Zu Gast in der Fremde
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Zu Gast in der Fremde
BLICK 02 - 2009 Zu Gast in der Fremde S eit diesem Semester studiert Franziska Fricke Physik an der University of California at Berkeley. Für Blick hat sie ihre Eindrücke aufgeschrieben: „Es ist warm, schön warm im Vergleich zum deutschen Winter. Die Sonne scheint, und in meinem Garten hängen große gelbe Zitronen am Baum. Es lässt dich gut leben im Golden State. Seit einem halben Jahr wohne ich nun schon in Berkeley, Kalifornien. Wenn ich daran denke, dass ich in etwa vier Monaten in ein Flugzeug Richtung Deutschland steigen werde, überkommt mich ein komisches Gefühl. Bis jetzt habe ich die Zeit hier sehr genossen; wahrscheinlich kommt mir Würzburg nach meinem Auslandsjahr verändert vor. Unter der Woche arbeite ich die meiste Zeit des Tages am Physikalischen Institut. Meine Arbeitsgruppe ist typisch und untypisch zugleich. Wir sind insgesamt zu neunt, darunter fünf Amerikaner, ein Koreaner, eine Italienerin und eine Französin. Doch nicht nur am Physikalischen Institut, sondern an der ganzen UCB – der University of California at Berkeley – findet man viele Nationalitäten. In diesem Jahr sind an der Cal, wie die UCB hier im Allgemeinen genannt wird, 2500 ausländische Studierende eingeschrieben. Ungewöhnlich ist jedoch der hohe Frauenanteil von knapp 70 Prozent in meiner Arbeitsgruppe, auch für die UCB. Im Vergleich zu Würzburg trifft man hier zwar häufiger auf Frauen in der Physik, und Physik-Professorinnen sind durchaus keine Seltenheit, trotzdem stellt meine Arbeitsgruppe dies betreffend eine Ausnahme dar. Wer an der Cal ein naturwissenschaftliches Fach studiert, wird schon in den ersten Jahren aktiv in die Forschung eingebunden. Die Praxis hat hier einen viel höheren Stellenwert als an der Uni Würzburg, sodass man schon im zweiten Studienjahr in einer Arbeitsgruppe forschen darf. An Laborerfahrung haben uns die Berkeley-Studenten somit einiges voraus. Zum Ausgleich kann die theoretische Ausbildung an der Uni Würzburg einiges wett machen, sodass es mir keine Probleme bereitet, hier die für Doktoranden vorgesehenen Vorlesungen zu besuchen. Der Campus liegt perfekt mitten in Berkeley. Mittags hat man, was das Essen betrifft, die Qual der Wahl. Unzählige Cafés, Restaurants und Imbissbuden sind rund um den Campus verstreut; es gibt wohl kaum eine kulinarische Besonderheit oder Landesküche, die nicht vertreten wäre. Zum Glück tummeln sich zur Mittagszeit fast ausschließlich Studenten in Berkeley, sodass die Preise für eine Mahlzeit mehr als erschwinglich sind. Davon abgesehen ist das Leben in Berkeley aber vor allem eins: teuer! Wer einen durchschnittlichen studentischen Lebensstandard aus Würzburg gewohnt ist, wird enttäuscht. In Berkeley gilt das Motto: „You get what you pay for“. Bestes Beispiel: der Wohnungsmarkt. Studentenwohnheime sind unerschwinglich, und die Miete für ein besseres WG-Zimmer liegt schon mal im vierstelligen Bereich. Dann schon lieber ein Jahr Zähne zusammen beißen und das Zimmer ohne Heizung an der Stadtgrenze zu Oakland nehmen, einer der gefährlichsten Städte der USA. Die San Francisco Bay Area und Berkeley im Besonderen sind bemerkenswert unamerikanisch. In San Francisco hat die Hippie-Bewegung ihren Ursprung genommen. Man könnte fast meinen, dass sie weiter fortbesteht. Die meisten hier lebenden Amerikaner sind extrem gesundheitsbewusst und engagieren sich für die Umwelt sowie den Weltfrieden. Surfen gehört genauso zum Volkssport wie Bikram Yoga, und die Auswahl an koscheren Vegan-Produkten überstieg anfangs meine Vorstellungskraft. Am Wochenende versuche ich so viel wie möglich von der Umgebung zu sehen. Die Bay Area hat viel zu bieten, und so verbringe ich die freien Tage mit Ausflügen nach San Francisco, an den Strand oder in einen der nahegelegenen State Parks. Ab und zu vermisse ich Deutschland. Doch in einer Sache bin ich mir sicher: Wenn ich wieder in Würzburg bin und an die Zeit in Kalifornien zurückdenken werde, wird mich das Fernweh einholen.“ menschen Franziska Fricke genießt das Leben in Kalifornien. Wenn nur die hohen Preise nicht wären ... 13 Franziska Fricke in der San Francisco Bay Area. (Foto privat) ZUR PERSON Franziska Fricke studiert Physik an der Uni Würzburg. Zurzeit ist sie beurlaubt, um im Rahmen des Austausch-Programms des Physikalischen Instituts ein Jahr in den USA zu verbringen. Dort studiert sie an der University of California at Berkeley und forscht in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Frances Hellman an Graphenen. Franziska Fricke ist die diesjährige Stipendiatin der zum Universitätsbund Würzburg gehörenden Baron-von-Swaine-Stiftung.