Feminismen als „Ergebnis“ der indischen Geschichte?
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Feminismen als „Ergebnis“ der indischen Geschichte?
Feministisches Grundstudium Lehrgang universitären Charakters, 6. Diplomlehrgang, Jänner 2008 – Dezember 2009 Feminismen als „Ergebnis“ der indischen Geschichte? Die Konstruktion „der Anderen“: Ein Blick in die Vergangenheit und die Gegenwart Indiens Verfasserin: Mag.a Julia Günther Erstbegutachtung: Dr. Ursula Kubes-Hofmann Zweitbegutachtung: Dipl. Päd. Verena Bruckhagen Abgabetermin: 15. Oktober 2009 Rosa Mayreder College, Wien Bundesinstitut für Erwachsenenbildung Die Wiener Volkshochschulen GmbH Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 Einleitung 5 1. Die Konstruktion der Anderen: Indien als kolonisiertes Land 8 1.1. Einleitende Worte zur (indischen) Geschichtsschreibung aus feministischer Perspektive 8 1.2. Theoretische Verortungen 11 1.2.1. Was sind Kolonien? 11 1.2.2. Die Verfestigung der europäischen Identität 13 1.3. Eine prägende Zeit: Die Britische Kolonialherrschaft 15 1.3.1. Die ökonomische Motivation der Kolonisierung 18 1.3.2. Der weibliche Körper als Austragungs“ort“ kolonialer Herrschaft 2. Die Zeit des „Nation-Buildings“ 19 22 2.1. Feministinnen, soziale Bewegungen und die Gründung eines demokratischen Staates 22 2.1.1. Die erste indische Frauenbewegung und ihr Einfluss auf die indische Gesellschaft 22 2.1.1.1. Einflussreiche Frauen(organisationen) während der Kolonialzeit 2.1.2. Reformen und Unabhängigkeitsbewegungen 2.1.2.1. Exkurs: Der Entwicklungsdiskurs 23 27 30 2.1.3. Die Gründung eines demokratischen Staates: ein paar (feministische) Anmerkungen 31 2.1.3.1. Die Zweite Frauenbewegung: Geprägt durch ein neoliberales Wirtschaftsverständnis 33 2.1.3.2. Exkurs: Postkoloniale Theorie 35 2 3. Feminismen im indischen Kontext 3.1. Feminismen: Definitionsversuche 39 39 3.2. Theoretische Kontextsetzung des indischen feministischen Diskurses 40 3.2.1. Verwobene und fragmentierte Ansätze: Postkolonialer und Globaler Feminismus 42 3.2.1.1. Die Entstehung des Postkolonialen Feminismus 42 3.2.1.2. Ein viel diskutierter Diskurs: Der Globale Feminismus 42 3.2.1.2.1. Süd-Süd und Süd-Nord Verbindungen 43 3.3. Lobbyarbeit und Identitätsfindung der Zweiten indischen Frauenbewegung 46 3.3.1. Die Identitätsfindung: Ein wichtiger Gegenstand des Dalit-Feminismus 50 3.3.2. Tabuzone Sexualität: Das queere Indien 51 Schlussfolgerungen 54 Ausblick 56 Literaturangaben 57 Ehrenerklärung (Code of Honour) 62 3 Vorwort Die Idee für die vorliegende Arbeit entstand in meinem ersten Jahr des Feministischen Grundstudiums. Insbesondere die beiden Module zur Geschichte des politischen Feminismus in Europa sowie zur Gesellschaftspolitik brachten mein Interesse auf den indischen Kontext, dem ich seit 2004 auf verschiedenen Ebenen verbunden bin. Im Rahmen der themenspezifischen Auseinandersetzungen innerhalb dieser beiden Module stellte ich sowohl Parallelen als auch Unterschiede zu indischen feministischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen fest. Ich wollte dem genauer nachgehen und, angeregt durch Gerda Lerners Ansatz, dass Frauengeschichte nicht nur für die persönliche, sondern auch für die gesellschaftliche Entwicklung wichtig ist, begann ich mich mit der Frauengeschichte Indiens auseinander zu setzen. Das Resultat ist diese Arbeit. Bewusst ob meiner sozialen und örtlichen Herkunft, war es mir besonders wichtig, indische AutorInnen als Referenz für diese Arbeit zu verwenden. Meine Literaturrecherche führte mich daher im März 2009 nach Indien. Die verwendete Literatur sammelte ich in vier Bibliotheken: im Anveshi - Research Centre for Women´s Studies in Hyderabad, Andhra Pradesh, im Loyola College in Vijayawada, Andhra Pradesh, in der Bibliothek der Acharya Nagarjuna University in Guntur, Andhra Pradesh und in der Bibliothek für Women´s Studies der Jawaharlal Nehru University in New Delhi. An dieser Stelle richte ich meinen Dank insbesondere an die MitarbeiterInnen der genannten Bibliotheken, die mir die Türen zu ihren Archiven geöffnet haben. Es folgte eine Zeit des Einlesens und des Verstehens der kolonialen und feministischen Diskurse. Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich den europäischen Blick auf die Geschichte und Feminismen Indiens erweitern und in ein Land eintauchen, das geprägt ist durch seine (post)kolonialen Beziehungen zu Europa. 4 Einleitung Die Themenwahl der vorliegenden Arbeit entstand während der Module Geschichte des politischen Feminismus sowie Gesellschaftspolitik und feministische Kritik des Feministischen Grundstudiums. Einen der ersten empfohlenen Artikel, die ich im Rahmen des Feministischen Grundstudiums las, war Gerda Lerners Aufsatz Die Herausforderung der Frauengeschichte (1977), der, wie kaum ein anderer, meinen Horizont erweiterte. Durch Lerners Appell, dass jede Frau mindestens ein Jahr Frauengeschichte studieren sollte, wurde mir klar wie männlich dominiert unsere europäische Geschichtsschreibung ist, und zugleich, welche Darstellung Frauen in der Geschichtsschreibung erhalten. Ein Blick auf die europäische Frauengeschichte zeigte mir, welche zentralen Stellungen Frauen in der Entwicklung einer Gesellschaft innehatten. Ergänzt durch Diskussionen, die wir im Rahmen der oben genannten Module führten, kristallisierte sich mehr und mehr eine eigene Kritik sowohl an der Geschichtsschreibung als auch an der Konstruktion „der Anderen“ heraus. Gerade in Diskussionen, in denen es um außereuropäische Länder und ihre Gesellschaften sowie Kulturen ging, störte mich der Diskurs, in dem wir über „die Anderen“ sprachen. Wir nützten diese Konstruktion „der Anderen“, um über Unterschiede und mögliche Gemeinsamkeiten zu diskutieren, aber auch, um sie zu kritisieren. Die männlich dominierte Geschichtsschreibung sowie die Konstruktion „der Anderen“ bewog mich, mich diesen Themen genauer zu widmen. Ich wählte dafür Indien als Bezugrahmen. Dies hatte mehrere Gründe: zum einen ist es mein langjähriges Interesse an Indien, das mir immer wieder einen Anstoß gibt, mich mit diesem Land wissenschaftlich auseinander zu setzen. In dieser Auseinandersetzung kam ich in meinen Recherchen des Öfteren auf die britische Kolonialzeit. Ein Blick in die indische Vergangenheit, die ich bis zum Feministischen Grundstudium nicht kritisch hinterfragte. Die Rolle der indischen Frauen während der Unabhängigkeitsbewegung war ein zentrales Thema meiner Literaturrecherchen, mir fehlte in diesen aber sowohl ein kritischer Blick auf die Instrumentalisierung der Frauen als auch auf die Geschichte aus feministischer Perspektive. Zum anderen boten mir die indischen Frauenbewegungen, denen ich im Rahmen meines Doktorratsstudiums näher nachgehe, immer wieder einen Einblick in feministische Debatten. Vergleiche mit den europäischen feministischen Diskursen lagen für mich aufgrund meiner Herkunft auf der Hand. Gerade im entwicklungspolitischen Kontext, in dem ich seit 2003 engagiert bin, wird immer wieder auf die so 5 genannte Solidarität und „globale Schwestern“ Bezug genommen. Fragend, ob diese Bezeichnungen überhaupt möglich sind, war ich daran interessiert, mir diese Diskurse genauer anzuschauen. Und zwar nicht aus meiner europäischen Sicht, sondern aus indischer Perspektive. Daher war es mir besonders wichtig, in meiner Abschlussarbeit hauptsächlich indische AutorInnen als Quellen heranzuziehen. Meine methodische Herangehensweise konzipierte ich daher dementsprechend. Ich führte eine Diskursanalyse, aufbauend auf Foucault, durch, die es mir erlaubte eine indische Perspektive in die Betrachtung der Geschichtsschreibung und der Konstruktion „der Anderen“ zu integrieren. Feministische Diskurse boten mir den thematischen Anhaltspunkt der Auseinandersetzung. Wie schon im Vorwort erwähnt, führte ich meine Literaturrecherche ausschließlich in Indien durch, da es mir wichtig war, Quellen zu verwenden, die in Indien erschienen sind. Denn durch diese Herangehensweise konnte ich eine mögliche weitere Konstruktion „der Anderen“ meinerseits vermeiden. Begriffe, die ich in der vorliegenden Arbeit verwende, werde ich im Laufe der Diskursanalyse genauer erklären. Mit dieser Arbeit möchte ich den europäischen Blick auf die indische Frauengeschichte und die Entstehung indischer feministischer Diskurse erweitern und dazu appellieren die „Brille“, mit der auf außereuropäische Länder geblickt wird, zu hinterfragen. Ausgehend von der britischen Kolonialzeit bis hin zur Diskussion um feministische Ansätze in Indien gliedert sich die vorliegende Arbeit in drei Teile. Ein genealogischer Blick auf feministische Diskurse und die Konstruktion der „Anderen“ ist ständiger Wegbegleiter in der Auseinandersetzung. Die dargestellte Dialektik von Inklusion und Exklusion gibt Anlass über die Hierarchie und Machtwissensordnung während und nach der Kolonialzeit Indiens nachzudenken. Konstruktionen und Grenzen, die von der Kolonialmacht gemacht wurden, prägten die indische Gesellschaft1. Ihr Einfluss ist bis heute im neoliberal geführten Indien erkennbar. 1 Es ist hierbei wichtig zu erwähnen, dass nicht von einer indischen Gesellschaft gesprochen werden kann. In der vorliegenden Arbeit wird allerdings immer zu der indischen Gesellschaft Bezug genommen. Es soll dies keine Generalisierung sein, sondern nur eine Vereinfachung eines komplexen Diskurses, auf den hier aus Gründen, die den themenbezogenen Rahmen der Arbeit sprengen würden, nicht näher eingegangen werden kann. 6 Am Beginn der Arbeit steht die britische Kolonialzeit im Vordergrund. Es geht in diesem ersten Kapitel darum ein Verständnis über die Konstruktion der Anderen zu bekommen, das sowohl in der Abhandlung zur Geschichtsschreibung als auch in einer kurzen Darstellung über die Kolonialzeit Eingang findet. Das zweite Kapitel steht ganz im Zentrum der sozialen Bewegungen – der Ersten und der Zweiten Frauenbewegung sowie der Unabhängigkeitsbewegung – und des „Nation-Buildings“. Es wird sowohl auf gesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklungen während der Kolonialzeit als auch des gegenwärtigen Indiens Bezug genommen. Im dritten Kapitel ist der Fokus auf dem indischen feministischen Kontext, seinen Entwicklungen und Abgrenzungen zum westlichen Diskurs. Es geht dabei besonders um die Identitätsfindung und die Lobbyarbeit der Frauenbewegungen in Indien. Exemplarisch wird der Dalit-Feminismus und die queere Frauenbewegung herausgegriffen, um an diesen zum einen die Konstruktion „der Anderen“ und der damit einhergehenden Identitätsfindung festzumachen, und zum anderen, um erfolgreiche Lobbyarbeit vorzustellen. Die Beantwortung des Titels „Feminismen als „Ergebnis“ der indischen Gesellschaft“ wird schließlich in den Schlussfolgerungen ihren Raum finden, wenn es darum geht einen nochmaligen Blick auf die Kolonialzeit, in die Entstehung der Ersten sowie der Zweiten Frauenbewegung, in die Unabhängigkeit und schließlich in die Entwicklung einer indischen Nation zu werfen. 7 1. Die Konstruktion der Anderen: Indien als kolonisiertes Land 1.1. Einleitende Worte zur (indischen) Geschichtsschreibung aus feministischer Perspektive Viel wurde schon geschrieben über die Kolonialzeit Indiens, ein Land, das heute ein Bild von Gegensätzen darstellt. Gegensätze, die durch seine Geschichte und Entwicklungen geschaffen wurden. Schriften, die die Geschichte Indiens wiedergeben, sind nicht nur subjektiv verfasst, je nach Herkunft, Religion, Status und Interesse des/der AutorIn, sondern auch ein kulturelles Konstrukt, das auf institutionellen Strukturen aufbaut. Diese Strukturen sind Machtapparate, die ein bestimmtes Wissen beleuchten, ein anderes ausschließen, Fakten außen vor lassen, andere wiederum mehr hervorheben. Daher ist es wichtig neue Denkrichtungen zu schaffen, die wegkommen von der europäischen Sicht der Kolonialgeschichte und, die die Möglichkeiten schaffen, zu verstehen, wie es möglich war, dass das Denken der Bourgeoisie auf beiden Seiten (Kolonisierende als auch Kolonisierte) auf fruchtbaren Boden fiel. Ein neues Verständnis von sozialem Wohlstand entstand und neue Wege wurden aufgezeigt, wie Diskurse und Praktiken der In- und Exklusion konstruiert als auch ausgeübt wurden. Denn die europäische Kolonialgeschichtsschreibung habe es verabsäumt, so Ann Laura Stoler und Frederick Cooper, HerausgeberInnen des Bandes Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World (1997), die Dynamik der Kolonisierung innerhalb und außerhalb des kolonisierenden und kolonisierten Landes mit einzubeziehen. Es gilt daher die Konstruktion der Geschichtsschreibung und ihre damit verbundenen Hervorbringungen eines bestimmten Wissens zu hinterfragen. Leela Gandhi, Vertreterin der postkolonialen Theorie, streicht hier zwei sehr wesentliche Fragen heraus, die die vorliegende Arbeit begleiten: „´Who gets known in and as history?´ - or - ´Who are those groups and events of whom “colonial” history is ignorant?´” (vgl. Gandhi, 1998, 172). Die Rollen und Verdienste von Frauen werden in der Geschichtsschreibung oft ausgelassen, eine feministische Betrachtung darf allerdings nicht in einem konstruierten Rahmen stattfinden, sondern muss Teil der Geschichtsschreibung sein. Versucht man die Situation indischer Frauen vor und zu Beginn der britischen Kolonialzeit darzustellen, entdeckt man schnell leere Stellen. Eines der wenigen vorhandenen Bücher, die Aufschluss darüber geben, ist Guide to the Religious Status and Duties of Women. Es beschreibt das 8 Leben von wohlhabenden Frauen. Eine geschichtliche Darstellung von Frauen, die außerhalb einer elitären Gruppe lebten, ist kaum auffindbar (Forbes, 1998/2000). Gayatri Chakravorty Spivak, einer der berühmtesten Vertreterinnen der South Asian Subaltern Studies Group, kritisiert, dass der so genannte Westen Geschichtsschreibung selbstzentriert abhandelt, indem er immer wieder fragt, „if we are not what official history and philosophy say we are, who then are we (not), how are we (not)?” (vgl. Spivak 1987, 137). Die South Asian Subaltern Studies Group zeichnet die Geschichte von unten nach und erklärt ihr politisches und vor allem wissenschaftliches Ziel, die subalternen Widerstandsbewegungen in die Geschichtsschreibung einzubeziehen. Denn die Ignorierung der Subalternen würde das imperialistische Projekt weiterführen, so Spivak (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). Hinzu kommt die Leugnung von indischen AutorInnen, dass sie als ein „geformtes“ koloniales Subjekt schreiben, womit sie wiederum die eigene Geschichte leugnen (Das, 1989). Spivak erläuterte in einem Interview, das von Donna Laundry und Gerald Maclean anlässlich der Buchveröffentlichung Spivak Reader 1993 geführt wurde sowie in ihrem Buch A Critique of Postcolonial Reason. Toward a History of the Vanishing Present (1999), selbstkritisch, dass auch sie nicht davor befreit war sich der gängigen Geschichtsschreibung zu bedienen: „Subalterner Aufstand, und dies ist ein Moment davon, ist ein Bemühen, sich selbst in die Repräsentation einzubringen, und zwar nicht entlang der Linien, die von den offiziellen institutionellen Repräsentationsstrukturen vorgegeben werden. Zumeist erreicht er nichts. Das ist das Moment, das ich >>nicht sprechen<< nenne und das ich von der allgemeinen subalternen Verfasstheit unterscheide, wo alle in der Subalternität ausgetauschten Sprechakte nur der Oral History zugänglich sind oder einer anderen diskursiven Formation als jener der Untersuchung. Der Grund, warum ich von den Subaltern Studies etwas gelernt habe (…) war, dass ich sah, wie sie den Subalternen ihre Aufmerksamkeit zu widmen versuchten, während alle verfügbaren Texte der anderen Seite entstammten. In einem bestimmten Sinn ist also auch mein Text ein Text der anderen Seite“ (vgl. Spivak, 2008, 145). Der schon einige Male benützte Begriff der Subalternität und der Subalternen lässt sich am besten in Spivaks eigenen Worten definieren. Subalternität bedeutet „[n]o access to the abstract lines of social mobility” (vgl. Spivak; Milevska, 2008, 282). Folgt man dieser Definition, so ist laut Spivak die subalterne Frau ausgeschlossen aus der gesellschaftlichen Struktur. Als Folge des Imperialismus wird sie ökonomisch ausgebeutet und wird durch erzwungene Unterordnung Teil des patriarchalen Systems (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005; Spivak, 2008). Spivak erläutert weiter: 9 „Hybrid identity is a migrant concept that related to the colonial subject and the Eurocentric economic migrant. >>Hybridity<< assumes an >>irreducible cultural translation<< in your identity. And in that precision it is indulgent towards a class subject. Subalternity is not a concept relating to cultural translation. It is a practical idea of not having access, and (…) women and men are unevenly placed in distributive justice. (…) Subalternity is not a pathetic thing about subaltern folk. It is a description of a political or social position. (…) [T]he problem is not located in their [subaltern people] being deprived of interior life, but in having access to the public sphere so that their resistance can be recognized as such” (vgl. Spivak; Milevska, 2008, 282f.). In ihrem Aufsatz Can the Subaltern Speak? schreibt sie, dass „[i]nnerhalb des ausgelöschten Werdegangs des subalternen Subjekts die Spur der sexuellen Differenz doppelt ausgelöscht [ist]. Dabei geht es nicht um eine Beteiligung von Frauen am Aufstand oder um die grundlegenden Regeln der geschlechtlichen Arbeitsteilung; für beides gibt es >>Beweise<<. Vielmehr geht es darum, dass die ideologische Konstruktion des Geschlechts, sowohl als Objekt kolonialistischer Geschichtsschreibung als auch als Subjekt des Aufstands, das Männliche in seiner Dominanz belässt. Wenn die Subalternen im Kontext kolonialer Produktion keine Geschichte haben und nicht sprechen können, dann ist die Subalterne als Frau sogar noch tiefer in den Schatten gedrängt“ (vgl. Spivak, 2008, 56f.). Das zentrale Konzept ihres viel diskutierten Aufsatzes bezieht sich auf den Widerstand der Frau, der ohne passende Infrastruktur keinen Widerhall findet und sie somit zu einem Schattendasein verdammt wird. Spivaks Aufsatz wurde nicht nur positiv unter ihren wissenschaftlichen KollegInnen aufgenommen. Neil Lazarus zum Beispiel kritisiert, dass Spivak nur theoretisch die Repräsentation unterdrückter Gruppen unterstützt, sie aber nicht in ihrer tatsächlichen Handlungsmacht in Betracht zieht (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). In der Wissenschaft entstand aufgrund der weltweiten Kolonisierung die postkoloniale Theorie (mehr dazu siehe Kapitel 2.1.3.1.). Als Theorie trägt sie einen wesentlichen Beitrag zur Geschichtsschreibung bei. Postkoloniale Theorie macht jedoch den Anschein, dass die Welt nur durch die Augen der Kolonisierung geschichtlich betrachtet werden kann und, dass es nichts anderes für die Menschen in den Kolonien gegeben hat außer der Unterdrückung durch die Kolonialmacht (Gandhi, 1998; Cooper; Stoler, 1997). Ein Land wie Indien, das durch seine Kolonialzeit, die im 16. Jahrhundert durch die Eroberung portugiesischer Mächte begann (Jayawardena, 1986), und davon sehr geprägt ist, bietet aufgrund seiner Größe und Diversität viele Betrachtungsweisen und Beschreibungen der indischen Geschichte. Als Beispiel kann das Buch Mother India (1927) von der US-amerikanischen Autorin 10 Katherine Mayo, die in ihrem Werk die Situation der indischen Frauen darstellt, genannt werden. Mrinalini Sinha, indische Historikerin, kritisierte an Mayos Buch, dass sie durch ihre Verwendung festgeschriebener kolonialer Stereotype ihre Diskussion eingrenzte und nicht weit genug öffnete. Sinha bezieht sich hierbei auf die immer wieder fallenden Aussagen und Festschreibungen des guten britischen Mannes, der kommt, um die unterdrückte indische Frau zu befreien. Die Konstruktion, Festschreibung und Befreiung der Frau bezieht sich laut Mayos Analyse auf die Kinderehe, auf Sati (Witwenverbrennung) und die Sexualisierung innerhalb der hinduistischen Gesellschaft. Frauen waren – nicht nur in Mayos Buch - die Basis, auf der die verschiedenen Ansichten von Tradition und Moderne diskutiert und ausgetragen wurden (Sinha, 1991). Die folgenden Kapitel werden dies genauer erläutern. 1.2. Theoretische Verortungen In Between Metropole and Colony. Rethinking a Research Agenda (1997) argumentieren Cooper und Stoler, dass es immer schon Eroberungen, Ausbeutung und Unterwerfung gegeben hat. Was allerdings in der Zeit der Aufklärung und in der Entwicklung des Liberalismus und der klassischen Ökonomie neu war, ist, dass diese Prozesse eingesetzt wurden, um ein universelles Prinzip als Basis des Gemeinsamen zu entwickeln. Die regierende Elite übte Macht über die Zivilgesellschaft nicht nur in Europa, sondern auch in alten und neuen eroberten Territorien aus. Der Kolonialismus des 19. Jahrhunderts basierte auf den Erfahrungen und der Konstruktion kultureller Differenz der alten Imperien. Was hinzu kam war jedoch, dass Kolonisierung zur Entstehung einer europäischen Bourgeoisie beitrug. Die Kolonialmächte bestimmten die In- und Exklusion einzelner Bevölkerungsgruppen, was sich in der Partizipation der Zivilgesellschaft und Souveränität eines Staates widerspiegelte. Ihre Dominanz unterstützte sie dabei einen Homo europaeus zu definieren und ihre eigene Entwicklung voran zu treiben (Cooper; Stoler, 1997). 1.2.1. Was sind Kolonien? Kolonien können in drei verschiedenen Formen differenziert werden: die Beherrschungskolonie, die Stützungskolonie und die Siedlungskolonie. Indien war eine Beherrschungskolonie, denn es benötigte nur eine geringe Anzahl an britischen Personen, die die notwendige Macht zur ökonomischen Ausbeutung und strategischen Absicherung der imperialen Politik ausüben konnten. Es handelte sich 11 „(…) um Herrschaftsbeziehungen, die mit physicher, militärischer, epistemologischer und ideologischer Gewalt durchgesetzt und etwa über >>Rasse>>- und >>Kultur>>-Diskurse legitimiert wurden. In einer ersten herrischen Geste wurde das kolonisierte Land von den sich selbst als >>Entdecker>> bezeichnenden Kolonisatoren als terra nullius (>>leeres Land>>) charakterisiert (vgl. Shiva 2001:13). >>Leer<< und auch >>jungfräulich<< war hier gleichbedeutend mit verfügbar, menschenleer, geschichtslos – und mithin in jeder nur denkbaren Weise ausbeutbar. Kolonien entstehen im Sinne der postkolonialen Theorie als >Kopien< des zum >Original< erklärten Mutterlandes der Kolonialheeren. (…) Spivak spricht hier von einem Prozess des >>Welt-Machens<< (worlding, 1999a: 211f.), was sowohl die >Vergewaltigung< als auch die >Produktion< der >>Dritten Welt<< zum Ausdruck bringen soll“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 13). Chandra Talpade Mohanty, Vertreterin der postkolonialen und feministischen Theorie, identifiziert in ihrer Einleitung zu Third World Women and the Politics of Feminism (1991) drei charakteristische Merkmale imperialistischer Herrschaft2, die dieses Zitat – zumindest die ersten beiden Merkmalen noch weiter unterstreichen: erstens die ideologische Konstruktion und Verfestigung weißer Männlichkeit als normativ, mit dieser eingehend die dementsprechende „racialization“ und Sexualisierung kolonisierter Menschen; zweitens die Auswirkungen der von der Kolonialmacht ausgeführten Politik und entstandenen Institutionen in der Transformation von Strukturen der Kolonie und die Verfestigung der vorherrschenden Mittelschichtkulturen in der Kolonie als auch in Europa; und schließlich drittens die Entstehung feministischer Politik und das Bewusstsein über den historischen Kontext innerhalb und außerhalb der nationalen Befreiungsbewegung. Die Konstruktion der „Dritten Welt“ kann auch auf die Konstruktion „der indischen Frau“, der Beziehungen zwischen Mann und Frau, Sexualität, privat und öffentlich gezogen werden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Situation rund um indische Frauen zu einer zentralen Frage der Kolonialmacht. Ihre „zivilisierende Mission“ fokussierte sich auf die Frage wie Frauen modernisiert werden können (Forbes, 1998/2000). In Bengalen, heutiges Westbengalen, und Maharashtra wurden Reformvorschläge von Kolonialherren, indischen SozialreformerInnen und Feministinnen zu Gunsten von Frauen in die Öffentlichkeit gebracht. (Mehr dazu dann im Kapitel 2.) Diese beiden Bundesstaaten waren während der Kolonialzeit und der Unabhängigkeitsbewegung wichtige Schauplätze, da sie im Laufe der Jahrzehnte von einem Ort der Handelsbeziehungen zu einem Ort der Unterdrückung und Herrschaft von Seiten der britischen Macht wurden (Kumar, 1993). Machtbeziehungen lassen sich auf die koloniale Situation wie folgt darstellen: 2 Als imperialistische Herrschaft bezeichnet man die Bestrebung einer Großmacht, die ihren politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht- und Einflussbereich ausdehnen möchte. 12 „[P]ower offers itself both as a political limit and as a cultural possibility. If power is at once the qualitative difference or gap between those who have it and those who must suffer it, it also designates an imaginative sauce that can be occupied, a cultural model that might be imitated and replicated. (…) [I]f power is available as a form of ´subjection´, it is also a procedure which is ´subjectivised´ through, and within, particular individuals. According to Foucault, there is no ´outside´ to power – it is always, ready, everywhere” (vgl. Gandhi, 1998, 14). 1.2.2. Die Verfestigung der europäischen Identität „Das Europäische“ wurde sowohl durch die Kolonien entwickelt als auch zur Erscheinung gebracht. Durch die Konstruktion der Anderen verfestigte sich die Identität Europas. Die koloniale Dichotomie von HerrscherInnen und Beherrschten, „weiß“ und „schwarz“, Kolonisierenden und Kolonisierten beherrschten das Leben der indischen Bevölkerung, doch, so sind sich die AutorInnen Cooper und Stoler (2007) einig, dass es auch noch andere Betrachtungsweisen gibt. Stuart Hall, einer der bedeutendsten Kulturwissenschaftler, unterstützt ihre Meinung in dem folgenden Zitat: „Als periodisierender Begriff (…) [weist] >>postkolonial<< (…) einiges an Ambiguität [an], weil er nicht nur die Zeit nach der Dekolonisierung als entscheidende Phase für einen Wandel in den globalen Beziehungen ausweist, sondern auch (…) eine alternative Erzählung anbietet und andere zentrale Ereignisse und Merkmale ins Licht rückt als die klassische Geschichte der Moderne. Die Kolonisierung war, aus dieser >>postkolonialen<< Perspektive betrachtet, keine lokale und marginale Nebenhandlung innerhalb einer größeren >>Geschichte<< (…). In der neuinszenierten postkolonialen Erzählung nimmt die Kolonisierung den Rang und die Bedeutung eines zentralen, umfassenden, Strukturen sprengenden welthistorischen Ereignisses ein. Als >>Kolonisierung<< wird aus postkolonialer Perspektive nicht nur die direkte Herrschaft imperialer Mächte über bestimmte Gebiete der Welt bezeichnet. Gemeint ist vielmehr der gesamte Prozeß von Expansion, Erforschung, Eroberung, Kolonisierung und imperialer Hegemonisierung, der die >>äußere Gestalt<<, die konstitutive Außenseite der europäischen und dann der westlichen kapitalistischen Moderne nach 1492 bildete“ (vgl. Hall, 2002, 230f.). Die produktive Arbeit3 wurde zu einem politischen Instrument ernannt, denn es galt den europäischen Handel zu fördern. Die Arbeitsverhältnisse, meist charakterisiert durch Sklaverei und Zwangsarbeit, verstärkten die uneingeschränkten ökonomischen Gewinne. Mit diesen ging die „eroberte“ Sexualisierung einher, die durch die Macht europäischer Kolonialherren grenzenlos ausgeübt wurde. Kolonien könnten als „Labore“ der Moderne betrachtet werden, in denen MissionarInnen, MedizinerInnen und LehrerInnen ihre Experimente ausübten. Dabei galt das Prinzip der Rationalität, 3 Als produktive Arbeit ist hier sowohl die Erwerbsarbeit, aber auch die Subsistenzarbeit gemeint. Die Landwirtschaft und die Industrie waren die wichtigsten Bereiche zur Förderung des europäischen Handels. 13 der Technologie, des Fortschritts und der Vernunft, was die kolonisierte Bevölkerung aus europäischer Sicht nicht vorweisen konnte (Cooper; Stoler, 1997). Dieses eurozentrierte Prinzip sollte die Kolonisation legitimieren und sie als „zivilisatorische Mission“ präsentieren. Kolonisation sollte schließlich „Reife“ und „Freiheit“ mit sich bringen. In Europa an der Macht befindliche Personen waren der Meinung, dass Kolonialismus „unzivilisierte“ Länder die „(…) Aufklärung Europas, seine Rationalität und seinen Humanismus gebracht haben (…)“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 15), trotz Eingeständnisse ausgeübter Gewalt (Gandhi, 1998). „Reife“ und „Freiheit“ in ein „unzivilisiertes“ Land zu bringen, bedeutete unter anderem das Ausüben von Gewalt. Gewalt während der Kolonialherrschaft hatte verschiedene Formen. Strukturelle als auch individuelle Gewalt waren Teil der kolonialen Strategie, das eurozentrierte Prinzip Indien aufzuoktroyieren. Besonders Gewalt gegen Frauen, die als passive Objekte betrachtet wurden, wurde genützt, um die soziale Ordnung konstruiert zu können (Andrijasevic, 2008). In Indien wurde die Gewalt unter anderem auch über die Eingrenzung des selbst bestimmten und sozialen Lebens ausgetragen. Die Kolonialmacht definierte was öffentlich und was privat war. Es entwickelten sich zwei unterschiedliche Sphären, die von nun an durch eine starke Trennung charakterisiert waren. Spivak unterstreicht, dass eine zweckmäßige Veränderung in einem (Sub)System immer ein gewaltsames Ereignis ist. Auch, wenn die Veränderung nur schrittweise oder mit anfänglichen Fehlschlägen passierte, fand diese immer aufgrund einer Krise - im weitesten Sinne des Wortes - statt. Spivak schreibt, „(…) if the space for a change (necessarily also an addition) had not been there in the prior function of the sign-system, the crisis could not have made the change happen” (vgl. Spivak, 1985, 206). Indien wird somit auch als Akteur bezeichnet und nicht nur als Opfer der Kolonialmacht. Die Strukturen, Systeme und die dahinter liegenden Menschen bedingten zum Teil die Kolonialisierung. Es entstand nicht nur eine kolonisierte, sondern auch eine kolonisierende Elite, die Nutzen aus Großbritanniens Eroberung zog. Verstärkung bekamen beide Seiten durch die Produktion kolonialen Wissens, die nicht nur innerhalb der Grenzen Großbritanniens und in Beziehung zu ihren kolonialen „Subjekten“ in Indien entstand, sondern auch transnational. Ersichtlich wurde diese durch die „Vermarktung“ billiger Arbeitskräfte zwischen den Imperien. Dies schuf die Basis für einen neuen Weg der Klassenmobilität und darüber hinaus für länderübergreifende Erfahrungen. Die Industrialisierung Europas wurde somit auf den Rücken der kolonialisierten Länder und den Unterdrückten im eigenen Land aufgebaut (Cooper; Stoler 1997). 14 Der indische Historiker Ranajit Guha versuchte die ökonomische Produktion in Indien über eine zweidimensionale Struktur zu konstruieren. Er klassifizierte zwischen den „dominant foreign groups“ und den „dominant indigenous groups at the all-India and at the regional and local levels“, die die Elite repräsentierten. Er zieht hier eine klare Trennlinie zwischen der elitären und der subalternen Bevölkerung: „the demographic difference between the total Indian population and all those whom we have described as the „elite“ (vgl. Spivak, 1999, 271). Eine Klassifizierung, die sich durch die Geschichtsschreibung hindurch zieht. 1.3. Eine prägende Zeit: Die Britische Kolonialherrschaft Britische AdministratorInnen legitimierten ihr Verhalten auf dem Konstrukt eines „barbarischen und inhumanen Indien[s]“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 75), das durch die Unterdrückung des weiblichen Subjekts ersichtlich wurde. In der Diskussion wie Indien am besten regiert werden könnte, wurden Genderbeziehungen zur zentralen Begründung für die Kolonisierung. James Mill, der das Buch History of British India (1826) veröffentlichte, argumentierte, dass die Position von Frauen ein Indikator für die Entwicklung einer Gesellschaft ist. Er schrieb: „Among rude people, the women are generally degraded; among civilzed people they are exalted. (…) [Wenn eine Gesellschaft weiter entwickelt ist, ist] the condition of the weaker sex (…) gradually improved, till they associate on equal terms with the men, and occupy the place of voluntary and useful coadjutors. (…) [N]othing can exceed the habitual contempt which the Hindus entertain for their women … They are held, accordingly, in extreme degradation” (vgl. Forbes, 1998/2000, 13). Sir Herbert Hope Risley, britischer Administrator und Mitglied des Indian Civil Service, war sich sicher, dass eine Gesellschaft, die keine aktive intellektuelle Bevölkerungsgruppe hat und eine moralische Stagnierung erfährt, auch nicht Mut, Hingebung und Selbstaufopferung zu einer Nationenbildung hat. Die einzige Hoffnung, die es für die InderInnen gab sich von einer rückständigen zu einer modernen Gesellschaft zu entwickeln, so war sich Sir Herbert Hope Risley sicher, war die Einführung von westlichen Ideen und Institutionen. Dennoch glaubten nur wenige Kolonialherren daran, dass eine totale Neubildung Indiens möglich war. Einen wichtigen Schritt in eine positive Gesellschaftsentwicklung sahen sie vor allem im Einbezug der europäischen Moderne, wenn es darum 15 ging die Rolle sowohl der Frauen als auch der Männer und Frauen zueinander zu definieren (Forbes, 1989/2000). Der Status indischer Frauen unterschied sich in verschiedenen historischen Perioden, Regionen des Landes und je nach Kaste, Religion und Herkunft. Egal, ob eine Frau der Elite oder der subalternen Gruppe zugehörig war, Unterdrückung erfuhren sie immer schon innerhalb des indischen patriarchalischen Systems. Frauen waren Opfer von Werten, die sie gehorsam befolgen mussten (Jayawardena, 1986). Beispielhaft dafür kann die Witwenverbrennung (Sati) genannt werden. Ania Loomba, indische Literaturwissenschaftlerin und Autorin der Postkolonialen Kritik, beschreibt die unterschiedlichen Bedeutungen von sati: „Widow immolation is one of the most spectacular forms of patriarchal violence; each burning was and is highly variable, and is both produced by and helps to validate and circulate other ideologies that strengthen the oppression of women. But for the most part, representations of sati have tended to homogenize the burnings and to isolate them from the specific social, economic and ideological fabric in which they are embedded. Thus the spectacularity of widow immolation lends itself to a double violence: we are invited to view sati as a unique, transhistorical, transgeographic category and to see the burnt widow as a woman with special powers to curse or bless, as one who feels no pain, and one who will be rewarded with everlasting extra-terrestrial marital bliss. She is marked off from all other women by her will; thus her desire, her ´decision´ are to be revered by the community even as theirs are consistently erased. Paradoxically but necessarily, this process also casts the burning widow as a sign of normative femininity: in a diverse body of work, she becomes the privileged signifier of either the devoted and chaste, or the oppressed and victimized Indian (or sometimes even ´third world´) woman (vgl. Loomba, 1993, 310). Sati wurde so zu einer moralischen Rechtfertigung der britischen Kolonisierung, da „der weiße Mann [kam, um] die braunen Frauen vor den braunen Männern [zu retten]“ (Spivak, 2008). Trotzdem, die weibliche Hingebung zu ihrem Mann wurde letztendlich nicht nur von britischen Kolonialherren als Ideal gesehen, sondern Sati steht in der indischen Mythologie als besondere Hingabe und Aufopferung von Frauen ihren Männern gegenüber festgeschrieben. Loomba nennt es „ (…) a powerful male fantasy of female devotion, and an instance of Hindu barbarism (…)“ (vgl. Loomba, 1993, 311). Sati wurde 1829 offiziell von der britischen Kolonialmacht verboten, seine Ausübung findet sich aber im heutigen Indien immer noch (Forbes, 1998/2000). Zur Kolonialzeit wurde der Körper der Witwen als „ideologischer Kampfplatz“ benutzt, „[a]nstatt die weibliche Handlungsmacht zu verteidigen“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 75). Frauen wurden somit doppelt kolonisiert: durch die imperiale Ideologie als auch durch das indische und britische Patriarchat. In Nandy´s Worten: 16 „´Colonialism, too, was congruent with the existing Western sexual stereotypes and the philosophy of life which they represented. It produced a cultural consensus in which political and socio-economic dominance symbolized the dominance of men and masculinity over women and femininity (Nandy 1983, p.4)” (vgl. Gandhi, 2005, 100). Cooper und Stoler (2007) prägten hier den Begriff des „going natives”. Die Grenzen der kolonisierten mit der kolonisierenden Bevölkerung verschwammen zusehends je länger Kolonialherren in Indien blieben. Somit wurde auch die Definition „der Anderen“ instabil. Die sozialen, kulturellen und körperlichen Unterschiede zwischen Kolonisierten und Kolonisierenden mussten immer wieder neu gefunden werden. Mehr dazu im Laufe des Kapitels. Ab den 1860er Jahren beschäftigte sich eine große Bürokratie mit der „Klassifizierung“ von Menschen. Volkszählungen und Studien über das Verhalten der indischen Bevölkerung wurden verfasst, um ihre Merkmale zu erkennen. Das Kastensystem war eine Ausprägung dieser Klassifizierung. Die Folge war, dass das Kastensystem der Kolonialmacht nutzte, um soziale und politische Beziehungen verstehen zu können und ihre Kontrolle weiter auszubreiten. Bis zum heutigen Tag ist die Verfestigung des Kastensystems in der indischen Gesellschaft spürbar: „Eine Erfindung der britischen Administratoren ist damit zu einer indischen Realität geworden (…)“ (vgl. Wallensteiner, 2009, 82). Cooper und Stoler (1997) räumen allerdings ein, dass es auch Wissen indischer Personen bedurfte, um diese Kategorien zu schaffen. Der kolonialen Macht nütze diese Klassifizierung, um zu wissen, wen sie regierten. Und den indischen NationalistInnen nütze es, um zu beweisen, dass sie durch ihr Wissen die Fähigkeiten haben zu regieren. Die Konstruktion der Anderen war somit festgeschrieben. Auch Edward Said zeigte in seinem berühmten Buch Orientalism (1978) auf, dass die Entstehung der Anderen durch die Kolonialmacht „whiteness“ als auch „Europa“ (re)definierten und festigten. In anderen Worten: „[C]ompartmentalization of militaristic and civilisational imperialism, modern colonialism did, of course, rely on the institutional uses of force and coercion. In addition, it enacted another kind of violence by instituting ´enduring hierarchies of subjects and knowledges – the colonizer and the colonized, the Occidental and the Oriental, the civilized and the primitive, the scientific and the superstitious, the developed and the developing´ (Prakash 1995, p. 3). (…) The colonized was henceforth to be postulated as the inverse or negative image of the colonizer. In order for Europe to emerge as the site of civilisational plenitude, the colonized world had to be emptied of meaning. (…) Colonialism, then, to put it simply, marks the historical process whereby the ´West´ attempts systematically to cancel or negate the cultural difference and value of the ´non-West´” (vgl. Gandhi, 1998, 15f). 17 1.3.1. Die ökonomische Motivation der Kolonisierung Die Kolonisierung Indiens hatte unter anderem auch eine ökonomische Motivation. Koloniale Ökonomie kann generell in zwei Elementen beschrieben werden: zum einen als ein merkantilistisches Konzept des Handels, durch das sich die Kolonialmacht alleinigen Zugang zum Markt und zu Rohstoffen sicherte, indem sie die Handlungsfreiheit des kolonisierten Landes einschränkte, und zum anderen als Selbstverständnis der Kolonie sich dem Druck der Kolonialmacht nicht hinzugeben und eine Wirtschaft jenseits der kolonialen aufzubauen. Die Weltsystemtheorie4 sieht die Kolonisation als ein Teil der Entwicklung eines kapitalistischen Weltsystems (Cooper; Stoler, 1997). Aufgeteilt in zwei Teile – die lukrative gut bezahlte und die niedrig entlohnte Arbeit – bildete die Arbeit die Basis für die heutige Wirtschaftsordnung. Für die Kolonialzeit hatte die Ökonomie die Rolle, die Machtbeziehungen zwischen der Kolonialmacht und der indischen männlichen Elite zu definieren. Bedingt durch diese Machtbeziehungen wurden die sozialen Beziehungen zwischen Männern und Frauen, oberer und unterer Kaste umgeformt und abermals definiert (Rai, 2008). Der landwirtschaftliche und industrielle Zweig fanden in der schnell expandierenden Bürokratie Struktur, in der die indische Elite unter britischer Kontrolle saß (Kumar, 1993). Dieses Setting brachte Ende des 19. Jahrhunderts eine Urbanisierung mit sich, wodurch sich auch die Verortung von Arbeit änderte. Zuarbeit war nicht mehr nur im Haus möglich, sondern auch in Institutionen (Schulen, Universitäten, religiösen Stätten, Industrien, Regierungseinrichtungen, etc.). Ein Verständnis von „der neuen indischen Frau“ entwickelte sich. Dieser Prozess war allerdings nicht abrupt und auch nicht linear. Geschlechtertrennung wurde, zum Beispiel, in Schulen aufgehoben, die Mädchen kehrten aber wieder in ihre Häuser zurück, in denen Traditionen fortlebten (Forbes, 1998/2000). 4 Die Weltsystemtheorie wurde unter anderem von Immanuel Wallerstein und André Gunder Frank begründet. Die Weltsystemtheorie setzt sich kritisch mit den Entwicklungen der kapitalistischen Weltwirtschaft auseinandersetzt, deren Entstehung sie mit der Kolonialzeit in Verbindung bringen. 18 1.3.2. Der weibliche Körper als Austragungs“ort“ kolonialer Herrschaft Indien wurde von Großbritannien als ein Ort verbotener sexueller Praxen imaginiert, in dem die Frau zu einem Objekt wurde, das passiv, schweigsam und willig war. Der „Orient [wurde] als Frau attribuiert (…), der vom männlichen Westen beherrscht und „penetriert wird““ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 43f.). Diese heterosexuelle Betrachtungsweise wurde im Laufe der Kolonialzeit noch verstärkt als die Nation zu einem Symbol der familiären Beziehungen wurde. Bezeichnungen wie Vaterland und Mutterland werden seit jeher in Indien gebraucht. Die Gesellschaft wurde in private und öffentliche Bereiche unterteilt. Frauen sind seit jeher dem privaten Teil zugeordnet. Shirin M. Rai (2008), Professorin der Politikwissenschaften und der Internationalen Studien an der Universität von Warwick, zeigt in ihrer Analyse auf inwiefern Frauen der indischen Elite zu einem nationalen Symbol wurden. Das Verhalten, die Kleidung, ihre Sexualität und ihre reproduktive Arbeit wurden idealisiert. Sie wurden zu den Trägerinnen der Tradition und dem Zentrum der Familie ernannt, besonders in Zeiten von sozialen Veränderungen, die die Kolonialzeit mit sich brachte. Frauen allerdings sollten sich nicht, wenn überhaupt, schnell verändern. Es sollte keine gemeinschaftliche Identität entwickelt werden, ansonsten würde sich eine ganze Gruppe verändern. Dies birgt Gefahr für den Mann, denn er hätte dann keine Kontrolle mehr über die soziale Ordnung. Dieses System der indischen Elite bildete die Basis für ein nationales Verständnis, das von der Kolonialmacht als auch von der dominierenden indischen Elite konstruiert wurde. Soziale Beziehungen wurden in Normen umgewandelt und in Gesetzen und Konstitutionen festgeschrieben. Die Sicherheit, Vertrautheit und Tradition im privaten Raum war das „Terrain“ des indischen elitären Mannes, unberührt von der Kolonialmacht, die den öffentlichen Raum für sich einnahm. Das Heim wurde als die „wahre Identität“ Indiens gesehen, das Schutz und Kräftigung, aber keine Transformation benötigte (Forbes 1998/2000). So hoffte Großbritannien, dass durch die Macht des Patriarchen im privaten Raum ein anti-kolonialer Widerstandskampf unterminiert werden könnte. Es entstand eine Spaltung zwischen den Frauen, die allerdings als patriarchales Prinzip galt, das sowohl der britischen Kolonialmacht als auch der indischen männliche Elite inne war. Wie schon erwähnt entstand in der Diskussion über „die moderne indische Frau“ eine klare Hierarchie zwischen Frauen der oberen und der unteren Kasten, der verwestlichten und der westlichen Frauen. Frauen der oberen Kasten zugehörig sollen gebildet sein und einen politischen Beitrag leisten können, 19 gleichzeitig aber anspruchs- und selbstlos sein. Dieses Idealbild einer Frau sollte einen Gegensatz zu den anderen Frauen bilden. Dies war der „Schlüssel“ zur sozialen Ordnung in der voranschreitenden Unabhängigkeitsbewegung Indiens. Frauen waren zentral für die soziale Konstruktion “zivilisierter” Menschen. Die Grenzen, die rund um Frauen gezogen wurden, bildeten die Etiketten einer zuvorkommenden Zivilgesellschaft. Wie der einflussreiche italienische Philosoph und Theoretiker Antonio Gramsci es definierte gilt Zivilgesellschaft als ein Raum der Auseinandersetzung für und gegen eine politische Ordnung sowie ein kulturelles und ideologisches Feld (Rai, 2008), was im Fall Indiens speziell in den Frauen- und Unabhängigkeitsbewegungen ersichtlich wurde. Näheres dazu im Kapitel 2. Wenn es darum ging die Anderen zu konstruieren und das „Europäische“ zu definieren wurde über die Sexualisierung von Frauen Machtbeziehungen ausgetragen. „[T]he masculinity of empire was articulated (…) through the symbolic feminisation of conquered geographies, and in the erotic economy of colonial ´discovery´ narratives” (Gandhi, 2008, 98). Kategorien der „Rasse“ wurden durch Sexualisierung und des „going natives“ vermischt. Es wurden Bestimmungen erlassen, die die sozialen und sexuellen Beziehungen zwischen dem kolonialen Mann und der kolonisierten Frau regelten, wodurch erneut eine klare Hierarchie festgeschrieben wurde. Kinder, die aus diesen Beziehungen entstanden, wurden als unmoralische, politische Unsicherheit und somit als Gefahr gesehen. Das Problem hierbei lag allerdings nicht daran, dass diese Kinder unehelich waren, sondern, dass sie den Klassifizierungen der BritInnen nicht entsprachen. Sie lebten entweder zurückgezogen im Heimatdorf ihrer Mütter oder arbeiteten als einfache Beamte in der kolonialen Bürokratie. Dies hatte Konsequenzen. Das koloniale Regime entschied wie lange wer in Indien bleiben konnte und mit welchen Personen diese wiederum leben durften (Cooper; Stoler, 1997). Der Körper der Frau wurde wieder zu einem Ort, an dem sich das verändernde Europa seine „Rasse-“ und Genderkategorien ohne Rücksicht auf Verluste konstruierte (Andrijasevic, 2008). Dieser Prozess war unter anderem deshalb möglich, weil die indische Gesellschaft die Strukturen dafür bot. Sexuelle Belästigung und Vergewaltigung wurde in Indien als Verunreinigung und Verletzung der Ehre des Ehemannes und der Familie gesehen, nicht aber der Frau. Frauen wurden verstoßen und wurden „servicers of soldiers´ needs. [They] were often made part of the political economy of colonial war against their own countries” (vgl. Rai, 2008, 19). Eine dieser Bedürfnisse der Soldaten waren 20 Prostituierte. Frauen und Mädchen, die verwitwet waren, durften aufgrund familiärer und sozialer Strukturen nicht wieder heiraten. Sie wurden zu einer Belastung der Familie und zum Teil ebenfalls verstoßen. Es entstand die Notwendigkeit für Frauen, Prostitution als überlebensnotwendigen Brotverdienst zu sehen. Sie waren verletzlich und vergessen, denn die Verantwortung für Prostituierte, die sowohl Frauen hoher als auch niedriger Kaste waren, trug niemand im kolonialen Indien (Jayawardena, 1986; Thomas, Erscheinungsjahr unbekannt). Den Körper der Frau zu einem Objekt der Kolonisierung zu machen war auch deshalb möglich, weil, so interpretierte Gandhi die Begründung der Kolonialmacht, „India (…) lacks real men“ (Gandhi, 1998, 99). Die koloniale Übereinstimmung zwischen der sexuellen und politischen Dominanz wurde mit dieser Ansicht weiter verfestigt. Die Situation für indische Frauen besserte sich als britische Männer mit dem ökonomischen Aufschwung der East India Company vermehrt mit ihren Familien nach Indien kamen (Thomas, Erscheinungsjahr unbekannt). 21 2. Die Zeit des „nation-buildings“ 2.1. Feministinnen, soziale Bewegungen und die Gründung eines demokratischen Staates Die Kolonialzeit war eine Zeit, die vieles mit sich brachte: unter anderem Unterdrückung, administrative, bildende und akademische Entwicklung, Reformen, zahlreiche Frauen- und Unabhängigkeitsbewegungen und schließlich Befreiung von der Kolonialmacht. Unzählige indische und westliche AutorInnen schrieben über diese Prozesse. Besonders die Unabhängigkeitsbewegungen gingen in die Geschichtsbücher ein, die das Ziel hatten sich von der Kolonialmacht zu lösen, und durch Mahatma Gandhi und Subhas Chandra Bose Weltberühmtheit erlangten. Dieses Kapitel wird besonders Vertreterinnen der Unabhängigkeitsbewegung in den Vordergrund stellen. Vorab wird es allerdings um indische Feministinnen gehen, die in der Kolonialzeit bis hin zur Unabhängigkeit eine wesentliche Rolle innehatten. Dieses Unterkapitel ist dem darauf folgenden zur Unabhängigkeitsbewegung vorangestellt, denn Frauen haben für ihre Rechte gekämpft noch bevor sie Teil der nationalen Befreiungsbewegung wurden. Feministische Forderungen wurden in die Unabhängigkeitsbewegung nicht aufgenommen, sondern instrumentalisiert. Nationalismus wurde somit feminisiert. Die folgenden beiden Kapitel werden diesen Prozess genauer darstellen. 2.1.1. Die erste indische Frauenbewegung und ihr Einfluss auf die indische Gesellschaft Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, wurde die untergeordnete Stellung der indischen Frau – aus britischer Sicht – instrumentalisiert, um zu beweisen, dass die beherrschte Kultur degeneriert sei (siehe Kapitel 1.2). Die britische Kolonialmacht erachtete Reformen als notwendig, um die soziale Position der Frauen zu stärken. Dies wurde als ein Eingriff in die eigene Gesellschaft verstanden und so nahmen sich die indische Elite und ReformerInnen dem Thema an, um mit ihrem eigenen Verständnis zur weiblichen Rolle zu antworteten. Patriarchale Strukturen wurden allerdings nicht aufgebrochen, sondern weiter verfestigt (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). Das Kastensystem, Kinderehe, purdah5 und Sati wurden als „prä-modern“ und als Teil einer primitiven Gesellschaft gesehen, die es galt zu reformieren. Diesen Reformen lagen die traditionellen Definitionen von privat und öffentlich, 5 Als das purdah-System wird die Geschlechtertrennung in der indischen Gesellschaft verstanden. Kleidung von Kopf bis Fuß, hohe Mauern und Vorhänge, die Frauen den freien Blick nach außen untersagten, waren Ausdruck des purdahSystems. 22 Heim und Gesellschaft, weiblich und männlich zugrunde. Daher spielten sie in der „Umstrukturierung“ von Genderbeziehungen eine wesentliche Rolle, die nicht zu letzt auch die indische Elite redefinierte (Kumar, 1993). Die indische Befreiungsbewegung, die sich den Reformen des späten 19. und Anfang des 20. Jahrtausends annahm, hatte eine lange Geschichte. 200 Jahre vor der Unabhängigkeit Indiens 1947 begann der Widerstand gegen die imperiale Macht. Vor allem Männer, die familiäre Werte bekräftigten, gingen als Befürworter eines unabhängigen Staates in die Geschichtsbücher ein. Frauen wurden lediglich als unterstützende Kraft dargestellt, nicht aber als Akteurinnen in der Unabhängigkeitsbewegung, die weit vor Mahatma Gandhis Rückkehr nach Indien 1914 begann. 2.1.1.1. Einflussreiche Frauen(organisationen) während der Kolonialzeit Lakshmi Bai steht exemplarisch für Frauen, die Teil eines lang anhaltenden Widerstandskampfes waren. Sie war neben Sultana Razia und Nur Jehan eine der ersten indischen Frauen, die durch ihre kriegerischen Handlungen bekannt wurden. Besonders Lakshmi Bai wurde zu einer Heldin gemacht als sie während einer Schlacht gegen Großbritannien 1857 starb. Ihr Ruhm kam als sich herausstellte, dass der als Mann bekleidete und gestorbene Mensch eine Frau war. Posthum wurde sie zu einem, wenn auch nicht von allen Frauen, geschätzten Vorbild (Jayawardena, 1986). Um 1900 bildete sich ein breiter politischer Widerstand gegen die koloniale Macht, in dem Frauen aktiv teilnahmen. Die Förderung von Bildung und Öffnung der Schulen und Universitäten für Frauen brachte eine Mittelschicht an gut ausgebildeten, englisch sprechenden Frauen hervor, die ihren Aktivismus im politischen Widerstand sichtbar machten. Der 1885 gegründete Indian National Congress öffnete seine Türen besonders diesen Frauen. Pandita Ramabai war eine der weit bekanntesten und einflussreichsten Frauen, die sich für die Situation der Frauen einsetzte. Gefördert von ihrem Vater, der ihr und ihrer Mutter Sanskrit und Theologie lehrte, wurde ihre Familie von TraditionalistInnen aus der Gesellschaft ausgestoßen. Nomadisches Leben prägte ihre Entwicklung und lernte die unterschiedlichen Lebensweisen und sozialen Strukturen Indiens kennen. Nach dem Tod ihrer Eltern und Schwester, ging Ramabai mit ihrem verbliebenen Bruder nach Kolkata. Ihre Kritik am Hinduismus machte sie schnell in intellektuellen Kreisen in 23 Bengalen bekannt. Sie reiste durch Bengalen und Assam, um über die soziale Ungerechtigkeit, die Frauen erfahren, zu referieren. In einem Land, in dem Religion allgegenwärtig ist und als Legitimation für soziale Strukturen verwendet wird, kamen ihr das Theologie- und Sanskritwissen sehr zugute. Als Witwe verhielt sie sich nicht den Normen entsprechend und wurde abermals kritisiert. Sie führte schließlich ein Leben als Reisende und Aktivistin. Sie setzte sich für die schulische und medizinische Bildung von Mädchen und Frauen ein und gründete eine Reihe von Frauenorganisationen. In ihrem Buch Women´s Religious Law sprach sie sich für die Emanzipation von Frauen aus und gegen die traditionellen Praktiken, die Frauen unterdrückten. Nach Lehraufträgen in den USA und Kanada kam sie 1889 wieder nach Indien zurück und wurde zu einer der zehn weiblichen Delegierten des Indian National Congress. Ihr Leben beeinflusste nicht nur viele Frauen, die in ihre Fußstapfen traten, sondern auch männliche Reformer. Ihr Buch High Caste Hindu Woman ist bis heute eines der bekanntesten Bücher der damaligen Zeit (Jayawardena, 1986). Nicht nur Frauen wie Lakshmi Bai und Pandita Ramabai waren von Anfang an Teil sozialer Bewegungen, sondern auch Frauen der bengalischen Bourgeoisie. Gerade das durch die britische Kolonialmacht beeinflusste Bengalen war der Ursprungsort für politische Widerstandbewegungen, die dem Nationalismus eine neue Kraft gaben. Die wohl bekannteste war Swarnakumari Devi, die Schwester des Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore. Doch wie Desai (1948/1991) zu Recht kritisiert, sind diese Frauen Teil der privilegierten Bevölkerung und repräsentieren nicht die Masse an Frauen. Sie sprachen von einem bestimmten Kasten- und Religionsverständnis heraus. „The ideology of the women’s organization was too Hindu, too middle-class, and too urban to appeal to or adequately represent all Indian women“ (vgl. Forbes 1998/2000, 189). Dennoch waren sie der Meinung, dass Frauen die gleichen Schicksalsschläge erfuhren, egal welcher Kaste und Religion sie angehörten. Wenn es darum ging, Beweise für ihre Unterdrückung vorzulegen, griffen sie auf Erzählungen ihrer Mütter, Schwiegermütter, Schwestern, Bedienstete oder Angestellte zurück, denn wissenschaftliche Untersuchung dazu wurden – so die Geschichtsschreibung – nicht verfasst. Frauen der privilegierten Klasse meinten also ein Wissen über die Situationen subalterner Frauen zu haben (Forbes, 1998/2000; Desai, 1948/1991). Zwischen 1917 und 1927 entstanden drei große Frauenorganisationen: die Women´s Indian Association, das National Council of Women in India und die All-India Women´s Conference. Die All- 24 India Women´s Conference versuchte, subalterne Frauen mit einzubeziehen und ihnen eine Stimme zu geben. Sie unterstützte außerdem SozialreformerInnen und Frauenorganisationen in ihrem Anliegen die Bildung von Frauen voran zu treiben. Bildung für Frauen und Mädchen wurde nach einem langen Prozess des Widerstands von konservativen Mächten anerkannt und schließlich als wesentlicher Teil des nationalen Befreiungsprozesses gesehen. Dennoch: Bildung war nur jenen zuteil, die auch die ökonomischen Ressourcen dafür hatten, das heißt ein großer Teil der Bevölkerung wurde wiederum ausgeschlossen. Nichtsdestotrotz entwickelte sich unter den subalternen Frauengruppen ein Wissen über ihre Rechte, die sie zwar nicht durch politische und akademische Schriften, aber bei Demonstrationen, Straßentheater und Reden einklagen konnten. Sie erkannten eine Notwendigkeit an Reformen, die nicht zuletzt auch die nationale und individuelle Freiheit als Ziel hatten (Desai, 1948/1991). Frauen hatten vor allem die britische als auch indische männliche Unterstützung in ihrem Anliegen den Bildungszugang für Frauen zu öffnen. Der Sozialreformer Rammohun Roy setze sich für Frauen ein, denen er moralische Überlegenheit zuschrieb. Er ging zwar als der Vater des modernen Indiens in die Geschichtsbücher ein, betrachtet man aber seine eigene Biografie, so wird ein Widerspruch in seiner Befürwortung zur Stärkung von Frauen und seinem Verhältnis zu seinen weiblichen Familienmitgliedern, die sich den traditionellen Werten zu verhalten hatten, erkennbar (Forbes, 2005). Die National Social Conference, gegründet 1887, unterstützte die Bildung einer Frauenabteilung, die 1904 ihre Arbeit begann. Mit dieser Erfahrung haben Frauen gesehen, dass es mehrere eigene Organisationen, die die Anliegen von Frauen in die Öffentlichkeit tragen, benötigte. Die Erste Frauenbewegung, die sich in der Zeit zwischen den 1880er und den 1940er Jahren festmachen lässt, war geprägt durch die Entstehung eines hohen politischen Bewusstsein und damit einhergehend von Organisationsgründungen. Mit ein paar wenigen Ausnahmen war es von Männern nicht gerne gesehen, dass Frauen an Machteinfluss gewinnen wollten und sich separat trafen, um über die anstehende Themen zu diskutieren. Geschlechtersegregation wurde somit erneut zum Thema. Die Abschaffung des purdah Systems war eines der Hauptanliegen mancher Feministinnen, da purdah die Bildung von Mädchen nicht zuließ. Andere wiederum sahen in der Geschlechtersegregation die Chance, dass sich Frauen ohne Männer treffen konnten. Eine der Befürworterin sagte: 25 „Public spirited women are for the present in a minority and their individual effort and eloquence would be submerged by the superior and voluminous activities of men, if a combination took place. The minority of their number and the newness of their experiences may prevent their influence from asserting itself in any movement in which they were joined by men (…)” (vgl. Forbes, 2005, 15). Die Erste Frauenbewegung setze sich auch mit Aspekten eines „modernen“ Lebens auseinander: Gesundheitsfürsorge, Gewalt, politische und soziale Rechte. Mit der Zeit kamen die nationalistischen Themen hinzu. Eine Entwicklung, die Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru auf politischer Ebene befürworteten und eigennützig instrumentalisierten. Frauen, die bei der Bildung der Nation teilnahmen, verweigerten die Bezeichnung Feministin. Sie meinten, dass diese Bezeichnung bedeuten würde, dass das Erlangen der Frauenrechte prioritär sei und Männer nur als Feinde betrachtet werden. Vielmehr definierten sie Bräuche als ihre Feinde, die sie als Resultat von Invasionen und Imperialismus sahen. Bewusst bezeichneten sie die im Raum stehenden Inhalte als Frauenthemen, für die gemeinsam mit der Loslösung von imperialistischer Unterdrückung gekämpft werden musste. Sie verstanden die Macht der politischen Partizipation in der Gestaltung der Welt, zu der auch gehörte sich für die Befreiung Indiens einzusetzen und sich aus den Fesseln der britischen Kolonialmacht zu lösen sowie die Situation der Frauen zu verbessern (Forbes, 2005). Frauen sahen die Ideologie der Frauenrechte in der Zeit der antiken Veden6, die von ca. 1500 bis 500 vor Christus periodisiert sind, als Frauen im politischen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen konnten. Weibliche Talente wurden damals als Nutzen für eine Verbesserung der Welt gesehen. Frauen belebten diese Ideologie während der britischen Kolonialzeit wieder, denn sie wollten keine neuen Genderbeziehungen schaffen, sondern eine gesellschaftliche Partizipation wieder herstellen. Einer der berühmtesten Vertreterinnen war Sarojini Naidu (1879-1949), die deklarierte, dass die „neue Frau“ in Verbindung mit ihren Wurzeln und Heldinnen der antiken Epen stehen sollte. Sie sollte diese Kraft nutzen, um aus ihrem Haus zu gehen, um eine dieser epischen Heldinnen für ihre Nation zu sein. Ein wahrlich hingebungsvoller Gedanke, den Sarojini Naidu mit dem bildhaften Konzept vom unabhängigen Indien noch verstärkte: „(…) India as the „house“, Indian people as „members of the joint family“, and the Indian woman as „Mother“” (vgl. Forbes, 2005, 18). 6 Die Veden sind die ältesten religiösen Schriften, die überliefert sind. Sie sind die wichtigsten Schriften des Hinduismus. 26 Die Erste indische Frauenbewegung, die nach der Unabhängigkeit nahezu verschwand, erreichte vor allem politische Partizipation und rechtliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Sarojini Naidu fasst in einem Schreiben die Hautpanliegen der Frauenbewegung zusammen: „The supreme overlordship of man and particularly that of the husband is strongly questioned. The women seek to have their own free choice in the selection of partners in life, the right to enter the state of Motherhood when and if they desire, to seek divorce if necessity arises” (vgl. Forbes, 2005, 24). Vieles wurde mit Unterstützung der SozialreformerInnen erreicht, die hofften, dass Indien als reformiertes Land „zivilisiert“ dargestellt werden konnte. Traditionelle familiäre Strukturen sollten aber weiterhin aufrecht bleiben, so entsprechende Gesetze verabschiedet werden würden. Dies geschah: Die Kinderehe, der Witwenmord und die Mitgift wurden rechtlich verboten und die Wiederverheiratung von Witwen in Gesetzen festgeschrieben. Doch die Realität sieht wie so oft anders aus. Bis zum heutigen Tag finden diese Praktiken in Teilen Indiens immer noch statt (Forbes, 2005; Jayawardena, 1986). 2.1.2. Reformen und Unabhängigkeitsbewegungen Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts dachten SozialreformerInnen, dass es nur durch entsprechende Reformen einen Fortschritt sowie eine Loslösung der britischen Kolonialmacht geben könnte. Gesellschaftliche Veränderungen, die vor allem die Situation der Frauen verbessern sollten, waren dafür essentiell. Dieser Prozess sollte aber nicht unter der Führung der BritInnen geschehen, sondern unter der Leitung von indischen Intellektuellen gemeinsam mit dem einfachen und gebildeten Volk (Forbes, 1998/2000). Die Idee der indischen Nation war ein machtvoller Motor für eine antikoloniale Kraft (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). In dieser Zeit wurde eine breite Masse gewonnen. Bäuerinnen/Bauern, AkademikerInnen und Geistliche beteiligten sich an der Unabhängigkeitsbewegung. Politische Partizipation von Frauen wurde allerdings zu Gunsten der nationalistischen Bewegung instrumentalisiert und kann nicht als Durchbruch für eine gleichberechtigte Stellung in der Gesellschaft gesehen werden. Männer wollten, dass Frauen zu Hause wieder den traditionellen Pflichten und Rollen nachgehen. Eine scheinbare Verbindung zwischen der konstruierten idealisierten Weiblichkeit und des Nationalismus war spürbar in der Unabhängigkeitsbewegung, die nicht zuletzt durch Politiker wie Gandhi weiter verstärkt wurde. Als Gandhi zu einer Frauengruppe am 27 Beginn der Unabhängigkeitsbewegung sprach, sagte er, dass Indien Frauen brauchte, die rein, standhaft und selbst kontrolliert sind. Sie sollten sich an den Heldinnen Sita, Damayanti und Draupadi der großen indischen Sagen Ramayana und Mahabharata ein Beispiel nehmen und ihren Männern genauso mit Würde dienen. Nur wenn sie die Stärke ihrer epischen Vorfahren erkennen würden, würden sie ihr Recht auf Freiheit und Gleichberechtigung erkennen, so Gandhi. Er war sich sicher, dass Frauen einen wesentlichen Beitrag in der Bewegung leisten könnten ohne das Haus zu verlassen oder ihre Familie zu benachteiligen. Dadurch versicherte er erneut indischen Männern, dass ihre Frauen die Familienehre nicht in den Abgrund treiben würden. Gandhi verstand es sowohl Frauen als auch Männer anzusprechen beziehungsweise zu instrumentalisieren. Er konstruierte ein neues Ideal einer indischen Frau: sie soll passiv, selbstlos und Gewalt gegenüber abgeneigt sein (Forbes, 1998/2000). Von Frauen organisierte Befreiungsdemonstrationen liefen unterschiedlich ab. Frauen in weißen oder orangen Saris, die ihre Reinheit und Aufopferung betonen sollten, prägten das Bild von Demonstrationen in Städten. Diese waren meist geschlechtergetrennt. Auf dem Land hingegen wurden Frauen von ihren Ehemännern oder Vätern begleitet, die sicherstellen sollten, dass sie nach der erreichten Unabhängigkeit wieder zu ihren tatsächlichen Pflichten zurückkehren: „Male guardianship prevailed even though the Indian freedom movement was not characterized by „patriarchal nationalism.“ Women could „come out“ because the house was on fire. The expectation was that once the fire was out, women would go back inside the house“ (vgl. Forbes, 1998/2000, 156). Indische Feministinnen, wie zum Beispiel Jayawardena, haben damals die zentrale Rolle der indischen Frauen im nationalistischen Diskurs vor allem in ihrer Funktion als Gebärende gesehen. Sie wurden definiert als „(…) biological reproducers of members of ethnic collectivities, as reproducers of the boundaries of ethnic/national groups, as central participants on the ideological reproduction of the collectivity and as transmitters of its culture” (vgl. Rai, 2008, 11). In dieser Funktion dienten sie als Referenz auf all das, was ethnisch und nationalistisch anders war als „das Indische“. Es wurde über die weibliche Gebärfähigkeit ein ideologischer Diskurs über die Konstruktion einer „indischen“ Kategorie geführt, der zu einem besseren nationalistischen Verständnis beitragen sollte. Es wurde eine klare Trennlinie zwischen dem spirituellen und dem materiellen Kontext, dem Innen und dem Außen gezogen. In materieller Außensicht ahmten Indiens UnabhängigkeitsbefürworterInnen den Westen 28 nach. Die von Frauen repräsentierte Innenseite sollte allerdings unkolonisiert bleiben und die wahre Identität Indiens darstellen (Sinha, 1991). Die indische Nation aufzubauen bedeutete sich einem „modernen“ Verständnis der Gesellschaft hinzugeben. Die politische Ökonomie spielte dabei eine wesentliche Rolle, da sie die Position des neuen indischen Staates in der Welt definierte. ReformerInnen und PolitikerInnen legten das vorherrschende kulturelle Verständnis in Konstitutionen und Gesetzen fest und sicherten gleichzeitig die militärische und ökonomische Infrastruktur. Das Ergebnis sollte eine stabile politische Einheit sein, die durch die Unabhängigkeit ins Leben gerufen wurde (Rai, 2008; Cooper; Stoler, 1997). Kriege, Unruhen, Anschläge und tägliche gewaltsame Ausschreitungen lassen die Frage aufkommen, inwiefern Indien tatsächlich eine stabile politische Einheit ist. Eine Darstellung subalterner Gruppen im Kontext der Dekolonisierung wird erfolglos gesucht. Spivak meint, dass der Kampf zwischen der bürgerlichen indischen Elite und der kolonialen Macht keinen Raum für soziale Bewegungen subalterner Gruppen zugelassen hat. Daher zeigt die Analyse der Subalternen in diesem Zusammenhang, „(…) dass die Geschichte des Erfolgs des nationalistischen Widerstands nur solange in kohärenter Weise erzählt werden konnte, wie die Rollen der Subalternen strategisch ausgegrenzt wurde (Spivak 1988: 245)“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 69). Partha Chatterjee, Vertreter der South Asian Subaltern Studies Group, führt den Begriff der Subjektivität in diesen Diskurs ein. Er sieht Subjektivität als Voraussetzung, dass sich ein Individuum gleichberechtigt in einer Zivilgesellschaft beteiligen kann. Politische Subjektivität wurde allerdings immer durch Ausschluss von Gender, „race“, Klasse, Kaste und Religion definiert, so auch im Befreiungskampf Indiens. Somit wurde es denen untersagt, die dieser Subjektivität nicht gerecht war, an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen und wurden abermals exkludiert (Gandhi, 1998). Liest man Spivak so kommt ein Verständnis auf, dass der nationale Befreiungskampf im Grunde versagt hat, denn die Mehrheit des heutigen Indiens ist immer noch vom Westen als auch von einer Gruppe hauptsächlich männlicher Angehörige der gebildeten oberen Mittel- und Oberschicht abhängig. Besonders Frauen und Kinder profitieren nicht von der friedlich erkämpften Unabhängigkeit von 1947 29 und der indischen Konstitution. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den Entwicklungsdiskurs eingehen. 2.1.2.1. Exkurs: Der Entwicklungsdiskurs Zum Begriff und Inhalt von der so genannten Entwicklung gibt es unzählige Diskurse, Diskussionen und Beiträge von BefürworterInnen und GegenerInnen dieses Begriffs. Diese Diskurse sollen hier nicht aufgerollt, aber ein wesentlicher Aspekt herausgestrichen werden, den Arturo Escobar, ein bekennender Gegner vom herrschenden Diskurs der Entwicklung, in seinem Werk Discourse and Power in Development: Michel Foucault and the Relevance of his work to the Third World (1985) herausgearbeitet hat. Wie der Titel seines Aufsatzes schon verspricht, behandelt Escobar die Machtwissensordnung im Sinne Foucaults, der sich zwar im Laufe seiner Arbeit ausschließlich auf die europäischen Gesellschaften fokussierte, aber der Meinung war, dass die so genannte Dritte Welt gerade im Bezug auf die Machtwissensordnungen in Betracht gezogen werden müsse. Entwicklung ist unter anderem eine Zusammenstellung aus politischen Technologien, die die Dritte Welt sowohl konstruieren als auch Richtungen im Bezug auf ihre gesellschaftliche, politische und ökonomische Weiterentwicklung vorgeben. Unter Technologien, die den ganzen Apparat der Entwicklung steuern, bezeichnet Escobar internationale Organisationen, wie die Weltbank, der Internationale Währungsfond sowie NGOs7 auf lokaler Ebene. Im Namen von Modernisierung und Entwicklung wurde dieser Apparat geschaffen, der die Entwicklung der „neuen Nationen“ kontrollierte. Dadurch wurden die alten und sichtbareren Formen von kolonialer Unterdrückung durch andere scheinbar wichtigen Faktoren, wie zum Beispiel die Ökonomisierung des Lebens, ersetzt. Escobar ist der Meinung, dass „Unterentwicklung“ durch einen Verwestlichungsprozess eingetreten ist, die Escobar folgendermaßen begründet: es geht nicht darum die „produktiven Errungenschaften der Zivilisation“ zu kritisieren, sondern vielmehr, im Sinne Foucaults, zu analysieren welche Rationalitäten mit diesen Errungenschaften verbunden sind. Und weiter: welche Art von Macht und Wissen diese Errungenschaften charakterisieren und in welcher Weise sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, dass sie die Lebensbedingungen in Ländern des Südens kontrollieren und in Grenzen halten (Escobar, 1985). Diese Kontrolle ist nach wie vor gerade im (post)kolonialen Kontext erkennbar. Cooper und 7 NGOs sind non-governmental organisations (Nicht-Regierungs-Organisationen), die ohne Profitabsicht, ohne staatlichem Einfluss sowie staatlicher Abhängigkeit agieren. 30 Stoler beschreiben diesen Diskurs: „Today’s world is often said to be one of global movement, of fractured social relations, implicitly or explicitly contrasted to a colonial world of spatial and cultural confinement” (vgl. Cooper; Stoler, 1997, 33). Wenn man sich in den bestehenden Entwicklungsdiskurs einlässt, erkennt man, dass Entwicklung, die auf unzureichende Erkenntnisse der lokalen Verhältnisse und Gesellschaftsprozesse aufbaut, zu oft in eine falsche Richtung geht. Sie verstärkt die Entmachtung subalterner Gruppen trotz scheinbarer Absicht diese eigentlich zu ermächtigen. Es wird wiederum „das Andere“ definiert: das, was nicht Europa, der weiße, männliche, heterosexuelle, gut verdienende Mann ist. Um diese Konstruktion zu dekonstruieren braucht es ein anderes Verständnis der politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Zusammenhänge, eine alternative Weltwirtschaftsordnung und die Partizipation der Zivilgesellschaft, insbesondere ihres subalternen Teils. Denn in der bestehenden Form des Entwicklungsdiskurses werden koloniale Machtverhältnisse weiter verfestigt, die scheinbar trotz Unabhängigkeit nie zu Ende gingen. 2.1.3. Die Gründung eines demokratischen Staates: ein paar (feministische) Anmerkungen In der indischen Verfassung ist Geschlechtergleichberechtigung als fundamentales Recht festgeschrieben. Gleiche Recht, Verbot von Diskriminierung an öffentlichen Plätzen und die gleiche Chance einer Anstellung im öffentlichen Dienst waren wichtige Aspekte der indischen Verfassung. The Hindu Code, der zwischen 1950 und 1955 abschnittsweise verabschiedet wurde, überarbeitete das Gesetz der Ehe, der Scheidung, der Adoption und des Erbes. Frauen konnten gewählt werden und Parteien versicherten ihren Einsatz für Frauen relevante Themen. Das National Social Welfare Board und das Department of Health and Welfare nahmen sich Frauenthemen besonders an. Es wurden Programme gemeinsam mit Frauen geplant, die ihre Gleichberechtigung implementieren sollten. Doch die indische Bevölkerung war nicht so sehr mit der neuen Verfassung beschäftigt, sondern mit der politischen Realität, die mit der Spaltung Britisch-Indiens in Indien und Pakistan Millionen von Familien betraf. Eine Welle an Vertreibungen und Enteignungen prägten die neuen Gesellschaften Indiens und Pakistans. 31 Frauen, im ländlichen wie auch urbanen Raum, der hohen wie auch niedrigen Kaste, dem Hinduismus wie auch dem Islam zugehörig, wurden im unabhängigen Indien unsichtbar gemacht. Sie wurden bei ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Prozessen ausgegrenzt. Es gab zwar Frauen in der Politik, wie zum Beispiel Indira Gandhi, die sich im patriarchalen System durchsetzten konnten, aber diese individuelle Ebene war fragil, denn es stand keine ermächtigte Bevölkerungsgruppe hinter ihr. Frauen galten sowohl als Symbol für die Nation als auch als ihre Identität. Mit dieser begrenzten Zuschreibung wurden sie abermals an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Inwiefern dieser Prozess tatsächlich neu im unabhängigen Indien war, ist fraglich. Ihre familiäre und gesellschaftliche Stellung erlaubte es ihnen auch nicht während der Kolonialzeit eine wirkliche gefestigte Position innerhalb der indischen Gesellschaft und Politik zu erlangen. Durch das Ende der Unabhängigkeitsbewegung und dem Abflauen der Ersten Frauenbewegung gab es wenige Möglichkeiten, dass Frauen öffentlichen Raum einnehmen konnten. Auf politischer und zivilgesellschaftlicher Ebene wurde immer wieder kritisiert, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern nur auf Papier steht. Erst als 1971 das Ministry of Education and Social Welfare das Committee on Status of Women (CSW) einrichtete, das den Status der indischen Frauen auf konstitutioneller, rechtlicher und administrativer Ebene in den Bereichen Bildung und Arbeit untersuchen sollte, wurden Frauenthemen wieder in der Politik aktuell (John, 1998). Diese Entwicklung war beeinflusst durch das Internationale Frauenjahr der UNO 1975. Die 1974 veröffentlichte Studie Towards Equality zeigte, dass sich die Situation von Frauen in den genannten Bereichen seit der Unabhängigkeit verschlechtert hat. Ein Ausschnitt der Studie veranschaulicht diesen Vorwurf: „The review of the disabilities and constraints on women, which stem from socio-cultural institutions, indicated that the majority of women are still very far from enjoying the rights and opportunities guaranteed to them by the Constitution … The social laws, that sought to mitigate the problems of women in their family life, have remained unknown to a large mass of women in this country, who are a ignorant of their legal rights today as they were before Independence (vgl. Forbes, 1998/2000, 227). Eine Gleichberichtigung der Geschlechter war also nur auf Papier festgeschrieben. Hier ist allerdings auch zwischen den unterschiedlichen Frauengruppen zu unterscheiden, denn gerade subalterne Frauen sind diejenige, die am benachteiligten sind. Spivak (1999) greift in ihrer Kritik zur Benachteiligung von 32 subalternen Frauen exemplarisch den Zugang zu Wahllokalen auf, wenn sie meint, dass dieser subalternen Gruppen, insbesondere Frauen, ermöglicht Teil der Zivilgesellschaft zu sein. Dies ist bestimmt ein Weg ihnen den Raum zu geben, der ihnen zusteht, doch alleine auf dieser Ebene wird ihnen nicht das zu Teil, was ihnen zusteht: Ein tatsächlicher, partizipativer, gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Forbes (1998/2000) und mit ihr noch weitere AutorInnen (Pandya, 2008; Ganesamurthy, 2008; Kakar; Kakar, 2006; Gupta, 2000/2007) sehen in der heutigen indischen Gesellschaft nur wenig positive gesellschaftliche Veränderung für subalterne Frauen seit der Veröffentlichung der Studie Towards Equality. Ein ausschließlich schwarzes Bild zu malen wäre aber zu kurz gegriffen und würde die Komplexität der Realität nicht entsprechen. 2.1.3.1. Die Zweite Frauenbewegung: Geprägt durch ein neoliberales Wirtschaftsverständnis Die Zweite Frauenbewegung, die fast zeitgleich mit dem Aufkommen der Studie Towards Equality begann, ist geprägt durch den neuen Weg, den Indiens Wirtschaft einnahm. In den 1980er Jahren war Indiens Schuldenberg enorm. PolitikerInnen, allen voran der damalige Wirtschaftminister, erhofften, dass mit den 1991 unterzeichneten Strukturanpassungsprogrammen (SAP)8 des Internationalen Währungsfonds ein wirtschaftlicher Aufschwung kommen würde. Was kam war eine Liberalisierung des indischen Marktes. Mit den Strukturanpassungsprogrammen gingen sowohl der Export als auch der uneingeschränkte Import von Gütern, die Privatisierung, die Kürzungen der Regierungsausgaben im Gesundheits- und Bildungswesen und in der Nahrungsmittelförderung sowie die Entwertung des Rupees einher. Man dachte, dass dieser Weg der einzige ist, um mit den globalen Entwicklungen mithalten zu können. Eine richtige Bezeichnung, die Indiens Status tatsächlich darstellt, gibt es nicht. Indien kann sowohl als ein Entwicklungsland, ein Schwellenland als auch eine aufstrebende globale Wirtschaftsmacht bezeichnet werden (Chaudhuri, 2004; Betz, 2007). Die Strukturanpassungsprogrammen haben jedoch bewirkt, dass Frauen vermehrt in der Produktion von cash crops für den Export arbeiten. Viele von ihnen mussten ihr eigenes Land, auf dem sie Subsistenzwirtschaft betrieben haben, verlassen, um das Land eines großen Farmers zu bewirtschaften; meistens um den halben Lohn des Mannes. Im städtischen Bereich wurden die Auswirkungen 8 Bedingung für die Vergabe von Krediten oder den Schuldenerlass als Maßnahme der Schuldenkrise in den 1980er Jahren basierend auf marktwirtschaftlichen Prinzipien. 33 besonders durch die Errichtung von export processing zones (EPZs) erkennbar. Der marktorientierte Bedarf an ungelernten Arbeitskräften, zumeist sind das Frauen, bewirkt befristete Arbeitszeiten, die Frauen in den informellen Sektor zwingen, um ihr Überleben zu sichern. Frauen arbeiten ohne jegliche Versicherungen in unsicheren Arbeitsverhältnissen und verrichten lange Arbeitsschichten, um ihren Job nicht zu verlieren. Der Beginn der neoliberalen Wirtschaftsentwicklung Indiens hat die Ungleichheit im Land verstärkt (Imhasly, 2008). Frauen sind davon am meisten betroffen, da sie aufgrund gesellschaftlicher, sozialer Strukturen vom ökonomischen Aufschwung ausgeschlossen sind (Pande, 2008). Diese extreme Ungleichheit manifestiert sich im Sextourismus, in der Binnenmigration, im Dienstleistungsbereich und in der Landwirtschaft, um nur ein paar wenige zu nennen. Die indische Gesellschaft hat sich durch die neuen ökonomischen und politischen Entwicklungen gerade in den letzten Jahren stark verändert. Diese Veränderungen spürt man besonders in Städten, doch sie machen auch in ländlichen Gegenden nicht halt. Die Themen der Zweiten Frauenbewegung sind somit andere, aber genauso wie damals, geprägt durch politische und gesellschaftliche Gegebenheiten und beeinflusst durch westliche Macht. Dennoch: die Themen kamen von den Frauen selbst und wurden nicht von außen an sie herangetragen. Besonders intensiv setzen sich Frauen mit den Mitgiftmorden, der Gewalt an Frauen, den Empfängnisverhütungsmitteln und ihrer rechtliche Lage auseinander. Das sind nur ein paar wenige Themen, die die heutige Frauenbewegung kennzeichnet (Omvedt, 2004; John, 1998). Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund wirtschaftlicher Interessen seiner sozialen Verantwortung für die benachteiligte Bevölkerung entzogen. Nationale und internationale NGOs wurden gerade in den letzten beiden Jahrzehnten aus dem Boden gestampft, um die entstandene Lücke mit ihren Programmen zu füllen. Internationale wie nationale Geberorganisationen nahmen sich ganz besonders so genannten Frauen- und Entwicklungsthemen an (John, 1998). Eine Verbindung mit der Zweiten Frauenbewegung ist zu erkennen, wenn Begriffe wie „NGOization of feminism“ aufkommen, die Teil einer Neudefinierung von Gender, dem Klassensystem und dem Entwicklungsverständnis im indischen global gedachten Kontext ist (Chaudhuri, 2004). Darüber hinaus ist der indische Staat dabei seine Identität zu rekonstruieren – fernab weiblicher Attribute und Assoziationen, die während der Kolonialzeit entstanden. Dennoch, das Erbe ist zu spüren 34 in einem Staat, der die Frage der politischen und ökonomischen Macht immer noch im Kontext mit Europa diskutiert. Neue Abhängigkeiten mit westlichen Staaten sind im Laufe der Zeit entstanden, die alle Teil der Auseinandersetzung mit der kulturellen und ökonomischen Transformation Indiens sind. Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Frage nach der Identität heute eine besondere Brisanz aufweist. Auseinandersetzungen zwischen hindu-nationalistischen und muslimischen Gruppierungen prägen die indische Gesellschaft, die nicht zuletzt auch eine Beteiligung von als auch einen Einfluss auf Frauen haben (John, 1998; Forbes, 1998/2000). Die genannten gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen gaben den sozialen Bewegungen einen weiteren Aufschwung. Das Selbstverständnis Indiens als Nation, die Gewalt zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen, die Wirtschaftspolitik und die natürlichen Ressourcen kontextualisieren die Bewegungen. Die Zweite Frauenbewegung beteiligt sich an den genannten Themen: Eine Entwicklung, die schon in der Zeit der Kolonialherrschaft zu beobachten war. Indiens Bewegungen sind nach wie vor aktivistisch geprägt, die auch weiterhin von einer breiten intellektuellen Szene unterstützt wird. Butalia fasst die Entwicklungen der Zweiten Frauenbewegung wie folgt zusammen: „Von einer aus den täglichen Realitäten hervorgegangenen Straßenbewegung entwickelte sie sich zu einer stärker institutionalisierten Bewegung“ (vgl. Butalia, 2005, 34). 2.1.3.2. Exkurs: Postkoloniale Theorie In der Wissenschaft entstand nach fast vollständiger Beendigung der europäischen Kolonialisierung die postkoloniale Theorie, die von WissenschaftlerInnen in Ländern des Nordens und des Südens befürwortet als auch kritisiert wird. Es entwickelte sich ein breiter Diskurs über die Definition einer postkolonialen Theorie. Postkoloniale Theorie kann als eine Untersuchung des „Prozess[es] der Kolonisierung als auch (…) einer fortwährenden Dekolonisierung und Rekolonisierung“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 8) gesehen werden. Cooper und Stoler (1997) gehen in ihren Definitionsversuchen ein Stück weiter. Sie setzen ihre Analyse bei der geringen Auseinandersetzung der kolonialen Situation besonders in den Sozialwissenschaften an. Wenn Kolonialismus und Postkolonialismus betrachtet wird, so die AutorInnen, wurde zwischen einer politisch-ökonomischen und einer kulturellen Auseinandersetzung unterschieden. Ihr Kritikpunkt ist, dass diese kaum 35 zusammen gedacht wurden beziehungsweise werden, was für eine transdisziplinäre Analyse allerdings notwendig wäre. Tradition und Moderne waren die wichtigsten Schlagwörter in der Nachkriegs- und postkolonialen Wissenschaft. Ging es doch darum die unabhängigen Staaten wieder aufzubauen und, besonders für die Länder des Südens durch Nachahmung den Entwicklungsstand der Industrieländer zu erreichen. Tradition war der Ausgangspunkt, Moderne das Resultat des Entwicklungsprozesses. Das dieser Weg, der vor allem in der Wissenschaft in den Modernisierungstheorien eingebetet ist, nicht aufging, ist gerade in der derzeitig bestehenden Weltwirtschaftskrise ersichtlich (Nohlen, 2000; Ziai, 2004). Die damalige Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus reduzierte Kolonisierung zu einer Problematik des Rassismus und der Hierarchie. Stoler und Cooper (1997) appellieren an die Wissenschaft von dieser langen Betrachtungstradition Abstand zu nehmen und die Post- und Kolonisierung erneut mit einem transdizipliären Fokus zu analysieren. Werden andere WissenschaftlerInnen zu Rate gezogen, so entsteht hier ein Widerspruch zu dem, was die beiden AutorInnen kritisieren. Die Politikwissenschaftlerin María Do Mar Castro Varela und die Philosophin Nikita Dhawan verstehen postkoloniale Theorie als eine komplexe Diskursanalyse, die sehr wohl „kulturelle als auch ökonomische Prozesse als sich bedingende Formationen des Kolonialismus“ heranzieht (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 24). Gandhi fügt diesen beiden Prozessen noch die psychologische Betrachtungsweise als eine weitere notwendige Formation hinzu: „[I]t is crucial for postcolonial theory to take seriously the idea of a psychological resistance to colonialism’s civilizing mission” (Gandhi, 1998, 16f.). Bei einer Diskursanalyse zum Postkolonialismus geht es nicht um die Zeit nach der Kolonisierung, sondern um die Widerstandsformen gegen die koloniale Herrschaft und ihre Konsequenzen. Es gibt hier also um eine Zuwendung zu historischen Prozessen, die widersprüchlich, komplex und keinesfalls linear abgelaufen sind. Es geht also nicht um eine reine Frage des Machttransfers von kolonialer zu nationaler Herrschaft, sondern um die Fort- und Rückschritte, Brüche und Widersprüche des Dekolonisierungsprozesses innerhalb der Gesellschaft. (Gandhi, 1998). Daher ist die postkoloniale Theorie gerade im Fall Indiens ein wichtiges Instrument, um diese Prozesse auf theoretischer Ebene genauer betrachten zu können, denn Indiens Dekolonisierungsprozess ist keinesfalls linear abgelaufen. Sich hier einer genealogischen und einer archäologischen Diskursanalyse im Sinne Foucaults (Foucault 36 1991/1972 und 1981/1969) zu widmen, ist daher eine Forschungsperspektive, die es ermöglicht einen erweiterten Blick auf ein Ereignis zu werfen. Mit der genealogischen Diskursanalyse wollte Foucault eine Herangehensweise schaffen, die sich der geschichtlichen Entstehung eines so genannten Problems hinwendet. Die archäologische Diskursanalyse hingegen widmet sich der Gegenwart und betrachtet das Hier und Jetzt. Beide Perspektiven zeigen Macht- und Wissensverhältnisse auf, die in der Diskursanalyse wesentliche Ansatzpunkte sind. Oft wird Postkolonialismus als eine Form der Periodisierung verstanden, als etwas, das eine zeitliche Komponente inne hat. Stuart Hall kritisiert diese Sichtweise und schreibt, dass postkolonial sicherlich „(…) kein Element jener Periodisierung [ist], die sich auf die Vorstellung epochaler „Stadien“ stützen (…). Die Loslösung von dem Prozeß der Kolonisierung war vielmehr ein langwieriger, ausgedehnter und differenzierter Vorgang (…)“ (vgl. Hall, 2002, 228). Charakteristisch für die postkoloniale Zeit ist die Loslösung von der Kolonialmacht, das Herausbilden eines eigenen Staates, die Entwicklung einer eigenen Wirtschaft, die nicht auf ausländisches Kapital angewiesen ist, aber dennoch auf der westlich kapitalistischen Welt basiert, und schließlich eine Politik, die es ermöglich eigene mächtige Personen an die Spitze des Landes zu stellen. Ein weiteres Charakteristikum für die postkoloniale Epoche war die moderne Entwicklung, die das Stadium der so genannten Unterentwicklung ersetzten sollte (Hall, 2002). Betrachtet man Indien als Beispiel eines postkolonialen Landes, so fragt man sich, ob sich nicht einige der genannten Charakteristika der postkolonialen Epoche immer noch finden lassen, obwohl Indien dekolonisiert ist. Es fand im Laufe der Jahrzehnte eine Verlagerung statt, nicht aber eine tatsächliche Loslösung der kolonialen Mächte. Als ein Beispiel sei hier der neoliberale Kurs Indiens genannt, der auf westlichem kapitalistischem Denken basiert und die Abhängigkeit des Landes zum Westen abermals verstärkte. Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union zeigen diese Entwicklungen derzeit deutlich. Eine wesentliche Kritik an der postkolonialen Theorie richtet sich auf ihre Homogenisierung und den alles umfassenden Begriff der Kolonisierung. Gesellschaften werden in einen Topf geworfen, deren Kolonialisierungsgeschichte sich aber nicht gleichen. Kulturelle und historische Unterschiede zwischen (post)kolonialen Staaten als auch zwischen den (ehemals) kolonisierten Staaten werden ungenügend herausgearbeitet beziehungsweise betrachtet. Gandhi (1998) sieht in dieser Kritik auch eine Parallele zum Feminismus, der die Unterschiedlichkeit unter Frauen – Herkunft, „Klasse“, sexuelle 37 Orientierung, Bildung – oftmals ignoriert. Mehr dazu im Kapitel 3. Hall zitiert in seinem Aufsatz Wann gab es das Postkoloniale? Denken an der Grenze (2002) Lata Mani und Ruth Frankenberg, die in ihrer Arbeit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kolonialismus näher diskutierten. Sie kamen zu dem Schluss, dass „(…) nicht alle Gesellschaften unbedingt auf die gleiche Art postkolonial seien und dass postkolonial ohnehin kein isoliertes Konzept sei, sondern „praktisch ein Konstrukt, das intern differenziert wird durch die Verbindungen, die seine Schnittstellen ihm eröffnen“ (Frankenberg/Mani 1993, S. 303f.)“ (vgl. Hall, 2002, 224f.). Hall argumentiert, dass sich kolonisierte und kolonisierende Staaten nie nur auf einer binäre Konstellation reduzieren lassen können. Er bezieht sich hierbei auf den Wandel als „Übergang von einer Konzeption der Differenz zu einer anderen. [Dieser Wandel] verpflichtet uns, die binären Oppositionen als Formen der Transkulturation, der kulturellen Übersetzung neu zu lesen, die unweigerlich dazu führen, die kulturelle Dichotomie von hier und dort permanent in Frage zu stellen“ (vgl. Hall, 2002, 226f.). Kehrt man zur Argumentation Gandhis (1998) zurück wird postkoloniale Theorie als eine ambivalente und symbiotische Beziehung zwischen den beiden in Frage stehenden Staaten gesehen. Eine kulturelle Übersetzung vom postkolonialen theoretischen Diskurs ist dabei bestimmt von Nöten. Spivak kritisiert an der Herangehensweise und Entwicklung der postkolonialen Theorie, dass sie genderspezifische Leerstellen hat, die gerade in Edward Saids Buch Orientalism (1979) sichtbar werden. Spivak greift auf die kolonialen Archivalien und die postkolonialen historischen Schriften zurück, wenn sie versucht, die Situation der Subalternen in Indien zu beschreiben. Sie kritisiert, dass das Fehlen subalterner Aufstände das dominante männliche Prinzip weiter stabilisiert und stärkt. Sie zeigt ferner auf, dass „der bloße Fokus auf eine klassenspezifische Verortung die Widerstandpraxen weiblicher Subjekte und ihre Rolle beim Übergang von einer kolonialen zu einer postkolonialen Gesellschaft übersehen wurde“ (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 74). 38 3. Feminismen im indischen Kontext 3.1. Feminismen: Definitionsversuche Im Fall Indiens ist es besonders wichtig nicht von dem Feminismus zu reden, denn es gibt – wie auch in Europa - unzählige verschiedene Ausrichtungen. Indigene, kommunistische, sozialistische, nationalistische, muslimische, hinduistische und liberale Feministinnen – um nur ein paar zu nennen bereichern dieses breite diskursive Feld. Chaudhuri wagt in ihrer Analyse eine Gemeinsamkeit aller indischen Feminismen: es wird der Mann nicht als einziger Unterdrücker von Frauen in einer Gesellschaft mit so unterschiedlichen patriarchalen und hierarchischen Systemen gesehen, sondern ihre Unterdrückung auch im Kontext von Kaste, Klasse und Herkunft untersucht. Besonders wenn es darum geht die patriarchale Ordnung als Verursacherin zu bestimmen, muss bedacht werden, dass es auch hier Unterschiede gibt. Eine Unterscheidung zwischen elitären, dominanten und subalternen Patriarchaten ist besonders wichtig, wenn es um Genderbeziehungen geht, denn das eine Patriarchat determiniert und strukturiert Genderbeziehungen in dem anderen Patriarchat. Indische Feministinnen kämpfen daher – wie auch ihre europäischen Kolleginnen - sowohl für die Frauenrechte als auch um eine Gleichstellung von Männern und Frauen, elitären und subalternen Bevölkerungsgruppen (Chaudhuri, 2004; John, 2004). Feminismus zu definieren ist keine leichte Aufgabe, denn „[t]he definition thus can and does change because feminism is based on historically and culturally concrete realities and levels of consciousness, perceptions and actions” (vgl. Bhasin; Said Khan, 2004, 4). Laut den feministischen Theoretikerinnen Kamla Bhasin und Nighat Said Khan gibt es daher den einen Feminismus nicht. Im indischen Diskurs sind genauso wie im europäischen unzählige Definitionen von Feminismen gängig. Jayawardena bezeichnet Feminismus als „embracing movements for equality within the current system and significant struggles that have attempted to change the system“ (vgl. Jayawardena, 1986, 2). Die Historikerin Geraldine Forbes (1998/2000) sieht im Feminismus eine Forderung von gleichen Rechten für Frauen und definiert das patriarchale System als Ursache von Unterdrückung der Frauen. Ein/e FeministIn ist für sie im politischen Sinn eine Person, die das analytische Verständnis von Beziehungen zwischen Macht und Gender in jedem historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext besitzt. Bashin und Said Khan gehen in ihrer Definition einer/s FeministIn ein Stück weiter und verknüpfen das 39 analytische Verständnis mit Handlungen, die die männliche Dominanz herausfordern. In diesen Handlungen nehmen meist subalterne Frauen ihren Raum ein. Meena Kelkar und Deepti Gangavane, feministische Theoretikerinnen, reflektieren Feminismus – in ihrer Darstellung gibt es nur einen Singular von Feminismen – in Zusammenhang mit Identität. Für die AutorInnen ist das zentrale Element von Feminismus das Konzept von Empowerment, das eng mit dem Konzept der Identität und Gleichberechtigung verbunden ist. Feministische Diskurse müssen sich daher mit der Frage der Identität auseinandersetzen. Wenn es hierbei um die Identität geht, geht es auch immer um den lokalen und kulturellen Aspekt des Feminismus. Identität kann niemals statisch sein, sondern verändert sich je nach lokalen und kulturellen Gegebenheiten. Der indische feministische Diskurs ist daher – wie auch in Europa - ein lokalisierter, der je nachdem wer von ihm spricht, ihn definiert, kritisiert und für ihn kämpft ein anderer ist. Die Identität einer Gruppe kommt gerade wenn es um Empowerment geht zum Tragen. Diese muss definiert sein, obgleich es wichtig ist die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gruppenmitglieder festzuhalten. Empowerment ist einfach gesprochen Gleichberechtigung für und Gleichberechtigung von etwas. Dabei geht es nicht darum Gleichberechtigung zu haben, sondern darum gleichberechtigt zu sein (Kelkar; Gangavane, 2003). 3.2. Theoretische Kontextsetzung des indischen feministischen Diskurses In ihrem einflussreichen herausgegebenen Band zu Feminism in India (2004) hat Maitrayee Chaudhuri, feministische Theoretikerin, in ihrer Einleitung wesentliche Grundzüge zum feministischen Diskurs in Indien, die besonders eine Abgrenzung zu europäischen Feminismen darstellt, gezogen. Wird von indischen Feminismen gesprochen, so gibt es unweigerlich eine Assoziation zum Westen, besonders wenn es darum geht sie zu theoretisieren. Um diese Theoriebildung vollziehen zu können, braucht es einen Blick in die Vergangenheit des Landes. Es ist unmöglich die Geschichte der Handlungen von der Geschichte der Ideen zu trennen. Anders gesagt, theoretische Diskurse können nicht separat von den Frauenbewegungen betrachtet werden. Die Erste Frauenbewegung entstand ja während der britischen Kolonialzeit und hatte somit europäischen Einfluss. Feministische Auseinandersetzungen mussten sich immer in Beziehung mit dem Westen definieren und abgrenzen. Sie wurden in diesem Zusammenhang lokalisiert, denn die britische Kolonialmacht dominierte zu Beginn die feministischen Diskurse. Das gesamte Konzept der Modernisierung trug koloniale Handschrift, das durch Reformen, 40 Demokratisierung, Nationalismus, Sozialismus, den freien Markt und schließlich auch durch feministische Strömungen zum Tragen kam. Daher wird jede Diskussion im Zusammenhang und gleichzeitig in der Abgrenzung zum westlichen Diskurs geführt. Chaudhuri sieht Feminismus daher auch als eine moderne Einheit. Ein Unterschied zu feministischen Diskursen im Westen ist, dass es in Indien erst seit Beginn der 1990er Jahre eine akademische Auseinandersetzung gibt. Der Abschlussbericht des Projekts Developing Indian Perspectives on Feminist Theory and Methodology kritisiert, dass sich akademische Arbeit in Indien meist auf die feministische Theorie des Westens stützt. Konzepte, die zwar auf den indischen Kontext adaptiert werden, müssen erst für einen indischen Bezugsrahmen kulturell, historisch und politisch bedacht und konstruiert werden (Lal, et.al., 2005). Nichts desto trotz gab es eine feministische Debatte, doch um diese definieren zu können brauchte es Zeit. Dreizehn anerkannte Sprachen und unterschiedliche politische Legislativen machten es nicht leicht einen voran gehenden Diskurs zu Papier zu bringen, der so divers und zugleich so ähnlich nicht ausfallen konnte. Schließt man an die Debatte an, dass Indien beeinflusst durch die Kolonialmacht in seinen gesellschaftlichen Diskursen immer einen internationalen Bezug herstellt, so kann der Spruch „das Persönliche ist politisch“ mit „lokal ist global“ ergänzt werden. Im indischen Kontext bedeutet das, dass Gewalt an Frauen in der Familie, zum Beispiel, immer zwei Dimensionen hat. Zum einen geht es um die patriarchale Gewaltanwendung, die, eingebettet in rechtliche und politische Institutionen, Konsequenzen hat. Es ist zwar eine persönliche Angelegenheit, aber das indische Verständnis von Persönlichem kann mit dem Europäischen nicht gleichgesetzt werden. Es ist vielmehr eine familiäre und „communitarian“ Angelegenheit. Zum anderen ist dieser Gewaltakt verlinkt mit dem globalen öffentlichen Bereich, deren Einfluss auf die lokale Ebene komplex und vielschichtig ist. Globale Zusammenhänge wirken in diesem Fall auf das lokale Mikrosystem ein. Diese beiden Herangehensweisen nehmen gewaltsame Männern nicht in Schutz, sondern wollen lediglich den Fokus erweitern und Zusammenhänge auf lokaler und globaler Ebene herstellen (Chaudhuri, 2004). 41 3.2.1 Verwobene und fragmentierte Ansätze: Postkolonialer und Gobaler Feminismus 3.2.1.1. Die Entstehung des Postkolonialen Feminismus Mit dem Satz „No feminist works emerged from behind the Hindu purdah or out of the Moslem harems; centuries of slavery do not provide a fertile soil for intellectual development or expression” (vgl. Forbes, 2005, 11), rechtfertigte Miriam Schneir die Schriften westlicher Feministinnen über indischen Feminismus. Sie war der Meinung, dass feministisches Denken nicht ohne der Meinungsund Bewegungsfreiheit der Frauen entstehen konnte. Geralinde Forbes kontert, dass es den Feminismen darum geht die Partizipation von Frauen in einer Gesellschaft zu sichern und gleiche Rechte, Möglichkeiten und Verantwortungen zu schaffen. Geht man von dieser Definition aus, so Forbes, gab es immer schon feministische Bewegungen in Indien. Frauen waren gerade in der Zeit der Ersten Frauenbewegung an gesellschaftlichen Veränderungsprozessen beteiligt. Sowohl der geschichtliche als auch der gesellschaftliche Unterschied zeigt sehr deutlich, dass indische feministische Strömungen sehr wohl unter Unterdrückung und Benachteiligung, ja gerade deswegen, entstanden (Forbes, 2005). Als sich die nationalistische Bewegung intensivierte, intensivierte sich auch der Antagonismus zwischen den beiden größten Religionen Indiens, dem Hinduismus und dem Islam. Themen, die die Erste Frauenbewegung beschäftigte, trennten die hinduistischen Feministinnen mit den muslimischen. Purdah und die Interpretation der antiken vedischen Zeit waren anfangs die Streitpunkte an denen sich der Konflikt entflammte (Forbes, 2005). In der Zwischenzeit ist die Situation komplexer und aufgeheizter. Näheres dazu konnte schon sowohl im Kapitel 2.2.1.1. als auch im Kapitel 2.2.3. gelesen werden. 3.2.1.2. Ein viel diskutierter Diskurs: Der Globale Feminismus Den Beginn eines anlaufenden globalen Feminismus konnte man schon in der Kolonialzeit erkennen. In den 1930er und 1940er Jahren wollten britische Feministinnen ihren „kleinen Schwestern“ helfen, waren aber davon überzeugt, dass die imperiale Macht wohlwollend der kolonisierten Gesellschaft gegenüber standen und nur die „bösen indischen Männer“ Frauen unterdrückten (siehe Kapitel 1.3.). Wie Miriam Schneir war auch Mary Daly, eine britische Feministin, der Meinung, dass Frauen nicht 42 hinter dem purdah-System feministische Handlungen setzen konnten. Zu sagen, dass indische Frauen, egal ob aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder nicht, keine eigene Stimme haben, ist ein gewaltsamer Akt, der eine Bevölkerungsgruppe erneut zum Schweigen klassifiziert, so Forbes (1998/2000). Ein Schweigen ist allerdings nicht eingetreten. Die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben weltweit Bewegungen in Gang gesetzt. Die Welt ist nicht nur durch die Globalisierung und die Neuen Medien9 sowohl kleiner als auch sozial ungleicher geworden10, sondern bestimmte Themen, wie derzeit die Wirtschaftkrise oder der Klimawandel, haben erneut eine grenzüberschreitende Betrachtungsweise bewirkt. Gerade diese beiden genannten Ereignisse betreffen Frauen ganz besonders, da sie am meisten deren Bürde zu tragen haben. Ein Blick über die Grenzen hinweg ist in der Analyse über die bestehenden globalen Probleme daher notwendig. Peter Waterman, ehemaliger Kommunist und nun Wissenschaftler der Development Studies, sei hier zitiert: „´less interested in relations between nations than in global problems´; and, as such, they ´tend to “cross borders” in their analyses and demands, whether these borders are those of gender, race, class, or a territorial understanding of the region or world´” (vgl. Sinha, etl.al., 1999). Es ist eine „Globalisierung“ von unten, im Sinne des Südens als auch der Subalternen, die die Bewegungen, allen voran die Frauenbewegungen weltweit, initiiert. Diese sozialen Bewegungen schaffen es eine Brücke zwischen verschiedenen Gruppen zu schlagen, wenn es darum geht einen gemeinsamen Widerpart zu bekämpfen. 3.2.1.2.1. Süd-Süd und Süd-Nord Verbindungen In ihrem Aufsatz Feminism and Internationalism (1998) hat die Historikerin und feministische Theoretikerin Mary E. John auf einen Beitrag ihrer südamerikanischen Kollegin Asuncion Lavrin auf internationale Aspekte feministischer Diskurse reagiert. Internationalismus ist kaum definierbar, wenn es darum geht sein Konzept und Forderungen zu bestimmen. Im feministischen Kontext geht es allerdings nicht darum dem gängigen Definitionsfindungsprozess zu folgen, sondern einen eigenen zu 9 Unter Neuen Medien sind Daten zu verstehen, die in digitaler Form abrufbar sind. Zum Beispiel über das Internet, Emails oder MP3. 10 Hanna Hacker unterstreicht in ihrem Buch Norden. Süden. Cyberspace. Text und Technik gegen die Ungleichheit die „digitale Kluft“, die durch das Verhältnis zwischen sozialen Minorisierungen und Neuen Medien entsteht. Aus feministischer, queerer und postkolonialer Perspektive beschreibt sie die Entstehung sozialer Ungleichheit und diskutiert den Einfluss Entwicklungs-, Medien- und Minderheitenpolitiken auf die Formierung globaler Informationsgesellschaften. Eine Definition zu „queer“ findet sich im Kapitel 3.3.2.. 43 entwickeln. Einen, der die “Anderen andere” mit einbezieht. Indien wird bis zum heutigen Tag als „the otherness (…), still Orientalised and (…) as a victim-nation of the “Third World”” gesehen (vgl. John, 1998, 19). Die Autorin appelliert „to recognize how asymmetries and structures of privilege may have prevented solidarities; and to fight on many fronts to enable the development of more viable feminisms” (vgl. John, 1998, 19). Gerade wenn es darum geht die Weltwirtschaftsordnung zu hinterfragen, vom gängigen Modell der Entwicklung los zu kommen und Alternativen zu entwickeln, braucht es eine so genannte Süd-Süd Verbindung, die eine erweiterte Perspektive darstellen könnte, ergänzt durch die Sicht der Subalternen. Eine Kritik an der Süd-Nord Verbindung bringt Chandra Talpade Mohanty auf. In ihrem einflussreichen Artikel Under Western eyes: feminist scholarship and colonial discourses (1994) kritisiert sie den Begriff der “Dritten Welt Frau”. Die Begriffsentstehung lässt sich auf eine strukturelle Dominanz vom Westen zurückverfolgen, die erneut kolonisierende Eigenschaften besitzt. Sie begründet dies wie folgt: „ (…) its ethnocentric myopia disregards the enormous material and historical differences between ´real´ third-world women; and (…), because the composite ´Othering´ of the ´third-world woman´ becomes a self-consolidating project for Western feminism” (vgl. Gandhi, 1998, 85). Mohanty interpretiert westliche Feministinnen in ihrer Anschauung von „der Dritten Welt Frau“: Politische Unreife und kultureller Mangel verhindern es ein starkes Gegenstück darzustellen, daher braucht es die „Kolonisierung“ westlicher Feministinnen. Es braucht ihre Unterstützung und ihr Wissen, um ihre Stimmen hörbar zu machen. Frauen des Südens werden damit zu unterdrückten Objekten gemacht, zu den „Anderen“, die es gilt zu repräsentieren. Ähnlich wie in der Kolonialzeit als sich Europa über seine Kolonien definierte (siehe Kapitel 1), definieren sich auch „Frauen der Ersten Welt“ über „Frauen der Dritten Welt“ (Gandhi, 1998). Ähnlich wie Mohanty sieht auch Spivak die Grenzen einer Subsumierung von Frauen. Spivak hat in ihrer Arbeit deutlich gemacht, dass es unmöglich ist in einer universellen Geste alle Frauen repräsentieren zu wollen, ohne die Komplizenschaft mit imperialistischen Politiken zu analysieren. Sie zweifelt daran, dass es eine globale Schwesterlichkeit gibt, die die so genannte Erste Welt mit der Dritten Welt solidarisch verbindet. Für Spivak ist der globale Feminismus ein Diskurs der Ersten Welt, besonders der akademischen Elite, die ungewollt mit den Interessen der Frauen des Südens in Konflikt tritt (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). 44 Spivaks kontinuierliche Beschäftigung mit Dekolonisierungsbewegungen im Hinblick auf die Frage der Subalternen brachte sie im Laufe ihrer Arbeiten auf die globalen Zusammenhänge. In ihrem Aufsatz Claiming Transformation (2000) greift sie auf die Rhetorik der UNO in der Deklaration der Frauenrechte zurück. In dieser werden, so Spivak, der Zugang zur globalen Telekommunikation und das Recht auf Kredite mit Empowerment von Frauen des Südens verwechselt. Sie kritisiert weiters, dass kein Versuch gestartet wird, infrastrukturelle Bedingungen zu verändern, die die ökonomische Armut von Frauen in ländlichen Gegenden bewirken. Es herrscht nicht nur eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, sondern auch eine zwischen Frauen des reichen, industrialisierten Nordens und des armen, sich „entwickelnden“ Südens. Es gehe darum, „von den entmächtigten und entrechteten Frauen zu lernen (…). [Es] besteht die Herausforderung darin, zu denen zu sprechen und von denen zu lernen, die weder lesen noch schreiben können und doch >>in den Poren des Kapitalismus>> (über-)leben (….) (vgl. Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005, 61). Chaudhuri zieht in ihrer Auseinandersetzung mit der Internationalisierung des feministischen Diskurses eine Parallele zum Black Feminism und zitiert eine Vertreterin: „If we look to Black feminism, however we find a similar articulation of selfhood. For instance bell hooks argues that “feminism in the United States has never emerged from the women who are most victimized by sexist oppression; women who are daily beaten down, mentally, physically and spiritually - women who are powerless to change their condition in life. They are a silent majority” (hooks 2000: 1 emphasis mine)” (Chaudhuri, 2004, XXXII). Dies widerspricht Spivaks Position, dass subalterne Frauen sehr wohl für sich selbst sprechen können. Gleichzeitig unterstützt dieses Zitat die Aussage von Miriam Schneir, dass hinter einem purdah-System keine Feministin hervortreten kann (siehe Kapitel 3.2.1.1.). Im Namen einer unterdrückten Gruppe zu sprechen, so als gäbe es ein einheitliches politisches Subjekt, das es gilt zu repräsentieren, ist der Effekt des dominanten feministischen Diskurses. Die machtvolle Bezeichnung subsumiert und assimiliert die, für die angeblich gesprochen wird (Do Mar Castro Varela; Dhawan, 2005). Doch gerade in Indien finden subalterne Frauenbewegungen statt. Demonstrationen, Straßentheater und Kunst sind ihre Instrumente, um ein Gegenstück zu den akademisch abgehandelten Feminismen darzustellen. Doch wie eingangs in diesem Kapitel gesagt, kann im indischen Kontext die theoretische Auseinandersetzung nicht von feministischen Handlungen getrennt gedacht und diskutiert werden. Das folgende Kapitel wird dies noch genauer darlegen. 45 3.3. Lobbyarbeit und Identitätsfindung der Zweiten indischen Frauenbewegung Politische Partizipation ist eines der wesentlichsten Themen der heutigen indischen Frauenbewegung, die sich besonders in den schon langjährig stattfindenden Diskussionen rund um die 33 Prozent Frauenquote im indischen Parlament widerspiegelt. Eine Forderung, die aufgrund männlichen Widerstandes, noch nicht gesetzlich verankert ist. Einen Durchbruch erlebten indische Frauen allerdings als 1992 ein Verfassungszusatz verabschiedet wurde. In diesem wurde festgeschrieben, dass ein Drittel der Gremiensitze auf Gemeinde- und Dorfebene für Frauen reserviert sind. Rund eine Million ländlicher Frauen profitierten von diesem Zusatz und engagierten sich in der lokalen Politik. Feministische Forderungen finden sich nicht nur im Bezug auf die Frauenquote, sondern auch in politischen Problemen wie der Landfrage, Hausarbeit und ArbeiterInnenrechte. Sie prägen die Zweite Frauenbewegung seit ihren Anfangsjahren in den 1970er Jahren, die sich in der Zwischenzeit zu einer vielschichtigen und dynamischen Bewegung entwickelte (Butalia, 2005). Urvashi Butalia (2005), Mitbegründerin von Kali for Women, Indiens erstem feministischen Verlagshaus, sieht die Gründe für die Vielfältigkeit und Dynamik der Frauenbewegung vor allem in den 1970er Jahren, denn Frauenthemen wurden abermals öffentlich und medial diskutiert (siehe Kapitel 2.1.3.). Der Fall von Rameeza Bee, einer Frau, die auf einer Polizeiwache in Hyderabad, Andhra Pradesh, vergewaltigt wurde, und deren Mann kurz darauf ermordet wurde, gab Anlass für die erste große öffentliche Debatte über Vergewaltigungen. Eine landesweite Kampagne erreichte notwendige Gesetzesänderungen. Ähnlich war der Fall im Bezug auf Mitgift. Proteste gegen die Mitgift begannen in Metropolen. Mit der Zeit wuchs die Bewegung und breitete sich auf ländliche Gegenden aus. Aktivismus zeichnete sie aus: Straßentheater, Plakate und Protestlieder untermalten ihre Forderung nach gesetzlicher Änderung beziehungsweise rechtlichem Schutz, denn Mitgift wurde schon während der Kolonialzeit verboten (siehe Kapitel 2.2.1.1.). Eine breite Unterstützung bekam die Bewegung von RechtsanwältInnen, Beratungszentren und LobbyistInnen. Doch gerade die Bewegungen gegen Vergewaltigung und Mitgift brachte der Frauenbewegung Kritik ein. Es wurde behauptet, dass die Kampagnen von Metropolen und der Mittelschichtfrau ausgehen und nicht die 46 Stimmen der Subalternen tragen. Doch betrachtet man die Chipko-Bewegung11 und die Kampagnen rund um Verhütungsmethoden, bessere medizinische Versorgung und Recht auf Nahrung, so waren es besonders Frauen am Land, die diese initiierten. Die Frauenbewegung differenzierte sich daher im Laufe der Zeit. Ihre Vielfältigkeit und Gemeinsamkeiten charakterisieren die Frauenbewegungen, die besonders in den 1970er und 1980er Jahren einen Aufschwung in Indien erlebten. Butalia sieht die Gründe dafür in der Eigenständigkeit der indischen Politik, die sich noch nicht der wirtschaftlichen Globalisierung hingab und Frauen in Diskussionen über die Gesetzgebung einbezog. Die schon erwähnte Studie Towards Equality (siehe Kapitel 2.1.3) brachte Mitte der 1980er Jahre zum einen Ernüchterung, diente aber zum anderen auch als wichtiges Instrumentarium der Lobbyarbeit. Die Ernüchterung blieb aufrecht als mehr und mehr gesetzeswidrige Fälle an die Öffentlichkeit kamen. Witwenmorde sind ein Beispiel von vielen. Der Fall Shahbano löste allerdings eine religiöse Debatte aus, die an der Frauenbewegung nicht vorbei ging und maßgebliche Einflüsse auf sie hatte. Es handelte sich in diesem Fall um eine muslimische Frau, die von ihrem Mann geschieden wurde, und nur geringe Unterhaltskosten von ihm per Gerichtsbescheid bekommen sollte. Die Richter des Obersten indischen Gerichtshofs kritisierten in ihrer Urteilsverkündung das muslimische Gesetz12 und damit die muslimische Bevölkerung. Es wurden von Seiten der muslimischen VertreterInnen vor allem die Einmischung der Gesetzgebung in ihren Glauben und Bräuche kritisiert. Es folgte eine große Protestbewegung, die sich landesweit ausbreitete, und schließlich in eine Diskussion über die Minderheiten in Indien mündete. HinduistInnen, die mit 80,3% die größte Religionsgemeinschaft darstellt, und MuslimInnen, die ca. 13% der Bevölkerung ausmacht, zwangen die PolitikerInnen zu einer Hinterfragung der indischen Identität (siehe auch Kapitel 2.1.3.1.). Wie schon erwähnt gingen diese Debatten nicht an der Frauenbewegung vorbei. Von diesem Zeitpunkt an war es hinsichtlich der Frauenbewegung wesentlich, ob man Hinduistin, Muslimin, Christin oder einer anderen Religion zugehörig war. Eine Polarisierung begann sich in die Bewegung einzuschleichen. Religiöser Fundamentalismus manifestierte sich zusehends in der indischen Gesellschaft, der mit der Zerstörung 11 Die Chipko-Bewegung ging in die Geschichte ein. Frauen schufen mit dieser Bewegung ein neues Natur- und Umweltbewusstsein innerhalb der Bevölkerung als sie die Abholzung der Wälder und die damit einhergehende Landvertreibung verhindern konnten (Kumar, 1993). 12 In Indien gibt es für muslimische und für hinduistische BürgerInnen unterschiedliche Gesetze, die sich unter anderem im Ehe- und Frauengesetz unterscheiden (Kumar, 1993). 47 einer dreihundert Jahren alten Moschee in der Stadt Ayodhya Mitte der 1990er Jahre13 einen wesentlichen Einfluss auf die Frauenbewegung hatte. Frauen erkannten, dass die Gewalt, die sowohl während der Moscheenzerstörung, während der anschließenden Proteste als auch während Aufständen im Bundesstaat Gujarat 2002 stattfand, auch von Frauen ausgeübt wurde. Neue Entwicklungen prägten die Frauenbewegung. Butalia schreibt: „Frauengruppen, die bislang davon ausgegangen waren, dass es Gemeinsamkeiten zwischen Frauen gäbe, die über alle Unterschiede hinweg bestünden, stellten auf einmal fest, dass Kasten-, Klassen- und Religionszugehörigkeit zu bestimmenden Momenten werden und soweit gehen konnten, Interessen von Frauen dafür zu vernachlässigen und das Patriarchat zu unterstützen. Das Neue war, dass diese Frauen die Sprache der Bewegung sprachen und von dieser lernten, zugleich aber ihre Grundlagen ablehnten“ (vgl. Butalia, 2005, 34). Dies bedeutete, dass Frauen die angenommene Solidarität zwischen Frauen hinterfragen und Differenzen anerkennen mussten, sei es in der Religions-, Klassen- und Kastenzugehörigkeit oder der sexuellen Orientierung. Die angesprochenen Differenzen verringern sich jedoch, wenn es um grenzüberschreitende politische Konflikte geht. Die immer wieder aufflammende Gewalt im Bundesstaat Kashmir und Jammu, bei der es um die Erreichung eines unabhängigen Staates geht, sowie im Nordosten Indiens, das stark von MigrantInnen von Bangladesh beeinflusst ist, bestärkt zum einen den Band zwischen indischen Frauen und zum anderen zwischen Frauen Indiens und seinen Nachbarstaaten (siehe auch das Kapitel 3.2.1.2. zum Globalen Feminismus). Trotz aller Heterogenität schafft es die indische Frauenbewegung dennoch sich zu einer Vielzahl an sozialen und politischen Problemen zu äußern. Vielleicht bezieht sie ja gerade daraus ihre Kraft und Einmischungsfähigkeit, denn auf jeder Ebene – Religion, Klasse, Kaste, sexuelle Orientierung, Bildung - lassen sich Frauen finden, die für ihre Rechte kämpfen. Ein aktuelles Beispiel unterstreicht die gemeinsame Kraft von Frauen: Die feministische OnlineKampagne Pink Chaddi (rosa Unterwäsche), die von der Journalistin Nisha Susan gegründet wurde, kritisierte die Sri Ram Sene (SRS), eine Splittergruppe hindufundamentalistischer Männer. Die SRS verprügelte indische Frauen für das Tragen von Jeans oder Miniröcken und zwang sie zur Heirat. Das 13 Die Autorin Manju Kapur beschreibt in ihrem empfehlenswerten Roman A Married Woman detailliert und realitätsgetreu den Konflikt rund um die Moschee in Ayodhya. Der Konflikt entbrannte als HinduistInnen behaupteten, dass die Moschee an der Geburtsstätte des Gottes Rams erbaut wurde. Die Protagonistin in A Married Women bringt ihre LeserInnen allerdings auch auf die Schwierigkeiten eine gleichgeschlechtliche Beziehung zwischen zwei Frauen in Indien zu führen. Mehr dazu im Kapitel 3.3.2. 48 Schweigen der hindunationalistischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) bekräftigte indirekt die Handlungen der SRS. Nisha Susan gründete auf Facebook die Gruppe Consortium of Pub-going, Loose and Forward Women, die insgesamt 60.000 sowohl nationale als auch internationale BefürtworterInnen hatte. Das Ziel war es, die Parteizentrale der SRS mit rosa Unterwäsche per Post zu überfluten. Insgesamt wurden 5000 Unterhosen verschickt. Obwohl die Gruppe internationale wie nationale Unterstützung erfuhr und damit eine breite Öffentlichkeit erreichen konnte, wurde sie im Mai 2009 aufgrund mehrfacher HackerInnen-Angriffe abgedreht. Noch ist nicht abzuschätzen welchen tatsächlichen Einfluss Pink Chaddi auf die Öffentlichkeit hatte, aber eines ist gewiss sicher: sie hat Menschen aller Klassen und Kasten erreicht, obwohl nur sechs Prozent der indischen Bevölkerung Zugang zu einem Internet hat. Aber gerade in diesem Fall spielten die Medien, die die Botschaft der Gruppe per Radio und Fernsehen versendeten, eine ganz wesentliche Rolle, so dass auch subalterne Bevölkerungsgruppen in Gesprächen daran teilnehmen konnten (Pestal, 2009). Die schon des Öfteren angesprochene Kritik, dass die Frauenbewegung stark von der gebildeten Mittelschicht ausgeht, steht im Widerspruch zu dem, was unter anderem die Autorinnen Maitrayee (2004), Forbes (1998/2000), Ganesamurthy (2008) und Kumar (1993) schreiben. Sie sind der Meinung, dass die Frauenbewegung zwar eine starke akademische Basis hat, die sich aber nicht gänzlich von dem aktivistischen Zweig der Bewegung trennt. Wenn es um politische Fragen geht, so sind sowohl akademische als auch subalterne Frauen gefragt, deren Ziel, eine Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, sie vereint. Die Verteilung der Hegemonie kann daher so interpretiert werden, dass sie ausgewogen ist und nicht nur auf die Mittelschichtfrauen beschränkt ist. Die folgenden beiden Kapitel gehen nun kurz exemplarisch auf zwei indische feministische Diskurse ein. 49 3.3.1. Die Identitätsfindung: Ein wichtiger Gegenstand des Dalit-Feminismus Der Dalit14-Feminismus entwickelte sich während der Zeit der Differenzfindungen innerhalb der Frauenbewegung (siehe Kapitel 3.3.), die Probleme hatte Solidarität mit den Dalit-Feministinnen zu entwickeln (Urvashi, 2005; Rege, 2004). Die stattfindende Differenzfindung machte es auch für DalitFrauen schwer eine eigene Identität als Bewegung zu finden. Es galt sich selbst zu definieren und dies nicht Frauen der gebildeten Schicht zu überlassen. Ein wesentliches Momentum der DalitFeministinnen ist es sich nicht von Nicht-Dalit-Frauen zu „den Anderen“ konstruieren zu lassen. M. Swathy Margaret, eine Vertreterin der Dalit-Feministinnen, schreibt, dass „[e]s (…) viele Übereinstimmungen zwischen feministischen Bewegungen und den Dalits [gibt], und es (…) wichtig [ist], strategische Allianzen mit anderen Marginalisierten zu schließen. Aber man muss über ein sehr klares Bewusstsein der eigenen Unterdrückungsgeschichte verfügen, um nicht unterzugehen“ (vgl. Margaret, 2005, 30). Margaret spricht hier den Differenzfeminismus an, der die Unterschiedlichkeiten der Frauengruppen und somit ihrer Forderungen besonders hervorhebt. Doch sie spricht auch die Macht zwischen den Frauen an, die zwar - wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben - ausgewogen verteilt ist, aber dennoch immer Nischen aufweist, in denen die assimilierten bürgerlichen Frauen es verstehen, ihren besseren Status in der Gesellschaft auszunützen. Der soziale Status Frauen höherer Kasten kann nicht mit dem der Dalits verglichen werden. Margaret fügt hinzu, dass „[d]as Patriarchat, so wie es innerhalb und zwischen den Kasten wirkt, (…) durch die Kastenidentität der Einzelnen bestimmt [wird]“ (vgl. Margaret, 2005, 31). Die patriarchalen Strukturen, die innerhalb der Dalits mit viel Gewalt gegen Frauen verbunden sind, sind daher häufig Gegenstand der Dalit-Feministinnen. Dennoch, um zur Frage der Identität zurück zu kehren, gehört es laut Margaret zum Hauptfokus des Dalit-Feminismus. Sie schreibt: „Eine Identität zu behaupten heißt, Anspruch auf Universalität zu erheben. Diese universalistische Vision kann nur mit den Analyseinstrumenten des Dalit-Feminismus realisiert werden“ (vgl. Margaret, 2005, 31). Bezieht man sich auf Chaudhuri (2004), die davon ausgeht, dass Universalität innerhalb der Feminismen eine Fiktion ist, die auf essentialistischen Vorstellungen beruht, so steht dies im klaren Widerspruch zu Margarets Aussagen. Eine gemeinsame Identität 14 Dalits stehen dem Kastensystem gegenüber, denn sie gehören keiner der vier Hauptkasten an, sondern der Unterkaste Jati. So werden sie zum einen Kastenlose und zum anderen die Unberührbaren genannt. Der indische Staat nennt sie auch Schedule Castes. Die Dalits machen ca. ein Viertel der indischen Bevölkerung aus. 80 Prozent von ihnen leben auf dem Land (Weber, 2005). 50 zwischen Frauen gibt es nicht, so Chaudhuri, die in ihrer Kritik vor allem auch den Globalen Feminismus anspricht (siehe Kapitel 3.2.1.2.). Der Dalit-Feminismus ist, obwohl er sich von den anderen feministischen Bewegungen gerade wegen seines Identitätsdiskurses unterscheidet, ein wichtiger Zusammenschluss von Frauen, der es immer wieder schafft politische Forderungen auf den Tisch zu bringen, sei es die Frauenquote im Parlament oder die Reservierung von Frauensitzen innerhalb der Studierendenvertretung (Rege, 2004; Margaret, 2005). 3.3.2. Tabuzone Sexualität: Das queere Indien Tabuzone Sexualität: Eine Entwicklung, die mit der Kolonialzeit verstärkt wurde, denn betrachtet man das Indien der vedischen Zeit, die Entstehung des Kamasutras und die Darstellungen von Sexualität in hinduistischen Tempeln, erkennt man eine ehemals zur Sexualität offen stehende Gesellschaft. Die britische Kolonialmacht brachte das puritanische Denken mit, das im Laufe der Kolonialzeit Eingang in die indische Gesellschaft fand. Gleichzeitig gab es schon in der Zeit des Kamasutras hinduistische Texte, die Mythologien über die Unreinheit der Sexualität verbreiteten. Indiens Bezug zur Sexualität ist nach wie vor verklemmt, auch wenn sie sich durch den Einfluss der Globalisierung und der Bollywood Filme aufweicht (Kakar; Kakar, 2006; Gandhi, 2002). Aus dieser konservativen Haltung heraus hat sich eine starke Bewegung queerer15 Menschen entwickelt, deren sexuelle Orientierung öffentlich tabuisiert wird. Allen voran die lesbische Frauenbewegung, die gegen die konservative Sexualmoral ankämpft, die ganz besonders seit der Kolonialzeit vorherrscht. Am 6. Oktober 1860 präsentierte Lord Macaulay den Zusatz (Section) 377 zum Indian Penal Code (Bhaskaran, 2002), der Folgendes besagt: „Widernatürliche Sexualdelikte: Wer auch immer Geschlechtsverkehr wider der natürlichen Ordnung, mit Männern, Frauen oder Tieren hat, soll mit lebenslanger Haft oder Haft bis zu zehn Jahren sowie einer Geldstrafe bestraft werden“ (vgl. Goel, 2005, 35). Erst 149 Jahre später sollte dieses Gesetz aufgehoben werden. Am 2. Juli 2009 fiel das Gesetz und schützt nun queere Personen auf rechtlicher Ebene (Mitta; Singh, 2009): Ein Erfolg, der vor allem den damit verbundenen Bewegungen zu zusprechen ist. Zu jung ist die neue Verabschiedung des 15 Der Begriff queer bezeichnet all jene Menschen, die die heterosexuelle Normierung in Frage stellen. Darunter fallen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und transsexuelle Personen sowie im indischen Kontext die Hijras (Intersexuelle und biologische Männer, die als Frauen leben und sich als drittes Geschlecht verstehen). Unter queere Menschen fallen aber Heterosexuelle, die die Norm in Frage stellen. 51 Gleichberechtigungsgesetzes queerer Menschen und zu groß die Kritik daran, die in diversen Blogs, wie zum Beispiel der Zeitung The Times of India, zum Ausdruck gebracht wird, um daraus schon Schlüsse auf das gesellschaftliche Leben ziehen zu können. Ein Blick vor den 2. Juli 2009 zeigt jedoch, dass mehrmalige Anläufe das Gesetz abzuschaffen an der BJP scheiterte, die der Meinung war, dass die indische Gesellschaft Homosexualität ablehne. Es entstand dadurch die Bewegung Voices against 377, die sich aus Menschenrechts-, Kinder-. Frauenund queerer Organisationen zusammenschloss. Voices against 377 geht aus einer Initiative von PRISM hervor, das sich als offenes, unabhängiges und feministisches Forum versteht und 2001 in New Delhi gegründet wurde. Das Ziel von PRISM, die sich als politische Gruppe versteht, ist es, das Thema der gleichgeschlechtlichen Sexualität aufzugreifen und in diesem Zusammenhang die heterosexuelle Norm zu hinterfragen. Aus diesem Verständnis heraus versucht PRISM schon seit seines Bestehens besonders lesbische Frauen in Frauenorganisationen zu integrieren: Denn PRISM sieht die Unterdrückung lesbischer Frauen in der gleichen patriarchalen Struktur begründet wie die Unterdrückung heterosexueller Frauen. Doch die sexuelle Tabuisierung machte auch vor manchen Frauenorganisationen nicht halt. So wurde Sexualität als Luxusthema abgestempelt, das, solange Frauen an Hunger und Armut zu leiden haben und religiöser Fundamentalismus herrscht, nicht behandelt werden sollte (Goel, 2005). Erst der Film Fire der Regisseurin Deepa Mehta, der 1998 herauskam, brachte eine breite öffentliche Diskussion in Gang. Deepa Mehta zeigt in ihrem Film patriarchale Familienstrukturen und gesellschaftliche Tabus auf, die im Kontext einer lesbischen Beziehung widergespiegelt werden (Vanita, 2002; Patel, 2002). Die queere Bewegung bekam durch eine wachsende Unterstützung einiger Organisationen, wie zum Beispiel von der Frauenorganisation Saheli oder von den Organisationen LABIA und Humjinsi, die sich beide für lesbische Frauen einsetzen, einen Aufwind. So unterschiedlich die einzelnen Organisationen der queeren Bewegung auch sein mögen, sie alle verfolgen ähnliche Ziele, wobei das Eintreten für die Rechte von queeren Menschen nur eines von vielen Zielen ist. Denn, „[s]ie sehen die Diskriminierung von Menschen, die von der heterosexuellen Norm abweichen, in enger Verbindung mit anderen Unterdrückungsstrukturen: religiöser Fundamentalismus, Kastensystem, Benachteiligung von Frauen und ökonomische Globalisierung“ (vgl. Goel, 2005, 36). 52 Doch diese fast theoretische Abhandlung queerer Ziele lässt sich nicht so leicht auf die realen Probleme queerer Frauen hinunter brechen. Anlaufstellen für queere Frauen, die vor allem in den Metropolen New Delhi, Mumbai und Kolkata zu finden sind, berichten, dass Frauen, meist auf der Suche nach einem Zugehörigkeitsgefühl, sich mit gängigen Stereotypen wie butch und femme16 charakterisieren. Obwohl PRISM von diesen Stereotypen Abstand nimmt, betont die Organisation, „dass in Indien – in einer Gesellschaft, in der Homosexualität stigmatisiert wird – das öffentliche Benutzen von Begriffen wie lesbisch oder schwul ein wichtiger politischer Schritt heraus aus dem Schweigen ist“ (vgl. Goel, 2005, 37). Für queere Feministinnen ist dies allerdings ein rotes Tuch, denn mit diesen Begrifflichkeiten erleben patriarchale Beziehungen abermals eine Reproduktion. Für viele Frauen gibt es allerdings keine Möglichkeit ein anderes Gedankenmuster zu entwickeln, denn sie haben nicht das privilegierte Leben der AktivistInnen in den Metropolen, die Diskurse gestalten können, und meistens gestärkt durch ihre westlichen Kontakte, einen anderen Zugang zu queeren Themen haben (Goel, 2005). Queere Frauen haben, außer sich an Beratungsstellen oder queere Organisationen zu wenden, keine andere Chance, um für sich einen Raum einnehmen zu können. Lesbische Infrastruktur beschränkt sich fast ausschließlich auf die oben genannten Metropolen. Ländliche Gegenden sind davon noch ausgeschlossen, obwohl der Großteil der indischen Bevölkerung am Land lebt. Dort jedoch sind heterosexuelle Normen noch stärker vertreten und Rückzugsorte für Frauen begrenzt. Für queere Männer hingegen ist die Infrastruktur weiter ausgebaut, denn in der patriarchalen indischen Gesellschaft ist männliche Sexualität kein so starkes Tabuthema (Goel, 2005). Es bleibt abzuwarten wie sich die queere Frauenbewegung nach dem 2. Juli 2009 weiterentwickeln wird, und inwieweit sie es schaffen wird ihre eigene Infrastruktur auszubauen, jenseits aller Kritik, Diskriminierung und patriarchaler Strukturen, auf die sie in einer Gesellschaft, die Sexualität so stark tabuisiert, treffen wird, trotz aller rechtlichen Absicherungen. 16 Butch bezeichnet Frauen, die die männliche Rolle in einer Beziehung innehaben und ein männliches Erscheinungsbild haben. Femme hingegen bezeichnet den weiblichen Teil der Beziehung mit femininem Erscheinungsbild. 53 Schlussfolgerungen Die vorliegende Arbeit hat gezeigt welchen Einfluss die Geschichte nicht nur auf ein Land, sondern auch auf eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe hat. Frauen haben seit der britischen Kolonialzeit Unterdrückung, Ausbeutung, aber auch Freiheit erfahren. Freiheit sei hier weit gefasst, denn es geht nicht nur um die Unabhängigkeit von der patriarchalen Kolonialmacht, die den Körper der Frau sowohl sexualisiert als auch kolonisiert hat, sondern auch um die Möglichkeiten, dass sich Frauen zusammenschließen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Dieser Zusammenschluss fand bestimmt nicht immer herzlich statt, haben doch Frauen je nach Kaste, Religion und sozialen Status unterschiedliche Lebensrealitäten und daher auch andere Forderungen. Nichts desto trotz, die Erste und Zweite Frauenbewegung haben es verstanden Frauen unterschiedlicher Herkünfte anzusprechen. Das Geheimnis liegt vielleicht darin, dass die akademische Theoretisierung von Feminismen erst mit den 1990er Jahren begann und davor aktive Handlungen, die sich in Reden, Demonstrationen, Plakaten oder Straßentheatern finden ließen, die Frauenbewegungen prägten. Subalterne Frauen verstanden es daher Aufmerksamkeit zu erregen und brachten ihre Anliegen durch. Trotzdem gilt anzumerken, dass die Konstruktion „der Anderen“ auch in diesem Rahmen stattfand, denn oft sprachen in Zeiten der Kolonialmacht – so die Geschichtsschreibung – gebildete Frauen über die Anderen. Die South Asian Subaltern Studies Group sei hier erwähnt, denn sie zeigt mit ihrer umfassenden akademischen Arbeit, dass es ein neuerliches Aufrollen der Geschichtsschreibung braucht. Nicht nur, um einen Beitrag zur Frauengeschichtsschreibung zu leisten, sondern auch um der subalternen Bevölkerung eine Stimme zu geben. Ansonsten wird die Geschichtsschreibung, soziale Bewegungen und akademische Arbeit immer die Konstruktion „der Anderen“ benötigen, um ihre Arbeit zu legitimieren. Die britische Kolonialzeit in Indien hat dies sehr gut gezeigt. Abschließend zur Beantwortung des Titels der vorliegenden Arbeit: Feminismen als „Ergebnis“ der indischen Geschichte? Die kurze Antwort lautet für mich: ja, die Geschichte hat Feminismen hervorgerufen. Doch möchte ich am Ende dieser Arbeit Feminismen mit Frauenbewegungen ersetzten, denn Feminismen, wie schon öfters erwähnt, entstanden in dieser theoretischen Form erst vor ein paar Jahrzehnten. Bewegungen von Frauen hingegen prägten schon seit den 1880er Jahren die indische Gesellschaft. Durch die große Ungerechtigkeit und Unterdrückung von Frauen, die durch die britische Kolonialmacht zu Tage trat, entstand ein neues Verständnis von der gesellschaftlichen Position 54 indischer Frauen. Frauen wie Männer waren anfangs daran beteiligt die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen zu verbessern. Es entstand die Erste Frauenbewegung, die im Laufe der Kolonialzeit die Befreiungsbewegung unterstützte und einen wesentlichen Beitrag dazu leistete, dass Indien 1947 unabhängig wurde. Nach der Unabhängigkeit verliefen viele Sozialreformen im Sand oder anders gesagt, Papier ist geduldig, und so blieben aus den vielen geplanten Verbesserungsvorschlägen für Frauen nur leere Worte. Bis in die 1970er Jahre, als die Zweite Frauenbewegung ihre Aktivitäten begann, und sowohl alte als auch neue Forderungen an die Politik stellte. Seitdem ist die indische Frauenbewegung aktiv, gestärkt durch eine theoretische Auseinandersetzung auf akademischer Ebene. Gerade diese zeigt die starke Verwobenheit mit Europa. Indien ist ein so genanntes postkoloniales Land, doch wie im Laufe der Arbeit ersichtlich wurde, kann dieses „post“ nicht glaubhaft verwendet werden, wenn man die Wirtschaftspolitik, die Entwicklungspolitik, als auch die Frauenbewegung beziehungsweise feministische Theoretisierung betrachtet. Genau diese Ebenen sind der Motor, die Teile der indischen Bevölkerung immer noch bewegt, eine tatsächliche Unabhängigkeit zu erreichen. 55 Ausblick Indien, ein Land der Extreme, in dem Reichtum und Armut, Modernität und Tradition, Urbanität und Ländlichkeit aufeinandertreffen, ist in einer Zeit der Veränderungen. Die voranschreitende Neoliberalisierung bestimmt das Leben der InderInnen. Sei es im wachsenden Wohlstand oder in der sich ausbreitenden Armut. Die Kluft zwischen der wohlhabenden Bevölkerung, die in den neu entstandenen Einkaufszentren und Fitnesscenter ihre Freizeit verbringen, und der armen Bevölkerung, die in den Armenvierteln der Stadt oder in abgelegenen Dörfern leben, vergrößert sich. Die Leidtragenden sind besonders Frauen, die vom politischen und sozialen System ausgeschlossen sind. Subalternität bestimmt ihr Leben. Soziale Bewegungen haben daher eine wichtige Rolle im politischen und gesellschaftlichen Kontext. Der Dalit-Feminismus und die queere Frauenbewegung haben dies gezeigt. Besonders für Indiens Subalterne sind sie ein notwendiges Instrumentarium, denn sie können sich dadurch ihren ihnen zustehenden Raum in der Öffentlichkeit nehmen und sich Gehör verschaffen. Wie die Vergangenheit schon gezeigt hat, haben soziale Bewegungen vieles bewirkt. Man kann nur erahnen, welche Bewegungen in Zukunft entstehen werden, in einem Land, das durch die Wirtschaftskrise, den Klimawandel und den Hindufundamentalismus, um nur ein paar wenige zu nennen, gezeichnet ist. 56 Literaturangaben Andrijasevic, Rutvica (2008): Impositions of Immobility. Gender, Migration and Representation in Anti-trafficking Campaigns. In: Grzinic, Marina; Reitsamer, Rosa (Hrsg.): New Feminism. Worlds of Feminism, Queer and Networking Conditions. 1. Auflage, Löcker Verlag, Wien, 117-132. Betz, Joachim (2007): Grundzüge der Wirtschaft seit 1946. In: Informationen zur politischen Bildung. Indien, 2007, 3. Quartal, 46-57. 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