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Zentralschweiz am Sonntag 18. April 2010 / Nr. 16
Hundesalon
Miros haarsträubende Verwandlung
Im Hundesalon herrscht zurzeit Hochbetrieb – für die
perfekte Frühlingsfrisur gibt
es Wartezeiten von bis zu
drei Wochen.
VON BARBARA INGLIN
Miro zittert am ganzen Leib. Ein weiterer Coiffeurbesuch steht an – im Hundesalon Pipistrello an der Kasimir-PfyfferStrasse in Luzern. «Wenn die Hunde
abgegeben werden, sind sie meist noch
etwas ängstlich», sagt Doris Stillhardt,
die den Hundesalon gemeinsam mit
ihrer Schwester Sylvia Parietti führt.
Waschen, föhnen, schneiden
Kaum ist die Türglocke verklungen,
steht Miro schon auf einem Holzrost in
der Badewanne und wird von Kopf bis
Fuss einschamponiert. Der kleine ShihTzu-Hund wird in drei Stunden nicht
mehr derselbe sein. Andrea Achermann, eine der Angestellten des Salons,
knetet und massiert den Vierbeiner
liebevoll. Doch der schaut weiterhin
skeptisch. «Normalerweise beruhigen
sich die Hunde schnell, doch heute ist
hier ziemlich viel los. Auch die Kamera
der Zeitungsfotografin ist er wohl nicht
gewohnt», sagt Stillhardt.
In ein Frotteetuch eingewickelt, wird
der kleine Miro schliesslich im Nebenraum auf einem Bistrotischli platziert.
Der Hundeföhn, der ein bisschen an
einen Staubsauger erinnert, bläst laut,
die Musik aus dem Radio ist ob des
Lärms kaum mehr zu hören. Bald
wirbeln Miros Hundehaare durch die
Luft, bleiben liegen auf dem grauen
Linoleumboden und den rosaroten
Plastikstühlen.
Feinarbeit mit der Coiffeurschere
In der Zwischenzeit sind weitere
Hunde eingetroffen. Auch Zwergschnauzer Funny und Westi-Dame Cathy sollen heute einen neuen Haarschnitt erhalten. Die drei Hundecoiffeusen des Pipistrello haben alle Hände
voll zu tun. «So geht das jeden Tag, es ist
Hochsaison», sagt Doris Stillhardt. «Gerade jetzt im Frühling haaren die Tiere
stärker als sonst. Und wenn sie bei
Regenwetter draussen unterwegs sind,
verdreckt auch das Fell schneller.» Die
Wartezeit für einen Termin im Hundesalon beträgt bis zu drei Wochen.
Nachdem die Unterwolle entfernt ist,
wird Miro geschoren – mit der Coiffeur-
Kaum wiederzuerkennen: Shih-Tzu-Hund Miro wartet zurechtgemacht und mit neuer Kurzhaar-Frühlingsfrisur auf sein Frauchen.
schere macht sich Andrea Achermann
dann an die Feinarbeit: Bein- und
Ohrenhaare werden gestutzt, zwecks
besserer Sicht auch die Fransen gekürzt. Mit einer Zange zwackt die Hundecoiffeuse die Krallen kürzer, kratzt
mit einem Zahnarzthaken den Dreck
«Ein schöner und
sauberer Hund wird
mehr gestreichelt.»
D O R I S S T I L L H A R DT,
H U N D E S A LO N - B E S I T Z E R I N
zwischen den Zähnen hervor. Das übliche Programm.
Ab und an werden im Hundesalon
Pipistrello auch aussergewöhnlichere
Wünsche erfüllt: etwa lackierte «Fingernägel» für den Bello (oder eben die
Bella), eine rote Haarsträhne oder auch
mal eine punkige Irokesenfrisur. «Solange es dem Hund nicht schadet,
machen wir das gerne», sagt Doris
Stillhardt. Es gebe aber auch Anfragen,
die sie klar ablehne. «Einmal wurde ich
gebeten, einem Hund Strähnchen zu
bleichen, das habe ich dem Tier zuliebe
nicht gemacht.»
110 Franken, drei Stunden Arbeit
Nach gut zwei Stunden ist Miro kaum
wiederzuerkennen: Das Fell glänzt, die
Frisur sitzt einwandfrei. Ganz entspannt liegt er in seinem Kistchen und
wartet darauf, dass er abgeholt wird.
Endlich klingelt die Türglocke, 110
Franken kostet Frauchen das Beautyprogramm. «Manchmal gibt es Leute,
die sich über den Preis beschweren»,
sagt Sylvia Parietti. «Denen sage ich
jeweils, dass da ja schliesslich auch
mehr Haare dran sind als auf einem
Menschenkopf.» Auch der zeitliche Auf-
wand ist mit bis zu drei Stunden pro
Hund meist grösser als beim «Menschencoiffeur».
Miro scheint froh, die Prozedur überstanden zu haben. «Die meisten Hunde
kommen ungern zum Coiffeur», sagt
Stillhardt. «Doch bei Hunden mit langen Haaren ist das unumgänglich,
sonst verfilzen sie, und das Tier fühlt
sich unwohl.» Und: «Ein schöner, sauberer und gut riechender Hund darf
auch mal aufs Sofa sitzen, wird mehr
gestreichelt und gelobt. Das merkt er.»
Miro jedenfalls stolziert mit seiner
neuen Frisur hoch erhobenen Hauptes
durch die Tür und markiert an der
Strasse selbstbewusst den nächsten Laternenpfahl.
Bilder: Mehr Impressionen aus dem Hundesalon
auf www.zisch.ch/bilder
Auch Giaco musste Haare lassen. Er wartet, bis er abgeholt wird.
Auch für Hundefrisuren müssen es echte Coiffeurscheren sein.
Sylvia Baretti (links) und Andrea Achermann an der Arbeit.
Miros Bart wird zurechtgestutzt.
BILDER MANUELA JANS
TIER-SHIATSU
Massage für Filou
In einer Ecke des Hundesalons liegt
die Deutsche Dogge Filou auf einer
Matte, 60 Kilo schwer und ganz
zahm. Beatrice Haltiner streicht
ihm durchs Fell, sucht nach Verspannungen. Haltiner ist diplomierte Hunde-Shiatsu-Therapeutin. Filou soll dank der Therapie «normale Bewegungsmuster» wieder erlernen, die er nach einer Verletzung an der Wirbelsäule vergessen
hat. Dass die alternative Therapieform Shiatsu auch beim Tier angewendet wird, ist eine relativ neue
Entwicklung. Über Sinn und Unsinn kann man streiten. «Es gibt
Tierärzte, die Hunde an uns verweisen, andere sind hingegen
bin
skeptisch», sagt Haltiner.
Andrea Achermann schamponiert Miro von Kopf bis Fuss.

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