AMOK Diskussionsunterlagen
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AMOK Diskussionsunterlagen
A.M.O.K. Du spielst keine Rolle mehr. Diskussionsunterlagen Ein Projekt der neuebuehnevillach in Zusammenarbeit mit den Villacher Schulen HTL, CHS und der HS1 im Rahmen der Initiative "Macht I schule I theater" des BMUKK, 2011 A.M.O.K. Du spielst keine Rolle mehr Ein Theaterprojekt "in progress" der neuebuehnevillach in Kooperation mit den Villacher Schulen HTL, dem CHS und der HS1 Auen Im Rahmen von "Macht I schule I theater" - einer österreichweiten Theaterinitiative vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam mit KulturKontakt Austria und Dschungel Wien Nachdem die Besucherzahlen und Einschaltquoten der Unterhaltungsindustrie drastisch gesunken sind, wird ein vollkommen neues, alle bisherige Grenzen von Moral und Vernunft überschreitendes, neues Format präsentiert, eine neue Show - die ultimative Show. Dabei wird die Perversion moderner Fernsehunterhaltung offenbart. Reizüberflutung trifft Ästhetik, Material aus Film- und Fernsehgeschichte werden eingebunden. Rasend schnelle Schnitte. Amok stand am Anfang als Begriff, der in der Gesellschaft immer wieder herangezogen wird, wenn es darum geht auf die zunehmende Verrohung "der Jugend" hinzuweisen. "A.M.O.K." hat aber letztlich nur entfernt etwas mit amoklaufenden Jugendlichen zu tun. In diesem Theaterprojekt wird der Begriff weiter gefasst als Zustand des Kontrollverlustes, mit dem man sich vielleicht konfrontiert sieht, in einem Umfeld von zunehmender Komplexität, von andauernden Einflüssen, von Einflüsterungen durch Werbebotschaften und Massenmedien. A.M.O.K. ist eine Mischung aus Theater- und Filmprojekt, ein Work in Progress, in dem die SchülerInnen selbst in hohem Maße an der Idee, den Kostümen, der Bühne und dem ganzen Ablauf beteiligt sind. Präsentiert wird an den Abenden nicht nur ein entstandenes Stück sondern auch die Dokumentation eines Arbeitsprozesses mittels einer Ausstellung, bei dem die Gedanken der Jugendlichen im Mittelpunkt stehen. Premiere: 29. April 2011 in der HTL Villach Weitere Spieltermine: 09.-13.Mai Regie & Autor Clemens Lukas Luderer Es spielen Edis Colic, Maria Essl, Christina Knapp und Katharina Marchetti Regieassistenz Philip Kandler Dramaturgie und Projektleitung Martin Dueller Hauptplatz 10, PF 214, A-9500 Villach Tel.: ++43-(0)4242-287164 Fax: ++43-(0)4242-287164-14 Mobil: ++43-(0)699-11074783 Web: www.neuebuehnevillach.at Intendanz: Michael Weger Clemens Lukas Luderer aufgewachsen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Besuchte mehrere Schulen in Österreich und der Schweiz, bevor er mit 19 seinen ersten Film produzierte, für den er mit dem "Gold Special Jury Award" beim World Festival in Houston / Texas für den besten ausländischen Kurzfilm ausgezeichnet wurde. Danach diverse Arbeiten in der Filmbranche. Autor, Regisseur und Schauspieler für die Produktion "Fegefeuer" des klagenfurter ensemble. Filmproduktionen in Frankreich, Spanien und Deutschland als Schauspieler. 2008 als freier Autor in der Schweiz tätig. Seit 2009 wieder in Österreich. Kontakt: Telefon: 0676 9041444 // [email protected] Martin Dueller aufgewachsen in Villach. Ab 2000 Arbeit als Betreuer und Leiter künstlerischer Projekte im Jugendzentrum Donaustadt, Wien. Ab 2004 Besuch des Workshops „TheaterSchreiben“ am Burgtheater unter der Leitung von David Spencer, 2005 Fortgeschrittenenworkshop am Burgtheater unter der Leitung von Bernhard Studlar. Journalistische Tätigkeit für "thegap" und verschiedene Online-Magazine bis 2006. Erstellung von Homepages und Werbemitteln für verschiedene Projekte. Danach Rückkehr nach Villach. Journalistische Arbeiten für "Die Brücke", "Kleine Zeitung" und "KTZ". Seit Anfang 2008 Dramaturg der neuebuehnevillach, weiters Durchführung des Jugendkreativprojekts „LOCAL T“ im Villacher Jugendjahr Jugendjahr 2008. Regie bei "ALIENce", Macht | schule | theater 2008/2009. Diverse Veröffentlichungen von Prosatexten in Zeitschriften, szenische Lesungen. Streetart-Projekte. Gründer des theatralen Kollektivs "A.C.M.E.". Kontakt: Telefon: 0699 11882702 // [email protected] Bei Fragen und für weitere Informationen: Martin Dueller 0699-11074783 [email protected] Clemens Lukas Luderer 0676-9041444 [email protected] Das Thema Amok bzw Amoklauf bekam im letzten Jahrzehnt traurigerweise enorme Präsenz. Sogenannte "school shootings" schockierten die Welt und brachten eine Welle an medialer Berichterstattung hervor, die letzlich immer oft nur die Schuldfrage auf andere Medien schoben: Rockmusik (wie schon vor mittlerweile 60 Jahren), Computerspiele, "das Internet". Diese sehr undifferenzierten Feststellungen fragten aber sehr selten danach, wie es möglich ist, dass sich jugendliche Amokläufer Waffen beschaffen können. Im Fall des Amoklaufes von Columbine haben an diesem Tag nicht nur millionen Menschen auf der Welt, die gleichen Computerspiele gespielt, die auch die Amokläufer spielten und die gleiche Musik gehört, die auch die Amokläufer hörten - es war auch der Tag, an dem Amerika eine der schwersten Angriffe im Kriegsgebiet Irak starteten. Ein Zusammenhang zwischen den kriegerischen Handlungen Amerikas und dem Amoklauf lässt sich ebensowenig oder -viel herstellen, wie ein Zusammenhang zwischen Amoklauf und Musikgeschmack oder Freizeitgestaltung. Was aber sehrwohl von Bedeutung und Gegenstand von Diskussionen sein kann, ist der Umstand, dass neue Medien neue Kompetenzen erfordern. Im Falle der sogenannten neuen Medien sehen sich Pädagogen damit konfrontiert, dass sich die Kompetenzen verschoben haben. Jugendliche wachsen mit Medien auf, die für Menschen, welche diese Medien nicht als Teil ihrer Lebenswirklichkeit betrachten oder mit diesen (auf)gewachsen sind, noch ein Rätsel darstellen und teilweise von diesen immer noch mit Argwohn betrachtet werden, wie auch das Phänomen Rockkonzert oder "Fantum" für Außenstehende befremdlich wirkt. Es geht nicht darum den Mediumkonsum als Ganzes oder einzelne Medien wie Computerspiele im Besonderen zu verteufeln, sondern vielmehr zu akzeptieren, dass diese nicht eine alternative Realität darstellen, in die jemand eintaucht, sondern vielmehr dass diese Medien Teil der Lebensrealität von (jungen) Menschen sind. Auch diese Feststellung ist diskussionswürdig und kann angezweifelt werden. "Keep everyone afraid and they will consume" (Marilyn Manson) Das beste Beispiel ist allerdings die Werbung. Der "moderne Mensch" sieht sich täglich mit ca. 6000 Werbebotschaften konfrontiert, niemand würde anzweifeln, dass diese Teil der Lebensrealität der Menschen sind, dennoch sind sie es eigentlich, nämlich real, denn die Zahnpasta, die in der Werbung verspricht die Zähne weiss zu machen, funktioniert im Badezimmer eigentlich gleich wie jede andere Zahnpasta. Aber genau diese Überlegungen zu Realitäten (sic!), mit denen man sich konfrontiert sieht, stehen im Mittelpunkt von A.M.O.K. - und eben nicht ein "Amoklauf". Es geht darum, wie Menschen ihre Realität wahrnehmen und schließlich auf einer philosophischen Ebene, wie Menschen und in diesem Fall besonders Jugendliche ihre Realität und schließlich sich wahrnehmen. An welchem Punkt erlebt man eine derartige Überforderung, dass man die Kontrolle verliert? Und was löst die Überforderung aus? Im folgenden finden Sie verschiedene Artikel, Unterlagen und Informationen, die Teil der Überlegungen zum Theaterstück "A.M.O.K." sind. Begriffsdefinition Amok (malaiisch: meng-âmok ‚in blinder Wut angreifen und töten‘) ist eine psychische Extremsituation, die durch Unzurechnungsfähigkeit und absolute Gewaltbereitschaft gekennzeichnet werden kann. Heute bezeichnet der Begriff meist eine plötzliche, willkürliche, nicht provozierte Gewaltattacke mit erheblich fremdzerstörerischem Verhalten mit darauffolgender Erinnerungslosigkeit und Erschöpfung und teilweisen Umschlag in selbstzerstörerische Reaktionen. Täter, die in einer solchen Ausnahmesituation Straftaten begehen können, nennt man Amokläufer oder auch Amokschützen, falls sie Schusswaffen gebrauchen, oder Amokfahrer, falls sie Fahrzeuge einsetzen. Quelle: Wikipedia Definitionen Im DSM-IV wird Amok in den Rubriken Dissoziative Störungen und Störungen der Impulskontrolle aufgeführt, im Glossar kulturabhängiger Syndrome wird Amok als „eine dissoziative Episode, die durch eine Periode des Grübelns charakterisiert ist, auf die ein Ausbruch gewalttätigen, aggressiven oder menschengefährdenden Verhaltens folgt, das sich auf Personen und Objekte richtet“ definiert. (...) Begriffsgeschichte Ursprünglich war Amok keine private Einzeltat, sondern im Gegenteil eine im indonesischen Kulturkreis kriegerische Aktion, bei der einige wenige Krieger eine Schlacht dadurch zu wenden versuchten, indem sie ohne jegliche Rücksicht auf Gefahr den Feind blindwütig attackierten. Dieses Muster findet sich auch beim Berserker. Im 17. bis zum 19. Jahrhundert erreichte der Begriff den westlichen Kulturkreis. Dies geschah insbesondere durch europäische Berichterstatter, beispielsweise durch Captain Cook, wurde aber weiterhin mit der malaiisch-indonesischen Kultur in Verbindung gebracht. Im westlichen Sprachgebrauch erfuhr die Bezeichnung bis heute eine erweiterte Bedeutung und ist inzwischen bedeutungsgleich für jegliche Art blindwütiger Aggression mit oder ohne Todesopfer. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass Amokläufer nur im Vollrausch ihre Tat begingen. In Meyers Konversations-Lexikon aus dem Jahr 1888 heißt es dazu: „Amucklaufen (Amoklaufen, vom javan. Wort amoak, töten), eine barbarische Sitte unter mehreren malaiischen Volksstämmen, zum Beispiel auf Java, besteht darin, dass durch Genuss von Opium bis zur Raserei Berauschte, mit einem Kris (Dolch) bewaffnet, sich auf die Straßen stürzen und jeden, dem sie begegnen, verwunden oder töten, bis sie selbst getötet oder doch überwältigt werden.“ – Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage Der Begriff Amoklauf erfuhr eine Bedeutungsveränderung, da er für Taten benutzt wird, die keinesfalls spontan erfolgen, sondern geplant und gelegentlich auch durch sogenannte Leakings angekündigt werden können. Unterschieden werden zudem zwei Formen von Gewalttaten, die als Amokläufe bezeichnet werden: die rein fremdgerichtete Aggression und der erweiterte Suizid. School Shooting In vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat sich für schulbezogene Amoktaten der Begriff School Shooting durchgesetzt, wenngleich nicht alle Taten mit Schusswaffen oder jede Schießerei auf Amoktaten zurückzuführen sind. Mit diesem Begriff werden Tötungen und Tötungsversuche in einer schulischen Einrichtung von Jugendlichen bezeichnet, welche in einem direkten Bezug zu dieser Einrichtung begangen werden. Dieser Bezug kann sich in der Wahl der Opfer, insbesondere auch nach ihrer Funktion in der entsprechenden Bildungseinrichtung äußern. Amokläufe bzw. Massenmorde an Schulen und schwere zielgerichtete Gewalttaten an Schulen werden häufig synonym verwendet, müssen jedoch qualitativ unterschieden werden.[7] In Medien ist häufig auch von Schulmassakern die Rede.[8] Vorstadium Zunächst erfolgt das Vorstadium eines mehr oder weniger langen Brütens und Grübelns. Dem potenziellen Täter erscheint sein Umfeld zusehends undurchdringlich, seine Sichtweise der Welt verdunkelt sich mehr und mehr, er isoliert sich selbst, vor allem bezüglich seiner sozialen Kontakte und zieht sich weitgehend aus der Welt zurück, die für ihn immer bedrohlichere Züge annimmt. Die erlernten Anpassungsmechanismen zerfallen allmählich, soziale und psychische Desintegration vermischen sich und setzen einen Regressionsprozess in Gang. Tat Unmittelbar der Tat voraus geht ein Wutanfall, der sich dann in einer Reihe von Tötungshandlungen ohne ersichtliches Motiv entlädt. Dabei wird der Blick des Amokläufers starr, er reagiert kaum auf andere Reize, ist nicht mehr ansprechbar. Während der Tat ist die Impulskontrolle ausgeschaltet, der Täter befindet sich in einem Zustand der inneren Leere. Diese Phase wird auch die „Tötungsphase“ genannt, die in der Regel nicht länger als 15 bis 20 Minuten dauert, in der der Täter aber nicht ansprechbar oder zu überzeugen ist. Abschluss Der Täter befindet sich danach oft in einem Zustand der Amnesie und Erschöpfung oder zeigt selbstzerstörerisches Verhalten bis hin zum Selbstmord. Statistisch gesehen töten sich 27 Prozent der Täter selbst, in 16 Prozent der Fälle werden sie getötet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Absicht zum suicide by cop – die selbstmörderische Absicht, sich von der Polizei erschießen zu lassen – bestehen kann. Behandlung in der Literatur Stefan Zweig schildert in seiner Novelle Der Amokläufer das Verhalten eines Arztes in einer psychischen Grenzsituation als amokähnlichen Zustand. Ebenfalls zu den Klassikern jener Literatur, die sich mit Amokläufen beschäftigt, ist die novellistische Studie „Bahnwärter Thiel“ (erschien 1888) von Gerhard Hauptmann. Auch schrieb Morton Rhue in seinem Roman Ich knall euch ab!, welcher 2002 erschien, über einen fiktiven Amoklauf an einer amerikanischen High School. Durch die Schilderung aus der Sicht der zwei Amokläufer versuchte Rhue die Motivation hinter einer solchen Tat greifbar zu machen. Der Autor Manfred Theisen rückte 2005 in seinem Roman „Amok“ (2005) erstmals einen deutschen Schul-Amokläufer in den Mittelpunkt seines Romans. Dabei lehnte er sich an den Amoklauf von Erfurt an und erzählte das Geschehen aus der Ich-Perspektive des Täters. Literatur • Lothar Adler: Amok: Eine Studie. Belleville, München 2000 • Richard Albrecht: Nur ein „Amokläufer“ ? – Sozialpsychologische Zeitdiagnose nach „Erfurt“. In: Recht und Politik, 38 (2002) 3, 143-152 ([17] ) • Mark Ames: Going Postal. Rage, Murder and Rebellion in America, Softskull Press New York 2006, Snowbooks London 2007; Rezension: dradio.de, Deutschlandfunk, Büchermarkt, 27. März 2009, Uli Hufen: Amoklauf als Zeichen der Rebellion [18] (2. November 2010) • Nils Böckler, Thorsten Seeger: Schulamokläufer: Eine Analyse medialer TäterEigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten. Juventa, Weinheim und München, 2010 • Heiko Christians: Amok. Geschichte einer Ausbreitung. Aisthesis Verlag 2008, 301 Seiten, ISBN 978-3-89528-671-1 • Götz Eisenberg: Amok – Kinder der Kälte: über die Wurzeln von Wut und Hass . Rowohlt-Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2000 • Götz Eisenberg: Damit mich kein Mensch mehr vergisst: Warum Amok und Gewalt kein Zufall sind. Pattloch,München 2010 • Elsa Pollmann: Tatort Schule. Wenn Jugendliche Amoklaufen. Tectum Verlag, Marburg 2008 • Jasmin Seiwert: "Die Bühne der Amokläufer. Mediale Selbstdarstellung der Täter in Internet und TV". Marburg, 2010, 136 S. Weblinks • Amok – Begriff und Geschichte [19] auf der Psychiater-Website „Psychosoziale Gesundheit Net“ • Th. Knecht: Amok und Pseudo-Amok. [20] (PDF; 122 kB) – Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 150, 142–148 • Jens Hoffmann Amok – ein neuer Blick auf ein altes Phänomen. [21] (PDF; 203 kB) – Auszug aus dem Buch Polizei & Psychologie (ISBN 3-935979-12-6) • Lothar Adler: Amok [22] – Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung der Universität Erfurt „Gewalt und Terror“, 2002 • Amoktaten. [23] (PDF; 225 kB) – Forschungsüberblick unter besonderer Beachtung jugendlicher Täter im schulischen Kontext, Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle Analysen Nr. 3/2007 Dr. Rita Seitz Psychologische Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Angsterkrankungen bei Schülerinnen und Schülern – Kindertherapeutische Ansätze und pädagogische Handlungsmöglichkeiten Körperliche Angstsymptome: Beschleunigung der Pulsfrequenz, Anstieg des Blutdrucks, Schweißausbrüche, Schwindel, Zittern, Atemnot, Harndrang 1. Verschiedene Formen von Angst Signalangst: nicht pathologisches Angstsignal als Warnsystem vor gefährlichen Situationen Phobie: objektiv nicht begründete, gerichtete Angst vor einem konkreten Objekt (z.B. Hund, Spinne, Schlange); oftmals wird ein Objekt gefürchtet, mit dem Betroffene sehr selten zu tun haben, etwa Schlangen in deutschen Großstädten; Angst ist damit gerichtet und in gewissem Maß vorhersehbar; Angstneurose: diffuse Angst (z.B. soziale Ängste); „etwas“ hat sich angesammelt und schlägt sich in einem körperlichen Erregungszustand nieder; die diffuse Angst – beispielsweise sich ausgeliefert zu fühlen – wird mit einer bestimmten Situation, die das Gefühl des Ausgeliefertseins stimuliert, verknüpft; die betroffene Person hat dann beispielsweise Angst vor Plätzen, an denen sich viele Menschen aufhalten. So ist die diffuse Angst organisiert und gerichtet. Hypochondrische Ängste: Übertriebene Selbstbeobachtung und übertriebene Angst um den Körper oder vor bestimmten Krankheiten, z.B. Herzneurose, Aids-Phobie; oftmals ziehen sich betroffene Menschen aus der Beziehungswelt in die Körperwelt zurück; alles dreht sich nur noch um den Körper und um Krankheiten und kränkende oder enttäuschende Beziehungssituationen können damit „umgangen“ werden; Bei Kindern und Jugendlichen können hypochondrische Ängste damit zu tun haben, eine neurotische Auseinandersetzung mit der Erkrankung eines Elternteils zu sein: die Trauerarbeit über die Beschädigung des elterlichen Körpers und die damit einhergehenden Gefühle von Schmerz, Trauer, Wut und Angst können damit aufgeschoben oder vermieden werden. Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de Panikattacken: plötzlich auftretender Angstschub, der nicht an eine spezielle Situation gebunden ist und auch nicht vorhersehbar ist; eventuell werden Panikattacken durch die unbewußte, plötzliche Erinnerung an eine traumatisierende Situation hervorgerufen (z.B. misshandelter Mensch riecht auf der Straße das gleiche Rasierwasser, das der Täter benützt hatte -> Panikattacke wird ausgelöst; Generalisierte Angststörung: überdauernde, frei flottierende Angst vor sehr vielen Situationen und in vielen Situationen; die Angst ist meist chronisch und die Teilhabe am Alltagsleben kaum mehr möglich; eine strikte Angstbindung ist der geschwächten Psyche nicht mehr möglich und die Angst bestimmt das Leben betroffener Menschen; Psychotische Ängste: Ängste mit Realitätsverlust (z.B. von einem magischen bösen Blick getötet zu werden) Typische Ängste bei Kindern: Imaginäre Ängste vor Gespenstern, Hexen, Teufeln etc. Ursache von Angsterkrankung Angst entsteht durch den Mangel an haltenden und beruhigenden Beziehungen, vor allem an Schutz und Sicherheit. Affekte und Konflikte können nicht ausgehalten und bearbeitet werden und das Kind ist diffusen und bedrohlichen Gefühlen von Ausgeliefertsein, Vernichtung, Zerstörung, Kontrollverlust oder Bedrohung ausgesetzt. Dadurch entsteht ein bedrohlicher oder beunruhigender psychischer Zustand. Um diesem diffusen Gefühl psychisch stand zu halten, „verschiebt“ das psychische System die Angst beispielsweise auf ein Objekt oder eine Situation. Denn diese Situationen und Objekte können vermieden werden, was das psychische System erst einmal entlastet. Also: die diffuse Angst wird etwa auf Spinnen gerichtet, die ich mit dem Staubsauger einfach aufsaugen kann. Oder der beunruhigende Wunsch „sich gehen zu lassen“, mobilisiert Kontrollverlustängste, die in einer Agoraphobie gebunden werden können -> ich gehe nicht auf Straßen und Plätze, damit ich mich nicht gehen lassen kann. Je nach Lebensalter, psychischer Stärke und vorhandenen Hilfssystemen entwickelt sich eine mehr oder weniger starke Angstsymptomatik. Wichtig: Der angstneurotische Patient beantwortet Trennung oder Verlust nicht (so sehr) mit seelischem Schmerz, sondern mit existenzieller Angst. Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de 2. Angstsituationen im schulischen Alltag 2.1 Schulphobie Schulverweigerung wegen körperlicher Beschwerden (z.B. morgentliches Bauchweh, Kopfschmerzen) und übermäßig enge Bindung an eine Bezugsperson. Die Kinder möchten zuhause bleiben, möchten wegen ihrer Krankheit versorgt werden und sind “zu krank”, um die Schule zu besuchen. In einigen Fällen weigern sich die Kinder auch, sich von der begleitenden Bezugsperson zu verabschieden und klammern sich ängstlich an die Mutter. Zu dem schulphobischen Kind gehört fast immer eine Mutter, die ihr Kind nicht gehen lassen kann. Dieser Vorgang ist unbewußt. Meist sind dies Mütter, die selbst unsicher und versorgungsbedürftig sind, weshalb das Kind die Mutter nicht verlassen kann. Die übermäßig enge Bindung zwischen Mutter und Kind läßt eine eigenständige Entwicklung des Kindes nicht zu. Die Ursache von Schulphobien liegen selten im schulischen Umfeld, sondern meist in der Familie. Wichtig: • körperliche Symptome treten häufig nur morgens vor dem Schulgang auf, die Ferien und das Wochenende sind meist symptomfrei • die ärztliche Abklärung ist ohne Befund • wenn die Eltern das Kind zum Schulbesuch zwingen und nicht mehr als “krankes Kind” umsorgen, kommt es meist zu massiven Auseinandersetzungen und auch zu panikartigen Angstzuständen • schulphobische Kinder sind oft begabte Schüler und haben kaum Schulleistungsstörungen • keine antisoziale Haltung wie bei Schulschwänzern Wichtiger Bezugspunkt: Trennungsangst Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de 2.2 Schulangst Angstneurotische Belastung bei Schülern. Schüler haben Angst vor bestimmten Lehrern, Fächern, aber auch vor bestimmten sozialen Situationen in der Schule (z.B. Vorlesen, vor Gruppe sprechen, Vorturnen, Kränkungen durch Mitschüler). Die Ursachen liegt meist in der psychischen Entwicklung: schwache Bindungen und Beziehungen haben das Kind oder die Jugendlichen destabilisiert und werden an bestimmte schulische Ereignisse gebunden. Diese beunruhigenden psychischen Erfahrungen sind unbewußt und den Schülern nicht zugänglich. Wichtig: • Auftreten physiologischer Angstsymtome während des Unterrichts • teilweise imposantes Vermeidungsverhalten • Angsterleben ist oft mit Schamgefühlen gekoppelt • bei schweren Angsterkrankungen ist der Besuch einer Regelschule manchmal nicht mehr möglich 2.3 Prüfungsangst Besondere Form der Angstneurose, bei der Schüler übermäßig stark Angst vor Leistungs- und Prüfungssituationen haben. Betroffen sind hier eher gute Schüler, deren Prüfungsangst irrational ist, da sehr schlechte Leistungen nicht zu erwarten sind. Etwa leiden betroffene Schüler und Schülerinnen unter Schlaflosigkeit, Übelkeit vor der Prüfung, haben überdimensionale Angst alles Gelernte vergessen zu haben oder haben Panikattacken unmittelbar vor der Prüfung. Falls die Schüler und Schülerinnen trotzdem an der Prüfung teilnehmen, bestehen sie die Prüfung meist auch. Bei Prüfungsängsten geht es meist nicht um die Angst vor der Prüfung, sondern um die Angst, was nach der Prüfung kommt. Die Entwicklungshürde, z.B. nach dem Abitur zum Studium in eine andere Stadt zu gehen und ein eigenes Leben als junger Erwachsener zu führen, ist so belastend, dass wegen der Prüfungsangst die Prüfungssituation vermieden wird. Ein weiterer typischer Schauplatz ist der Übertritt in eine weiterführende Schule: hier werden durch die Angst vor der Übertrittsprüfung z.B. auch Rivalitätsängste vermieden, etwa mit den Eltern, die “nur” einen niederen Schulabschluß haben und dies nicht verarbeiten können. Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de Wichtig: - bei Prüfungsangst ist sorgfältig zu unterscheiden, ob ein gefährdeter Schüler äußerst beunruhigt auf zu erwartenden schulischen Misserfolg reagiert oder bei einem stabilen, guten Schüler neurotische Prüfungsangst auftritt. - die Angst hat wenig mit den Prüfungsinhalten zu tun und überdimensionaler Lernaufwand mildert die Angst oft nicht - oftmals fehlen prüfungsängstlichen Schülern und Schülerinnen wenig ängstliche Vorbilder, bzw. zukunftsängstliche Eltern verschärfen die Dynamik, es gibt wenig Selbstverständnis, dass es gar nicht so schwer ist eine Prüfung zu bestehen und sich dann weiterzuentwickeln 3. Umgang mit ängstlichen Schülern und Schülerinnen im pädagogischen Alltag 3.1 Trennungsängstliche Kindern - Eltern sind Ansprechpartner der Intervention; zeitnahe Beratung der Eltern zur Vorbeugung der Chronifizierung der Angsterkrankung; - sich auf Enttäuschung und Wut der meist sehr bedürftigen Eltern gefasst machen; - trennungsängstliche Mütter oder Väter gehören nicht in den Unterricht, so wird die Angst vor der Trennung nur noch dramatisiert und sozial verzerrt; - dem trennungsängstlichen Kind in der Schule beistehen, jedoch nicht zum unverzichtbaren mütterlichen Ersatzobjekt für das Kind werden; Halt und Sicherheit bieten, aber nicht das Kind „adoptieren“; Hilfsangebote der Mitschüler nützen; - manchmal kann sich das Kind durch ein diskretes Übergangsobjekt beruhigen, z.B. ein kleines Stofftier, ein Foto der Familie o.ä.; schützen Sie das Kind jedoch vor dem Spott der Klasse; - achtsam mit Ratschlägen umgehen, welche das Vermeidungsverhalten der Familie noch ausbauen könnten; 3.2 Schulängstliche Kinder und Jugendliche - bei sehr schwerer Symptomatik ist kinderpsychiatrische Diagnostik, bzw. in besonderen Fällen Medikation oder auch stationäre Unterbringung zu prüfen; Medikamente, besonders Psychopharmaka, nur nach Verordnung durch den Facharzt; Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de - bei auffälliger, andauernder Symptomatik Information der Familie, bzw. des Jugendlichen mit Hinweisen auf ärztliche oder therapeutische Anlaufstellen, schulpsychologische Betreuung etc. - angstneurotische Persönlichkeitsstrukturen entwickeln sich selten zurück, indem ängstliche Menschen ungeschützt zur Angstüberwindung gezwungen werden. Dies verschärft die Angstsymptomatik eher und steigert das Vermeidungsverhalten. Vielleicht kann es gelingen, passende Hilfestellungen zu geben, dass ein Schüler/eine Schülerin die Angst vor der gestellten Situation oder Aufgabe aushalten oder überwinden kann. - beruhigen Sie einen ängstlichen Schüler und helfen Sie, mit den körperlichen Symptomen umzugehen (z.B. langsam atmen). - bei Schülern und Schülerinnen mit sozialen Ängsten droht ein überwältigendes Gefühl von Kontrollverlust. Eventuell kann es hier wichtig sein, dass der betroffene Schüler den Unterricht kurz in Begleitung verlässt, dann aber wieder in die Klasse kommt und mit Hilfestellung die Aufgabe noch einmal versucht. - zwingen Sie niemanden, eine gestellte Aufgabe unter allen Umständen erledigen zu müssen, bzw. drohen Sie nicht sadistisch. Falls ein ängstlicher Schüler/eine ängstliche Schülerin eine Aufgabe nicht erledigen kann, ist es in besonderen Fällen möglich, eine Ersatzaufgabe zu stellen (z.B. Referat schriftlich abgeben, nur vor dem Lehrer halten) oder über die Freistellung von der Benotung zu beraten. - informieren Sie betroffene Schüler rechtzeitig über ihre Befremdung, sprechen Sie auffälliges Vermeidungsverhalten oder heftige Angstsymptome an und versuchen Sie Ihren Ärger in Grenzen zu halten. Versuchen Sie mit den Schüler/der Schülerin über mögliche Konsequenzen zu beraten und tragen Sie dazu bei, dass nicht wieder eine Situation von Haltlosigkeit und Kontrollverlust entsteht. Machen Sie Schülern Mut, eigene Konfliktlösungsstrategien zu benennen und zu erproben. - gehen Sie bei hypochondrischen Schülern eher weniger auf die geschilderte Symptomatik ein. Verweisen Sie auf die Abklärung beim Arzt und lassen Sie sich nicht in die aufgeregten Welten drohender körperlicher Erkrankungen ziehen. Zurückhaltende Anerkennung der Angst und beruhigender Halt sind meist effektiver als Notarzteinsätze, ständig herbeigerufene Eltern oder ein Schüler, der einsam im Krankenzimmer der Schule bibbert. - trauen Sie Ihrem Gefühl, – eventuell nach kollegialer Beratung – ob ein Schüler tatsächlich Angst hat und passende pädagogische Hilfestellungen braucht oder, ob es sich um ein „hysterisches“ Verhalten handelt, mit dem jemand seinen Geltungsdrang zeigen möchte; Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de 3.3 Prüfungsangst - gehen Sie nicht zu sehr auf die Prüfungsinhalte ein, sondern ermutigen Sie betroffene Schüler und Schülerinnen, über die Zeit nach der Prüfung nachzudenken. Welche Vorstellungen hat ein Schüler/eine Schülerin von der Zeit im Gymnasium, nach dem Abitur etc.? - verweisen Sie darauf, dass die meisten Schüler und Schülerinnen Abschlussprüfungen tatsächlich bestehen und, dass nach der Prüfung etwas spannendes Neues beginnen kann. Eventuell könnten Sie sich als Vorbild anbieten. Möglicherweise könnten die Risiken und Chancen der Zeit nach der Prüfung benannt werden. - ermuntern Sie betroffene Schüler und Schülerinnen, wenigstens zu erscheinen und die Prüfung zu versuchen. Auch Jugendlichen und jungen Erwachsenen helfen oft banale Hilfsmittel, um sich der drohenden Angst zu stellen und zu zeigen, was sie können (Cola mitnehmen für Kreislaufkollapse, Glücksbringer, Schokolade, Lieblingsbleistift). Verweisen Sie auf Ihre Erfahrungen, dass Prüflinge fast nie in körperlichen oder psychischen Ausnahmezustand kommen. - falls Sie während einer Prüfung einen Schüler/eine Schülerin mit ernsthaften Angstsymptomen zu betreuen haben, versuchen Sie Kontakt aufzunehmen, zu beruhigen, eventuell kleine gemeinsame Atemübungen zu machen oder zum kurzen Durchatmen am Fenster zu ermuntern. - wer wirklich Angst vor einer nicht bestandenen Prüfung haben muss, sollte rechtzeitig vorher über geeignete andere Möglichkeiten informiert werden und eventuell passende Anleitungen zur Prüfungsvorbereitung bekommen (Prüfungsaufgaben, Verweise auf Nachhilfe- oder Fördermöglichkeiten, Übungen zu Arbeiten unter Zeitdruck etc.). Mögliche AnsprechpartnerInnen für Kinder, Jugendliche oder Eltern: z.B.: • Schulpsychologische Beratungsstelle • BeratungslehrerInnen • Kinder- und JugendärztInnen • Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern bzw. Erziehungsberatungsstellen • Kinder- und JugendlichentherapeutInnen (Adressen bei Krankenkassen, Gesundheitsamt oder Kassenärztlicher Vereinigung, bzw. Telefonbuch) • Kinder- und JugendlichenpsychiaterInnen • Ambulanzen der Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie, bzw. Kinderzentrum Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de Literatur: - Ermann, M. (1997): “Psychotherapeutische und psychosomatische Medizin”; Suttgart, Kohlhammer - Heinemann, E., Hopf, H. (2001): “Psychische Störungen in Kindheit und Jugend”; Stuttgart, Kohlhammer - Nissen, B (Hg.) (2003): „Hypochondrie“; Gießen; Psychosozial Verlag - Remschmidt, H. (1997): “Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter”; Stuttgart, Thieme - Schoenhals Hart, H. (2006): “Angstneurose heute”; in: Psyche, Heft 3, S. 193-214, Stuttgart, Klett-Cotta Dr. Rita Seitz www.praxisamschloss.de Gerhard Tulodziecki "Medienkompetenz als Aufgabe von Unterricht und Schule" Einleitung Ich beginne meine Ausführungen mit einem Untersuchungsergebnis aus einer Fallstudie, die wir kürzlich mit Schülerinnen und Schülern einer kleinen Regelschule in Schmiedefeld durchgeführt haben. Dabei haben wir 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern einzelne Satzanfänge vorgegeben, die von Ihnen ergänzt werden sollten. Einer der Satzanfänge lautete: Wenn ich entscheiden soll, ob eine Nachricht glaubwürdig ist, achte ich auf folgenden Punkte: Dieser Satzanfang führte u.a. zu folgenden Äußerungen der Schülerinnen und Schüler: • ob andere diese Nachricht auch senden. • da fällt mir nichts ein. • ob sie logisch klingt. • weiß ich nicht. • ob Beweise wie Fotos da sind. • weiß nicht, ich vertraue meinem Instinkt. • von wo kommt sie; wie oft wird sie gesagt, wo ist sie noch. • meine weibliche Intuition. Dies Äußerungen deuten an, dass es bei einzelnen Schülerinnen und Schülern zwar sinnvolle Ansätze gibt, ein Großteil der Schülerinnen und Schüler jedoch kaum über angemessene Vorstellungen verfügt, welche Möglichkeiten es gäbe, die Glaubwürdigkeit einer Nachricht zu prüfen. Dabei wurden diese Äußerungen von Schülerinnen und Schülern einer Schule gemacht, in der relativ häufig mit Medien gearbeitet wird. Dies legt eine erste Schlussfolgerung nahe: Offenbar reicht die bloße Nutzung von Medien noch lange nicht, um zu einer angemessenen Einschätzung von medialen Aussagen zu gelangen. Gerade die Fähigkeit zur Einschätzung medialer Aussagen wäre - neben anderem - jedoch ein wichtiges Kennzeichen von Medienkompetenz. Damit stellt sich die Frage, was in einer Schule, in der Medien - gegebenenfalls sogar intensiv - genutzt werden, getan werden muss, um den Schülerinnen und Schülern den Erwerb von Medienkompetenz zu ermöglichen. Bei der Bearbeitung dieser Frage gehe ich von zwei Bezugspunkten aus: (A) Aus den Entwicklungen im Bereich der Medien bzw. der Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben sich drei wichtige Anforderungen an Schulen: • Schulen sind gefordert, die mit den Medien verbundenen Möglichkeiten einer Verbesserung von Lehren und Lernen zu nutzen. • Schulen müssen verschiedene Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Bereich von Medien bzw. Informations- und Kommunikationstechnologien wahrnehmen. Schulen sind gehalten, bedingungsgerechte medienpädagogische Konzepte zu ent• wickeln. Vortrag im Rahmen der Fachtagung „Medienkomptenz“ des BLK-Modellversuchsprogramms SEMIK (Systematische Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und -1Lernprozesse) am 8. Mai 2001 Nach diesen drei Aufgaben werde ich im Folgenden meine Ausführungen strukturieren und dabei die Frage erörtern, in welchem Zusammenhang diese Aufgaben mit der Zielvorstellung der Medienkompetenz stehen. Bevor ich damit beginne, möchte ich jedoch noch meinen zweiten Bezugspunkt offen legen: (B) Mediennutzung und Medienkompetenz als Aufgaben der Schule müssen sich in den allgemeinen Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule einfügen. Dieser Erziehungs- und Bildungsauftrag lässt sich auf der Basis bildungspolitischer Entwürfe und didaktischer Diskussionen durch vier Leitideen oder Richtziele beschreiben. Diese sind ein sachgerechtes Handeln, ein selbstbestimmtes Handeln, ein kreatives Handeln sowie ein sozialverantwortliches Handeln in einer offenen und pluralen Gesellschaft. Diese Leitideen oder Zielvorstellungen werden durch die Entwicklungen im Bereich der Medien bzw. Informations- und Kommunikationstechnologien in besonderer Weise unterstrichen: • Die Leitidee sachgerechten Handelns ist angesichts der Gefahr wichtig, dass Medien verzerrte Vorstellungen über die Realität hervorrufen können. Fragt man z. B. Kinder, was ihnen zum Thema „Polizei“ einfällt, so reagieren sie mit Begriffen wie „Mord, Totschlag, Vergewaltigung“. Bei Erkundungen in einer Polizeidienststelle sind sie dann völlig überrascht, dass Polizisten nicht ständig schießen, sondern häufiger vor einer Schreibmaschine sitzen, Protokolle schreiben und sogar die Rechtschreibung beherrschen müssen (vgl. Lewers 1993). • Die zweite Dimension, die Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln ist als erzieherisches Ziel angesichts möglicher Fremdbestimmung durch Medieneinflüsse ebenfalls von großer Bedeutung. Um diese Fremdbestimmung zu erkennen, muss man sich nur vergegenwärtigen, in welcher Weise die Medien die Freizeit vieler Jugendlicher beeinflussen von der Notwendigkeit, bestimmte Hits, Musikgruppen oder Fernsehserien zu kennen, um „in“ zu sein, bis zu „Zwängen“, die gegebenenfalls von einem gerade auf den Markt gekommenen Computerspiel ausgehen. • Die dritte Leitidee - das kreative Handeln - ist in besonderer Weise wünschenswert, um einen Gegenpol zur rezeptiven Mediennutzung mit der Gefahr bloßen Medienkonsums zu bilden. • Schließlich muss sozialverantwortliches Handeln - als vierte Leitidee - als bedeutsam angesehen werden, um einer unreflektierten Übernahme ich-bezogener, hedonistischer, vielleicht sogar aggressiver Verhaltensmuster, wie sie teilweise in den Medien präsentiert werden, entgegenzuwirken. Aber nicht nur um Gefährdungen durch den Mediengebrauch gegenzusteuern, sondern vor allem auch um die Chancen der Medien nutzen zu können, sind die genannten Zieldimensionen wichtig: Medien können umso angemessener für Information und Wissensaneignung, für Spiel und Unterhaltung, für Problemlösung und Entscheidungsfindung, für Kommunikation und kulturelle Zwecke eingesetzt werden, je stärker die Zieldimensionen ausgeprägt sind. Auf der Basis der damit erläuterten Bezugspunkte - der Anforderungen an die Schule angesichts der Medienentwicklungen sowie der Leitideen bzw. des allgemeinen Erziehungsund Bildungsauftrags der Schule - gehe ich nun der Frage nach einer Umsetzung des Konzepts von Medienkompetenz nach. Dabei werde ich das Konzept der Medienkompetenz nicht vorab in akademischer Weise definieren, sondern es im Kontext der genannten Aufgaben entwickeln. -2- 1 Medienkompetenz im Zusammenhang der Nutzung von Medien für Lehren und Lernen Schulisches Lernen unterscheidet sich von alltäglichem Lernen in der Regel dadurch, dass die für das Lernen notwendige Anforderung nicht aus einer unmittelbar gegebenen Lebenssituation erwächst, sondern als unterrichtlicher Anstoß gestaltet werden muss. Dies bedeutet, dass Lernen durch Aufgaben angeregt werden sollte, die ein Bedürfnis ansprechen und damit zu einem Spannungszustand führen, der in Lernen einmündet. Beim Lernen selbst geht es dann darum, Lebenssituation und Bedürfnisse zu beachten, vorhandene Kenntnisse, Erfahrungen und sozial-kognitive Strukturen zu aktivieren und weiterzuentwickeln. Die folgenden Konkretisierungen für Lernen und Lehren basieren im Wesentlichen auf Überlegungen, wie sie sich in der Didaktik entwickelt haben (vgl. Tulodziecki 1987). Sie weisen zugleich viele Parallelen zu Forderungen auf, wie sich aus den Ansätzen zum situierten Lernen ergeben haben (vgl. Mandl/ Gruber/ Renkl 1995). Zunächst stellt sich die Frage, mit Hilfe welcher Aufgaben sich das Lernen in einer durch Informationsfülle und mediale Vielfalt gekennzeichneten Lebenswelt anregen lässt, wenn ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln erreicht werden soll (vgl. Tulodziecki 1996) Thesenartig lautet die Antwort, dass dies in besonderer Weise durch Probleme, Entscheidungsfälle, Gestaltungs- und Beurteilungsaufgaben geschehen kann: • Ein Problem kann z. B. in der Aufgabe bestehen, für einen Haushalt, der relativ hohe Strom- und Gaskosten aufweist, Vorschläge zu entwickeln, wie diese ohne größeren Verlust an Komfort und Behaglichkeit gesenkt werden könnten. Bei der Bearbeitung des Problems können u.a. Informationen im Internet zu Energiefragen im Haushalt als wichtige Informationsquellen dienen. Unter Umständen kann ein Computerprogramm notwendige Berechnungen erleichtern. • Ein Entscheidungsfall ist z. B. gegeben, wenn Schülerinnen und Schüler sich in die Situation einer Regierungskommission in einem Staat versetzen sollen, dessen soziale, politische und ökologische Lage relativ desolat ist. Aufgabe ist es, Entscheidungen zu fällen, z. B. zu notwendigen staatlichen Maßnahmen, die möglichst den Zustand des Staats verbessern sollen. Als Entscheidungshilfe kann unter Umständen ein Simulationsprogramm genutzt werden. • Eine Gestaltungsaufgabe liegt z. B. vor, wenn sich eine Schülergruppe entschließt, eine multimediale Homepage für ihre Schule zu produzieren. Vorliegende Homepages können dafür zunächst als Gegenstand der Analyse und als Anregung dienen, ehe eine eigene Homepage erstellt wird. • Eine Beurteilungsaufgabe besteht z. B. darin, Formen der Telearbeit zunächst mit Netzunterstützung zu erproben und auf dieser Basis in eine Analyse und Kritik aus sozialer und gesellschaftlicher Perspektive einzutreten. Diskussionsforen im Netz können genutzt werden, um Stellungnahmen auszutauschen und neue Argumente kennen zu lernen (vgl. Peters 1997). Aufgaben dieser Art bieten die Chance, die jeweilige Informationsfülle unter spezifischen Aspekten der Aufgabenstellung zu strukturieren und für die Aufgabenlösung nutzbar zu machen. Solche Aufgaben sind für Lernende insbesondere dann lern- und entwicklungsfördernd, wenn sie erstens auf ein Bedürfnis bezogen werden können und damit Bedeutsamkeit für die -3- Lernenden erlangen und zweitens einen Neuigkeitswert für die Lernenden besitzen - also nicht mit vorhandenen Kenntnissen gelöst werden können - zugleich aber die Chance auf ihre Bewältigung bieten, d.h. einen angemessenen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Aus didaktischer Sicht ist es darüber hinaus wünschenswert, dass die Aufgaben es ermöglichen, einen Lerninhalt exemplarisch zu erschließen und in orientierendes Lernen einzumünden, sodass einerseits - angesichts der Vielfältigkeit von Informationen - eine angemessene Tiefe der Auseinandersetzung erreicht wird und andererseits eine ordnende Übersicht entstehen kann. Damit stellt sich die erweiternde Frage, wie Lehr- und Lernprozesse - ausgehend von einer geeigneten Aufgabenstellung - gestaltet werden sollten (vgl. dazu Tulodziecki 1996). Wichtig ist zunächst, dass Lernende im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung zu eigenen Lösungsvorschlägen angeregt werden, damit sie einerseits vorhandene Kenntnisse und kognitive Strukturen aktivieren und gleichzeitig erkennen, was sie zur Aufgabenlösung noch lernen müssen. In einer folgenden Phase geht es um die ausdrückliche Vereinbarung von Zielen und die Verständigung über das Vorgehen zur Erarbeitung des notwendigen Wissens. Solche Überlegungen sind für die Entwicklung von selbstständigem und selbstbestimmtem Lernen, wie es gerade in der Informationsgesellschaft gefordert wird, von besonderer Wichtigkeit. Darüber hinaus soll die Verständigung über das Vorgehen zu dem ebenfalls bedeutsamen Methodenbewusstsein beitragen. Eine anschließende Phase sollte in einer kooperativen Erarbeitung von Informationen bzw. Grundlagen für die Aufgabenlösung bestehen. Dabei können insbesondere Medien als Informationsquelle genutzt sowie eine gezielte Informationssuche und Informationsstrukturierung angeregt werden. Die so erarbeiteten Informationen sind danach für die Aufgabenlösung im Sinne einer selbstständigen Problemlösung, Entscheidung, Gestaltung oder Beurteilung einzusetzen, sodass sich die Einsicht und Fähigkeit ausbildet, Informationen und Informationsquellen hinsichtlich ihres Wertes für Problemlösungen, für Entscheidungsfindungen, für Gestaltungen und begründete Beurteilungen einzuschätzen bzw. zu bewerten. An Phasen dieser Art sollte sich ein Vergleich verschiedener Lösungen und Vorgehensweisen sowie eine Zusammenfassung bzw. Systematisierung des Gelernten anschließen: zum einen, um ein Denken in Alternativen zu Grunde zu legen, und zum anderen, um gedankliche Strukturen zu entwickeln, durch die das Wissen geordnet wird. Die Bearbeitung von Anwendungsaufgaben sollte dann zur weiteren Konsolidierung und Flexibilisierung des Wissens und Könnens dienen. In einer abschließenden Phase lassen sich erweiternde inhaltliche Fragen, Handlungskonsequenzen und einordnende Überlegungen im Sinne einer übergreifenden Orientierung und Integration des Gelernten thematisieren. Darüber hinaus geht es um die Reflexion und Bewertung der Lernwege, damit die Selbständigkeit des Lernens weiter gefördert wird. Wichtig ist in unserem Zusammenhang, dass über die bloße Medienverwendung in fachlichen und fachübergreifenden Unterrichtseinheiten hinaus die Medien genutzten Medien selbst thematisiert werden. Dies kann u.a. durch Fragen folgender Art geschehen (vgl. auch Spanhel/ Kleber 1996), z. B.: -4- a) Wie wurden die Inhalte im Rahmen der Unterrichtseinheit erfahren bzw. präsentiert? b) Welche Möglichkeiten und Grenzen waren mit den Erfahrungsformen bzw. der Nutzung der medialen Angebote verbunden? In welcher Form wurden Beiträge der Lernenden dargestellt bzw. ausgedrückt? Welche Möglichkeiten und Begrenzungen waren dafür bedeutsam? Welche Einflüsse gingen von den benutzten Medien auf die Lernprozesse oder Lernergebnisse aus? Wodurch waren sie bedingt? Wie sind die Einflüsse zu beurteilen? c) d) Bei einer solchen Auseinandersetzung mit Problemen, Entscheidungsfällen, Beurteilungsund Gestaltungsaufgaben können zugleich Computer Netze werden, um neue Formen der Medienverbreitung, der Kommunikation oder der Kooperation zu erproben. Beispielsweise können – wie bereits angedeutet - bei dem oben skizzierten Projekt zur Telearbeit Computernetze für die Simulation von Telearbeit genutzt und anschließend verschiedene Beiträge in einen Gedankenaustausch im Rahmen von Diskussionsforen eingebracht werden. Weitere Kommunikationsformen, für die sich das Netz nutzen lässt, sind die gezielte Informationsanforderung und -hilfe bei besonders kompetenten Partnerschulen, die parallel-vergleichende Bearbeitung eines Themas mit einer Partnerklasse, z. B. zur Erforschung der Umweltsituation in verschiedenen Regionen, und die gemeinsame Planung und Gestaltung verschiedener Aktionen, z. B. die netzgestützte Entwicklung eines gemeinsamen Umweltmagazins. Auch bei der Nutzung von Computernetzen würde es jeweils darum gehen, die Vorzüge und Grenzen der verschiedenen Kommunikations- und Arbeitsformen zu reflektieren. Die damit zusammenhängenden Überlegungen sollen im Folgenden systematisch entfaltet werden. 2 Medienkompetenz im Rahmen von Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Medienbereich Um heutige und zukünftige Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Medienzusammenhang herauszuarbeiten, liegt es nahe, zunächst einen kurzen Blick auf Entwicklungstendenzen im Bereich medienpädagogischer Leitideen zu werfen. 2.1 Leitideen zur Medienpädagogik Bedeutsame Überlegungen zu Erziehungsaufgaben im Umgang mit Medien entwickelten sich schon zum Ende des 19. Jahrhunderts mit der massenhaften Verbreitung von Trivialliteratur und am Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Ausbreitung des Kinofilms. Als Reaktion auf die Entwicklung des Films ging bereits 1907 eine Kommission, die vom Hamburger Lehrerverein eingesetzt worden war, der Frage nach: "Wie schützen wir die Kinder vor den schädlichen Einflüssen der Theater lebender Photographien?" Auf Grund eines von der Kommission vorgelegten Berichts fasste der Lehrerverein folgende Entschließung: "Da zur Zeit viele kinematographische Bilder (lebende Photographien) in ihrer Ausführung mangelhaft sind, das Hässliche, Verbildende und sittlich Gefährdende in ihnen überwiegt und viele Theaterräume billigen Anforderungen der Hygiene nicht genügen, halten wir den Besuch der Theater lebender Photographien für Kinder für gefährlich. Dem Besuch von Vorführungen dieser Art hat die Schule erziehlich entgegenzuwirken." (Dannmeyer 1907, S. 38, zitiert nach Meyer 1978, S. 23). -5- Die Sorge, dass Kinder und Jugendliche durch Filme in ihrer Entwicklung gefährdet werden könnten, und die Forderung, sie vor möglichen Verführungen durch die Medien zu schützen, gewann in der Folgezeit weiter an Bedeutung. Dies verwundert nicht, wenn man einmal ein Verzeichnis der damals in Deutschland gelaufenen Filme aufschlägt und u.a. Filmtitel folgender Art findet: „Irrgarten der Leidenschaften", „Saal der sieben Sünden", „Schamlose Seelen" und „Tragödie eines europäischen Rasseweibes" (vgl. Birett 1980). Die damals geführte Diskussion zeigt durchaus gewisse Parallelen zur heutigen Diskussion um Pornografie oder Rassismus im Internet. Neben der Sorge um schädliche Einflüsse durch die Medien spielte allerdings auch schon zum Anfang des Jahrhunderts der Gedanke eine Rolle, geeignete Filme für Kinder und Jugendliche zu produzieren und sie an wertvolle Filme heranzuführen. So wurde schon 1907 von dem bereits erwähnten Hamburger Lehrerverein außer der oben zitierten Entschließung folgende Empfehlung ausgesprochen: "Technisch und inhaltlich einwandfreie kinematographische Darstellungen können ... ein ausgezeichnetes Mittel der Belehrung und Unterhaltung sein. Eine Wendung zur besseren und edleren Ausnutzung des Kinematographen ist namentlich dadurch anzustreben, dass pädagogisch und künstlerisch interessierte Kreise sich mit Großunternehmen dieser Industrie ins Einvernehmen setzen, um sie zu guten, speziell für Kinder geeigneten Vorführungen in gesonderten Kindervorstellungen zu ermuntern." (Dannmeyer 1907, S. 38 f., zitiert nach Meyer 1978, S. 23). Auch dieser Teil der frühen Hamburger Entschließung verweist auf Parallelen zur heutigen Diskussion, insbesondere zu Bemühungen durch Private-Public-Partnership-Aktionen den Kindern und Jugendlichen den Zugang zu bildungsrelevanten Netz- bzw. Multimediaangeboten zu ermöglichen. Insgesamt waren mit den Beschlüssen des Hamburger Lehrervereins schon früh wichtige Leitideen der Medienpädagogik formuliert: Bewahrung vor Schädlichem und Pflege des Wertvollen (vgl. Keilhacker/Keilhacker1955; Meyer 1978). Allerdings besteht bei diesen Leitideen die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche nicht zu einer selbstständigen Auswahl und Bewertung von Medien gelangen. Deshalb wurde insbesondere mit der Ausbreitung des Fernsehens in den 50er und 60er Jahren - der mündige Mediennutzer gefordert, der in der Lage ist, Programmangebote angemessen zu verstehen und zu nutzen, sowie selbstständig zu beurteilen und einzuordnen. Dabei wurden Medien als wichtige Instrumente der Information und Aufklärung, Meinungsbildung und Werbung, der Kunst und Kultur aufgefasst (vgl. z. B. Kerstiens 1971). In diesem Sinne stellt der mündige Umgang mit Medien zur Förderung von Demokratie, Wirtschaft und Kultur eine weitere Leitidee der Medienpädagogik dar, die heute zum Teil im Begriff der Medienkompetenz dominant ist. Wäre Medienkompetenz auf diese Leitidee begrenzt, bliebe allerdings das Problem ausgeblendet, dass Medien im gesellschaftlichen Zusammenhang zur Irreführung und Manipulation missbraucht werden können. Historisch gesehen ist dieses Problem im Kontext der Studentenbewegung und neo-marxistischer Ansätze Ende der 60er Jahre bearbeitet worden. Dabei entwickelte sich die Zielvorstellung, Kinder und Jugendliche zu befähigen, Medien und ihre ideologische Prägung bzw. ihre gesellschaftlichen Bedingungen kritisch zu analysieren und durch selbsterstellte Medien Öffentlichkeit für eigene Interessen und Bedürfnisse herzustellen (vgl. z. B. Holzer 1974). Ideologiekritik und Herstellung bzw. Produktion ei-6- gener Medien erweitern damit das Spektrum medienpädagogischer Leitideen und sind nach wie vor bedeutsam für Überlegungen zur Medienkompetenz. Die bisher dargestellten Leitideen basieren im Wesentlichen auf Annahmen zu der Frage "Was machen die Medien mit den Menschen?" Der so genannte Nutzenansatz führte zu einer Umkehrung dieser Sichtweise unter der Frage "Was machen die Menschen mit den Medien?" Auf dieser Grundlage kam in den 70er Jahren ins Bewusstsein, dass Mediennutzung als bedürfnisgesteuerte soziale Handlung aufzufassen ist. Kinder und Jugendliche wenden sich den Medien mit ihren Bedürfnissen nach Sicherheit und Orientierung, nach Liebe und Zugehörigkeit sowie nach Achtung und Geltung zu und interpretieren die medialen Aussagen vor dem Hintergrund ihrer Kenntnisse, Einstellungen und sozialen Bedingungen. In gleicher Weise gilt für die Herstellung eigener Medien, dass sie auf der Basis individueller und sozialer Voraussetzungen als Mittel der Kommunikation zu deuten sind. Medienverwendung als sinnvolle Nutzung vorhandener Medienangebote und als eigene Herstellung von Medien im Sinne sozialen Handelns und kommunikativer Kompetenz ist demgemäss eine weitere wichtige Leitidee der Medienpädagogik. In diesem Kontext ist im Übrigen auch der Begriff der Medienkompetenz entstanden (vgl. Baacke 1992). Aber nicht nur die zuletzt genannte Leitidee, sondern auch die zuvor skizzierten Leitideen markieren Perspektiven, die bis heute in der Diskussion um Medienkompetenz bedeutsam sind - selbst wenn sie nicht unter dem später entstandenen Stichwort Medienkompetenz entwickelt wurden. 2.2 Medienkompetenz im Aspekt medienpädagogischer Aufgaben Wertet man zusammenfassend das bisherige Erziehungs- und Bildungsdenken zu Medienfragen unter Berücksichtigung gegenwärtiger und zukünftiger Problemlagen aus, so lässt sich für die Medienpädagogik - unter Berücksichtigung des oben angesprochenen generellen Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule - das Folgende allgemeine Ziel formulieren: Kinder und Jugendliche sollen Kenntnisse und Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihnen ein sachgerechtes und selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln in einer von Medien durchdrungenen Welt ermöglichen (vgl. Tulodziecki 1997). Für den Begriff der Medienkompetenz bedeutet dies zunächst, dass er Handlungskompetenzen in zwei Zusammenhängen umfasst: • im Zusammenhang der Nutzung vorhandener Medienangebote, z. B. der Auswertung von Informationen zu ökologischen, ökonomischen, naturwissenschaftlichen oder politischen Fragen im Internet, • im Zusammenhang der eigenen Gestaltung medialer Aussagen, z. B. der eigenen Erstellung einer Homepage oder der Gestaltung einer Schülerzeitung im Internet. Solche Handlungskompetenzen erfordern im Sinne eines sachgerechten, selbstbestimmten, kreativen und sozialverantwortlichen Handelns Kenntnisse und Verstehen sowie Analyseund Urteilsfähigkeit in drei inhaltlichen Bereichen: • im Bereich der Gestaltungsmöglichkeiten, die in Medien Verwendung finden: vom realitätsnahen Bild des Kölner Doms bis zur abstrakten Darstellung der Bevölkerungsentwicklung auf unseren Planeten, von der sprachlichen Darstellung von Problemen der Steuerreform bis zum Smilie, der bei der schriftlichen Kommunikation im Netz verwendet wird, um Freude auszudrücken, -7- • im Bereich der Nutzungsvoraussetzungen und -wirkungen von Medien: von individuellen Einflüssen auf Gefühle, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen bis zur Bedeutung der Massen- und Individualkommunikation für die öffentliche Meinungs- und die politische Willensbildung und • im Bereich der Bedingungen von Medienproduktion und -verbreitung: von technischen Voraussetzungen für die eigene Nutzung von E-Mail über Datenschutzbestimmungen bis zu wirtschaftlichen Interessen der Computerindustrie und der Netzprovider bzw. der dahinter stehenden Konzerne. Vor dem Hintergrund dieser Handlungs- und Inhaltsbereiche lässt sich Medienkompetenz beschreiben als die Fähigkeit: • • • • • Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu nutzen, eigene Medien zu gestalten und zu verbreiten, Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten, Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten, Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung zu durchschauen und zu beurteilen. Aus einem solchen Verständnis von Medienkompetenz ergeben sich für die Schule fünf Aufgabenbereiche. Dabei gehe ich von der Position aus, dass Fragen der Medienkompetenz nicht auf die Auseinandersetzung mit Computernetzen bzw. Multimedia beschränkt werden dürfen. Vielmehr muss in die Überlegungen zur Medienkompetenz das gesamte Medienspektrum - von den Printmedien über die audiovisuellen Medien bis zur Telekommunikation einbezogen werden. Diese Forderung ist nicht zuletzt auch deshalb nahe liegend, weil die Häufigkeit der Nutzung von Fernsehen und Musikangeboten bei Kindern und Jugendlichen nach wie vor deutlich höher liegt als etwa die Häufigkeit des Surfens im Internet bzw. der Computernutzung. Dennoch soll im Folgenden - angesichts der neueren Entwicklungen - der Hauptakzent bei der Frage von Multimedia und Computernetzen liegen. In diesem Sinne werden die oben genannten fünf Aufgabenbereiche im Folgenden beschrieben: Medienangebote auswählen und nutzen: In diesem Aufgabenbereich sollen Kinder und Jugendliche lernen, Medienangebote d.h., mediale Produkte, Werkzeuge und Kommunikationsdienste, bewusst im Sinne verschiedener Funktionen zu nutzen. Ein mediales Produkt kann z. B. ein im Netz angebotener Zeitungsartikel aus der Times sein, ein Werkzeug, z. B. eine Suchmaschine, und ein Kommunikationsdienst, z. B. ein angebotener Online-Chat mit einem Politiker oder einer Ministerin. Als Voraussetzung für eine reflektierte Auswahl und Nutzung sollen Kinder und Jugendliche unterschiedliche Medienangebote funktionsbezogen vergleichen und gegebenenfalls auch nicht-mediale Handlungsmöglichkeiten, z. B. Erkundungen in der Realität, in Betracht ziehen bzw. abwägen. Als Funktionen für die Medienauswahl und -nutzung kann man z. B. nennen: Unterhaltung, Information, Lernen, Spielen, Simulation, Telekommunikation und Telekooperation. Beispielsweise kann man ein unterrichtlich relevantes und für Kinder und Jugendliche interessantes Thema - vielleicht auch aus einem Projektzusammenhang oder einem Situationsbezug heraus - absprechen und dazu Informationen aus verschiedenen medialen Angeboten nutzen. Plant eine Klasse z. B. eine Fahrt nach England, können verschiedene Informationsquellen - vom Buch über den Hörfunk und das Fernsehen bis zur CD-ROM und zu Netzinformationen - herangezogen werden, um die Klassenfahrt vorzubereiten. Suchma-8- schinen und Suchstrategien können erprobt und die Glaubwürdigkeit der Quellen diskutiert werden. Die Vorzüge und Grenzen der einzelnen Medienarten als Informationsquellen ließen sich anschließend ins Bewusstsein heben und reflektieren. Gestalten und Verbreiten eigener Medienbeiträge: Kinder und Jugendliche sollen im Rahmen dieses Aufgabenbereiches lernen, eigene Aussagen medial zu vermitteln, d.h. eigene Medienbeiträge herzustellen und zu verbreiten. Die Beiträge können dabei eher dokumentarischer, fiktionaler, experimenteller oder instrumenteller Art sein. Als Voraussetzung dafür sollen sie in die Handhabung der entsprechenden Geräte eingeführt werden und ihre Gestaltungstechniken handelnd erfahren. Als Medienarten kommen generell Bilder/Fotos, Hörbeiträge, Druckerzeugnissen bzw. Schrift-Bild-Kombinationen (z. B. Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Plakate), Videobeiträge und Computeranwendungen in Betracht. Ein typisches Beispiel sind Zeitungsprojekte. Sie waren im Rahmen der Medienerziehung sowie der Informationstechnischen Grundbildung stets wichtige Bausteine und erlauben den Schülerinnen und Schülern Erfahrungen beim journalistischen Schreiben sowie die Herstellung von Öffentlichkeit für eigene Themen. Das Netz bietet darüber hinaus eine neue Möglichkeit der Verbreitung. So verweist der Deutsche Bildungsserver allein auf eine Fülle verschiedener Schülerzeitungen, von denen einige auch online abgerufen werden können. Die Zeitungsnamen reichen von „Abacus“ über „Blitzableiter“ und „Tarantel“ bis „Strebergarten“. Andere Titel sind „Auspuff“, „bravda“, „Engelsblatt“ und „Zyankali“. Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen: Kinder sollen im Rahmen dieses Aufgabenbereiches lernen, Mediengestaltungen angemessen zu verstehen und zu bewerten. Als Voraussetzung dafür sollen sie mediale Gestaltungsmittel von Schrift, Bild und Ton (die „Sprache der Medien“) kennen lernen, Mediendarstellungen als vermittelte oder inszenierte Botschaften erfahren und Unterscheidungsfähigkeit bezogen auf verschiedene mediale Gestaltungsabsichten erlangen. Als mediale Gestaltungsmittel sind vor allem Darstellungsformen (z. B. Bild, Grafik, Film, Zeichentrick, schriftlicher oder gesprochener Text, Tonaufzeichnungen), Gestaltungstechniken (z. B. Überschriften beim Text, Tonmischung bei Tonaufzeichnungen oder Kameratechniken und Montagen beim Film) sowie Gestaltungsarten (z. B. Hörszene, Zeitungsartikel, Videoclip) zu nennen. Als Gestaltungsabsichten können z. B. Information, Aufklärung, Unterhaltung, Werbung oder Manipulation bedeutsam sein. Beispielsweise ist es denkbar, sich mit den Jugendlichen auf ein bestimmtes Thema zu verständigen, z. B. „Freundschaft und Partnerschaft“ oder „Ausreißen und Heimkommen“, und sie anzuregen, in Gruppen mediale Umsetzungen zu leisten, z. B. als Comic, Hörspiel, Videoclips oder als Hypertext oder auch in Form eines moderierten Diskussionsforums im Netz. Die verschiedenen medialen Gestaltungen können dann hinsichtlich ihrer technischen Rahmenbedingungen, Darstellungsformen und Gestaltungstechniken sowie ihrer Verbreitungsmöglichkeiten verglichen und bewertet werden. Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen: Die Kinder sollen sich im Rahmen dieses Aufgabenbereichs bewusst machen, dass von Medien Einflüsse auf sie selbst und auf andere ausgehen. Sie sollen in der Lage sein, solche Einflüsse zu erkennen, auszudrücken und angemessen einzuordnen bzw. aufzuarbeiten. In diesem Zusammenhang sollen sie mediale Gestaltungsmerkmale, die mit bestimmten Wir-9- kungen verbunden sind, durchschauen und zwischen medialer Darstellung und Realität unterscheiden. Die Medieneinflüsse können sich auf Gefühle, z. B. Vergnügen, Schadenfreude oder Angst, auf Vorstellungen, z. B. angemessene oder irreführende Annahmen, auf Verhaltensorientierungen, z. B. prosoziale oder aggressive Konfliktlösemuster, auf Wertorientierungen, z. B. Konsum- oder Leistungsorientierung, sowie auf soziale Zusammenhänge, z. B. Einflüsse auf Familie und Gesellschaft, beziehen. Beispielsweise ist es wichtig, Konfliktlösemuster, wie sie in vielen Medienangeboten – vom Fortsetzungsroman in der Zeitung über Fernsehserien und –filme bis zum Computerspiel präsentiert werden –, zu thematisieren, hinsichtlich der damit verbundenen Verhaltensorientierungen bewusst zu machen und über alternative Konfliktlösemuster nachzudenken (vgl. Tulodziecki u.a. 1995). Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung: In diesem Aufgabenbereich soll gelernt werden, ökonomische, rechtliche, organisationsbezogene sowie weitere institutionelle und politische bzw. gesellschaftliche Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung zu durchschauen und zu beurteilen. Entsprechende Bedingungen können am Beispiel von Printmedien, Rundfunkangeboten, Musikangeboten, Computeranwendungen und politischen Informationen behandelt werden. Ein Zugang zu entsprechenden Fragen kann z. B. dadurch erreicht werden, dass Jugendliche angeregt werden, sich einmal in die Situation einer Nachrichtenredaktion zu versetzen und aus einer Fülle von Meldungen für einen bestimmten Tag die Meldungen herauszusuchen, die sie in der Rolle von Redakteuren als Topmeldungen präsentieren würden. Für das weitere Vorgehen können „Redaktionsgruppen“ für unterschiedliche Medien gebildet bzw. simuliert werden, z. B. für eine Abonnements-Tageszeitung und eine Straßenverkaufszeitung, für einen öffentlich-rechtlichen und einen privaten Hörfunksender, für eine öffentlich-rechtliche und eine private Fernsehanstalt sowie für eine Nachrichtenpräsentation im Netz. Im Hinblick auf begründete Entscheidungen zu den Topmeldungen und zu ihrer Präsentation sollten die Jugendlichen zunächst überlegen bzw. erarbeiten, welche technischen und ökonomischen Bedingungen für die Nachrichtenpräsentation in den unterschiedlichen Medien bestehen. Werden die technischen und ökonomischen Bedingungen bei der Auswahl der Nachrichten und ihrer Präsentation bedacht, zeigen sich bei den Entscheidungen der einzelnen „Redaktionsgruppen“ sehr schnell Unterschiede. Diese können sich auf die Auswahl selbst, z. B. auf den Sensationsgehalt der gewählten Topmeldungen, auf die Anordnung, z. B. auf die Reihenfolge und die Platzierung, auf die Gestaltung, z. B. auf Bilder und Überschriften, sowie auf den Umfang der Nachrichtenpräsentation beziehen. Die Unterschiede können dann zu einer vertiefenden Reflexion über ökonomische, technische und gegebenenfalls weitere institutionelle Bedingungen der Nachrichtenproduktion und -verbreitung führen. Die Reflexion sollte in Überlegungen zur Bedeutung entsprechender Bedingungen für die politische Meinungsbildung und für eigene Handlungskonsequenzen einmünden. Es stellt sich die Frage, wie die oben beschriebenen Formen der Medienverwendung sowie die angesprochenen Erziehungs- und Bildungsaufgaben in den schulischen Zusammenhang eingebettet und verankert werden können. - 10 - 3 Gestaltung medienpädagogischer Konzepte in der Schule Für eine kontinuierliche medienpädagogische Arbeit in der Schule ist es - neben einer durchgängigen Verwendung von Medien für Lehren und Lernen - wichtig, dass die verschiedenen medienpädagogischen Aktivitäten nicht als einmalige und isolierte Aktionen gelten, sondern in einen medienpädagogischen Rahmen gestellt werden (vgl. Tulodziecki u.a. 1995). Die Erarbeitung eines entsprechenden medienpädagogischen Konzepts kann dabei als wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte Verankerung in der Schule gelten. Für die Erarbeitung eines medienpädagogischen Konzepts in der Schule müssen zunächst zwei Bedingungen beachtet werden: • Es gibt keinen eigenen Lernbereich Medienbildung. Medienpädagogische Projekte und Unterrichtseinheiten müssen demnach entweder in Sondersituationen, z. B. in Projektwochen, oder im Kontext des Fachunterrichts durchgeführt werden. • Die Schule ist - neben der Fächerstruktur - wesentlich durch ihre Jahrgangsorientierung geprägt. Diese beiden Bedingungen legen es nahe, medienpädagogische Konzepte für Schulen in Abstimmung verschiedener Aktivitäten schrittweise zu entwickeln. Dazu sollte sich in der Schule eine Kerngruppe von mehreren Lehrerinnen und Lehrern bilden, die sich zunächst mit der Frage auseinander setzt, wie ein inhaltlicher Rahmen für die Medienpädagogik aussehen könnte. Insbesondere sollte so die Frage in den Mittelpunkt rücken, welche Erziehungs- und Bildungsaufgaben eine Schule wahrnehmen muss, um ihren Darstellung 1: Ausschnitt aus einer möglichen Bestandsaufnahme zu medienpädagogischen Aktivitäten in einer Schule der Sekundarstufe I JahrGangsstufe Fach/ Projekt/ Unterrichtse Fächer inheit Medienbezüge Auswählen und Nutzen von Medienangeboten Nutzen Verschiedener Informationsquellen 5 Schöne Reiseziele in Deutschland Geographie Katalog, Fernsehen, Zeitung, Zeitschrift, Internet 6 Geschichten in Wort und Bild Deutsch, Kunst Fotografie, Computer, Fotoroman 7 Ein Markttag im Mittelalter GesellBuch, schaftslehre CD-ROM, Internet, Video Nutzen von Büchern, CD-ROMs und Internet zur Information - 11 - Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen Kameratechniken zur Bildgestaltung, Überschriften zur Textgestaltung Beeinflussung durch Bild- und Textgestaltung Eigene Gestaltung von Fotogeschichten mit Hilfe von Computern Kameratechniken bei Fotos, Merkmale von Erzählungen Eigene Gestaltung von Videoszenen zum Markt im Mittelalter Kameratechniken und Inszenierung Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen Schülerinnen und Schülern ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln im Medienzusammenhang zu ermöglichen. Die Lehrergruppe kann sich dabei für einen systematischen Zugang entscheiden und die oben beschriebenen fünf Aufgabenbereiche als Orientierungspunkte für die medienpädagogische Arbeit wählen. Diese Aufgabenbereiche können helfen, die Medienarbeit in der Schule zu strukturieren. Die in der Schule gebildete Kerngruppe sollte versuchen, in Zusammenarbeit mit weiteren Lehrerinnen und Lehrern die skizzierten Aufgabenbereiche durch verschiedene Unterrichtseinheiten und Projekte umzusetzen. Dazu ist es wichtig, dass die Kerngruppe von vornherein mit der ausdrücklichen Unterstützung der Schulleitung und auf der Basis einer wohlwollenden Begleitung durch das Kollegium arbeitet. Auf einer solchen Grundlage sollte die Kerngruppe eine Bestandsaufnahme zu den in der Schule vorhandenen medienpädagogischen Aktivitäten durchführen und diese auswerten. Das Ergebnis einer entsprechenden Bestandsaufnahme könnte beispielsweise in Teilen so aussehen, wie es Darstellung 1 zeigt (vgl. dazu Tulodziecki/ Möller u.a. 1998). Im nächsten Schritt können - u.U. mit externer Beratung, z. B. durch eine kommunale Bildstelle - medienpädagogische Unterrichtseinheiten und Projekte mit medienerzieherischen Akzenten für das kommende Schuljahr geplant werden. Dafür sollten folgende Grundsätze gelten: • Die medienpädagogischen Aktivitäten sollen als kontinuierlicher Prozess über verschiedene Jahrgangsstufen unter Beteiligung verschiedener Fächer oder Lernbereiche konzipiert werden. • Die fünf Aufgabenbereiche sollen in aufbauender Form - u.U. gegliedert nach einzelnen Teilaufgaben bearbeitet werden. • Die medienpädagogischen Aktivitäten sollen das gesamte Medienspektrum - vom Buch bis zu den neuen Medien - beachten und dabei die altersspezifische Mediennutzung sowie den jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigen. • Die Nutzung von und die Auseinandersetzung mit bestimmten Medienangeboten soll zu exemplarischen Einsichten führen, die auch für andere Medien bedeutsam sind. Zugleich sollen kategoriale Einsichten erworben werden, die auch für zukünftige Entwicklungen der Medienlandschaft grundlegend sind. Wenn anhand der Grundsätze und unter Berücksichtigung der spezifischen Möglichkeiten ein Plan für das kommende Schuljahr entwickelt wurde, ist es wichtig, sich - sofern noch nicht vorhanden - um eine geeignete technische Ausstattung zu bemühen. Des Weiteren sind Qualifizierungsmaßnahmen notwendig (vgl. dazu auch Spanhel 1999 a/b). Wichtig ist, dass die jeweilige Schule die Entwicklung eines medienpädagogischen Konzepts als kontinuierliche Aufgabe begreift. Deshalb sollten die - auf der Basis der Planung durchgeführten Unterrichtseinheiten und Projekte jeweils dokumentiert und am Ende des Schuljahres ausgewertet werden. Unter erneuter Beachtung der obigen Grundsätze kann eine wietere Planung für das nächste Schuljahr vorgenommen werden. Der Entwicklungsprozess sollte so in ein medienpädagogisches Konzept - als Teil des Schulprofils bzw. Schulprogramms – einmünden (vgl. Tulodziecki u.a. 1995). Eine Kurzdarstellung eines Koordinierungsrahmens für die medienpädagogische Arbeit in einer Grundschule und in einer Schule der Sekundarstufe I als Bestandteil des Schulprofils oder Schulprogramms zeigt die Darstellung 2. - 12 - 29.11.2010 10:22 Studie zur Medienkompetenz in Schulen: "Lehrer haben Angst vor Kontrollverlust" Wenn es um das Internet geht, leben Lehrer und Schüler häufig in verschiedenen Welten. Eine Studie der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien (LfM) über "Medienkompetenz in der Schule" hat gezeigt: Während Online-Netzwerke bei Schülern ungemein populär sind, sehen Lehrer die Nutzung von Facebook und Co. eher kritisch. "Dabei sollten Lehrer diese Angebote wahrnehmen und nicht verteufeln. Schließlich ist das Teil der Lebenswelt ihrer Schüler", so der Leiter der Studie, Professor Andreas Breiter, der dpa. Statt neue Medien aus dem Unterricht zu verbannen, sollten Lehrer versuchen, sie zu verstehen – gemeinsam mit ihren Schülern, meinte Breiter. Blogs und Wikis beispielsweise haben der Studie zufolge 80 Prozent der befragten Lehrer noch nicht im Unterricht eingesetzt. Auch generell werden digitale Medien wie Internet, Beamer und Laptop nur unsystematisch in den Schulalltag integriert. "Heute ist es eher Zufall, ob und wie digitale Medien in der Schule genutzt werden", sagte Breiter. 1400 Lehrkräfte an weiterführenden Schulen im Land hat er befragt. An sechs Schulen hat er intensive Interviews mit Lehrern geführt. Dabei sei deutlich geworden, dass viele von ihnen im Unterricht lieber auf Altbewährtes setzten – häufig aus Angst vor dem Verlust der Kontrolle. So nutzen zwar bereits über 70 Prozent der befragten Lehrer digitale Medien zur Vorund Nachbereitung ihres Unterrichts. Etwa die Hälfte setzt nach eigenen Angaben Computer-Projektoren (Beamer) für eigene Vorträge ein. Doch nur knapp 40 Prozent geben an, auch ihre Schüler mindestens einmal im Monat mit neuen Medien arbeiten zu lassen. "Viele Lehrer sind unsicher und haben Angst vor dem Kontrollverlust in der Klasse", meint Breiter. So verfügten viele Schüler zumindest in Teilgebieten über mehr Medienkompetenzen und forderten damit gleichsam das Wissensmonopol der Lehrer heraus. Neben dieser Angst gaben viele Lehrer auch eine unzureichende Infrastruktur als Problem an. "An manchen Schulen müssen Lehrer Beamer oder Computerräume so weit im Voraus buchen, dass ein spontaner Einsatz im Unterricht gar nicht möglich ist", sagte Breiter. Gerade in Bezug auf die Infrastruktur stehe Deutschland im internationalen Vergleich noch recht schlecht dar. Nach Ansicht der Landesanstalt für Medien NRW zeigt die Studie zwar, dass die Nutzung digitaler Medien im Unterricht schon deutlich zugenommen hat. Doch müsste sie noch besser in den Schulalltag integriert werden. "Die Verbesserung der technischen Rahmenbedingungen sowie die verstärkte Qualifizierung der Lehrkräfte sind hierfür wesentliche Voraussetzungen", sagte LfM-Direktor Jürgen Brautmeier. Noch eröffnen sich ganz andere Möglichkeiten: "Wenn ein Student will, kann er in seinem gesamten Studium und im Referendariat um die Arbeit mit neuen Medien herumkommen." (Annelen Geuking, dpa) / (heise.de) Wie Werbung wirkt Wer nicht wirbt, der stirbt. Die Kehrseite dieser einfachen Wahrheit ist die Tatsache, dass es immer mehr Werbung gibt und dass es immer schwieriger wird, sein Zielpublikum zu erreichen, dass die Werbeflut zu Verweigerung und Ablehnungserscheinungen der Konsumenten führt. Eine Studie von SDI-Research untersucht die Reaktionen und Verhaltensmuster der Konsumenten, und stellt Wege dar, welche Arten von Information und Werbung trotz Information- und Advertising-Overkill die Menschen erreichen. Werbung: Reaktionen auf den Information-Overkill Dem Informationsüberfluss durch Angebotsvielfalt und Werbung wird mit unterschiedlichen Strategien begegnet. Einerseits wird immer mehr Wert darauf gelegt, möglichst keine wichtige Information zu versäumen, andererseits werden Eindrücke bewusst gefiltert und ausgeschlossen, um aus diesem "Information Overkill" herauszufinden. Strategie 1 - Informationsüberfluss wird durch Aufnahmeverweigerung bekämpft Lieber aufs Klo, als den nächsten Werbeblock sehen. Der Anteil jener, die sich durch die Informationsüberflutung belastet fühlen, nimmt kontinuierlich zu. Als Konsequenz daraus werden Informationen konsequent ausgeblendet. 79% fühlen sich durch Informations- und Werbefülle bedrängt, 68% weichen Information und Werbung absichtlich aus (z.B. durch Zappen bei TV- und Radioprogrammen, Wegwerfen von Werbematerial und Postsendungen, ohne diese gelesen zu haben), 31% durch absichtliche Reduktion des Informationskonsums. Strategie 2 - Informationsüberfluss wird mit Informationsvielfalt bekämpft Doppelt hält besser. Informationen werden immer öfter über mehrere Medien - sowohl über klassische Medien als auch immer häufiger per Internet - eingeholt. Frage: "Wenn Sie sich für ein Thema oder ein Produkt interessieren, wie bzw. wo informieren Sie sich?" 95% der Konsumenten verwenden 2 oder mehr Informationskanäle 81% der Konsumenten verwenden 3 oder mehr Informationskanäle 47% der Konsumenten verwenden 4 oder mehr Informationskanäle Strategie 3 - Informationsüberfluss wird mit Identifizierung beantwortet I'm loving it - Information, Werbung als Lebensinhalt und Ziel, als Wirklichkeit in der man lebt, aufgeht und sich glücklich fühlt - keine Angelegenheit der Werbung allein, sondern auch ein intellektuelles Phänomen. 65% sagen, dass es Werbung gibt, die einfach gefällt, 54% gefällt diese Vielfalt des modernen Lebens und 32% sehen im medialen Life-Style eine willkommene Orientierung. Die Reaktion der Menschen auf die Informations- und Werbeflut ist gespalten: Einerseits fühlt man sich schnell überlastet, andererseits aber wird sie als durchaus positiver Teil des modernen Lebens anerkannt. Die Strategie dahinter: Was nicht gesehen wird, ist es nicht wert gesehen zu werden. Was öffentlich gesehen wird, ist es auch wert beachtet zu werden. Die gelungene Herstellung von Öffentlichkeit als Zertifizierung von Qualität mit allem Für und Wider - siehe Dieter Bohlens Verkaufserfolg seiner einschlägigen Lebenserfahrungen. Werbung - Was behalten wird Angesichts der Werbungs-Overkills und der bereits sehr ausgeprägt ablehnenden Haltung weiter Konsumentenkreise stellt sich die Frage nach Präsentationsformen und Inhalten, die derlei Widerstände überwinden (oder zumindest umgehen). Eine ganzheitliche Betrachtung der Werberezeption erfordert mehr als die rein quantitative Messung von kurzfristigen Reichweiten. Die Frage ist, was positiv aufgenommen, was behalten und was umgesetzt wird. Die folgenden fünf Regeln bilden die Essenz dessen, was zu den empirisch nachvollziehbaren Erfolgsfaktoren von Information und Werbung zählt. Advertisement - erfolgreiche Werbung unterhält 67% jener, die sich vom Werbungs-Overkill bedrängt fühlen, stehen trotzdem Werbung mit Witz und Unterhaltungswert positiv gegenüber. Positiv behalten wird was unterhält. Werbung als abwechslungsreiche Unterhaltung im Alltagsrosa der dutzendfachen Einheitswerbung perfekt gestylter Wohn- und Badezimmer, Körper, Finanzpläne und VorstadtgartenWaschmittel-Idyllen. Werbung, mit der man lachen kann, erzeugt freundschaftliche Stimmung zu den beworbenen Produkten. Werbung, die unterhält, wird gerne und länger erinnert. Werbung, die gute Laune macht, wird kommuniziert (siehe Autopoiese). Adverteasement - erfolgreiche Werbung überrascht 85% nennen langweilige Spots als Hauptgrund für die Vermeidung von Werbeblöcken durch Zappen oder andere Beschäftigungen zwischendurch. Im Strom der Zeit fällt nur auf, was gegen den Strom schwimmt. Die Überschwemmung mit Informationen führt zu einer unbewussten und auch absichtlichen Ausblendung des Gewöhnlichen in Form eines Mainstream-Musters. Wahrgenommen wird deshalb nur mehr, was außerhalb dieses Musters steht. Ob Bennettons Plakat-Schocker oder die Mannerschnitten des Terminators, bemerkt wird zunehmend nur mehr, was außerhalb des zu Erwartenden positioniert ist. Fraktale Redundanz - erfolgreiche Werbung wiederholt sich (nicht ganz) 31% der Konsumenten finden Werbeschaltungen in Form von kleinen abgeschlossenen Stories am einprägsamsten. Wer nach wie vor der Ansicht ist, dass häufige Wiederholung alleine ausreicht, um Aufmerksamkeit zu erregen, geht an der Realität der Werberezeption und an der aktiven Informationsfilterung der Konsumenten - vorbei. Nicht durch die ständige Wiederholung ein und derselben Botschaft erreicht man das Wohlwollen der Konsumenten, sondern mit der fraktalen (=selbstähnlichen) Wiederholung der Botschaften aus unterschiedlichen Perspektiven, vor unterschiedlichen Hintergründen und über unterschiedliche Kanäle. Identybility - erfolgreiche Werbung schafft Identifikationsmuster 32% sehen in Werbung und Life-Style Magazinen eine positive Quelle der Information und Orientierung. Ja, es gibt sie noch zahlreich - jene Menschen, die sich durchaus mit den Bildern der Werbung identifizieren können. Aber es sind dieselben Personen, die das Gros des Werbeangebotes als absolut langweilig und als zuviel befinden. Wer Identifikationen sucht, findet diese nicht in Pseudo-Alltagsgestalten, die uns langweilig die Vorteile irgendwelcher Naschereien aufzählen. Es muss aber auch nicht notwendigerweise André Agassi, Heidi Klum oder Hermann Maier sein. Autopoiese - für erfolgreiche Werbung werben die Beworbenen 62% reden über Werbung, die ihnen ausnehmend gefällt mit anderen Personen. Die hohe Schule der Werbung ist jene Kunst, die Beworbenen für sich werben zu lassen. Werbung, über die man spricht, ist beworbene Werbung. Palmers war so lange erfolgreich, als seine Werbung noch ein Thema war - und nicht die x-te Wiederholung eines schon längst zum Mainstream gewordenen Musters. Über Duplos Austauschstudent(in) aus Frankreich spricht niemand freiwillig. Die Kommunikationskanäle der Autopoiese gehen mit der Zeit. Der Austausch von Videoclips herausragender Werbespots via E-Mail ist zum Volkssport geworden. Und eine Werbemethode, die bislang noch niemand erkannt oder genutzt hat. (Quelle: sdi-research) Mehr als 6.000 Werbekontakte pro Tag sollen wir wahrnehmen - die aktuelle IMK- Studie Berlin (ots) - Mehr als 6.000 Werbekontakte pro Tag sollen deutsche Konsumenten pro Kopf wahrnehmen. Das geht aus einer aktuellen Studie des IMK, Institut für Marketing und Kommunikation hervor. Dabei hat das Institut sechs Regionen in Deutschland untersucht: Berlin, Hamburg, Ruhrgebiet, Köln/Düsseldorf, Frankfurt und München. Berlin führt dabei mit 6.400 Werbekontakten vor Hamburg (5.800), Köln/Düsseldorf (5.650), Frankfurt (5.300), München (5.250) und dem Ruhrgebiet (4.850). Gemessen wurden jeweils die angegebenen Zielgruppen (inkl. Überschneidungen) der klassischen Medien (wie Zeitungen, TV, Radio, Plakat). Hinzu kamen Beobachtungen an verschiedenen Orten der Städte. Gemessen wurden hierbei Leuchtreklamen, Schaufenster, Aufklebern, Logos auf Bekleidung, Tüten usw. In einer zweiten Stufe der Untersuchung wurden Passanten befragt an wie viele Werbekontakte sie sich aus den letzten 24 Stunden bewußt erinnern können. Das waren in aller Regel nicht mehr als drei. (Quelle: dpa) Mittels des folgenden Musikclips und dem 3Sat-Beitrag kann Medienwirkung und kompetenz diskutiert werden: Justice "S.T.R.E.S.S".: http://www.youtube.com/watch?v=4sbxOlk-Z1E Vergleiche auch Beitrag bei 3Sat Kulturzeit: http://www.youtube.com/watch? v=TSagp3q8Wg4 Vergleiche den Film "La Haine"(1995): http://www.youtube.com/watch?v=q70QQj0KHwQ onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 1 Kontrollverlust – Zum Zusammenhang moderner Informationstechnologien und medialer Gewalt Bianca Becker und Jennifer Eickelmann „Ich werde beobachtet, also bin ich.“ Thomas Levin Einleitung Im Zeitalter des allgegenwärtigen Voyeurismus und der allgegenwärtigen Observation sowie Datendokumentation, etabliert sich ein systematischer Katalog einer ganzen Reihe technischer Hilfsmittel und Praktiken zur Ausübung von Macht. Dabei prägt Überwachung unseren Alltag immer stärker, sowohl von „eher offensichtlichen Videoüberwachungskameras […] bis hin zu den hinterhältigeren (weil weitgehend unsichtbaren) Varianten digitaler Informationsdokumentation […], die heute unter dem Namen ‚Datenüberwa1 chung’ (dataveillance) geläufig sind und alles Mögliche umfassen […].“ Diese Datenüberwachung erstreckt sich von der Registrierung getätigter 1 Levin, Thomas: Die Rhetorik der Überwachung. Angst vor Beobachtung in den zeitgenössischen Medien, in: Nach dem Film 3 (2001), S. 1-10, hier S. 1. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 2 Einkäufe in Supermärkten über die Aufzeichnung von Daten bei der Handybenutzung bis hin zur Erstellung individueller Interessensprofile einzelner Internet-Surfer. Werbekampagnen nutzen dabei die rapide Entwicklung auf dem Markt der ‚Menschheitsüberwachung‘ und bewerben Satelliten-HandySysteme mit dem polarisierenden Werbeslogan „Tracking a package 2 shouldn‘t be easier than tracking a person“ . Hinsichtlich moderner elektronischer Datenüberwachung kristallisiert sich dabei eine Ambivalenz in Bezug auf die spezifischen Umgangsweisen postmoderner Subjekte 3 mit jenen Überwachungsmechanismen heraus. Thomas Levin formuliert in „Die Rhetorik der Überwachung. Angst vor Beobachtung in den zeitgenössischen Medien“ die These, dass Überwachung in zwei Richtungen funktioniere: „Wir 4 sind ihr Objekt, aber wir selbst betreiben sie auch aktiv.“ So bezeichnet er die Möglichkeit der analytischen Trennung moderner Überwachungsmethoden und deren Rezeptions- sowie Wirkungsweisen. Während eingangs die Objektivierung durch Überwachung im Sinne einer digitalen Informationsdokumentation des verobjektivierten Subjekts zitiert wurde, soll nun eine dem Phänomen der Überwachung adäquatere Perspektive eingenommen werden, indem eine weitere Analyseebene miteinbezogen wird. Es gilt also, die zwei ambivalenten Richtungsweisen moderner Überwachungsmedien zu beleuchten: Objektivierung der Überwachung, sowie Subjektivität der Überwachung im Sinne der Substitution des Descarte’schen ‚cogito‘ durch die Logik ‚Ich werde beobachtet, also bin ich‘. Wir haben es also mit einer Doppeldeutigkeit zu tun, die sowohl Faszination, als auch Bedrohung verbindet. Die theoretischen Grundlagen dieser Erörterung basieren vor allem auf zwei medientheoretischen Ausführungen, die sich auf analytischer Ebene mit dem Phänomen moderner Überwachung beschäftigen. Hierbei lassen sich spezifische Subjekt-Objekt-Relationen herauskristallisieren, die in Hinblick 2 3 4 Ebd., S. 3. Levin bezieht sich dabei auf eine Werbekampagne für das weltumspannende Satelliten-Handy-System der Firma Iridium, die auf ihrer Homepage http://www.smartsat.com/de/ unter anderem das DRK, Mercedes-Benz, RWE und den WDR in ihrer Referenzliste aufzählen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf diesen Aspekt näher eingegangen. Levin, Die Rhetorik der Überwachung, S.1. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 3 auf moderne Kommunikations- und Überwachungssysteme zu problematisieren sind. Dieser Aufsatz stellt den Versuch dar, die analytischen Erkenntnisse und Ergebnisse der Texte auf das zeitgenössische Thema „Handygewalt“ zu beziehen. Es erfolgt also ein Transfer der theoretischen Problematisierung, hin zu neuen, durch Handys eröffneten, technischen Möglichkeiten der Bildaufzeichnung und des Datenaustausches. Dabei werden die durch die Autoren gespeisten analytischen Trennungen beibehalten, auch wenn sich zeigen wird, dass es sich dabei um idealtypische Aufspaltungen handelt, die in der Realität durch starke wechselseitige Beeinflussungen und Vernetzungen unterminiert werden. Im Folgenden wenden wir uns zunächst der Wiedergabe des Status Quo auf dem Gebiet der modernen Überwachungs- und Observationstechniken zu, bevor wir uns en détail mit der Problematisierung beider zuvor genannter Analyseebenen beschäftigen. Spezifika moderner Überwachungstechnologien Im Zuge der raschen technologischen Entwicklung, konkretisiert in Form von Internet und anderen Datenproduktions- und Datentransfermedien, hat sich ein spezifischer Umgang mit Bildern etabliert. Sie zirkulieren auf eine spezifische Art und Weise in den Massenmedien und stellen somit einen erheblichen Wirkungsfaktor in Bezug auf die Konstituierung der modernen Gesellschaft und ihrer Subjekte dar. Vor allem ihr enormer Wirkungsgrad, der nicht zuletzt auf die Möglichkeit der Datenreproduktion zurückzuführen ist, bildet dabei das Kernstück ihres Charakteristikums. Dabei bilden sich neue Strukturen der Interaktion heraus, die die Notwendigkeit der Face-to5 Face-Kommunikation weitestgehend obsolet werden lassen . Deleuze be6 zeichnet dieses Phänomen als „Deterritorialisierung der Kultur“ . Hierbei lässt sich also von einer ‚Emanzipation der Medien‘ von ihrem ‚ursprünglichen‘ Autor sprechen, die auf die letztendliche Ungerichtetheit moderner 5 Maresch, Rudolf: Medien der Gewalt – Gewalt der Medien, in: Florian Rötzer (Hg.): Virtuelle Welten – reale Gewalt. Hannover 2003, S. 169-188, hier S. 171ff. 6 Deleuze, Gilles, zit. nach Mark Poster: Medienphilosophie des Internet, in: Mike Sandbothe, Ludwig Nagl (Hg.): Systematische Medienphilosophie. Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderband 7 (2005), S. 359-379, hier S. 359. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 4 7 Medien verweist . Somit befindet sich der Anspruch auf eine intentionale Zielgebundenheit moderner Medien in Auflösung und führt zu einem folgenreichen Kontrollverlust. Die sich daraus ergebende Konsequenz lässt sich demnach als eine Unterbrechung der Kausalitätenkette begreifen. Die ursprüngliche Intention und Botschaft des produktiven Subjektes, d.h. seine konkrete Absicht und intendierte Aussage an potenzielle RezipientInnen, verflüchtigt sich im Kontext frei zirkulierender Bilder und Bedeutungen. Innerhalb dieser Kausalitätenkette haben wir es somit mit einer kontextspezifischen Sinn- und Wertezuschreibung zu tun, die sich jeweils auf einen spezifischen normativen Rahmen bezieht. Dies bedeutet, dass die Thematisierung ein und desselben Sachverhaltes in bestimmten sozialen Kontexten ‚neue‘ Sinn- und Wertezuschreibung hervorbringt, also aus dem ‚ursprünglich‘ intendierten Sinn- und Wertekontext herausgelöst wird und einer ‚neuen‘ Einbettung unterliegt. Moderne Massenmedien zeichnen sich demnach durch das Charakteristikum der ‚Dekontextualisierung‘ (Kontextualisierung, Herauslösung, Re-Kontextualisierung) aus. Dieser Sachverhalt lässt sich anhand von ausgewählten Beispielen medialer Repräsentationen im Folgenden exemplifizieren. Transformation des Objekts der Überwachung zum produktiven Subjekt Wie eingangs erläutert stellen hochentwickelte bildgebende Verfahren einen zentralen Aspekt in Bezug auf moderne Gesellschaften dar. Diese Gesellschaften funktionieren als Gesellschaften, in denen nichts ohne Bebilderung existieren kann. Die in diesen Strukturen verorteten Subjekte bedienen sich eben dieser bildgebenden Verfahrenen, um ihre eigene Identität herzustellen, „[…] das postmoderne Subjekt akzeptiert die Macht der Institutionen oder die Macht der Gesellschaft, seine Identität zu formen, nicht mehr und glaubt zuweilen an die Möglichkeit der Selbst-Schöpfung, vielleicht in der Form 7 Vgl. Barthes, Roland: Tod des Autors, in: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Mattias Martinez, Simone Winko (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Ditzingen 2000, S. 185-193. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 5 eines Spiels mit seiner sexuellen Identität oder indem es aus sich ein Kunstwerk macht.“ 8 Insbesondere im Bereich der kulturellen Produktion, das heißt im Bereich der Populärkultur, findet sich eine Vielzahl beispielhafter Aufzeichnungen, die die These von Salecl hinsichtlich der Konstitution postmoderner Subjekte unterfüttern. So scheint die Popularität zahlreicher Internetplattformen, wie beispielsweise YouTube, ein Ausdruck dieses Phänomens zu sein. Abb. 1: Web-Cam Julia Der hier gezeigte Ausschnitt geht auf eine privat aufgezeichnete WebCam-Aufnahme zurück, die eine junge Frau bei der Absicht zeigt, lasziv und erotisch zu posieren. Moderne Internetportale ermöglichen 9 dem User nun, seine Selbstproduktionen einer breiten Masse von Internet-Usern zugängig zu machen. Dabei scheint es offenkundig einen Zusammenhang zwischen identitätsstiftendem Potenzial und dem Ausmaß der öffentlichen Rezeption zu geben, bedenkt man, dass die Protagonistin im oben angeführten Beispiel aufgrund der großen Rezeption zu enormer Popularität, auch über die Grenzen des Internets hinaus, gelangt ist (im TV 10 wird etwa ein entsprechender downloadbarer Videoklingelton beworben) . Mediale Repräsentationen dienen in diesen Räumen der bewussten und gewollten Selbstdarstellung und der Identitätsstiftung. In Anknüpfung an Salecls These der postmodernen Subjektkonstitution lässt sich konstatieren, dass sich das Selbst nicht länger ausschließlich lebensweltlich erfährt und definiert, sondern medial repräsentiert wahrnimmt und Selbstkonstitution zunehmend auf Basis von Bebilderungsmechanismen funktioniert. 8 Salecl, Renata, zit. nach Winfried Pauleit: Videoüberwachung und postmoderne Subjekte. Ein Hypertext zu den Facetten einer zeitgenössischen Bildmaschine, in: Nach dem Film 3 (2001), S. 12. 9 Selbstproduktion im Sinne von selbst produziert und Selbst-Produktion im Sinne der Produktion des Selbst. 10 Für weitere Informationen vgl. http://www.webcamjulia.com/ (18.10.2008). onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 6 Stellt die selbst produzierte Aufzeichnung von Webcam Julia den Versuch des selbstschöpferischen Spiels mit der eigenen sexuellen Identität dar, so verweist das folgende Beispiel des „Björk-Stalkers“ Ricardo Lopez auf das selbstschöpferische Potenzial, sich selbst als Kunstwerk zu inszenieren. Abb. 2: Web-Cam-Aufnahme des „Björk-Stalkers“ Ricardo Lopez Das den Protagonisten bereits lebensweltlich charakterisierende und sein Selbst konstituierende ‚Fansein‘ wird medial aufgegriffen und inszeniert. Darüber hinaus fungiert die Aufzeichnung der Webcam als intentionale und als gerichtet verstandene Botschaft an eine breite Öffentlichkeit, die die Inszenierung unmittelbar in Zusammenhang mit seiner Identität in toto setzt. Ricardo Lopez filmt sich selbst während einer Art Abschiedsritual von seiner lebensweltlichen Existenz. Dabei inszeniert er sowohl seinen Körper und damit sich selbst (Nacktheit, Gesichtsbemalung), als auch sein Umfeld (Plakat, TV mit Björk-Video) und das Mordinstrument (Waffe). Die Inszenierung des Selbst vollzieht sich dabei selbst über den 11 Tod des Protagonisten (Autors ) hinaus, was wiederum unmittelbar durch die Möglichkeit der Datenreproduktion moderner Medien bedingt ist. Ursachenforschung I „[…] dieses Unbeobachtet-Sein würde ihn mit der Zeit mehr quälen, als das Beobachtet-Sein vorher […]. Nicht mehr beobachtet, käme er sich nicht beachtenswert, nicht beachtenswert nicht geachtet, nicht geachtet bedeutungslos, bedeutungslos sinnlos vor, er würde, stellte er sich vor, in eine hoffnungslose Depression geraten, […]. Die Menschen, würde er dann zwangsläufig folgern, litten unter dem Unbeobachtet-Sein wie er, auch sie kämen sich unbeobachtet sinnlos vor.“ 12 11 Tod des Protagonisten – Tod des Autors? Verdeutlicht dieses Beispiel nicht primär die eigentliche bzw. letztendliche Irrelevanz eines Autors im Sinne eines Urhebers? 12 Dürrenmatt, Friedrich, zit. nach Levin, Die Rhetorik der Überwachung, S.8. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 7 Wie kommt es nun, dass ‚postmoderne Subjekte‘ technische Dokumentationsverfahren nutzen, um ihre eigene Identität zu generieren? Folgt man Levin, so etabliert sich im Zuge der sich immer weiter ausbreitenden Aufzeichnungssysteme ein neuer Umgang des Subjekts mit Überwachungsund Videosystemen. Nach Levin lässt sich das „Spektakel der Überwa13 chung“ gleichzeitig als Sichtbarmachen von Überwachung bezeichnen. Moderne Überwachung sei demnach allgegenwärtig und drücke sich insbesondere in der Überwachungskultur des Internets und TVs aus. Hier werde die Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit von Überwachung zu einem Aspekt zeitgenössischer Populärkultur: „Anhand verschiedener Kunstgriffe […] wird dem mitfiebernden Publikum klar gemacht, dass man Überwachung durchaus erkennen und als solche identifizieren kann: Dies lindert die Angst vor einer unsichtbaren Überwachung, die sich unmöglich erkennen lässt und einem keinerlei Kontrollmöglichkeiten bietet […].“ 14 Dies erkläre nun das Umsichgreifen von beispielsweise Web-Cams im Internet und Real-Life-Observationen im TV (z.B. Big Brother, The Real World). In Echtzeit aufgezeichnete Mitschnitte von Privatpersonen, sowohl an privaten, als auch an öffentlichen Schauplätzen seien Ausdruck einer neuen Form des Exhibitionismus, die „[…] eine direkte Antwort auf den Wildwuchs des Phänomens der Überwachung darstellt. Das Objekt der Überwachung ist nämlich jetzt nicht mehr länger das Opfer repressiver Bespitzelung, sondern befindet sich in einer eigenartig wünschenswerten, ja sogar schmeichelhaften Position.“ 15 Das Phänomen lässt sich als Wandel des ‚panoptischen Behaviorismus‘ begreifen, in Anlehnung an das Bentham’sche Konstruktionsprinzip. Jeremy Bentham entwickelte das Modell des Panopticons Ende des 18. Jahrhunderts. Hintergrund dieses Konzepts ist der Utilitarismus und die Entwicklung 13 14 15 Ebd., S.6. Ebd., S. 4. Ebd., S. 8. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 8 eines ökonomisch sinnvollen und effizienten Konstruktionsprinzips. Bei dem Panopticon handelt es sich um einen mehrstöckigen, zylindrischen Bau, der seine Anwendung in verschiedenen Institutionen wie Gefängnissen, Krankenhäusern, Fabriken oder Schulen findet. Am Rand befinden sich ‚Zellen’, die von hinten mit Licht durchflutet werden, so dass der ‚Zellinsasse’ einer optimalen Sichtbarkeit ausgesetzt ist. In der Mitte befindet sich ein Turm, von welchem aus der Wärter jeden einzelnen ‚Zellinsassen’ sehen kann. Die Konstruktion des Turmes ist in Bezug auf die Funktionalität des Panopticons von entscheidender Bedeutung: Aufgrund von angebrachten Jalousien können die ‚Zellinsassen’ den Wärter nicht sehen. Die Konsequenz ist, dass die ‚Zellinsassen’ eine Beobachtung nie ausschließen können, so dass sie permanent von eben dieser ausgehen müssen. In der Konsequenz dieser permanenten Möglichkeit, beobachtet zu werden, liegt die eigentliche Effektivität. Die ‚Insassen’ beugen sich automatisch, aufgrund der reinen Möglichkeit sanktioniert werden zu können, den institutionellen Regeln. 16 Foucault hat in den 1970er Jahren den Wandel dieses Disziplinarprogramms und die ‚neue Einbindung des Individuums‘ in eben diese Strukturen thema17 tisiert . Die Allgegenwärtigkeit moderner Aufzeichnungssysteme bedinge einen Wandel in Bezug auf die Disziplinierung des Subjekts. Die verblüffende Situationsumwertung durch die Subjektivität der Überwachung verweist somit unmittelbar auf die Identifikation mit dem Überwachungsapparat. Es lässt sich an dieser Stelle also von einer selbsthergestellten Subjektivität der Überwachung sprechen, die dabei den Bedeutungsverlust lebensweltlicher Ereignisse zur Folge hat. Im Zeitalter der Überwachung reichen also zwischenmenschliche Handlungen (im Sinne von Face-to-Face- Kommunikation) allein nicht mehr aus, um ein Ereignis zu konstituieren. Der überwachende Blick wird in der Postmoderne zu jenem Blick umgedeutet, der einem Ereignis erst den Status der Realität verleiht. Die Notwendigkeit der medialen Repräsentation, der Bebilderung, rückt also in den Vordergrund der Identitätsgenese. 16 17 Ebd., S. 9. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a.M. 1977, S. 251ff. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 9 Objektivierung durch Überwachung – Verobjektivierung durch Re-Kontextualisierung Die durch mediale Repräsentationen geschaffenen Subjekt-Objekt- Relationen sind a) nicht mehr bzw. nicht immer offensichtlich und b) nicht uneingeschränkt gültig, sondern immer nur temporär wirksam. So können selbstdarstellerische, das Selbst konstituierende Aufnahmen in ‚neuen‘ sozialen Räumen, Situationen und Feldern ihren Subjektstatus verlieren und zur Verobjektivierung des Subjekts führen, das sich plötzlich medialer Gewalt ausgesetzt sieht. Als Beispiel für diesen Sachverhalt können die Schilderungen in einem Jugendzentrum in Köln angeführt werden. 18 Gegenstand der Auseinandersetzung ist ein unter 14-17-jährigen Jugendlichen in Umlauf geratenes Handy-Video. Diese Aufnahme zeigt ein Mädchen mit drei Jungen bei sexuellen Akten. Die eigentliche Brisanz des Videos besteht jedoch in der Uneindeutigkeit des Materials. Die Aussagen über dieses Video zeichnen sich durch enorme Widersprüche, sowohl seitens des Mädchens, als auch seitens der Rezipierenden aus. Der Einschätzung der Pädagogin des Jugendzentrums zufolge kursierte das Video bereits mehrere Wochen unter den Jugendlichen. Dabei habe das Mädchen selbst das Video an einen Freund geschickt. Dieser Zustand lässt vermuten, dass besagtes Videomaterial im Rahmen der ‚Freiwilligkeit’ produziert und weiterverbreitet worden ist. Unter Voraussetzung dieser Gegebenheiten fungiert das Video als selbstdarstellerisches Material, welches im Rahmen der jugendlichen Rezipienten als solches aufgefasst und nicht problematisiert wird. Durch die Möglichkeit der Datenreproduktion (Handy zu Handy: via Bluetooth, Handy zu PC: Video-Upload auf PC, PC zu Handy: Video-Download usw.) gelangte nun das Video über den Kreis der Jugendlichen hinaus zu befreundeten Eltern des Mädchen und schließlich zu den Eltern des Mädchens selbst. Laut Aussage der Pädagogin bedingte dieser Umstand den eigentlichen Leidensdruck des Mädchens. Die Erkenntnis seitens des Mädchens, dass das Video bereits über den Kreis der Jugendlichen hinaus verbreitet wurde, 18 Haardt-Becker, Annette; Schulte, Simone: Der einzige Wunsch, den die hat, ist, dass das Video vernichtet wird. In: Innocence in Danger Sektion in Deutschland e.V. Bundesverein zur Prävention von sexuellem Mißbrauch an Mädchen und Jungen e.V.: Mit einem Klick zum nächsten Kick. Aggression und sexuelle Gewalt im Cyberspace. Köln 2007. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 10 führte bei dem Mädchen zu einem Nervenzusammenbruch. Die Pädagogin äußerte sich dazu: „Und dann habe ich von einer Freundin von ihr gehört, dass das wohl schon ein paar Monate her wäre. Ich dachte immer, ich hätte das relativ zeitnah erfahren, aber das stimmte gar nicht. Die ganze Problematik trat hier erst auf, als das Video hier in der Straße auftauchte.“ 19 An dieser Stelle zeigt sich ganz deutlich, dass die De-Kontextualisierung, bzw. Re-Kontextualisierung in ‚neue‘ Bedeutungszusammenhänge (Freunde der Familie und Familie des Mädchens) die vorherigen Subjekt-ObjektRelationen modifiziert. Das produktive Mädchen, das sich in ‚ursprünglichen‘ Sinn- und Wertezuschreibungen selbst als produktives Subjekt erfährt und inszeniert, wird nun in ‚neuen‘ Sinn- und Wertekontexten verobjektiviert und sieht sich medialer Gewalt ausgesetzt. Die Gewalt besteht hierbei also nicht a priori, sondern vielmehr a posteriori in Abhängigkeit von den Sinn- und Wertezuschreibungen einer spezifischen Rezipientengruppe. Ursachenforschung II Die kontextspezifische Umdeutung der Subjekt-Objekt-Relationen lässt sich auf theoretischer Ebene mit dem Begriff des „Photographesomenon“ nach 20 Pauleit erfassen und erläutern. Pauleit will mit dem Modell des „Photo- graphesomenons“ die strukturellen Spezifika moderner Videotechnik in Abgrenzung zur Fototechnik herausarbeiten. Die Bilder der Fotographie lassen sich nach Pauleit als „latente Bilder“, als ‚Festlegung‘ eines raumzeitlichen Ausschnitts bezeichnen. Fotographie bezeichnet die Gegenwartsform von „Licht schreiben“, es gibt eine „besondere Ereignisstruktur der Bildaufnahme“. Das Prinzip des Photographesomenons bezeichnet hingegen die nachträgliche, das heißt die in der Zukunft verortete Sinnzuschreibung. Er entwickelt diesen Sachverhalt in Anlehnung an kontinuierlich aufzeichnende Videosysteme, denen keine spezifische Ereignisstruktur zugrunde liegt, sondern die, bei Bedarf, erst zukünftig konstruiert wird. Ein konkretes raumzeitliches Gefüge kann lediglich als nachträglich verfügbare Bildspur ver- 19 20 Ebd., S. 38f. Pauleit, Videoüberwachung und postmoderne Subjekte, S.3ff. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 11 doppelt werden. Der leere Blick der Kamera schafft durch die zeit- und raumumfassende Konservierung der (potentiellen) Ereignisse die Möglichkeit der Re-Konstruktion einer zweiten Wirklichkeit: „Videokameras werden dazu als Verbundsystem aufgestellt und ihre Bilder überlagern die Wirklichkeit für den Fall, dass …“. 21 Diese Bildproduktion ist dabei auf ein Futur II gerichtet, das heißt „es handelt sich um eine Bildauffassung, die über eine Zeitschleife funktioniert […].“ 22 Das Photographesomenon bezeichnet dem- nach die Zukunftsform des Futurs II im Sinne von „Es-wird-Lichtgeschrieben-worden-sein“. Trotz des von Pauleit beschriebenen leeren und unintentionalen Blicks der Videoüberwachungssysteme kann das Modell des Photographesomenons ebenso auf intentional gerichtete Medien, wie beispielsweise Handyaufzeichnungen, angewendet werden. Bei Handyaufzeichnungen kann man nicht von einem leeren Blick der Kamera sprechen, da die Herstellung eben jener Aufzeichnungen auf Interaktionspartner angewiesen ist, die bereits während der Erstellung des Videomaterials eine spezielle Ereignisstruktur festhalten. Dennoch lässt sich auch in diesem Zusammenhang von der Konstitution eines Futurs II sprechen, berücksichtigt man die Verobjektivierung von Subjekten durch die Einbettung in ‚neue‘ Sinn- und Wertekontexte (siehe Beispiel Jugendzentrum). Hierbei bedingt die Rekonstruktion der Ereignisse die Entstehung einer zweiten Wirklichkeit: Die bereits vergangenen Ereignisse werden durch erneutes Abspielen des Videomaterials in die Gegenwart transportiert und bedürfen hier, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Sinnstrukturen, einer neuen Einbettung und Kontextualisierung. Die gegenwärtigen Rezipienten konsumieren das Material bei gleichzeitiger Einordnung in die ihnen gegebenen Bedeutungszusammenhänge. Das Geschehene wird reproduziert und rekontextualisiert, in einer (wie Pauleit formulieren würde) zweiten Bildspur verdoppelt. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um Material handeln, das zunächst selbstschöpferische Subjekte zeigt, die bei der Rekonstruktion der Ereignisse unter neuen situativen 21 22 Ebd., S. 5. Ebd., S. 4. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 12 und kontextuellen Bedingungen zum Objekt der Aufnahme degradiert werden und sich infolgedessen medialer Gewalt ausgesetzt sehen. Generell lässt sich das Strukturprinzip des Photographesomenons auch an solchen (Handy-)Aufzeichnungen verdeutlichen, die von vornherein keine eineindeutigen Subjekt-Objekt-Zuschreibungen zulassen, wie unten stehendes Beispiel verdeutlichen soll. Dieses Video zeigt italienische Schüler und ihre Lehrerin. Mehrere männliche Schüler stehen oder sitzen neben der Lehrerin, die sich leicht nach vorn gebeugt auf einen Tisch auflehnt. Dabei entblößt sich ein Stück des Rückens der Frau und legt zudem den Blick auf ihre Unterwäsche frei. Es ist zu sehen, wie die Schüler sowohl nach dem Gesäß, als auch nach der Wäsche und sogar in die Hose der Lehrerin fassen. Diese greift nur ein einziges Mal nach der in ihrer Hose steckenden Hand und scheint sich nicht weiter zur Wehr zu setzen. Abb. 3: Handyaufnahme eines Schülers Ob es sich bei diesen Handlungen um Formen der sexuellen Belästigung oder aber freiwillige Akte handelt, ist dem Material nicht zu entnehmen. Die Information jedoch, dass die Lehrerin nach Veröffentlichung des Videos im Kollegenkreis suspendiert wurde, verdeutlicht den Umstand, dass das Videomaterial in den innerschulischen Sinn- und Wertezusammenhängen als Akt der Freiwilligkeit kontextualisiert worden ist. 23 Der Betrachter weiß nicht, ob die Lehrerin, ebenso wie die Schüler, Teil einer selbstschöpferischen und selbstinszenierenden Handlung ist. Lediglich hinsichtlich der Schüler lässt sich das Videomaterial im Sinne einer das Selbst konstituierenden Inszenierung verstehen (permanente Close-Ups von einem der ‚Täter‘). In Bezug auf die Lehrerin, deren Rolle nicht eindeutig zu bestimmen ist, lässt sich das Video durchaus als Instrument medialer Gewalt verstehen (insbesondere im Hinblick auf die sich für die Lehrerin ergebenden Konsequenzen). 23 Http://www.break.com/index/italian_students_fondle_teacher.html (18.10.2008). onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 13 Resümee Allgegenwärtige Überwachung lässt sich als zentrales Charakteristikum der sich ab dem 20. Jahrhundert etablierenden Kontrollgesellschaft bezeichnen. Die in dieser Kontrollgesellschaft verorteten postmodernen Subjekte haben den Umgang mit alltäglichen Datenobservations- und Da- ten(re)produktionstechnologien normalisiert und für sich nutzbar gemacht. Postmoderne Subjekte eignen sich die verschiedensten Verfahren der Daten- und Ereignisdokumentation auf verblüffende Art und Weise an und unterminieren so das Konzept der objektiven Überwachung zum Zweck der Konstitution des eigenen Selbst. Es wurde deutlich, dass die Mittel der modernen Dokumentationsverfahren nunmehr im Rahmen einer subjektiven ‚Freiwilligkeit’ zur Produktion von selbstinszenierenden Aufzeichnungen fungieren. Dabei bedarf die hier deklarierte subjektive ‚Freiwilligkeit’ durchaus einer genaueren Betrachtung. Versteht man die moderne Kontrollgesellschaft als komplexes Netzwerk diverser Macht- und Herrschaftsstrukturen, in denen durch Machtbeziehungen Felder von Möglichkeiten eröffnet werden, so gilt es den Begriff der ‚Freiwilligkeit’ respektive ‚Freiheit’ zu reformulieren. In Anlehnung an Foucault seien Subjekte eben nicht unabhängig von eben diesen „Maschen der Macht“ 24 zu betrachten. Vielmehr ist ‚Freiheit’ ausschließlich in unmittelbarer Verbindung mit Macht zu denken. Dieses Verhältnis von Macht und Freiheit lässt sich als Agonismus bezeichnen, das heißt als durch gegenseitiges Antreiben und Kampf geprägt. Macht und Freiheit schließen sich nach diesem Verständnis nicht aus, sondern bedingen einander. Selbst in Momenten deklarierter ‚Freiheit’ unterliegt das ‚freie’ Subjekt also spezifischen Macht- und Herrschaftsstrukturen. Freiheit existiert als notwendige Voraussetzung für Macht, denn entzöge sich die Freiheit der Macht, handelte es sich nicht länger um Machtstrukturen, sondern um Zwang. Definiert sich das Subjekt also als ‚frei’, da es sich nicht zu einer Handlung gezwungen fühlt, bedeutet dies nicht gleichermaßen seine Unab- 24 Foucault, Michel: Die Maschen der Macht, in: ders.: Schriften. Band Vier. Frankfurt am Main 2004, S. 224-244. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 14 hängigkeit in Bezug auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Die ‚Subjektivität der Überwachung‘ erscheint unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts als hochgradig ambivalentes Phänomen. Es stellt sich also die Frage, inwiefern von einer Emanzipation des Subjekts von verobjektivierenden Überwachungsmechanismen überhaupt die Rede sein kann, wenn hier doch wiederum Macht- und Herrschaftsverhältnisse unter dem Deckmantel der Freiheit wirksam werden. Darüber hinaus, unter Berücksichtigung des zweiten Teils der Arbeit, stellt sich die Frage, inwieweit die selbstdarstellerischen Inszenierungen den Intentionen des produktiven Subjekts gerecht werden können. An dieser Stelle lässt sich auf die Spezifika moderner Massenmedien verweisen, die sich mitunter durch ihre Ungerichtetheit auszeichnen. Die notwendige De- und Rekontextualisierung von Datenmaterial in neue Sinn- und Wertezusammenhänge verweist auf den fließenden Charakter von Bedeutung. Bedeutung kann nicht festgeschrieben werden, sondern wird stets neu erzeugt. Das Subjekt sieht sich einem Kontrollverlust ausgesetzt, worin sich das eigentliche Wesen medialer Gewalt offenbart. Literatur Barthes, Roland: Tod des Autors, in: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Mattias Martinez, Simone Winko (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Ditzingen 2000, S. 185-197. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a.M. 1977. Foucault, Michel: Die Maschen der Macht, in: ders.: Schriften. Band Vier. Frankfurt a. M. 2004, S. 224-244. Foucault, Michel: Technologie des Selbst, in: Luther H. Martin, Huck Gutman, Patrick H. Hutton (Hg.): Technologien des Selbst. Frankfurt a. M.1993, S. 24-62. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 15 Haardt-Becker, Annette; Schulte, Simone: Der einzige Wunsch, den die hat, ist, dass das Video vernichtet wird, in: Innocence in Danger Sektion in Deutschland e.V. Bundesverein zur Prävention von sexuellem Mißbrauch an Mädchen und Jungen e.V. (Hg.): Mit einem Klick zum nächsten Kick. Aggression und sexuelle Gewalt im Cyberspace. Köln 2007, S. 28-47. Levin, Thomas: Die Rhetorik der Überwachung. Angst vor Beobachtung in den zeitgenössischen Medien, in: Nach dem Film 3 (2001), http://nachdemfilm.de/no3/pdf/lev01. pdf (12.10.2009). Maresch, Rudolf: Medien der Gewalt – Gewalt der Medien, in: Florian Rötzer (Hg.): Virtuelle Welten – reale Gewalt. Hannover 2003, S. 169-188. Pauleit, Winfried: Videoüberwachung und postmoderne Subjekte. Ein Hypertext zu den Facetten einer zeitgenössischen Bildmaschine, in: Nach dem Film 3 (2001), http://nachdemfilm.de/no3/pdf/pau03.pdf (12.10.2009). Poster, Mark: Medienphilosophie des Internet, in: Mike Sandbothe, Ludwig Nagl, (Hg.): Systematische Medienphilosophie. Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderband 7 ( 2005), S. 359-379. Abbildungen Abb. 1: http://www.youtube.com/watch?v=lrdkl1miiAw (18.10.2008) Abb. 2: http://www.youtube.com/watch?v=BwigfzmANBQ (18.10.2008) Abb. 3: http://www.break.com/index/italian_students_fondle_teacher.html (18.10.2008) http://www.webcamjulia.com/ (18.10.2008) Autorinnen Bianca Becker, B.A. in Germanistik/ Sozialpsychologie und -anthropologie, derzeit Masterstudium Sozialpsychologie und -anthropologie/ Gender Studies an der Ruhr-Universität Bochum. Jennifer Eickelmann, B.A. in Erziehungswissenschaft/ Sozialpsychologie und -anthropologie, derzeit Masterstudium in Sozialpsychologie und -anthropologie/ Gender Studies an der Ruhr-Universität Bochum. onlinejournal kultur & geschlecht #5 (2009) Becker Eickelmann Kontrollverlust 16 Der Text entstand im Rahmen des von Angela Koch angebotenen Seminars „Geschlecht und Gewalt: Das Internet als Raum der Genese neuer symbolischer Ordnungen?“ am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Die Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgte zunächst im Zusammenhang eines mündlichen Vortrags, der im Anschluss zu einer Seminararbeit ausgearbeitet wurde. Kontakt: [email protected], [email protected] SCHULENTWICKLUNG Berlin – Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Aktuelle Hilfe – nachhaltiges Handeln Bildungsregion Berlin-Brandenburg Impressum Herausgeber: Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) 14974 Ludwigsfelde-Struveshof Tel.: 03378 209-200 Fax: 03378 209-232 Internet: www.lisum.berlin-brandenburg.de Fachliche Verantwortung: Ulrike Kahn, Michael Rump-Räuber Autorin: Ulrike Kahn Layout und Fotografie: Christa Penserot Druck und Herstellung: Oktoberdruck, Berlin ISBN: 978-3-940987-39-6 © Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM); April 2009 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte einschließlich Übersetzung, Nachdruck und Vervielfältigung des Werkes vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des LISUM in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Eine Vervielfältigung für schulische Zwecke ist erwünscht. Das LISUM ist eine gemeinsame Einrichtung der Länder Berlin und Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS). Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................................................... 5 Aspekte von Gewaltsituationen .................................................................................. 6 12 Gründe, warum Gewalt oft so attraktiv ist ........................................................... 6 Was Gewaltsituationen so problematisch macht ..................................................... 6 Gewalt wird nicht geduldet ...................................................................................... 6 Aktuelle Hilfe............................................................................................................... 7 Intervention in Gewaltsituationen – 9 Schritte ......................................................... 7 Konflikte aufarbeiten und Konsequenzen ziehen .................................................... 8 Konflikte im Klassenzimmer – Checkliste .............................................................. 11 Das Einschätzungsprofil ........................................................................................ 13 Checkliste für Lehrerinnen und Lehrer .................................................................. 14 Kooperation von Schule und Eltern ....................................................................... 16 Primärprävention anstelle von Intervention............................................................... 19 Primärprävention in der Grundschule .................................................................... 22 Prävention und Intervention in Schulen der Sekundarstufe I ................................. 23 Nachhaltige Unterstützung ....................................................................................... 24 Gewaltprävention und Schulentwicklung ............................................................... 26 Gewaltprävention durch soziales und kooperatives Lernen...................................... 30 Curriculum zum sozialen und kooperativen Lernen............................................... 30 Schulmediation ...................................................................................................... 33 Programme zum sozialen Lernen – Lebenskompetenzprogramme ...................... 36 Programme für Grundschülerinnen und -schüler................................................... 37 Programm für Schulen der Sekundarstufe I .......................................................... 51 Gewaltprävention durch Demokratiepädagogik ........................................................ 53 Hilfe, Unterstützung und Beratung ............................................................................ 55 Weiterführende Materialien ................................................................................... 57 3 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel 4 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Vorwort Gewalt an Schulen – psychische wie physische – ist völlig inakzeptabel. Die Schule hat den Bildungs- und Erziehungsauftrag, der Gewalt, auch innerhalb der eigenen Institution, aktiv entgegenzuwirken. Gewalt – auch als geringfügig empfundene Gewalt – darf im schulischen Leben keinen Platz haben. Aus diesem Grunde sind direktes Handeln und Intervenieren geboten. Alle am schulischen Leben beteiligten Lehrkräfte, Schulleitungen, Schülerinnen und Schüler, pädagogische und nicht pädagogische Mitarbeiter und ebenso die Elternschaft sollen auch offensiv präventiv der Gewalt entgegentreten. Schulische Gewaltprävention und -intervention gliedern sich in drei große Bereiche: • Intervention, um im akuten Fall schnell und konsequent zu reagieren, • Prävention im Sinne langfristiger vorbeugender Arbeit, • kurative Maßnahmen zur Konfliktregelung und -aufarbeitung. Die Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel verzichtet auf lange und bereits umfassend vorliegende Gewalterklärungen und wissenschaftliche Befunde. Hierzu hat das LISUM bereits ein Material1 herausgegeben, das online verfügbar und weiter aktuell ist. Die Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel bietet für aktuelle Gewaltsituationen direkt einsetzbare Hilfe und benennt außerdem Ansprechpartnerinnen und -partner für Berliner und Brandenburger Schulen, die bei der Gewaltprävention und -intervention auf Anfrage beratend tätig werden. Es werden • • • • umfassende Anregungen und Maßnahmen für eine wirkungsvolle Gewaltprävention in der gesamten Schule im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen vorgestellt. Möglichkeiten beschrieben, wie Kinder und Jugendliche durch soziales Lernen selbstbewusst und lebenskompetent werden können, um der Attraktivität von gewalttätigem Handeln nachhaltig widerstehen zu können. Aspekte von Jungenförderung mitgedacht, da Jungen und junge Männer - sowohl als Täter als auch Opfer – besonders betroffen sind. demokratiepädagogische Lernarrangements aufgezählt, die besonders gewaltpräventiv wirken. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer verantwortungsvollen Aufgabe. Dr. Jan Hofmann 1 „Erst Nachdenken, dann Handeln“–Wahrnehmen, Erklären und Handeln zu Aggression und Gewalt als Strategie für eine tolerante und weltoffene Schule; Hrsg.: Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg. 2. , überarb. Auflage, Ludwigsfelde Januar 2009 5 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Aspekte von Gewaltsituationen 12 Gründe, warum Gewalt oft so attraktiv ist Was Gewaltsituationen so problematisch macht 1. Mit Gewalt können Interessen durchgesetzt und Ziele erreicht werden. Gewaltsituationen 2. Gewalt baut aufgestaute, aggressive Impulse ab. • sind in ihrem Verlauf kaum berechenbar und kaum zu kontrollieren; 3. Gewalt kann das Ansehen in der eigenen Gruppe steigern. 4. Gewalt schafft Fakten, die bei späteren Verhandlungen als Ausgangspunkt genommen werden können. • kommen häufig unvermittelt, sodass eine Vorbereitung auf die spezifische Situation kaum möglich ist; 5. Die (scheinbare) Effektivität von Gewalt ist offensichtlich und braucht nicht begründet zu werden. 7. Gewalt wirkt auch nach innen, indem sie potenzielle Kritiker einschüchtert. 9. • erfordern sofortiges Handeln; • machen Absprachen mit anderen in der Situation oft nur schwer möglich; Gewalt kann eigene Privilegien/ Vorteile (zumindest kurzfristig) absichern und zudem berechtigte Ansprüche anderer (eine Zeit lang) abhalten. 6. 8. • sind oft emotional aufgeheizt; • provozieren Angst um die eigene körperliche Unversehrtheit; • berücksichtigen nicht die Folgen; • tragen zu seelischen und körperlichen Verletzungen bei. Gewalt wird nicht geduldet, weil sie Gewalt schafft Klarheiten in einer komplizierten und undurchsichtigen Welt. • physisch und psychisch verletzt • ausgrenzt Gewalt vermittelt das (Macht-) Gefühl, die eigene Ohnmacht zu überwinden. • Schmerzen verursacht • die Beziehung abbricht 10. Gewalttätigkeiten garantieren Aufmerksamkeit, mitunter sogar eine eingehende Medienberichterstattung. • neue Gewalt erzeugt • die Menschenwürde verletzt, 11. Gewalthandlungen werden von den Tätern oft als emotional erregend und stimulierend erlebt. … dennoch gibt es Gewalt in der Familie, der Schule und der Gesellschaft. 12. Gewalthandlungen werden als Männlichkeitsbeweis gesehen. 6 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Aktuelle Hilfe Intervention in Gewaltsituationen – 9 Schritte Für das sofortige Eingreifen bei Gewalthandlungen werden folgende Schritte vorgeschlagen: 7. Konfliktparteien beruhigen: Konfliktparteien räumlich trennen, sie zum „Durchatmen“ auffordern bzw. sie in ein Gespräch verwickeln. 1. Die Situation einschätzen und eingreifen: In der Auseinandersetzung eingreifen und die Gewalt unterbrechen. Wenn die verbale Aufforderung nichts nützt, dazwischengehen. Wenn dies zu gefährlich ist, Hilfe holen. Konflikt aufarbeiten: Wenn sich die Beteiligten beruhigt haben, so schnell wie möglich ein Konfliktgespräch führen. Es soll geklärt werden, was vorgefallen ist und wie das Problem gelöst werden kann. 2. Opferhilfe leisten: Ist jemand verletzt? Erste Hilfe und seelischen Beistand organisieren. 8. Konsequenzen ziehen: Auf Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien hinarbeiten. Falls eine Strafe angeraten ist: Steht sie in einem Verhältnis zur Tat? Erhält das Opfer einen Ausgleich? Lernt der Täter durch die Strafe? Wie sieht die Wiedergutmachung aus? 3. Einen Überblick verschaffen: Wer war beteiligt? Und wer war Zeuge? Eine erste Analyse ist wichtig. 4. Signale an den/die Täter/-in geben: Gibt es einen eindeutigen Täter? Wenn ja, dem Täter gegenüber ausdrücken, dass das Verhalten Konsequenzen haben wird. Keine wilden Drohungen ausstoßen, die dann nicht umgesetzt werden. Der längerfristige Erfolg von Interventionen hängt davon ab, was in den Schritten 8 und 9 nachhaltig verabredet wird. Bei Konfliktgesprächen ist eine Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien zu treffen, die unbedingt nachhaltig zu überprüfen ist. 5. Unterstützung holen: Gezielt die Unterstützung eines Jugendlichen bzw. einer weiteren Lehrkraft einfordern, falls dies erforderlich ist. Wiedergutmachung bzw. Strafen für Täter sollen angemessen sein und möglichst einen Täter-Opfer-Ausgleich einbeziehen. Die einzelne Schule ist klug beraten, wenn sie erfahrungsbezogene Hinweise diskutiert und sammelt, sodass diese in der Notsituation benutzt werden können. 6. Zuschauende wegschicken: Die Zuschauer wegschicken oder sich mit den Konfliktparteien wegbegeben. 7 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Konflikte aufarbeiten und Konsequenzen ziehen Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Kindern und Jugendlichen sind in jedem Fall die Klassenlehrkräfte und ggf. die Schulleitung zu informieren. Je nach Grad der physischen bzw. psychischen Gewalt ist zu beraten, mit welchen Maßnahmen auf das Verhalten zu reagieren ist (Konfliktschlichtung, Wiedergutmachung, Sanktionsmaßnahmen, Ordnungsmaßnahmen). Ordnungsmaßnahmen Sanktionsmaßnahmen Wiedergutmachung (Täter‐Opferausgleich) Konfliktschlichtung (ggf. Schulmediation) In vielen Fällen kann durch Konfliktgespräche oder auch Schulmediation2 der Konflikt bearbeitet werden. Hilfreich dabei sind Kolleginnen bzw. Kollegen, die eine Schulmediationsausbildung absolviert haben und die die anderen Klassenlehrkräfte in diesen Situationen entlasten können. Zu den möglichen Wegen für eine Konfliktbearbeitung gehören: Konfliktschlichtung • Einzelgespräche: nach vorherigen Einzelgesprächen Verabredung zum Gespräch mit Tätern und Opfern; • Konfliktgespräch: Konfliktbewältigung durch Konfrontation der Konfliktpartner mit ihrem aggressiven Verhalten bei gleichzeitiger Reintegration in die soziale Gemeinschaft, Einbeziehung von Rollen- bzw. Perspektivenwechsel, Erörterung der Folgen von Gewalttaten, Sammlung von konstruktiven Verhaltensalternativen; • Schulmediation/Streitschlichtung/Konfliktlotsengespräch: Konfliktbewältigung durch Schulmediation ist erfolgreich, wenn diese eingebettet ist in ein gewaltpräventives Schulprogramm. 2 in Berlin „Konfliktlotsenmodell“ nach Ortrud Hagedorn“ 8 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Wiedergutmachung • Wiedergutmachungsgespräch: Vorschläge mit den beteiligten Schülerinnen und Schülern erarbeiten; • Täter-Opfer-Ausgleich: Die Schulordnung einer Schule kann festlegen, dass die Schule sich bei Konflikten und gewalttätigen Übergriffen nicht auf den Einsatz von Ordnungsmaßnahmen beschränken kann, sondern schon im Vorfeld interveniert bzw. kurativ tätig wird. Dabei wird der Täter-Opfer-Ausgleich bei schweren Gewaltanwendungen eingesetzt. Die Täter sind zunächst mit ihren Handlungen zu konfrontieren, sie müssen Verantwortung für ihre Tat und das Opfer übernehmen. Stimmen sowohl Täter als auch Opfer einem Ausgleichsversuch zu, kann der Konflikt unmittelbar mit den Beteiligten bearbeitet werden. Sanktionsmaßnahmen • Maßnahmenkatalog: Akteure der Schule haben Vorschläge erarbeitet, die in einem niedrigschwelligen Maßnahmenkatalog zusammengefasst sind. Diese Maßnahmen werden je nach Tatschwere ausgesprochen bzw. mit Sanktionsmaßnahmen gekoppelt, die unterhalb von Ordnungsmaßnahmen liegen. Bei der Erarbeitung dieses Maßnahmenkatalogs empfiehlt sich, die Schülerinnen und Schüler mit einzubeziehen, da diese zum einen kreative Ideen haben und zum anderen diese Vorgehensweise auf größere Akzeptanz stößt. Ordnungsmaßnahmen • Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen: Erziehungs- (§ 62) und Ordnungsmaßnahmen (§ 63) in Berlin und Grundsätze zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (§ 63) und Ordnungsmaßnahmen (§ 64) in Brandenburg regeln im Schulgesetz Maßnahmen bei schwergewichtigen Regelüberschreitungen. Die hier aufgezeigten möglichen Wege stehen bei der Konfliktbearbeitung in einer Rangfolge: Je konsequenter Konflikte niedrig schwellig bearbeitet werden, desto erfolgreicher wird die Konfliktbearbeitung sein. „Grenzen setzen“ heißt unmittelbare Reaktion durch Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung sowie in schweren Fällen Sanktionsmaßnahmen. Somit bleibt gesichert, dass die Lehrkräfte im Rahmen ihres Erziehungsund Bildungsauftrags tätig sind und ein pädagogisches Konzept an der Schule wirksam werden kann. Ordnungsmaßnahmen werden in der Regel viel zu häufig eingesetzt, wenn die präventiven und kurativen Wege kein Alltagshandeln sind. Bei allen hier vorgeschlagenen Wegen für eine Konfliktbearbeitung ist die Konfliktbegleitung genau so bedeutsam wie der Weg: Im Prozess ist immer wieder Rückmeldung über die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen einzuholen. 9 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Externe Beratungskompetenz In die Beratung über eine Konfliktbewältigung und über mögliche schulische Konsequenzen können auch die regional zuständigen Beraterinnen und Berater der staatlichen Schulämter Brandenburgs bzw. die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der regionalen Fortbildung Berlin oder externe Beraterinnen und Berater auf Honorarbasis einbezogen werden. Gewaltpävention arbeitet erfolgreich vernetzt im Team mit Schulpsychologen, Jugendämtern und dem Präventionsbereich der Polizei u.a. Einrichtungen im Kiez bzw. der Gemeinde zusammen. Bei schweren Fällen ist die Absprache mit der Schulaufsicht wichtig und zwar bevor Ordnungsmaßnahmen beschlossen werden. In Einzelfällen kann die Einschaltung des Jugendamtes hilfreich sein, insbesondere bei folgenden Problemlagen: • Hinweise auf fortdauernde Erziehungskonflikte in der Familie (z. B. Misshandlung, Vernachlässigung, Missbrauch), • schwere familiäre Belastungen (Alkohol- oder Drogenkonsum, psychische Auffälligkeiten der Eltern), • schwere psychische Auffälligkeiten des Kindes bzw. des Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bereich. Zusätzlich ist zu prüfen, ob eine polizeiliche Anzeige erforderlich ist (örtliche Polizeidienststelle, bürgernaher Beamter, polizeilicher Jugendschutz, Jugendbeauftragte der Polizei). Zu Vorkommnissen, die ein Hinzuziehen der Polizei erfordern, gehören: • Bedrohungen der Schülerinnen und Schüler durch schulfremde Personen (Schulweg, Schulhof), • Delikte wie Diebstahl, Raub, Erpressung, Körperverletzung mit/ohne Waffen, sexuelle Nötigung/Vergewaltigung, Sachbeschädigung schwereren Ausmaßes, • begründeter Verdacht auf oder nachgewiesener Waffenbesitz, • Cliquen- bzw. Bandenbildung mit kriminellem Charakter, • rechtsextreme Straftaten. • Hilfe, Unterstützung, Beratung und weiterführende Materialien Unterstützung und Beratung sind im Kapitel 8 zu finden. 10 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Konflikte im Klassenzimmer – Checkliste Alle Erfahrungen und wissenschaftlichen Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass das soziale (Lern-)Klima in der Klasse in der Regel ein Ausdruck für das Maß an Konflikten unter den Schülerinnen und Schülern ist. Die Lehrhaltung steht in unmittelbarer Korrelation zu der Lernhaltung der Schülerinnen und Schüler. Die hier vorliegende Checkliste bietet Anregungen und Möglichkeiten, die Konflikte im Lehrkräfte-Schülerverhältnis zu minimieren. Die Vielzahl der Vorschläge gestattet der einzelnen Lehrerin bzw. Lehrer, für sich persönlich und für die entsprechenden Situationen eine geeignete Auswahl vorzunehmen. Gleichzeitig sind diese Vorschläge als Anregungen insgesamt zu verstehen und auch im Kollegium bzw. im Team zu diskutieren. Ziel soll sein, bei den angstaggressiven Schülerinnen und Schülern das Selbstvertrauen zu stärken und bei den draufgängerischen die Selbstkontrolle zu steigern. Lassen Sie sich anregen, was Sie selbst kurz- und langfristig zur Verbesserung des Klassenklimas beitragen können. Selbst wenige Anregungen intensiv eingesetzt, werden das Klassenklima verbessern. Hilfreich ist auch, wenn sie diese Absichten mit den Schülerinnen und Schülern diskutieren, sich sogar gegebenenfalls durch Schülerinnen und Schüler beraten lassen. Eine Transparenz seitens der Lehrkraft unterstützt die reflektierte Haltungen bei Schülerinnen und Schülern. Kleine Lernverträge durch Schülerinnen und Schüler tragen zu einer beidseitigen Verbesserung des Klassenklimas bei. Handlungen und Haltungen, die das Gewaltpotenzial in der Klasse reduzieren können: • • • • • • • • • • Klare Klassenregeln für Konfliktfälle mit den Schülerinnen und Schülern vereinbaren, die Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ausschließen. Persönliche und soziale Beziehungen zu allen Schülerinnen und Schülern aufbauen bzw. intensivieren. In der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern Humor zeigen. In der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern eine akzeptierende Grundhaltung zum Ausdruck bringen. Schulische und persönliche Konflikte und Probleme von und mit den Schülerinnen und Schülern versuchen kooperativ zu lösen. Eine Haltung entwickeln, die Sache von der Person zu trennen, um im Konfliktfall der Person Wertschätzung entgegenbringen zu können. Als Lehrende/-r die Aufmerksamkeit der Klasse als Gesamtgruppe finden und binden („Gruppenfocus“). Den Unterrichtsablauf transparent und mit Methodenvielfalt strukturieren. Sich Feedback zu dem eigenen Unterrichtsstil von den Schülerinnen und Schülern geben lassen. Spannungs- und Entspannungsphasen im Unterricht einbauen und möglichst viele Individualisierungsphasen schaffen. 11 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel • • • • • Vermeiden aggressiver Hinweisreize im Klassenzimmer und in den Unterrichtsmaterialien. Keine eigenen aggressiven und undisziplinierten Verhaltensweisen zeigen, d. h. sich selbst als positives Verhaltensmodell darstellen. Im Konfliktfall den Angreifer ignorieren3, um ihm nicht unnötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Gewalt durch eine nonverbale Körperhaltung im Keim ersticken und mit Worten aktiv stoppen und abbrechen. Sachliche Kritik und Entzug von Vergünstigungen. Störungen und Aggressionen „entdramatisieren“ und deeskalieren: • • • • • • • • • • • • • • • • • • 3 Sich im Konfliktfall einmischen und nicht wegsehen bzw. weggehen. Sich aktiv mit einer personalen Wertung einbringen wie z. B.: Mit mir läuft das nicht! Die Haltung einer personale Konfrontation entwickeln: „Schluss, hier wird nicht geprügelt“, da dies eher verstanden wird als sanfte Ermahnungen. Die Kontrahenten trennen und sofort eindeutige Grenzen setzen. Art der Gewalt einschätzen. Bei ängstlich-depressiver Gewalt auf Stärken aufmerksam machen, d.h. ermutigen. Bei draufgängerisch-chaotischer Gewalt begrenzen, d. h. Folgen und Konsequenzen des gewalttätigen Verhaltens aufzeigen. Die Täter nicht entwischen lassen. Gewalttäter, die sich nicht mit den Folgen ihres Tuns auseinandersetzen wollen, konfrontieren, d.h. als konkrete Person verantwortlich machen. Die Konfliktparteien ernst nehmen und die Sache nicht beschönigen. Durch die Technik des Spiegelns aufzeigen, dass das eigene Tun Konsequenzen nach sich zieht. Über die Gewalttat hinaus begleiten, d.h. bewältigen, nicht nur unterdrücken. In der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern eigene Bedürfnisse und Gefühle akzeptieren und sprachlich zum Ausdruck bringen. In Konfliktsituationen Schuldzuschreibungen und Verurteilungen (Du bist ... / Du hast..) möglichst vermeiden und den Eigenanteil am Konflikt als je eigene Verantwortung (Ich... ) bewusst machen. Aktuelle Konflikte durch Rollen- und Interaktionsspiele spielend bearbeiten. Positive und damit gewaltalternative Verhaltensmuster im Sozialverhalten bestärken. Als Lehrkraft selbst angemessen kommunizieren und versuchen, sich in Konfliktsituationen kooperativ zu verhalten und den Schülerinnen und Schülern diese Haltung positiv zu verdeutlichen. Gemeinsame Regeln für das Verhalten im Unterricht und in der Pause vereinbaren und für das Einhalten sich gemeinsam verantwortlich fühlen. Ganzheitliche Intentionen im Unterricht realisieren: Kopf, Herz und Hand integrieren. Konfliktgespräche selbst führen bzw. durch die Schülermediatoren führen lassen. Möglichkeiten für Spiel/Kreativität und Entspannung/Ruhe einplanen. Die Wirkung der Haltung „ignorieren“ wird ausführlich beschrieben in: Erst Nachdenken, dann handeln, LISUM, S. 56 12 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Das Einschätzungsprofil Haltungen von Lehrkräften, Schülerinnen bzw. Schüler wirken sich auf das soziale Klima in der Klasse aus. Das gegenseitige Feedback ist eine wirksame Möglichkeit, sich das eigene Verhalten zu spiegeln und an der eigenen Haltung zu arbeiten. Das Einschätzungsprofil ist ein einfaches Mittel, dass Schülerinnen und Schüler, als auch Lehrkräfte und Eltern sich einschätzen und einschätzen lassen. 1(wenig) 2 3 4 5 6 7(viel) ungeduldig geduldig intolerant tolerant inkonsequent konsequent aufbrausend gelassen misstrauisch vertrauend ausgrenzend einbeziehend pessimistisch optimistisch sarkastisch humorvoll unfreundlich freundlich ungerecht gerecht unfair fair gleichmütig einfühlsam starr offen autoritär teamfähig ängstlich konfliktfähig ablehnend risikobereit unzuverlässig zuverlässig verantwortungslos verständnisvoll pedantisch großzügig hektisch ruhig 1. Welchen Wert ordnen Sie/ordnest Du den genannten Haltungen zu?(„Soll-Linie“) 2. Wie schätzen Sie/schätzt Du gegenwertig den Stellenwert Ihrer eigenen/Deiner eigenen Haltungen ein? („Ist-Linie“) Hilfreich ist, wenn die Profillinien in unterschiedlichen Farben gezeichnet werden. 13 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Checkliste für Lehrerinnen und Lehrer Reflektieren Sie mit dieser Checkliste Ihre eigene Haltung als Lehrkraft. Gehen Sie dabei Schritt für Schritt vor und stecken Sie sich kleine, aber nachhaltige Ziele. Halten Sie Ihre Reflektion in einem Lerntagebuch fest. Seien Sie mutig und lassen Sie sich jeweils eine Woche von einer Schülerin bzw. einem Schüler beobachten und tauschen Sie die Ergebnisse aus. Legen Sie anhand dieser Checkliste gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine Checkliste für Schülerhaltungen auf Karteikarten an. Eine Haltung wird ausgewählt und eine fest verabredete Zeit eingehalten. So können Sie sich über den gemeinsamen Lernzuwachs austauschen und sich gegenseitig ein Feedback geben. Schülerinnen und Schüler, denen diese Verantwortung der Rückmeldung übertragen wird, lernen nach kurzer Zeit respektvoll damit umzugehen. Erfahrungen zeigen, dass auch bzw. besonders aggressive Kinder, Jungen oder junge Männer wie verwandelt sind, durch die ihnen entgegengebrachten Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Was für manche Lehrkraft zunächst als Schwäche erscheint, wird von den Schülerinnen und Schülern wertgeschätzt, sodass der soziale Gruppendruck seitens der Schülerinnen und Schüler auf die „Störer“ wächst und das Lernklima sich verbessert. Ich • wertschätze und erkenne die Arbeit meiner Schülerinnen und Schüler an. • entwickle bei meinen Schülerinnen bzw. Schülern Frustrationstoleranz und Affektkontrolle. • gebe meinen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, emotionale Spannungszustände auszuleben. • mache mit meinen Schülerinnen bzw. Schülern autogenes Training oder Entspannungsübungen. • • • gebe meinen Schülerinnen bzw. Schülern Raum und Zeit für Aktivitätsbedürfnisse und Abenteuerdrang. reflektiere aggressives Verhalten im Elternhaus mit den Eltern bzw. in der Schule mit den Kollegen. ermuntere meine Schülerinnen bzw. Schüler Ärger und Befindlichkeiten zu verbalisieren. 14 • verstärke positives Verhalten differenziell, d. h. bekräftige erwünschtes Verhalten. • fördere Anerkennung und vermeide Selbstwertverletzungen. • schaffe bei den Schülerinnen bzw. Schülern eine Atmosphäre von Akzeptanz, Vertrauen und Gefühl der Geborgenheit. • reflektiere mit meinen Schülerinnen und Schülern verborgene Ängste und biete persönliche Unterstützung an. • übe mit den Schülerinnen und Schülern prosoziale Verhaltensweisen ein. • lasse nicht zu, dass Schülerinnen und Schüler in der Klasse stigmatisiert werden. • ignoriere bei meinen Schülerinnen bzw. Schülern unerwünschtes Verhalten bzw. reagiere pädagogisch darauf. Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel • vermeide Etikettierungen, reflektiere meine Vorurteile und verstärke positive Seiten von Schülerinnen und Schülern. • bemühe mich um eine demokratische Feedback-Kultur in der Klasse. • unternehme den Versuch, eine/-n schwierige/-n Schülerin und Schüler aus einer Gruppe mit störungsanfälligen Schülerinnen und Schülern herauszulösen und unterbreite ihr/ihm alternative Integrationsangebote. • diskutiere mit meinen Kollegen über die gerechtere und transparente Gestaltung der Chancenstrukturen. • stärke unsere Schule als soziales System. • berate meine Schülerinnen und Schüler und helfe ihnen, Probleme zu bearbeiten. • arbeite mit meinen Kollegen an der Schulentwicklung als permanenter Prozess. • denke über mehr Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten für meine Schülerinnen bzw. Schüler nach. • arbeite an dem Ausbau sozialräumlicher und sozialpädagogischer Elemente in der Schule. • schaffe für meine Schülerinnen und Schüler den Raum, solidarische Erfahrungen zu machen. • fördere prosoziales Verhalten bei meinen Schülerinnen und Schülern. • fördere bei meinen Schülerinnen und Schülern Identitäts- und Selbstwertprozesse, schaffe Lernarrangements, dass meine Schülerinnen und Schüler ihre soziale Integration weiterentwickeln können. • entwickele Fördermaßnahmen und Hilfen für Benachteiligte. • reflektiere meine Vorbildrolle und initiiere alternative Identifikationsangebote und Lernmöglichkeiten. • gestalte Schule als sozialemotionalen Raum. • arbeite an der Entwicklung meiner sozialen Handlungskompetenzen. • diskutiere und arbeite mit meinen Kollegen aktiv an der Entwicklung von Schulqualität sowie von Schulund Lernkultur. • unternehme etwas, dass bei meinen Schülerinnen und Schülern Aggressionshemmungen aufgebaut werden. • diskutiere mit meinen Kollegen, dass jungenspezifische pädagogische Arbeit in unserer Schule angeboten wird. • • denke selbst bzw. mit Kollegen nach über vorherrschende „Männerbilder“. Ich überlege mit meinen Kollegen, wie wir patriarchalische Strukturen abbauen. gebe meinen Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit, Interaktionsbeziehungen und Anerkennungsverhältnisse positiv zu gestalten. 15 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Kooperation von Schule und Eltern Ein Kind, das aggressiv ist und zu Gewalttätigkeiten neigt, erlebt oft zu Hause oder in seiner unmittelbaren Umwelt Gewalt. Es erfährt zum einen Gewalt von Menschen, denen es mit Liebe verbunden ist und lernt andererseits, dass es moralisch richtig ist, Gewalt auszuüben: Wenn alles andere nichts bringt, muss Gewalt angewendet werden. Aufgrund dieser Erlebnisse können beim Kind folgende Schritte4 ablaufen: Diese Schritte – auch Gewaltspirale benannt – bieten erfahrungsgemäß eine Grundlage für Gespräche mit Eltern. Respekt und Wertschätzung sind Voraussetzung einer guten Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften. Mit der Einbeziehung der jeweiligen Perspektive der anderen Seite ist erkennbar, dass die „andere“ Seite sich genau so schwertut mit dem Verhalten des gewalttätigen Kindes bzw. Jugendlichen. Dabei haben 4 Josef Sachs: Checkliste Jugendgewalt. Ein Wegweiser für Eltern, soziale und juristische Berufe. orell füssli. Zürich 2006, S. 32 f. In Gugel, Günther: Handbuch Gewaltprävention in der Grundschule; 2.1. Gewalt, S. 2, Tübingen 2007 16 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel die Lehrkräfte die Verantwortung in der Schule, die Eltern bzw. der Erziehungsberechtigte die Verantwortung zu Hause: „Jeder ist souverän in seinem Territorium“5. In dem Fünf-Schritt-Verfahren: gegenseitiger Respekt, konkrete Beobachtung, Gespräche, Regeln und Prinzipien abstimmen und sich gegenseitige Unterstützung holen: es kann sowohl präventiv als auch intervenierend in konkreten Konfliktsituationen gearbeitet werden. gegenseitiger Respekt konkete Beobachtungen Gespräche abgestimmte Regeln und Prinzipien Unterstützung Die Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist wichtig und unabdingbar. Auch Gewaltprävention kann nur durch eine enge Kooperation und Vernetzung gelingen. Die Probleme, die die Zusammenarbeit immer wieder erschweren und behindern, sind bekannt. Sie zu benennen ermöglicht es, ihnen zu begegnen und sie zu überwinden. Dabei sollte auch zwischen gegenseitigen Vorurteilen und tatsächlichen Problemen unterschieden werden, denn natürlich sind auch die Eltern sehr individuell und nicht als gesamte Gruppe zu charakterisieren. Gegenseitige Unterstützung Eltern und Lehrkräfte unterstützen sich gegenseitig, wenn sie miteinander klären welche Aspekte in der Gewaltprävention wichtig sind. In den Schulen der Sekundarstufe I und II ist es sinnvoll, auch die Schülerinnen und Schüler an den Beratungen aktiv teilnehmen zu lassen. Dazu gehören: • • • • • • • • 5 Präsenz der Lehrkraft vor und im Unterricht sowie die Attraktivität des Unterrichts, Räume für Ruhe- und Tobephasen, Pausenzeiten und -angebote, Servicelernen, d.h. Verantwortungsübernahme durch Schülerinnen und Schüler bei speziellen Aufgaben, Sport- und AG-Angebote, Modalitäten des Schulweges, Koordination der Gewaltprävention, gemeinsame Fortbildungen zur Gewaltprävention. Haim Omer / Arist von Schlippe: Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands in der Erziehung. Göttingen 2004, S. 175 17 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Regeln6 für Eltern, deren Kinder von Gewalthandlungen an der Schule betroffen sind: • Versuchen Sie, bei konkreten Gewaltvorfällen mit größtmöglicher Ruhe und Überlegung vorzugehen. • Vergleichen Sie Ihre Wahrnehmung mit der Wahrnehmung anderer Eltern. • Sichern Sie Ihrem Kind zu, nicht gegen seinen Willen tätig zu werden, und respektieren Sie die Angst Ihres Kindes. • Sichern Sie Ihrem Kind zu, Aktivitäten nur in Absprache mit ihm zu entwickeln. • Geben Sie Ihrem von Gewalt bedrohten Kind das Gefühl, dass Sie ihm beistehen werden. • Wenden Sie sich an eine Lehrkraft Ihres Vertrauens. • Überlegen Sie, ob Sie einen Berater/eine Beraterin für die Schule hinzuziehen wollen. • Überlegen Sie mit anderen Eltern, in welcher Form das Thema an die Schule herangetragen werden kann. • Überlegen Sie mit anderen Eltern, ob es Möglichkeiten gibt, dass Eltern im Rahmen von Schule sich vorbeugend beteiligen können. • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über das Erlebte. Hilfe und Unterstützung bei der präventiven Arbeit Erziehungsberechtige erhalten Beratung und Unterstützung durch die pädagogischen Elternberaterinnen und -berater, die im Landesinstitut für Schule und Medien BerlinBrandenburg qualifiziert worden sind. Sie geben Hilfe zur Selbsthilfe, indem sie in Seminaren Probleme der Kommunikation innerhalb der Familie und zwischen Elternhaus und Schule aufgreifen, um gemeinsam mit den Eltern Lösungsstrategien zu entwickeln. Die Seminare werden in der Schule durchgeführt, wenn sich acht bis zwölf interessierte Eltern zusammenschließen. Zum Selbststudium gibt es ein umfangreiches Material online auf dem Bildungsserver. • Hilfe, Unterstützung, Beratung und weiterführende Materialien Unterstützung und Beratung 6 sind im Kapitel 8 zu finden. Michael Grüner: Gewalt in der Schule: Arbeiten im Einzelfall und im System. In: Wolfgang Vogt (Hrsg.): Gewalt und Konfliktbearbeitung: Befunde - Konzepte - Handeln. Baden-Baden 1997, S. 180 18 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Primärprävention anstelle von Intervention Die Rechtslage ist eindeutig, denn nach dem Schulgesetz sind die Lehrkräfte sowohl in Berlin als auch in Brandenburg für die Unversehrtheit der Kinder und Jugendlichen verantwortlich. Ein Blick in das Brandenburgische (§ 4 Absatz 5) sowie Berliner Schulgesetz (§ 3, § 4, Absatz 5) und die Verwaltungsvorschriften beider Länder kann ebenso aufbauend und unterstützend sein wie der Blick in die Präventionsforschung. Dan Olweus7 hat in Langzeitstudien den Erfolg von Regelritualen ebenso aufgezeigt wie Klaus-Jürgen Tillmann und Wolfgang Melzer durch den Ost-West-Vergleich in ihren Gewaltstudien8. Durch die letztere Studie wird vor allem die Bedeutung der Unterrichts- und Lernkultur für die Primärprävention deutlich hervorgehoben. Diese Ergebnisse lassen sich mit folgenden Grundsätzen komprimiert und pointiert zusammenfassen: Regeln etablieren und Grenzen setzen. Bei 27% der schweren Prügeleien greifen Lehrkräfte überwiegend nicht ein, kleine Regelverstöße werden dagegen fast immer geahndet. Die Schülerinnen und Schüler haben umgekehrte Erwartungshaltungen. Angemessene Reaktionen werden erwartet: Regeln und Rituale auf der einen Seite und Deeskalationstraining und Konfliktmoderation als Kompetenzerweiterung für Lehrkräfte und Jugendlichen auf der anderen Seite. Etikettierungen vermeiden. Die Studien zeigen, dass „Lehrkräfte auf schwierige Dispositionen und Verhaltensmuster von Kindern und Jugendlichen oft nicht angemessen reagieren können.”9 • Allein die Tatsache, dass landläufig von dem „verhaltensauffälligen bzw. schwierigen“ Kind in den Lehrkräftezimmern gesprochen wird, ist eine Stigmatisierung (d. h. Zuschreibung von negativen Eigenschaften) an sich, denn sie lässt dem einzelnen Kind wenig Raum, im positiven Licht gesehen werden zu können. • Diese Kinder haben das Gefühl, immer als Sündenböcke dazustehen. Diese Prozesse der sozialen Etikettierung erweisen sich als besonders bedeutsam für die Erklärung des Gewalthandelns von Jugendlichen. • Gerade Jungen und junge Männer leiden darunter, dass sie zu wenig Zuneigung erfahren und machen oft durch Störverhalten auf sich aufmerksam. Das Sozialklima verbessern Der Zusammenhang zwischen einem negativen sozialen Klima und dem Gewalthandel in der Schule ist bemerkenswert: • 7 8 9 Gruppenhandeln, soziale Des- bzw. Integration, aber auch das Lehrkräfte-SchülerVerhältnis haben Auswirkungen auf das aggressive Verhalten. Olweus, D.: Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle 1995. Arbeitsgruppe Schulevaluation, dies. s.o.; Tillmann, Klaus-Jürgen u.a.: Schülergewalt als Schulproblem. Weinheim und München 1999, S. 75ff; Arbeitsgruppe Schulevaluation (s. Anmerkung 1) S. 51ff. Holtappels, H.G., Tillmann, K.-J.: Hausgemachte Gewaltrisiken – und was in der Schule dagegen getan werden kann.. In:. Pädagogik, Jahrgang 51, Heft 1/ 1999, S. 8ff. 19 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel • Positive Verstärkung auch gerade bei scheinbaren Selbstverständlichkeiten ist das oberste Primat der Gewaltprävention, ebenso wie der Blick, soziale Bindungen zu stärken wie z. B. Schulfahrten, Projektunterricht etc. • Restriktivität im Erziehungsverhalten der Lehrkräfte, rigide Regelanwendung und regelmäßiges Disziplinieren bei Kleinigkeiten haben einen negativen Einfluss auf das Sozialklima. • Bei einer spezifischen Jungenförderung in der Schule wird gemeinsam mit den Schülern temporär in geschlechtshomogenen Gruppen gearbeitet, um das soziale Miteinander aufzubauen und zu stärken. Wenn es in dieser Gruppenarbeit erst einmal gelungen ist, das Sozialverhalten positiv zu bewerten, dann werden die Schüler auch die Bereitschaft haben, ihr männlich-omnipotentes Macho-Gehabe zu reflektieren. Die Lernkultur entwickeln Die didaktische Ausgestaltung des Unterrichts lässt deutliche Zusammenhänge im Hinblick auf das Gewalthandeln erkennen. • Präventiv wirksam ist ein demokratischer, lebenswelt- und handlungsorientierter Unterricht mit individualisierten Lernzugängen, -formen und -orten. • Ein fördernder und zuwendungsgeprägter Führungsstil dämpft eindeutig das Gewaltpozential. • Wertschätzung und gegenseitiger Respekt sind eindeutig gewaltreduzierend. • Partizipation und Individualisierung des Lernens bieten weniger Friktionen als ein ausschließlich lehrkraftzentrierter Unterricht. • Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit haben, ihre Interessen in den Lernprozess einzubringen. • Erhalten die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit einer Teilhabe und einer Verantwortungsübernahme für den Lernprozess, üben sie auch eine stärkere soziale Kontrolle untereinander aus. Räume und Orte sehen Die Gestaltung und Verantwortungsübernahme für Räume und Orte haben eine präventive Wirkung. • Die Größe und Ausgestaltung der Räume tragen zum Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen bei, sodass die Eigeninitiative gefragt ist, hier das Mögliche zu unternehmen, was unter den bestehenden Bedingungen möglich ist, d.h. Räume und Flure farblich gestalten und mit Produkten der Kinder ausschmücken. • Die Gestaltung des Schulhofes mit einer attraktiven Spiel-, Tobe- und Ruhezone lädt zum aggressionsfreieren Aufenthalt ein. Entwicklung einer Schulkultur Lehrkräfte und Schülerinnen sowie Schüler entwickeln gemeinsam Schritt für Schritt die Schulkultur. 20 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Nicht die einzelnen Maßnahmen zur Gewaltprävention sind die entscheidenden, sondern ein abgestimmtes Gesamtkonzept wirkt sich positiv auf das Gewaltverhalten von Kindern und Jugendlichen aus. Dabei ist der Diskurs mit der Entwicklung eines Schulethos von grundlegender Bedeutung. • Das Schulethos (bzw. eine Schulcharta) ist etwas anderes als eine Hausordnung: Alle haben miteinander im Konsens abgestimmt und entschieden, von welchen Überzeugungen und Einstellungen das gemeinsame Zusammenleben in der Schule geprägt sein soll. Dies wird dann schriftlich formuliert und in verabredeten Abständen, z. B. wenn eine neue Generation von Schülerinnen und Schülern in die Schule eingeschult wird, überarbeitet. • Die Schulqualität einer guten Schule ist geprägt durch eine individualisierte und kooperative Lernkultur, die didaktische Kompetenz der Lehrkräfte sowie ihre Integrations-, Kommunikations- und Partizipationsfähigkeit. Die Schule stellt Gelegenheitsstrukturen zur Verfügung, in denen die Schülerinnen und Schüler Demokratie lernen und leben. Attraktive inhaltliche und räumliche Lernarrangements runden das Bild ab. Kooperation im Stadtteil / in der Kommune Gewalt wird nicht nur in der Schule, sondern auch im Umfeld produziert. • Gewaltpotenzial kommt auch aus der Umgebung in die Schule. Aus diesem Grunde ist die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Familien- und Jugendhilfe, aber auch mit Vereinen notwendig. Die Erarbeitung eines kommunalen Präventionskonzepts ist unabdingbar. • Außerschulische Lernorte und die Verantwortungsübernahme von Schülerinnen und Schülern in der Gemeinwesenarbeit sind außerordentlich wertvolle Kooperationsprojekte, die einen hohen präventiven Charakter haben. • Hilfe, Unterstützung, Beratung und weiterführende Materialien Unterstützung und Beratung sind im Kapitel 8 zu finden. 21 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Primärprävention in der Grundschule Primärprävention beginnt im Elternhaus, in der Kindertagesstätte und wird im schulischen Bereich in der Grundschule fortgesetzt. Wenn in diesem Prozess in der Grundschule sich eine Kontinuität entwickelt, wird die Gewalt in der Grundschule kaum Fuß fassen. • Die Förderung der Ich-Stärke und die Entwicklung der sozialen Kompetenz bei Kindern wirken ebenso präventiv wie die Entfaltung der Fähigkeit, Konflikte konstruktiv auszutragen. Bei der Jungenförderung ist die Ich-Stärkung von besonderer Bedeutung. • Lehrkräfte arbeiten in der Grundschule präventiv, wenn sie die Lernfreude, Leistungsbereitschaft, Selbstständigkeit, soziale Sensibilität stärken, aber auch den Kindern Verantwortung übertragen und sie an Entscheidungen teilhaben lassen. • Von großer präventiver Bedeutung ist, dass Kinder die Regeln bzw. Rituale für ihr Zusammenleben in der Klasse und der Schule eigenständig und auf „Augenhöhe“ partizipativ entwickeln. Bei Nichteinhaltung für sich und die Mitschülerinnen und -schüler werden anstelle von Bestrafung durch die Lehrkräfte eigene Möglichkeiten der Wiedergutmachung wirkungsvoll für die Täter bzw. Täterinnen eingesetzt. • Kindern, denen es schwerfällt, Regeln einzuhalten, werden erfolgreich durch Lehrkräfte unterstützt, indem sie besondere Wertschätzung erhalten. Bei Einhaltung kleiner Regeln werden sie besonders gelobt. Das wirkt als positive Verstärkung besser als eine der üblichen Sanktionen. • Die Einschätzung und Bewertung von Konflikten durch die Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte gemeinsam werden zunehmend in die Verantwortung der Schülerinnen und Schüler übergeben. • Die Einführung des Klassenrates in den ersten Grundschuljahren hat sich als erfolgreich erwiesen. • Konflikte beginnen zunächst als Missverständnisse oder harmlose • • • • 22 Meinungsverschiedenheiten, skalieren aber bei einem destruktiven Umgang. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, ihre Gefühle zu reflektieren, können Konflikte eine Chance werden, konstruktiv mit Gefühlen und Konflikten umzugehen. Um Möglichkeiten zu eröffnen, mit Konflikten klärend umzugehen, ist die allgemeine Konfliktkompetenz zu erweitern. Dazu gehören insbesondere eine Sensibilisierung der Wahrnehmung dafür, wo es Konflikte gibt, und das Verständnis, warum diese entstanden sind, sowie das Kennenlernen von Methoden, die andere Wege aufzeigen, mit Konflikten umzugehen. Bereits Kinder der Vorschule und der ersten Jahrgangsstufe10 können Konflikte mediativ klären. Schulmediation ist erfolgreich, wenn es insgesamt ein Klima der konstruktiven Konfliktklärung in der Schule gibt. Programme zum sozialen Lernen unterstützen diesen Prozess. Kinder brauchen aber auch Zeiten und Orte zum Sammeln von lustvollen Körpererfahrungen11 und zum Ausagieren von Aggressionen. So kann z. B. bei einem Wutanfall auch ein ritualisierter Ringkampf eine Konfliktlösung bieten. Ein Toberaum bietet eine wirksame Unterbrechung des Unterrichts, denn nach einer Kraftanstrengung ist eine neue Konzentrationsphase wieder möglich. Somit wird Störungen und Aggressionen entgegengewirkt. 10 Hannah Sibylle Wennekers: TuT - Trenner und Tröster - Schulanfänger lotsen durch Konflikte; Gewaltprävention im Miteinander, Verstehen und Handeln X. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin 2007; www.berlin.de/sen/bwf S. 13 ff. 11 Preuss-Lausitz, Ulf: Mehr Gewalt in die Schule!? In Pädagogik 51. Jahrgang, Heft 1/1999, S. 25ff. Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Prävention und Intervention in Schulen der Sekundarstufe I Durch den Übergang in die Sekundarstufe lassen die Kinder ihr gewohntes soziales Netz hinter sich, was gerade denjenigen, die bereits sekundärpräventiv bedürftig sind, wenig entgegenkommt. Deshalb sind alle Möglichkeiten, die ein neues soziales Klima in der Jahrgangsstufe 7 stabilisieren, gewaltpräventiv. Die Jungenförderung hat besondere Bedeutung. • Durch eine Schulcharta bzw. durch ein Schulversprechen wird ein offener Diskurs zur Vermeidung von Gewalt prägend für ein Leitbild der Schule. • Das schulumfassende Präventionsprogramm nach Olweus ist wirkungsvoll. • Eine Einführungswoche zu Beginn der Jahrgangsstufe 7 bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Kommunikations- und Kooperationsformen miteinander zu entwickeln, die einen störungsfreieren Unterricht ermöglichen. • Gemeinschaftserlebnisse (Feste, Fahrten, Unternehmungen) sowie gemeinsam entwickelte Regeln und festgelegte Rituale bei einer Regelübertretung festigen das soziale Verhalten der Schülerinnen und Schüler. • Die Verankerung eines Curriculums zum sozialen Lernen in der ganzen Schule ist gewaltpräventiv. Dazu gehören auch Programme zum sozialen Lernen. • Die Lehrkräfte schaffen durch geeignete Unterrichtsmethoden, wie Individualisierung und partizipativ-kooperatives Lernen ein friktionsfreieres Lernklima. • Die Lehrkräfte arbeiten mit wertschätzender Haltung und Vermeiden von Etikettierungen präventiv. • Die Lehrkräfte übergeben den Schülerinnen und Schülern fortlaufend mehr Verantwortung und lassen sie stärker partizipativ aktiv werden. • Die Schülerinnen und Schüler erarbeiteten Regeln für das Zusammenleben in der Klassengemeinschaft/Jahrgangsebene, überlegen sich geeignete Sanktionen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden, und achten gemeinsam auf die Einhaltung. • Die Schülerinnen und Schüler lernen wertschätzende und gewaltfreie Kommunikation und üben den achtsamen Umgang mit den eigenen Gefühlen. • Die Schülerinnen und Schüler klären Konflikte durch Schulmediation. • Die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung durch die Einführung des Klassenrates und übernehmen Verantwortung für sich und die Gemeinschaft durch Service learning. • Die Schülerinnen und Schüler führen verantwortlich Ämter in der Klasse, im Jahrgang und in der gesamten Schule aus. In der Sekundarstufe I sind dennoch Maßnahmen zur Intervention unumgänglich. • Die Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung bei Mobbing und Gewalttätigkeit von Mitschülerinnen und -schülern, indem sie nicht wegschauen, um die Gewaltspirale zu unterbrechen. • Sie entwickeln gemeinsam mit den Lehrkräften für die kleine und große Gewalt Lösungen und einen Maßnahmenkatalog der Wiedergutmachung. • Sie unterstützen die Interventionsarbeit, indem sie sich konsequent zur Gewaltlosigkeit bekennen. Gewalt ihrer Mitschülerinnen und -schüler ist unakzeptabel. • Bei harten Konflikten und bei Gewalttaten wird unmittelbar nach einem verabredeten Verfahren eingegriffen, damit auf Täter unmittelbar eingewirkt wird und den Opfern direkte Hilfe zukommt. So ist für alle klar, dass sofort eingegriffen wird und Gewalt keine Akzeptanz hat und sanktioniert wird. • Antiaggression- und Coolness-Training12 erzielen deutliche Erfolge besonders bei Jungen und jungen Männern. 12 Gall, Reiner: Ziele und Methoden des Coolness-Trainings (CT) für Schulen. In: Kilb, Rainer; Weidner, Jens; Gall, Reiner: Konfrontative Pädagogik in der Schule: Anti-Aggressivitäts- und Coolnesstraining. Weinheim, München 2006, S. 93-106. 22 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Nachhaltige Unterstützung Die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg haben gesetzlich verankert, dass die Schule den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler sicherzustellen hat. Es gibt nicht den „einen“ Weg, wie alle Beteiligten in den Schulen den Konsens zur Zielerreichung herstellen, aber durch die fünfjährige Auseinandersetzung mit der Lern- und Schulkultur in dem Schulentwicklungsansatz des BLKProgramms „Demokratie lernen und leben“ sind eine demokratische Schul- und Lernkultur in den vielfältigen Facetten der Ergebnisse erfahrbar geworden. Dies kann als ein Beitrag zu einer nachhaltigen Unterstützung gewertet werden. Partizipation in der Schule hat in diesem Programm Gestalt angenommen. Damit sich an jeder Schule eine nachhaltige wertschätzende Schulkultur entfaltet, die die Rechte der Kinder und die Rechte von Lehrkräften gleichermaßen schützt, braucht jede Schule Menschen, die bereit sind, die Initiative zu ergreifen und Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen. Nachhaltig wird die Unterstützung durch den systemischen Ansatz auf mehreren Ebenen in einer Schule: • • • auf der individuellen Ebene, auf der Ebene der Klasse, auf der Schulebene sowie durch die Anerkennung einer Führungshaltung von Lehrkräften sowie der Schulleitung. Die Lehrkräfte sind als Berater, Moderatoren, Lernbegleiter (Facilitator13) und als Führungspersonen gefragt, die Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler delegieren können. Die Schulleitung hat eine innovative Verantwortlichkeit und ist gut beraten, wenn sie ihr Kollegium durch Fortbildungsangebote wie Supervision, Coaching, Fallberatung etc. unterstützt und dafür sorgt, dass die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig hospitieren und sich ein Feedback geben können. Dieser berufsbegleitende Professionalisierungsprozess unterstützt die Lehrkräfte und verhindert bzw. reduziert das Burnout-Syndrom im Kollegium. Erfolgreiche Präventionsbemühungen fangen dort an, wo sich die einzelne Lehrkraft aus der Rolle des Wissensvermittlers in eine Rolle eines Lernprozessbegleiters begeben kann, der Empathie, Achtung und Wertschätzung als Grundsatz hat. Dabei kann die Methode14, die Person und Thema strikt trennt („weich zum Menschen und hart in der Sache"), sehr erfolgreich sein. Es ist auch möglich einen Dritten, einen Mediator, zur Konfliktentschärfung einzuschalten. Eine aktuelle Meta-Analyse15 aus den USA kommt zu Ergebnissen, von denen an dieser Stelle nur zwei wesentliche benannt werden. Programme, die sich auf die gesamte Schulumwelt beziehen, sind nach den Auswertungen als sehr effektiv einzuschätzen, insbesondere auch im Hinblick auf die Reduzierung von Drogenkonsum und Gewalt (Delinquenz). Des Weiteren sind die Ansätze Erfolg versprechend, die sich den Aufbau und die Unterstützung von Selbstkontrolle und sozialer Kompetenz zum Ziel gesetzt haben. 13 14 15 Facilitating. 20 Fragen als Hilfe für die Unterrichtsplanung. (aus: Löhr 1997, S. 43) http://www.kiko.de/blk/praxis_kultur_ methodenaz_total.html Die Autoren des sog. Harvard-Konzepts entwickelten in einem Nachtrag zur Darstellung der Methode weitere Techniken für Härtefälle, Grenzfälle und scheiternde Verhandlungen. Diese Methode, die an Win-Win angelehnt ist, trennt Person und Thema strikt („weich zum Menschen und hart in der Sache"), siehe auch: Erst Nachdenken, dann Handeln, S. 36 PIT Brandenburg – Prävention im Team Ludwigsfelde 2007 24 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Was bedeutet das auf der individuellen Ebene? • • • • • • • • • • • • Wertschätzung anstatt dauernde Bewertung, Ermutigung bei Fehlern, Kultur der gegenseitigen Anerkennung (auch Anti-Bias-Training16), Persönliche Verantwortungsübernahme, Übertragung von Ämtern und Ehrenämtern, Respekt-Training, Training und Trainingsprogramme zum sozialen Lernen insbesondere auch für Schüler, Täter-Opfer-Ausgleich, Coolness-Training17 bzw. Anti-Aggressivitätstraining18 besonders zur Jungenförderung, Verfassen von eigenen Lernverträgen zur Verbesserung einer eigenen Haltung mit eine Erfolgsüberprüfung nach einigen Wochen durch einen Freund/eine vertraute Lehrkraft, Schüler-Schüler-Feedback; Lehrkräfte-Schüler-Feedback, Jungenförderung z.B. durch spezifische Aktivitäten, wie z. B. Schüler lesen in der KITA vor; Schüler arbeiten in jungenunspezifischen Arbeitsfeldern wie z. B. Mitwirkung beim Catering, Streitschlichter etc. und spezifischen Arbeitsgruppen. Was bedeutet das auf der Ebene der Klasse? • • • • • Regeln in der Klasse einschließlich Sanktionen und Wiedergutmachungen, Kommunikations- und konstruktives Konfliktklärungstraining, Teamarbeit, Schulmediation, Klassenrat. Was bedeutet das auf der Schulebene? • • • • • • Regeln auf Schulebene gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe erarbeiten und in festgelegten Zeitabständen auf die Machbarkeit und Umsetzung einschließlich Sanktionen und Wiedergutmachungen überprüfen. Kooperative Instrumente wie z. B. Befragungen, Klassen- und Konfliktmediation und die „No Blame Approach“-Methode19 im Schulprogramm verankern. Präventiv und nachhaltig wirken nur Schulentwicklungsmaßnahmen, die als Mehrebenenprogramme (Olweus-Programm) im Schulprogramm verankert sind. Feedbackprozesse werden in der gesamten Schule etabliert. Aushandlungsprozesse werden in der Schule ermöglicht. Sportliche Aktivitäten für Jungen, die besondere Fairness erfordern. Alle diese Lernarrangements und Programme intendieren, die personale und die soziale Kompetenz von Schülerinnen und Schülern zu stärken, wertschätzende und gewaltfreie Kommunikation als Grundlage einer partizipativen Lern-, Unterrichts- und Schulkultur zu etablieren, eine offene Atmosphäre und faire konstruktive Gesprächs- und Streitkultur zu ermöglichen. 16 17 18 19 Der Ansatz setzt sich mit Vorurteilen und Diskriminierungen erfahrungsbezogen auseinander. Der Trainingsansatz für Jugendliche basiert auf der Grundlage der konfrontativen Pädagogik. Das Anti-Aggressivitäts-Training dient dem Zweck, aggressive Verhaltensweisen vorzubeugen oder abzubauen. Diese Methode wird in der Berlin-Brandenburger Anti-Mobbing-Fibel erklärt. 25 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Gewaltprävention und Schulentwicklung Gewaltprävention ist in der einzelnen Schule nur dann nachhaltig wirksam, wenn alle Beteiligten sich dem Problem stellen und es nicht unter den Tisch kehren. Da das Gewaltproblem ein phänomenologisches Kinder- und Jugendproblem und vor allem auch ein Jungenproblem ist, wird es in jeder Schule zu Gewaltvorfällen kommen. Der Ruf einer guten zukunftsfähigen Schule hängt nicht davon ab, wie wenig Gewaltvorfälle an die Öffentlichkeit geraten, sondern wie die Akteure der Schule offensiv gewaltpräventiv damit umgehen und welche schulumfassenden Maßnahmen im Schulprogramm verankert werden. Erfolg versprechend sind die Integration und Kooperation der vorhandenen Programme und Ressourcen in einem nachhaltigen Schulkonzept. Allerdings sind auch die kleinen Schritte, wenn diese von allen gestaltet werden, bereits wirkungsvoll und sind ein Anfang für ein Schulkonzept. So kann z. B. ein erster Schritt in einer Kennenlernwoche aller Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs ein Projekttag zum sozialen Lernen, einem Kommunikations- bzw. Konfliktlösungskurs bestehen. Nachhaltige Schritte in einem Schulentwicklungsprozess Der erste Schritt Der erste nachhaltige Schritt, gewaltpräventiv in der Schule zu agieren, ist die Bestandsaufnahme bereits vorhandener gewaltpräventiver Maßnahmen bzw. eine Analyse des IstStandes. Dies ist durch die Vier-Felder-Analyse mit einem geringen Zeitaufwand zu realisieren. Ein vorgeschobener bzw. gleichzeitiger Schritt kann die Information über mögliche gewaltpräventive Maßnahmen in Lehrkräftekonferenzen, Elternversammlungen und Schülerkonferenzen sein. Hier können bereits die ersten Aushandlungsprozesse stattfinden, welche Wege gegangen werden sollen. Eine durch die Schulkonferenz legitimierte Gruppe von Lehrkräften, Eltern und Schülern sammelt in einem moderierten Gespräch mit Beraterinnen bzw. Beratern aus den staatlichen Unterstützungssystemen der regionalen Fortbildung20 bzw. durch Berater auf Honorarbasis den Ist-Zustand und den Soll-Zustand, um dann im weiteren Verfahren Zielsetzungen und erste Schritte von Maßnahmen in einem Projektplan festzulegen. Das Vorgehen wird auf einer großen Pinnwand visualisiert (s. Abbildung), dokumentiert und mündet in einem Projektstrukturplan, der von der durch die Schulkonferenz legitimierten Gruppe im Prozess gesteuert wird. Auch hier können Prozessberater aus dem Unterstützungssystem der regionalen Fortbildung hilfreich beraten. 20 Diese Berater werden in beiden Verwaltungen unterschiedlich bezeichnet: Für Berlin gilt der Begriff: „Multiplikatoren“, für Brandenburg „Berater“. 26 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Vierfelderanalyse Ist Stolpersteine Was haben wir erreicht? Was behindert uns? Soll Projektplan Was sind unsere Ziele? Welche ersten Schritte von Maßnahmen wollen wir festlegen? Was kann das LISUM bzw. das Unterstützungssystem beitragen? In dem Projektplan sind die 7 W-Fragen von Bedeutung: Für wen? Wozu? Warum? Was? Wer? Wie? Womit? Der zweite Schritt Im zweiten Schritt werden die einzelnen Maßnahmen in der Priorität verabredet. Dabei ist es erfolgversprechend, wenn nicht zu viele Projekte nebeneinander laufen. Die Aktivitäten die Verantwortlichkeiten sowie die Zeiten werden in dem Projektstrukturplan festgelegt. Die Umsetzung ist fortlaufend zu prüfen. Dabei hat die Steuergruppe eine verantwortungsvolle Aufgabe: Sie behält den verabredeten Zeitplan im Auge und reflektiert mit den Akteuren die Stolpersteine, um ggf. nachzusteuern. Der dritte Schritt In einem dritten Schritt sollte jede Maßnahme des Projektplans evaluiert werden. Hilfreich ist auch die Einbeziehung von Experten aus den Unterstützungssystemen, die mit ihren Erfahrungen die schulinterne Arbeit unterstützen können. Wird die Maßnahme als erfolgreich bewertet, sollte diese im Schulprogramm verankert werden, um somit nachhaltig im Schulalltag wirksam zu werden. Dann können weiteren Schritte nach dem gleichen Verfahren geplant werden. Gewaltprävention bedarf einer kontinuierlichen Reflexion im Rahmen von Schulentwicklung. Eine schulinterne Steuergruppe ist für die Nachhaltigkeit des Prozesses verantwortlich. Beratung und Unterstützung von außen durch die bereits erwähnten Beraterinnen und Berater sind erfahrungsgemäß hilfreich und werden nicht als Schwäche, sondern als Professionalität ausgelegt. 27 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Von anderen lernen – das schulumfassende Präventionsprogramm nach Olweus21 / Anti-Bullying-Programm Die Akteure der Schule können für die eigene Schulentwicklung aus vorliegenden Erfahrungen lernen: „Prävention ist in der Schule am erfolgreichsten, wenn sie nicht durch Aktionismus, sondern durch die Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen geprägt ist.“ Hierzu kann der Norwegische Psychologe Dan Olweus gewissermaßen ein Pate sein. Er entwickelte in den achtziger Jahren ein schulumfassendes Programm zur Gewaltprävention und -intervention gegen Gewalt (Bullying), nachdem er umfangreiche Längsschnittuntersuchungen in norwegischen Schulen zur Gewalt durchgeführt hatte. Zielsetzung des Programms ist eine Reduzierung mittelbarer und unmittelbarer Gewalt und die Verbesserung der Beziehungen unter den Schülerinnen und Schülern. Es sollen Bedingungen geschaffen werden, die sowohl Opfern als auch Tätern ein besseres Auskommen miteinander innerhalb und außerhalb der Schule möglich machen. Die Förderung und Erweiterung der sozialen Kompetenz sowie die Entwicklung des Schulklimas sind Zielsetzung insgesamt. Dan Olweus beschreibt die „Hauptbestandteile” seines Programms sinngemäß wie folgt: Es ist schon bemerkenswert, wie oft Schulleiterinnen und Schulleiter und Kollegen betonen, dass es an ihrer Schule keine Gewalt gibt, obwohl doch Hänseleien, Rangeleien, aber auch das Verprügeln von Mitschülerinnen und -schülern zum Schulalltag gehören. Deshalb ist Olweus der Auffassung, dass Problembewusstsein und Betroffensein der Lehrkräfte und zu einem gewissen Grad auch der Eltern Voraussetzungen sind für den Erfolg von Prävention und Intervention. Diese Erkenntnisse sind identisch mit denen aus der Organisationsentwicklung und der Schulentwicklung. Olweus hatte im Zusammenhang mit seinen Längsschnittuntersuchungen einen umfangreichen Fragebogen zur Ist-Analyse entwickelt. Da die einzelne Schule keine Schulforschung betreibt, kann sie selbstverständlich einen eigenen Fragebogen entwerfen, der den gleichen Zweck erfüllt bzw. sich durch externe Beratung unterstützen lassen und ggf. auf die Schulsituation zuschneiden. Eine einfache und besonders wirksame Art, diese Ziele zu erreichen, ist eine anonyme Fragebogenuntersuchung unter den Schülerinnen und Schülern zum Themenkreis „Aggression und Gewalt” an ihrer Schule. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen im Rahmen eines Pädagogischen Tages „Gewalt und Gewaltprävention in Schulen” vorgestellt, interpretiert und im Hinblick auf schulische Konsequenzen diskutiert werden. Führt der „Pädagogische Tag” zu dem Ergebnis, dass zur Gewaltprävention schulische Maßnahmen notwendig sind, sollten diese in einer Schulkonferenz beraten und als Bestandteile in das Schulprogramm aufgenommen werden. Die von Olweus vorgeschlagenen Maßnahmen wurden aufgrund seiner Forschungsergebnisse für die Ebene der Schule, der Klasse und der einzelnen Person entwickelt. 21 Olweus wie 8. 28 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Im Überblick stellt sich das Interventionsprogramm insgesamt wie folgt dar: Schulebene Klassenebene • verbesserte Pausenaufsicht • gemeinsame Erarbeitung von Klassenregeln gegen Bullying • Gestaltung des Schulhofes zu einem attraktiven Platz von Begegnung mit Tobeund Ruheflächen • Klarstellung, Lob, Sanktionen • Kontakttelefon • Wertschätzung • Konfliktsprechstunde bzw. Mediationsraum • Opfer-Täterausgleich • Entwicklung der Schulkultur • Treffen von Lehrkräften und Eltern • Lehrkräftegruppen für die Entwicklung eines positiven Schulklimas • Elterngesprächskreise (Lernund Diskussionsgruppen) • Wiedergutmachung • Aufarbeitung von Konflikten durch Aufstellung • regelmäßige Klassentreffen • kooperatives Lernen • Treffen von Lehrkräften und Eltern/Kindern • allgemeine positive Tätigkeiten; Rollenspiele Individuelle Ebene • intensive Gespräche mit Schlägern und Opfern • intensive Gespräche mit Eltern von beteiligten Kindern • phantasievolle Maßnahmen seitens der Lehrkraft • Hilfe von 'neutralen' Schülerinnen bzw. Schülern • Ratschläge für Eltern (Elternbroschüre) • Diskussionsgruppen mit Eltern von Schlägern und von Opfern • letztes Mittel: Klassenoder Schulwechsel Beratung und Unterstützung Interessierte Schulkonferenzen können sich Berater aus dem Unterstützungssystem zur Schulkonferenz einladen, um sich über das Programm informieren zu lassen. Aufgrund der positiven Wirkungen, die das Präventionsprogramm von Dan Olweus hat, sind diese Erfahrungen mittlerweile auch in anderen Ländern22 mit Erfolg erprobt worden. Jede Schule ist mit ihren Bordmitteln in der Lage, die von Dan Olweus entwickelten Vorschläge in den eigenen Schulalltag zu implementieren. Eltern können sich als Gruppen pädagogisch durch das LISUM beraten lassen. • Hilfe, Unterstützung, Beratung und weiterführende Materialien Unterstützung und Beratung 22 sind im Kapitel 8 zu finden. Ferstl, R.; Niebel, G. Hanewinkel, R.: Gutachterliche Stellungnahme zur Verbreitung von Gewalt und Aggression an Schulen in Schleswig-Holstein. Eutin 1993; Hanewinkel, R.; Knaack, R.: Mobbing: Gewaltprävention in Schulen in SchleswigHolstein. Kiel 1997 29 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Gewaltprävention durch soziales und kooperatives Lernen Kinder und Jugendliche entwickeln ihre sozialen und personalen Kompetenzen in der Familie, in der Peergroup und überall, wo sie sozial lernen können; aber nur in dem Kindergarten und in der Schule kann ein gezieltes Kompetenztraining für alle Kinder gleichermaßen stattfinden. Besonders für Kinder, die im Elternhaus nicht umfassend gefördert werden, ist diese schulische Fokussierung von größter Bedeutung für ihre Entwicklung. Zwar ist die Entwicklung von personaler und sozialer Kompetenz Bestandteil des Lernens und in den Rahmenlehrplänen in Berlin und Brandenburg fest verankert, dennoch zeigen die Schulvisitations- bzw. -inspektionsergebnisse23, dass es noch einen umfassenden Modernisierungsbedarf gibt. Kooperatives Lernen steht für ein bestimmtes Lehr- und Lernkonzept, das darauf abzielt, in koordinierten und konstruktiven Partnerarbeiten eine gemeinsame Lösung für ein vorgegebenes Problem zu finden. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich beim Lernen gegenseitig unterstützen und gemeinsam zu Ergebnissen gelangen. Die Methoden des kooperativen Lernens trainieren soziale Kompetenzen und vermitteln ein problemorientiertes Denken und Handeln. Curriculum zum sozialen und kooperativen Lernen Um das Gewaltpotenzial in der Schule zu mindern, ist es erfolgversprechend, das soziale und kooperative Lernen durch ein Curriculum zum sozialen und kooperativen Lernen im Schulprogramm zu verankern. Dabei entwickeln die Schülerinnen und Schüler folgende Kompetenzen • • • • • • • • Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, Fähigkeit zum Umgang mit Gefühlen, Fähigkeit zu Perspektivübernahme und Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Fähigkeit zu konstruktiver Konfliktbewältigung, Fähigkeit zum vorurteilsbewussten Lernen, Fähigkeit zum geschlechterbewussten Lernen. die dem Alter der Schülerinnen und Schüler entsprechend nach Jahrgangsstufen und Unterrichtsfächern durch die Fachkonferenzen ausgewiesen werden. Soziales und kooperatives Lernen findet im Unterricht, d. h. in jedem Unterrichtsfach statt. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn in der Schulorganisation auch entsprechende Zeiteinheiten ausschließlich dem sozialen Lernen, z. B. der Klassenratsstunde oder den Programmen zum sozialen Lernen gewidmet sind. 23 Schulinspektion (Berlin); Schulvisitation(Brandenburg) 30 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Die Einführung dieses Curriculums kann nach den folgenden Schritten erfolgen: Bestandsaufnahme Ziel‐ und Schwerpunktsetzung Projektplan Verabredungen Dabei sollten die nachfolgenden 10 Grundgedanken aufgenommen werden: Ein schulinternes Curriculum zum sozialen und kooperativen Lernen • ist systematisch – sowohl in der zeitlichen Abfolge als auch im inhaltlichen Aufbau (vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen), nach diesem Prinzip werden einzelne Bausteine miteinander verknüpft, • folgt lernbiologischen und -psychologischen Prinzipien (altersgemäße Inhalte, Vermittlung in kleinen Portionen, gehirngerechtes Lernen, ständiges Wiederholen und Vertiefen), • ist spiralcurricular aufgebaut (die Inhalte werden im Laufe eines Schuljahres und jeweils von Schuljahr zu Schuljahr systematisch wiederholt und vertieft), • ist leicht praktikabel (keine langen Einarbeitungszeiten, leichte Umsetzbarkeit), • ist fachübergreifend und integrativ (die Lerninhalte lassen sich auf die einzelnen Fächer übertragen; die Leitfrage lautet: Was befähigt Schülerinnen und Schüler, in allen Fächern effektiv zu lernen?), • ist handlungsorientiert, • ist erfahrungsorientiert (Schülerinnen und Schüler erkennen und verstehen bestimmte lernpsychologische und -biologische Abläufe und Zusammenhänge durch eigenes Tun und Experimentieren), • integriert unterschiedlichste Formen selbst reflektierenden und kooperativen Lernens als grundlegendes Lernprinzip, • ist für alle Lehrkräfte der Schule verbindlich, • beinhaltet somit Verantwortlichkeit (die Umsetzung, also Lernfortschritt und -erfolg, bleibt nicht dem Zufall überlassen, sondern liegt in der Verantwortung einer Lehrkraft). 31 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Ein Beispiel für die Jahrgangsstufe 7 Schulen der Sekundarstufe I sollten den Schülerinnen und Schülern einen sozialintegrativen Einstieg ermöglichen, indem in den ersten Wochen verstärkt durch Phasen des sozialen Lernens eine gute Arbeitsgrundlage für ein gemeinsames kooperatives, effektives Lernen geschaffen wird. Ein mögliches Beispiel24 wird hier vorgestellt: August/ September Oktober/ November Teamentwicklung Kennenlernwoche und Rituale Gemeinsam sind wir stark – Arbeiten in und mit der Gruppe Jungen werden Teamplayer Selbst- und Fremdwahrnehmung Stärken / Schwächen Gefühle ausdrücken Theaterprojekt, auch getrennt nach Geschlechtern Kommunikation Klassenregeln, Gespräche Arbeit mit Klassenregeln und (individuellen) Vereinbarungen/ Feedback geben und erhalten Umgang mit Konflikten Verhaltensregeln für Konfliktsituationen fair streiten, Ehrenkodex für Schüler Partizipation- und Veranwortungsübernahme Klassensprecherwahl Raumgestaltung Klassenämter Einführung Klassenrat Dezember/ Januar Februar/ März Mädchen- und Jungenprojekte April / Mai Juni/ Juli Eskalation/ Deeskalation kooperatives Lernen soziales Engagement Leistungsbewertung im Unterricht Arbeit mit dem Klassenrat Lernen lernen Lernvertrag Zusammenarbeit mit den Eltern Mädchen und Jungen – welche Erziehungsziele sind mir wichtig? Fortbildungen für Lehrkräfte passend zu den Schwerpunktsetzungen des Curriculums zum sozialen Lernen: z. B.: Kommunikationstraining, fair streiten, Methoden des kooperativen Lernens Einbeziehung von Kooperationspartnern passend zu den Schwerpunktsetzungen ist zu prüfen, welche Kooperationspartner aus dem Kiez/der Gemeinde hinzugezogen werden können. 24 Kinder stärken – aber wie? Portfolio Logbuch Kommunikation in der Familie konstruktiv gestalten Infobriefe weiteres s. Verantwortungsübernahme Elternstammtisch leicht verändert nach Elke Klein: Neue Wege entstehen beim Gehen – ein schulinternes Curriculum zum sozialen Lernen. Aus GanzGut 3, Serviceagentur Ganztag, kobra.net 09.07, Potsdam 32 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Schulmediation Mediation als Methode der gewaltfreien Konfliktbearbeitung strebt mithilfe einer allparteilichen dritten Person bei Konflikten win-win-Lösungen an. Dieses Verfahren wurde aus juristischen Schiedsverfahren in den 90er-Jahren auf die Schule übertragen. Evaluationen haben ergeben, dass eine Gelingensbedingung für die Mediation das programmatische Ziel einer wertschätzenden Schulkultur ist. In der Schullandschaft hat sich der Begriff „Schulmediation/Streitschlichtung25“ etabliert. In einer Ausbildung (mind. 40 Std.) erlernen die Schülermediatorinnen bzw. -mediatoren Kommunikations- und Mediationsmethoden wie z. B. „aktiv zuhören“, „offene Fragen stellen“, „spiegeln“ und „paraphrasieren“. Das Konfliktklärungsgespräch ist für die Kontrahenten (möglichst) freiwillig und verläuft nach einem definierten Ablauf. Die Schülerinnen bzw. Schüler, die im Konflikt stehen, erarbeiten sich mit Unterstützung der Schülermediatorinnen bzw. -mediatoren eine für sie akzeptable Lösung. Diese wird verbindlich durch eine Vereinbarung geregelt und nach einem mehrwöchigen Zeitraum auf Einhaltung überprüft. Weitere Gelingensbedingungen sind, dass ein bis zwei besonders qualifizierte Kolleginnen/ Kollegen die Streitschlichter/-innen der Schule coachen, ein Raum für die Gespräche eingerichtet ist und die Klärungsgespräche auch während der Unterrichtszeit geführt werden können. Mediation an Schulen ist dann erfolgreich, wenn 25 • Schulleitung und Kollegium das Modell aktiv unterstützen, • entsprechende Rahmenbedingungen (z. B. Bereitstellung eines Raumes, Information und Werbung, Kontinuität, Anerkennung, Entlastung der Betreuer; Unterrichtsbefreiung für die Konfliktschlichterinnen und -schlichter, Anerkennung ihrer Arbeit – Zertifikat, Urkunde etc.) gewährleistet sind, • mind. zwei Lehrkräfte über Mediationskompetenzen verfügen, • alle Schülerinnen und Schüler Kenntnisse in Mediation/konstruktive Konfliktlösung erlernen können, • eine gute Ausbildung gegeben ist, • die Schülermediatorinnen und -mediatoren bzw. Streitschlichterinnen und -schlichter durch Lehrkräfte begleitet und beraten werden, • wenn Eltern und andere Partner in die Arbeit einbezogen werden, • wenn Mediation Bestandteil einer gewaltpräventiven Schulentwicklung in der jeweiligen Schule ist. In Berlin hat sich maßgeblich das Konfliktlotsenmodell von Ortrud Hagedorn durchgesetzt. 33 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Bevor der Prozess der Verankerung der Streitschlichtung in der Schule beginnt, sollten eine Analyse der Ausgangssituation26 der Schule in Bezug auf das Umgehen mit Gewalt und Gewaltprävention und eine Festlegung von Maßnahmen in den schulischen Gremien erfolgen. Folgende Prozesse sind für die Verankerung der Schulmediation wichtig: Informationsveranstaltung Beschlussfassung Qualifizierung in Schulmediation Schulinterne Fortbildung Sozialkompetenztraining Ausbildung der Streitschlichter Projekt‐ bzw. Steuergruppe einrichten Grundkurs Mediation Umsetzung 1. Informationsveranstaltung Um eine fundierte Entscheidung über die Einrichtung von Streitschlichtung zu treffen, ist es notwendig, dass alle Lehrkräfte, die Schüler- und Elternvertretung über Schulmediation als gewaltpräventive Maßnahme informiert werden. 2. Schulinterne Fortbildung Hier sollten alle Lehrkräfte teilnehmen, da der Prozess die gesamte Schule betrifft. 3. Projekt- bzw. Steuergruppe einrichten Da die Verankerung der Streitschlichtung als Prozess zu betrachten ist, lehren die Erfahrungen, dass es sinnvoll ist, eine Projektgruppe einzurichten bzw. der bestehenden Steuergruppe diese Aufgabe zu übertragen. 4. Grundkurs Mediation Damit die Schulmediation umfassend in der Schule insgesamt verankert wird, ist es sinnvoll, dass möglichst alle Lehrkräfte einen Grundkurs in konstruktiver Konfliktklärung besuchen. Schulmediation ist nur wirksam, wenn sich im Lehrkräftekollegium ein umfassendes Verständnis für konstruktive Konfliktklärung entwickelt. 5. Sozialkompetenztraining Auch bei den Schülerinnen und Schülern entwickeln sich durch ein gezieltes Training Konfliktlösekompetenzen, die die Akzeptanz von Streitschlichtung erhöhen. 26 z. B. Vierfelder-Analyse, s. Gewaltprävention und Schulentwicklung, S. 26 34 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel 6. Beschlussfassung Die entsprechenden Gremien sollen die Etablierung von Streitschlichtung in der Schule und die notwendigen Voraussetzungen wie Stundenentlastung für die verantwortlichen Lehrkräfte, die Einrichtung eines Schlichterraums und die Akzeptanz, dass die Streitschlichtung auch während des Unterrichts erfolgen kann, beschließen. 7. Qualifizierung in Schulmediation Die Lehrkräfte (mind. zwei) nehmen an einer Ausbildung zur Schulmediation teil. Diese soll 100 Stunden umfassen. 8. Ausbildung der Streitschlichter Die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler als Streitschlichter umfasst mindestens 40 Stunden. Die Auswahl sollte nach verabredeten Kriterien erfolgen. 9. Umsetzung Bei der Umsetzung ist eine externe Begleitung bzw. die Teilnahme an Intervisionsgruppen für die Etablierung des Projekts in der Schule Erfolg versprechend. Die Verankerung der Streitschlichtung in der Schule ist erfolgreich, wenn es seitens aller Beteiligten eine konstruktive Unterstützung gibt. Ein Zeitraum von 3 bis 5 Jahren ist einzuplanen. Ursachendiagnose/Perspektiven Die Schulmediation (Streitschlichterprogramme) ist in vielen Schulen noch zu wenig in die schulische Bildungs- und Erziehungsarbeit integriert. Es geht um die Übertragung von Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler. Der vorherrschende „Ausbildungsansatz“ ist dem Mediationsgedanken eher abträglich, weil er mit der traditionellen Schulpraxis in Konflikt gerät. Zu empfehlen ist eher ein „systemischer Ansatz“, der die Integration der Streitschlichtung auf allen Ebenen des Systems Schule (Kollegium, Klasse, Unterricht, Umfeld) verfolgt. Bei diesem Ansatz ist z. B. vorstellbar, dass in jeder Klasse Streitschlichter ausgebildet sind, die die Konflikte der Klasse klären und dass jede Klasse in der Jahrgangsstufe 7 einen Basiskurs in konstruktiver Konfliktschlichtung absolviert und ggf. sich Erweiterungskurse in den höheren Jahrgängen anschließen. Darüber hinaus wirken Streitschlichter auf Jahrgangsebene und auf Schulebene. Sie sind für Konflikte zuständig, die außerhalb des Unterrichts in den Pausen und auf dem Schulhof bzw. auf dem Schulweg entstehen. Abgerundet wird dieser Ansatz, wenn auch möglichst viele (alle) Lehrkräfte ein Training in gewaltfreier Kommunikation und konstruktiver Konfliktklärung absolvieren. • Hilfe, Unterstützung, Beratung und weiterführende Materialien Unterstützung und Beratung sind im Kapitel 8 zu finden. 35 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Programme zum sozialen Lernen Lebenskompetenzprogramme Programme zum sozialen Lernen in der Schule haben den Vorteil, dass sie alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Die Entwicklung der sozialen und personalen Kompetenz wird zwar in jedem Unterricht gefördert, durch diese Programme erfolgt aber eine systematische und nachhaltige Förderung. Die hier beschriebenen Programme sind wissenschaftlich erfolgreich evaluiert. Die aufgeführten Programme sind zumeist für die Gewalt- bzw. Suchtprävention entwickelt worden, gelten aber als Basisprogramme zur Entfaltung sozialer und demokratischer Kompetenzen und steigern die Lernleistungen der Kinder- und Jugendlichen insgesamt. Alle hier aufgeführten Programme benötigen einen schulorganisatorischen Rahmen, der gewährleistet, dass ein Zeitfenster zur Verfügung steht, um die interaktiven Übungen durchführen zu können. Dieses Zeitfenster ist je nach Programm epochal oder für das ganze Schuljahr zu gewährleisten. Eines oder mehrere Programme sollten in einer Informationsphase im Lehrkräftekollegium, der Schüler- und Elternvertretung vorgestellt werden. Nach dem Beschluss durch die Schulkonferenz wird eines der Programme jahrgangsweise eingeführt und nachhaltig im Schulalltag verankert. Nur so ist die Wirkung für die Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte nachhaltig und erfolgreich. Bei jedem aufgeführten Programm ist beschrieben, • • • • • • in welchen Jahrgängen es einsetzbar ist, wie das Material aufgebaut ist, wie das Material eingesetzt wird, welche Kosten auf die einzelne Schule zukommen, welche Fortbildungsmaßnahmen für die Lehrkräfte notwendig sind, wer für die Fortbildung in Berlin und Brandenburg die Ansprechpartner sind. Außer diesen Programmen gibt es weitere Programme, die entweder als Landesprogramme z. Z. nur in Berlin laufen, wie z. B. Buddy, Klasse 2000, Mindmatters. Diese sind auf den jeweiligen Internetseiten beschrieben, können aber in Schulen des Landes Brandenburg nicht wirksam werden, da das Land keinen entsprechenden Kooperationsvertrag abgeschlossen hat. Andere Programme, die hier auch nicht ausführlich beschrieben sind, haben bisher in den Schulen keine Akzeptanz gefunden. Alle Programme, die evaluiert sind, wurden in PITBrandenburg27 beschrieben. 27 PITBrandenburg: Schulische Prävention im Team. LISUM, 2008, Ludwigsfelde Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenzprogamme in Deutschland. Köln 2005 36 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Programme für Grundschülerinnen und -schüler Fit und stark fürs Leben Jahrgang (Jhg.) •1.bis 2. Jhg. •3. bis 4. Jhg. •5. bis 6. Jhg. Material Einsatz •20 Unterrichts‐ einheiten •3 Doppeljahrgs‐ stufenhefte käuflich zu erwerben •im Unterricht durch Lehrkraft •regionale Fortbildung, LISUM Kosten •Kauf der Materialien im Buchhandel •Fortbildung kostenneutral Das Programm zielt auf Aggressionsabbau und Suchtprävention durch Persönlichkeitsförderung in den Jahrgangsstufen 1 – 6. „Fit und stark fürs Leben“ ist ein erprobtes Unterrichtsmaterial zur Persönlichkeitsstärkung. Es wurde im Rahmen eines europäischen Gemeinschaftsprojekts entwickelt und enthält für die Jahrgangsstufen 1 und 2 sowie 3 und 4 jeweils in einem Heft 20 klar strukturierte Unterrichtseinheiten, die eine Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen in folgenden Bereichen anstreben: • • • • • • Selbstwahrnehmung und Einfühlungsvermögen, Umgang mit Stress und negativen Emotionen, Kommunikation, kritisches Denken/ Standfestigkeit, Problemlösen, gesundheitsrelevantes Wissen. Material Unterstützung und Beratung • Asshauer, M.; Burow, F.; Hanewinkel, R. (1998): Fit und stark fürs Leben. 1. und 2. Schuljahr – Persönlichkeitsentwicklung und Prävention von Aggression, Rauchen und Sucht. Klett Grundschulverlag, Leipzig • Asshauer, M.; Burow, F.; Hanewinkel, R. (1999): Fit und stark fürs Leben. 3. und 4. Schuljahr – Persönlichkeitsentwicklung und Prävention von Aggression, Rauchen und Sucht. Klett Grundschulverlag, Leipzig • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie 37 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel FAUSTLOS – Ein Programm des Heidelberger Therapiezentrums Jahrgang (Jhg.) • Kindergarten • Grundschule 1. bis 4. Jhg. Material • Lernprogramm • Folien im Faustloskoffer Einsatz Kosten • im Unterricht • durch Lehrkraft • Fortbildung durch das Heidelberger Theraphiezentrum (ein Tag) • Materialkosten • Fortbildungkosten FAUSTLOS ist ein Programm, das Kindern hilft, ihr aggressives Verhalten eigenständig zu kontrollieren, und unterstützt den Aufbau von positivem Sozialverhalten. Es wurde für die Arbeit im Kindergarten und in der Grundschule entwickelt. Dieses Präventionsprogramm basiert auf entwicklungspsychologischen Erkenntnissen zur sozial-emotionalen Entwicklung von Kindern: Defizite in diesem Bereich produzieren die Entwicklung eines aggressiven und gewaltbereiten Verhaltens. Entfaltet sich die Empathiefähigkeit im kindlichen Alter nicht, sind Jugendliche nicht in der Lage, kooperative Problemlösestrategien zu entwickeln, um sich bei der Lösung alltäglicher Probleme sozialintegrativ verhalten zu können. Mit dem Programm wird soziales Verhalten gelernt und eingeübt. Effektiv ist das Programm, da es didaktisch gut aufgebaut ist und die Lerneinheiten systematisch aufeinander aufbauen und somit in der kontinuierlichen Anwendung eine nachhaltige Verhaltensveränderung und ein Transfer in den Alltag erzeugt wird. Da FAUSTLOS sich allen Kinder einer Klasse zuwendet, erfolgt keine Stigmatisierung Einzelner, sodass sowohl kindliche Opfer wie Täter gemeinsam ihr Verhalten trainieren. Das Lernprogramm liegt für den Kindergarten sowie für die Grundschule vor. Es ist so gegliedert, dass es leicht in den Alltag integrierbar ist. Für die Grundschule liegen 51 Einheiten; für den Kindergarten 28 Lektionen vor: In allen Einheiten sind die Förderung von Empathie, Impulskontrolle und der Umgang mit Ärger und Wut die grundlegende Zielsetzung. Die Materialien für die Grundschule bestehen aus Fotofolien, die den Kindern verschiedene soziale Situationen zeigen, aus einem didaktischen Material und einem Handbuch mit theoretischem Hintergrund. Die Unterrichtsmaterialien („FAUSTLOS-Koffer") können über den Hogrefe-Verlag bezogen werden (498 €). Bei der Teilnahme an einer eintägigen Fortbildung kann das Heidelberger Präventionszentrum die Materialien zu einem um 10% ermäßigten Preis anbieten (E-Mail: [email protected], Internet:www.faustlos.de). Die Materialien für den Kindergarten sind in derselben Form strukturiert. Das Programm FAUSTLOS wurde im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg durch das Heidelberger Präventionszentrum an 14 Grundschulen (30 Klassen) über einen Zeitraum von drei Jahren eingesetzt. 7 weitere Schulen dienten als Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Längsschnittstudie mit insgesamt vier Messzeitpunkten, zu denen Eltern, Kinder und Lehrkräfte befragt wurden, belegen die gewaltpräventive und 38 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel soziale Kompetenz fördernde Wirkung von FAUSTLOS (vgl. zusammenfassend den Abschlussbericht von Cierpka, Schick & Ott, 2001). So hatten die FAUSTLOS-Kinder deutlich weniger soziale Ängste als die Kinder in der Vergleichsgruppe, waren empathischer geworden und lehnten aggressive Verhaltensweisen als Mittel der Konfliktlösung zunehmend ab. Material Unterstützung und Beratung • Cierpka, M. (Hrsg.) (2001). FAUSTLOS. Ein Curriculum zur Prävention von aggressivem und gewaltbereitem Verhalten bei Kindern der Klassen 1 bis 3. Göttingen: Hogrefe • Cierpka, M. (Hrsg.) (2002): Kinder mit aggressivem Verhalten. Hogrefe, Göttingen, 2. Auflage • Das LISUM bietet in Kooperation mit den Beraterinnen und Beratern für soziales Lernen und Demokratie eine erste Information an. Die Durchführung der Fortbildung erfolgt direkt durch das Heidelberger Präventionszentrum. 39 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Eigenständig werden – Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung und Persönlichkeitsentwicklung Jahrgang (Jhg.) • Grundschule 1. bis 2. Jhg. • 3. bis 4. Jhg. Material Einsatz • Schülermanual mit 40 Lerneinheiten • Lehrerhandbuch • im Unterricht je 10 Stunden pro Schuljahr • durch Lehrkraft • 16 Stunden Fortbildung durch Trainer Kosten • Manual kostenneutral • Fortbildung kostenneutral Das Programm „Eigenständig werden“ ist ein Programm zur Gesundheitsförderung und zur Primärprävention des Substanzmissbrauches an Schulen. Die allgemeinen persönlichen und sozialen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler werden gezielt gefördert. Die Unterrichtseinheiten behandeln Themen wie Selbstwahrnehmung, der Umgang mit eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer, kritische Auseinandersetzung mit Werbung und konstruktives Problemlösen. Durch das Programm erwerben die Kinder alters- und entwicklungsadäquate Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen: • • • • • Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheitsförderung, Suchtprävention, Gewaltprävention, Förderung von Lebenskompetenzen. Das Programm ist bei Lehrkräften auf große Zustimmung gestoßen. In den Klassen hat sich das soziale Klima in der Zeit der Projektdurchführung merklich verbessert. Es kam zu einer Abnahme von Verhaltensauffälligkeiten und Gewaltbereitschaft sowie zu einer Zunahme sozialer Kompetenzen. • Institut für Therapie‐ und Gesundheitsforschung, Mentor‐Stiftung: Eigenständig werden ‐ Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung, Kiel 2007, 3. Aufl. Material Unterstützung und Beratung • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie • bzw. direkt durch Trainerinnen zum Programm: www.eigenstaendig‐werden.de 40 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Erziehen heißt bilden Jahrgang (Jhg.) • JÜL • Grundschule 1. bis 6. Jhg. Material Einsatz • Schülermanual mit 7 Lernein‐ heiten und Lehreranleitung, • Ordner und CD • im Unterricht • in der Schulstation • im Freizeitbereich Kosten • Manual kostenneutral • Fortbildung kostenneutral In dem Programm „Erziehen heißt bilden“ stehen das soziale und das kommunikative Lernen im Zentrum für gelingende Lernprozesse im Vordergrund. Lehrkräfte und Erzieher/innen erhalten hier Anregungen und Ideen, wie solche Fähigkeiten erlernt und trainiert werden können, welche diagnostischen Möglichkeiten in der Beobachtung spielerischer Aktivitäten stecken und wie Förderung erwünschter Verhaltensweisen gelingen kann. Das Programm benennt zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten zwischen den genannten Berufsgruppen und beschränkt sich nicht auf den Bereich von Betreuung, Freizeitgestaltung oder auf ein „soziales Anhängsel“. Im Zentrum steht die Entwicklung von Handlungskompetenz. Sie umfasst die Teilkompetenzen Methoden-, Sach-, soziale und personale Kompetenz. Diese Handreichung richtet sich an Lehrer/innen und Erzieher/innen, weil eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin besteht, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung von Selbst- und Sozial-Kompetenz zu unterstützen. Die vorliegende Handreichung soll dazu einen Beitrag leisten und gleichzeitig den vielen Kolleginnen und Kollegen, die bisher noch nicht in der Schule gearbeitet haben, für ihr neues Wirkungsfeld Hilfestellung geben. Im ersten Teil der Broschüre wird beschrieben, wie Lehrer/innen und Erzieher/ den Bildungsprozess von Kindern begleiten können. Sie bietet verschiedene Möglichkeiten, einen konstruktiven Umgang mit Kindern miteinander einzuüben und zur Auseinandersetzung damit anzuregen. Der zweite Teil der Handreichung enthält Spiele und Übungen zu sieben Handlungsfeldern des sozialen Lernens, die zu einer gezielten Kompetenzerweiterung bei Schülerinnen und Schülern beitragen sollen. • Kontakt aufnehmen / Kennen lernen / Sich miteinander wohl fühlen • Sich selbst und andere wahrnehmen / Selbstwertgefühl stärken • Mit den eigenen und den Gefühlen anderer umgehen • Kommunikationsfähigkeit erweitern • Kooperationsfähigkeit entwickeln 41 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel • Mit Konflikten konstruktiv umgehen • Sich mit Geschlechterzuschreibungen kritisch auseinandersetzen Material Unterstützung und Beratung • Böttger, G.; Hein, R.; Kügele, H.; Reich, A.; Wichniarz, M. u.a. (2009): Erziehen heißt bilden – Eine Handreichung für Erzieher/innen und Lehrer/innen. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin‐Brandenburg, 2.Aufl. • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie 42 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Sozialtraining in der Schule (nach Petermann) Jahrgang (Jhg.) • 4. Jhg. • 7. Jhg. Material Einsatz • Lernprogramm zum Lernen von Regeln • 10 Doppel‐ stunden • durch Lehrkraft • Fortbildung durch BUSS und LISUM (ein Tag) Kosten • Materialkosten • Fortbildung kostenneutral Angelehnt an das Training mit aggressiven Kindern (Petermann / Petermann 1997) wurde zur Förderung sozial-kompetenten Verhaltens bei Schülerinnen bzw. Schülern das präventiv wirkende Sozialtraining in der Schule (Petermann / Jugert / Tanzer / Verbeek 1997) entwickelt. Das Programm bezieht sich auf die Schülerinnen bzw. Schüler der Grund- und Orientierungsstufe (Jahrgangsstufe 3 bis 6), die sich in einer Entwicklungsphase befinden, in der sie ein hohes Maß an sozialer Orientierung benötigen und in der bei vielen Schülerinnen bzw. Schülern Verhaltensauffälligkeiten, wie aggressives und sozial unsicheres Verhalten zu beobachten sind. Mittels der Stärkung der Sozialkompetenz und der Förderung sozialer Fähigkeiten soll der Verfestigung dieser Auffälligkeiten und daraus resultierender potenzieller Verhaltensstörungen präventiv entgegengewirkt werden. Mit dem Sozialtraining werden Lehrkräften verhaltenstheoretische und praktische Kenntnisse an die Hand gegeben, um auf die Schülerinnen bzw. Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten angemessen reagieren zu können bzw. diesen entsprechende Verhaltensmuster zu vermitteln. Die Ziele des Programms werden zum Großteil aus der Theorie der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Dodge (1986) abgeleitet. Dodge beschreibt, wie Eindrücke aus der sozialen Umwelt (Informationen) verarbeitet, gespeichert und interpretiert werden und dadurch handlungsleitend wirken. Von Kindern mit Verhaltensstörungen werden diese Informationen auf allen Stufen verzerrt oder fehlerhaft wahrgenommen und verarbeitet, z. B. selektiv auf bedrohlich eingestufte Handlungen. Diese Befunde werden vom Sozialtraining aufgegriffen, indem es kognitive Prozesse in spielerische Übungen des sozialen Lernens einbettet, die den Aufbau eines differenzierten und situationsangemessenen Verhaltensrepertoires bei den Kindern ermöglichen (soziale Fertigkeiten). Das Verhaltenstraining umfasst einen Mindestzeitraum von zehn Wochen mit einer jeweils 90-minütigen Trainingssitzung pro Woche und beinhaltet einen Maßnahmenkatalog u. a. mit Rollenspielen, Verhaltensregeln, Entspannungsübungen und Verfahren wie Selbstbeobachtungs- und Selbstkontrolltechniken in kindgerechter Form. Die erfolgreiche Anwendung des Verhaltenstrainings setzt eine Lehrkräfteschulung in der Handhabung des Manuals und der sicheren Beherrschung des Trainingsprogramms voraus. Die Ergebnisse bisheriger Evaluationen weisen darauf hin, dass durch das Sozialtraining eine leicht erhöhte Aggressionsbereitschaft sowie eine leicht erhöhte Angst von Schülerinnen bzw. Schülern deutlich verringert werden konnte. Damit konnte im Hinblick auf Schülerinnen bzw. Schüler mit leicht aggressiven und sozial unsicheren Auffälligkeiten die primärpräventive Wirkung des Programms nachgewiesen werden. 43 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Material Unterstützung und Beratung • Petermann F.; G. Jugert; U. Tanzer; D. Verbeek (1997): Sozialtraining in der Schule. Weinheim: Psychologie Verlags Union • Petermann, F.; G. Jugert; D. Verbeek; U. Tänzer (1997): Verhaltenstraining mit Kindern. In: Holtappels, H.G./Heitmeyer, W./Melzer, W./Tillmann, K.‐J. (Hg.): Schulische Gewaltforschung. Stand und Perspektiven. Weinheim: Juventa, S. 315‐329 • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie 44 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Gewaltfreier Umgang mit Konflikten / Streitschlichtung für jüngere Schülerinnen und Schüler Jahrgang (Jhg.) • 1. bis 6. Jhg Material Einsatz • Lernprogramm zur gewaltfreien Konfliktlösung • Unterricht • durch Lehrkraft • Fortbildung durch BUSS und RAA e.V. Kosten • Materialkosten • Fortbildung kostenneutral Die hier aufgeführten Programme richten sich zum einen an alle Schülerinnen bzw. Schüler einer Klasse, die zumeist durch spielerischen Unterricht einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten erlernen, und zum anderen an die gesamte Schule, die Streitschlichtung als eine Institution einrichten will. Jamie Walker stellt heraus, was es zum gewaltfreien Umgang bedarf und wie die Schülerinnen bzw. Schüler zu einer positiven Veränderung ihres Handelns bewegt werden können. Ziel der angestrebten gewaltfreien Konfliktaustragung ist eine Lösung, bei der beide Konfliktparteien gewinnen. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler motiviert werden, selbstständige Entscheidungen zu treffen, um letztendlich ihre Konflikte allein und gewaltfrei auszutragen. Als unverzichtbar betrachtet Walker folgende Voraussetzungen: 1. Achtung vor sich selbst und anderen; 2. Bereitschaft zum Zuhören und zum Verständnis; 3. Einfühlungsvermögen; 4. Selbstbehauptung; 5. Zusammenarbeit in der Gruppe; 6. Aufgeschlossenheit und kritisches Denken; 7. Fantasie, Kreativität und Spaß. Walkers Buch bietet eine Fülle von spielerischen Möglichkeiten, jedoch kein geschlossenes Programm. Das Streitschlichterprogramm von Karin Jefferys-Duden bietet Grundschullehrkräften eine Anleitung für eine Mediatorenausbildung für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 3 bis 6. Mediation (lat. Vermittlung) meint dabei ein Verfahren zur konstruktiven Regelung eines Konflikts, bei dem die Konfliktparteien mit Unterstützung eines Dritten (Mediator) einvernehmliche Vereinbarungen suchen, die ihren Bedürfnissen und Interessen dienen. Mithilfe der anspruchsvollen Inhalte und Übungen des Programms dürfte es problemlos möglich sein, die Schülerinnen und Schüler in Schlichtungsfähigkeiten und -ablauf einzuweisen. Das Programm beschreibt, wie die einzelnen Schritte mit gezielten Übungen vertieft werden können und wie Schlichtung an einer Schule institutionalisiert werden kann. Das Buch gliedert sich in verschiedene Unterrichtseinheiten mit vielen Arbeitsblättern und Beobachtungsbögen. 45 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Die verschiedenen Unterrichtseinheiten sind: 1. Einführung in die Schlichtung, 2. Konfliktlösungen, 3. Schlichterkenntnisse und -fähigkeiten, 4. Gefühle erkennen, benennen, vergleichen, 5. Schlichtungsablauf, 6. Erfolgskontrolle. Es ist sinnvoll, das Streitschlichterprogramm von Karin Jefferys-Duden nicht nur in einer Klasse, sondern in der gesamten Schule nachhaltig einzuführen. Material Unterstützung und Beratung • Walker, J. (1995): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule. Grundlagen und didaktisches Konzept. Spiele und Übungen für die Klassen 1‐4. Frankfurt/Main: Cornelson Scriptor • Jefferys‐Duden, K. (1999): Das Streitschlichterprogramm. Mediatorenausbildung für Schülerinnen und Schüler der Klassen 3‐6. Weinheim, Basel: Beltz‐Verlag • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie bieten für Berliner Lehrkräfte eine Konfliktlotsenausbildung an. • Das LISUM bietet in Kooperation mit der RAA für brandenburgische Pädagoinnen und Pädagogen einen Jahreskurs zur Schulmediation an. Eine Ausbildung für Schülerinen und Schüler wird durch die RAA und weitere Anbieter geboten. • Anbieter kann das LISUM und die regionale Fortbildung vermitteln. 46 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Programme für Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I PAGS – Unterrichtsmaterialien zur Prävention von Aggression und Gewalt an Schulen Jahrgang (Jhg.) • • • • • 1. bis 2. Jhg 3. bis 4. Jhg 5. bis 6. Jhg 7. bis 8. Jhg 9. bis 10. Jhg Material Einsatz • Lernprogramm zur Gewaltprävention • und zum sozialen Lernen • fünf Themenkomplexe • • • • Unterricht Extra-Stunde durch Lehrkraft Fortbildung durch BUSS, LISUM und RAA e.V. Kosten • Materialkosten • Fortbildung kostenneutral • Fortbildung durch die Autorinnen mit Kosten verbunden Das Material ist eingebettet in ein umfassendes Konzept zur Gewaltprävention an Schulen. Es wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts von September 2000 bis Februar 2002 an ausgewählten brandenburgischen Schulen von Prof. Dr. Rita Marx und Susanne Saliger, Fachhochschule Potsdam, erprobt, implementiert und evaluiert. Der Einstieg in das Programm beginnt mit einem Fragebogen, mit dem das Problembewusstsein in der Schule eingeschätzt werden kann. Die Materialien bieten theoretische Informationen zu Erscheinungsformen von Gewalt. Die Bedeutung des sozialen Lernens wird beschrieben und in einem Elternbrief den Erziehungsberechtigten nahegebracht. Ziel der curricularen Arbeit ist es, Lernprozesse anzuleiten und anzuregen, die zur Prävention von Aggression und Gewalt beitragen. Die Schülerinnen und Schüler sollen – im Sinne einer primären Prävention – mit neuen/alternativen, gewaltfreien Verhaltensweisen vertraut gemacht werden, prosoziale Kompetenzen erwerben sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zu einem Umgang mit Aggression und potenzieller Gewalt im Sinne von konstruktiver, nicht gewaltförmiger Konfliktlösung beitragen, einüben. Das Unterrichtsmaterial umfasst die fünf Themenkomplexe: • • • • • Wahrnehmung von und Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen, Förderung kommunikativer Fähigkeiten und Fertigkeiten, Förderung der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, Neugier auf das Fremde, Wahrnehmen von und Umgang mit Konflikten. Die Materialien bieten Lehrkräften, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern – thematisch in fünf Themenkomplexen zusammengefasst – curriculare Module mit 47 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Interaktionsübungen, die in der gewaltpräventiven Arbeit mit Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden können. Jeder Themenbereich umfasst Übungen, die altersspezifisch Doppeljahrgangsstufen zugeordnet sind. Das Programm zeigt Möglichkeiten für alle Jahrgangsstufen auf. Jeder inhaltliche Themenbereich ist strukturiert durch eine einleitende pädagogische Bemerkung und die didaktische Beschreibung der Übungen. Entsprechende Übungsmaterialien für die Kinder bzw. Jugendlichen folgen als Kopiervorlagen. Der Ansatz verfolgt das Training von Fertigkeiten und bietet curriculare Module zur Selbsterfahrung, zum Perspektivenwechsel und Umgang mit Andersartigkeit. Die Materialien enthalten kopierfähige Arbeitsblätter, (Rollen-)Spiele und Interaktionsübungen sowie Materialien für die Eltern. Material • Marx, R.; Saliger, S. (Hrsg.): PAGS. Unterrichtsmaterialien zur Prävention von Aggression und Gewalt an Schulen(2004), 2. Auflage, Vertrieb: Institut für Fortbildung, Forschung und Entwicklung e.V. (IFFE) an der Fachhochschule Potsdam • Das Material ist über das LISUM oder die Fachhochschule zu beziehen. • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie Unterstützung und Beratung 48 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Lions-Quest International Programm „Erwachsen werden – Persönlichkeitsentfaltung von Jugendlichen Jahrgang • 5. bis • 10. Jahrgang Material Einsatz • Lernprogramm zur Gewalt- und Gesundheitsprävention und zum sozialen Lernen • Extra-Stunde • durch Lehrkraft • Fortbildung durch LionsQuest Kosten • Für die jeweilige Schule entstehen Fortbildungskosten. Das Material wird dann kostenlos an die Schule übergeben. Die Förderung sozialer Kompetenzen junger Menschen in der Schule steht im Mittelpunkt von „Erwachsen werden“. Das Programm will die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, • ihr Selbstvertrauen und ihre kommunikative Kompetenz zu stärken, • Kontakte und Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, • Konflikt- und Risikosituationen in ihrem Alltag zu begegnen, • für Probleme, die gerade die Pubertät gehäuft mit sich bringt, konstruktive Lösungen zu finden, • kritisches Denken und den Mut zu entwickeln, die eigene Meinung offen zu vertreten, • sich für sich selbst und andere zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, und so das Bewusstsein zu erhalten, etwas bewirken zu können und daraus Bestätigung zu erhalten, • die eigene Entschlusskraft und Entscheidungsfreudigkeit bis hin zum Nein-Sagen zum Mitmachen bei Gefährdungen zu stärken, • das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern spürbar zu verbessern, • die Schulleistungen erkennbar zu verbessern und den Spaß am Lernen wieder zu finden. Gleichzeitig möchte es ihnen beim Aufbau eines eigenen Wertesystems Orientierung anbieten. Damit ordnet sich das Konzept in den Ansatz der Life-Skills-Erziehung („Lebenskompetenz-Erziehung“) ein, dem von der aktuellen Forschung die größten Erfolgsaussichten bei der Prävention (selbst-)zerstörerischer Verhaltensweisen zugesprochen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen: Die Vermittlung von Lebenskompetenzen („Life Skills") ist gleichzeitig die wirksamste Vorbeugung gegen Suchtgefährdung und reduziert die Gewaltbereitschaft. 49 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Bei diesem Programm stehen als Manual 73 Unterrichtsthemen durch Lions-Quest geschulte Lehrkräfte zur Verfügung. Ziel ist es, in einem Zeitraum von zwei Jahren Fähigkeiten und Fertigkeiten von 10- bis 15-Jährigen zu entwickeln. Die Unterrichtseinheiten sind dabei den folgenden sieben Themenbausteinen28 zugeordnet: • • Erwachsen werden – Life-Skill-Programm für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Ich werde Teenager: die bevorstehende Herausforderung. Stärkung des Selbstvertrauens. • Mit Gefühlen umgehen. • Die Beziehungen zu meinen Freunden. • Mein Zuhause. • Es gibt Versuchungen: Entscheide dich. • Ich weiß, was ich will. • Sammlung von Energizern. • „Jahre der Überraschung“ - Anregungen zur Durchführung unterstützender Elternarbeit. Ein weiterer Schwerpunkt des Programms ist die aktive Mitarbeit der Eltern, die über Briefe und ein Begleitheft mit einbezogen werden. Eine Erprobungsstudie von Hurrelmann ergab bereits 1996 eine hohe Akzeptanz des Programms bei Lehrkräften, Schülerinnen bzw. Schülern und Eltern. Material Unterstützung und Beratung 28 • Diese Materialien sind nur im Zusammenhang mit einer durch Lions‐Quest organisierte Lehrkräftefortbildung zu beziehen. Sie sind nicht im Buchahndel erhältlich. Das Material umfasst ein Lehrerhandbuch mit einer CD‐ROM, einen Schülerordner, das Elternheft und Elternbriefe. • Die Fortbildung wird durch Lions‐Quest‐Trainerinnen durchgeführt. Interessierte Schulen im Land Brandenburg können eine Unterstützung durch Herrn Günther Hennig erhalten. E‐Mail: as‐[email protected] Alle Bausteine sind ausführlich auf der Internetseite von Lions-Quest beschrieben.(http://www.lions-quest.de) 50 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Programm für Schulen der Sekundarstufe I Kompetenztraining “FIT FOR LIFE” Jahrgang (Jhg.) • 7. bis 10. Jhg Material Einsatz • Lernprogramm zur Gewalt‐ und Gesundheits‐ prävention und zum sozialen Lernen • Extra‐Stunde durch Lehrkraft • Fortbildung durch die regionalen Unterstützungs‐ systeme • Sozialpädagogin‐ nen und ‐pädagogen Kosten • Materialkosten • Fortbildung ist kosteneutral Dieses Programm beugt bei Jugendlichen ab dem Alter von dreizehn bis vierzehn Jahren durch die Stärkung ihrer sozialen Kompetenz Aggression, Gewalt und soziale Unsicherheit vor. Das Training thematisiert soziale Wahrnehmung, Kommunikation, Kooperation, Lebensplanung, berufliche Schlüsselqualifikationen, Umgang mit Gefühlen, Einfühlung, gewaltfreie Konfliktlösung, Umgang mit Lob und Kritik. Das geschieht mit Methoden wie strukturierten Rollenspielen, Verhaltensübungen, Einübung sozialer Regeln, Konzentrationsübungen und Trainingsritualen. Das Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass aggressive Kinder und Jugendliche erhebliche Probleme mit der Wahrnehmung und Verarbeitung sozialer Informationen haben. Während des Trainings nehmen die Kinder und Jugendlichen regelmäßig an Rollenspielen und Verhaltensübungen teil, in denen sie mithilfe von sozialen Regeln, Entspannung und Trainingsritualen ihre Wahrnehmung, den Umgang mit Gefühlen, ihre Kommunikation, Kooperation und Empathie verbessern. Module des Trainings: • • • • • • • • • • • • • Selbstmotivation zu dem Training Gesundheit Selbstsicherheit Körpersprache Kommunikation Fit für Konflikte Teil I Freizeit. Lebensplanung Beruf und Zukunft Gefühle Einfühlungsvermögen Fit für Konflikte Teil II Lob und Kritik. Jedes Modul ist auf einen Fähigkeits- bzw. Kompetenzbereich bezogen und folgendermaßen aufgebaut: • • • Titelblatt mit Cartoon Begriffsklärung Feinziele 51 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel • drei Trainingsvorschläge, jeweils mit o Zielangabe o Angabe des benötigten Materials o Übungsanweisungen o Auswertungsanleitung o Arbeitsbogen mit Cartoons Alle Trainingsstunden haben eine feste transparente Struktur. Dies ist für die Jugendlichen hilfreich und förderlich, da sie dadurch die Aufgaben Schritt für Schritt lösen können. Durch das Einhalten des strukturierten Sitzungsablaufs wird den Jugendlichen eine Struktur vermittelt, die Verhaltenssicherheit fördert und zum Aufbau von Vertrauen zu der Trainerin bzw. zum Trainer beiträgt. Gleichbleibende Handlungsabläufe sorgen für Überschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit. Die Trainingsrituale sind in Anlehnung an das Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura gestaltet. Sitzungsaufbau des FIT FOR LIFE‐Trainings Stimmungslage Besprechung von Regeln Entspannung Bearbeitung eines Moduls Auswertung und Transfer Abschlussrunde • Jugert; Gert u.a.: FIT FOR LIFE. Module und Arbeitsblätter zum Training sozialer Kompetenzen für Jugendliche. Juventa. Weinheim 2001 Material Unterstützung und Beratung • Regionale Fortbildung Brandenburg: Beraterinnen und Berater für soziales Lernen und Demokratie bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAA e.V. • Regionale Fortbildung Berlin: Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Demokratie 52 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Gewaltprävention durch Demokratiepädagogik Demokratiepädagogische Ansätze befördern die Gewaltprävention: „Es gibt einen grundlegenden und empirisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Demokratieerfahrung und Gewaltverzicht: Wenn Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, dass in Schule und Erziehung Mitwirkung, demokratisches Handeln und Verantwortungsübernahme erwünscht sind und als wichtig anerkannt werden, sind sie für Gewalt und Rechtsextremismus weniger anfällig als Jugendliche, denen diese Erfahrung versagt bleibt. Die Schule verfügt hier also über eigene, grundlegende und nachhaltig wirksame Mittel und Möglichkeiten.“29 Dieser Zusammenhang fand bisher in der Auseinandersetzung um Gewalt in den Schulen noch wenig Beachtung. Demokratie als Gesellschafts- und Herrschaftsform ist zwar Gegenstand des Unterrichts, gemeint ist aber die Demokratie als Lebensform in der Schule. Besonders erfolgreich ist, wenn alle Beteiligten einer schulischen Organisation, d. h. Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern, in partizipativen Aushandlungsprozessen die entsprechende demokratiepädagogischen Entwicklungsvorhaben nach einem Mehrebenenkonzept30 im schulischen Alltag und im Schulprogramm verankern: • individuelle Ebene, • Klassenebene, • Schulebene. Auf der individuellen Ebene können die Schülerinnen und Schüler ihre Lernentwicklung so gestalten, dass ihre demokratiepädagogischen Kompetenzen entwickelt werden. Sie lernen sich und die anderen wahrnehmen, üben wertschätzende Kommunikation und konstruktive Konfliktlösungsstrategien ein. Sie übernehmen für sich und andere Verantwortung, steuern selbstwirksam ihren Lernprozess und werden altersadäquat in der Gemeinschaft tätig. Auf der Klassenebene werden Lernstrategien entwickelt, die das Miteinander kommunikativ wertschätzend und in einer konstruktiven Konfliktkultur und mit Methoden des kooperativen Lernens gestalten. Zunehmend steuern sie in Eigenverantwortung die sozialen Belange der Klasse bzw. der Schule und wirken mit zivilgesellschaftlichem Engagement aktiv in der Gemeinde bzw. dem Kiez mit. Auf der Schulebene sind die Schülerinnen und Schüler tätig, um diese Strategien zwischen den Akteuren von Schule auszuhandeln, und tragen dazu bei, dass mehr Demokratie in der Schule im Schulprogramm verankert wird und Aktivitäten ihrer Schule in der Demokratie stärker in den Mittelpunkt von schulischen Aktivitäten gerückt werden. Dies kann bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler sich aktiv in die Unterrichtsgestaltung einbringen sowie dazu beitragen, dass die Schulorganisation sich verändert und Projekte etabliert werden. Es kann aber auch bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler sich engagiert in die Umgebung außerhalb der Schule in Sinne von Service Learning31 einbringen. 29 30 31 Wolfgang Edelstein / Peter Fauser: Demokratie lernen und leben. Bund Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung. 96/2001, S. 20 PITBrandenburg: Schulische Prävention im Team. LISUM, 2008, Ludwigsfelde Service Learning s. im Internet unter: http://www.servicelearning.de/. 53 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Die Implementierung als Mehrebenenkonzept soll durch zwei Beispiele transparent gemacht werden: demokratische Partizipation bei der Schulkultur Demokratiepädagogische Handlungskompetenzen werden mit nachfolgenden Lernarrangements aufgebaut und wirken gewaltpräventiv: individuelle Ebene Klassenebene Schulebene/Öffnung Pate, Mentor, Buddy Lernen durch Engagement Aktivitäten in der Gemeinde, im Kiez Verantwortungsübernahme Klassenrat Schulgemeinde Planungskompetenz Projektaktivitäten Mediation/ Streitschlichtung Allparteilichkeit Olweus-Programm Schulhof gestalten Audit Zertifizierung demokratische Partizipation bei der Lernkultur Kompetenztraining durch Programme zum sozialen Lernen schuleigenes Curriculum zum sozialen Lernen demokratisches Sprechen Deliberation, Debating Debatingforum Feedback Klassenfeedback systemisches Schulfeedback Selbstachtung wertschätzendes Miteinander Anerkennungskultur gewaltfreie Kommunikation gewaltarme Anerkennungskultur Ich-Identität entwickeln Kinderrechte Schulkommunikation persönliche Regeln/Lernvertrag Klassenregeln Schulparlament Vorurteilsbewusstes Lernen durch den Anti-Bias-Ansatz32 konstruktive Konfliktklärung Schulregeln aushandeln kooperatives Lernen Projektlernen Service Learning Partizipation bei den Lerninhalten schulinternes Curriculum Diese Lernarrangements werden in diesem Zusammenhang nicht detailliert beschrieben, da es umfassende Literatur und Möglichkeiten zur Information im Internet und auf dem Berlin-Brandenburger Bildungsserver gibt. 32 Anti Bias bedeutet im positiven Sinne, diskriminierendes Verhalten zu verlernen und seinen Mitmenschen offen und positiv gegenübertreten zu können. Z.Z. wird dieser pädagogische Ansatz als sehr erfolgversprechend für die antidiskriminierende Arbeit gewertet. 54 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Hilfe, Unterstützung und Beratung Ansprechpartnerinnen und partner/regionale Fortbildung Im Im Land Brandenburg Land Berlin Wilmersdorf Axel Becker, Comenius-Schule, Wilmersdorf E-Mail: [email protected] Schulamt Brandenburg a. d. H. Gabriele Pochert, Nicolaischule, Brandenburg a. d. H. Pankow Reinhard Grosspietsch, Kurt-Tucholsky Oberschule, Pankow E-Mail: [email protected] Christiane Czeyka, Oberschule Nord, Brandenburg a. d. H. Sybille Leimbach, Bertolt-BrechtGymnasium, Brandenburg a. d. H. alle zu erreichen unter E-Mail: [email protected] Spandau Luzie Haller, Birken-Grundschule, Spandau E-Mail: [email protected] Petra Reimann, Oberschule Brandenburg Nord, Tel: 03381-302234 Tempelhof/Schöneberg Birthe Rasmussen-Möhring, Paul-SimmelGrundschule, Tempelhof E-Mail: [email protected] Schulamt Cottbus Karin Pützschler, Umweltschule Dissenchen, Cottbus E-Mail: [email protected] Friedrichshain/Kreuzberg Hannah Wennekers, ReinhardswaldGrundschule, Kreuzberg E-Mail: [email protected] Edeltraut Lessing, Oberschule Ehm Welk, Lübbenau/Spreewald E-Mail: [email protected] Schulamt Wünsdorf N.N. Reinickendorf Annette Weweler, Richard-Keller-Schule, Reinickendorf E-Mail: [email protected] Schulamt Perleberg Anette Kwade, Marie-Curie-Gymnasium, Wittenberge E-Mail: [email protected] Mitte Ute Winterberg, Anna-Lindh-Grundschule, Mitte E-Mail: [email protected] Schulamt Eberswalde Chris Zanzig, Barnim-Gymnasium-Bernau, Bernau bei Berlin E-Mail: [email protected] Margot Wichniarz Landeskommission Berlin gegen Gewalt E-Mail: [email protected] Sonja Werdermann, Goethe-OberschuleEberswalde, Eberswalde E-Mail: [email protected] Steglitz Carla Ulbrich,Bröndby-Oberschule, Steglitz E-Mail: [email protected] Schulamt Frankfurt(O) Dieter Karau, Carl-Bechstein-Gymnasium, Erkner, E-Mail: [email protected] Fröhlich, Martina, Oberschule Letschin, Letschin , E-Mail: [email protected] 55 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Schulpsychologische Beratungszentren sind in Berlin nach Bezirken und in Brandenburg nach staatlichen Schulämtern geordnet. Anschriften, Telefonnummern und E-Mailadressen sind auf den entsprechenden Internetseiten zu finden. Berlin Team Gewaltprävention und Krisenintervention im Schulpsychologischen Dienst http://www.berlin.de/sen/bildung/hilfe_und _praevention/schulpsychologie/ Brandenburg Schulpsychologischer Dienst http://www.schulaemter.brandenburg.de Externe Beratung für die Bildungsregion Berlin-Brandenburg bieten an: Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM), 14974 Ludwigsfelde-Struveshof, http://www.lisum.berlin-brandenburg.de Tel.: 03378 209-417; Fax. 03378 209 444 Michael Rump-Räuber E-Mail: [email protected] Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Arbeitsgebiet Gewaltprävention Frau Ria Uhle, Stellenzeichen III G 2 Telefon: 030 9026 6320; Fax: 030 9026 5012 E-Mail: [email protected] Beuthstr. 6-8, 10117 Berlin Landeskommission Berlin gegen Gewalt Manuela Bohlemann Geschäftsstelle der Landeskommission Berlin gegen Gewalt Klosterstr. 47, 10179 Berlin Tel.: 030 9027 2913; Fax: 030 9027 2921 [email protected] Berlin-Brandenburger Landesbüro der Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe) Ulrike Kahn E-Mail: [email protected] oder [email protected] www.degede.de RAA Brandenburg; Demokratie und Integration Brandenburg e.V. Benzstraße 11/12; 14482 Potsdam Tel.: 0331 747 80 11 E-Mail: [email protected] www.raa-brandenburg.de 56 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Weiterführende Materialien In der Berlin-Brandenburger Antimobbing-Fibel werden eine umfassende Literatur- und Medienliste sowie eine Internetrecherche aufgeführt. Aus diesem Grunde sind die nachfolgenden Hinweise als Ergänzung zu betrachten. Auf der Seite des Bildungsserver von Berlin-Brandenburg sind Literaturhinweise, Links und Materialien zu finden: • „Erst Nachdenken, dann Handeln“ – Wahrnehmen, Erklären und Handeln zu Aggression und Gewalt als Strategie für eine tolerante und weltoffene Schule, (Hrsg.) Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg. 2.,überarbeitete Auflage, Ludwigsfelde Januar 2009 http://www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/gewalt.html • Berlin-Brandenburger Anti-Mobbing-Fibel August 2008; 4.,überarbeitete Auflage der Berliner Anti-Mobbing-Fibel, http://www. bildungsserver.berlin-brandenburg.de/anti-mobbing-fibel.html • PIT Brandenburg – Prävention im Team Ludwigsfelde 2007 http://www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/pit-brandenburg.html • Ein Handbuch für Beraterinnen und Berater für Demokratiepädagogik „Demokratie erfahrbar machen – demokratiepädagogische Beratung in der Schule“. Ludwigsfelde 2007 http://www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de /demokratiepaedagogik.html Verwendete Literatur Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenzprogamme in Deutschland. Köln 2005 Edelstein, Wolfgang; Fauser, Peter: Demokratie lernen und leben. Bund LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung. 96/2001, S. 20 Eutin 1993; Hanewinkel, R.; Knaack, R.: Mobbing: Gewaltprävention in Schulen in Schleswig-Holstein. Kiel 1997 Ferstl, R.; Niebel, G. Hanewinkel, R.: Gutachterliche Stellungnahme zur Verbreitung von Gewalt und Aggression an Schulen in Schleswig-Holstein. Kiel 1997 Gall, Reiner: Ziele und Methoden des Coolness-Trainings (CT) für Schulen. In: Kilb, Rainer; Weidner, Jens; Gall, Reiner: Konfrontative Pädagogik in der Schule: Anti-Aggressivitäts- und Coolnesstraining. Weinheim, München 2006, S. 93-106 Grüner, Michael: Gewalt in der Schule: Arbeiten im Einzelfall und im System. In: Wolfgang Vogt (Hrsg.): Gewalt und Konfliktbearbeitung: Befunde – Konzepte – Handeln. Baden-Baden 1997, S. 180 57 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Gugel, Günther: Handbuch Gewaltprävention in der Grundschule; Grundlagen – Lernfelder – Handlungsmöglichkeiten; Bausteine für die praktische Arbeit. Tübingen 2007 http://www.schulische-gewaltpraevention.de Holtappels, Hans-Günther, Tillmann, Klaus-Jürgen: Hausgemachte Gewaltrisiken – und was in der Schule dagegen getan werden kann. In Pädagogik, 51. Jahrgang, Heft 1/ 1999, S. 8ff. Klein, Elke: Neue Wege entstehen beim Gehen – ein schulinternes Curriculum zum sozialen Lernen. Aus: GanzGut 3, Serviceagentur Ganztag, kobra.net 09.07, Potsdam 2007 Limmer, Christa; Becker, Dieter; Riebl, Andreas: 88 Impulse zur Gewaltprävention. Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie (ITPS), Kiel 1997 Olweus, Dan: Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle 1996 Omer, Haim / Schlippe, Arist von: Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands in der Erziehung. Göttingen 2004, S. 175 Preuss-Lausitz, Ulf: Mehr Gewalt in die Schule!? In: Pädagogik, 51. Jahrgang, Heft 1/1999, S. 25ff. Schrul, Barbara; Euhus, Brigitta: Hintergründe und Auswirkungen häuslicher Gewalt – ein Curriculum für die Familienbildung – Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Brandenburgischer Frauenhäuser e.V. http://www.ifk-vehlefanz.de/sites/curriculum-site/index.htm Tillmann, Klaus-Jürgen u.a.: Schülergewalt als Schulproblem: Weinheim und München 1999, S. 75ff; Arbeitsgruppe Schulevaluation(s. Anmerkung 1), S. 51ff: Wennekers, Hannah Sibylle: TuT – Trenner und Tröster - Schulanfänger lotsen durch Konflikte; Gewaltprävention im Miteinander, Verstehen und Handeln X. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Berlin 2007; S. 13 ff. Trainingsprogramme zum sozialen Lernen (Auswahl) Asshauer, Martin.; Burow, Fritz.; Hanewinkel, Rainer: Fit und stark fürs Leben. 1. und 2. Schuljahr – Persönlichkeitsentwicklung und Prävention von Aggression, Rauchen und Sucht. Klett Grundschulverlag. Leipzig 1998 Asshauer, Martin: Burow, Fritz: Hanewinkel, Rainer: Fit und stark fürs Leben. 3. und 4. Schuljahr – Persönlichkeitsentwicklung und Prävention von Aggression, Rauchen und Sucht. Klett Grundschulverlag. Leipzig 1999 Böttger, Gudrun; Hein, Renate; Kügele, Helena; Reich, Angelika; Wichniarz, Margot u. a.: Erziehen heißt bilden – Eine Handreichung für Erzieher/innen und Lehrer/innen. Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, 2. Aufl., Ludwigsfelde 2009 Cierpka, Manfred (Hrsg.): FAUSTLOS. Ein Curriculum zur Prävention von aggressivem und gewaltbereitem Verhalten bei Kindern der Klassen 1 bis 3., Hogrefe, Göttingen 2001 58 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Jefferys-Duden, Karin: Das Streitschlichterprogramm. Mediatorenausbildung für Schülerinnen und Schüler der Klassen 3-6. Weinheim, Basel 1999 Jugert; Gert u. a.: FIT FOR LIFE. Module und Arbeitsblätter zum Training sozialer Kompetenzen für Jugendliche. Juventa. Weinheim 2001 Marx, Rita; Saliger, Susanne (Hrsg.): PAGS. Unterrichtsmaterialien zur Prävention von Aggression und Gewalt an Schulen. 4. Auflage, Vertrieb: Institut für Fortbildung, Forschung und Entwicklung e.V. (IFFE) an der Fachhochschule Potsdam/Ludwigsfelde 2008 Petermann Franz.; Jugert, Gert; Tanzer, Uwe; Verbeek, Dorothea: Sozialtraining in der Schule. Weinheim 1997 Petermann, Franz; Jugert, Gert; Tänzer, Uwe; Verbeek, Dorothea: Verhaltenstraining mit Kindern. In: Holtappels, Hans-Günther, Heitmeyer, Wolfgang, Melzer, Wolfgang, Tillmann, Klaus-Jürgen (Hrg.): Schulische Gewaltforschung. Stand und Perspektiven. Weinheim 1997, S. 315-329 Walker, Jamie: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule. Grundlagen und didaktisches Konzept. Spiele und Übungen für die Klassen 1-4. Frankfurt/Main 1995 Literatur zur Jungenförderung (Auswahl zum Selbststudium) Das Projekt „Neue Wege für Jungs“ wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert und bietet umfassende Zugänge: www.neue-wege-fuer-jungs.de Biermann, Christine: Wie kommt Neues in die Schule? Individuelle und organisationale Bedingungen nachhaltiger Schulentwicklung am Beispiel Geschlecht. Juventa Verlag, Weinheim und München 2007 Bentheim, Alexander; Murphy-Witt, Monika: Was Jungen brauchen. Das Kleine-KerleCoaching. Gräfe & Unzer Verlag, München 2007 Pickering, Jon: Wie das Lernen Jungen erreicht. Ein Programm zur Integration und Förderung. Verlag an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr 2005 Bay, Christine; Sauer, Robert: Vom Warming-Up zum Cool-Down. Neue Methoden für die Arbeit mit Jungengruppen. Juventa Verlag, Weinheim und München 2006 Koch-Priewe, Barbara: Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Beltz-Verlag, Weinheim und Basel 2002 Herwartz-Emden, Leonie u.a.: Interkulturelle und geschlechtergerechte Pädagogik für Kinder im Alter von 6 bis 16 Jahren. Zum Download: www.landtag.nrw.de Boldt, Uli: Buben unterstützen – Männer bringen sich in die Erziehung ein. Das Handbuch für Eltern und LehrerInnen: Coole Mädchen – starke Jungs. Öbvhpt Verlag, Wien 2007 Preuschoff, Gisela / Preuschoff, Axel: Arme Jungs. Was Eltern, die Söhne haben, wissen sollten. PapyRossa Verlag, Köln 2004 Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport (Hrg.): Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen – Ein Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Grundschule, Bd. 1 und Bd. 2, Berlin 1998 59 Berlin-Brandenburger Anti-Gewalt-Fibel Wichniarz, Margot: ”.... ene mene muh....” – Mädchen und Jungen entwickeln Selbst- und Sozialkompetenz im gechlechtsdifferenzierten Unterricht, Hrsg. vom Berliner Landesinstitut für Schule und Medien. Berlin 2000 60 www.lisum.berlin-brandenburg.de Wir sehen all das Schöne in dieser Welt. Wir greifen danach und versuchen es fest zu halten. Wir sehen all das (weniger Schöne) Hässliche in dieser Welt. Wir stossen es von uns und kämpfen dagegen an. Wir leiden, wenn wir das Schöne nicht halten können. Wir leiden, wenn uns das Hässliche in die Arme fällt. Jedes Ding hat seine Zeit. Wenn diese Zeit vorüber ist, sollten wir es gehen lassen. (Clemens Lukas Luderer) Darstellung 2: Übersicht über mögliche Teilaufgaben und Projekte im Sinne eines medienpädagogischen Konzepts für eine Grundschule und eine Sekundarstufe I Auswählen und Nutzen von Medienangeboten 1/2 3/4 5/6 7/8 Erkennen und Verstehen und Aufarbeiten von Bewerten von Mediengestaltungen Medieneinflüssen Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen Unterhaltung und Information Fotodokumentation verschiedene Darstellungsformen Gefühle Freizeitgestaltung Lernen Verkehrsprojekt Druckerzeugnis mit Hilfe des Computers Märchenprojekt versch. Gestaltungstechniken Gruselprojekt Vorstellungen Singvögel Unterhaltung und Spielen Computerspiele Kartengestaltung Druckerzeugnis Werbeprojekt verschiedene Absichten Schöne Reiseziele Polizeiprojekt Verhaltensorientierungen Konfliktverhalten Comics rechtliche Bedingungen Video und Jugendschutz verschiedene Gestaltungsarten Wertorientierungen Mediale Variationen zu einem Thema Medienethische Reflexionen zu Medieninhalten personale und institutionelle Bedingungen Nachrichten und Magazine Lernen und Information Internetrecherche 9 / 10 Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen Telekommunikation Frühlingsboten Simulation Computersimulation Geschichten in Wort und Bild Hörmagazin Klassenradio Videobeitrag Ein Marktag im Mittelalter ökonomische Bedingungen Computerbasierter Beitrag soziale Zusammenhänge gesellschaftliche Bedingungen Hypertexte Computergestützte Fragebogenaktion Telearbeit Telekooperation Vorbereitung einer Klassenfahrt Eine Schule, die ein entsprechendes Konzept entwickelt, sollte sich begleitend und zunehmend in einen lokalen Verbund mit anderen Schulen und Medieneinrichtungen einbringen, in dem sich die verschiedenen Personen und Institutionen gegenseitig stützen und an Entwicklungen im Medienbereich ihrer Kommune beteiligt sind bzw. teilhaben. Bisher war der Blick bei der Frage nach der Verankerung medienpädagogischer Aufgaben vorwiegend auf die Entwicklungen innerhalb der einzelnen Schule und die Einbettung ihrer Aktivitäten in ein lokales Umfeld gerichtet. Sollen alle Schulen zu entsprechenden Aktivitäten angeregt werden, müsste sich die jeweilige Landesregierung entschließen, ein gemeinsames curriculares Rahmenkonzept zu formulieren und Anreize für seine Umsetzung in den Schulen zu schaffen. Dabei wäre es wichtig ein angemessenes Verhältnis von konzeptioneller Entwicklung in den Schulen in dem vorgegebenen Rahmen, von Personal- und Organisationsentwicklung einschließlich geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen sowie von Ausstattungsaktivitäten anzustreben. Bei entsprechenden Initiativen und Unterstützungen könnten die Schulen einen wesentlichen Beitrag zur Medienkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler sowie zur Medienkultur im lokalen Zusammenhang sowie in der Gesellschaft insgesamt leisten. - 13 - Zitierte Literatur: Baacke, D. (1992): Handlungsorientierte Medienpädagogik. In: Schill, W./ Tulodziecki, G./ Wagner, W.-R. (Hrsg.): Medienpädagogisches Handeln in der Schule. Opladen: Leske + Budrich, S. 33 - 58 Birett, H. (1980): Verzeichnis in Deutschland gelaufener Filme/ Entscheidungen der Filmzensur. München: Sauer BLK - Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (1995): Medienerziehung in der Schule. Orientierungsrahmen. Bonn: BLK-Geschäftsstelle FWU- Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (Hrsg.)(1999): Die Alpen. CDRom und Handbuch. Grünwald: FWU Holzer, H. (1974): Kinder und Fernsehen. Materialien zu einem öffentlich-rechtlichen Dressurakt. München: Hanser Keilhacker, M./ Keilhacker ,M.. (1995): Kind und Film. Stuttgart: Klett Kerstiens, L. (1971): Medienkunde in der Schule. Lernziele und Vorschläge für den Unterricht. 2. Aufl., Bad Heilbrunn: Klinkhardt Leufen, S. (1996): Ansätze zur Bewertung von Unterrichtssoftware. In: Bertelsmann Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.): Neue Medien in den Schulen. Projekte – Konzepte – Kompetenzen. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, S. 55 – 71. Lewers, M. (1993): Das Bild der Polizei im Fernsehen - Aufarbeitung medienvermittelter Vorstellungen über die Realität. In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Medienerziehung in der Schule. Teil 6: Unterrichtsbeispiele Grundschule. Soest: LSW, S. 59 – 72 Mandl, H./ Gruber, H./ Renkl, A. (1995): Situiertes Lernen in multimedialen Lernumgebungen. In: Issing, L.J./ Klimsa, P. (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia. Weinheim: Psychologie Verlags Union, S.167-178 MSWWF von NRW (Hrsg.) (2000): Zukunft des Lehrens – Lernen für die Zukunft: Neue Medien in der Lehrerausbildung. Rahmenkonzept. Frechen: Ritterbach Peters, J.M. (1963): Grundlagen der Filmerziehung. München: Juventa Peters, J.-R. (1997): Telearbeit. LOG IN, (1997) 1, S. 58 – 64 Preiser, D./ Seibold, W. (1989): Erfahrungen mit Massenmedien. Katalog schulischer Medienproduktionen. Stuttgart: Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Spanhel, D. (1999 a): Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. München: KoPäd Ein Spanhel, D. (1999 b): Multimedia im Schulalltag – was müssen Lehrerinnen und Lehrer wissen, um Multimedia einsetzen zu können ? In: Meister, D. M./ Sander, U. (Hrsg.): Multimedia: Chancen für die Schule. Neuwied: Luchterhand, S. 54 - 76 Spanhel, D./ Kleber, H. (1996): Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Pädagogische Welt, 50 (1996), S. 359 - 364 Tulodziecki, G. (1987): Unterricht mit Jugendlichen. Eine Didaktik für allgemein- und berufsbildende Schulen. 1. Aufl., Bad Heilbrunn: Klinkhardt - 14 - Tulodziecki, G. (1996): Unterricht mit Jugendlichen. Eine handlungsorientierte Didaktik mit Unterrichtsbeispielen. 3. Aufl., Bad Heilbrunn: Klinkhardt Tulodziecki, G. (1997): Medien in Erziehung und Bildung. Grundlagen und Beispiele einer handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik. 3. Aufl., Bad Heilbrunn: Klinkhardt Tulodziecki, G., u.a. (1995): Handlungsorientierte Medienpädagogik in Unterrichtsbeispielen. Projekte und Unterrichtseinheiten für Grundschulen und weiterführende Schulen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Tulodziecki, G,/ Möller, D. u.a. (1998): Rahmen für die Medienerziehung in der Sekundarstufe I. Ergebnisse des Modellversuchs „Differenzierte Medienerziehung als Elemente allgemeiner Bildung“. Düsseldorf: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Wolgast, H. (1896): Das Elend unserer Jugendliteratur. Ein Beitrag zur künstlerischen Erziehung der Jugend. Neuausgabe besorgt von E. Arndt-Wolgast und W. Flacke, Worms 1950 Autor: Prof. Dr. Gerhard Tulodziecki lehrt Erziehungswissenschaft an der Universität-Gesamthochschule Paderborn mit den Schwerpunkten Allgemeine Didaktik und Medienpädagogik. Anschrift: Universität-GH Paderborn, Fachbereich 2, 33095 Paderborn E-Mail: [email protected] - 15 -