Münch-4 TTS-E 1200
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Münch-4 TTS-E 1200
AU F A C H S E Blindsachzeile für1200 Marke und Modell Münch-4 T TS-E Leistungs- sp(r)itze 12 M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 Mit der Umrüstung auf Kraftstoffinjektion festigte die Münch-4 ihren Status als stärkstes Serienmotorrad. T EXT: WALDEMAR S CHWARZ ; F OTOS : FACT M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 13 AU F A C H S E 14 Blindsachzeile für1200 Marke und Modell Münch-4 T TS-E M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 A ls die Münch-4 1966 auf den Markt kam, war sie das mit Abstand stärkste käufliche Motorrad. Selbst die 1969 erschienene Honda CB 750 konnte leistungsmäßig nicht an ihrem Thron rütteln. Doch ein Wettrüsten der japanischen Hersteller zeichnete sich ab, und praktisch zeitgleich mit dem Erscheinen der Z1 von Kawasaki präsentierte Friedel Münch zum Jahreswechsel von 1972 auf 73 die TTS-E. Die erste Einspritzanlage bei einem käuflichen Motorrad hob die Leistung von 88 auf 100 PS und stellte so den gebührenden Respektabstand zur neuen, 82 PS starken 900erKawasaki wieder her. Auch wenn Friedel Münch sich nicht an den Japanern orientieren wollte, sondern mit hessischer Beharrlichkeit stets seinen eigenen Weg verfolgte, legte er großen Wert darauf, das stärkste Serienmotorrad zu bauen. Eine mechanische Einspritzpumpe von Kugelfischer dosierte den Kraftstoff der Saugrohreinspritzung. Ein dreidimensionaler so genannter Raumnocken realisierte bereits damals auf mechanischem Weg das heutzutage elektronisch hinterlegte Einspritzkennfeld. Mit diesen Maßnahmen war auch das Gewicht noch einmal in die Höhe geschnellt und drohte, die 300-Kilogramm-Marke zu sprengen. Alles Maßnah- Mehr als sechs Zentner Münch hinterlassen, egal aus welcher Perspektive, auch optisch einen nachhaltigen Eindruck und erklären den im Volksmund gebrauchten Namen „Mammut“. Das reichhaltige Instrumentarium informiert auch über das Wohlbefinden des Vierzylinders men, die in Motorradfahrerkreisen die Ehrfurcht vor dem Monster noch bestärkten und die Legendenbildung rund um das Übermotorrad forcierten. Nur ganz wenige Motorradfahrer gehörten dem erlauchten Zirkel an, der jemals eines der exklusiven Schwergewichte eigenhändig bewegen durfte – so zum Beispiel MOTORRADTester Franz Josef Schermer, der im Herbst 1976 seine Fahreindrücke schilderte. Er beschrieb die TTS-E als ungewöhnlich großes, ungewöhnlich schwarzes, aggressiv klingendes und unheimlich auffallendes zweirädriges Monster. Eine Charakterisierung, die damals Geltung hatte und auch heute nichts an Aussagekraft verloren hat. Eine imposante Erscheinung ist sie immer noch, die ebenfalls schwarze Münch TTS-E von Thomas Petsch, genau jenem, der mit der Münch 2000 eine Neuauflage in moderner Form initiierte. Abweichend von den ersten Münch mit dem Doppelscheinwerfer des NSU TT trägt das Testexemplar mit der Produktionsnummer 228 den später lieferbaren Rundscheinwerfer mit 200 Millimetern Durchmesser. Auch die Rundinstrumente von Nippon Denso mit zusätzlicher Zeituhr, Öldruckmanometer und Thermometer, alle selbstverständlich mit Münch-Logo, sowie die Marzocchi-Gabel und die BremboSättel outen sie zwar als 72er-Vergasermodell, das Friedel Münch später aber auf Einspritzung und nach einem Unfall auch fahrwerksseitig umbaute. Und wie fährt sich das Übermotorrad von damals heute im Zeitalter von Suzuki GSX-R 1000 und Kawasaki ZX-10R? Mit Respekt und erheblichem Kraftaufwand will sie vom Hauptständer gewuchtet werden. Der Fahrer bekommt beim Ausbalancieren spontan nicht nur das Gewicht, sondern auch den hohen Schwerpunkt zu spüren, was nicht allein den beiden Doppelzylindern aus Grauguss, sondern auch dem über allem residierenden mehr als 37 Liter fassenden Tank anzulasten ist. Beim Rangieren untermauert die Münch unmissverständlich ihre schwergewichtige Rolle. Ein Grund, warum sich FJS im Fahrbericht von MOTORRAD 19/76 Stützräder wünschte. Doch erst einmal im Sattel, ändert sich die Perspektive augenblicklich. Erstaunlich niedrig sitzt der Fahrer nicht etwa auf, sondern regelrecht im Motorrad. Vor ihm wölbt sich der voluminöse Tank, und hinter ihm stützt der ebenso gewaltige Höcker den Allerwertesten ab. Aufgrund der geringen Sitzhöhe kommen auch kleinere Piloten mit den Füßen locker auf den Boden. Und plötzlich verliert die Münch ihre Schwerfälligkeit und damit ihren Schrecken. Die Beine sind sportlich angewinkelt, die Füße weit hinten auf den relativ hohen Rasten platziert. Um sich am schmalen M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 15 AU F A C H S E 16 Blindsachzeile für1200 Marke und Modell Münch-4 T TS-E M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 Lenker festzuklammern, streckt man den Oberkörper flach über den langen Tank. Für die Startprozedur sind erst einmal einige Vorbereitungen nötig. Die beiden Benzinhähne rechts und links unter dem Tank wollen umgelegt, ein separater Kippschalter für den Zündstrom auf „Ein“ gestellt und der Zündschlüssel im rechten Seitendeckel zum Starten in die erste Rastenposition gedreht sein. Dann signalisiert die Benzinpumpe akustisch die Startbereitschaft, und nach Betätigen des Chokes und dem Druck aufs Anlasserknöpfchen erwacht der NSU-Vierzylinder spontan zum Leben. Sonor grummelnd läuft das Triebwerk warm und nach kurzer Zeit auch rund. Beim Einkuppeln erinnert man sich an die gestresste, wenn auch bereits verstärkte Kupplung von Oertlinghaus und versucht, den Vorgang mit leichtem Rupfen so schnell wie möglich in Vortrieb umzuwandeln. Hat sich die Münch erst einmal in Bewegung gesetzt, erstaunt sie den Fahrer durch ihre, für ein derart gewichtiges Motorrad, überraschende Handlichkeit. Die für heutige Verhältnisse extrem schmale Bereifung wirkt auch bei diesem Schwergewichtler wahre Wunder. Andererseits nervt sie mit einem ausgeprägten Eigenlenkverhalten. In engen Kehren will der Lenker ab einer bestimmten Schräglage von selbst einklappen, der Pilot muss diese Eigenheit durch eine Gegenkraft kompensieren. Außerdem mag die Münch Bodenwellen in Schräglage nicht besonders: Sie fängt dann zu kippeln und zu rühren an und will mit Die Abstammung vom Vierrad kann das Triebwerk nicht verleugnen. Auf der linken Seite treibt die Kurbelwelle die Bosch-Lichtmaschine und die Kugelfischer-Einspritzpumpe an. Hinter dem voluminösen Gehäusedeckel auf der rechten Seite sitzen Kupplung und Anlasser. Die „Schaufelradfelge“ hinten und die später gefertigte „Zahnradfelge“ vorn sind typische Münch-Kreationen, nicht aber die Marzocchi-Gabel und die Brembo-Bremsen. Neben dem Zündschlüssel regelt ein Kippschalter die Stromversorgung den Knien am Tank sauber geführt werden. Ein Blick auf den Hinterreifen offenbart schnell das typische Leiden einer ganzen Motorradgeneration. Zwar noch weit innerhalb der gesetzlichen Profiltiefe, zeugen zwei leichte Kanten von der Ursache der Instabilität, zumal dasselbe Motorrad sich bei einer ersten, länger zurückliegenden Probefahrt als überraschend fahrstabil erwies. Da helfen auch der von ursprünglich 1410 auf 1460 Millimeter verlängerte Radstand und die nachträglich von Friedel Münch eingeschweißten Rohre im Hauptrahmen nichts, denn andererseits hat sich gegenüber den ersten Münch-Gabeln und den zwischenzeitlich verwendeten Rickman-Bauteilen der Standrohrdurchmesser von ehemals 40 respektive 41,3 Millimeter auf deren 38 reduziert, und das vermag auch der massive Gabelstabilisator nicht zu kompensieren. Doch brachte dies ganz offensichtlich nicht nur Nachteile in der Steifigkeit, sondern ein überraschend und geradezu atypisch sensibles Ansprechverhalten mit sich, das auch den nachträglich montierten Monroe-Luftfederbeinen eigen ist. Die wählte der Erstbesitzer, weil die orginalen Konis unter der Last der Münch ständig versagten. Selbst kleine FahrbahnUnebenheiten absorbieren die Federelemente perfekt und erlauben auch auf schlaglochübersäten Kreisstraßen komfortables Gleiten. Doch leider sind sowohl Front als auch Heck gleichermaßen unterdämpft. Nach Bodenwellen schwingt die Münch ein ums andere Mal kräftig nach, wobei mit anderem Gabelöl und Variieren des Luftdrucks sicher einiges zu machen wäre. Motorseitig dominiert das Ansauggeräusch aus den vier offenen Lufttrichtern. Sonores Brummen im unteren Teillastbereich schwillt bei höherer Drehzahl und voll geöffneten Drosselklappen zu dumpfem, gepresstem Grollen in Orkanstärke an. Doch der Sound ist die eine Seite, wie steht es um die Leistungsentwicklung? Unter 2000/min ruckelt der Motor unter Last unwillig an der Kette und versetzt die Gabelbeine in ausgeprägte Längsschwingungen, als wolle er den Wunsch nach höheren Drehzahlen bereits optisch signalisieren. Darüber zeigt der Einspritzer aber dann sein Potenzial: Mit steigender Drehzahl legt er völlig gleichmäßig und ohne jeglichen Einbruch an Leistung zu. Sein maximales Drehmoment von 111 Newtonmetern steht bei 4800/min an, aber auch darüber macht er eine Dampfansage, die auch heute noch beeindruckt. Der japanische Drehzahlmesser zeigt den roten Bereich zwar erst bei 8500/min an, doch wollen wir diese Region dem Triebwerk ersparen. Im Organspender, dem NSU TT, gestand der Hersteller lediglich 7000/min zu. Doch der Vierzylinder teilt dem Fahrer seine Lebensäußerungen M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 17 AU F A C H S E Blindsachzeile für1200 Marke und Modell Münch-4 T TS-E 1966 stellte Friedel Münch die Urversion der Münch-4 vor. Er hatte das stärkste Serienmotorrad der Welt bauen wollen, und das war ihm gelungen. Der Zweiradmechaniker-Meister konstruierte und fertigte nahezu das komplette Motorrad rund um den Vierzylinder selbst. Zunächst mit ein paar Mitarbeitern in einer kleinen Motorradwerkstatt im oberhessischen Niederflorstadt, später in einem größeren Betrieb in Altenstadt. Die Produktion war nicht billig und Münch immer wieder auf finanzkräftige Investoren angewiesen: zunächst den Amerikaner Floyd Clymer und später George Bell, dann die hessische INTERVIEW ne einstigen Maschinen und erledigte Auftragsarbeiten für umliegende Industriebetriebe. 1991 erlitt er mit 64 Jahren einen Schlaganfall, von dem er sich nur schwer erholte. Beratend verfolgte er das letzte große Projekt unter seinem Namen, die Münch 2000, die der Würzburger Unternehmer Thomas Petsch 2001 auf die Räder stellte. Auch dieser Versuch scheiterte. Seinen Lebensabend widmet Friedel Münch nun seinem Motorenmuseum im oberhessischen Laubach nahe des Schottenrings, das er in seiner letzten Werkstatt eingerichtet hat. 2003 erteilte im die Gemeinde Altenstadt die Ehrenbürgerschaft. bar auch nicht, denn Henke verkaufte nur drei Stück und dann war Schluss. Tag lang still, weil alle die Münch sehen und fahren wollten. Es war ja kaum ein Jahr her, dass die sich dort entschlossen hatten, die riesige Motorradproduktion komplett einzustellen und nur noch aufs Auto zu setzten. Der Technische Leiter sagte zu mir: „Wenn Sie ein Jahr früher gekommen wären, säßen vermutlich heute Sie hier als Chefkonstrukteur und nicht ich.“ mit Friedel Münch Herr Münch, wie geht es Ihnen? Es geht so. Ich hatte vor einigen Jahren einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung rechts und bin seitdem ziemlich gehandicapt. An Schreiben oder handwerkliche Dinge ist nicht mehr zu denken. Wie kamen Sie damals auf die Idee, einen Automotor zu verwenden? Ich wollte das erste großvolumige Motorrad bauen, das aus Deutschland kam. Der NSU-Motor bot sich an. Er war luftgekühlt, relativ leicht und hatte eine motorradähnliche Charakteristik, denn er drehte ziemlich hoch. Und was wollte Ihre Kundschaft? Die war ja zum Teil recht prominent, wie Gunter Sachs und Luigi Colani. Es waren auch ganz normale Leute darunter, die sich das Ding echt abgespart haben. Aber was alle wollten, war ein leistungsstarkes, individuelles Motorrad. Jede war anders, jede haben wir nach den Wünschen des Kunden gebaut. Das fing beim Doppelscheinwerfer an und endete bei der Wahl zwischen Vergaser oder Einspritzung. Der Kunde zahlte im Voraus und bekam ein paar 18 Friedel Münch ist ein Synonym für sein Lebenswerk, die Münch-4 mit NSU-Motor Verpackungsfirma Hassia. Keiner hielt wirklich durch, am Schluss stand Friedel Münch allein mit einem Berg Schulden da. 1973 musste er Konkurs anmelden. Der Frankfurter Unternehmer Heinz W. Henke übernahm das Werk und die Namensrechte und baute die Münch modifiziert weiter. Nach kurzer Zeit als Angestellter bei Henke machte sich Friedel Münch erneut selbständig. Unter dem Markennamen Horex entstanden nun noch riesigere Motorräder um den immer stärker aufgepäppelten NSU-Vierzylinder: 1400 TI Turbo, Titan 1800, Titan 2000. Kunden fanden sich indessen nur wenige. Hauptsächlich wartete Münch sei- M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 Wochen später ein maßgeschneidertes Motorrad. Ein Problem schien die hohe Fertigungstiefe zu sein. Sie haben ja fast jedes Teil selbst hergestellt. Das trieb die Kosten doch vermutlich extrem hoch? Was man kaufen konnte, haben wir auch gekauft, wie Ketten oder Lenker. Aber es gab ja damals nichts Gescheites. Ich habe die Teile lieber selbst konstruiert und gefertigt, damit sie genau so waren, wie ich es mir vorstellte. Allein den leichten Werkstoff Elektron, aus dem wir Teile wie Räder, Gabel und Schwinge bauten, verarbeitete damals kaum jemand. Egal zu welchem Preis? Wir haben schon geguckt, dass es nicht zu teuer wurde, aber es sollte auch das Beste sein. Ihr Nachfolger Heinz W. Henke rationalisierte stark und baute mehr Zuliefererteile ein. Wie eine Rickmangabel, Brembo-Doppelscheibenbremsen, Ronal-Gussräder und Nippon-Denso-Instrumente. Was hielten Sie davon? Nichts. Das waren keine Münchs mehr. Den Kunden gefiel es offen- Sie arbeiteten noch kurz als Angestellter bei Henke, dann haben Sie unter dem Namen Horex weitergemacht. Was hat Sie daran so gefesselt? Ich wollte beweisen, dass es nicht an der Technik meiner Motorräder lag. Und ich wollte immer noch das weltschnellste Serienmotorrad bauen. Der Name Horex war frei geworden und mit dem verband mich viel: Ich hatte auf Horex gelernt und Rennmotorräder komplett umgebaut, um sie standfest zu kriegen. Das war eigentlich mein Anfang als Konstrukteur. Haben Sie das Motorrad „drumherum“ komplett allein entwickelt und alle Teile selbst gefertigt? Ja, ich brauchte nur wenige Monate, da ich von den Rennsportumbauten viel Erfahrung hatte. Vom Reißbrett bis zur Endfertigung, das war mein Arbeitsmotto. Dann bin ich damit nach Neckarsulm gefahren! Und, wie reagierten die? Das schlug ein wie ein Bombe! Das ganze Werk stand einen Was bedeutete es für Sie, als die Japaner mit bärenstarken Vierzylindern wie Honda CB 750 und Kawasaki Z1 zum halben Preis auftauchten? Die Japaner haben mich nicht weiter irritiert. Die bauten Großserie und ich individuelle Einzelstücke. Wer eine Münch wollte, wollte eine Münch. Wenn Sie nun nach fast 40 Jahren auf Ihr Lebenswerk zurück blicken, was würden Sie heute anders machen? Technisch nichts, das Konzept hat funktioniert. Ich würde mir nur bessere Finanzpartner suchen. Solche, die aus demselben Holz geschnitzt sind wie ich. Herr Münch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Das Interview führte Annette Johann T E C H N I S C H E D AT E N Nur wenige Enthusiasten kommen heute aus finanziellen und beschaffungstechnischen Gründen noch in den Genuss einer Münch-4. Aber dank der brillanten Miniatur von Minichamps können sich viele das Kultbike wenigstens in verkleinerter Form nach Hause holen nicht nur akustisch, sondern unmissverständlich auch in Lenker, Sitzbank und Fußrasten mit. Bereits ab 3000/min treten kernige Vibrationen auf, die mit steigender Drehzahl noch zunehmen. Das Viergang-Getriebe lässt sich erstaunlich leicht schalten, verlangt aber Nachdruck, damit die Gänge sauber einrasten. Der Schalthebel befindet sich zwar wie üblich links, das Schaltschema ist aber umgedreht, der erste Gang liegt oben, die restlichen drei unten. Die Doppelscheibenbremse im charakteristischen, als „Zahnradfelge“ bezeichneten Münch-Guss-Vorderrad kann heutzutage nicht mehr recht überzeugen. Selbst bei hoher Handkraft ist die Wirkung der Brembo-Zweikolbensättel alles andere als berauschend. Vermutlich hat Friedel Münchs Trommelbremse besser funktioniert, wie die originale Duplexbremse im ebenso typischen Schaufeldesign-Hinterrad ahnen lässt. Bereits bei geringer Fußkraft unterstützt sie das vordere Pendant äußerst effektiv und lässt sich zudem auch noch gefühlvoll dosieren. Tatsächlich scheint Friedel Münchs Philosophie von der Funktion der selbst konstruierten und gebauten Teile (siehe Interview) zu greifen. Trotz der Ausnahmestellung in ihrer Epoche outet sich auch diese Münch als typischer Vertreter ihrer Zeit. Nimmt sie doch die Zwiespältigkeit einer Generation von bärenstarken japanischen Vierzylindern in unterdimensionierten Fahrwerken, also Motorräder wie Honda Bol d’Or und CBX vorweg. Der Motor hinterlässt auch heute noch einen nachhaltigen Eindruck und sorgt mit markanter akustischer Untermalung für beeindruckende Fahrleistungen. Doch nicht nur vor Kurven ist vorausschauende Fahrweise angesagt. Der Motor ist dem Fahrwerk und den Bremsen eindeutig überlegen. Und nach einem Tag mit der TTS-E kann der Fahrer auch die Werbung nachvollziehen, die den Vierzylinder nicht nur „für Männer, die das Exklusive lieben“ bewarb, sondern immer wieder als Männermaschine propagierte. Denn selbst zeitgenössische Motorräder à la Honda CB 750 oder Kawasaki 900 Z1 fühlen sich gegen die Münch-4 wie Spielzeug an. Passanten schauen dem schwarzen Koloss ein ums andere Mal nach, weil auch der Laie instinktiv spürt, dass es sich hier um ein ganz besonderes zweirädriges Objekt handelt – ganz egal, ob es gefällt oder auf Ablehnung stößt; das sind letztendlich Glaubensfragen über Weltanschauungen auf zwei Rädern, die sich sowieso nicht endgültig klären lassen. MOTOR Bauart Luftgekühlter VierzylinderViertakt-Reihenmotor, eine oben liegende, kettengetriebene Nockenwelle, je zwei über Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder Bohrung 75 mm Hub 66,6 mm Hubraum 1177 cm3 Verdichtung 9,2:1 Leistung 100 PS bei 7500/min Drehmoment 111 Nm bei 4800/min Gemischaufbereitung mechanische KugelfischerSaugrohreinspritzung ELEKTRISCHE ANLAGE Starter Bosch-E-Starter Lichtmaschine 12-V-Drehstromlichtmaschine Zündung Batterie-Spulenzündung KRAFTÜBERTRAGUNG Primärtrieb Zahnräder Kupplung MehrscheibenTrockenkupplung Getriebe Klauengeschaltetes Vierganggetriebe Sekundärantrieb Kette FAHRWERK Rahmenbauart Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr Radführung vorn Marzocchi-Telegabel, Ø 38 mm Radführung hinten Magnesiumschwinge mit integriertem Kettenkasten, zwei Monroe-Federbeine Räder Gussräder Reifen vorn 3.25 V 19 Reifen hinten 4.00 V 18 Bremsen vorn Brembo Doppelscheibenbremse mit Zweikolbensätteln Bremsen hinten Duplexbremse, Ø 250 mm MASSE UND GEWICHTE Radstand 1460 mm Gewicht über 300 kg Tankinhalt 37 Liter FAHRLEISTUNGEN Höchstgeschwindigkeit 220 km/h PREIS 18 593 Mark (1974) M O T O R R A D C LA S S I C 4 / 2 0 0 5 19