Oder: Und ewig grüßt das Maggi-Kochstudio.

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Oder: Und ewig grüßt das Maggi-Kochstudio.
Was wäre Maggi ohne Mongolen?
Oder: Und ewig grüßt das Maggi-Kochstudio.
„Monggol“ (das klingt schon ein bisschen nach „Maggi“) entstammt aber einer tungusischen Sprache und bedeutet ursprünglich
„die Unbesiegbaren“. Unter ihrem noch heute recht bekannten
Führer Dschingis Khan machten die Reiter aus der Mongolei im
13. Jahrhundert diesem Anspruch durchaus Ehre: mit neuen Formen der taktischen und psychologischen Kriegsführung – und
einem extrem kriegstauglichen „Kommissbrot“, das den Namen
Borts trug.
Dieses getrocknete Pulverfleisch ließ sich (wahrscheinlich mit
ähnlich niederschmetterndem Ergebnis) wie moderne Tütensuppen
mit heißem Wasser aufkochen. Eine „Technik“, welche die französischen Chemiker Proust und Parmentier 1821 eventuell zu ihren
Bouillon-Tafeln inspirierte. Sie dienten vorrangig als Verpflegung
für Schiffsbesatzungen, ehe sie durch Justus von Liebigs Fleischextrakt verdrängt wurden. Nachdem der deutsche Ingenieur Georg
Christian Giebert 1862 von Liebig die Lizenz zur Massenproduktion in Uruguay erhalten hatte, produzierte er „Liebigs Fleischextrakt“
alsbald in riesigen Mengen und verkaufte es weltweit. In Form der
„Eisernen Rationen“ deutscher und britischer Soldaten im 1. Weltkrieg schließt sich also fast ein Kreis zum mongolischen Borts.
Zu den ersten europäischen Herstellern gehörten Maggi, Knorr
und OXO. Dabei verstand sich vor allem Julius Maggi trefflich auf
die kommerzielle Vermarktung seiner Produkte. Deshalb kennt
Maggi heute jedes Kind und selbst der Duden hält es einer Aufnahme für würdig. Denn nicht jeder Produkt- oder Markenname
kommt in den Olymp des Wortes. Selbst gleichermaßen schöne
und positiv belegte Worte wie „Weltreise“ oder „Kreuzfahrt“ taten sich hier bedeutend schwerer, da sie erst gegen Ende der 1980er
Jahre in den Duden-Rechtschreibung aufgenommen wurden. Allerdings und irgendwie bezeichnend gilt dies nur für die in der DDR
herausgegebenen Exemplare des beliebten Nachschlagewerks.
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Drei weiteren kleinen und extrem praktischen Produkten
gelang dieser Aufstieg im kapitalistischen Westen vergleichsweise
zügig. Sie heißen tesa, UHU und Tempo. Heute käme niemand
auf die Idee, nach einem Filmklebestreifen zu fragen. Stattdessen
sagen wir bloß: „Gib mir mal das Tesa rüber ...“
Bereits 1935 entwickelte die Beiersdorf AG den transparenten Klebefilm, der zunächst unter dem Zungenbrecher
„Beiersdorf-Kautschuk-Klebefilm“ vertrieben wurde und anfangs
nicht einmal ansatzweise Filmkarriere machte. Da man solche
Dinge damals in der Drogerie von der freundlichen Fachkraft
noch persönlich ausgehändigt bekam, wollten sich wohl nur
wenige mit einem Gestammel à la „Fischers Fritze“ bloßstellen.
Ein Mitarbeiter der Firma kam bald auf die Idee, dem Produkt
den Namen tesa zu geben. Ursächlich dafür soll das Kürzel „sa
te“ seiner Sekretärin Elsa Tesmer gewesen sein. Der Mann muss
sehr an der Frau gehangen haben. Ob von ihr der Satz „Deine
Liebe klebt“ stammt, ist dagegen nicht überliefert. Eine Bekanntschaft mit Herbert Grönemeyer, der diesen Song 1991 im Album
Luxus veröffentlichte, darf indes ausgeschlossen werden.
Jedenfalls steigerte der neue, eingängige Name – recht bald
als Dachmarke für sämtliche Klebebänder des Hauses – ab 1941
den Umsatz und Gewinn des Unternehmens immens. Heutzutage werden rund 6.500 verschiedene tesa-Produkte für
Endverbraucher und Industriekunden produziert. Der Jahresumsatz lag 2006 bei satten 793 Millionen Euro. Inzwischen fand
man einen weiteren interessanten Anwendungsbereich für die
praktische Filmrolle: Mitarbeiter der Universität Mannheim entdeckten im März 1998 durch Zufall, dass dieses Material als
Datenspeicher ebenfalls gute Dienste leistet.
Kommen wir nun zu einem anderen, nicht gerade geruchsneutralen Produkt, das auf eine Erfindung des Apothekers August
Fischer aus dem Jahre 1932 zurück geht. Er entwickelte den ersten gebrauchsfertigen, klaren Kunstharz-Klebstoff der Welt,
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durch den viele der früher gebräuchlichen Materialien sehr haltbare Verbindungen miteinander eingingen. Sein Name ist UHU
– und leitet sich tatsächlich vom gleichnamigen Vogel ab. Sein
Erfinder erinnerte sich dabei einer Tradition der Papier- und
Schreibwarenbranche, ihre Produkte nach großen Vögeln zu benennen. Dazu fällt Ihnen nichts ein? – Dann denken Sie mal an
Pelikan(e) oder Adler. Als Alleskleber kam UHU schon bei der
Montage des Zeppelins „Hindenburg“ zum Einsatz. Merke: Im
Falle eines Falles, klebt UHU einfach alles ...
Das Privileg, Innovationsführer im Markt gewesen zu sein,
dürfte gleichsam den Erfolg der Tempo-Tücher deutlich befördert haben. Am 29. Januar 1929 ließen die Vereinigten Papierwerke
Nürnberg das Warenzeichen beim Reichspatentamt in Berlin
anmelden. Nicht erst seit gestern heißen in Deutschland Papiertaschentücher einfach Tempo – auch wenn es sich um eine andere
Marke handelt. In den USA besitzt die Marke Kleenex ähnliche
Bedeutung.
Aber die Liste der Markennamen, die zu Begriffsmonopolen
(so nennt man das leider) wurden, ist weitaus länger, als Sie vielleicht ahnen. Alsdann: Wie nennen Sie Filtertüten? – Eben! Die
Tüten wurden nämlich 1908 von Melitta (aha!) Bentz erfunden,
die bis zu dieser Entdeckung Hausfrau war. Melitta hatte mit
Löschblättern aus den Schulheften ihrer Söhne experimentiert,
die sie in einen durchlöcherten Messingtopf legte. Da diese Prozedur auf allgemeine Begeisterung stieß, entschloss sie sich, die
Sache patentieren zu lassen und Unternehmerin zu werden.
Weiter geht´s mit Kopfschmerztabletten? Falls Sie nicht drauf
kommen, sollten Sie nochmals kurz im Kapitel „D wie Drogen“
vorbeischauen. Oder sich mit dem Thema Demenz (wurde in diesem Büchlein absichtlich vergessen) auseinandersetzen ...
Oder: Welches Rutscherauto kaufen Sie Ihren Kindern und
wie heißt es, wenn später ein Tretauto daraus wird? Und welches
Getränk dürfen Ihre Kinder erst trinken, wenn sie zu groß fürs
Kettcar sind? Bis dahin wird schön Kaba oder Selters getrunken.
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Oder Gummibärchen gegessen. Und wo kommen die her? Von
Hans Riegel in Bonn. Nur nebenbei: Seit 1935 wirbt Haribo mit
dem Werbeslogan: „HARIBO macht Kinder froh“, der 1962 um
den Zusatz „ ...und Erwachsene ebenso“ ergänzt wurde und einer
der bekanntesten Werbesprüche überhaupt sein dürfte.
Das kennen Sie alles. Nun kommt etwas, das Sie wahrscheinlich weniger vermutet hätten: Der gute Haartrockner aus dem
Hause AEG hieß seit 1908 Fön und wird seit 1941 Foen geschrieben. Nach ihm benannt ist der in Bayern nicht allseits beliebte
Föhnwind. Und so schreiben Sie den elektrischen Haartrockner –
auch wenn es weh tut – bitte in Zukunft, denn seit der Rechtschreibreform von 1996 wird er mit „H“ geschrieben. Fragen Sie
mich aber nicht, warum.
Überhaupt: Was machen Sie, falls Sie mir nicht glauben? Vermutlich werden Sie „googeln“. Doch damit wären wir bei den
noch elitäreren Verben wie dem „dieseln“. Klingt ja auch gut;
zumindest das Wort, was man vom nagelnden Geräusch des Dieselmotors nicht gerade behaupten kann. Aber versuchen Sie das
mal mit dem Ottomotor. Bei „ottoen“ werden Sie vermutlich
erneut ins Stottern geraten. Darum erst einmal einen Nescafé.
Ende des Werbeblocks! Denn nicht ewig grüßt – das MaggiKochstudio ...
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