Wolfsburg AG

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Wolfsburg AG
Seite 14
Nr. 6
P U B L I C P R I VAT E PA R T N E R S H I P
13.3.2003
Immobilien Zeitung
PRIVATE FINANCE INITIATIVES UND PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIPS, TEIL 2
Wolfsburg AG: Wenn Staat und Wirtschaft einer Meinung sind
Die Umsetzung durch die Wolfsburg AG
Volkswagen AG
InnovationsCampus
Nachhaltige Stärkung der Wirtschaftskraft
Wolfsburgs und Halbierung der Arbeitslosigkeit – unter diesen Leitsternen steht das
Projekt „AutoVision“, das die Wolfsburg AG
(WOB AG) umsetzt. Als Tochter der Stadt
Wolfsburg und der Volkswagen AG wurde
das Unternehmen Mitte 1999 ins Leben
gerufen, um gemeinsame Interessen in der
Autostadt schnell und effizient zu gemeinsamen Erfolgen zu führen. Unter dem
Motto „Ideen, Impulse, Initiativen“ bündelt
die WOB AG dabei wirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und gesellschaftliche Ziele.
Die in dieser Gestalt in Deutschland bislang
einzigartige und einzigartig erfolgreiche
Public Private Partnership kann bereits
heute auf beachtliche Erfolge im regionalen
Strukturwandel zurückblicken. Bis Ende
2002 konnten in Wolfsburg rund 5.000
Wolfsburg AG
50%
LieferantenAnsiedlung
Stadt Wolfsburg. Mitglieder des Vorstands
sind Klaus Dierkes (Sprecher), Henning
Eckel und Frank Fiedler. Ihre Einnahmen
generiert die Wolfsburg AG im Wesentlichen
aus dem Personaldienstleistungsgeschäft.
ErlebnisWelt: Wolfsburg als
touristischer Anziehungspunkt
Unter stadtplanerischen, bau- und immobilienwirtschaftlichen Gesichtspunkten verdient der Geschäftsbereich ErlebnisWelt
besonderes Interesse. Er setzt auf die Wachstumsbranche „Tourismus und Freizeit“, um
Sport und Erholung
Enteckungsreise
und Unterhaltung
Spaß
und Phantasie
Einkaufserlebnis
und Vielfalt
Kunst, Kultur
und Lebensgefühl
Die Schwerpunktbereiche der ErlebnisWelt Wolfsburg.
Der Ausgangspunkt für die Aktivitäten der
Wolfsburg AG war die schwierige Arbeitsmarktsituation in Wolfsburg. Dafür gab es
zahlreiche Gründe:
• Die extreme Monostruktur der lokalen
Wirtschaft: Ca. 60% aller Arbeitsplätze
waren bei Volkswagen angesiedelt.
• Eine Zulieferdichte, die weit geringer
war als an den Hauptstandorten anderer
Automobilhersteller.
• Ein im Bundesvergleich unterdurchschnittlich repräsentierter Dienstleistungssektor.
• Eine negative Nettoneugründungsbilanz.
• Ein Kaufkraftabfluss von 400 bis 600
Mio. DM pro Jahr.
Die Struktur der WOB AG
Die Wolfsburg AG fasst unterschiedliche
Potenziale in vier Geschäftsbereichen
zusammen, die den Wirtschaftsraum Wolfsburg gemeinsam vorantreiben. Während der
InnovationsCampus Unternehmensgründungen in Wolfsburg fördert und die LieferantenAnsiedlung eine geeignete Infrastruktur für Zulieferunternehmen zur Verfügung
stellt, begreift sich die PersonalServiceAgentur als Drehscheibe zwischen Arbeitsnachfrage und -angebot. Der Geschäftsbereich
ErlebnisWelt unterstützt die Entwicklung
Wolfsburgs hin zu einer touristischen Destination. Ihr Auftrag ist es, den Unterhaltungs- und Freizeitsektor in Wolfsburg zu
stärken und damit die Attraktivität der Stadt
zu erhöhen (vgl. Organigramm).
Die Gesellschafter der Wolfsburg AG sind
zu jeweils 50% die Volkswagen AG und die
PFI und PPP
Die Serie in der Übersicht
1 Einleitung: Wege aus der Krise
2 Wolfsburg AG: Wenn Staat und Wirtschaft einer Meinung sind
3 Asset Management, Structured Finance
und mehr: Die Sicht einer Immobilienbank
4 Die Wunschliste der Industrie an den Staat
5 Lebenszyklusumspannendes Public Real
Estate Management
6 Der Bürger als Nachfrager: PPPs in
Deutschland und UK im Vergleich
PersonalServiceAgentur
© Immobilien Zeitung; Quelle: Wolfsburg AG
Autostadt
Strategische Ausgangslage
ErlebnisWelt
Stadt Wolfsburg
Promotion –
das Förderprogramm für Gründer
Tradition
und Moderne
neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die
Arbeitslosenquote ist von über 17% zu Projektbeginn auf 8,5% im Jahresdurchschnitt
2002 gesunken. Zu dieser Entwicklung hat
die Wolfsburg AG einen maßgeblich Anteil
beigetragen.
50%
Bild: WOB AG
den Dienstleistungssektor der Stadt auszubauen. „Faszinierende Freizeit-, Sport- und
Unterhaltungsmöglichkeiten, Wissenschaft,
sehenswerte Anziehungspunkte für Touristen aus aller Welt, grenzenloser Einkaufsspaß“ – so soll die Zukunft Wolfsburgs aussehen. Mit ihrem Dienstleistungsangebot
will die Wolfsburg AG mittelfristig rund
2.000 Arbeitsplätze schaffen.
Der Geschäftsbereich ErlebnisWelt operiert als Schnittstelle zwischen privaten Projektentwicklern, Betreibergesellschaften,
Investoren, den Interessen der Stadt Wolfsburg und der Volkswagen AG. Dabei wird
privates Kapital auf dem Markt generiert
und in die Immobilien investiert, die Wolfsburg AG tritt in der Regel nicht als Investor
auf.
In Zusammenarbeit mit EntertainmentSpezialisten und den Verantwortlichen der
Stadt Wolfsburg wurde ein Fachplan entwickelt, den der Rat der Stadt Wolfsburg im
April 2000 verabschiedete. Der Plan ist in
insgesamt sechs thematische Schwerpunktbereiche mit einzelnen Attraktionen aufgeteilt, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind: Sport und Erholung, Entdekkungsreise und Unterhaltung, Einkaufserlebnis und Vielfalt, Kunst, Kultur und
Lebensgefühl, Tradition und Moderne und
Spaß und Fantasie.
Durch diese thematische und räumliche
Vernetzung erreicht die ErlebnisWelt eine
Gravitationskraft, die Wolfsburg zu einem
überregionalen Anziehungspunkt machen
wird. Bis zum Jahre 2008 sollen die Projekte im Wesentlichen realisiert sein.
gewonnen werden. Die Volkswagen Arena
ist ein weiteres Projekt des Geschäftsbereichs ErlebnisWelt im Schwerpunktbereich
Sport und Erholung. Sie wurde nach nur 19monatiger Bauzeit am 13. Dezember 2002
eröffnet. Mit einem Investitionsvolumen
von 53 Mio. EUR schuf die Wolfsburg AG
als Eigentümerin ein Stadion mit 26.000
überdachten Sitzplätzen, von denen 4.000
in 8.000 Stehplätze umwandelbar sind. Die
Finanzierung der Volkswagen Arena
(Gesamtvolumen: 53,026 Mio EUR) ist
durch einen Zuschuss der Stadt Wolfsburg
und ein Forfaitierungsmodell gesichert.
Um optimale Voraussetzungen für den
anspruchsvollen Betrieb der Freizeitimmobilien sicherzustellen, gründete die WOB
AG gemeinsam mit der Stadt Wolfsburg die
Marketing- und Servicegesellschaft Allerpark
mbH. In einem ersten Schritt ist sie für die
Planungen zur Durchführung der Landesgartenschau 2004 verantwortlich. Anschließend soll die Gesellschaft die Entwicklung
und einheitliche Vermarktung des Leistungsangebots im Allerpark vorantreiben.
Die Rahmenbedigungen
für erfolgreiche PPP-Projekte
Die Voraussetzung für eine funktionierende Public Private Partnership ist, dass die
öffentlichen und privaten Zielsetzungen
identisch sind und sich die Ressourcen beider Seiten komplementär ergänzen. In unserem letzten Beitrag („Wege aus der Krise“, IZ
5/03) zeigten wir, dass deutsche PPPs und
PFIs das noch erkennen und für sich erarbeiten müssen. Heute folgen sie überwiegend dem problematischen Strickmuster
„quid pro quo“: Gebietskörperschaften
benötigen neue bzw. in Stand gesetzte Infrastrukturen, die Bau- und Immobilienwirtschaft benötigt Aufträge. Da es öffentliche
Aufträge ohne Geld nicht gibt und Geld
nicht vorhanden ist, finanziert die Bau-,
Immobilien- und Kreditwirtschaft die
akquirierten Aufträge vor (quid) und lässt
sich diese Leistung später in bezahlbaren
Raten aus den Verwaltungshaushalten
bezahlen (quo).
Ist dies die einzige Basis der öffentlichprivaten Partnerschaft, dann ziehen Öffentliche und Private an unterschiedlichen
Enden des PPP-Seiles. Es gibt dann zwar
komplementäre öffentliche und private
Ressourcen, aber keine identischen Interessen, außer, dass überhaupt gebaut wird. So
trivial es klingen mag, in PPPs und PFIs
müssen sich alle Beteiligten zunächst einmal an den Tisch setzen und konkret benennen, wo gemeinsame Interessen und wo
komplementäre Ressourcen liegen. Erst eine
solche Initiative, die der Suche nach der
unternehmerischen Vision gleichkommt,
die am Anfang jedes erfolgreichen Unternehmens steht, verschafft dem Projekt die
notwendige „Initialzündung“. Die Initial-
„Erst die
gemeinsame
Vision wirkt als
Initialzündung.“
Das Forum AutoVision
Die Wolfsburg AG hat ihren Sitz auf dem
Forum AutoVision an der Major-Hirst-Straße in Wolfsburg. Hier entstanden auf einer
Gesamtfläche von über 63.500 m2 und mit
einem Investitionsvolumen von 59,8 Mio.
EUR das Simultaneous-Engineering-Zentrum für 700 Mitarbeiter von Volkswagen
und Zulieferern, der InnovationsCampus für
Unternehmensgründer und das Atrium als
Zentrum mit Gastronomie und als Veranstaltungsebene. Der InnovationsCampus
bietet Platz für 800 Unternehmensgründer,
über 100 Mitarbeiter der Wolfsburg AG
sowie Berater für die jungen Unternehmer.
Zum Forum AutoVision als Projekt der
Wolfsburg AG gehört zudem ein Parkhaus
mit rund 1.000 Stellplätzen.
Die Autoren: Olaf Podschadli, Direktor des
Geschäftsbereichs ErlebnisWelt der Wolfsburg
AG; Bernd Telm, Wolfsburg AG – Strategie,
Entwicklung und Kommunikation.
Julian von Hassell
zugleich und unmittelbar den eigenen
Unternehmensinteressen dienen.
Eine ganz neue, zusätzliche Qualität der
Standortförderung wird dann erreicht, wenn
die im Wirtschaftsförderungszusammenhang stehenden Ziele eines Unternehmens
nicht partiell, sondern zu 100% mit denen
seiner Gebietskörperschaft identisch sind
und wenn dieses Unternehmen zugleich
„die“ am Standort ansässige Wirtschaft darstellt. Das Szenario komplementärer öffentlich-privater Ressourcen und identischer
Interessen produziert dann ein Optimum
von Ergebnissen. Die Volkswagenstadt
Wolfsburg befindet sich seit Gründung der
PPP Wolfsburg AG in dieser glücklichen
Situation.
Die Bedingungen, unter denen die Wolfsburg AG startete, sind in der Bundesrepublik
Deutschland allerdings einmalig: Wolfsburg
ist mehr als jede andere deutsche Großstadt
von lediglich einem einzigen Unternehmen
abhängig. Ingolstadt (Audi), Leverkusen
(Bayer), Ludwigshafen (BASF) sind deutlich
weniger abhängig von den dort jeweils
„Die Bedingungen, unter
denen die
Wolfsburg AG
startete, waren
einmalig.“
Sven Rickes
Bild: Rickes
Public Private Partnership:
ansässigen Großkonzernen, verfügen über
gewachsene Strukturen und im Unterschied
zu Wolfsburg über Metropolennähe. Hinzu
kommt ein – bisher – ausgesprochen geringer Freizeitwert.
Eine Summe
ungünstiger Standortfaktoren
Bild: von Hassell
Wo liegen gemeinsame Interessen
und komplementäre Ressourcen?
Diese entscheidende Frage wird bei
vielen Public-Private-Partnership-Projekten nicht gestellt. In unserer Serie
PPPs und PFIs zeigen Bernd Telm
und Olaf Podschadli von der Wolfsburg AG anhand des Projekts „AutoVision“, dass sich in der Praxis
jedoch durchaus gemeinsame Ziele
öffentlicher und privater Akteure finden und erfolgreich verwirklichen
lassen können. Die Unternehmensberater Sven Rickes und Julian von
Hassell leiten daraus Rahmenbedingungen für Nachahmerprojekte ab.
zündung, ist sie tragfähig genug, kann dann
in der Folge Ressourcen aktivieren, an die
die Initiatoren zu Beginn vielleicht gar nicht
gedacht haben.
Wirtschaftsförderung als PPP:
Modellstadt Wolfsburg
Die Wirtschaftsförderungsaktivitäten der
Gebietskörperschaften sind seit jeher mustergültige Beispiele erfolgreicher Public Private Partnerships. Die Leistung der jeweils
am Standort ansässigen Unternehmen
besteht i.d.R. im selektiven Sponsoring solcher Standortförderungsaktivitäten, die
Die Summe der ungünstigen Standortfaktoren im Verbund mit der Stärke des Volkswagenkonzerns und dem prioritären Ziel
beider Seiten, die Standortqualitäten schnell
und signifikant zu verbessern, bildeten den
Grundstein für eine Interessensgemeinschaft
im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Ziel
manifestiert zu haben und nicht die Rahmenbedingungen an sich, machten den
Erfolg der WOB AG möglich. An dieser konsequenten gemeinsamen Ausrichtung auf
ein Ziel – die Attraktivität der Region signifikant zu erhöhen – und an dem anschließenden konsequenten Einsatz der gemeinsamen Ressourcen lassen sich die strukturellen Voraussetzungen ablesen, die für ein
erfolgreiches PPP-Projekt stehen: identische
Ziele – komplementäre Ressourcen. Ein Ziel
und ein gemeinsamer Weg.
(tp)
Die Autoren: Sven Rickes leitet die Rickes
Consulting, Kleve. Julian von Hassell ist Partner
der Unternehmensberatung.
Homogene Interessen und Interessengewichtung der Wolfsburg AG-Gesellschafter:
Die Interessen überschneiden sich ...
Änderungsbedarf der Volkswagen AG
Negative Standortfaktoren
Änderungsbedarf der Stadt Wolfsburg
Viel
Extrem hohe Arbeitslosigkeit
Sehr viel
Viel
Schwach ausgeprägter Dienstleistungssektor
Sehr viel
Sehr viel
Geringe Zulieferdichte
Viel
Sehr viel
Negative Nettoneugründungsbilanz
Sehr viel
Viel
Extremer Kaufkraftabfluss
Sehr viel
Sehr viel
Geringer Freizeitwert
Sehr viel
Strategische und operative Handling-Assets der Wolfsburg AG:
... und die Ressourcen ergänzen sich
Strategische Assets
Input Volkswagen AG
Strategische Assets
Gemeinsamer Input
Strategische Assets
Input Stadt Wolfsburg
1. hoher Erfolgsdruck
Schwerpunktbereich
„Sport und Erholung“
Die Schwerpunkte der ErlebnisWelt liegen
zurzeit auf der Entwicklung der Bereiche
„Sport und Erholung“ im Allerpark sowie
„Entdeckungsreise und Unterhaltung“ am
Nordkopf. Hier soll ein attraktives Entree
für die Stadt mit Einzelhandel, Abendunterhaltung, Gastronomie und anspruchsvollem
Edutainment entstehen.
Gegenwärtig werden Gespräche mit
potenziellen Investoren und Betreibern für
den Schwerpunktbereich „Sport und Erholung“ im Allerpark geführt. Der westliche
Allerpark gilt als idealer Standort für das
Stadion und weitere geplante Attraktionen,
u.a. eine Feriendorf-Wohnanlage, ein Wellness-Center und einen Multidome. Der
Multidome bietet u.a. ein Trend- und
Extremsportcenter, eine Skipiste, eine Multifunktionshalle und ein Bowling Center. Die
Hauptprojekte des Sportparks sollen 2005
fertig gestellt werden.
Für die Feriendorf-Wohnanlage konnte
bereits die CBB AG aus Köln als Investor
2. Definition ausschließlich gemeinsamer Ziele
3. Faire Risikoallokation ‘ weniger Konfliktpotenzial: Outsourcing potenzieller Konfliktherde
4a Innovationsmanagement
4b Personalmanagement
4c Kompetenz Bedarfsprofilierung
4d Kaufmännisches Management-Know-how
4. Komplementäre Kompetenzen und
Ressourcen
4e Privilegierte Standort-/Liegenschaftskenntnisse
4f Politische und administrative Entscheider im
Boot
4g Flächenhoheit: schnelle Ausweisung von
Bauland
5. Präzise definierte Ziele und Wege
Handling-Assets
6. Nur zwei Gesellschafter
7. Organisation (Geschäftsfelder) entlang
etablierten Kompetenzstrukturen:
Ansiedlung, Arbeitsvermittlung, Projektentwicklung, Innovationsmanagement.
© Immobilien Zeitung; Quelle: Rickes Consulting

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