschungsinstitute, benötigen einen stetigen (inter-)nationalen Austausch zur Generierung und Weitervermittlung
von Wissen (insbesondere von Tacit Knowledge, also erfahrungsgebundenem Wissen, das nicht kodifiziert ist) – und eine hohe Mobilität aufgrund enger Kundenbe-
60
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
ziehungen, weil ein hohes Maß an Vertrauen gegeben sein muss. Industrieunternehmen binden sich in einer immer stärker arbeitsteiligen Wirtschaft in Forschungsnetzwerke ein, wodurch themenspezifische unternehmensinterne (beispielsweise
bei Großkonzernen) oder unternehmensexterne Kooperationen entstehen.
Schon heute nehmen rund 40 Prozent aller bayerischen Unternehmen (große Unternehmen häufiger als kleine Unternehmen) Flugleistungen in Anspruch. Sie werden voraussichtlich ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die intensive Integration in solche wissensgenerierende Verbünde weiter erhöhen und so auch in Zukunft Wettbewerbsvorsprünge bewahren und ausbauen. Gleichzeitig muss eine hohe Mobilität
gewährleistet sein für die Unternehmen, die engen Kundenkontakt über größere
Distanzen pflegen. Der weltweite Trend zu einem steigenden Offenheitsgrad der
Märkte, die Globalisierung von Wertschöpfungsketten und das Wachstum in wissensintensiven Beratungsbranchen (Recht, Strategie, IT etc.) sind starke Indizien für
ein weiter steigendes Bedürfnis unmittelbarer Kundenkontakte.
Der Trend zur Beschleunigung von Prozessen trägt zudem dazu bei, dass die Taktungen von Flugbewegungen möglichst eng sein müssen, um den heutigen Anforderungen gerecht werden zu können.
– Fracht: Bayern als Exportland ist auf leistungsfähige Flughäfen mit dem Angebot
einer Vielzahl von Destinationen angewiesen, um auch im Warenverkehr in Zukunft
vom steigenden Offenheitsgrad der Weltwirtschaft profitieren zu können. Immerhin
20 Prozent der bayerischen Unternehmen versendet Fracht per Flugzeug.
Der Freistaat muss dementsprechend sicherstellen, dass bei der Güte der Infrastruktur
der aktuelle Status quo gehalten wird und darüber hinaus gezielte Verbesserungen bei
für den Erfolg Bayerns kritischen Infrastrukturprojekten bewirkt werden. Kapitel 6.1
zeigt, dass Länder, die in direktem Wettbewerb zu Bayern stehen, große finanzielle
Anstrengungen hinsichtlich ihrer Flugverkehrsinfrastruktur bewältigen müssen, um weiter aufzuschließen zu können.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
61
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Tabelle 8
Intensität der Nutzung von Flughäfen durch die Wirtschaft
– Anteil der Unternehmen mit Flughafennutzung nach Unternehmensgröße –
Klein
Mittel
Groß
bis 9 Beschäftigte bis 49 Beschäftigte ab 50 Beschäftigte
Gesamt
Passage
Häufig
15,1
28,1
40,6
35,7
Gelegentlich
27,2
20,3
31,7
29,0
Selten
35,6
32,5
19,8
23,8
In Ausnahmefällen
12,7
14,3
5,8
8,2
9,4
4,8
2,1
3,3
11,1
10,4
14,2
13,2
Gelegentlich
8,7
10,1
19,0
16,2
Selten
8,8
3,9
14,7
12,0
In Ausnahmefällen
14,8
10,7
15,5
14,5
Nie
56,6
64,9
36,6
44,1
Nie
Fracht
Häufig
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Die Auswertung der Befragung zeigt, dass zwei Drittel der bayerischen Wirtschaft, die
Flughäfen nutzt, zumindest gelegentlich Geschäftsreisen per Flugzeug absolviert und
knapp ein Drittel der Unternehmen zumindest gelegentlich Frachtdienstleistungen
nutzt. Flughäfen spielen demnach für weite Teile der bayerischen Wirtschaft eine Rolle
in ihrer Wertschöpfungskette.
Grundsätzlich gilt, dass große Unternehmen Flughäfen deutlich häufiger nutzen als
kleine. Während Beschäftigte bei fast drei von vier großen Unternehmen, die Flughäfen
nutzen, regelmäßig geschäftlich per Flugzeug reisen, fällt der Anteil bei kleinen Unternehmen mit gut 40 Prozent deutlich niedriger aus. Bei Frachtdienstleistungen liegen
diese Anteile bei 33,2 Prozent bzw. 19,8 Prozent.
62
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Exkurs zum Gewichtungsmodell
Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung werden repräsentativ gemäß dem Umsatz bayerischer Unternehmen aus dem Unternehmensregister (2012) hochgerechnet.
Die Ergebnisse spiegeln somit die Realität der bayerischen Wirtschaft besser wider, da
die kleinen Unternehmen bei einer ungewichteten oder anzahlgewichteten Zählung
eine erhebliche Dominanz entfalten würden. Ein Unternehmen mit zehn Beschäftigten
hätte dann eine gleiche Bedeutung für die bayerische Wirtschaft wie ein Unternehmen
mit 1.000 Beschäftigten. Große Unternehmen erhalten nach dieser Methodik ein ihrem
Umsatz angemessen höheres Gewicht als kleine Unternehmen.
Für bayerische Unternehmen ist der Hub-Flughafen München mit Abstand am wichtigsten. An zweiter Stelle steht der Regionalflughafen Nürnberg, gefolgt von Frankfurt am
Main. Ein Ergebnis der Unternehmensbefragung ist, dass für knapp 70 Prozent der
Unternehmen der Flughafen München am bedeutendsten ist. Knapp 20 Prozent der
Unternehmen gaben Nürnberg als wichtigsten Flughafen an – von hier sind gleichwohl
internationale Destinationen am bedeutendsten, für die ein Umsteigen in Frankfurt oder
München notwendig ist. Frankfurt am Main wird von gut 8 Prozent der Unternehmen
am häufigsten genutzt.
Insgesamt werden demnach knapp 95 Prozent der Flüge von bayerischen Unternehmen über die drei Flughäfen München, Nürnberg und Frankfurt am Main abgewickelt.
Sowohl internationale Flughäfen wie Wien-Schwechat oder Zürich, als auch andere
nationale Flughäfen wie Stuttgart oder Friedrichshafen spielen als Abflughäfen nur eine
marginale Rolle für bayerische Unternehmen.
Dass knapp 70 Prozent der Unternehmen München als wichtigsten Flughafen angeben, liegt an der räumlichen Stichprobenverteilung. In der Stichprobe haben 67,4 Prozent der Unternehmen ihren Sitz im südlichen Bayern, also Oberbayern, Niederbayern
oder Schwaben. Knapp ein Drittel der Unternehmen haben ihren Standort dagegen in
der Oberpfalz oder in Franken. Damit wird die Realität gut abgebildet. Laut Unternehmensregister haben 64,3 Prozent aller bayerischen Unternehmen ihren Sitz im südlichen Bayern. Die Abweichung zur öffentlichen Statistik beträgt damit lediglich
3,1 Prozentpunkte.
Die Flughafennutzung ist in Bayern aus regionaler Perspektive dreigeteilt. Die Unternehmen in Schwaben, Oberbayern und Niederbayern nutzen für Geschäftsreisen in
überwältigender Mehrheit den Flughafen München. Auch in der südlichen Oberpfalz
wird der Münchner Flughafen noch von einer deutlichen Mehrheit genutzt. Der nördliche Teil der Oberpfalz sowie Oberfranken und Mittelfranken konzentrieren sich eher
auf den Flughafen Nürnberg, während drei Viertel aller befragten Unternehmen in Unterfranken den Frankfurter Flughafen in Anspruch nehmen (Abbildung 21). Hier zeigt
sich also die Nord-Süd-Teilung Bayerns hinsichtlich der Nutzung des Flughafens München (siehe Kapitel 1) bestätigt.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
63
Abbildung 21
Wichtigste Flughäfen für bayerische Unternehmen nach Bezirken
– Anteile in Prozent der wichtigsten Flughäfen für Geschäftsreisende –
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Der mit Abstand wichtigste Flughafen für bayerische Unternehmen ist wie gezeigt
München. Hier kulminiert sowohl nationaler als auch internationaler Flugverkehr. Die
bedeutendsten nationalen Flugdestinationen von München sind Berlin, Düsseldorf und
Hamburg. Die USA und China sind als internationale Destinationen stark gefragt. Dies
deckt sich damit, dass diese beiden Länder die wichtigsten Handelspartner des Freistaats sind.
Die Ergebnisse fallen erstaunlich ähnlich wie die Ergebnisse der offiziellen Passagierbefragung des Münchner Flughafens aus. Während die Werte der Unternehmensbefragung als Indexpunkte nach der (qualitativen) Bedeutung der Flughäfen wiedergegeben werden, kann über die Passagierbefragung der Anteil nationaler und internationaler Ziele präzise quantifiziert werden. Die Ergebnisse lauten im Vergleich:
– Aus der Unternehmensbefragung ergibt sich für den Flughafen München bei nationalen Zielen eine etwas geringere Bedeutung als bei internationalen Zielen (42,3 Indexpunkte gegenüber 57,7 Indexpunkten, Abbildung 22).
64
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
– Die offizielle Passagierbefragung des Jahres 2012 ergab, dass 45,2 Prozent der
originären Passagiere zu nationalen Destinationen und 54,8 Prozent zu internationalen Destinationen fliegt.
– Die Abweichung zwischen der exklusiv für die vorliegende Studie durchgeführten
Unternehmensbefragung und der offiziellen Passagiererhebung des Flughafens
München beträgt demnach nur wenige Prozentpunkte.
– Die Kongruenz der Ergebnisse – trotz unterschiedlicher Erhebungsmethodik als
qualitative Plausibilisierung einzuordnen – stützt die Erhebungen wechselseitig und
erhärtet damit auch zusätzlich die Aussagekraft der Ergebnisse für die Flughäfen
Nürnberg und Frankfurt.
Vom Flughafen Nürnberg aus werden wesentlich häufiger internationale als nationale
Flugziele angesteuert. Die wichtigsten internationalen Ziele sind die USA, Österreich
und China. Da vom Nürnberger Flughafen aufgrund der fehlenden Hub-Funktion keine
Direktflüge in die USA oder China angeboten werden, müssen die Passagiere erst in
den Hub-Flughäfen Frankfurt oder München umsteigen. Ein beträchtlicher Teil des
Nürnberger Luftverkehrs besteht demnach aus diesem Umsteigeverkehr. Frankfurt
wird von bayerischen Unternehmen insbesondere für internationale Direktflüge genutzt.
Die bedeutendsten Verbindungen gehen nach China, nach Großbritannien, in die USA,
nach Japan und Indien.
Abbildung 22
Wichtigste Flugziele für bayerische Unternehmen
– Indexpunkte der drei wichtigsten Flughäfen für Geschäftsreisende –
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
5.3.2
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
65
Bedeutung der Güte von Flugverbindungen für die Wirtschaft
Unternehmen messen Flughäfen eine unterschiedliche Bedeutung für ihren Geschäftserfolg bei. Dies liegt an der Häufigkeit der Nutzung, an dem damit verbundenen Geschäftsvolumen und an der Qualität der Termine – beispielsweise, ob theoretisch auch
eine Videokonferenz anstatt physischer Präsenz möglich wäre.
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass über ein Fünftel aller Unternehmen mit Flugtätigkeit dieser einen hohen Stellenwert für ihren Geschäftserfolg beimisst – und daher
Flughäfen regelmäßig nutzt bzw. damit wichtige Termine verbindet. Fast die Hälfte der
Unternehmen ordnet Flugtätigkeit eine mittlere Relevanz für ihren Geschäftserfolg zu,
für knapp ein Drittel der Unternehmen ist die Bedeutung von Flughäfen eher gering.
Insbesondere Unternehmen, die sich nach 1992 – dem Eröffnungsjahr des Flughafens
München – in der Nähe des Flughafens angesiedelt haben, messen der Flughafennutzung eine hohe Relevanz für ihren Geschäftserfolg bei – ihr Anteil liegt in dieser Kategorie bei 40 Prozent und damit doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Die Formulierung
„Nähe zum Flughafen München“ bedeutet, dass die Unternehmen in einem der drei
Landkreise München, Erding oder Freising bzw. in der Landeshauptstadt München
ansässig sind. Von den 379 befragten Unternehmen mit Flugtätigkeit trifft dies auf 110
Unternehmen zu, wovon 61 Unternehmen ihren Sitz in der Landeshauptstadt haben.
Tabelle 9
Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg bayerischer Unternehmen
Nähe zum Flughafen,
Datum der Ansiedlung
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Nähe zu MUC, nach 1992
15,5
44,3
40,2
Nähe zu MUC, vor 1992
28,2
45,1
26,7
Keine Nähe zu MUC, nach 1992
35,3
42,6
22,0
Keine Nähe zu MUC, vor 1992
32,3
50,1
17,6
Gesamt
30,8
47,3
21,9
Anteil der Dienstreisen per Flugzeug
12,0
37,0
50,0
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Jüngere Unternehmen, die nach 1992 gegründet wurden, nutzen Flughäfen häufiger
als Unternehmen, deren Gründung vor dem Jahr 1992 stattfand – unabhängig von ihrem Firmensitz. Mit jeder Neugründung eines bayerischen Unternehmens wird demnach die Bedeutung von Flughäfen auch in Zukunft eher weiter zunehmen.
66
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Je wichtiger eine Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg ist, desto größer ist auch der
Anteil von Dienstreisen per Flugzeug an allen Dienstreisen. Unternehmen, bei denen
Geschäftsreisen per Flugzeug mit einer hohen Relevanz für den Geschäftserfolg bewertet werden, absolvieren die Hälfte aller Dienstreisen im Flugzeug. Das Flugzeug
spielt damit eine ganz erhebliche Rolle für den Erfolg der zugrunde liegenden Geschäftsmodelle, die eine hohe (internationale) und kurzfristige Mobilität erfordern.
Im geschäftlichen Flugverkehr spielen internationale Direktverbindungen eine besonders wichtige Rolle, weil der Zeitkomponente von Geschäftsreisenden eine ungleich
größere Bedeutung zugemessen wird als von Privatreisenden (vgl. BDL, 2014a). Die
Ergebnisse der Befragung zeigen, dass schon heute für knapp zwei Drittel aller Unternehmen mit Flugtätigkeit internationale Direktverbindungen wichtig sind. Der Anteil wird
in den nächsten fünf Jahren auf 70 Prozent steigen.
Dies zeigt den Zusammenhang zu einem der wesentlichen Argumente dafür, warum
eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass in Zukunft der Flugverkehr in Deutschland
quantitativ weiter an Bedeutung gewinnen wird. Auch wenn die Prognosen von sinkenden Einwohnerzahlen für die nächsten Jahrzehnte ausgehen, wird durch den zunehmenden Offenheitsgrad der Wirtschaft und die damit einhergehende stärkere Arbeitsteilung auch die Integration deutscher Unternehmen in internationale Wertschöpfungsketten weiter steigen.
Für Bayern implizieren indes beide Entwicklungen eine höhere Relevanz des Flugverkehrs. Erstens liegt die Bevölkerungsprognose für den Freistaat bei 2,8 Prozent bis
2032 (vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, 2014) – von
sinkenden Bevölkerungszahlen kann hier demnach keine Rede sein – und zweitens
sind die Unternehmen schon heute überdurchschnittlich stark in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden. Insbesondere Industrieunternehmen, die in Bayern
überdurchschnittlich häufig ansässig sind, nutzen die Chancen der Globalisierung intensiv. Oberbayern wird aufgrund seines überdurchschnittlichen Wachstums und seines hohen Wohlstandniveaus voraussichtlich besonders starke Impulse auf eine zunehmende Bedeutung von Flugverkehr ausüben.
Die weiter zunehmende technologische Vernetzung von Unternehmen – beispielsweise
im Rahmen von Industrie 4.0 – und die damit einhergehenden horizontalen, unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerke werden voraussichtlich dazu beitragen, dass auch die reale Vernetzung über einen noch intensiveren Austausch von Beschäftigten und Waren an Bedeutung gewinnen wird.
Insbesondere Unternehmen, die nach 1992 gegründet wurden und in der Nähe des
Flughafens München angesiedelt sind, messen internationalen Direktbeziehungen eine
hohe Bedeutung bei. 85 Prozent dieser Unternehmen werden demnach in fünf Jahren
den Flughafen regelmäßig für Pflege und Aufbau internationaler Verbindungen nutzen
(Tabelle 10).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
67
Auch Unternehmen, für deren Geschäftserfolg Flugverbindungen eine mittlere Relevanz aufweisen, benötigen zu einer deutlichen Mehrheit internationale Direktverbindungen (80 Prozent).
Nur ein sehr geringer Anteil von Unternehmen gibt dagegen an, dass internationale
Direktverbindungen heute (6,4 Prozent) und in Zukunft (4,4 Prozent) keine Rolle für ihr
Unternehmen spielen bzw. spielen werden.
Damit bayerische Unternehmen von den weltweiten Wirtschaftsverflechtungen bestmöglich profitieren können, ist es deshalb erforderlich, dass im Freistaat ein Flughafen
mit einer starken Hub-Funktion existiert, durch den eine Vielzahl von Direktverbindungen mit angemessener Taktung gewährleistet werden können. Mit Blick auf den sich
stark intensivierenden Wettbewerb der Hub-Flughäfen insbesondere zwischen Europa
und dem Nahen Osten (siehe Kapitel 6.1) genügt es nicht, den Status quo lediglich zu
konservieren. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass der Standort auch in Zukunft
wettbewerbsfähig bleibt, indem die Infrastruktur den erhöhten Anforderungen genügt.
Tabelle 10
Bedeutung internationaler Direktverbindungen
Nähe zum Flughafen,
Datum der Ansiedlung
Hohe Bedeutung
heute
Hohe Bedeutung
in 5 Jahren
Nähe zu MUC, nach 1992
75,5
85,5
Nähe zu MUC, vor 1992
67,5
75,3
Keine Nähe zu MUC, nach 1992
53,7
65,5
Keine Nähe zu MUC, vor 1992
60,8
68,1
Gesamt
61,5
70,1
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Die Güte der Flugverbindung – und damit beispielsweise die Direktflugangebote oder
die Taktung der Flugziele – wirkt sich auch auf internationale Investitionsentscheidungen aus. Insgesamt gibt ein Drittel der Unternehmen an, ihre Investitionsentscheidung
auch nach der Qualität der Flugverbindung in den potenziellen Zielort zu treffen.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass bayerische Unternehmen unter anderem durch
konsequente Internationalisierungsstrategien wettbewerbsfähig bleiben konnten. Neben dem Beschäftigungsaufbau in Bayern und Deutschland wurden insbesondere von
Konzernen und großen Mittelständlern weitere Produktions- und Vertriebsstandorte im
Ausland gegründet. Die überdurchschnittlich intensive Einbindung in internationale
68
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Wertschöpfungsketten, die Ausschöpfung internationalen Marktpotenzials sowie oftmals die relativen Kostenvorteile sicherten Arbeitsplätze und Wohlstand im Freistaat.
Vor allem Unternehmen, für die ihre Flugtätigkeit generell von hoher Bedeutung für den
Geschäftserfolg ist, berücksichtigen die Qualität von Flugverbindungen in ihrem Investitionskalkül. Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die internationale Flugziele anfliegen
und für die Flugtätigkeit zu ihrem Geschäftsmodell gehört, misst der Qualität der Flugverbindungen eine hohe Bedeutung für ihre Investitionsentscheidungen bei. Nur knapp
10 Prozent dieser Unternehmen fliegen keine internationalen Flugziele an, sondern
agieren ausschließlich in Deutschland.
Im Umkehrschluss erscheint es plausibel, dass auch ausländische Unternehmen die
Güte der Flugverbindung nach Deutschland – die maßgeblich davon abhängt, wie viele
Flughäfen mit Hub-Funktion hier existieren – von ihren Investitionsentscheidungen abhängig machen.
Tabelle 11
Bedeutung von Flugverbindungen für internationale Investitionsentscheidungen
– Anteil der Unternehmen nach Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg –
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Gesamt
Hoch
17,3
29,0
56,0
31,8
Niedrig
82,7
71,0
44,0
68,2
Nicht relevant
21,8
16,7
9,8
16,8
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
5.3.3
Bedeutung von Frachtleistungen für die bayerische Wirtschaft
Von gut einem Fünftel aller bayerischen Unternehmen, die Frachtdienstleistungen in
Anspruch nehmen (siehe Kapitel 4.1), messen wiederum gut die Hälfte heute und
knapp zwei Drittel in fünf Jahren Luftfracht eine wichtige Rolle bei (Tabelle 12). Je bedeutender die Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg von Unternehmen ist, desto höher
ist dabei auch die Bedeutung von Luftfracht – der Anteil geht bis zu drei Viertel.
Ist die Bedeutung von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg relativ gering, liegt die Quote immer noch bei gut einem Drittel der Unternehmen, für die Luftfracht heute wichtig
ist, und bei fast der Hälfte mit Blick auf die Zukunft.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
69
Tabelle 12
Bedeutung von Luftfracht
– Anteil der Unternehmen nach Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg –
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Gesamt
Heute
31,4
54,2
74,3
54,8
In 5 Jahren
39,6
64,6
76,8
62,9
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Der Hauptgrund, warum Waren mit Luftfracht transportiert werden, ist Zeitknappheit.
Diese kann verschiedene Gründe haben: Dazu gehören beispielsweise kurzfristige
Beschaffungstermine, Just-in-time-Lieferungen oder der Versand verderblicher Waren
(im Groß- und Einzelhandel). Rund 70 Prozent der Unternehmen geben an, Luftfracht
zu wählen, weil sie ihre Waren zeitnahliefern müssen (siehe Tabelle 13).
60 Prozent der Unternehmen müssen eine so große Distanz überbrücken, dass nur
Luftfracht für sie in Frage kommt. Der Versand per Schiff oder auf dem Landweg ist
hier offensichtlich zu kompliziert, weil beispielsweise mehrere Landesgrenzen überschritten werden müssen.
Knapp ein Drittel der Unternehmen versendet hochwertige Waren mit dem Flugzeug,
wobei sich der schnelle Lufttransport im Vergleich zum wesentlich langsameren Seebzw. Straßentransport lohnt.
Insbesondere diejenigen Unternehmen, für die Flugtätigkeit von hoher Relevanz für
ihren Geschäftserfolg ist, nutzen Luftfracht überdurchschnittlich stark aus Gründen
großer räumlicher Distanz oder wegen der Hochwertigkeit ihrer Waren. Hier zeigt sich
erstens die intensive globale Einbindung dieses Unternehmenstyps in die Weltwirtschaft. Zweitens wird deutlich, dass diese Unternehmen besonders werthaltige Waren
per Flugzeug versenden. Ohne leistungsfähige Flughäfen würden diese Unternehmen
demnach vor großen Schwierigkeiten stehen, wenn sie ihr Geschäftsmodell weiterhin
erfolgreich verfolgen wollen.
70
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Tabelle 13
Gründe für Frachttransport mit Flugzeug
– Anteil der Unternehmen nach Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg –
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Gesamt
Zeitkritische Waren
59,6
74,5
68,1
69,8
Große Distanzen
49,1
51,7
81,3
59,0
Hochwertige Waren
17,2
31,1
43,5
31,5
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Ergänzend zu der unmittelbaren Nutzung von Flughäfen im eigenen Beschaffungs- und
Absatzprozess benötigen Unternehmen mittelbar den Zugang zu Flughäfen, um beispielsweise von weiteren Stufen aus der Wertschöpfungskette Waren geliefert zu bekommen.
Rund 28 Prozent der Unternehmen messen dementsprechend Flughäfen in ihrer Beschaffungslogistik eine wichtige Rolle zu – im Vergleich zu 13,2 Prozent, die Flughäfen
selbst häufig für Frachtdienstleistungen benötigen (siehe Tabelle 8).
Unternehmen, für die Flugtätigkeit für ihren Geschäftserfolg entscheidend ist, geben zu
knapp 50 Prozent an, dass Flughäfen auch in der Beschaffungslogistik eine wichtige
Rolle spielen und nur rund 5 Prozent, dass Flughäfen hier keine Relevanz für ihr Unternehmen entfalten. Dagegen sind Flughäfen nur für 10 Prozent der Unternehmen
wichtig, für die Flugtätigkeit grundsätzlich von geringer Relevanz sind – für 50 Prozent
dieser Gruppe sind Flughäfen nicht relevant für ihre Beschaffungslogistik.
Offenbar siedeln sich Unternehmen auch aufgrund der räumlichen Nähe näher an
Flughäfen an, wenn diese für ihre Logistik eine wichtige Rolle spielen. Für rund 36 Prozent der Unternehmen, die in der Nähe des Flughafens München ansässig sind, spielen Flughäfen eine wichtige Rolle – im Vergleich zu gut jedem vierten Unternehmen,
das seinen Standort nicht in der Nähe des Flughafens hat. Hier entstehen Vorteile bezüglich der Transportkosten, der Transportrisiken und der Lieferzeit insbesondere bei
Waren, die besonders hochwertig sind oder zeitnah geliefert werden müssen. Wie gezeigt, trifft dies auf die große Mehrheit der Frachtgüter zu (Tabelle 14).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
71
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Tabelle 14
Bedeutung von Flughäfen für die Beschaffungslogistik von Unternehmen
– Nach Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg und Standortnähe zu MUC –
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Nähe zu
MUC
Keine Nähe
zu MUC
Gesamt
Wichtig
10,1
25,5
49,1
35,9
27,1
28,4
Weniger wichtig
39,9
62,9
45,7
44,7
55,0
53,6
Nicht relevant
50,0
11,6
5,2
19,4
17,9
18,0
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
5.3.4
Landseitige Erschließung des Flughafens München
Die sogenannte Multimodalität im Verkehr spielt eine wichtige Rolle für eine effiziente
Einbindung von Flughäfen in die Wertschöpfungsketten von Unternehmen. Nicht nur
das Flugangebot und dessen Taktung bestimmen darüber, wie effektiv Flughäfen von
Unternehmen bei der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit genutzt werden können, sondern auch die Erreichbarkeit über Straße und Schiene.
Die bisherigen Auswertungen der Unternehmensbefragung zeigen eindrücklich die
große Bedeutung der Nähe zum Flughafen insbesondere für Unternehmen, für die
Flugtätigkeit von hoher Relevanz für ihren Geschäftserfolg ist.
Entscheidend ist eine gute Erreichbarkeit insbesondere für Hub-Flughäfen, weil dort
das Einzugsgebiet größer ist als bei kleineren Flughäfen. Je weiter die Anreise ausfällt,
desto wichtiger ist die Verkürzung der Fahrzeit – je besser also ein Flughafen landseitig angebunden ist, desto häufiger wird er genutzt. Steigende Passagierzahlen führen
wiederum zu einem verbesserten Flugangebot, wodurch die Attraktivität des Flughafens sowohl für originäre Passagiere als auch für Umsteiger abermals steigt.
Beim Flughafen München zeigt sich, dass die überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter
von Unternehmen, welche ihren Sitz nicht in der Nähe des Flughafens haben, mit dem
Auto anreist. Weder der Nahverkehr (Regionalverkehr) noch der Fernverkehr wird dazu
genutzt, den Flughafen zu erreichen. Dies zeigt die unterdurchschnittliche landseitige
Erschließungsqualität. Der Flughafen ist nicht wie in Frankfurt am Main, Düsseldorf
oder Köln in das ICE-Streckensystem eingebunden. Der einzige Zugang über den
Schienenverkehr existiert über zwei S-Bahn-Linien, die über die Münchner Innenstadt
angeschlossen sind.
Kapitel 3.1 zeigt, wie bedeutend die positiven Effekte ausfielen, wenn schon allein die
Fahrzeit zum Flughafen nur um wenige Minuten reduziert werden könnte. Als zweiter
72
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
positiver Effekt entstünde durch eine bessere Schienenanbindung eine Entlastung der
Straßeninfrastruktur insbesondere auf den Münchner Ringen und im direkten Umfeld.
Mitarbeiter, deren Unternehmen in der Nähe zum Flughafen angesiedelt sind, nutzen
zu einem Drittel den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV, im MVV-Gebiet) und
damit die bereits erwähnten S-Bahn-Linien. Die Bereitschaft, öffentliche Verkehrsmittel
zu nutzen, existiert demnach auch im geschäftlichen Umfeld.
Geschäftsreisende legen dabei deutlich mehr Wert auf eine kurze Reisezeit „von Tür
zu Tür“ als Privatreisende (s. Kapitel 4.2). Deshalb ist es umso wichtiger, die landseitige Verkehrsinfrastruktur so zu optimieren, dass die Fahrzeit zum Flughafen möglichst
gering ausfällt. Dies lässt sich primär durch den Ausbau des Schienennetzes erreichen. Eine bessere landseitige Anbindung würde die Standortqualität signifikant erhöhen.
Tabelle 15
Wichtigste Verkehrsmittel zum Flughafen MUC
Standort der
Unternehmen
Auto
ÖPNV
Nähe zu MUC
65,1
32,0
1,5
1,4
Keine Nähe zu MUC
96,8
1,5
0,2
1,5
Gesamt
86,0
11,9
0,6
1,5
Nahverkehr
Fernverkehr
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
5.3.5
Gründe für eine Ansiedlung nahe dem Flughafen München
Die Hauptgründe aus denen sich Unternehmen im Großraum München – Flughafen
München (Landkreise München, Erding und Freising und Landeshauptstadt München)
ansiedeln, liegen in der guten Straßeninfrastruktur und in den attraktiven Gewerbeflächen (Tabelle 16). Hier zeigen sich zwei wichtige Erkenntnisse:
– Erstens spielt die Verkehrsinfrastruktur eine entscheidende Rolle bei der Standortwahl. Eine leistungsfähige Anbindung garantiert in einer Welt mit ständig zunehmenden Mobilitätsanforderungen, dass Unternehmen (international) wettbewerbsfähig sein können. Vor allem die Landeshauptstadt München kann mit einem Zugang
zu mehreren Autobahnen und einem ICE-Knotenpunkt in alle wichtigen wirtschaftlichen Regionen punkten.
– Zweitens wird damit das Potenzial deutlich, dass der Flughafen bei einer verbesserten landseitigen Infrastruktur hätte. Wie aufgezeigt, wird der Flughafen München
von einer großen Mehrheit der Reisenden per Auto angesteuert. Ein multimodaler
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
73
Zugang würde die Erreichbarkeit verbessern und damit den Standort für Unternehmensgründungen und -verlagerungen attraktiver werden lassen.
Die Auswertung zeigt auch strukturelle Unterschiede zwischen Unternehmen, für die
hohe Mobilität über weite Strecken eher weniger wichtig ist (geringe Relevanz), und
solchen, für die eine hohe Mobilität mit einer schnellen Erreichbarkeit eines Flughafens
entscheidend für ihr Geschäftsmodell ist. Die erste Gruppe legt bei einer Standortentscheidung am meisten Wert auf attraktive Gewerbeflächen und ein günstiges Immobilienpreisniveau. Für die zweite Gruppe sind zwar auch diese beiden Aspekte relevant,
aber noch höher bewerten sie die Erreichbarkeit in ihrem Standortkalkül. Dies liegt unter anderem daran, dass zur ersten Gruppe eher Unternehmen des Groß- und Einzelhandels gehören, die auf große Flächen angewiesen sind, während sich in der zweiten
Gruppe überdurchschnittlich viele wirtschaftsnahe Dienstleister wie Unternehmensberater oder Anwaltssozietäten befinden, die weniger Fläche benötigen, aber auch kurzfristig hochmobil sein müssen. Mehr als vier von fünf dieser Unternehmen nennen die
räumliche Nähe zum Flughafen als Ansiedlungsgrund. Damit sind die Nähe zum Flughafen und eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur für diesen Unternehmertyp am
wichtigsten bei der Standortentscheidung.
Das unternehmerische Umfeld gehört ebenfalls zu den wichtigsten Ansiedlungsgründen der Unternehmen. Der Großraum München als das wirtschaftliche Kraftzentrum
des Freistaats übt eine große Anziehungskraft auf Unternehmen aus. Die Rahmenbedingungen sind aufgrund der hohen Dichte von potenziellen Wertschöpfungs- und Kooperationspartnern besser als in den meisten Regionen Deutschlands.
Plausibel ist ebenfalls, dass ein größerer Anteil von Unternehmen, für die Flugtätigkeit
von geringer Relevanz für ihren Geschäftserfolg ist, eher die Nähe zu Beschaffungsund Absatzmärkten in der Umgebung als weiteren Ansiedlungsgrund angibt, als dies
Unternehmen tun, die Flugreisen eine hohen Bedeutung beimessen.
Bei den Angaben bezüglich der Nähe zu Forschungs- und Entwicklungskooperationen
muss berücksichtigt werden, dass das Ergebnis vor dem Hintergrund, dass nur ein Teil
aller Unternehmen überhaupt forschend und entwickelnd tätig ist, als relativ hoch eingeschätzt wird. Aus anderen, deutschlandweiten Befragungen im Rahmen des IWZukunftspanels oder des ZEW-Innovationspanels ist bekannt, dass lediglich rund
40 Prozent aller industrie- und unternehmensnahen Dienstleistungsunternehmen überhaupt Innovationen vornehmen (vgl. ZEW, 2014).
74
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Tabelle 16
Ansiedlungsgründe
– Anteil der Unternehmen nach Relevanz von Flugtätigkeit für den Geschäftserfolg –
Geringe
Relevanz
Mittlere
Relevanz
Hohe
Relevanz
Gesamt
Gute Schienen- /
Straßeninfrastruktur
63,1
69,5
81,2
71,7
Attraktive Gewerbeflächen
70,2
61,5
77,4
68,3
Günstiges Immobilienpreisniveau
66,1
59,8
78,4
67,3
Unternehmerisches
Umfeld
64,6
64,4
69,5
66,0
Erreichbarkeit von
Flugzielen
45,4
54,7
81,7
61,6
Nähe zu Kunden /
Kooperationspartnern
in der Umgebung
62,3
60,6
61,9
61,4
Nähe zu Absatz- /
Beschaffungsmärkten
in der Umgebung
57,1
48,2
47,1
49,9
Nähe zu Forschungs- /
Entwicklungseinrichtungen in der Umgebung
40,8
41,7
44,4
42,3
Quelle: Unternehmensbefragung IW Consult (2014)
Während die Durchschnittsmiete bei Gewerbeimmobilien im Umland des Flughafens
seit dem Jahr 2012 bei rund 9 Euro je Quadratmeter lag, konnten in der Innenstadt
Münchens durchschnittliche Mieten von gut 15 Euro pro Quadratmeter erzielt werden
(Abbildung 23).
Die relativ günstigen Gewerbeflächen im Umfeld des Münchner Flughafens sind unter
anderem der Erschließungsqualität geschuldet. Bei einer guten landseitigen Erreichbarkeit und hoher Gewerbeimmobilienqualität könnten die Immobilienpreise im Umfeld
des Münchner Flughafens zu den Immobilienpreisen in der Münchner Innenstadt aufschließen. Dieselbe Dynamik kann an anderen Flughäfen beobachtet werden, die
landseitig optimal angeschlossen sind. Dazu gehören beispielsweise Frankfurt am
Main und Amsterdam-Schiphol.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Hub-Flughafen München: Treiber für Prosperität
Abbildung 23
Gewerblicher Immobilienmarkt Innenstadt München vs. Flughafen München
– Standorte von Inseraten bei ImmobilienScout24 seit 2012, N = 60.000 –
Quelle: ImmobilienScout24; eigene Darstellung (2014)
75
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
6
Mögliche Entwicklungspfade
77
Mögliche Entwicklungspfade
Die Hub-Funktion Münchens steht unter Druck
Der Flughafen München hat sich in den zurückliegenden Jahren äußerst positiv entwickelt und sukzessive eine Hub-Kompetenz aufgebaut und international gefestigt. Diese
gerät jedoch – vor allem vor dem Hintergrund eines extrem dynamischen Wettbewerbsumfelds – in jüngster Vergangenheit zunehmend unter Druck. Das nachfolgende
Kapitel reflektiert in einem ersten Abschnitt dieses Konkurrenten- bzw. Wettbewerbsumfeld. Im zweiten Abschnitt werden dann mögliche Entwicklungsverläufe aufgezeigt.
Zum einen wird der Frage nach den Konsequenzen aus dem Verlust der Hub-Funktion
für den Flughafenstandort München nachgegangen (Szenario 1). Neben diesem
Worst-Case-Szenario wird der Frage nach möglichen Entwicklungsverläufen aufgrund
von investiven Maßnahmen nachgegangen: Welchen Entwicklungsverlauf könnte der
Drehscheibenflughafen München nach einer Inbetriebnahme einer dritten Start- und
Landebahn (Szenario 2) bzw. nach Verbesserung der landseitigen Anbindung (Szenario 3) einschlagen?
6.1
Wachstumsstarke neue Hub-Konkurrenten
Die Wettbewerbssituation im interkontinentalen Luftverkehr verändert sich grundlegend. Das Wachstum der Fluggesellschaften aus der Golfregion, das durch eine entsprechende Zunahme der Flughafenkapazitäten unterfüttert wurde, war im letzten
Jahrzehnt immens. Die Fluggesellschaft Emirates hat seit ihrer Gründung im Jahr 1985
die weltweit größte Flotte von Großraumflugzeugen aufgebaut, mit dem Schwerpunkt
auf dem Zweidecker Airbus A380. Mit 190 ausgelieferten und bestellten Maschinen
entfallen 59 Prozent der Order für dieses Modell auf die Airline aus dem Mittleren Osten. Was den europäischen Flugzeugkonzern angesichts zurückhaltender Aufträge
anderer Fluggesellschaften für ihr Flaggschiffmodell freuen kann, stellt jedoch eine
wachsende Bedrohung für die großen europäischen Fluggesellschaften und ihre Heimatbasen dar. Diese Bedrohung wird potenziert, seit mit Etihad, Qatar Airways und
Turkish Airlines weitere Fluglinien eine klare Expansionsstrategie aufgelegt haben, um
von der günstigen Lage ihrer Drehkreuze zwischen Europa und Asien und von dem
wachsenden Asien-Verkehr zu profitieren. Mit dem Ausbau der Hub-Funktion steigt
auch die Bedeutung im Europa-Afrika- sowie im Asien-Nordamerika-Verkehr. Das starke Wachstum von Fluggesellschaften aus dem Mittleren Osten stellt mittlerweile nicht
mehr nur eine Bedrohung für europäische Fluggesellschaften dar, sondern beginnt sich
sukzessive auch auf der anderen Seite des Atlantiks, in Nordamerika, zu zeigen. So
plädieren aktuell die drei größten amerikanischen Fluggesellschaften Delta, United
Airlines und American Airlines – als Maßnahme zur Begegnung der wachsenden Gefahr – für eine Beschneidung der Landerechte für Fluggesellschaften vom Persischen
Golf und eine Kündigung des „Open Skies“-Abkommen mit Katar und den Vereinigten
Arabischen Emiraten.
78
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 24
Die neuen Konkurrenten vom Golf und aus der Türkei
– Flotten von Emirates, Ethiad, Qatar Airways und Turkish Airlines, September 2014 –
250
200
150
100
50
0
Emirates
A380
A340
Etihad
A330
B777
Qatar
B787
B747
A320-family
Turkisch Airlines
A310
B737
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Angaben der Fluggesellschaften
Bis zum Jahr 2020 planen die drei großen Airlines der Golfanrainerstaaten, Emirates,
Etihad und Qatar Airways eine weitere kräftige Ausweitung ihrer Kapazitäten auf den
Europa- und Asienrelationen um 60 Prozent bis 170 Prozent. 600 Großraumflugzeuge,
die nur zum geringsten Teil vorhandene Flugzeuge ersetzen sollen, werden von den
betroffenen Luftfahrtunternehmen bis zum Jahr 2020 voraussichtlich gekauft (vgl. Credit Suisse, 2014). Turkish Airlines folgt der Strategie der drei arabischen Gesellschaften und baut ebenfalls seine Europa-Asien-Verbindungen zügig aus (vgl. Turkish Airlines, 2013). Die bestehenden Landerechte auf Flughäfen der Europäischen Union und
die vielen Verbindungen in mitteleuropäische Städte, die auch durch in Europa lebende
Türken und Touristen genutzt werden, bilden dabei eine gute Basis für den Ausbau des
Netzes im Asienverkehr, da die Großraumflugzeuge auf den Asienrouten relativ kostengünstig aus den mit Single-Aisle-Gerät bedienten Europastrecken gefüllt werden
können. Im Zeitraum von 2014 bis 2017 wird die Gesellschaft 38 neue Großraumflugzeuge erhalten, die vollständig der Kapazitätserweiterung auf der Langstrecke dienen
sollen. Insgesamt soll die Flotte bis zum Jahr 2020 um 84 Prozent auf 428 Maschinen
wachsen (vgl. Turkish Airlines, 2014). Damit dürfte das rasante Wachstum der Gesellschaften des Mittleren Ostens (mit Türkei, vgl. Abbildung 26), die seit dem Jahr 2000
um über 340 Prozent gewachsen sind, seine Fortsetzung finden.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
79
Mögliche Entwicklungspfade
Abbildung 25
Wachstum des Luftverkehrs nach Weltregionen
– Entwicklung der verkauften Passagierkilometer 2000-2012 in Prozent –
400
350
300
250
200
346
150
100
50
0
21
51
65
70
98
110
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: BDL (2013) / IATA
6.1.1
Der Ausbau der Flughafeninfrastruktur in der Golfregion und der Türkei
Die Flughafenstandorte Dubai und Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten
(VAE), Doha in Katar sowie Istanbul in der Türkei sind in ihrer laufenden Expansion
unterschiedlich weit vorangekommen. In Dubai ist die Entwicklung zum Mega-Hub im
Asien-Europa-Verkehr bereits am weitesten fortgeschritten. Der Flughafen Dubai International ist die Heimatbasis von Emirates und damit der weltgrößten Flotte an Zweideckern vom Typ Airbus A380. Dubai International fertigte im Jahr 2013 66,4 Millionen
Passagiere ab, eine Steigerung um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Tabelle 17).
Weltweit liegt der arabische Hub damit schon auf Rang 7, Frankfurt wurde bereits im
Jahr 2012 überholt. Im Jahr 2014 wird eine Steigerung auf 73 Millionen Passagiere
erwartet. Die aktuelle Kapazität von 75 Millionen Passagieren soll durch ein neues
Terminal bis zum Jahr 2016 auf 90 Millionen gesteigert werden. Gleichzeitig entsteht
mit dem im Oktober 2013 für den Passagierverkehr eröffneten Dubai World Central
eine neue „AirportCity“, die im Endausbaustadium jährlich 160 Millionen Passagiere
abfertigen soll. Dubai schafft Kapazitäten für die Zukunft – wahrscheinlich auch auf
lange Zeit Überkapazitäten – offenbar ohne auf finanzielle Restriktionen Rücksicht
nehmen zu müssen.
Abbildung 26 zeigt das Wachstum der führenden europäischen Hubs um LondonHeathrow und Frankfurt sowie der neuen Wettbewerber vom Golf und in der Türkei in
den Jahren von 2010 bis 2013. London und Frankfurt konnten so wie München ihre
Verkehrsleistung im Passagierverkehr nach dem Einbruch des Jahres 2009 nur um ein
80
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Zehntel steigern, während die vier neuen Hauptkonkurrenten um 40 Prozent bis
60 Prozent gewachsen sind.
Abbildung 26
Hubs im Mittleren Osten und Türkei setzen sich ab
– Wachstum wichtiger Hub-Flughäfen 2010-2013 in Prozent –
60
Prozent
50
40
30
40,9
20
10
0
7,1
9,8
10,0
11,4
48,1
52,2
59,7
16,2
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: BDL – Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (2014) / IATA, Angaben der
Flughäfen
Neben Dubai konnte im Jahr 2014 auch Katar einen neuen Großflughafen in Doha in
Betrieb nehmen. Am Golf ist der Auf- und Ausbau neuer Flughafenkapazitäten damit
bereits weiter fortgeschritten als in der Türkei. Istanbuls zwei Flughäfen mit zusammen
60 Millionen Passagieren sollen weiter ausgebaut und durch einen neuen Großflughafen ergänzt werden. Mit 51,2 Millionen Passagieren im Jahr 2013 operiert das Istanbuler Drehkreuz Atatürk International nahe an seiner Kapazitätsgrenze (Tabelle 17). Der
Bau eines neuen Drehkreuzes für bis zu 150 Millionen Passagiere jährlich wurde Mitte
2014 begonnen, um die Wachstumsstrategie des nationalen Carriers mit entsprechenden Kapazitäten zu unterfüttern. Der Zeitplan der türkischen Regierung ist ehrgeizig,
was die hohe Priorität unterstreicht, die dem Luftverkehr als Wirtschaftsfaktor in dieser
Weltregion – im Gegensatz zu Deutschland und der EU – beigemessen wird: Schon
bis Ende des Jahres 2018 soll der erste Bauabschnitt für bis zu 90 Millionen Passagiere fertiggestellt sein. Die türkische Regierung sieht in der nationalen Fluggesellschaft
und dem Luftfahrtstandort ein zentrales Element der aufstrebenden Wirtschaft des
Landes, das schon im Jahr 2020 zu den global größten zehn Volkswirtschaften gehören soll (vgl. Gamze / Gerede, 2013). Das schnelle Wachstum des türkischen Luftverkehrsmarktes – im Sommerflugplan 2014 wurde das Sitzplatzangebot vom Vorjahr um
16 Prozent überschritten, was die mit Abstand höchste Zuwachsrate in Europa war –
unterfüttert die Wachstumspläne der Regierung (Vgl. BDL, 2014b).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
81
Mögliche Entwicklungspfade
Weitere mittelöstliche Gesellschaften wie Oman Air expandieren und versuchen, das
erfolgreiche Geschäftsmodell zu kopieren.
Tabelle 17
Die neuen Hub-Flughäfen am Golf und in der Türkei sowie in Westeuropa
– Abgefertigte Passagiere 2013 und Wachstum gegenüber 2012 –
Passagiere 2013
Veränderung zu 2012
in Prozent
London Heathrow
72.368.030
3,3
Dubai International Airport
66.431.533
15,2
Paris Charles de Gaulle
62.052.917
0,7
Frankfurt am Main
58.036.948
0,9
Atatürk International Airport
51.172.626
13,6
München FJS
38.672.644
0,8
Doha International Airport
23.266.187
9,9
Abu Dhabi International Airport
16.700.000
12,4
Anmerkung: Doha International wurde im Mai 2014 durch den Hamad International Airport ersetzt, da der
bisherige Flughafen an die Kapazitätsgrenzen stieß; Abu Dhabi International: gerundet.
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Airports Council International / Port Authority of NY and NJ (2014), Flughafenangaben
Abbildung 28 zeigt, dass die Flughafendichte bezogen auf die Bevölkerung in Asien
und im Mittleren Osten noch deutlich gegenüber Europa und Nordamerika zurückliegt.
Im Mittleren Osten gibt es ebenso wie in den entwickelten Ländern Asiens nur etwa
einen Flughafen pro zwei Millionen Einwohner, in Europa ist die Dichte doppelt so
hoch. China liegt mit 0,13 Flughäfen pro Million Einwohner noch weit zurück, obwohl es
in den letzten Jahren einen starken Ausbau der Infrastruktur – einschließlich Flughäfen
– gab. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Region Mittlerer Osten abgesehen vom
Ausbau ihrer Drehkreuzfunktion auch noch eigenes Wachstumspotenzial im Luftverkehr aufweist.
82
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 27
Dichte der Flughafenstruktur nach Kontinenten
– Flughäfen pro Million Einwohner –
2,5
2
1,5
2,5
1
0,5
1
0,8
0,7
0,5
0,5
0,4
0,3
0,1
0
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Airbus (2014), S.42
6.1.2
Die Konzentration auf Megacities nimmt zu
Der Langstreckenflugverkehr zeigt eine starke Konzentration auf die Routen zwischen
den ca. 40 bedeutendsten Hub-Flughäfen. Airbus definiert sogenannte Megacities als
Flughafenstandorte, die mehr als 10.000 Langstreckenpassagiere täglich abfertigen
(vgl. Airbus, 2011). Hierzu zählt auch die 1,4-Millionen-Einwohner-Stadt München. Aktuell (Daten für 2010) werden knapp über die Hälfte der weltweiten Langstreckenpassagiere zwischen 39 solcher Megacities wie London, Los Angeles, Frankfurt oder München transportiert, weitere 42 Prozent zwischen Megacities und Sekundär-Hubs wie
beispielsweise Düsseldorf. Anders ist das Bild bezüglich der beflogenen Routen: Hier
entfallen nur 22 Prozent auf Megacity-Verbindungen, aber 58 Prozent auf Anbindungen
der Sekundär-Hubs an die Megacities. Zwischen den kleineren Sekundär-Hubs fliegen
nur sieben Prozent der Langstreckenpassagiere, allerdings auf einem Fünftel der insgesamt angebotenen Fernrouten.
Zwar wird bis zum Jahr 2033 eine Steigerung der Anzahl der Megastädte, die mindestens 10.000 Langstreckenpassagiere aufweisen, um 120 Prozent auf 87 Städte erwartet. Jedoch bleibt die Konzentration des Verkehrs gemessen anhand der Passagierzahl
wie der angebotenen Passagierkilometer (ASK) auf die führenden Hubs (vgl. Abbildung
29) nach der Prognose von Airbus weitgehend bestehen (vgl. Airbus, 2011).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
83
Abbildung 28
Passagiere und Routen nach Größen der Hubs
– Aufteilung des internationalen Langstreckenverkehrs –
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Airbus (2011), Global Market Forecast
6.1.3
Unterstützung der Regierungen für die Expansionsstrategie
Während dem Luftverkehr und den Flughafenstandorten in Europa und speziell in
Deutschland nur eine begrenzte Unterstützung der politischen Entscheidungsträger
zuteil wird – in Deutschland führen Maßnahmen wie eine Ausweitung von Nachtflugverboten und die Luftverkehrssteuer, die die Kostenbelastung des Sektors um ca. eine Milliarde Euro jährlich erhöht, sogar zu wachsenden Belastungen (vgl. BDL, 2013) –
sind die heimischen Airlines und Flughäfen für die Golfstaaten und die Türkei Teil der
nationalen Wachstums- und Entwicklungsstrategien. Die Türkei möchte den Aufstieg
des Schwellenlandes zur entwickelten Welt durch den Ausbau des Luftverkehrsstandorts flankieren. Die VAE sowie Katar suchen ein wirtschaftliches Standbein für die Zeit
„nach dem Öl“, indem sie ihre geografische Lage zwischen Europa und Asien für die
Entwicklung zur Handels-, Logistik- und Luftverkehrsdrehscheibe nutzen.
Klar ist damit, dass die Rahmenbedingungen für die Fluggesellschaften und Drehkreuze im Mittleren Osten weit günstiger ausfallen als in Europa. Wie stark sich dies auf die
Anteile am Passagieraufkommen im wichtigen Europa-Asien-Verkehr auswirkt, zeigt
Abbildung 29. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich der Anteil von Emirates, Etihad und
Qatar Airways bezogen auf die verkauften Sitze auf fast ein Fünftel verdoppelt.
84
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 29
Anteil der Golf-Airlines im Europa-Mittelost- / Asien-Verkehr
20
15
10
5
8,2
9,0
2004
2005
13,5
14,5
11,0
12,5
14,2
11,9
2006
2007
2008
2009
2010
2011
16,5
17,5
18,5
2012
2013
2014
0
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Credit Suisse (2014); Diio Mi Data
Umstritten ist allerdings, inwieweit diese erfolgreiche Expansionsstrategie durch „Investitionen in die Zukunft“ oder aber durch direkte staatliche Subventionen gefördert wird.
Luftverkehrsexperten gehen überwiegend von Beihilfen der Golf-Regierung aus, diese
sind aber angesichts fehlenden Einblicks in die Kostenstrukturen der nicht börsennotierten Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber nur schwer zu belegen.
– Investitionen. Es ist angesichts der gewaltigen Investitionen der letzten Jahre offensichtlich, dass sowohl die staatseigenen Fluggesellschaften wie auch die Flughäfen
keinen finanziellen Restriktionen bei der Beschaffung von Flugzeugen und dem Bau
der Infrastrukturen unterliegen. Die Staatsfonds der Golfanrainer befinden sich allerdings in einem globalen Niedrigzinsumfeld weltweit auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten für die hohen Einnahmen aus der Ölproduktion, sodass eine Investition in die eigenen Airlines nicht per se eine Subvention darstellt.
– Besteuerung. Auch die Steuerfreiheit der Beschäftigten in den Golfstaaten und die
niedrige oder fehlende Besteuerung der Unternehmen sind nicht unbedingt als Subventionen einzustufen. Sie bilden zwar einen klaren Kostenvorteil gegenüber den
europäischen Standorten und Airlines, gelten aber nicht nur für die Mitarbeiter und
Unternehmen im Luftfahrtsektor.
– Kerosinpreis Ein leichter zu überprüfendes Element staatlicher Unterstützung wäre
eine Subventionierung der Treibstoffpreise. Kerosin trägt im Durchschnitt mit ca.
30 Prozent zu den Kostenpositionen von Fluggesellschaften bei, so dass hier eine
wichtige Einflussmöglichkeit gegeben ist. Aufgrund der immensen Auswirkungen auf
die Wettbewerbsfähigkeit von Flughafenstandorten und Fluggesellschaften wird Kerosin weltweit nicht besteuert, so dass sich sein Preis prinzipiell überall aus dem
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
85
Rohölpreis zuzüglich Raffinerie- und Transportkosten zusammensetzen sollte. Derzeit liegt der Preis von Kerosin bei ca. 0,60 Euro je Liter (nach IATA-Preisindex August 2014). Auch in den Ölländern sollte es im Rahmen der Transportkosten für das
Rohöl nur geringfügig billiger sein. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte, dass die
Airlines der Golfstaaten auf europäischen Flughäfen weit weniger Kerosin tanken,
als für die Flug nach Abu Dhabi, Dubai oder Doha notwendig ist. Die Großraumflugzeuge, deren Reichweite weit größer ist als für den Flug nach Europa erforderlich,
kommen also vom Golf offenbar mit ausreichend Treibstoff für einen Teil des Rückflugs nach Europa. Da diese Betankungsstrategie aufgrund des höheren Gewichts
den Kerosinverbrauch erhöht, ergibt sie nur Sinn, wenn es für die betreffenden Gesellschaften deutliche Preisunterschiede für das Betanken an heimischen und europäischen Flughäfen gibt. Das Tankverhalten gibt derzeit den deutlichsten Hinweis
auf Treibstoffsubventionen für die Golf-Airlines.
6.1.4
Kapazitätsaufteilung wichtiger Airlines
Die folgende Grafik zeigt die geografische Kapazitätsaufteilung von elf wichtigen Fluggesellschaften aus Europa, der Golfregion und Asien. Es zeigen sich interessante Unterschiede zwischen den kontinentalen Schwerpunkten nach den Herkunftsregionen
der Airlines, die sich auf die Streckennetze der jeweiligen Airline-Drehkreuze auswirken.
Die asiatischen Gesellschaften und Qantas konzentrieren ihre Liniennetze auf Asien,
mit nur noch geringen (Singapore Airlines, Cathay Pacific, Air China) oder sogar vollständig zu vernachlässigenden Verbindungen nach Europa. Hier macht sich die Dominanz der Golf-Carrier auf den Europaverbindungen bereits stark bemerkbar: Qantas
betreibt Codesharing mit Emirates und hat die eigenen Europarouten quasi aufgegeben. Es ist damit zu rechnen, dass weitere Airlines diesen Weg beschreiten, statt sich
in einen finanziell nicht zu gewinnenden Konkurrenzkampf zu begeben. Bis auf Singapore Airlines setzt keiner der asiatischen Carrier über zehn Prozent seiner Kapazitäten
im Europa-Verkehr ein. Der Mittlere Osten wird von den asiatischen Airlines fast vollständig gemieden, nur Qantas bedient dank der Kooperation mit Emirates Dubai mit
höherer Frequenz.
Ganz anders ist die Aufteilung der Kapazitäten der drei europäischen klassischen nationalen Fluggesellschaften: Ihr Europa-Verkehrsanteil liegt im Maximum (LufthansaGruppe) bei 35 Prozent und bei Air France-KLM und der IAG (British Airways / Iberia)
nur bei einem Fünftel der gesamten Kapazitäten. Die IAG konzentriert ihre Routen auf
Nordamerika (British Airways) bzw. Südamerika (Iberia), mit europäischem Zubringerverkehr und nur noch geringen Asien- und Mittelost-Routen. Air France-KLM meidet
den Mittleren Osten, setzt aber fast ein Viertel der Kapazitäten im Asien-Verkehr ein.
Die Lufthansa-Gruppe ist im Asien-Verkehr ähnlich stark vertreten wie Air France-KLM
und im Mittleren Osten wie die IAG. Mit zusammen 28 Prozent der Kapazitäten in diesen beiden Weltregionen besteht ein starkes Bedrohungspotenzial durch die drei Golf-
86
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Airlines und den neu hinzustoßenden Konkurrenten Turkish Airlines für die führende
deutsche Gesellschaft mit ihren Hub-Standorten in Frankfurt und München.
Relativ gleichmäßig ist die geografische Routenverteilung bei den großen Golf-Airlines
mit einem bislang schwachen Amerikaverkehr. Derzeit setzen die drei großen Carrier
18 Prozent bis 24 Prozent ihrer Kapazitäten – gemessen in angebotenen Sitzplätzen –
auf Europarouten ein, gegenüber 31 Prozent bis 37 Prozent auf den Asien-PazifikRelationen und nur drei Prozent bis fünf Prozent auf den Verbindungen nach Nordamerika (vgl. Credit Suisse, 2014).
Abbildung 30
Geografische Kapazitätsaufteilung
– Aufteilung der Kapazitäten europäischer, mittelöstlicher und asiatischer Airlines –
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Europa
Nordamerika
APAC
Mittelost
Sonstige
Anmerkung: Sonstige = einschließlich fehlende Abgaben
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Angaben der Fluggesellschaften; Credit Suisse (2014); Berechnungen IW Köln
Es ist damit zu rechnen, dass sich die grundlegende Verteilung für die GolfGesellschaften mit den neu zulaufenden Großraumflugzeugen weiter Richtung Langstrecken verschiebt. Aber auch bei einer Verstärkung der bislang schwachen AmerikaVerbindungen über die Atlantikroute und der Asien-Pazifik-Routen dürften Europaflüge
weiterhin ca. ein Fünftel der neuen Kapazitäten binden, während die Kurzstrecken innerhalb des Mittleren Ostens an Relevanz verlieren. Emirates mit seiner Dominanz auf
der Langstrecke gibt dabei den Weg bereits vor.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
6.1.5
Mögliche Entwicklungspfade
87
Bedrohungspotenzial für europäische Gesellschaften steigt
Die Gefahr der Mittelost-Airlines für etablierte europäische (und südasiatische) Airlines
im Europa-Asien-Verkehr ist real und wachsend. Credit Suisse Research sieht einen
Kostensenkungsbedarf auf den Asienverbindungen von bis zu 40 Prozent, damit europäische Gesellschaften wie die Lufthansa konkurrenzfähig bleiben können. Dies erfordert nicht nur Sparmaßnahmen beispielsweise bei den Personalkosten, sondern auch
mehr Investitionen in konkurrenzfähiges modernes Gerät mit geringerem Treibstoffverbrauch je Passagier. Der Verkauf älterer Maschinen stellt dabei üblicherweise eine
wichtige Einnahmequelle als Basis für neue Flugzeugkäufe dar. Die Investitionsbudgets europäischer Airlines sind aber durch den Wertverlust der Flotten bedroht: Da die
Golf-Airlines junge Flotten unterhalten und ihre gebrauchten Maschinen eher abstoßen
als die etablierten Gesellschaften in Europa und den Vereinigten Staaten, könnte sich
der Wert älterer Großraumflugzeuge halbieren. Unter den drei großen europäischen
Airlines wäre British Airways / Iberia (IAG) mit einem Wertverlust der Flotte von ca.
sieben Prozent am stärksten betroffen, vor Air France-KLM (vier Prozent) und Lufthansa (zwei Prozent) (vgl. Credit Suisse, 2014).
Die Abbildung 31 zeigt den Umsteigeverkehr an wichtigen europäischen und mittelöstlichen Hub-Flughäfen. Während Frankfurt sich im Kontext der großen europäischen
Drehkreuze relativ gut behaupten konnte und München sogar Verkehr und prozentuale
Anteile hinzugewonnen hat, ist der Zuwachs der drei Hubs am Golf und in Istanbul weit
größer. Mit 16,3 Millionen Umsteigern ließ Dubai im Jahr 2013 Frankfurt (14 Millionen)
hinter sich, während Doha mit 7,6 Millionen Umsteigepassagieren München
(6,9 Millionen) überholt hat. Für die Marktanteile im Umsteigeverkehr zeigt sich die
Verschiebung zu den neuen Konkurrenten am Golf und in der Türkei entsprechend.
Der strukturelle Wandel lässt sich auf einzelne Märkte herunterbrechen: Während im
Jahr 2005 noch drei Viertel der Passagiere zwischen Indien und den USA in Europa
umstiegen und nur 4 Prozent im Nahen bzw. Mittleren Osten, waren es im Jahr 2013
nur noch 46 Prozent in Europa und schon 38 Prozent am Golf bzw. in Nahost
(vgl. BDL, 2014b). Die Luftverkehrsströme gehen zunehmend an Europa vorbei.
88
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 31
Umsteigeverkehr nach Hub-Flughäfen
– Entwicklung von Umsteigezahlen (oben, in Millionen) und Marktanteilen (unten, in
Prozent) von 2004 bis 2013 –
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
2004
2007
2010
2013
14
12
10
8
6
4
2
0
Darstellung: Institut der deutschen Wirtschaft (2014)
Datengrundlage: Sabre Airport Data Intelligence; Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
89
Die weitere Entwicklung ist allerdings auch von der Frage der Landerechte auf dem
europäischen Kontinent abhängig: Deutschland limitiert beispielsweise für Emirates
den Zugang zum deutschen Markt, sodass beispielsweise Berlin nur unter Aufgabe
einer anderen Relation angeflogen werden könnte. Derartige Beschränkungen der
Landerechte sind vor allem für dispers strukturierte oder sehr große Länder marktrelevant – neben Deutschland also noch stärker die Vereinigten Staaten und China –, während kleinere oder monozentrische Luftfahrtstandorte wie das Vereinigte Königreich
und Frankreich mit ihren dominierenden Hauptstädten oder der Stadtstaat Singapur die
Marktdurchdringung ausländischer Airlines schwerer begrenzen können. Zur Umgehung der Beschränkungen bei den Landerechten setzt Etihad in Europa stark auf Kooperationen und Beteiligungen (Etihad 2015)So hält die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten seit Dezember 2011 einen Aktienanteil von 29 Prozent
an der deutschen Fluggesellschaft Air Berlin und seit August 2014 einen Aktienanteil
von 49 Prozent an der italienischen Fluggesellschaft Alitalia.
6.1.6
Europa-China-Verkehr mit höherer Immunität
Neben der Frage der Landerechte gibt es noch einen weiteren Grund, für die europäischen Luftfahrtstandorte nicht nur pessimistisch bezüglich der zukünftigen Rolle der
Golf-Hubs und Istanbuls im Asien-Verkehr zu sein: Wettbewerbsfähig sind die Drehkreuze im Mittleren Osten und ihre Carrier vorwiegend im Südasien- und AustralienVerkehr, weniger im Chinaverkehr. Mit dem Aufstieg Chinas zur weltgrößten Volkswirtschaft bis voraussichtlich zum Jahr 2023 besitzt gerade der Europa-China-Verkehr
immenses Wachstumspotenzial (vgl. Airbus, 2014).
Für die Routen nach China liegen die Golf-Hubs zu weit südlich außerhalb des Großkreises (als kürzeste Flugverbindung zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche),
der über Russland und Zentralasien führt. Die Zeitverluste eines Fluges mit Zwischenstopp am Golf sind dadurch erheblich, ebenso der Mehrverbrauch an Kerosin gegenüber einem Nonstop-Flug von Europa. Zudem bremst Peking bei der Vergabe von
Landerechten für die Golf-Airlines, um seine eigenen Fluggesellschaften nicht in ihrer
Expansion zu gefährden. Indirekt hilft dies auch den europäischen Wettbewerbern.
Turkish Airlines besitzt hier allerdings aufgrund der nördlicheren Lage Istanbuls eine
deutlich günstigere Position als die Golf-Airlines. Mit dem neuen Großflughafen in Istanbul könnte die Airline an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien nach dem Jahr
2020 zu einer noch größeren Gefahr für die europäischen Hubs werden als die Konkurrenten am Persischen Golf.
6.1.7
Zusammenfassung
Die Wettbewerbssituation im interkontinentalen Luftverkehr verändert sich grundlegend. Fluggesellschaften aus der Golfregion sind zu wachstumsstarken Global Playern
geworden, die Interkontinentalverkehr vor allem in der Europa-Asien-Relation an sich
90
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
ziehen. Besonders auf der Relation von Europa nach Südostasien sind Gesellschaften
wie Emirates aus Dubai – weltgrößter Betreiber des Großflugzeugs Airbus A380 – dominierend, da der arabische Golf hier auf dem Großkreis als kürzester Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche liegt.
In den Jahren von 2004 bis 2014 haben die Golf-Airlines ihren Anteil im EuropaMittelost- und Asien-Verkehr von 8,2 Prozent auf 18,5 Prozent gesteigert. Bis zum Jahr
2020 planen die drei großen Airlines vom Golf, Emirates, Etihad und Qatar Airways,
eine weitere kräftige Ausweitung ihrer Kapazitäten auf den Europa- und AsienRelationen um 60 Prozent bis 170 Prozent. Zulaufen werden ca. 600 Flugzeuge. Ein
Großteil hiervon ist für den Interkontinentalverkehr vorgesehen.
Bedeutende asiatische Airlines wie Singapore Airlines und Thai wurden bereits überwiegend aus den Europa-Asien-Relationen verdrängt; auch British Airways/Iberia (IAG)
und Qantas mussten die Bedienung dieser Relation stark einschränken bzw. aufgeben.
Lufthansa und Air France / KLM setzten hingegen noch 23 Prozent ihrer Sitzplatzkapazitäten im Asien-Verkehr ein.
Die Wachstumsstrategie der drei Golf Airlines und auch von Turkish Airlines wird durch
einen rasanten Ausbau der Hub-Kapazitäten an den Heimatbasen unterlegt. In Istanbul
wurde mit dem Bau eines neuen Großflughafens begonnen, der schon im Jahr 2018
mit einer Kapazität von 90 Millionen Passagieren eröffnen und danach auf
150 Millionen Passagiere ausgebaut werden soll. Dubai entwickelt neben dem bestehenden Dubai International Airport für bis zu 90 Millionen Passagiere eine neue AirportCity mit bis zu 160 Millionen jährlicher Passagierkapazität.
Die Regierungen der jeweiligen Länder des Mittleren Ostens sehen den Luftverkehr
und ihre Hubs als Teil der nationalen Entwicklungsstrategie; Fluglinien und Flughafenausbau werden dementsprechend konsequent gefördert. Subventionen für die Fluggesellschaften sind jedoch trotz vorliegender Indizien (Tankverhalten, Besteuerung, Kapitalkosten) schwer nachzuweisen.
Die andauernde starke Ausweitung des Interkontinentalverkehrs durch die GolfFluglinien und Turkish Airlines kosten die europäischen Gesellschaften im EuropaAsien- sowie zukünftig verstärkt im Europa-Afrika-Verkehr Marktanteile. Dies wirkt sich
auf das Wachstum der Hub-Flughäfen aus: Im Zeitraum von 2010 bis 2013 sind London Heathrow und Frankfurt um ca. 10 Prozent, Dubai um 40 Prozent, Doha und Abu
Dhabi um ca. 50 Prozent und Istanbul um knapp 60 Prozent gewachsen.
Die Strategie der Golfanrainer und der Türkei für ihre Airlines und Hub-Flughäfen greift
die Stellung europäischer Drehkreuzflughäfen im Interkontinentalverkehr an. Dies gefährdet die Hub-Funktion der großen Sekundär-Hubs wie München und Amsterdam
stärker als die der Primär-Hubs (London Heathrow, Paris CDG, Frankfurt), da sich die
jeweiligen Fluggesellschaften im Falle einer Konsolidierung auf ihren wichtigsten Hub
konzentrieren werden.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
6.2
Mögliche Entwicklungspfade
91
Szenarien
Im Folgenden werden drei Szenarien berechnet, um potenzielle Entwicklungen des
Münchner Flughafens und ihre ökonomischen Konsequenzen bewerten zu können.
Zunächst wird berechnet, welche Folgen der Verlust der Hub-Funktion für den Münchner Flughafen bedeuten würde. Wie Kapitel 6.1 zeigt, kann dieser Verlust allein
dadurch zustande kommen, wenn lediglich der Status quo am Münchner Flughafen
erhalten wird. Wenn wichtige andere Drehkreuze wie Istanbul oder Dubai hohe Investitionen in den weiteren Ausbau tätigen, fällt der Flughafen München schnell in seiner
relativen Bedeutung zurück. Dies wiederum kann die Verkleinerung des Streckennetzes und damit auch den Verlust eines großen Teils der Passagiere bedeuten. Ein solches Szenario würde, wie im Folgenden gezeigt, den Wirtschaftsstandort Bayern massiv schwächen.
Im Vergleich dazu werden auch zwei positive Szenarien berechnet. Erstens werden die
Konsequenzen eines Ausbaus des Flughafens mit einer dritten Startbahn analysiert.
Zweitens wird berechnet, wie die Erhöhung der Erreichbarkeit des Münchner Flughafens auf dessen Bedeutung Einfluss nähme.
Alle drei Szenarien treffen Aussagen darüber, wie sich vom Status quo aus betrachtet
Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte für Bayern und Deutschland entwickeln.
Entscheidend ist bei diesen Maßnahmen auch die Zeitkomponente, die in den folgenden Ausführungen nicht berücksichtigt werden kann. Wenn die Wettbewerber schneller
sind, kann trotz Ausbauplänen ein Wendepunkt kommen, an dem andere Drehkreuze
an München vorbeigezogen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Gegensteuern erheblich
schwieriger.
Um einen Anker für die Szenarien fixieren zu können, von dem die drei Entwicklungspfade ausgehen, muss zunächst geklärt werden, wie sehr sich die Passagierzahlen auf
die unterschiedlichen Komponenten (wie Beschäftigung, Materialkosten, Wertschöpfung und dergleichen) der wirtschaftlichen Tätigkeit am Flughafen auswirken. Sind diese Beziehungen geklärt, kann anhand der jeweiligen Vorgaben des zu untersuchenden
Szenarios die Passagierzahl und anschließend deren Auswirkung auf die einzelnen
Komponenten berechnet werden. Ist das geschehen, wird anhand der Input-OutputAnalyse der ökonomische Impact auf Bayern und Deutschland ermittelt.
Festzustellen ist, dass Interkontinentalflüge eine große Bedeutung für die Hub-Funktion
von Flughäfen aufweisen. Werden diese Flüge reduziert, reduzieren sich in der Folge
auch Kontinentalflüge.
Zunächst ist in Abbildung 32 das Zusammenspiel von Passagieren zu Beschäftigten für
die Jahre 1994, 1997, 2000, 2003, 2006, 2009 und 2012 zu sehen. Anmerkung: Die
Arbeitsstättenerhebung (vgl. FMG, 2012) zeigt ein sinkendes Verhältnis von Beschäftigten je Passagier. Dies wiederspricht nicht der hier getroffen Aussage, da hier die
Entwicklung beider Variablen und nicht deren Verhältnis zueinander eingezeichnet ist.
Bei einer Verbindung der blauen Datenkreise mittels einer Geraden mit dem Ursprung
92
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
werden diese Geraden immer flacher. Dies zeigt das sinkende Verhältnis von Beschäftigten zu Passagieren.
Abbildung 32
Zusammenhang zwischen Passagieren und Beschäftigten am Flughafen
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
Es gilt ein linearer Zusammenhang, wobei bei null Passagieren noch immer etwa 5.000
Beschäftigte notwendig wären, um den Flughafengrundbetrieb zu gewährleisten. Der
Sprung über die blaue Linie im Jahr 2003 lässt sich als das für das Terminal 2 notwendige zusätzliche Personal interpretieren, was jedoch nichts am prinzipiellen linearen
Zusammenhang ändert.
Dieselbe Grafik für den Materialaufwand ist in Abbildung 33 dargestellt. Hier zeigt sich
ebenso ein linearer Zusammenhang. Dieser gilt jedoch erst mit der Eröffnung von Terminal 2 im Jahr 2003. Davor war der Materialaufwand bei etwa vergleichbaren Passagierzahlen deutlich niedriger. Aus einem sachlogischen Zusammenhang muss der Materialaufwand selbst ohne Passagiere bei einem positiven Wert liegen. Strikt aus den
Daten extrapoliert ergäbe sich allerdings bei etwa 10 Millionen Passagieren ein Materialaufwand von null Euro. Daher muss die eigentliche Verbindungslinie von Terminal 1
wesentlich flacher verlaufen und zumindest durch den Nullpunkt oder noch höher verlaufen (graue, flache Linie).
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
93
Abbildung 33
Zusammenhang zwischen Passagieren und Materialaufwand
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Datengrundlage: Flughafen München
Auf diese Weise lassen sich alle für die Szenarien notwendigen Berechnungen durchführen. Mit den gewonnenen Informationen kann der Impact des Flughafens für beliebige Passagierzahlen im Bereich von 25 Millionen bis 50 Millionen berechnet werden.
Für Werte darunter muss auf die entsprechenden Verhältnisse für das Terminal 1 zurückgegriffen werden. Dies ist aber aufgrund der fehlenden Daten nicht möglich, wird
aber bei einem Szenario mit Annahmen versucht. Die hier berechneten Auswirkungen
stellen demnach Maximalwerte dar. Dieser Fall tritt in dieser Studie aber nur einmal ein
und findet dort nochmals separat Erwähnung. Bei Passagierzahlen über 50 Millionen
werden die sprungfixen Kosten der dritten Startbahn schlagend. Das heißt, dass prinzipiell die Kosten von Terminal 2 weiter nach oben fortgeschrieben werden können,
dazu aber noch zusätzliche Kosten in derzeit unbekannter Höhe anfallen. Für eine Abschätzung dieser Zahlen müssen sehr detaillierte Planungen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen für die dritte Startbahn bekannt sein. Die Werte bei mehr als 50 Millionen
Passagieren sind daher als Untergrenze zu verstehen. Auch darauf wird im Text extra
verwiesen.
94
Mögliche Entwicklungspfade
6.2.1
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Szenario 1: Verlust der Hub-Funktion
Der Verlust der Hub-Funktion ist ein nicht einfach zu handhabendes Szenario. Da der
Verlust dieser Funktion für den Münchner Flughafen nur näherungsweise bestimmt
werden kann (siehe Kapitel 3), sollen hier zur besseren Einordnung zwei Szenarien
berechnet werden:
1.
Als ein Extremfall stelle man sich den Flughafen München als gleichstarken Anbieter vor, wie es derzeit etwa die Flughäfen Nürnberg, Salzburg, Stuttgart oder
Leipzig sind. Durch diesen Umstand entscheidet alleine die Reisezeit, welcher dieser Flughäfen (einschließlich München) von den Reisenden gewählt wird, da sich
der Flughafen München ohne Hub-Funktion nicht mehr vom Rest unterscheidet.
Berechnet man nun anhand des Gravitationsmodells die Anzahl der Passagiere
aus dem Quellaufkommen, so zeigt sich, dass dieses um 46 Prozent reduziert
wird. Nimmt man weiter an, dass sich die restlichen einsteigenden Passagiere
(angebotsorientierte Kunden, die aufgrund der Vielzahl an Flugverbindungen den
Flughafen München nutzen) identisch verhalten und aufgrund der Definition eines
Hubs noch mit dem Verlust der Ausland-Ausland-Umsteiger zu rechnen ist, ergibt
sich in der Summe ein Minus von 11,1 Millionen einsteigenden Passagieren. Unter
der Annahme, dass sich die aussteigenden Passagiere analog verhalten, verliert
der Flughafen München in diesem Fall 22,1 Millionen Passagiere, was knapp über
57 Prozent des Wertes vom Jahr 2013 entspricht.
Wie man in Tabelle 18 ablesen kann, würde dieses Worst-Case-Szenario einen
Verlust von beinahe einer Milliarde Euro an Bruttowertschöpfung in Bayern
(gut 1,1 Milliarden Euro in ganz Deutschland) und von etwa 17.400 Beschäftigten
(22.600 für Deutschland) bedeuten.
Tabelle 18
Abschätzung des ökonomischen Impacts des Verlustes der Hub-Funktion am
Flughafen München
Bruttowertschöpfung in Millionen Euro
direkt
Deutschland
-934,7
Bayern
-934,7
total
Veränderung
von total
-1.139,7
-22,8 %
-976,9
-22,0 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
-16.011
-22.557
Veränderung
von total
-29,2 %
-16.011
-17.358
-25,8 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
Im Ergebnis zeigt sich der Verlust von über einem Viertel der generierten Wertschöpfung des Flughafens in Bayern und ein Abbau von rund 22 Prozent der Beschäftigung, die vom Flughafen München unmittelbar und mittelbar abhängen.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
95
Bei der wohl realistischsten Annahme, dass der Flughafen München bei Verlust
seiner Hub-Funktion aufgrund der ökonomischen Stärke der Landeshauptstadt lediglich auf die Bedeutung eines Flughafens Düsseldorf oder Berlin-Tegels
schrumpfen würde, läge der Gesamteffekt des Verlustes unter den genannten gut
17.000 Arbeitsplätzen im Freistaat (siehe auch folgendes Szenario).
2.
In Kapitel 3 (siehe Abbildung 2) wurde gezeigt, dass vor der Eröffnung des Terminals 2, die als wesentlicher Impuls für die Etablierung der Hub-Funktion identifiziert
werden konnte, die Relation zwischen vom Flughafen München attrahierten Umsteigepassagieren und Flugzielen deutlich schwächer ausgeprägt war als nach der
Eröffnung. Folgende Annahmen werden vor diesem Hintergrund für zweite Szenario getroffen:


Die Anzahl der interkontinentalen Flüge mit mehr als 10.000 Passagieren wird
von derzeit 40 auf 30 reduziert, wenn die Hub-Funktion des Flughafens verloren geht.
Zusätzlich soll bei Erreichen von 35 interkontinentalen Flügen der Flughafen
um Terminal 2 rückgebaut werden, wodurch die Kapazitäten grundsätzlich
wieder auf die Jahre vor 2003 kalibriert werden.
Da das Terminal 2 im Jahr 2003 eröffnet wurde, als am Flughafen München etwa
35 interkontinentale Flüge mit mehr als 10.000 Passagieren starteten, handelt es
sich bei diesem Szenario um eine Art symmetrischen Rückbau. Hierbei wird vereinfachend angenommen, dass sich alle Prozesse perfekt revidieren lassen. Speziell in Hinsicht auf die Erwartungshaltung der am Flughafen ansässigen Geschäftsinhaber ist diese Annahme vermutlich nicht zutreffend, da bei den etwa 24
Mio. Passagieren im Jahr 2003 starke Zuwächse erwartet wurden, während die
Inhaber im berechnete Szenario eigentlich mit einer weiteren Abnahme rechnen
sollten. Im Szenario spielen derartige Erwartungen keinerlei Rolle. Nur der aktuelle
wirtschaftliche Status Quo fließt in die Überlegungen mit ein.
Folgende Schlüsse ergeben sich daraus:





Zunächst würde, wie aus Abbildung 2 bekannt, die Anzahl der umsteigenden
Passagiere zunächst mit 1,64 Mio. pro Flug abnehmen. Der Verlust der ersten
fünf Interkontinentalziele würde deshalb mit einem Umsteigerrückgang in Höhe von 8,2 Mio. Passagieren einhergehen.
Der Verlust weiterer fünf Interkontinentalziele bedeutete einen Rückgang der
Umsteigerpassagiere von 420.000 pro Flug und damit in Summe 2,1 Mio.
Umsteiger.
Insgesamt läge damit der Verlust bei 10,3 Mio. Umsteigern.
Zusätzlich müsste mit einem Verlust von rund 4,7 Mio. originären Passagieren
gerechnet werden.
Letztlich ist also mit einem Gesamtverlust von rund 15 Mio. Passagieren auszugehen, sofern nur noch 30 Interkontinentalziele angeflogen werden.
96
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Dies wiederum hat Implikationen auf die Kosten, Wertschöpfung und Überschüsse
für den Flughafen. Leider stehen hierfür, wie weiter oben bereits erwähnt, nur wenige Datenpunkte zur Verfügung, weswegen diese Abschätzungen mit deutlichen
Unsicherheiten in beide Richtungen versehen sind. Optimistisch stimmt allerdings,
dass für die Beschäftigung Daten zurück bis 1987 vorliegen, die erlauben, den
nicht unbeträchtlichen Teil der Personalkosten gut einzuschätzen.
In diesem Szenario fällt der Verlust geringer aus als im ersten Szenario. Dies ist
plausibel, weil es eher unwahrscheinlich ist, dass das erste Szenario in seinem
Extrem auftritt und die Bedeutung des Münchner Flughafens derart sinkt. Der Verlust von knapp 12.000 Arbeitsplätzen im Freistaat beziehungsweise 15.000 in ganz
Deutschland geht konform mit der Überlegung, dass die Bedeutung der Münchner
Flughafens eher in Richtung Düsseldorf, Berlin-Tegel oder Hamburg abnähme.
Tabelle 19
Abschätzung der Größenordnung des ökonomischen Impacts des Verlustes der
Hub-Funktion am Flughafen München bei Rückbau desselben
Bruttowertschöpfung in Millionen Euro
direkt
total
Deutschland
-582,9
Veränderung
von total
-710,3
-14,2 %
Bayern
-582,9
-608,8
-13,7 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
-10.889
Veränderung
von total
-14.957
-19,4 %
-10.889
-11.717
-17,4 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
6.2.2
Szenario 2: Ausbau des Flughafens
Ein Bau der dritten Startbahn führt zu einem von Intraplan vorhergesagten Anstieg der
Passagierzahlen im Jahr 2025 von 58,2 Millionen Passagieren, wovon 27,5 Millionen
(ein Anteil von 47 Prozent) Umsteiger sein werden. Unter Annahme der Zusammenhänge in Abbildung 2 auf Seite 13 werden für diese Passagierzahl etwa zehn zusätzliche hochrangige Interkontinentalziele (diese zählten im Jahr 2013 im Durchschnitt
140.000 Passagiere) notwendig sein.
Aufgrund der bisher angestellten Überlegungen zu den Auswirkungen zusätzlicher
Passagiere und der in 5.1 vorgestellten Impactanalyse, lassen sich nun die Kennzahlen in Tabelle für den Infrastrukturausbau errechnen. Hierin sind die Werte des zusätzlichen laufenden Betriebs gegenüber dem Jahr 2013 enthalten (d. h. der Effekt der
zusätzlichen 58,2 Millionen abzüglich 38,7 Millionen = 19,5 Millionen Passagiere). Da
hierfür die dritte Startbahn notwendig sein wird, die entsprechenden Betriebskosten
aber unbekannt sind, verstehen sich die Zahlen als Minimalansatz – ebenso ist der
Bau der dritten Startbahn hier nicht inkludiert.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
97
Mögliche Entwicklungspfade
Eine dritte Startbahn würde demnach die gesamte Wertschöpfung, die unmittelbar und
mittelbar durch den Flughafen München entsteht um rund 20 Prozent bzw.
862 Millionen Euro erhöhen. Die induzierte Beschäftigung stiege dadurch bayernweit
um rund 23 Prozent oder gut 15.000, wobei diese Schätzungen am untersten Rand
liegen.
Tabelle 20
Ökonomischer Impact des zusätzlichen laufenden Betriebs nach dem Ausbau
um eine dritte Startbahn, Minimalansatz
Bruttowertschöpfung in Millionen Euro
direkt
Deutschland
824,8
Bayern
824,8
total
Veränderung
von total
1.005,7
20,1 %
862,0
19,4 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
14.128
19.903
Veränderung
von total
25,7 %
14.128
15.316
22,8 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München, OpenStreetMap, diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
6.2.3
Szenario 3: Verbesserung der Erreichbarkeit
Als letztes Szenario wird ein verbesserter landseitiger Anschluss des Flughafens München analysiert. Ein derartiger Infrastrukturausbau würde sich sicherlich positiv auf das
Quellaufkommen auswirken. Eine ebensolche Wirkung auf die Besucher (jene Passagiere, die beispielsweise aus den USA kommen, in München landen und sich dann
wieder auf den Rückflug begeben) ist unsicher, aber möglich. Im Folgenden soll daher
nur der Effekt auf das Quellaufkommen untersucht werden.
Der Modal Split zwischen den letzten Anreiseverkehrsmitteln liegt bei 32 Prozent mit
Schienenverkehr und 68 Prozent mit Autos aller Art inklusive Busse. Die Analysen
wurden zwar prinzipiell unter Verwendung von Autoreisezeiten gerechnet, ein analoges
Umlegen der Ergebnisse auf den Schienenverkehr ist jedoch durchaus plausibel.
Um einen Vergleich über die verschiedenen Auswirkungen zu ermöglichen, wurden
drei unterschiedliche Situationen angenommen:
1. Um 10 Minuten verbesserte Anbindung nach München: Da über dieses letzte
Autobahnstück (bzw. diese Schienentrasse) nicht nur Münchner, sondern auch
sämtliche Bewohner von Gemeinden rund um den Chiemsee, aus ganz Südbayern und sogar aus einem Stück nördlich von Augsburg (etwa Dillingen) fahren müssen, ergibt sich hier ein enormes zusätzliches Passagierpotenzial.
2. Um 10 Minuten verbesserte Anbindung entlang der nördlich verlaufenden Verkehrsachsen in Richtung Nürnberg: Hierzu zählen sämtliche Gemeinden in der
Verlängerung des gedachten Dreiecks Donauwörth – Flughafen München –
Regensburg. Hierdurch wird auch der gesamte Norden Bayerns abgedeckt.
98
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
3. Um 10 Minuten verbesserte Anbindung entlang der nordöstlich verlaufenden
Verkehrsachsen in Richtung Dingolfing und Deggendorf: Dieser eher kleine Abschnitt deckt vom Flughafen München aus gesehen den Nordosten ab, auch
mit Blick in Richtung Tschechische Republik.
4. Um 45 bzw. 60 Minuten verbesserte Anbindung entlang der südöstlich verlaufenden Verkehrsachsen in Richtung Salzburg. Dabei wurde für die Regionen
südöstlich von Mühldorf eine Fahrzeitreduktion von 45 Minuten und für solche
südöstlich von Freilassing (inkl. des gesamten Bundeslandes Salzburg sowie
dem angrenzenden Teil von Oberösterreich) eine Reduktion von 60 Minuten
angenommen.
Es wird explizit nur die grundsätzliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit der genannten
Verkehrsachsen modelliert, ohne dass definierte Infrastrukturprojekte hinterlegt werden.
Das Modell arbeitet wie folgt: Zunächst wird das Passagieraufkommen jeder Gemeinde
berechnet. Danach wird geprüft, ob eine Gemeinde innerhalb der betrachteten Region
liegt und sich die Reisezeit entsprechend verkürzt. Mit diesen regional verkürzten Zeiten wird nun das neue Passagieraufkommen berechnet und mit dem zuvor ermittelten
verglichen. Dieses Verfahren wird sowohl für Privat- als auch für Geschäftspassagiere
durchgeführt, wobei hierbei im Quellaufkommen ein Verhältnis von 65 Prozent zu
35 Prozent zu beobachten ist.
Tabelle 21
Ergebnisse der besseren Erreichbarkeit in Prozent
Geschäftspassagiere
Privatpassagiere
München
Norden
Nordosten
Südosten
9,7*
3,4
1,2
5,9
17,5*
5,6
2,6
18,9
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München, OpenStreetMap, diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
* Distanzeffekt auf Passagiere aus der Stadt München vermutlich zu hoch, siehe Text.
Die Privatpassagiere zeigen immer die stärkere Reaktion, weil die Reaktion auf lange
Reisezeiten höher ausfällt. Ebenso nicht unerwartet ist die Reihung der drei Infrastrukturmaßnahmen mit dem Anschluss an München als erfolgsträchtigstes Vorhaben, gefolgt von der Verbesserung der Verkehrsachsen nach Norden und Nordosten.
Es ist notwendig, einige Anmerkungen zur Maßnahme einer verbesserten Anbindung
Münchens zu machen. Die außergewöhnlich hohen Zahlen sind vor allem der Stadt
München selbst geschuldet, die drei Eigenschaften vereint: Die Landeshauptstadt hat
viele Einwohner, ein relativ großer Anteil davon ist einkommensstark und sie liegt in
direkter Nähe zum Flughafen. Durch die räumliche Nähe wirkt sich die Verringerung
der Zeit um 10 Minuten anteilsmäßig stark aus, wodurch es zu den hohen Werten in
Tabelle kommt. Dazu muss allerdings erläutert werden, dass es, wie bereits weiter
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
99
Mögliche Entwicklungspfade
vorne beschrieben (siehe Kapitel 1), eine Minimalreisezeit von etwa 20 bis 30 Minuten
gibt, unter welcher eine weitere Verkürzung keinerlei Auswirkung mehr zeigt. Dies ist
sozusagen die „Fühlbarkeitsgrenze“ für die Passagiere, die aus den vom Flughafen
München zur Verfügung gestellten empirischen Daten ermittelt werden kann. Die Stadt
München liegt am oberen Rand dieser Grenze, weshalb die dort wohnenden potenziellen Passagiere vermutlich nicht den vollen Effekt der Reisezeitverkürzung wahrnehmen. Man muss daher annehmen, dass die in der Tabelle ausgewiesenen Zahlen für
München vom Modell eher zu hoch geschätzt werden.
Eine Umrechnung in einsteigende Passagiere erfolgt in Tabelle unter der Annahme,
dass nur Personen aus dem Quellaufkommen (daher keine Besucher) betrachtet werden. Von diesen Passagieren werden allerdings alle herangezogen. Möchte man nur
die Personen mit Auto als Letztverkehrsmittel analysieren, muss man die Werte um
32 Prozent reduzieren. Gleichwohl würde die bessere Erreichbarkeit mit dem Auto den
Anteil der Autofahrer erhöhen.
Tabelle 22
Ergebnisse der besseren Erreichbarkeit in Personen aus dem einsteigenden
Quellaufkommen
München
Norden
Nordosten
Südosten**
Geschäftspassagiere
242.000*
86.000
30.000
36.000
Privatpassagiere
804.000*
255.000
120.000
152.000
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München, OpenStreetMap, diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
* Distanzeffekt auf Passagiere aus der Stadt München vermutlich zu hoch, siehe Text.
** inkl. Besucher, daher Originäreinsteiger
Für die Berechnung des ökonomischen Impacts muss man diese Zahlen um die Aussteiger verdoppeln, um die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Aktivität und
Passagieren anwenden zu können.
Tabelle 23
Ökonomischer Impact des zusätzlichen laufenden Betriebs nach der besseren
Anbindung Münchens; Maximaleffekt bei voller Distanzwirkung
Bruttowertschöpfung in Millionen Euro
direkt
Deutschland
88,5
Bayern
88,5
total
Veränderung
von total
107,9
2,2 %
92,8
2,1 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
1.516
Veränderung
von total
2.135
2,8 %
1.516
1.643
2,4 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
100
Mögliche Entwicklungspfade
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Tabelle 24
Ökonomischer Impact des zusätzlichen laufenden Betriebs nach der besseren
Anbindung des Korridors entlang der nördlichen Verkehrsachse
Deutschland
Bayern
Bruttowertschöpfung in Millionen
Euro
direkt
total
Veränderung
von total
27,3
33,3
0,7 %
27,3
28,6
0,6 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
468
659
Veränderung
von total
0,9 %
468
507
0,8 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
Tabelle 25
Ökonomischer Impact des zusätzlichen laufenden Betriebs nach der besseren
Anbindung des Korridors entlang der nordöstlichen Verkehrsachse
Deutschland
Bayern
Bruttowertschöpfung in Millionen
Euro
direkt
total
Veränderung
von total
12,7
15,5
0,3 %
12,7
13,3
0,3 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
217
306
Veränderung
von total
0,4 %
217
236
0,4 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
Tabelle 26
Ökonomischer Impact des zusätzlichen laufenden Betriebs nach der besseren
Anbindung des Korridors entlang der südöstlichen Verkehrsachse
Deutschland
Bayern
Bruttowertschöpfung in Millionen
Euro
direkt
total
Veränderung
von total
16,0
19,4
0,4 %
16,0
16,7
0,4 %
Beschäftigung in Köpfen
direkt
total
273
385
Veränderung
von total
0,5 %
273
296
0,4 %
Darstellung: eigene Berechnung Economica
Datengrundlage: Flughafen München; OpenStreetMap; diverse Daten aus IW Regionaldatenbank (2014)
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Mögliche Entwicklungspfade
101
Bei einer Realisierung aller vier vorgestellten Verbesserungen würde sich die vom
Flughafen induzierte Bruttowertschöpfung in Bayern um rund 154 Millionen Euro und
die induzierte Beschäftigung um knapp 2.700 erhöhen. Der Hauptanteil von knapp zwei
Drittel lässt sich dabei auf die bessere Anbindung der Landeshauptstadt zurückführen.
Die Berechnungsgrundlagen beziehen sich auf das Jahr 2013. Da für das Jahr 2025 –
bei einem Bau der dritten Startbahn – mit einem Aufkommen von 58,2 Millionen
Passagieren zu rechnen ist (bei einem gestiegenen Umsteigeranteil von 47 Prozent),
fallen die Effekte dann entsprechend höher aus. Berücksichtigt werden müssen ebenfalls – wie bei den beiden anderen Szenarien – die direkten Beschäftigungseffekte, die
aus der Steigerung der Passagierzahlen resultieren.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
7
Methodische Anhänge
103
Methodische Anhänge
Vertiefende Erläuterungen
Das nachfolgende Kapitel enthält weitergehende Vertiefungen zu den angewandten
Methoden und Modellen.
7.1
Gravitationsmodell
Beim hier verwendeten Modell handelt es sich um eine wesentliche Erweiterung des
ursprünglichen Gravitationsmodellansatzes um die Fähigkeit, nicht nur Handel, sondern verschiedene ökonomischen Aktivitäten durch die Distanz bzw. die Reisezeit erklären zu können (vgl. bspw. Savage / Deutsch, 1960; Pöyhönen, 1963; Linnemann,
1966; Bussiere et al., 2005; Grohall / Yegorov, 2010). Diese Flexibilität ist möglich, da
die Reisezeit nicht nur den Handel beeinflusst, sondern unter anderem durch Such-,
Transport- und Reisekosten auch auf andere soziale Phänomene einwirkt.
Im vorliegenden Fall wird das Verhalten potenzieller Passagiere dahingehend untersucht, wie die Anreisezeit zu einem Flughafen die Wahl des Flughafens beeinflusst.
Grundsätzlich könnte man annehmen, dass die Durchführung vor allem von Geschäfts-, aber auch von Privatreisen nur bedingt vom Vorhandensein eines geeigneten
Flughafens abhängt. Die Entscheidung, eine spezielle Reise zu unternehmen, könnte
oder sollte eigentlich über alle Einwohner Bayerns gleich verteilt sein. Um diese Annahme zu untersuchen, unterstellt das Gravitationsmodell die exakt gegenteilige Hypothese, nämlich einen Zusammenhang (üblicherweise negativ) zwischen der Distanz Di
zwischen Heimatort i und dem Standort des Flughafens und der Häufigkeit einer Flugreise. Anders ausgedrückt: Der Anteil der Passagiere aus den einzelnen Wohnorten
sollte mit steigender Distanz dieser Wohnort zum Flughafen sinken. Dieses Verhältnis
von Passagieren Pi zu Einwohnern Ei eines Wohnortes i sollte daher zunächst eine
Konstante q als Ausgangswert haben (beispielsweise ein Prozent aller Einwohner),
welcher durch die Distanz verändert werden kann. Es wird dabei eine exponentielle
Einflussnahme angenommen, welche mit Di beschrieben werden kann: Je größer das
im Zug der Analyse zu berechnende , desto rascher nimmt der Anteil der Passagiere
mit steigender Distanz ab. Gilt = -1, wird bei einer Verdoppelung der Distanz der Anteil
halbiert, bei  = -2 sinkt der Anteil auf ein Viertel des Ausgangswertes. Die Variable 
findet als Konstante mit dem Wert -2 Verwendung in Newtons Gravitationsformel, in
der die Anziehungskraft mit dem Quadrat der Distanz sinkt. Daher leitet sich der Name
des Modells ab. Weitere, vor allem soziodemografische und wirtschaftliche Einflussgrößen Si,j können ebenfalls mitberücksichtigt werden, wobei in dieser Studie erstmals
unter anderem auch spezielle Variablen für die Distanz zu anderen Flughäfen eingebaut wurden. Auf diese Weise wird nicht nur für den Flughafen München ein Gravitationsmodell geschätzt, sondern parallel auch für die Konkurrenzflughäfen.
104
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
In einer weiteren Neuerung gegenüber den bisherigen Modellen wird nicht der tatsächliche Anteil der Passagiere aus jedem Wohnort geschätzt (man hätte dann P i / Ei auf
der linken Seite der Gleichung), sondern nur die Anzahl der Passagiere mit der Anzahl
der Einwohner Ei auf der rechten Seite als erklärende Variable. Diese an sich einfache
Umformung erlaubt die Schätzung nicht linearer Zusammenhänge zwischen Wohnortgröße und Passagierzahlen. Nimmt man zwei Orte A und B an, wobei A doppelt so
viele Einwohner hat wie B, die sonst aber identisch sind, wäre in der originalen Anteilsschätzung A auch die doppelte Anzahl an Passagieren zugeordnet worden. In der
neuen Variante ist es möglich, dass A mehr (oder auch weniger) als doppelt so viele
Passagiere wie B erhält. Diese zusätzliche Freiheit kann man als „Auswirkung der Urbanität“ interpretieren, das heißt, man kann aus städtischen Regionen mehr (oder weniger) Passagiere pro Einwohner erwarten als aus ländlichen Regionen. Im Zuge der
Untersuchung zeigt sich, dass dieser Effekt tatsächlich vorhanden ist und eine substanzielle Größe annimmt.
Aufgrund der multiplikativen Beziehungen lautet die zentrale Gleichung zur Beschreibung der Daten daher (zur vereinfachten Darstellung wurden die Koeffizienten nicht
dargestellt – sie kommen als Exponenten und in der zweiten Formel als multiplikative
Faktoren zum Einsatz):
Diese Formel ist in dieser Form wenig anschaulich und auch nicht einfach schätzbar.
Daher werden beide Seiten logarithmiert, was zu
führt. Von der Struktur her handelt es sicher hierbei um eine log-lineare Regressionsgleichung, die die logarithmierten Passagierzahlen (P iu für jeden Heimatort i und den
Reisegrund u (geschäftlich oder privat)) durch die Konstante log(q), die logarithmierten
Einwohnerzahlen Ei, die logarithmierten Distanzen zu allen Flughäfen f inklusive München Dif und den weiteren erklärenden Variablen schätzt. Die zu schätzenden 1+F+NKoeffizienten sind aus Gründen der Übersichtlichkeit wiederum nicht eingetragen und
wären hier multiplikative Faktoren vor jedem Wert auf der rechten Seite der Gleichung.
Der Koeffizient des Wertes „1“ entspricht dem Logarithmus von q und damit der oben
erwähnten grundsätzlichen Anzahl von Passagieren eines Wohnorts. Für die vorliegende Studie sind die anderen Koeffizienten aber von weit größerem Interesse. Sie
zeigen die Präferenz von Personen zu kurzen Distanzen: Die Koeffizienten der einzelnen Dif – und damit der Attraktivität der einzelnen Flughäfen – weist bei internationalen
Handelsmodellen (wobei Außenhandelsströme modelliert werden) meist Werte um -1,5
auf, bei Universitäten und Fachhochschulen konnten Werte zwischen -0,5 und -1,4
gemessen werden. Bei der Modellierung der Verteilung von Heimatorten des Personals
von Krankenhäusern zeigten sich Werte ebenfalls um die -1,5 für Ärzte, um -2,0 für
sonstiges medizinisches Personal und um rund -4,0 für das sonstige Personal. Ärzte
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Methodische Anhänge
105
wohnen daher weit gestreut um ihren Arbeitsort, während das sonstige Personal fast
nur aus dem Standort des Krankenhauses und den Nachbargemeinden kommt.
Die anderen erklärenden Variablen sind, wie erwähnt, Erklärende für soziodemografische und wirtschaftliche Indikatoren, wie das verfügbare Haushaltseinkommen, der
steuerbare Umsatz, die Anzahl der Beschäftigten im Wohnort und die Exportquote der
regionalen Wirtschaft.
Da es sich hier um ein doppelt logarithmiertes Modell handelt, müssen alle Koeffizienten als Elastizitäten interpretiert werden. So zeigt beispielsweise die Kaufkraft einen
Koeffizienten von 3,13, was bedeutet, dass bei einer Steigerung der Kaufkraft um
1 Prozent die Anzahl der Passagiere um 3,13 Prozent steigt. Ein Wert rund um 0,0
hieße hingegen, dass diese erklärende Variable keinen Einfluss auf die Passagierzahl
hat. Ein negativer Wert hingegen, etwa -0,64 bei der Distanz zum Flughafen München,
heißt, dass bei einer Steigerung der Distanz zum Flughafen um 1 Prozent die Anzahl
der Passagier um 0,64 Prozent sinkt.
Bei diesem Modelltyp ist, wie bei den meisten anderen statistischen Verfahren, die
sogenannte Ceteris-paribus-Kritik zu bedenken. Die Koeffizientenanalyse betrachtet
den Fall, sodass man nur die eine betrachtete Erklärende verändert (etwa nur die Distanz oder nur das Haushaltseinkommen) unter sonst gleichen Bedingungen (lat.: ceteris paribus). Diese Sichtweise ist für den hier verwendeten analytischen Ansatz extrem
wertvoll und sogar notwendig, da er eine Aufteilung des beobachtbaren Gesamteffekts
auf einzelne Erklärende erlaubt. In Realität hängen aber zum Beispiel die Anzahl der
Einwohner der Gemeinden und das Haushaltseinkommen bis zu einem gewissen Grad
voneinander ab. Man muss daher im Gedächtnis behalten, dass bei einer Veränderung
einer erklärenden Variablen oft andere erklärende Variable mit verändert werden.
Die Berechnung der Koeffizienten wurde nicht, wie meist üblich, mit der Methode der
Kleinsten Quadrate (engl.: Ordinary Least Squares, OLS) vollzogen. Da in den Daten
von Gemeinden oft keine Passagiere gelistet werden (etwa im Norden Bayerns) und
somit das Logarithmieren hier nicht möglich gewesen wäre, wurde ein sehr kleiner
Wert zu allen Passagierwerten addiert. Dieser Wert verändert nur die Konstante q,
wirkt daher nicht auf die hier gezeigten Analysen. Dadurch entsteht allerdings ein „unterer Schwellwert“ oder „Knick“ in den Daten, da alle Orte ohne Passagiere plötzlich
diesen kleinen Wert als Passagierzahl ausweisen. Würde man hier OLS anwenden,
käme es zu einer deutlichen Verzerrung der Koeffizienten. Ein Weglassen dieser Gemeinden ohne Passagiere würde zwar das Logarithmusproblem entschärfen, aber
ebenso zu einer Verzerrung führen.
Um Probleme dieser Art bearbeiten zu können, entwickelte James Tobin den sogenannten Tobit-Schätzer, der geeignet ist, bei solchen, im statistischen Sinn zensierten
Daten (wenn die Daten gewisse Werte nicht über- oder unterschreiten können) eine
unverzerrte Berechnung der Koeffizienten zu gewährleisten. Eine Erweiterung des ursprünglichen Tobit-Schätzers auf eine frei wählbare Grenze (vgl. Carson / Sun, 2007),
die gleichzeitige Verwendung von Ober- und Untergrenzen (vgl. Rosett, Nelson, 1975)
106
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
oder gar unbekannte Grenzen sind mittlerweile bekannt (vgl. Zuehlke, 2003). In der
vorliegenden Studie wurde das Verfahren der frei wählbaren Untergrenze herangezogen.
7.2
Ausreißer bei der Passagierbefragung
Bei der Berechnung der Anteile in Abbildung 3 auf Seite 18 treten kleine Gemeinden
mit wenigen Einwohnern mit sehr hohen Anteilen hervor. So kann man etwa bei den
Privatpassagieren Königsberg im Norden nahe der Grenze gut erkennen, welches über
gerade 3.600 Einwohner verfügt. Bei den Geschäftskunden sticht ein Stück weiter
westlich davon Nüdlingen mit knapp über 4.000 Einwohnern hervor. Beides kann durch
Ausreißer erklärt werden, die bei Stichproben fast immer vorkommen, seien diese auch
noch so groß. Eine einzige Reisegruppe kann bei derart kleinen Gemeinden den Anteil
der Passagiere deutlich über den Erwartungswert heben. Dieser Effekt ist nicht nur bei
einzelnen Gemeinden erkennbar, sondern wirkt über das gesamte Gebiet. Durch das
Verteilen der Stichprobendaten auf die über 2.000 Gemeinden Bayerns bleibt für einzelne Gemeinden nur noch eine sehr geringe Anzahl von Passagieren, im Norden sogar oft gar keine mehr. Die entsprechende „verrauschende“ Wirkung der zufälligen
Abweichungen ist daher auf den beiden Bildern gut erkennbar.
7.3
Der Fall Prag
Ein interessanter Fall ist Prag (Zeit PRG), der für die Geschäftskunden signifikant ist –
allerdings mit dem falschen Vorzeichen! Das negative Vorzeichen bedeutet, dass bei
sinkender Distanz zu Prag mehr Passagiere in München anzutreffen sind. Glaubte man
diesem Ergebnis, würde der Prager Flughafen Passagiere in München erzeugen. Da
das sachlogisch nicht sein kann, stellt sich die Frage, wie es zu diesem Ergebnis
kommt. Betrachtet man Abbildung 3 genauer, zeigen sich einige dunkle Punkte nahe
der Grenze zur Tschechischen Republik. Es ist möglich, dass diese ausreichen, um die
Statistik in die Irre zu führen. Überlegt man ferner, dass man 95-prozentige Sicherheit
verlangt, um eine erklärende Variable als signifikant einzustufen, heißt das im Umkehrschluss, dass 5 Prozent der insignifikanten erklärenden Variablen fälschlicherweise als
signifikant eingestuft werden. Dieses in der Statistik gut bekannte Phänomen wird als
Fehler 1. Art oder auch als -Fehler bezeichnet. In Tabelle 1 sind zwölf signifikante
Variablen eingetragen. 5 Prozent davon ergeben einen Erwartungswert von 0,6 signifikanten Variablen, die fälschlicherweise diese Einstufung erhielten. Es ist daher durchaus möglich, dass sich rein aufgrund des Rauschens der zu kleinen Stichprobe eine
derartige falsche Bewertung eingeschlichen hat. Zusammenfassend kann man sagen,
dass die Einstufung der Reisezeit nach Prag mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch und
die erklärende Variable in Wahrheit insignifikant ist.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
7.4
Methodische Anhänge
107
Methodik multiregionale Input-Output-Tabellen
Die herkömmliche Statistik vermag die Vielfalt an volkswirtschaftlichen Verflechtungen
eines Flughafens nur unzureichend darzustellen, denn diesbezügliche Daten sind nur
auf zu hohem Aggregationsniveau vorhanden. Zur Erfassung der monetären Größenordnung und zur Erstellung einer Datenbasis sind daher die Entwicklung eines Satellitensystems „Flughafen München“ (eines sogenannten Flughafensatellitenkontos) –
ähnlich dem Tourismus-, Sport- oder Kultur-Satellitenkonto – und dessen Implementierung in die für Bayern und Deutschland entwickelte multiregionale Input-Output-Tabelle
die geeigneten Ansätze.
7.4.1
Definition von Satellitensystemen
Für bestimmte Fragestellungen gesellschaftlichen und ökonomischen Interesses bedarf es, um die Übersichtlichkeit der Daten für diese Bereiche zu gewährleisten, einer
Disaggregierung jener Daten, die in den Ausgangstabellen – etwa der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung – aufgrund des zu hohen Aggregationsgrads für bestimmte
Fragstellungen nur schwer zu interpretieren sind.
Daher werden ergänzend zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sogenannte Input-Output-Tabellen erstellt. Diese Tabellen stellen die Verflechtung der einzelnen Wirtschaftsbereiche einer Volkswirtschaft sowie deren Beiträge zur Wertschöpfung dar. Die
Gliederung erfolgt nicht, wie in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, nach institutionellen Gesichtspunkten (Unternehmen, private und öffentliche Haushalte), sondern
nach funktionellen Gesichtspunkten, wodurch die Ströme einzelner Güter und Gütergruppen von der Produktion bis hin zur Verwendung deutlich gemacht werden können.
Insbesondere können sämtliche Vorleistungsströme exakt dargestellt werden. Diese
detaillierte sektorale Gliederung des Modells ist allerdings mit dem Nachteil verbunden,
dass die Abbildung der volkswirtschaftlichen Verflechtungsstrukturen aufgrund des
enormen Erhebungs- und Verarbeitungsaufwands nur zeitlich verzögert bereitgestellt
werden kann. Die aktuellste Fassung einer Input-Output-Tabelle für Deutschland
stammt daher aus dem Jahr 2010.
Aber auch diese Input-Output-Tabellen sind für gewisse Fragestellungen nicht detailliert genug. So stellt etwa der Flughafen München keinen eigenen Wirtschaftssektor
dar, sondern bewirkt in vielen Subsektoren wirtschaftliche Tätigkeiten. Dazu zählen
neben „Verkehr und Lagerei“ beispielsweise auch der „Einzelhandel“ und die „Gastronomie“ sowie „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ oder die „Öffentliche Verwaltung und Sicherheit“. Diese Tätigkeiten werden jedoch nicht gesondert ausgewiesen. Um diese, nicht in dem benötigten Detailgrad dargestellten Informationen sichtbar
machen zu können, wurden tiefer gegliederte Input-Output-Tabellen entwickelt, die
einen bestimmten Bereich – in diesem Fall den Flughafen München – genauer darstellen. Da diese Erweiterungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der InputOutput-Tabellen die Basistabellen thematisch sozusagen umkreisen, nennt man diese
Satellitensysteme.
108
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Haslinger gibt eine allgemeine Definition eines Satellitensystems: „Ein Satellitensystem
ist ein in regelmäßigen Abständen auszuweisendes, konsistentes System monetärer
und nicht monetärer Messgrößen, die hinlänglich genau, detailliert und umfassend
Vorgänge und Zustände bzw. Zustandsänderungen nachweisen sollen, die in einem
Sinnbezug bzw. Zusammenhang zu einem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen stehen. Die monetären Messgrößen sollen dabei mit dem Zentralsystem verknüpft sein“
(Haslinger, 1988). Eine weitere Definition stammt von Stahmer, welcher Satellitensysteme als „spezifische Datensysteme sieht, deren Konzepte auf die jeweilige Thematik
zugeschnitten sind, die aber mit den traditionellen Gesamtrechnungen eng verknüpft
werden, um Analysen im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang zu ermöglichen“
(Stahmer, 1988).
Um die Daten des Satellitensystems mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
verknüpfen zu können, ist es notwendig, auf gleiche Definitionen, Bewertungsgrundsätze und Abgrenzungen zu achten sowie auf eine der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entsprechende Sektorengliederung abzustellen.
7.4.2
Anwendungsmöglichkeiten von Satellitensystemen
Die Anwendungsmöglichkeiten von Satellitensystemen sind vielfältig: Im Vordergrund
steht die Darstellung des Ist-Zustands eines Teilbereiches der Volkswirtschaft zu einem
bestimmten Zeitpunkt. Darüber hinaus können Satellitensysteme – wenn sie regelmäßig mit den aktuellsten Daten fortgeschrieben und aktualisiert werden – aber auch als
Prognose-, Planungs- und Kontrollinstrumente eingesetzt werden.
Bei der Wahl der Thematik gibt es grundsätzlich keine Einschränkungen. Erstellt wurden Satellitensysteme beispielsweise bereits für die Bereiche:
-
Gesundheit,
Umwelt,
Tourismus,
Kultur,
Sport oder
Haushaltsaktivitäten.
Denkbar und möglich sind Satellitensysteme natürlich aber auch für kleinere Teilbereiche der Wirtschaft, wie beispielsweise den Münchner Flughafen. Auch „exotische“
Themen wie Ehrenamt oder Verkehrsunfälle könnten in Form eines Satellitensystems
aufbereitet werden.
Für Satellitenkonten (Satellitensysteme) gilt:
– Satellitenkonten bleiben mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verknüpft.
Bestimmte Definitionen, Abgrenzungen, Bewertungsgrundsätze u. ä. werden aus
der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung übernommen.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Methodische Anhänge
109
– Bei der Erstellung von Satellitenkonten werden auch Informationen abseits der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigt. Auch nicht-monetäre, fiktive
oder alternativ bewertete Informationen sowie Daten aus Primärdatenerhebungen
können innerhalb eines Satellitensystems analysiert werden, jedoch müssen diese
Abweichungen bzw. Erweiterungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als
solche gekennzeichnet und dokumentiert werden.
Satellitenkonten stellen somit notwendige Erweiterungen der Einsatzfähigkeit der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dar.
Das geplante „Satellitenkonto Flughafen München“ hat zum Ziel, die durch den Flughafen München direkt ausgelösten Effekte, welche in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung enthalten sind, aber nicht in der notwendigen und gewünschten Detaillierung
wiedergegeben werden, in einer konsistenten Form gemäß den Richtlinien der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auszuweisen. Die Ermittlung der durch den Flughafen ausgelösten Effekte auf die Bruttoproduktion, Bruttowertschöpfung und Beschäftigung auf der Aufkommensseite (Angebotsseite) erfolgt somit über die Verwendungsseite (Nachfrageseite).
Von den direkten sind die sonstigen wirtschaftlichen Beiträge abzugrenzen, die durch
die Aktivitäten am Münchner Flughafen generiert werden. Diese sonstigen Effekte lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
– Die gesamte Wertschöpfungskette, welche in der Volkswirtschaft durch die Vorleistungsnachfrage der mit dem Flughafen verbundenen Wirtschaftszweige ausgelöst
wird (die so genannten indirekten Effekte),
– die Bruttoinvestitionen (Veränderungen des Kapitalstocks) der Unternehmen am
Flughafen und
– die durch den Flughafenbetrieb ausgelösten Einkommenseffekte, die sogenannten
induzierten Effekte (im Zusammenhang mit Beschäftigung am Flughafen München
erzielte Lohneinkommen, welche zu Konsumausgaben führen).
Diese sonstigen Effekte führen bei weiteren Wirtschaftszweigen zu weiterer flughafeninduzierter Bruttoproduktion, Bruttowertschöpfung und Beschäftigung. Daher sind diese
bei der Analyse der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Münchner Flughafens zu
berücksichtigen.
Durch die vollständige Kompatibilität mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
wird ein Vergleich wichtiger makroökonomischer Aggregate des Flughafens (Bruttowertschöpfung, Beschäftigung, u. ä.) mit makroökonomischen Aggregaten anderer
Wirtschaftszweige oder der Gesamtwirtschaft möglich.
110
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Multiregionale Input-Output-Tabelle „Flughafen München“
7.4.3
7.4.3.1 Der Aufbau von Input-Output Tabellen
Die Arbeit mit Input-Output-Tabellen sowie deren Analyse ist heute eine der am häufigsten angewandten Methoden der Ökonomie. Bei diesen Input-Output-Tabellen handelt es sich grundsätzlich um ein System linearer Gleichungen, das die Verteilung des
Bruttoproduktionswerts auf die Ökonomie beschreibt.
Eine Input-Output-Tabelle hat Matrizenstruktur. Die Reihen geben die Verteilung eines
Outputs auf die Ökonomie an, d. h. wie viel ein Sektor an die anderen Sektoren als
Input und an die Endnachfrage liefert. In weiteren zusätzlichen Reihen werden Wertschöpfung nach Wertschöpfungskategorien sowie Importe nach Inputsektoren vermerkt. Die Spalten geben an, wie viel Input zur Erzeugung des Outputs benötigt wird,
d. h. wie viel ein Sektor an Input von anderen inländischen Sektoren oder aus dem
Ausland als Vorleistung bezieht und wie viel Wertschöpfung im Laufe des Produktionsprozesses generiert wird. Es ist zu beachten, dass es grundsätzlich zwei Varianten der
Input-Output-Tabelle gibt. In der ersten Variante, welche als Basis für die Input-OutputTabelle Flughafen München genutzt wird, werden Importe aus den anderen Bundesländern Deutschlands und aus dem Ausland gesondert ausgewiesen, in der zweiten
Variante nicht. In zusätzlichen Spalten steht die Endnachfrage. Hier werden die Verkäufe eines jeden Sektors an die verschiedenen Endnachfragesektoren notiert.
Die Input-Output-Tabelle kann somit in drei Teiltabellen gegliedert werden, die üblicherweise als Quadranten bezeichnet werden (Quadrant 4 ist nicht besetzt):
-
-
Quadrant 1: Der eigentliche Kern der Input-Output-Tabelle, welcher die Lieferungen und Bezüge der einzelnen Sektoren (d. h. die Vorleistungen) zum
Gegenstand hat;
Quadrant 2: die Endnachfrage;
Quadrant 3: Wertschöpfung und Import.
Um den ersten Quadranten der Tabelle, auch Vorleistungstabelle genannt, mit Daten
zu füllen, benötigt man Informationen bezüglich der Austauschbeziehungen von Produkten zwischen den verschiedenen Sektoren. Diese Austauschbeziehungen nennt
man auch interindustrielle bzw. intersektorale Ströme. Diese werden für eine bestimmte
Zeitperiode (üblicherweise ein Jahr) gemessen und in Geldeinheiten angegeben. Wenn
n die Zahl der Sektoren beschreibt, ist der erste Quadrant grundsätzlich eine (n x n)Matrix: n Sektoren (in den Spalten) erhalten Vorleistungen aus n Sektoren (in den Zeilen). Die Vorleistungen des Sektors i an Sektor j werden mit z*ij bezeichnet (i,j=1,...,n).
Dabei bleibt unberücksichtigt, ob die Vorleistungen aus dem Inland oder aus dem Ausland stammen (zweite Variante der Input-Output-Tabelle).
Werden jedoch Importe gesondert ausgewiesen, so wird eine weitere Zeile hinzugefügt, sodass der erste Quadrant zu einer ((n+1) x n)-Matrix wird. Die ersten n Zeilen
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Methodische Anhänge
111
beschreiben nun die Vorleistungen des Sektors i an Sektor j aus dem Inland, diese
werden mit zij bezeichnet (i,j=1,...,n). Die Importe des Sektors j werden mit Mj bezeichnet. Es gilt:
z *ij  z ij ,
i,j=1,...,n;
d. h., die auch importierte Inputs umfassenden Vorleistungen sind natürlich mindestens
so hoch wie jene nur aus dem Inland bezogenen Vorleistungen und
n
n
i 1
i 1
*
 z ij   z ij  M j , j=1,...,n;
d. h., die Summe der von jedem Sektor j bezogenen Vorleistungen (inklusive Importe)
ergibt sich durch Addition der inländischen Vorleistungen zu den importierten Vorleistungen.
Unter Endnachfrage versteht man jene Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen,
die nicht als Inputs im Produktionsprozess verwendet werden. Die Endnachfrage unterteilt man in fünf große Bereiche:





Konsumausgaben der privaten Haushalte, bezeichnet mit C;
private Investitionen, abgekürzt mit V;
Lagerveränderungen, H;
die Staatsausgaben, definiert als G und
die Exporte, bezeichnet mit E.
Die ersten vier Komponenten werden häufig unter dem Begriff der „inländischen Endnachfrage“ zusammengefasst, während die Exporte auch als „ausländische Endnachfrage“ bezeichnet werden. Die Endnachfrage selbst wird mit Y abgekürzt und definiert
sich wie folgt:
Yi  Ci  Vi  H i  G i  E i .
Diese Gleichung gilt für jeden Sektor i, i=1,...,n, sowie für die Importe, wenn diese gesondert ausgewiesen werden. Die Wertschöpfungsmatrix zeigt, zeilenweise gelesen,
die Verteilung der Wertschöpfungskomponenten auf die Sektoren und, spaltenweise
gelesen, die Zusammensetzung der Wertschöpfung eines bestimmten Sektors. Die
einzelnen Komponenten der Wertschöpfungsmatrix sind insbesondere


die Zahlungen für Arbeitskraft, bezeichnet mit L, und
weitere Komponenten wie Kapitalerträge, Bodenerträge, Gewinne, Abschreibungen, indirekte Steuern, die im Weiteren unter N zusammengefasst werden
sollen.
Die Wertschöpfung selbst wird mit W abgekürzt und definiert sich wie folgt als:
Wi  L i  N i . Führt man nun all diese Elemente zusammen, so erhält man eine Tabelle mit der Grundstruktur (Variante 1) wie in Abbildung 34.
112
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Abbildung 34
Grundstruktur einer Input-Output-Tabelle (Variante 1: Importe werden gesondert
ausgewiesen)
……………. Sektor n
Endnachfrage Produktion
z11
…..
Y1
…..
…..
X1
…..
z1n
…..
…..
…..
Sektor 1
Sektor 1
Sektor n
zn1
…..
znn
Yn
Xn
Importe
M1
…..
Mn
MY
MX
Wertschöpfung
W1
…..
Wn
Input-Produktion
X1
…..
Xn
Darstellung: eigene Darstellung Economica
Man schreibt:
zij
Vorleistungen (Ströme) von Sektor i zu Sektor j;
Mj
Importe von Sektor j;
Yi
gesamte Endnachfrage in Sektor i;
Y
M
Importe der Endnachfrage;
Xi
Gesamtoutput von Sektor i;
X
M
Gesamtimporte;
Wj
Wertschöpfung im Sektor j.
Für jeden Sektor n gilt die Gleichheit zwischen Produktion und Verbrauch:
n
n
i 1
j1
 zij  Mi  Wi  Xi   zij  Yi ,
i,j= 1,...,n
Wird die Zusammensetzung des Verbrauchs des Produkts Xi betrachtet
X i  z i1  z i 2  .....  z in  Yi ,
i= 1,...,n,
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Methodische Anhänge
113
so zeigt sich die Verteilung des Outputs von Sektor i auf die anderen Sektoren (verwendete Vorleistungen) und auf die Endnachfrage Yi im Sektor i. Diese Gleichung lässt
sich für jeden einzelnen Sektor i=1,...,n und auch für die Importe aufstellen.
Für die weitere Analyse wird angenommen, dass die interindustriellen Ströme von i
nach j vom Gesamtoutput des Sektors j in einer bestimmten Periode abhängen. Dabei
werden konstante Skalenerträge unterstellt, sodass eine Erhöhung aller Inputs um einen bestimmten Faktor zu einer Steigerung des Outputs um genau diesen Faktor führt.
Das Verhältnis von Input zu Output kann daher folgendermaßen definiert werden:
aij 
zij
Xj

Inputstrom
.
Output
Diese n x n Verhältnisse werden als technische Koeffizienten, Input-Output-Koeffizienten oder auch direkte Input-Koeffizienten bezeichnet. Der Output eines jedes Sektors
(Xi) kann mittels der technischen Koeffizienten als Funktion der Inputbedürfnisse aller
Sektoren nach diesem Output dargestellt werden, sodass gilt:
X i  a1i X1  a1i X 2  .....  a1i X n  Yi ,
i=1,...,n.
7.4.3.2 Multiregionale Input-Output-Tabellen
Ursprünglich wurden Input-Output-Tabellen nur auf nationalem Niveau angewandt. Das
Interesse für ökonomische Analysen auf regionalem Niveau macht es jedoch erforderlich, nationale Input-Output-Modelle zu modifizieren, um die Besonderheiten regionaler
Probleme darstellen zu können. In formaler Hinsicht unterscheiden sich diese regionalen Input-Output-Tabellen nicht von jenen der Gesamtwirtschaft. In den USA wurden
die ersten multiregionalen Ansätze bereits in den 1950er Jahren verwendet.
Im Allgemeinen gilt, dass je kleiner die betrachtete Wirtschaftseinheit ist, desto größer
ist die Abhängigkeit vom Handel mit „außen Gelegenen“ – sowohl als Exportland für
die eigenen, regionalen Produkte als auch als Lieferant für notwendige Inputs der Produktion. Ein wesentlicher Kernpunkt ist es daher, abzuschätzen, wie groß die Sickerverluste aus dem entsprechenden Bundesland sind.
Der bereits auf nationalem Niveau herrschende Datenmangel für die Tabellen ist bei
regionalen Tabellen natürlich noch wesentlich größer, da diese Daten meist nicht oder
nur sehr eingeschränkt vorliegen. Daraus resultiert der Versuch, Tabellen und Regionalisierungsansätze zu wählen, die möglichst wenig zusätzliches Datenmaterial erfordern.
Im Rahmen der Erstellung der Tabellen ist daher stets ein Zielkonflikt zwischen den
vier zueinander in konkurrierender Beziehung stehenden Zielen „Exaktheit“, „Aktualität“, „Vergleichbarkeit“ und „ausreichendes Disaggregationsniveau“ zu lösen.
114
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Die Anzahl der möglichen Modelle und Methoden, um multiregionale Input-Output Tabellen zu erstellen, sind vielfältig. An Modellen unterscheidet man zwischen:



dem Interregionalen Input-Output-Modell (IRIO) von Isard,
dem Multiregionalen Input-Output-Modell (MRIO) von Chenerey und Moses und
dem Ausgewogenen Regionale Modell von Leontief.
Bei den Verfahren unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Bottom-up-Verfahren,
die auf Primärdatenerhebungen basierend, und Top-down-Verfahren, in welchen die
Tabellen vor allem sekundärdatenbasiert erstellt werden. Auch eine Kombination aus
Bottom-up- und Top-down-Verfahren ist natürlich möglich.
Hinsichtlich der Daten und Datenqualität sei darauf hingewiesen, dass mittlerweile auf
eine vergleichsweise gute Datenbasis zumindest bis auf Bundesländer-Niveaus zurückgegriffen werden kann, weshalb eine Orientierung an diesem Schema üblich ist.
Dennoch ist eine vollständige Abdeckung aller Daten auch heute nicht möglich – weder
für nationale, noch für multiregionale Tabellen – und auch nicht vorgesehen. So ist
praktisch jedes Modell im Bewusstsein derartiger Datenlücken entwickelt worden. Das
Verfahren von Chenerey und Moses etwa umgeht unvollständige Außenhandelsdaten
mittels einiger Annahmen, welche eine gute Annäherung an die Realität erlauben.
Übliche Datenquellen sind Eurostat, die Nationalen Statistikämter, Regionalverwaltungen, Wirtschaftskammern u. ä., Transportstatistiken, Leistungs- und Strukturstatistiken,
Konjunkturstatistiken sowie weitere derartige Institutionen und deren Publikationen.
Diese werden meist um Informationen aus der Sekundärliteratur oder auch aus Primärdatenerhebungen ergänzt. Es wird rasch klar, dass Datenquellen einander widersprechen können oder die Datenqualität und -quantität nicht immer ausreichend ist, um
sämtliche Anforderungen eines Verfahrens zu erfüllen. Hier wird dann auf parallele Ansätze der anderen Verfahren zurückgegriffen. Letztlich handelt es sich bei den einzelnen Verfahren weniger um scharf voneinander getrennte Prozesse, als vielmehr um
eine Sammlung von Methoden, die auf die jeweilige Problemstellung angewandt werden kann.
Der von Economica verwendete Ansatz orientiert sich vor allen an den Bedürfnissen
der wesentlichen Fragestellungen, nämlich der Berechnung der regionalen und nationalen Branchen-Multiplikatoren, der Sickerverluste (in andere Bundesländer und ins
Ausland) und der Verflechtungen zwischen den einzelnen Regionen, und lässt sich als
Kombination von Top-down- und Bottom-up-Verfahren interpretieren. Die im Rahmen
dieser Studie erstellte multiregionale Input-Output-Tabelle stellt im Wesentlichen ein 2Regionen- (Bayern und die übrigen Bundesländer Deutschlands) und 20-SektorenModell dar.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
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Methodische Anhänge
7.4.3.3 Grundlagen der Input-Output Analyse
Die der Input-Output-Analyse zugrunde liegende Fragestellung ist folgende: Wenn die
Endnachfrage nach einem bestimmten Sektor für ein Jahr abgeschätzt werden kann,
wie viel Output muss dann von den anderen Sektoren produziert werden, um diese
Nachfrage zu decken (vgl. Franz et al.)?
Bekannt seien die Endnachfrage Yi sowie die technischen Koeffizienten aij. Gesucht
werden die Werte X1 bis Xn.
Werden alle Unbekannten auf eine Seite gebracht, erhält man folgendes lineares System mit n Unbekannten und n Gleichungen:
1  a11 X1  a12X 2  .....  a1n X n  Y1 ,

 a n1X1  a n 2 X 2  .....  1  a nn X n  Yn
bzw.
I  AX  Y ,
 a11  a1n 
A   

 
an1  ann 
wobei
 X1 
X    
 X n 
und
Y1 
Y    
Yn 
.
Die Matrix A sei die Matrix der technischen Koeffizienten, X und Y seien Spaltenvektoren des Brutto-Outputs bzw. der Endnachfrage. I ist die Einheitsmatrix. (I–A) wird als
die Leontief-Matrix bezeichnet.
Um den gesamten Effekt einer Änderung der Endnachfrage zu bestimmen, ist es notwendig, nicht nur die direkten Auswirkungen, sondern auch die indirekten Effekte durch
benötigte Vorleistungen zu messen. Um solche Effekte zu quantifizieren, wird der Brutto-Output als Funktion der Endnachfrage dargestellt:
X  I  A Y .
1
(I–A)–1 wird auch als die Leontief-Inverse bezeichnet. Mit der Leontief-Inversen können
die primären Effekte (das sind die direkten und die indirekten Effekte) ermittelt werden.
Ihre einzelnen Elemente zeigen, wie viele monetäre Einheiten Lieferungswert des Zeilenvektors für eine monetäre Einheit Endnachfrage im Spaltenvektor erforderlich sind.
116
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
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7.4.3.4 Erstellung der Input-Output-Tabelle Flughafen München
Die herkömmliche Statistik vermag die Vielfalt an volkswirtschaftlichen Verflechtungen
des Flughafens nur unzureichend darzustellen. Zum einen sind die erforderlichen Daten nicht ausreichend disaggregiert, zum anderen stellt der Flughafen München keine
selbstständige, klar definierte Branche dar, sondern setzt sich vielmehr aus unterschiedlichsten Teilbereichen vieler Sektoren zusammen.
Neben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung finden sich in Deutschland bzw.
Bayern noch eine Reihe alternativer Quellen für flughafenrelevante Daten. Dazu zählen
beispielsweise:
-
-
Arbeitsstättenerhebung des Flughafens München,
Geschäftsberichte des FMB-Konzerns,
Beschäftigtendaten auf Bundeslandebene vom Amt für Arbeit,
Güterverkehrsdaten (zur Darstellung der intra- und interregionalen Güterverkehrsströme innerhalb Bayerns sowie zwischen Bayern und den übrigen
Bundesländern Deutschlands und auch dem Ausland),
Berechnungen von Ernst Basler & Partner zur direkten Bruttowertschöpfung
der Unternehmen am Flughafen München und
Primärdatenerhebungen des IW Köln zur Verflechtungs- und Vorleistungsstruktur bayerischer Unternehmen.
Da diese, einen Mehrwert an Information generierenden, Daten nicht mit dem System
der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgestimmt sind, konnten diese Daten bis
heute nicht in eine umfassende Analyse der wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens einfließen.
Das notwendige Instrument, um eine Erweiterung der Einsatzfähigkeit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu bewirken, stellen Satellitenkonten dar.
Das Satellitensystem kann in weiterer Folge mit der multiregionalen Input-OutputTabelle zu einer „Multiregionalen Input-Output-Tabelle Flughafen München“ zusammengeführt werden, welche als methodisches Endresultat die Verflechtungen ökonomischer Aktivitäten des Flughafens mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung
aufzeigt. Es können damit unter anderem das flughafenbezogene Bruttoinlandsprodukt, einzelne Wertschöpfungskomponenten, Beschäftigungseffekte sowie fiskalische
Effekte berechnet werden. Die Anwendungsmöglichkeiten eines Satellitenkontos Flughafen München sind vielfältig und reichen über die reine Sammlung und Bereitstellung
flughafenbezogener Daten weit hinaus.
Nachhaltig betrachtet ermöglicht die Erstellung eines Flughafensatellitenkontos die
kontinuierliche Erfassung von Daten des Flughafens. Der laufenden Wartung der Daten
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
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Methodische Anhänge
117
sowie der Aktualisierung und Fortschreibung des Flughafensatellitenkontos sollte daher
besondere Bedeutung beigemessen werden. Fragestellungen, die ökonomisch gesehen interessant sind, könnten daher in Zukunft mit einem deutlich geringeren Aufwand
der Datenrecherche, -aufbereitung und -berechnung durchgeführt werden.
7.4.4
Berechnung ökonomischer Effekte
Die im Rahmen der Studie entwickelte Multiregionale Input-Output-Tabelle Flughafen
München stellt eine flughafenspezifische, bayerische Disaggregation der bestehenden
Input-Output-Tabelle der amtlichen Statistik dar und ist auf diese vollständig abgestimmt. Darauf aufbauend kann daher die ökonomische Bedeutung des Flughafens
München ermittelt werden. Neben dem flughafenbezogenen Bruttoinlandsprodukt der
einzelnen Branchen vor Ort können direkte und indirekte Effekte, die sich aus der Tabelle der inversen Koeffizienten der Input-Output-Tabelle ableiten lassen, für die Wertschöpfung und Beschäftigung berechnet werden.
7.4.5
Berechnung von Wertschöpfungseffekten
Die Wertschöpfung eines Sektors berechnet sich als Gesamtproduktion abzüglich der
Vorleistungen. Zur Quantifizierung der direkten Wertschöpfungseffekte benötigt man
Informationen zu den Einnahmen und Ausgaben. Zieht man vom Bruttoproduktionswert
die für Vorleistungen aufgewendeten Ausgaben ab, so erhält man den direkten Bruttowertschöpfungseffekt. Auf Basis der Leontief-Inversen können die indirekten Wertschöpfungseffekte ermittelt werden.
Die im Gutachten angeführten Multiplikatoren liegen – sowohl für Bayern als auch
Deutschland insgesamt – über den von Ernst Basler & Partner (ebp) ausgewiesenen
Werten von 0,67 in Bayern und 0,96 in Deutschland, die verschiedene Studien zu
Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten des Flughafens München im Auftrag der
FMG erstellt haben (vgl. ebp, 2007). Dieser Unterschied ist methodisch zu begründen:
Durch die Darstellung aller intra- (innerhalb Bayerns), inter- (innerhalb Deutschlands)
und internationalen (inklusive Ausland) Verflechtungen werden im Rahmen der InputOutput-Analyse auch Vorleistungsbezüge aus Bayern durch Unternehmen aus den
übrigen Bundesländern Deutschlands oder aus dem Ausland erfasst. Obwohl es einen
Wertschöpfungsabfluss durch Importe aus den übrigen Bundesländern Deutschlands
zum Flughafen München gegeben hat, werden diese Zulieferer zum Teil wiederum von
bayerischen Unternehmen beliefert, wodurch es wieder zu positiven Wertschöpfungseffekten in Bayern kommt. Derart komplexe Strukturen sind ausschließlich mittels einer
konkret auf den Flughafen abgestimmten, multiregionalen Input-Output-Tabelle für den
Flughafen München zu erfassen. Die Differenz der ausgewiesenen Multiplikatoren
zeigt, dass auch diese Rückkopplungseffekte nach Bayern in ihrer Größenordnung
nicht unterschätzt werden dürfen. Immerhin liegt die Differenz am Bruttowertschöpfungsbeitrag innerhalb Bayerns bei 110.000 Euro pro 1 Million Euro ausgelöster direkter Bruttowertschöpfung.
118
7.4.6
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Berechnung von Beschäftigungseffekten
Die direkten Beschäftigungseffekte werden im Rahmen der Arbeitsstättenerhebung am
Flughafen München erhoben und wurden aus dieser in das Satellitenkonto aufgenommen. Die Berechnung der indirekten Beschäftigungseffekte erfolgt, abhängig vom vorhandenen Datenmaterial, mittels zwei unterschiedlicher Verfahren:
– Methode 1 berechnet die Effekte auf Basis des durchschnittlichen Personalaufwands pro Jahr,
– Methode 2 hingegen geht von der allgemein üblichen Beschäftigungsstruktur der
jeweiligen Branche (des jeweiligen Sektors) im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung
aus.
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Faktor ist auch die Auslastung der Kapazitäten in den betrachteten Sektoren: Der volle Beschäftigungseffekt wird sich nur bei einer
bereits 100-prozentigen Auslastung und einer entsprechenden Aufstockung der Kapazitäten entfalten; in allen anderen Fällen kommt es aber auf jeden Fall zu einer Absicherung bereits vorhandener Arbeitsplätze und einer weiteren Auslastung der Kapazitäten. Darüber hinaus besteht bei nicht permanent anfallender Nachfrage häufig die
Tendenz, diese eher in Form von Überstundenleistungen und Sonderschichten als
durch die Neueinstellung von Arbeitskräften zu bedienen.
Auch hier sei angemerkt, dass – wie auch die Wertschöpfungseffekte – die von Economica berechneten Multiplikatoren methodisch bedingt höher liegen als die von Ernst
Basler & Partner berechneten Werte in Höhe von 0,85 für Bayern und 1,34 für
Deutschland.
7.4.7
Berechnung von Multiplikatoreffekten
Von den ursprünglich getätigten Ausgaben werden Folgerunden- bzw. Multiplikatoreffekte induziert, da jedes Unternehmen für die Herstellung seiner Produkte bzw. Dienstleistungen Halbfabrikate sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe von anderen Branchen
benötigt. Um von den Erstrundeneffekten auf die Höhe dieser Folgerundeneffekte
schließen zu können, verwendet man Multiplikatoren, welche aus der Input-OutputTabelle abgeleitet werden. Die Höhe der Multiplikatoren hängt in erster Linie von der
Struktur der wirtschaftlichen Verflechtungen der primär „angeregten“ Sektoren mit den
übrigen Sektoren ab, d. h. vor allem davon, an wen die Personal- und Sachausgaben
fließen und wie diese in Folgeaufträgen weitergegeben werden. Zu berücksichtigen ist
auch, dass die Vorleistungen innerhalb Bayerns, aus den übrigen Bundesländern
Deutschlands oder aus dem Ausland bezogen werden können. Primäre Effekte für
Bayern gehen aber nur von jenem Teil der laufenden Ausgaben und Investitionen aus,
der nicht durch Importe in die übrigen Bundesländer Deutschlands oder ins Ausland
abfließt.
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Methodische Anhänge
Abbildung 35
Direkte, indirekte und induzierte Effekte im Rahmen der Input-Output-Analyse
Darstellung: eigene Darstellung Economica
119
120
7.5
1.
Methodische Anhänge
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes
München auf Bayern
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Fragebogen zur Unternehmensbefragung
Wie oft nutzt Ihr Unternehmen einen Flughafen…
Häufig
Gelegentlich
Selten
Nie
für Mitarbeiter?
für Fracht (für Beschaffung
und / oder Auslieferung) ?
F.1 selten oder nie – Frage jeweils für Mitarbeiter und / oder Fracht stellen
2. Warum nutzt Ihr Unternehmen einen Flughafen nur selten [Item aus F01]?
Warum nutzt Ihr Unternehmen einen Flughafen nie [Item aus F01]?
Nicht (öfter) notwendig
Die Erreichbarkeit ist zu schlecht
Ökonomische Gründe (zu teuer)
Ökologische Gründe (zu schlecht für die Umwelt)
Zeitliche Vorteile zu gering
F.1 bei beiden Items häufig, gelegentlich, selten
3. Bitte ordnen Sie die Bedeutung der folgenden drei Aspekte eines Flughafens für die Reisetätigkeit Ihrer Mitarbeiter bzw. Frachtleistungen Ihres Unternehmens ein. Bitte bewerten Sie auf einer Skala von 1 "vollkommen unwichtig" bis 7 "sehr wichtig". Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.
1 = vollkommen unwichtig, 7 = sehr wichtig
Mitarbeiter
Erreichbarkeit für die Mitarbeiter
Angebotene Flugziele für die Mitarbeiter
Regelmäßigkeit der Flugverbindungen für die Mitarbeiter
Fracht
Erreichbarkeit für die Fracht
Angebotene Flugziele für die Fracht
Regelmäßigkeit der Flugverbindungen für die Fracht
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Methodische Anhänge
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F.1 bei mindestens einem Item häufig, gelegentlich, selten
4. Würde Ihr Geschäftserfolg beeinträchtigt werden, wenn sich die Erreichbarkeit, das
Angebot an Flugzielen oder die Regelmäßigkeit der Flugverbindungen verschlechtern
würden? Bitte bewerten Sie auf einer Skala von 1 "überhaupt nicht" bis 7 "sehr stark".
Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.
1 = überhaupt nicht, 7 = sehr stark
Wenn F.1 = Mitarbeiter ungleich nie / NA
5. Wieviel Prozent aller Dienstreisen in Ihrem Unternehmen entfallen auf das Flugzeug?
1 bis 100 %
Wenn F.1 = Fracht ungleich nie / NA
6. Wieviel Prozent Ihres Beschaffungsvolumens wird per Luftfracht geliefert?
0 bis 100 %
Hilfe: Fracht zur Beschaffung sind z.B. Zulieferteile, Komponenten und andere Güter
und Materialien zur Sicherung des Produktionsprozesses.
Wenn F.1 = Fracht ungleich nie
7. Wieviel Prozent Ihres Frachtvolumens (Wertangabe) liefern Sie über Luftfracht aus?
0 bis 100%
Wenn F.1 = Fracht ungleich nie
8. Warum befördern Sie Fracht per Flugzeug?
Weil die Lieferung zeitkritisch ist
Weil sie hochwertig ist
Weil die räumliche Distanz groß ist
Andere Gründe, offen
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Methodische Anhänge
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München auf Bayern
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Wenn F.1 = Fracht ungleich nie
9. Wie hoch ist die Bedeutung von Luftfracht für Ihr Unternehmen heute und in 5 Jahren?
Heute
Sehr wichtig
Wichtig
Weniger wichtig
Unwichtig
Weiß nicht
Keine Angabe
Wenn F.1 = Fracht ungleich nie
10. Welche Rolle spielt der Flughafen für Ihre Beschaffungslogistik?
Eine wichtige Rolle
Eine eher wichtige Rolle
Eine eher geringe Rolle
Eine geringe Rolle
Keine Rolle
Weiß nicht
Keine Angabe
In 5 Jahren
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Methodische Anhänge
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F.1 Frage jeweils für Mitarbeiter Wenn F1(1) =1,2 oder 3 -> (F12a) und Fracht Wenn
F1(2)=1,2 oder 3 -> (F12b) stellen, wenn beide relevant
11. Bitte nennen Sie die für Ihren Standort die drei am häufigsten genutzten
(Ab-)Flughäfen.(Nennen Sie mir zunächst den wichtigsten Flughafen) / ( Nennen Sie
mir nun den zweitwichtigsten Flughafen) / ( Nennen Sie mir nun den drittwichtigsten
Flughafen)
Punktevergabe: 3 = wichtigster Flughafen, 2 = zweitwichtigster…
Flughafen Frankfurt am Main
Flughafen Friedrichshafen
Flughafen Innsbruck
Flughafen Leipzig / Halle
Flughafen Memmingen
Flughafen München
Flughafen Nürnberg
Flughafen Prag
Flughafen Salzburg
Flughafen Stuttgart
Flughafen Wien-Schwechat
Flughafen Zürich-Kloten
Flughafen, anderer
Keine Angabe
Wenn F.12a / 12b= MUC nicht genannt
12. Welche Rolle spielt der Münchner Flughafen für Ihre Geschäftstätigkeit?
Eine wichtige Rolle
Eine eher wichtige Rolle
Eine eher geringe Rolle
Eine geringe Rolle
Keine Rolle
Weiß nicht
Keine Angabe
124
Methodische Anhänge
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F.1 Mitarbeiter: Wenn F1(1)=1,2 oder 3 -> f14a und Fracht: F1(2)=1,2 oder 3 -> f14b
13. Bitte nennen Sie die drei wichtigsten Flugziele für Ihr Unternehmen.
Punktevergabe: 3 = wichtigstes Flugziel, 2 = zweitwichtigste…
F.1 bei Mitarbeiter: Wenn F1(1)=1,2 oder 3 -> f15a und Fracht: Wenn F1(2)=1,2 oder 3
-> f15b
14. Zu welchen Flugzielen fehlen Ihnen geeignete Flugverbindungen?
Offen
15. Welche Rolle spielen internationale Direktverbindungen für Ihr Unternehmen heute
und in 5 Jahren?
Heute
In 5 Jahren
Eine wichtige Rolle
Eine eher wichtige Rolle
Eine eher unwichtige Rolle
Eine unwichtige Rolle
Keine Rolle, weil internationale Flugziele nicht angeflogen werden
Weiß nicht
Keine Angabe
16. Mit welchem Verkehrsmittel erreichen Sie den von Ihrem Unternehmen am meisten
genutzten Flughafen am besten? Bitte nennen Sie mir (zunächst das wichtigste) /
(das zweitwichtigste) / (das drittwichtigste) Verkehrsmittel
Punktevergabe: 3 = wichtigstes Verkehrsmittel, 3 = zweitwichtigstes…
Auto (bzw. LKW bei Fracht)
Öffentlicher Personennahverkehr
Nahverkehr (z.B. RE, RB etc.)
Schienenfernverkehr (z.B. ICE, IC)
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Methodische Anhänge
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17. Wie sehr würde Ihr Unternehmen von einer besseren Erschließung (bspw. ICE-
Anschluss) des Münchner Flughafens profitieren?
Sehr stark
Eher stark
Eher nicht
Gar nicht
Weiß nicht
Keine Angabe
18. Welche Rolle spielt bei Ihren internationalen Investitionsentscheidungen die Güte der
Flugverbindung dorthin?
Eine wichtige Rolle
Eine eher wichtige Rolle
Eine eher unwichtige Rolle
Eine unwichtige Rolle
Keine Rolle, weil wir nicht international investieren
Weiß nicht
Keine Angabe
19. Erfolgte Ihre Standortansiedlung vor oder nach der Eröffnung des Flughafens Mün-
chen im Jahre 1992?
Vor der Eröffnung des Flughafens
Nach der Eröffnung des Flughafens
20. In welchem Landkreis liegt Ihr Unternehmen?
Landkreis Erding
Landkreis Freising
Landkreis München
München, Landeshauptstadt
Anderer Landkreis
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Methodische Anhänge
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Filter wenn F.20 ungleich Anderer Landkreis und ungleich NA
21. Welche Rolle spielten folgende Gründe für diese Standortentscheidung?
1 = vollkommen unwichtig, 7 = sehr wichtig
Nähe zu Kunden und / oder Kooperationspartnern in der Umgebung
Nähe zu Absatz- und / oder Beschaffungsmärkten in der Umgebung
Nähe zu Forschungs- und / oder Entwicklungseinrichtungen in der Umgebung
Schnelle Erreichbarkeit von Flugzielen
Gute Straßen- und / oder Schieneninfrastruktur
Unternehmerisches Umfeld
Attraktive Gewerbeflächen
Günstiges Immobilienpreisniveau
Andere, offen
22. Nun noch zum Abschluss eine Schätzfrage: Wie häufig fliegen die Mitarbeiter Ihres
Unternehmens im Monat etwa?
Kommazahl möglich, bitte umrechnen!
Wir benötigen abschließend noch Angaben zu Größe und Tätigkeit Ihres Unternehmens. Diese dienen dazu, ein differenziertes Bild zur Bedeutung von Flughäfen für
bayerische Unternehmen zu erhalten.
23. Wie viele Mitarbeiter hatte Ihr Unternehmen, ohne Auszubildende zum Ende des Jah-
res 2013?
bitte ohne Auszubildende angeben. Schätzungen genügen.
24. Wie hoch lag der Jahresumsatz, ohne USt. Ihres Unternehmens im Jahre 2013?
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Methodische Anhänge
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Wenn F.24 = keine Angabe
25. Sie haben keine Angabe zur Umsatzhöhe des Unternehmens gemacht. Versuchen
Sie bitte, den Umsatz, ohne USt. in 2013 als Größenordnung zu schätzen.
Unter 1 Mio. Euro
1 bis unter 10 Mio. Euro
10 bis unter 50 Mio. Euro
50 bis unter 100 Mio. Euro
100 bis unter 250 Mio. Euro
250 Mio. Euro und mehr
Möchte ich nicht angeben
k. A.
26. Welchem Wirtschaftsbereich können Sie Ihr Unternehmen am ehesten zuordnen?
bitte ankreuzen
Chemie / Gummi und Kunststoff
Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Herstellung von Metallerzeugnissen
Maschinenbau
Elektroindustrie
Fahrzeugbau
Andere Branche des Verarbeitenden Gewerbes
Bauwirtschaft
Verkehr, Logistik
Groß- oder Einzelhandel
Gastgewerbe
IKT/Medien
Mouseover: Verlagswesen, Rundfunkveranstalter, Telekommunikation, Erbringung
von Dienstleistungen der Informationstechnologie und Informationsdienstleistungen
Wirtschaftsnahe Dienste (Mouseover: Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Werbung, Marktforschung, Vermietung beweglicher Sachen, Arbeitnehmerüberlassung, Reinigung, Bewachung, Architekten und Ingenieure u. ä.)
Kreditwesen, Versicherungen
Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung
Sonstiges, und zwar:
Keine Angabe
128
Methodische Anhänge
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München auf Bayern
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Quellenverzeichnis.
ADV-Monatsstatistik (2014)
Passagiere: Kumulierte Betrachtung Januar-Dezember 2013, 12/2013
Airbus (2011)
Delivering the Future – Global Market Forecast 2011 – 2030, S. 28
Airbus (2014)
Flying on Demand – Global Market Forecast 2014 – 2033, Blagnac
Cedex
Airports Council International
Worldwide Airport Traffic Report – Calendar Year
(2013)
Bayerisches Landesamt für
Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern: Gesam-
Statistik und Datenverarbei-
melte Ergebnisse für alle kreisfreien Städte und Landkreise bis 2032
tung (2014)
BDL (2013)
Leitlinien für fairen Wettbewerb im internationalen Luftverkehr und für
einen leistungsfähigen deutschen Luftverkehrsstandort
BDL (2014a)
Verbraucherreport 2014
BDL (2014b)
Zahlen und Daten zu Marktentwicklung, wettbewerbliche Rahmenbedingungen, Verkehrsrechte, mimeo
Bussìere / Fidrmuc / Schnatz
Trade Integration of Central and Eastern European Countries – Les-
(2005)
sons from a Gravity Model, OeNB Working Paper Series
Carson / Sun (2007)
The Tobit model with a non-zero threshold, Econometrics Journal,
Volume 10
Credit Suisse (2014)
Global Airlines Sector – Gulf carriers 2020: Beyond great circle threats,
Global Equity Research
Ernst Basler & Partner und
Auswirkungen des Vorhabens 3. Start- und Landesbahn auf Wirtschaft
BulwienGesa (2007)
und Siedlung im Flughafenumland
Etihad Airways (2015)
Etihad Airways and Alitalia partnership. http://www.etihad.com/enus/about-us/our-equity-partners/alitalia/
Partnerschaft Etihad und Air Berlin. https://www.etihad.com/dede/about-us/our-equity-partners/airberlin/
Flughafen München GmbH
Arbeitsplatz Flughafen München, S. 8
(FMG) – GB Aviation, Marktforschung (2012)
Fraport (2014)
Was ist eigentlich ein Hub? http://www.fraport.de/de/konzern/flughafenund-region/fra--hessens-tor-zur-welt/was-ist-eigentlich-ein-hub-.html,
Stand 29.01.2015
Fichtinger / Grohall / Helmen-
Technische Universitäten - Leistungen und Perspektiven, Studie im
stein / Kleissner / Mösenba-
Auftrag der TU Austria, Economica Institut für Wirtschaftsforschung
cher / Welz (2012)
Franz / Laimer / Smeral (2001)
A tourism satellite account for Austria
Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
vbw – Oktober 2015
Gamze, O.; Gerede, E. (2013)
Methodische Anhänge
129
A Study of the Strategic Responses of Turkish Airline Companies to the
Deregulation in Turkey, in: Journal of Management Research, Vol. 5,
No. 4, S. 34-63
Geschäftsberichte der Flug-
Geschäftsberichte Flughafen München GmbH 2013 und Flughafen
häfen (2013 und 2003)
Düsseldorf 2003 und 2013
Grohall / Helmenstein / Kleissner (2005)
Wirtschaftliche Bedeutung der Kärntner Fachhochschulstandorte, Studie im Auftrag der Fachhochschule Technikum Kärnten, Economica
Institut für Wirtschaftsforschung
Grohall / Yegorov (2010)
A Land far away, FIW Research Reports 2010 / 2011, No. 2
Haslinger (1988)
Satellitensysteme: Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches
Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, in: Satellitensysteme zu den
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, S. 66, Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.), Kohlhammer Verlag, Stuttgart
IW Consult (2012)
Wertschöpfungsketten und Netzwerkstrukturen in der deutschen Industrie – welche Veränderungen sind zu erwarten?
Linnenman (1966)
An Econometric Study of International Trade Flows
Pöyhönen (1963)
A Tentative Model for the Volume of Trade between Countries, Weltwirtschaftliches Archiv, Nr. 90
Rodriguez-Deniz / Suau-
Classifying airports according to their hub dimensions: An application
Sanchez / Voltes-Dorta (2013)
to the US domestic network, Seite 6, Absatz 3
Rosett / Nelson (1975)
Estimation of the Two-Limit Probit Regression Model, Econometrica,
Volume 43, Nr. 1
Savage / Deutsch (1960)
A Statistical Model of the Gross Analysis of Transaction Flows, Econometrica, Volume 28, Nr. 3
Stahmer (1988)
Konzepte für Satellitensysteme, in: Satellitensysteme zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, S. 45, Statistisches Bundesamt
Wiesbaden (Hrsg.), Kohlhammer Verlag, Stuttgart
Turkish Airlines (2013)
Annual Report
Turkish Airlines (2014)
Airline Fleet plan to 2021
Vereinigung der Bayerischen
Standort Bayern: Unternehmerperspektiven 2014
Wirtschaft (2014)
Vereinigung der Bayerischen
Als Lösungsanbieter zum Erfolg
Wirtschaft (2015)
World Airport Awards (2014)
http://www.worldairportawards.com/Awards_2014/Categories.htm,
Stand: 29.01.2015
ZEW (2014)
Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft
Zuehlke (2003)
Estimation of a Tobit model with unknown censoring threshold, Applied
Economics, Volume 35, Nr. 10
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München auf Bayern
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Studie – Wirtschaftliche Auswirkungen des Luftverkehrsdrehkreuzes München auf Bayern
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Ansprechpartner / Impressum
131
Ansprechpartner
Christine Völzow
Büroleiterin des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers
Telefon 089-551 78-104
Telefax 089-551 78-116
[email protected]
Impressum
Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl
auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren
Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher
Form verzichtet.
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Autoren:
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Wirtschaft e. V.
Economica
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IW Köln e. V.
Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.

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