Julien Blanc, 26, wie er sich im Internet präsentiert

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Julien Blanc, 26, wie er sich im Internet präsentiert
„Flirtcoach“
Julien Blanc, 26,
wie er sich im
Internet präsentiert
Julien Blanc, gebürtiger Schweizer, zeigte in Seminaren Bilder von seinen Raubzügen:
Er bedrängt eine Verkäuferin (l.) und drückt die Köpfe von Frauen an sich
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Gesellschaft
Brich ihren Widerstand,
und sie tut, was du willst
Er nennt sich Aufriss-Trainer und verstört mit frauenverachtenden Aktionen.
Mehrere Länder verhängten nun ein Einreiseverbot gegen Julien Blanc.
Doch der ist nicht der Einzige seiner Art. Blick in eine stark wachsende Subkultur,
in der Frauen als „Targets“ gelten: Zielobjekte
Von Sylvia Margret Steinitz, Alexandra Kraft und Kalle Harberg
E
r wirkt fast trunken vor Be­
geisterung, wie er da vor einer
Gruppe junger Männer herum­
tänzelt und von seinen Abenteu­
ern in der großen weiten Welt
­berichtet: Wie er in Tokio Frauen
angehalten und in einer schnellen
Bewegung ihre Köpfe in Richtung
seines Hosenschlitzes gedrückt
habe. „Weiter, die nächste – bam! Und
wieder: bam!“ Genauso habe es sich zuge­
tragen, schwört er und zeigt Aufnahmen
von der Aktion. „In Tokio“, schließt er unter
Gelächter, „kannst du als weißer Mann
machen, was du willst.“
Die Zuhörer sitzen auf Seminarstühlen,
Schreibblocks auf den Knien. Via Twitter
konnten sie bereits Fotos bewundern, die
zeigen, wie derselbe junge Mann Frauen
die Hand um die Kehle legt. Sein Name:
­Julien Blanc. Alter: 26 Jahre. Der Hashtag
für seine Fotoreihe: #chokinggirlsaround­
theworld – Weltweites Mädchenwürgen.
Der gebürtige Schweizer nennt sich
selbst „Dating Coach“ – nur versteht er sich
nicht als einer dieser Flirtberater für Tü­
ren-Aufhalter und Rosen-Mitbringer.
Nein, Julien Blanc will Männern beibrin­
gen, „wie ihr Sex bekommt, wann und von
wem ihr wollt“. Seine Methoden seien
­„beleidigend und schlagen emotionale
Wunden, sind aber verdammt effektiv“,
­gesteht er freimütig. „Ich werde Ihnen bei­
bringen“, verspricht er, „wie Sie bei Frauen
einen Kurzschluss ihres emotionalen und
logischen Denkens herbeiführen.“ Lernen
kann man das für 1000 bis 3000 Dollar pro
Seminar, und wer ein Wochenende bucht,
kriegt eine DVD gratis dazu. Julien Blanc
ist ein Coach der „Datingberatung“ Real
Social Dynamics, kurz RSD. Das Un­
ternehmen mit Geschäftssitz Las Vegas
macht einen Jahresumsatz von rund 25
Millionen Dollar mit Angeboten wie „Die
Formel, mit der Sie drei Mädchen pro Tag
kriegen“ oder „Wie Sie ­erreichen, dass sie
ihren Freund betrügt“. Gegründet wurde
RSD von Nick Kho und Owen Cook, der
selbst Seminare leitet, unter seinem Pseu­
donym „Tyler Durden“ – nach der von Brad
Pitt verkörperten Kampfmaschine im Film
„Fight Club“.
RSD hat weltweit bis zu 250 Mitarbeiter
im Einsatz. Doch in den vergangenen Mo­
naten regte sich internationaler Protest.
Unter dem Hashtag #BringDownJulien­
Blanc laufen zahllose Twitter-Kampagnen,
um Blanc und RSD zu stoppen. Mit Erfolg: Australien schmiss Julien Blanc aus
dem Land; Großbritannien, Singapur und
Südkorea verhängten ein Einreiseverbot.
­Petitionen laufen in Brasilien, Irland, Nor­
wegen, Schweden, Island, Russland und
auch Japan. In Deutschland versuchen
Politikerinnen der Grünen und der Linken,
ein Einreiseverbot für Blanc zu erwirken.
Der versuchte sich in einem CNN-Inter­
view in Schadensbegrenzung. Seine Videos
seien nur „ein schrecklicher Versuch, l­ ustig
zu sein“. Er lehre keine Gewalt, die Foto­
reihe „Frauenwürgen“ sei großteils gestellt.
Sein Chef und Mentor Owen Cook er­klärte: „Julien wollte schockieren. An die
Folgen hat er nicht gedacht.“
Aber auch Cook ist jetzt in die Kritik
geraten: In dem Videomitschnitt eines
seiner Seminare schildert er eine Begeben­
heit, die Merkmale einer Vergewaltigung
trägt: „Ich hab diese Schlampe gehasst“,
erzählt er da. „Ich habe sie einfach aufs Bett
geschmissen ... und dachte noch: Mach
schnell, die will das gar nicht.“
Möglich, dass alles nur eine auf Schock­
wirkung ausgerichtete Marketingstrategie
ist. Doch die Glaubenssätze, die Julien
Blanc, Owen Cook und ihre Kumpel den
Kunden auch abseits provozierender Sprü­
che nahebringen, entstammen einer Sub­
kultur, die auch in Deutschland immer
mehr Männer in ihren Bann zieht: die Welt
der Pick-up-Artists, der Aufrisskünstler.
The Game – das Spiel
Berlin, Friedrichstraße. Es ist schon dun­
kel. Ein junger Mann in einer schwarzen
Lederjacke schlängelt sich an den Passan­
ten vorbei. Er braucht den perfekten Blick­
winkel auf die andere Straßenseite: Dort
pirscht sich gerade Björn*, einer seiner
Schüler, an eine blonde Frau heran. Im Ohr
trägt er einen kleinen Kopfhörer, über den
er Anweisungen vom Lederjackenmann
bekommt. Dessen Künstlername: Don Jon.
„Stopp sie, streck deine Hand aus, und
halt ihre fest“, spricht der in sein Headset.
„Frag sie, was sie gerade macht. Berühre
ihre Schulter. Drei Minuten auf einen Kaf­
fee? Ich weiß, du hast nicht viel Zeit. Lass
uns Nummern tauschen!“ Der Schüler wie­
derholt brav, was ihm ins Ohr diktiert wird.
„Mach ein Date aus“, sagt Don Jon, „Treff­
*Name geändert
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punkt in der Nähe deiner Wohnung.“ Und
tatsächlich: Nach ein paar Minuten Gespräch lächelt die Blonde, zückt ein Stück
Papier und schreibt ihre Nummer auf.
„Jetzt bedank dich für ihre Offenheit. Sag,
dass du das sehr an ihr schätzt.“
Der Coach ist John Damianov, 25, ehemaliger Journalistikstudent und professioneller Pick-up-Artist. Auf seiner Webseite sind
Videomitschnitte zu sehen, die seine Meisterschaft im A
­ nbaggern beweisen sollen.
„Jungfrau verführt – ihr Vater sieht zu“,
heißt ein Clip. Nach einigem Z
­ ögern hat er
sich bereit e­ rklärt, den stern auf einen
seiner Streif­züge mitzunehmen.
Bedrohlich wirkt das Training mit seinem Schüler nicht, eher schräg. Auch die
fast 125 000 Mitglieder des deutschen Pickup-Forums zeigen sich mehrheitlich
harmlos. „Sie meldet sich nicht – was tun?“,
ist eine der häufigsten Fragen. Die Welt der
Pick-up-Artists, lernt man schnell, ist
­keine homogene. Eine Gemeinsamkeit haben sie jedoch alle: das Ziel, ihr „Game“ zu
verbessern, das Spiel mit der Verführung.
Ihren Namen haben die PUAs, wie sie
sich selbst abkürzen, von einem Flirt­
ratgeber der 70er Jahre. „How to pick up
Girls – Wie man Frauen aufreißt“, hieß das
Werk, das seinen Erfolg dem Umstand
­verdankte, dass im Zuge der sexuelle Revo­
lution Zigtausende unerfahrene Männer
ratlos vor dem Angebot freier Liebe standen und sich fragten: Und was muss ich
jetzt tun?
Eine echte Subkultur entstand allerdings
erst mit Beginn des Internetzeitalters
Anfang der 90er Jahre, als sich die Männer
online vernetzten. Der kalifornische Beziehungscoach Ross Jeffries systematisierte
die besten Aufrissmethoden und versah
sein Konzept mit einer eigenen, von zahlreichen Fachbegriffen durchsetzten Sprache, was der Community einen gewissen
Sektencharakter verlieh.
In diese Szene tauchte Anfang des
neuen Jahrtausends der amerikanische
Musikjournalist Neil Strauss ein. Seine Erfahrungen mit dem damaligen König der
Pick-up-Artists, Erik Horvat-Markovic
alias „Mystery“, verarbeitete er im Best­
seller „The Game“ (deutscher Titel: „Die
perfekte Masche“). Das Buch gilt als die
Bibel der Szene. Strauss schildert darin verschiedene Pick-up-Methoden – etwa den
„Neg“, bei dem es gilt, das Selbstwertgefühl
einer Frau herabzusetzen und sie dadurch
zu verunsichern.
Beliebt ist auch der „Freeze-out“, das
plötzliche Umschwenken von freundlich
zu eiskalt. Die Frau, vom Stimmungsumschwung verunsichert, tut nun womöglich
alles, um die Zuneigung des neuen Bekannten wiederzugewinnen. Und geht dabei
weiter, als sie ursprünglich vorhatte – oft
genug ins Bett. „Die hübschesten Mädchen
sind oft besonders unsicher“, twitterte RSDCoach Julien Blanc vor einiger Zeit, „also
denkt daran, sie wie Müll zu behandeln.“
In der Welt der PUAs hat Blanc trotz
zweifelhafter Ratschläge seinen Platz gefunden. So gibt er etwa damit an, dass er
neue Bekanntschaften mitunter anlüge,
um sie zu „knacken“. Man könne etwa
behaupten, der Vater sei gestorben oder
die Schwester vergewaltigt worden. Arglos
versuche die Frau dann, den vermeintlich
Untröstlichen aufzurichten, öffne sich ihm
– und die Falle schnappt zu. „Close“ nennt
das der Pick-up-Artist, Abschluss.
„Ich fand Julien immer schon menschenverachtend“, sagt Stefan Schett, 21.
Der Student aus Wien verfolgte einige Zeit
die Pick-up-Lehrvideos von RSD auf Youtube, probierte einiges davon auch aus.
„Tyler zum Beispiel hat echt gute Tipps parat.“ Er sei früher bei Mädels nicht so gut
angekommen wie seine Freunde, erklärt er.
Das von PUAs empfohlene systematische
Training, etwa einen Abend lang gezielt
Frauen anzusprechen, habe ihm geholfen,­
seine Nervosität abzulegen. „Und ich habe
dadurch meine Freundin kennengelernt.“
Ein Pick-up-Artist nach der „reinen Lehre“ sucht hingegen keine Freundin, sondern die Herausforderung. „Verführung ist
ein Muskel, den man trainieren muss“, sagt
Don Jon, der Berliner PUA. Diesen „Muskel“ trainiert er mit großer Disziplin. Mindestens eine halbe Stunde täglich gehe er
auf die Jagd, erzählt er, und versuche mithilfe einer Screening-Technik innerhalb
von drei Minuten auszuloten, ob eine Frau
für schnellen Sex zu haben sei. „Das klappt
hervorragend.“ Mit jeder fünften bis zehnten lande er noch am selben Tag im Bett.
Ist der Sex gut, werde mitunter eine Affäre daraus. Im Moment habe er fünf davon.
Das Weltbild der Pick-up-Artists ist
schlicht: Frauen, heißt es, wollten schon in
der sprichwörtlichen Steinzeithöhle starke Typen, die sie versorgen und verteidigen konnten. Der Mann müsse nur diese
Steinzeit-Programmierungen bedienen,
sich dominant und bestimmend verhalten, dann habe er freie Bahn. „Brich ihren
­Widerstand, und sie werden dich umso anziehender finden“, lehrt ein RSD-Coach.
Training für ängstliche Männer
Don Jons Klient Björn, der auf der Berliner
Friedrichstraße übt, lebte bis vor Kurzem
in einer festen Beziehung. Studiert hat der
31-Jährige Psychologie. Von der Mischung
aus Versatzstücken von Evolutionstheorie
und Küchenpsychologie, aus der sich die
PUAs ihr Weltbild basteln, ist er nur bedingt beeindruckt: „Teilweise ist das hanebüchen. Aber ich werde mit Jon bestimmt
keine wissenschaftliche Debatte anfangen.
Ich will einfach nur meine Möglichkeiten
verbessern, Menschen zu treffen.“
Auch Björn soll trainieren, seine Ängste
zu überwinden. In der Dessousabteilung
von H & M etwa, wo er mit Don Jon nach
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Owen Cook alias „Tyler“ ist
Julien Blancs Mentor. Hier bei einem
Seminar seiner Flirtberatung
„Real Social Dynamics“
in den USA
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Die Stars der Szene:
Erik Horvat-Markovic alias
„Mystery“ und Autor Neil Strauss.
Sein Buch „The Game“ gilt
als die Bibel der Community
Der Student Elliot Rodger ermordete sechs
Menschen, weil er sich von Frauen zurückgewiesen fühlte. Die Antwort eines Anbieters
für Pick-up-Schulungen: „Er hätte
eines unserer Coachings machen sollen“
FotoS: Reflex; DDP; interTOPICS; imago
„Die hübschesten Frauen sind oft besonders unsicher. also behandle sie wie müll“ Julien Blanc
Mädchen sucht und der in sein Headset
raunt: „Streich ihr durchs Haar“, und: „Lass
sie raten, warum du hier bist.“
Wie der „approach“, die Annäherung,
eines erfahrenen PUAs abläuft, demonstriert Don Jon später während einer SBahn-Fahrt: Völlig selbstverständlich setzt
er sich zu einer jungen Frau und spricht sie
an. Während er auf seinem Kaugummi
kaut und sich lasziv auf die Lippen beißt,
erzählt er, dass er gerade nach Berlin gezogen sei und als Flirtcoach arbeite. „Wie
findest du das denn?“, fragt er. „Es gibt ja
so viele Feministinnen …“ – „Ach, ich finde
das ganz charmant!“, antwortet sie und
wirft ihr Haar zurück. Dann gibt sie ihm
ihre Telefonnummer. Aber eigentlich hat
er sie nur zu Demonstrationszwecken angesprochen, das sei bloß eine Fingerübung
für ihn. Sein neues Ziel sei ein flotter Dreier
mit zwei Mädchen, die er am selben Tag auf
der Straße kennengelernt hat.
Liebe ist eine Krankheit
Gewissensbisse? „Nö.“ Er sei immer offen
zu den Mädchen, seine Geliebten wüssten
voneinander. „Ich beute die Frauen nicht
aus“, behauptet er kühn, „ich bereichere sie.
Die fühlen sich glücklicher danach. Deswegen will ich anderen Männern zeigen:
Ihr müsst nicht unsicher sein! Ihr könnt
Frauen ansprechen und verführen!“
An Monogamie glaubt Don Jon als „richtiger“ Pick-up-Artist nicht. Als schlimmste
Krankheit unter PUAs gilt die „Oneitis“,
von „One it is – die eine ist es“: der Glaube,
nur eine bestimmte Frau könne einen
glücklich machen. Don Jon lacht nur, als er
auf das Thema Liebe und Zweisamkeit an76
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gesprochen wird. „Wenn dich eine Person
extrem kickt, spielen sich einfach biochemische Prozesse im Körper ab“, sagt er. „Die
Fixierung auf eine Frau ist etwas Krankes.
Wenn ich mich verliebe, weiß ich damit
umzugehen.“ Dann muss er los. Er hat noch
ein Date mit einer Stewardess. Vielleicht
klappt’s ja mit dem „same night lay“ – Sex
noch am Abend des Kennenlernens.
„Im Nachhinein habe ich alle seine Manöver erkannt“, erzählt Karin*, 31, von ihrer
Begegnung mit einem Pick-up-Artist. „Er
hat mich zwar nicht mehr verletzt als irgendein anderes Arschloch. Was mir aber
im Nachhinein Angst macht, ist, dass er
mich nicht als Individuum wahrgenommen hat. Für den war ich kein Mensch, nur
eine Nummer, ein Objekt.“
Sophia Lierenfeld aus Berlin kennt den
Effekt. Die Persönlichkeitstrainerin ist seit
fünf Jahren in der deutschen PUA-Community unterwegs. „Ein kleiner Teil betreibt Pick-up tatsächlich auf diese Weise“,
sagt sie. Die Szene sei allerdings ständig in
Bewegung: „Es scheint im Leben von jungen Männern eine Phase zu geben, in der
sie diese Lebenshaltung attraktiv ­finden.
Viele kommen aber nach ein, zwei Jahren
drauf, dass das ‚Game‘ sie auf Dauer nicht
glücklicher macht.“ Sie treffe auch immer
wieder Männer, die ihre einge­lernten PUAGlaubenssätze wieder abschütteln wollten.
„Sie wollen lernen, wieder unbefangen auf
Frauen zuzugehen.“
Im Mai dieses Jahres ermordete der
22-jährige, psychisch kranke Student El­liot
Rodger in Kalifornien sechs Menschen und
richtete anschließend seine Waffe gegen
sich selbst. Seine Tat hatte er auf Youtube
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Alexandra Kraft (l.)
recherchierte in den USA
und war schockiert, wie
viele junge Männer den
Pick-up-Artists nacheifern. Sylvia Margret
Steinitz nahm die deutsche Szene als vergleichs­
weise harmlos wahr – viele suchen einfach eine
Freundin. Kalle Harberg beobachtete in Berlin,
wie mühelos „Don Jon“ Mädchen kennenlernte.
Ein Coaching will er trotzdem nicht buchen
FotoS: Kristoffer Finn (3)
John Damianov, 25, alias „Don Jon“, ist Pick-up-Artist in Berlin.
Im Einkaufszentrum Alexa gibt er seinem Schüler über
ein Headset Anweisungen, während dieser eine Frau anspricht
(rechts oben). Wie er selbst es macht, demonstriert er wenig
später im S-Bahnhof Friedrichstraße (rechts unten)
angekündigt. „Ich bin allein und einsam“,
klagte er. „Aber Frauen lehnen mich ab.“
Dafür sollten sie nun bestraft werden. „Ich
werde euch zeigen, wer ich wirklich bin –
der ultimative Alphamann.“ Nach den Morden erklärte ein Anbieter von Pick-up-Trainings auf seiner Webseite: „Genau das ist
der Grund für unser Angebot – um diese
Scheiße zu verhindern.“ Der kranke Mörder habe nur einen Fehler gemacht: „Er hätte eines unserer Coachings machen sollen.“
Im Weltbild der Pick-up-Artists ist das Anrecht des Mannes auf Sex fest verankert.
Frauen, die sich verweigern, werden eben
bestraft – auf die eine oder andere Weise.
Auch deshalb haben aufmerksame
Kräfte ein Auge auf die Community. Das
­Southern Poverty Law Center, eine Organisation, die Aktionen sogenannter Hate
Groups in den USA dokumentiert, listet
neben dem rassistischen Ku-Klux-Klan
und der antisemitischen „Aryan Nations“
auch einen Vertreter der PUA-Szene, der
sogenannte hate fucks propagiert: schneller, nur auf die eigenen Bedürfnisse ab­
zielender Sex mit Frauen, die man nicht
mag, gefolgt von komplettem Kontakt­
abbruch zur zusätzlichen Erniedrigung.
Auch in der heimischen Szene soll es
vereinzelt gefährliche Manipulatoren geben. „Eine Freundin von mir fühlte sich
von einem deutschen Pick-up-Artist missbraucht“, erzählt Sophia Lierenfeld. „Ich
weiß nicht, was genau passiert ist, aber sie
sagte danach, er habe gegen ihren Willen
weitergemacht. Sie war danach wochenlang am Boden zerstört.“ Sie hoffe, dass der
Skandal um Julien Blanc dazu führt, „dass
die Community sich endlich entscheidet,
Grenzen zu definieren.“
Julien Blanc und seine Kollegen von RSD
haben jedenfalls die Notbremse gezogen:
Geplante Coachings werden ins Internet
verlegt, der Begriff „Pick-up-Artist“ ist von
der Webseite verschwunden.
Auch die Stars der Szene verhalten sich
derzeit überraschend still. Ein geplantes
Interview mit dem stern sagte „The Game“Autor Neil Strauss just an dem Tag ab, an
dem Großbritannien ein Einreiseverbot
für Blanc aussprach. Strauss ließ jedoch
ausrichten, dass er gerade an einem neuen
Buch schreibe, diesmal über die Liebe.

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