Redebeitrag deutsch (pdf

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Ansprache - Es gilt das gesprochene Wort.
Dr. Andrew Murrison , MP
Beauftragter des Britischen Premierministers
für das Gedenken an den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren
Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Gelegenheit geben, an diesem besonderen
Ort der Erinnerung einige Worte zu sagen.
Als Marineoffizier aus einer Familie mit einer über 200 Jahre langen Marinetradition in diesen Gewässern ist es mir ein besonderes Privileg, heute hier
in diesem Kreis, in dieser der Marine in großem Maße verbundenen Stadt zu
sein.
Ich gratuliere Wilhelmshaven zu seinem Beitrag zu diesem unverwechselbaren britisch-deutschen Moment in unserem vier Jahre währenden Gedenken
an den Ersten Weltkrieg und freue mich auf die heutige Eröffnung der Skagerrak Ausstellung im Deutschen Marinemuseum.
Ich weiß, dass das Imperial War Museum in London und das National Museum of the Royal Navy in Portsmouth hocherfreut waren, daran mitzuwirken.
Am Nachmittag des 31. Mai 1916 traf Beattys Schlachtkreuzergeschwader
vor der Jütland Bank mit Admiral Hipper zusammen. Bis zur Teestunde am
nächsten Tag waren 25 Kriegsschiffe zerstört und fast 10.000 Männer gefallen oder tödlich verwundet.
Wie so viele Ereignisse an der Westfront hieß es damals — und wird auch
heute noch diskutiert — , dass die Schlacht kein klares Ergebnis zeitigte.
Und während das Ergebnis der Skagerrakschlacht für Jellicoe weit von dem
entfernt lag, was die Trafalgar-durchdrungene britische Öffentlichkeit erwartete, so hatte die große Seeschlacht des Ersten Weltkriegs einen gleichermaßen tiefgehenden Einfluss auf den weiteren Verlauf der europäischen
Geschichte.
Einerseits vernichtete Admiral Scheers Hochseeflotte eine bedeutend größere Tonnage als Jellicoes wesentlich größere Grand Fleet. Andererseits
sicherte Jellicoe zweifellos Großbritanniens strategische Zielrichtung.
Im Gegensatz zu den vielen Jahren Stellungskampf an der Westfront wendete sich in 36 Stunden der 1. Weltkrieg, den unsere Landsleute im Grau vom
Skagerrak gleichmäßig umsetzten.
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Obwohl dies alles für Historiker unendlich faszinierend ist, so liegt unser
Hauptanliegen nicht darin, hier das Ergebnis der Schlacht zu debattieren,
sondern uns vielmehr mit einem Akt demütigen Gedenkens zu befassen.
Im Geist der Seekameradschaft tun wir dies ohne Unterschied.
Chief Petty Officer (Unteroffizier) Walter Greenaway war 1916 an Bord der
HMS „Vanguard“. In einem Brief an seine Eltern schrieb Greenaway über die
deutschen Seeleute vor dem Skagerrak:
Man muss dem Feind Tribut zollen. Es sind tapfere Männer und großartige
Kämpfer. In der Schlacht wurde bei einigen Gelegenheiten beobachtet, dass
ihr Schiff überflutet war und sie mit einem Geschütz drauflos feuerten. Das
Bild von Geschützfeuer, Suchscheinwerfern (und) Blendgranaten war ein
großartiges, wenn auch schauriges Schauspiel, denn uns war bewusst, dass
hunderte tapferer Männer in ihr Verderben gingen.
Greenaway überlebte die Schlacht, kam aber am 31. Juli 1917 um, als die
HMS „Vanguard“ in Scapa Flow explodierte, wo sich dem Schiff später die
internierte Hochseeflotte anschloss. Sein Bericht spricht sowohl von Heldentum als auch von Anstand inmitten dieses blutigen Konflikts. Und wir wissen
zum Beispiel, dass Schiffe der Hochseeflotte sich dadurch auszeichneten,
dass sie Überlebende auflasen, sogar wenn sie miterlebten, wie der Rumpf
des eigenen Schiffes auseinander gesprengt wurde.
Am Dienstag werden wir in Scapa und an den Gedenkstätten und Kriegsgräberstätten, die gen See zeigen, zusammenkommen, im Gedenken an den 100.
Jahrestag dieser monumentalen Schlacht zwischen zwei Titanen der seefahrenden Nationen und dem ausgedehnteren Seekrieg, der unsere Streitkräfte
und unserer Handelsmarine umfasste.
Ich bin hocherfreut, dass Herr Wagner, sollte es das Wetter zulassen, sich
uns in Gesellschaft von Präsident Gauck, dessen weise Worte im August 2014
den Ton angaben, für unseren gemeinsamen 100. Jahrestag, in der Herrlichkeit der Orkney Inseln anschließen wird.
Während es entlang der Nordseeküste Begräbnisorte gibt, die auf die Skagerrakschlacht zurückgehen, haben die meisten Opfer der Schlacht, wie so
viele ihrer Kameraden auf den terrestrischen Schlachtfeldern des Ersten
Weltkriegs, keine Grabsteine. Sie gingen mit ihren Schiffen unter oder wurden im Anschluss auf See bestattet.
Darum werden am Dienstag Kriegsschiffe der Deutschen Marine und der
Royal Navy zusammen ihre Ehrungen der See übergeben.
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Mit aller Eindringlichkeit ist es wert, sich daran zu erinnern, dass die Verluste des Ersten Weltkriegs unter den Allerjüngsten zu beklagen waren. Boy
1st Class John Travers Cornwall, dem posthum das Viktoria-Kreuz verliehen
wurde, war erst 16 in der Skagerrakschlacht. Cornwall war der einzige Überlebende der Zerstörung der 5,5 inch Geschützbefestigung auf dem kleinen
Kreuzer HMS „Chester“.
Tödlich verwundet wurde er zum Hafen von Immingham gebracht, wie auch
so viele junge Deutsche von den Schiffen an Land gingen, die nach der Skagerrakschlacht angeschlagen an Wilhelmshavens Küste ankamen. In einer
herzergreifenden Geschichte wird berichtet, dass Cornwall starb, noch bevor
seine Mutter eintraf. Zunächst wurde er in einem Armengrab im Osten von
London beigesetzt, nachträglich wurde er umgebettet und in allen Ehren
beigesetzt. Auf seinem Grabstein steht: It is not wealth or ancestry
But honourable conduct and a noble disposition that maketh men great.
(Es ist nicht Reichtum oder Abstammung, sondern ehrenvolles Verhalten und
eine noble Gesinnung, was den Menschen großartig macht.)
Ehre und Vornehmheit waren seit jeher das Ideal der Seefahrer; dieses
Ideal war in der Skagerrakschlacht zugegen und es gilt auch heute noch.
Es erfasst die gemeinsame Widrigkeit eines Lebens auf See und den eigentümlichen Schrecken eines auf und unter der Meeresoberfläche geführten
Seekrieges. Das Grauen, das jene durchmachten, die in den brennenden
stählernen Räumen eines sinkenden Schiffes gefangen waren, ist wahrlich
Stoff für Albträume und sicherlich vergleichbar mit dem Schlimmsten an der
Westfront.
Es bestand immer die Wahrscheinlichkeit, dass sich unsere beiden großen
Seefahrernationen einander in der Nordsee stellen würden. Doch wer hätte
im Mai und Juni 1916 jemals daran gedacht, dass wir die längste Zeit des
Jahrhunderts als allerengste Verbündete verbringen würden, wobei wir unter
gemeinsamem Kommando Übungen abhalten und zusammenarbeiten als
Teil einer großen und dauerhaften Allianz, die nach dem Meer benannt wurde, in dem die Schlacht, derer wir heute gedenken, stattfand.
Dieser Jahrestag huldigt unseren gefallenen Seeleuten.
Die größte Anerkennung, die wir ihnen zollen können, ist Einheit zu erreichen
und dauerhaften Frieden zwischen unseren beiden Staaten zu schaffen, das
ist jetzt ohne jeden Zweifel ein fester Bestandteil.
Damit wir nicht vergessen.

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