"Was machst Du hier?": Autorin Laina Dawes über Rassismus und
Transcrição
"Was machst Du hier?": Autorin Laina Dawes über Rassismus und
«WAS MACHST DU HIER?» Hat Musik eine Farbe, ein Geschlecht? Ist Soul schwarz, Country weiss, Crust für Jungs, Latino-HipHop für Mädchen? Laina Dawes hat ein Buch über Sexismen und Rassismen gegenüber schwarzen Frauen in den Metalszenen Nordamerikas geschrieben. Laina Dawes ist Ende Dreissig, dunkelhäutig und arbeitet als Journalistin und Fotografin. So weit, so normal. Laina Dawes hört seit ihrer Jugend Metal und wird als schwarze Frau dafür mehrfach ausgeschlossen. So weit, so abnormal. In Ihrem 2012 erschienenen Buch «What Are You Doing Here? A Black Woman’s Life and Liberation in Heavy Metal» zeigt Dawes Exklusionsprozesse in Metal-, Hardcoreund Punkszenen auf und illustriert ihre vielen Facetten mit eigenen Erfahrungen, aber auch mit Erkenntnissen aus zig Interviews mit farbigen Musikerinnen und Liebhaberinnen extremer Musik. Sie fragt nach Rollen und Rollenbildern von und für farbige Frauen in einer vorwiegend weissen, männlichen Welt und bringt so nicht zuletzt die versteckt wirkenden, den Status quo zementierenden normativen Wirkungskräfte auch in emanzipativ geglaubten Subkulturen ans Licht. Über die Vermittlung einer Vorstellung darüber, womit eine Minderheit in der Minderheit in der, nun ja, Minderheit so konfrontiert ist, und wie das diametral zur eigentlichen Idee von Metal steht, zeigt Dawes auf, dass es immer noch viel zu tun gibt. Angenehmerweise wirkt das bei allem Ernst der Angelegenheit nie zeigfingerisch. Vielmehr blitzt bei Dawes – die neben aller kritischen Distanz immer Metalhead geblieben ist – immer wieder durch, dass eine Musik, die für Viele das nackte Grauen ist, inspirierend, kathartisch und befreiend sein kann. Und zwar unabhängig von Gender und Ethnie. Wenn Leute an Metal-Bands und die Metalszene denken, bestimmen Assoziationen von männlichen, weissen Jugendlichen das Bild. Wie kommt das? Dazu muss man schauen, von wem die Musik wo gehört wurde. In der Entstehung der New Wave of British Heavy Metal und ihrer Rezeption in den USA waren es stereotypischerweise frustrierte, weisse, manuell arbeitende Männer, die diese Musik spielten und sich mit ihr identifizieren konnten. Scheissjobs, miese Löhne, kein Respekt von der Gesellschaft: all das waren Themen von Heavy-MetalBands wie Judas Priest oder den frühen Iron Maiden. Ausserdem fand diese Musik auch mehrheitlich in Clubs in Arbeitervierteln statt, wo sich kaum Frauen aufhielten und Männer ungestört maskulin sein konnten. In Deinem Buch legst Du dar, dass in einem Metal Pit nicht nur Soundwände herrschen, sondern eben auch Wände bezüglich Ethnien, Geschlecht und Identitäten performativ wirken. Kannst Du das etwas genauer ausführen? Ausschlaggebend für dieses Buch war meine Feststellung, dass ich als schwarze Frau Live-Lokale radikal anders erfuhr als meine weissen, männlichen Freunde. Und das, obwohl wir uns aus den exakt gleichen Gründen zu Metal hingezogen fühlten, nämlich um mit der Energie und der Aggression dieser Musik den Frustrationen unseres täglichen Lebens beizukommen. Von aussen wurde das bitte umblättern «WAS MACHST DU HIER?» aber komplett unterschiedlich bewertet aufgrund vorherrschender rassistischer und genderspezifischer Stereotypisierungen. Als schwarze Frau darf ich nicht wütend sein, und wenn ich es trotzdem bin, dann werde ich automatisch zur gewalttätigen Bedrohung. Auch wenn Misogynie und Sexismus in der Szene alle Frauen betreffen, so wird die schwarze Frau noch zusätzlich als hypersexuelles, animalisches Wesen stigmatisiert. Hier gibt es einen grossen Unterschied in Sachen Diskriminierung, und dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Diese erweiterten Stigmata gegenüber der schwarzen Frau, der weitgehende Disrespekt ihres Körpers, macht ihre Präsenz in dieser Szene noch viel schwieriger, als die einer weissen Frau. Durch das Aufzeigen dieser blinden Flecken in der Metalszene, die teils auch im Hardcore- und im Punk-Umfeld vorherrschen, wird immer wieder deutlich, dass es hier um mehr als nur um Musik geht, und dass diese Szenen einen grossen Effekt auf die Leben der Leute haben. Was genau verpassen Leute, wenn sie Metal verpassen? Zunächst einmal ganz einfach handwerklich-technisch hochstehende Musik. Und dann ist es die Energie und die Möglichkeit, Emotionen auszudrücken, die wir, wenn es nach den gesellschaftlichen Normen ginge, unterdrücken sollten. Deshalb finde ich es auch so wichtig, dieses Ventil für schwarze Frauen zugänglicher zu machen, denn schwarze Frauen stehen unter ungeheurem Druck, den Status Quo zu perpetuieren, der sie schweigend, lieb und unemotional haben möchte. Aber natürlich müssen auch sie irgendwo Dampf ablassen. Und extreme Musik, egal ob Metal, Harcore oder Punk, ist ein solches Ventil, das darüber hinaus auch Gemeinschaft ermöglicht, wo Leute, die dasselbe mögen oder am selben leiden, sich austauschen können, ohne das Gefühl zu haben, das Gegenüber denke, man sei komplett durchgeknallt. Was mir besonders auffiel, sind die unterschiedlichen Codierungen der Devianzen, die der schwarzen Frau aus unterschiedlichen Richtungen entgegenschlagen: Während die weiss dominierte Metalszene oftmals kaum glauben kann, dass es schwarze Metalheads geben kann, wird von der schwarzen Community nichts weniger als das Schwarzsein schwarzer Metalfans infrage gestellt... (lacht) Ja, so siehts aus. Als ich noch ganz am Anfang dieses Buchprojektes stand, warnten mich Freunde, dass das nur ein Buch darüber werden könne, wie rassistisch Weisse seien. Dabei kommt einer der Hauptgründe der Nichtaktzeptanz schwarzer Metal-, Hardcore- oder PunkmusikerInnen aus schwarzen Communities. Das Problem ist, dass in schwarzen Communities kulturelle Authentizität über Musik bewertet wird, und wer keine schwarze Musik hört oder macht, der wird kurzerhand die Authentizität ihrer Blackness abgesprochen. Das Hören weisser Musik wird sogar als Zeichen dafür gelesen, dass du nicht schwarz sein willst. Das ist natürlich absoluter Blödsinn, aber in der schwarzen Community seit Generationen fest verankert. Diese enge ethnisch-kulturelle Verwobenheit hat historisch gesehen durchaus ihre Berechtigung, und die rigide ethnische Innenpolitik, die vorschrieb, was gehört werden durfte und in welchen sozialen Feldern man sich zu bewegen hatte, ermöglichte vielen Schwarzen in Zeiten des Bürgerkrieges das Überleben. Dass diese Codes allmählich zu Anzeigern kultureller Authentizität umgedeutet wurden, hat zur Folge, dass sich Schwarze nicht getrauen, RocksängerInnen zu werden, weil ihnen eingebläut wurde, dass sie nur schwarz seien, wenn sie HipHop oder Soul machten. Sie befürchten heute also, den Rückhalt ihrer Community zu verlieren, was nicht nur ein psychologisches, sondern auch ein ökonomisches Risiko darstellt. Das ist ja furchtbar! Und trotzdem bleiben schwarze Frauen im Metal, wenn auch in kleiner Zahl. Das ist besonders im Hinblick auf die Zeit musikalischer Sozialisation interessant, die mehrheitlich in der Jugend stattfindet. Einer Zeit also, in der man Aufgehobenheit und Zugehörigkeit sucht, aber schwarze Frau- en im Metal also offenbar eher die raue, offene See finden als den sicheren Hafen. Warum segeln sie trotzdem weiter? Als Individuum hat man ja die Wahl: Lasse ich mein Leben von einem Idioten bestimmen, der mir bei einem Konzert sagt, ich gehöre nicht dahin? Oder ist mein Drang, das zu tun, was ich tun will, stärker? Schwarze Metal-MusikerInnen folgen ihrer Leidenschaft und werten ihre eigenen Wünsche und Träume als Individuum höher als den Anspruch, viel Geld zu verdienen oder irgendjemandem zu gefallen. Das ist gerade für Schwarze in Nordamerika eine ziemlich schwierige Entscheidung, weil ihnen von der Gesellschaft das Recht abgesprochen wird, Individuen zu sein. Sie sind zuallererst Schwarze – und eben nicht AutorInnen, GitaristInnen oder was auch immer. Obwohl die Metalszene sich des Konzepts der Differenz bewusst sein dürfte – bekanntlich tragen nicht alle Menschen Jeansjacken mit Aufnähern oder schütteln ihre Haare zu halsbrecherischen Doublebass-Takten –, scheint es, als hätte sie ein Problem mit Differenz und Diversität. Wie erklärst Du Dir diese subtile Tendenz zur Konformität innerhalb der Szene? Meiner Meinung nach ist die Metalszene eine Gemeinschaft, in der sich Gleichgesinnte treffen, die sich mit Hingabe um die Metalkultur kümmern, egal, wie sie aussehen, welches Geschlecht sie haben. Allerdings sind Metalheads auch Individuen, und als solche tragen sie eben auch ihre persönlichen Erfahrungen in die Clubs rein, die sie in der Aussenwelt gemacht haben. Dort ist es auch, wo die ganzen Rassismen, Sexismen und Klassismen wurzeln. Dazu kommt, dass einige die Authentizität der Metalkultur bedroht sehen, wenn immer mehr Leute, immer mehr Schwarze und immer mehr Frauen mitmachen – obwohl mehr Metalheads der Kultur und den tourenden Bands ja letztlich zugute kommen. Schliesslich ist es halt einfach auch so, wie es eben so ist in kapitalistisch-demokratischen Systemen: Es kann einer Person helfen, wenn sie die andere unten hält, so ist das Leben. Auch wenn es nicht so sein sollte. Du bist ja nicht nur Analystin der Metalszene, sondern als langjähriger Metalhead auch Teil der Szene. Was sind Deine persönlichen Strategien im Umgang mit den Problemen? Ich ringe immer noch damit, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber grundsätzlich poche ich auf mein Recht, dort zu sein und das zu tun, was ich will. Ich bin in einem kleinen Kaff in Kanada als Adoptivkind aufgewachsen, und wir bekamen als einzige Schwarze im Dorf täglich Rassismus zu spüren. Mir wurde beigebracht, das zu ignorieren und runterzuschlucken, und das tat ich auch, weil ich Angst hatte. Ich werde mir wohl nie vergeben können, dass ich Angst hatte, für mich selbst einzustehen. Heute würde ich lieber ins Gefängnis gehen, als den Weg zu pfaden für so viel Selbsthass, wie er sich in mir aufstaute. Ich sage nicht: «Nehmt ein Messer mit zu Shows» oder «Geht euch prügeln» (lacht). Aber allein um der eignen Wertschätzung willen: Steht für eure Rechte und Bedürfnisse ein und lasst euch nichts bieten – von niemandem! Ein solches Buch zu schreiben, stelle ich mir ziemlich schwierig vor, besonders die Möglichkeiten, selber in Generalisierungen und Simplifizierungen zurückzufallen. Denn neben zum Teil offen nationalsozialistisch orientiertem Blackmetal gibt es auch Initiativen wie Metalheads Against Racism, die sich um eine tolerante und offene Szene bemühen. Wie bist Du um Fallstricke wie diese herumgekommen? Ich kann Dir sagen, das war der schwierigste Teil überhaupt. Denn beim Thema Rassismus sind die Leute sehr kritisch, umso mehr wenn es um Personen geht, die sie kennen. In mir drin wusste ich, dass ich über diese Themen berichten muss, und gleichzeitig war es mir ein Anliegen, nichts zu sensationalisieren. Ein gutes Beispiel sind die Kapitel über Burzum-Kopf Varg Vikernes oder den Pantera-Sänger Phil Anselmo, wo ich in eine Art Zwickmühle geriet: Bleibe ich ehrlich zu mir selbst und berichte über deren rassistische Bemerkungen und trete den Fans auf die Füsse, oder unterschlage ich die Wahrheit und schlängle mich bequem drum herum? Letztlich steht hier ja auch meine journalistische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Bei solchen Fragen kann Dir dann natürlich auch niemand helfen (lacht). Letztlich hatte ich zwar reale Angst, von irgendwelchen Leuten vermöbelt zu werden für das Buch, andererseits musste ich mir auch eingestehen, dass es nun mal so ist, wie es ist, und dass Schweigen nichts daran ändert. Auch wenn man darüber schreibt, lösen sich die Probleme ja nicht umgehend in Luft auf. In der Einleitung des Buches schreibst Du sogar, dass mehrere farbige Musikerinnen nicht mit Dir über die Themen Ethnizität und Sexismus in der Szene sprechen wollten, obschon sie sich der Schwierigkeiten voll bewusst waren. Wie kommt es zu so einer Haltung? Viele dieser Musikerinnen haben hart dafür gearbeitet, um dort zu sein, wo sie jetzt sind. Und sie befürchten, dass das Sprechen über ihre Frustrationen auf dem Weg dorthin schlichtweg ihre Karrieren abwürgen könnte. Auch hier sind gesamtgesellschaftliche Erwartungen performativ: Die Leute wollen nun mal lieber den «passive negro», der glücklich und immer gut drauf ist, und nicht die kritische Schwarze, die Rassismen und Sexismen thematisiert. Eine Interviewpartnerin sagte ihre Mitarbeit ab mit der Begründung, dass sie befürchte, dass ihre Mitmusiker dann merkten, dass sie schwarz sei. Hallo? Du bist schwarz! Da ändert auch das Schweigen über heisse Themen nichts daran. Dein Buch ist nun seit gut sechs Monaten auf dem Markt. Was für Reaktionen bekommst Du darauf? Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen, keine Frage. Es kam zu sehr guten Gesprächen und durch Rückmeldungen erfuhr ich, dass diese Fragen vermehrt und selbstbewusster thematisiert werden von schwarzen Frauen. Ich bin sehr zufrieden bis jetzt. Interview Nino Kühnis Laina Dawes: «What Are You Doing Here? A Black Woman’s Life and Liberation in Heavy Metal». Bazillion Points, New York 2013, 224 Seiten, ca. 24 Franken. «Als Individuum hat man ja die Wahl: Lasse ich mein Leben von einem Idioten bestimmen, der mir bei einem Konzert sagt, ich gehöre nicht dahin? Oder ist mein Drang, das zu tun, was ich tun will, stärker?» Laina Dawes