Erst war Herbert Rittberger als Grand Prix

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Erst war Herbert Rittberger als Grand Prix
MAGAZIN
Portrait Herbert Rittberger
Der doppelte
Rittberger
Erst war Herbert Rittberger als Grand Prix-Rennfahrer sehr erfolgreich,
und auch in seiner zweiten Karriere als Tuner und Konstrukteur gehörte er zu den
ganz Großen. Klassik Motorrad besuchte den schwäbischen Tüftler
Text: Jürgen Gaßebner
Fotos: Archiv Herbert Rittberger, Jürgen Gaßebner
Herbert Rittberger
und ein Kreidler-Van VeenWerksracer. Diesen
hier bewegte einst Eugenio
Lazzarini
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MAGAZIN
I
PORTRAIT HERBERT RITTBERGER
m Jahr 1949 geboren, wuchs Herbert
Rittberger in eine ganz große Ära des
Motorradsports hinein. Als kleiner Bub
bekam er mit, wer John Surtees war, und als
es altersmäßig in Richtung motorisierte
Fortbewegung ging, waren für den motorradbegeisterten jungen Herbert Renn-Idole
wie Jim Redmann, Mike Hailwood oder
Hans-Georg Anscheidt so geläufig wie für
seine Altersgenossen Matchbox-Autos.
Kurzum: Irgendwann befiel ihn der Rennbazillus, und so wurde seine allererste
Maschine, ein Kreidler Florett, selbstverständlich sofort in Renntrimm versetzt.
Höckersitzbank und Vollverkleidung sowie
deutlich unterhalb der oberen Gabelbrücke
montierte Lenkerstummel zwangen den
Mann mit der idealen Jockey-Figur in die
gewünschte rennsportliche Sitzposition –
und auf der Straße zu optimistischer Gangart. „Es dauerte nicht lange, da wusste ich,
‚du musst Rennen fahren‘“, erinnert sich
Herbert Rittberger an diese Zeit, in der er
auch seine Berufsausbildung zum Maschinenschlosser absolvierte.
Kaum drei Jahre später, 1968, war es
schließlich soweit, und das Fahrtalent aus
dem schwäbischen Schnait, einem kleinen
Winzer-Ort vor den Toren Stuttgarts, bestritt
sein erstes Juniorenpokalrennen. Natürlich
in der 50er-Klasse, natürlich auf Kreidler.
Just in diesem Jahr bot Kreidler für 299,70
Mark den so genannten Rennsatz an, der
dem serienmäßigen Florett-Aggregat mittels
anderem Zylinder, Deckel, Kolben, Dell’
Orto-SSI-Vergaser und Rennbirne zu
immerhin 9,5 PS bei 12 500/min verhalf.
Es folgten „Lehrjahre“ im Juniorenpokal
sowie in der deutschen Meisterschaft, wo
Rittberger unter anderem mit einem 1971
geschaffenen, rund zwölf PS starken Eigenbau an den Start ging. „Die Werks-Suzuki
Die Anfänge:
Eine Kreidler Florett,
natürlich
rennmäßig zurecht
gemacht
mit Vollverkleidung,
Stummel
und Höckerbank
von Hans-Georg Anscheidt mit ihrem nach
oben verlegten Auspuff hatte es mir angetan.
So wurde also lange überlegt und getüftelt,
und schließlich gingen wir her und drehten
den Kreidler-Motor einfach nur herum. Der
Auspuff war nun oben, der DrehschieberEinlass und der Abtrieb rechts. Allerdings
wurde ich nie glücklich mit ihr, sie bereitete
immer Probleme. Vor allem mit dem Sechsgang-Ziehkeilgetreibe, und die Maschine
war auch viel zu schwer. Also stellte ich das
Projekt irgendwann entnervt ein und setzte
auf Kreidler-Renntechnik“, erzählt Herbert
Rittberger aus jenen Tagen.
„Es wurde also lange
überlegt und getüftelt, und
schließlich gingen wir her
und drehten den KreidlerMotor einfach nur herum.“
Das erste Rennen, ein Bergrennen in Stadtsteinach: Motor dank Florett-Rennsatz 9,5 PS stark
Doch beeindruckend war dieses Motorrad damals wie heute. Dazu schnappte er
sich den kleinen Serienzylinder der gebläsegekühlten Florett, trennte bis auf die oberste
und unterste Kühlrippe alle anderen heraus
und ließ einen Mantel aus Aluminiumblech
ausschweißen und fertig war die Wasserkühlung. Eine Heidenarbeit, wirklich toll
gemacht und bereits damals ein Indiz dafür,
dass dieser Rittberger offenbar nicht nur ein
guter Fahrer, sondern ein mindestens ebenso guter Tuner sein musste. 1971 startete er
in Imola erstmals bei einem Grand Prix.
1973 kaufte er für 8000 Mark bei Kreidler
einen wassergekühlten Rennmotor mit Drehschiebersteuerung und rund 14 PS Leistung,
der ihn in diesem Jahr bereits zum sechsten
Platz in der Weltmeisterschaft trug. Der
Werks-Kreidler von Weltmeister Jan de Vries
Sein letzter Grand Prix-Sieg: Hockenheim, Großer Preis von Deutschland, 8. Mai 1977
Auf dem „Goldrad“
knapp vorbei: Erstmals mit
(goldenen) MagnesiumRädern und Scheibenbremsen
unterwegs. Lohn 1976 –
der Vize-WM-Titel
Eigenbau von 1970: Dieser 50er Renner entstand aus der Inspiration
durch Hans-Georg Anscheidts Werks-Suzuki heraus
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Aufs Kreuz gelegt: Da der Auspuff nach Suzuki-Vorbild oben herum
geführt werden sollte, drehte man den Motor einfach herum
wurden zu diesem Zeitpunkt freilich bereits
19 PS nachgesagt. Ein Jahr später, Rittberger hatte aus der Rennfahrerei nun eine
Ganztagsbeschäftigung gemacht, folgte der
erste Grand Prix-Sieg im holländischen
Assen. In diesem Jahr, 1974, lief es für den
25-Jährigen so gut, dass er die Saison sogar
als Vize-Weltmeister hinter Kreidler-Star
Henk Van Kessel abschloss.
Rittbergers Tuning-Maßnahmen in seiner
mit Wasserwirbel- und Wirbelstrombremse
eingerichteten Werkstatt in Schnait schlugen
sich nun bereits in 19 PS Leistung nieder. Ein
Jahr später reichte es für den Schwaben zwar
„nur“ zu WM-Rang fünf, doch folgte 1976
quasi eine Duplizität der Ereignisse von
1974 – wieder wurde Rittberger Vize-Weltmeister. Diesmal, nach vier WM-Läufen lag
er an zweiter Stelle, stellte ihm der niederländische Kreidler-Importeur Hendrik Van
Veen eine Werksmaschine zur Verfügung.
Erneut reichte es zur Vize-Weltmeisterschaft
hinter dem Spanier Angel Nieto, der seinen
Klassik Motorrad
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MAGAZIN
PORTRAIT HERBERT RITTBERGER
zweiten 50er WM-Titel in Folge einfuhr –
diesmal aber nicht auf Kreidler, sondern auf
der spanischen Bultaco.
Bereits damals warf Rittberger stets selbst
einen intensiven Blick in seine Rennmotoren
– mit Erfolg. Kanalbearbeitungen, Versuche
mit Totraumfüllung, kürzere, längere Auspuffe, mit kleineren und größeren Diffusoroder Resonatorwinkeln, Rittberger arbeitete
unermüdlich. „Manchmal 20 Stunden am
Tag“, wie er sagt. „Mir hat die Technik
eigentlich schon damals mehr Spaß gemacht
als die Fahrerei“, fügt er hinzu.
Für das Jahr 1977 wurde die Motorentwicklung gemeinsam mit Van Veen dann
parallel betrieben. Einerseits von Rennleiter
Jan de Vries, dem 50er-Weltmeister von 1973,
bei Kreidler-Importeur Van Veen in Amsterdam und bei Herbert Rittberger in Schnait.
Letzterer war offenbar etwas erfolgreicher
und kitzelte für die Saison 1977 gewaltige
fahren, war einfach nicht mehr da“, stellt er
klar. „Schon meine damals 84-jährige Großmutter schüttelte den Kopf, als ich vom
Grand Prix in Barcelona mit dem Vize-Titel
nach Hause kam und sagte: ‚Wie kann m’r
au wega ma zwoite Platz so weit fortfahre.‘“
Also konzentrierte sich Rittberger vollkommen auf schnelle Motoren für die Van
Veen-Werksfahrer. 1978 reichte es Eugenio
Lazzarini zum Vize-Titel hinter dem scheinbar auf die Weltmeisterschaft abonnierten
Spanier Angel Nieto. Doch 1979 sollte es
Yamaha-Eigenbau: Neben der 50er- bestritt Herbert Rittberger 1973 auch die 125er-Klasse
Dörflinger: 50er-Weltmeister 1982 und ‘83 auf Kreidler, ‘84 auf Zündapp, und ‘85 auf Krauser
21 PS bei 16 800/min aus dem 50er-Motor.
Ein klares Indiz für die Leistungsstärke des
Rittberger-Motors in jenen Tagen war beispielsweise die auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Spa-Francorchamps gemessene Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h,
mit der Rittberger seinem Stallgefährten
Eugenio Lazzarini haushoch überlegen war.
Doch in Spa bekam Rittberger auch die
Schattenseiten des Werksfahrerdaseins zu
spüren, indem er – in Führung liegend –
dem in der WM aussichtsreicher platzierten
Italiener aufgrund vertraglicher Stallorder
den Vortritt aufs Siegertreppchen lassen
musste. „Ich wusste nicht, ob ich heulen
oder fluchen sollte“, erinnert er sich an den
belgischen Grand Prix. Geholfen hat es so
oder so nichts – Weltmeister wurde 1977,
nun schon bereits zum dritten Mal, Angel
Nieto auf Bultaco.
Ende 1977 beendete Rittberger seine
Laufbahn als Rennfahrer, obgleich er in
diesem Jahr immerhin den Großen Preis
von Deutschland auf dem Hockenheimring
gewann. „Aber die Motivation, zumeist mit
dem Wohnwagen um die halbe Welt zu
Rittberger-Motoren
waren praktisch komplette
Neukonstruktionen mit
Sandgussgehäuse, eigenen
Zündungen, Getrieben und
Trockenkupplung
Tendenz steigend: Mit Eigenbau-Fahrwerk, Wasserkühlung und 14 PS anno 1972
endlich klappen – Lazzarini wurde mit dem
Rittberger-Motor Weltmeister.
Ein Jahr später gelang Herbert Rittberger
der Gewinn der Vizeweltmeisterschaft durch
den Schweizer Stefan Dörflinger – hinter
dem amtierenden und erneuten Weltmeister
Lazzarini, dessen Kreidler-ProductionRacer aber nicht als Kreidler, sondern nach
seinem Hauptsponsor – unter der Bezeichnung IPREM – genannt wurde. Teils Pech
und teils Stürze vereitelten diesmal den Titel,
obwohl Dörflingers Maschine zur absoluten
Spitze im Feld zählte.
Während auch 1981 der Titel nicht an
Kreidler, sondern diesmal ans spanische
Bultaco-Werk unter Fahrer Ricardo Tormo
gehen sollte, lief es nach dem diesjährigen
dritten Platz in der Endabrechnung ein Jahr
später richtig gut für Rittberger-Schützling
Dörflinger. In diesem Jahr, 1982, verschwand
der ruhmreiche Name „Van Veen“, denn die
Fabrik sowie die Rennabteilung in Duder-
Der Spanier Angel
Nieto (rechts) gab
Herbert Rittberger
1974 auf dem
Nürburgring das
Nachsehen
Konkurrenten, Stallgefährten, gute Freunde: Eugenio Lazzarini (links)
und Herbert Rittberger beim Pressetermin 1977
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Fahrerlager-Idylle: Herbert Rittberger, Frau Ulla (links neben ihm)
und seine erfolgreiche EM-Mannschaft 1983 in Brünn
1979 wurde
Lazzarini mit dem
Rittberger-Motor
Weltmeister und
holte seinen Tuner
aufs Podium.
Daneben Dörflinger
(li.) und Rolf Blatter
stadt, einem Ort im damaligen Zonenrandgebiet zur DDR, wurden geschlossen. Das
Jahr 1982 hatte aber für Rittberger auch noch
in anderer Hinsicht Bedeutung. Durch das
Ende der Kreidler-Van-Veen Rennsport
GmbH wurde eine eigene offizielle Firma
notwendig – „Rittberger Motoren Tuning RIMOTU“ in Schnait. Von diesem Zeitpunkt an wurden sämtliche Rennaktivitäten,
Konstruktionen und Entwicklungen darüber abgewickelt. Für die Saison ‘82 wurden
zwei komplett neue 50-ccm-Rennmaschinen
gefertigt, und mittlerweile hatte der KreidlerRennmotor freilich nichts mehr mit dem
früheren Florett-Triebwerk zu tun. Die Rittberger-Motoren waren praktisch komplette
Neukonstruktionen mit Sandgussgehäuse,
eigenem Getriebe und Trockenkupplung
sowie einem deutlich überquadratischen
Bohrung-Hub-Verhältnis von 41,5 zu 36,8
Millimetern. Dörflinger wurde damit, wie
auch im darauf folgenden Jahr, Weltmeister
in der 50er Klasse.
Nachdem 1983 nun auch Kreidler von der
Bildfläche verschwunden war, startete Dörflinger mit den RIMOTU-Rennmaschinen
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MAGAZIN
PORTRAIT HERBERT RITTBERGER
Schlusspunkt einer Entwicklung:
Mit dem RIMOTU-Krauser 125 wollte man ab
1990 angreifen, doch Krauser stellte aus
Kostengründen sein Rennsport-Engagament ein
Der Meister-Macher: Mit dem 50er-RIMOTU-Kreidler klappte es zweimal mit dem Fahrer-Weltmeister-Titel, und zwar 1982 und ‘83
Clevere Lösung:
Beim 125erwie auch beim 80erGehäuse sah
Rittberger die Gussform sowohl für
Drehschieberals auch MembranEinlass vor. Links
das Adapterstück für
den Prüfstand
unter der Krauser-Flagge, am Ende sollte es
auch in dem Jahr zum Titelgewinn reichen.
Letztmals wurde in diesem Jahr die 50erKlasse als Weltmeisterschaft ausgefahren,
und so blieb Stefan Dörflinger und Herbert
Rittberger dieser „ewige“ Titel, wenngleich
auch die Marken-WM in diesem Jahr an das
italienische Garelli-Werk ging.
Parallel zur 50er Weltmeisterschaft beschäftigte sich Rittberger in diesem Jahr
bereits mit der Nachfolge-Klasse, der 80-ccmKategorie. Im Auftrag von Zündapp hatte er
einen 80-ccm-Rennmotor entwickelt, der in
punkto Layout dem bisherigen RIMOTUTriebwerk sehr ähnlich war. Dieser verfügte
jedoch über ein schnell zu wechselndes
Kassettengetriebe. Schon 1983 wurden mit
Der 80er-RIMOTU
stand für den 125er Pate: Gehäuse und Layout
ähnlich, Trockenkupplung und Zündung ebenfalls
rechtsseitig, Zylinder aber angewinkelt
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Der sieggewohnte 50erRIMOTU-Kreidler verfügte
über ein überquadratisches
Bohrung-Hub-Verhältnis von
41,5 zu 36,8 Millimetern
den von RIMOTU entwickelten und gefertigten 80er Rennmaschinen unter ZündappFlagge die Fahrer Hubert Abold und
Massimo Fargeri in der Europameisterschaft
eingesetzt. Prompt holten die Fahrer den
Titel und den Vizetitel.
Erstmals 1984 mit Zündapp und ein Jahr
später dann auch unter Krauser-Flagge,
gelangen Dörflinger und Rittberger die
Gewinne der 80er-Weltmeisterschaft. Fortan
unter Krauser-RIMOTU-Bewerbung unterwegs, konnte sich die Erfolgsbilanz von
Herbert Rittberger und seinen Fahrern
durchaus sehen lassen, auch wenn keine
Fahrerweltmeisterschaft mehr gewonnen
wurde. So wurde Stefan Dörflinger bei den
80ern 1986 und ‘88 jeweils Dritter, und mit
Gerhard Waibel schaffte dies 1987 nicht nur
ein deutscher Fahrer, sondern fast schon ein
Nachbar Rittbergers. Waibel stammte aus
Schorndorf, keine 20 Kilometer von Schnait
entfernt.
1989 schließlich, im letzten Jahr, bevor die
80er Klasse endgültig abgeschafft wurde,
machte es die Rittberger-Truppe nochmals
richtig spannend. Stefan Dörflinger wurde
Vizeweltmeister, und Peter Öttl, der den
WM-Titel praktisch schon in der Tasche
hatte, schmiss die Krauser wenige hundert
Meter vor dem Ziel ins Kiesbett und wurde
am Ende Gesamt-Dritter. Als kleiner Trost
blieb dem in dieser Situation völlig machtlosen Rittberger wenigstens der Gewinn
der Markenweltmeisterschaft für KrauserRIMOTU sowie die Motivation, mit finanzieller Hilfe des Motorradzubehör-Produzenten und Rennsport-Fans Mike Krauser
im darauffolgenden Jahr in die 125er-Klasse
einzusteigen.
Also entstand im Hause RIMOTU ein
125er-Motor, in dem teilweise baugleiche
80er-Teile verwendet wurden, der seine
Konkurrenzfähigkeit 1990 sofort bewies
Stark und schnell: Mit mehr als 21 PS sorgte der 50er für über 210 km/h Höchstgeschwindigkeit, etwa in Spa-Francorchamps
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MAGAZIN
PORTRAIT HERBERT RITTBERGER
und in diesem speziellen Fall als typisch
schwäbische und von großer Bescheidenheit
geprägte Untertreibung gelten darf. Herbert
Rittberger hat sich nämlich – wie schon bei
seinen Motoren – mit großer Akribie und
Leidenschaft vor allem zweier Gewächsarten
angenommen: Rosen und Zitruspflanzen.
Freilich nicht irgendwelche Rosen, es sind
sehr alte und auch seltene Sorten darunter.
Und der Zitronen- und Orangenwuchs in
Rittbergers floralem Wirkungsfeld würde
wohl so manchem Stadtpark am Mittelmeer
zur Ehre gereichen.
„Es ist ein wunderbarer Ausgleich zum
technischen Tagesgeschäft“, weiß Herbert
Rittberger, der – wie in den ganzen Jahren
als Rennfahrer und Konstrukteur – auch
hierbei tatkräftig von seiner Frau Ulla unterstützt wird. „Das ganze Jahr über an fast
jedem Wochenende weltweit auf den Rennstrecken unterwegs sein, das wollte ich heute
nimmer. Von der extremen Herumreiserei
habe ich wirklich genug. Aber noch mal
einen schönen Entwicklungsauftrag in
Angriff zu nehmen, dazu hätte ich schon
große Lust.“ Spricht’s, klappt das Fotoalbum zu und meint lachend: „Aber eine
schöne Zeit war’s. Auf jeden Fall.“
l
Mustergültig: Extrem kleines, zur linken
Seite heraus nehmbares Kassettengetriebe.
Natürlich Marke Rittberger
Champion Nummer zwei: Mit dem 80er-Motor
unter Zündapp- und Krauser-RIMOTU-Bewerbung wurde
Stefan Dörflinger zweimal 80er-Weltmeister
In jenem Moment des Untergangs des
125er-Projekts kam Martin Wimmer – damals auf einer 250er-Werks-Aprilia unterwegs – auf Rittberger zu, und die beiden
kooperierten in punkto Motoren-Entwicklung. Lohn ihrer Mühen war am Ende ein
sechster Platz in der 250er-Weltmeisterschaft. „Fürs kommende Jahr wechselte
Wimmer dann zu Suzuki, die ihm ein tolles
Werks-Motorrad versprachen. Doch was
dann da aus Japan kam, war nicht wirklich
Lang liegend: Wie der 50er-Motor
wurde auch der 80er liegend konstruiert.
Lediglich der 125er besaß einen leicht
nach oben gewinkelten Zylinder
und auf Anhieb Platzierungen im Mittelfeld
bescherte. Doch dann schlug das Schicksal
nach dem Muster von Kreidler und Zündapp
ein drittes Mal erbarmungslos zu. Krauser
stellte aus Kostengründen weitgehend alle
Motorsportaktivitäten ein, das 125er-Projekt
war gestorben. Dabei hatte gerade dieser
Motor enormes Entwicklungs-Potenzial,
denn Rittberger goss das Motorengehäuse
gleich so, dass er mit entsprechender Bearbeitung des Rohlings wahlweise einen drehschieber- oder membrangesteuerten Motor
daraus bauen konnte. „Aber der Drehschieber hatte mehr Leistung und war mir immer
viel sympathischer, auch wenn die MembranMotoren schöner zu fahren waren.“
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Vom Allergeheimsten:
Kolben mit Keramikfaser-Boden
hartverchromt
konkurrenzfähig, und so taten wir uns
schwer“, erinnert sich Herbert Rittberger.
Einige Platzierungen unter den ersten zehn
waren in diesem Jahr die besten Resultate
für den Münchner Martin Wimmer.
Während Rittberger sich 1993 und ‘94
noch als Techniker für das 125er-WM-Team
von Aprilia AGV Germany mit dem Fahrer
Garry McCoy engagierte, zeichneten sich im
beruflichen wie auch im privaten Wirken
einige Änderungen ab. Bereits im Jahr 1992
„Von der extremen
Reiserei habe ich genug.
Aber einen schönen Entwicklungsauftrag in Angriff
nehmen, dazu hätte ich
nochmal große Lust.“
Steckbrief Herbert Rittberger
Geboren am: . . . . . . . . . . . . . . . 16. Mai 1949
Beruf: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maschinenschlosser
Größe, Gewicht: . . . . . . . . . . . . 1,60 m, 73 kg
Hobbies: . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skifahren, Modelleisenbahn,
Gourmet-Kochen mit Ulla, Garten
Wäre am liebsten geworden: . . Ski-Rennläufer
Lieblings-Motorrad: . . . . . . . . . Harley-Davidson
Lieblings-Auto: . . . . . . . . . . . . . Mercedes SL
Lieblings-Gericht: . . . . . . . . . . . Linsen mit Spätzle
Lieblings-Getränk: . . . . . . . . . . edle Barrique-Weine
Lieblings-Film: . . . . . . . . . . . . . Jenseits von Eden
Lieblings-Schauspieler: . . . . . . James Dean
Lieblings-Maler: . . . . . . . . . . . . Salvador Dali
Lieblings-Lektüre: . . . . . . . . . . . Fachliteratur
Erfolge: • vier Grand Prix-Siege 50 ccm auf Kreidler
• Vize-Weltmeister 50 ccm 1974 und 1976 auf Kreidler
• 34 Grand Prix-Siege als Konstrukteur und Tuner
• fünf Fahrer-Weltmeisterschaften 50 ccm / 80 ccm als
Konstrukteur und Tuner
• vier Marken-Weltmeisterschaften 50 ccm / 80 ccm als
Konstrukteur und Tuner
Ade, CAD: Als
Herbert Rittberger
seine Motoren
konstruierte,
hieß der Computer
„Kopf“ und
der Bildschirm
„Reißbrett“
übernahm der Schwabe mit seiner Firma
RIMOTU die exklusive Vertretung des
Stuttgarter Kolbenherstellers Mahle für die
Bearbeitung und Beschichtung von Zylinderlaufbahnen mit Nikasil für Einzelzylinder
und Kleinserien. Bis heute kümmert sich
Herbert Rittberger mit RIMOTU neben
Entwicklungsarbeiten im Motorenbereich
um diesen Geschäftszweig – und um seinen
Garten.
„Vor ungefähr zehn Jahren fand ich erstmals Zeit und damit auch die Lust, mich um
unseren Garten zu kümmern. Eine Arbeit,
die bis dahin vor allem an meiner Frau Ulla
hängen blieb“, erzählt er. Wobei der Ausdruck „Garten“ im herkömmlichen Sinne
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