Pressetext_Meschac Gaba_de
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_______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM ____________________________________________________________________________________________________ 29. August bis 15. November 2009 Meschac Gaba Museum of Contemporary African Art & More "Sobald die Kunstschaffenden ihre Komplexe in Bezug auf die Realität der Entwicklung Afrikas verloren haben, wird die zeitgenössische afrikanische Kunst ihren Platz und ihren Respekt finden." Meschac Gaba, 2009 Sieben Jahre nach seiner Teilnahme an der documenta 11 eröffnet die Kunsthalle Fridericianum Meschac Gabas bisher größte Ausstellung: Museum of Contemporary African Art & More. Erstmalig werden dabei alle seit 1997 entstandenen Rauminstallationen des „Afrikanischen Museums“ zu einer großen Einheit zusammengeführt und gemeinsam mit neuen Arbeiten präsentiert. Meschac Gaba arbeitet in seiner Kunst vornehmlich mit der Thematik des interkulturellen (Un-)Gleichgewichts. Seine Installationen beziehen sich auf Aspekte afrikanischer Lebenskultur, verweisen aber gleichzeitig durch den musealen Kontext auf eine westlich geprägte Kunstwelt. Museen erfüllen dabei aus seiner Sicht nicht nur eine Funktion als Ausstellungsort: “I believe that, above all, a museum is a place of study, of research.“ Separat wurden die eigenständigen Räume des Museum of Contemporary African Art seit 1997 bereits von unterschiedlichen Institutionen präsentiert: etwa der Museum Shop im SMAK in Gent (1999) und auf der 27. Biennale in São Paolo (2006), der Music Room im Bonnefantenmuseum in Maastricht (2000), der Marriage Room im Stedelijk Museum in Amsterdam (2000), die Library im Witte de With in Rotterdam (2001), der Humanist Space auf der documenta 11 in Kassel (2002) und der Salon im Palais de Tokyo in Paris (2002). Gabas Museum of Contemporary African Art besteht aus insgesamt zwölf Räumen, die in der Kunsthalle Fridericianum zusammenhängend präsentiert werden. Speziell für die Ausstellung produzierte der Künstler außerdem eine neue Arbeit: Lake of Wisdom. Die Installation besteht aus zwei Bereichen: Zum einen sind dies zwölf Vitrinen, in welchen die vergoldeten Gehirne der durch Meschac Gaba benannten ,grandes maîtres' liegen: Jesus Christus, Mahatma Ghandi, Desiderius Erasmus, Abraham Lincoln, Karl Marx, Louis Pasteur, Marcel Broodthaers, König Guézo, Martin Luther King, Miriam Makeba, Harald Szeemann und Ovid. Lake of Wisdom handelt von Erinnerung, Geschichte und Wertschätzung. In diesen Kontext greift auch die ältere Arbeit Sweetness (2006), ein rund 50qm großes Stadtmodell aus Zucker. Inhaltlicher Bezugs- ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM punkt ist hier nicht nur die Architektur, sondern vor allem auch das Material, das als koloniales Produktions- und Konsumgut ebenso eng mit der Geschichte seiner niederländischen Wahlheimat wie mit seinen afrikanischen Wurzeln verknüpft ist. Zudem konzipierte Gaba eine neue Produktion seiner ‚Banknoten’Serie, für die er zuvor sein eigenes Portrait auf einem Geldschein abbildete. Nun zeigt er die Köpfe von den Kuratorinnen und Kuratoren derjenigen Institutionen, die die einzelnen Räume des Museum of Contemporary African Art gezeigt haben, auf postergroßen Banknoten in ihrer jeweiligen Landeswährung. Geld ist in Gabas Kunst ein Träger von kulturellen Identitäten und dient in seinen verschiedensten Erscheinungsformen im „Afrikanischen Museum“ auch als Metapher für Interkulturalität. Hierbei werden der Aspekt der Kolonialisierung sowie die aus ihr resultierenden Folgen immer mit beleuchtet. 2003 arbeitete Rein Wolfs zum ersten Mal mit Meschac Gaba zusammen, als er ihn zusammen mit vier weiteren Künstler/innen für den niederländischen Pavillon der Venedig Biennale für die Ausstellung We Are The World auswählte. Museum of Contemporary African Art & More wurde von der Kunsthalle Fridericianum initiiert und aus terminlichen Gründen zuerst in anderer Form im Museum De Paviljoens im niederländischen Almere präsentiert. Zur Ausstellung erscheint in enger Zusammenarbeit mit dem Museum De Paviljoens ein Katalog. Mit Unterstützung von ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM INFORMATIONSTEXTE AUS DER AUSSTELLUNG Humanist Space Für diese sechs schwedischen Armeefahrräder des Humanist Space ist es eine Rückkehr nach Kassel: Im Jahr 2002 stellte Meschac Gaba 100 dieser Räder auf dem Friedrichsplatz zur Verfügung. Besucher/innen konnten sie gegen eine geringe Gebühr ausleihen und die Orte der documenta 11 erfahren. Fahrräder sind für den Künstler nicht nur Sinnbilder für Mobilität, sondern auch kulturelles Bindeglied zwischen seiner alter Heimat, Benin, wo fahrende Händler/innen direkt vom Fahrrad aus Waren verkaufen, und seiner neuen Heimat, den Niederlanden, wo die Menschen viele Wege und Transporte per Fahrrad erledigen. Museum Shop Der Museum Shop setzt sich mit dem kommerziellen Aspekt von Kunst auseinander, indem sie als Ware präsentiert und wie auf einem afrikanischen Markt arrangiert wird. Es handelt sich aber nicht um Merchandising-Objekte, wie man es aus vielen modernen Museen kennt, sondern um Kunstwerke. Gaba bietet hier nicht nur seine eigene Kunst zum Kauf an, vielmehr ist es eine kollektive Autorschaft mit folgenden jungen Künstler/innen: Franco Angeloni, Antoine Berghs, Theophile Billica, Frank Bragigand, Winneke Gart, Gerda Hahn, Judith Heinschy, Steve Kaspar, Roger Kremers, Maria De Fatima Lamounier, Audrey Marlhens, Begaunia Muños, Hans Op De Beeck, Emanuel Ropers, Fredus Samenthini, Irene Sauter, Vera Weisgerber, Sophie Whetnall, Hartmut Wilkening Draft Room Der Draft Room (Skizzenraum) ist der erste, den Meschac Gaba für sein Museum anfertigte, ein Jahr nachdem er 1996 als erfolgreicher afrikanischer Künstler zum Studium nach Amsterdam kam und vor der Aufgabe stand, sich innerhalb der westlichen Kunstwelt eine Position zu erarbeiten. Wie in einem großen Fundus sind hier die zentralen Motive und Themen des Projekts angelegt. Besonders Geld gebraucht Gaba häufig als Medium, sei es, dass er es umgestaltet, andere Gegenstände damit dekoriert oder als Objet Trouvé einsetzt. Als Gaba die Arbeit in der Rijksakademie zeigte, verkaufte er Broschen aus alten Geldscheinen. Eine Performance, die einen Kreislauf verdeutlicht: Die entwerteten Banknoten werden durch künstlerische Bearbeitung aufgewertet und durch Verkauf erneut real zu Geld gemacht. Der Erlös ermöglichte es dem Künstler, die Idee, die er für ein Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst zu diesem Zeitpunkt bereits hatte, in die Tat umzusetzen. ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM Summer Collection Weiße Second-Hand Kleidungsstücke, dekoriert u.a. mit Geldscheinen, Telefonkarten oder bunten Stoffmotiven, wurden vor zehn Jahren erstmalig als Summer Collection in Haarlem präsentiert. An Aktualität haben diese Entwürfe seitdem nichts verloren, denn die hier thematisierten Probleme sind nach wie vor ungelöst. Während abgelegte Kleidung aus Europa als „Hilfsgut“ nach Afrika geschickt wird, macht sie gleichzeitig die einheimische Textilindustrie wirtschaftlich obsolet und zwängt den Menschen die Mode der westlichen Gesellschaft auf. Diese Aspekte haben viel mit den Folgen der Kolonisation sowie mit Globalisierung zu tun und berühren auch die Kunst in erheblichem Maße. Gaba weist darauf hin, dass der internationale Kunstbegriff, auch wenn es um afrikanische Kunst geht, nach wie vor westlich geprägt ist. Art and Religion In diesem Raum werden die Zusammenhänge zwischen Kunst und Religion thematisiert: Anklänge an ein sakrales Gebäude liefert der kreuzförmige Grundriss des Raumes, den man bei vielen Kirchen, vor allem im christlichen Osten, findet. Es geht dabei aber weniger um spezielle Religionen, sondern um Spiritualität und Glauben als universelle Phänomene, die überall auf der Welt eine wichtige Rolle spielen. Eine Buddha-Figur, christliche Ikonen, Voodoo-Utensilien, ein islamischer Gebetsschal und Fetische afrikanischer Naturreligionen, aber auch Objekte der Alltagskultur zeigen, dass sich jede Form von Glauben auch sichtbar manifestiert, sowohl in der Kunst, als auch in Kitsch- oder Luxusartikeln und in Gebrauchsgegenständen. Architecture of the Museum Das Museum of Contemporary African Art hat keinen bestimmten Ort, es ist von Beginn an auf der Reise und jeder der zwölf Räume war in verschiedenen Städten zu Gast. Einige dieser Orte sowie die Kurator/innen der Institutionen sind auf den bunten Tafeln im Raum zu lesen. Die Idee des Museums entspricht dem westlichen Kunstverständnis. Doch die Einflüsse afrikanischer Kultur auf europäische Künstler/innen der Moderne sind ebenso wenig aus der Kunstgeschichte wegzudenken. Dies verdeutlichen die am Baum hängenden Geldscheine, auf denen Künstlerportraits abgebildet sind. Die Holzbauklötze, mit denen jeder einen individuellen Museumsbau errichten kann, sind eine Aufforderung, darüber nachzudenken, wie ein Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst aussehen kann. ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM Library „I believe that, above all, a museum is a place of study, of research.” Diese Aussage Meschac Gabas spiegelt sich in der Library deutlich wieder. Wissen wird hier aber nicht nur durch Bücher vermittelt: wie in jeder modernen Bibliothek stehen auch neue Medien zur Verfügung. So gibt es Computer, die zwar veraltet, aber funktionstüchtig sind und über Internetzugang verfügen. Das World Wide Web als moderne Informationsquelle und virtuelles Vehikel verbindet der Künstler mit tatsächlichen Fortbewegungsmitteln. Die modernen westlichen Kommunikationsformen werden in Kontrast zur afrikanischen Tradition der Wissensvermittlung gesetzt: Über Kopfhörer, die aus einem Sarg kommen, ist eine Geschichte über das Leben des Künstlers aus der Sicht seines verstorbenen Vaters zu hören. Gaba zitiert dazu passend im Katalog auf ein afrikanisches Sprichwort: „Wenn ein alter Mensch stirbt, verschwindet eine ganze Bibliothek mit ihm.“ Music Room Musiziert wird hier nur im Film: der Künstler ist bei einer Performance in Maastricht zu sehen, wo er mit Trommelstöcken auf hängenden Blechtellern spielte. Dieses und weitere stumme Instrumente, darunter eine afrikanische und eine europäische Gitarre, liegen im Musikraum neben einem Schallplattenspieler und Kassetten auf dem Boden. Die Kassetten werden zusätzlich wie auf einem Markt in Aufstellern angeboten und weisen auf Musik als Handelsware und Tauschobjekt hin. Mittlerweile sind sie fast anachronistische Datenträger, anhand derer sich schon in den 80er Jahren die immer noch aktuelle Diskussion über Original und (Raub-)Kopie entfachte. Die goldenen Schallplatten verweisen auf die Auszeichnungen für erfolgreiche Musiker/innen ebenso wie auf den Wert, den Musik im Leben vieler Menschen einnimmt. Game Room Meschac Gaba hat für den Game Room drei bekannte Spiele neu entworfen. Thematisch handeln sie von kultureller Identität, von Weltpolitik, aber auch von persönlichem Glück und Schicksal. Das afrikanische Flaggen-Roulette deutet als Glücksspiel auf den Zufall von nationaler Zugehörigkeit und auf die Willkür kolonialer Grenzziehung hin. Beim Strategiespiel Schach treten Euro- gegen Dollar-Figuren als Wirtschaftskonkurrenten an. Die Schiebepuzzles zeigen Flaggenmotive, die in die richtige Reihenfolge zu bringen sind. Durch die Logik des Puzzlespiels verweisen sie auf Prozesse gesellschaftlicher Spaltung und Einigung. ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM Salon Zum Verweilen, Fernsehen und Unterhalten lädt ein westlich eingerichtetes Wohnzimmer mit Bar und Flügel ein. Beim gewählten französischen Begriff Salon schwingen kulturelle und repräsentative Aspekte aus dem 19. Jahrhundert mit. Dazu passend stehen in den Regalen dekorative und alltägliche Gegenstände. Vasen und Uhren, ein Schädel mit Geldpunkten, ein getrockneter Baumwollzweig, der an die Geschichte der Sklaverei denken lässt, und allerlei Nippes, der an Frankreich als Kolonialmacht erinnert, thematisieren Unterdrückung und globalen Handel. Das Mobiliar des Salon ist bedeckt mit gestanzten Punkten aus entwerteten westafrikanischen Geldscheinen. Statt des finanziellen Wertes übertragen sie nun Symbolgehalt auf die beklebten Objekte und einige zeigen Portraits von wichtigen Persönlichkeiten. Die schmucklosen Möbelstücke werden vom Geld aufgewertet, die Friedenstauben an den Wänden hingegen werden von der Last der Münzen zu Boden gezogen. Wedding Room Der Hochzeitsraum dokumentiert die Vermählung des Künstlers mit seiner Partnerin Alexandra van Dongen, einer niederländischen Kuratorin. Das Paar inszenierte das Ritual als Performance und vollzog sie `For Real` als Teil der gleichnamigen Ausstellung im Oktober 2000 im Stedelijk Museum in Amsterdam. Die Hochzeitsurkunde hängt gerahmt an der Wand und bestätigt die Gültigkeit dieser Ehe. Die Exklusivität des Vertrages beinhaltet Rechte und Pflichten, damit verweist er auf einen sehr unromantischen Aspekt dieser Feier. Die Geschenke der Gäste werden präsentiert und erzählen etwas über das Leben des Paares und die Wünsche, die ihnen mit auf den Weg gegeben werden. Restaurant Dieses Museumsrestaurant ist kein gastronomischer Betrieb, sondern ein offenes Koch- und Esszimmer, in dem es vor allem um Kommunikation geht. 1999 war es in Amsterdam der Schauplatz einer acht Tage dauernden Kochperformance, bei der allabendlich andere Künstler/innen, u.a. auch Meschac Gaba selbst, hinter dem Herd standen und etwa 40 Gäste mit Essen versorgten. Eingeladen waren Menschen, die selten in Museen oder Restaurants gehen können, wie etwa Obdachlose oder Bewohner/innen sozialer Brennpunkte Amsterdams. Es sollte kein Treffen der Kunstszene werden, sondern eher im Sinne einer ‚Sozialen Plastik’ eine Plattform für kulturellen Austausch und Integration bieten. ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM MESCHAC GABA BIOGRAFIE Meschac Gaba wurde 1961 in Cotonou im Benin, Afrika, geboren. Dort war er seit 1991 als Künstler tätig. Von 1996 bis 1997 studierte er an der Rijksakademie voor Beeldende Kunsten in Amsterdam und schloss dort seine Ausbildung ab. Meschac Gaba lebt heute in Rotterdam und Benin. Seit 1991 weist der Künstler eine Vielzahl internationaler Einzelausstellungen auf. Zu seinen jüngsten Präsentationen gehören Museum of Contemporary African Art im Museum de Paviljoens in Almere (2009), Tresses and other recent projects in der Johannesburg Art Gallery (2007), im Nobel Peace Center in Oslo (2006) und Meschac Gaba: Tresses in Studio Museum in Harlem, New York sowie Glue Me Peace in der Tate Modern in London (beide 2005). Zudem ist Meschac Gaba seit 1992 an einer Vielzahl international renommierter Gruppenausstellungen beteiligt. Hierzu zählen die 27. São Paolo Biennale How to Live Together (2006) mit Sweetness und dem Museum Shop, die 10. Sydney Biennale Zones of Contact, die 6. Gwangju Biennale in Südkorea (beide 2006) und die Ausstellung We Are The World in dem von Rein Wolfs kuratierten niederländischen Pavillon der Venedig Biennale (2003) sowie die documenta 11 mit dem Humanist Space und der Library (2002). 2008 war Meschac Gaba der Szenograf von Glück – Welches Glück im Hygienemuseum in Dresden. ____________________________________________________________________________________________________ _______________________________________________ KUNSTHALLE FRIDERICIANUM BILDCREDITS Bei Veröffentlichung bitten wir Sie, die Bildrechte zu nennen und uns ein Belegexemplar zukommen zu lassen. Meschac Gaba Datei 1 Meschac Gaba, Museum of Contemporary African Art, 1997 - 2002, Courtesy: the artist, Photo: Nils Klinger Datei 2 Meschac Gaba, Museum of Contemporary African Art, 1997 - 2002, Game Room, Roulette, Courtesy: the artist Datei 3 Meschac Gaba, Museum of Contemporary African Art, 1997 - 2002, the logo, Courtesy: the artist Datei 4 Meschac Gaba, Lac de Sagesse, 2009, Photo: Nils Klinger Datei 5 Meschac Gaba, Museum of Contemporary African Art, 1997 - 2002, Courtesy: the artist, Photo: Nils Klinger Bei Fragen und für Auskünfte stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Christine Messerschmidt [email protected] +49 (0)561 70 72 786 ____________________________________________________________________________________________________