Hinweise zur Vergabe von Architekten

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Hinweise zur Vergabe von Architekten
Hinweise zur Vergabe von Architekten- und
Ingenieurleistungen
Heft Nr. 3 der Schriftenreihe der GHV
Stand: 24.10.2006
Dipl.-Ing. Wolfgang Kaufhold
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Ingenieurhonorare
Inhaltsverzeichnis
Seite
Veranlassung............................................................................................................................................. 3
Vorbereitung der Vergabe mittels Bedarfsplanung ................................................................................... 3
Welches Vergabeverfahren ist anzuwenden?........................................................................................... 6
Können Ingenieurleistungen vorab beschrieben werden? ........................................................................ 7
Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen i.V.m. gewerblichen Leistungen ............................. 11
Überblick über die Verfahren zur Vergabe freiberuflicher Leistungen .................................................... 14
Schätzung des Auftragswertes - Zulässige Teilung eines Auftrages...................................................... 19
Die Qualifikationsanforderungen an die Bewerber.................................................................................. 23
Auswahlkriterien und ihre Bewertung...................................................................................................... 26
Beteiligung oder Nichtbeteiligung vorbefasster Bewerber an der Vergabe? .......................................... 27
Zuschlags- oder Auftragskriterien und ihre Bewertung ........................................................................... 29
Aufgabenbeschreibung............................................................................................................................ 31
Die Vergabebekanntmachung................................................................................................................. 33
Der Hinweisbogen (Kriterienübersicht).................................................................................................... 33
Empfehlungen für eine Bewertungsmethode .......................................................................................... 34
Abschließende Bemerkungen ................................................................................................................. 35
Beispiel für einen Hinweisbogen zur Bewerbung „Ingenieurleistungen für Teilbereiche des Polders ADorf / B-Stadt“ ......................................................................................................................... 36
Bewerbungs- und Auswahlphase............................................................................................................ 36
Vergabeverhandlungen und Vergabeentscheidung................................................................................ 37
Beispiel für die Bewertung einer Vergabeverhandlung ........................................................................... 40
Zahlenbeispiele für die Methoden zur Bewertung der Honorarvorschläge ............................................. 41
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Veranlassung
Am 25. Mai 2004 veröffentlichte die GHV Gütestelle Honorar- und Vergaberecht e.V. Hinweise zur
Vergabe von nicht in der HOAI verordneten Ingenieurleistungen am Beispiel der Erfassung altlastenverdächtiger Flächen. Kurz danach erschienen auch die Hinweise der GHV zur Vergabe von Ingenieurleistungen, die in der HOAI verordnet sind. Die Hinweise sind inzwischen bei zahlreichen Vergabeverfahren erfolgreich angewendet worden; sie haben ihre Praxistauglichkeit und Rechtmäßigkeit
bewiesen.
Nach wie vor vorhandene zahlreiche Unsicherheiten und auch unterschiedliche Meinungen über einige wichtige Vergabevorschriften wie z.B. über
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die Art der freiberuflichen Leistungen (vorab beschreibbar: ja/nein)
die Definition des Auftragsumfangs (Ist die Bildung von getrennt zu vergebenden Losen zulässig?
ja/nein), daraus folgend
die Schätzung der Auftragswerte
die Leistungsanforderungen an die Bewerber (Art und Umfang notwendiger Auskünfte)
die Auswahlkriterien und ihre Bewertung/Auswahlmethoden
die Beteiligung oder Nichtbeteiligung vorbefasster Bewerber an der Vergabe
die Zuschlagskriterien/Bewertungsmethoden
lassen es geboten erscheinen, die genannten Handlungsempfehlungen zusammenzufassen und
gleichzeitig fortzuschreiben. Dies geschieht unter Berücksichtigung der Verdingungsordnung für Leistungen – VOL/A - und der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen - VOF -, deren Neufassungen bereits veröffentlicht sind und voraussichtlich noch im Jahr 20061 in Kraft treten werden. Dies
wird dann geschehen, wenn auch die Neufassung der Vergabeverordnung - VgV - Rechtskraft erlangt
hat2.
Die überarbeiteten Empfehlungen sollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich Auftragnehmer im fairen Wettbewerb um die Übernahme solcher Leistungen bewerben können und der Gang zur Vergabekammer vermieden wird. Außerdem wird empfohlen, die einschlägigen Kommentare zur VOF und
zum Vergaberecht zu beachten(z. B.3,4,5)
Vorbereitung der Vergabe mittels Bedarfsplanung
Der Vergabe von Architekten und Ingenieurleistungen muss eine Phase vorausgehen, in der sich der
Auftraggeber über seine eigenen Leistungen und über die an Dritte zu vergebenden Leistungen Klarheit verschaffen muss. Dabei spielt der Lebenszyklus6 des Objekts (Abb. 1) eine zentrale Rolle, in
1
Veröffentlicht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unter
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/Oeffentliche-Auftraege/vergaberecht-vorschriften.html
2
Veröffentlicht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unter
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/suche.html; Suche nach „Vergabeverordnung“
3
Kaufhold-Mayerhofer-Reichl: Die VOF im Vergaberecht, Gesamtüberblick und Kommentar mit Praxisbeispielen für Architekten und Ingenieure Bundesanzeiger Verlagsges. mbH, Köln 1999
4
Müller-Wrede: Verdingungsordnung für Freiberufliche Leistungen (VOF), Kommentar zur Auftragsvergabe und zum Rechtsschutzverfahren, Werner Verlag 2. Auflage 2002
5
Voppel/Osenbrück/Bubert: VOF Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen, Verlag C. H. Beck München 2001
6
Lüchinger, P.: Auf dem Weg zum neuen SIA-Leistungsmodell 95, Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 13, 24.03.1994, S.
219 ff.
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dessen Phasen der Bauherr unterschiedliche Mitwirkende benötigt. Das Leben eines Objekts beginnt
7
mit der ersten Idee des Bauherrn und besteht aus folgenden wesentlichen Phasen :
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Bedarfsplanung (Problemanalyse)
Investitionsphase, zusammengesetzt aus den Phasen Objektplanung und Objektausführung
Objektnutzung
Rückbau / Erweiterung
Abb. 1: Lebenzyklus eines Objekts
Rück5%
bau
Bedarfs15 %
planung
Objektplanung
13 %
Objektnutzung
53 %
Objekt14 %
ausführung
Der optimale Projekterfolg ist erreichbar, wenn der Lebenszyklus des Objekts schon in der Vergabeund Planungsphase integral und abschließend betrachtet wird. Daher beginnt die Begrenzung der
Objektkosten schon bei der Bedarfsdefinition des Objektes: Das Beeinflussungspotential für die Investitions- und Folgekosten ist in diesem Projektstadium am größten (Abb. 2).
8
Dieses Wissen hat in DIN 18205 seinen Niederschlag gefunden. Die folgenden Auszüge aus ihrem
Vorwort skizzieren ihre Begründung:
„Bedarfsplanung im Bauwesen bedeutet
•
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•
7
8
die methodische Ermittlung der Bedürfnisse von Bauherren und Nutzern
deren zielgerichtete Aufbereitung als "Bedarf" und
dessen Umsetzung in bauliche Anforderungen.
s. z.B. DIN 276/1993 – Kostengruppe 700
DIN 18205: Bedarfsplanung im Bauwesen, Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, April 1996
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Beeinflussbarkeit der
Abb. 2: Beeinflussbarkeit der Objektkosten (Bau- und Folgekosten) in Abhängigkeit vom Projektstadium
groß
klein
Bedarfsplanung
BedarfsProjektdefinition
definition
Bauherrenaufgabe
Objektplanung
Objektüberwachung
Inbetriebnahme
Aufgabe des Beratenden
Ingenieurs/Architekten
Objektnutzung
Bauherrenaufgabe
Projektleitung/Projektsteuerung durch Bauherr
Projektstadium
In Deutschland ist bisher die Aufmerksamkeit für diese Frühphase von Bauplanungsprozessen gering. Da aber jedes Bauprojekt diese Phase - wenn auch noch so unzureichend gehandhabt – durchläuft und in dieser Phase die Weichen für alle späteren Ereignisse jeder Bauplanung gestellt werden,
liegt eine Qualitätsverbesserung im Interesse aller Beteiligten. Sie hat sowohl für das Einzelprojekt
als auch für das Bauwesen insgesamt und seine volkswirtschaftlichen Konsequenzen erhebliche
Bedeutung. Wie Bedarfsplanung derzeit praktiziert wird und von wem, ist weitgehend dem Einzelfall
überlassen. Eine berufsrechtliche Regelung wie eine gesetzliche Ordnung der Honorare gibt es hierfür nicht…
… Auf jeden Fall liegt die Bedarfsplanung im Verantwortungsbereich des Bauherrn, gleich wie er ihr
gerecht wird. Er kann damit Bedarfsplaner, Architekten, Ingenieure oder andere Fachleute beauftragen. Auf keinen Fall ist die Bedarfsplanung durch die Grundlagenermittlung der Planer abgedeckt.....“
Eine richtige und umfassende Bedarfsplanung, die vor der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen vom Bauherrn zu leisten ist, muss daher mindestens folgende technisch-organisatorische
Ergebnisse zeitigen:
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Definition der Projekt- und Kostenziele (Investitionskosten, Folgekosten)
Klärung der bauherreneigenen Fähigkeiten/Leistungen bei der Projektabwicklung
Umfang und voraussichtliche Kosten der zu vergebenden Architekten- und Ingenieurleistungen
Festlegung der Projektorganisation (Projektleitung, -steuerung, -abwicklung)
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Kurz: im Rahmen der Bedarfsplanung muss der öffentliche Auftraggeber stets die nach § 3 Abs. 1
vorgeschriebene Schätzung des Auftragswertes der zu vergebenden Architekten- und Ingenieurleistungen durchführen. Die voraussichtliche Höhe des Auftragswertes bestimmt nach § 2 VgV das anzuwendende Vergabeverfahren (s.u.).
Die Bedarfsplanung liefert auch die Aufgabenbeschreibung, die der Bauherr in der Vergabebekanntmachung nach § 9 Abs. 2 mindestens skizzenhaft, in der Einladung zur Vergabeverhandlungen aber
den am Auftrag interessierten Architekten und Ingenieuren nach § 8 Abs. 1 in ausführlicher Form zur
Verfügung stellen muss, um von diesen vergleichbare Leistungs- und Honorarvorschläge zu erhalten.
3.
Welches Vergabeverfahren ist anzuwenden?
Öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 bis 3 und 5 GWB9 müssen – anders als private Auftraggeber – zahlreiche Vergabevorschriften beachten. Dabei bestimmt der voraussichtliche Auftragswert der
zu vergebenden Leistungen eine besonders wichtige Weichenstellung:
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•
Ist der Auftragswert geringer als netto 211.000 €, gelten keine formalisierten Vergabebestimmungen. Dies ergibt sich aus § 1 VgV10 in Verbindung mit § 1 VOL/A11. Die Leistungen sind lediglich unter Beachtung der jeweiligen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes bzw.
der Länder und der Kommunen vergeben.
Bei Auftragswerten ab 211.000 € netto sind die Bestimmungen des GWB, die VgV und die zugehörigen Verdingungsordnungen VOF12 und VOL/A zu beachten, welche die praktische Umsetzung des GWB regeln. Dabei gilt nach § 5 VgV, dass
- die Leistungen für Aufgaben, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, nach VOF und
- Leistungen für Aufgaben, deren Lösung vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden
kann, nach VOL/A
zu vergeben sind. Den Überblick gibt Abb. 3.
Abb. 3:
Entscheidung über das von öffentlichen Auftraggebern zu wählende Vergabeverfahren
Öffentl. AG
Private AG
VgV
frei
< 211.000 €
freihändig
9
10
11
12
Auftragswert
=/> 211.000 €
vorab nicht
beschreibbar
vorab
beschreibbar
VOF
VOL/A
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 (BGBl. I S 2547)
Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
Februar 2003 unter Beachtung des am 12.10.2006 vom BMWi im Internet veröffentlichten Entwurfs der 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung-VgV)
Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) –Ausgabe 2006 - in der vom BMWi im Internet an 6.4.2006 veröffentlichten Neufassung
Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der vom BMWi im Internet an 6.4.2006 veröffentlichten Neufassung
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Für Sektorenauftraggeber nach § 98 Nr. 4 GWB gilt die Bestimmung zur Vergabe von Dienstleistungen ab Auftragswerten von 211.000 € nicht (siehe § 5 VgV, Satz 3 und § 7 Absätze 1 und 2, jeweils
Nr. 1.). Die Sektorenbereiche sind nach § 8 VgV Tätigkeiten auf den Gebieten der Trinkwasser- oder
Energieversorgung oder im Verkehrsbereich, wobei zur Abgrenzung der Tätigkeiten zusätzlich § 9
VgV zu beachten ist. Zu solchen Auftraggebern zählen auch die oben genannten Auftraggeber nach §
98 Nummer 1 bis 3 und 5, sofern sie selbst unmittelbar in den Sektoren tätig sind (z.B. Gebietskörperschaften und ihre Eigenbetriebe im Bereich der Trinkwasserversorgung oder Wasserzweckverbände).
Die Sektorenauftraggeber müssen die Richtlinie 2004/17/EG13 unmittelbar anwenden; sie wurde für
die Vergabe freiberuflicher Leistungen nicht in deutsches Recht umgesetzt.
Abb. 4:
Entscheidung über das von Sektorenauftraggebern zu wählende Vergabeverfahren
Sektorenauftraggeber
Private AG
VgV
frei
< 422.000 €
freihändig
Auftragswert
=/> 422.000 €
vorab nicht
beschreibbar
vorab
beschreibbar
RiLi 2004/17/
EG
RiLi 2004/17/
EG
Können Architekten- und Ingenieurleistungen vorab beschrieben werden?
Was sind vorab beschreibbare und nicht beschreibbare freiberufliche Leistungen? Die mit § 5 VgV
Satz 2 weitgehend übereinstimmende Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich nach § 2 Abs.
2 Satz 2 VOF und dem Anwendungsbereich nach § 1 VOL/A definiert die Grenze über die Wörter
„vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare freiberufliche Leistungen“.
Freiberufliche Leistungen sind dann als „vorab beschreibbar“ anzusehen, wenn es sich um „handwerkliche“ oder „mechanische“ Leistungen von freiberuflich Tätigen handelt, deren Ausführung in DINNormen oder vergleichbaren detaillierten Vorschriften beschrieben ist und keine kreative, konzipierende Tätigkeit erfordert. Die Vergabe solcher Leistungen ist stets ohne Nachverhandlungen über den
Leistungsinhalt und den Preis möglich. Beispiele für beschreibbare freiberufliche Leistungen sind:
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13
Entnahme von Wasser-, Abwasser-, Boden- und Schlammproben für die Umweltanalytik
Feldarbeiten des Geologen ohne Zuhilfenahme von Baumaschinen wie zum Beispiel
- Sondierungen
- Kleinbohrungen (Bohrdurchmesser z.B. < 100 mm)
- Errichten von Mess- und Entnahmestellen mit kleinen Pegeldurchmessern
Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31.3.2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, Amtsblatt der Europäischen Union vom 30.4. 2004, L 134/1
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Aufmass von Leitungen (Wasser, Abwasser, Gas)
Reinzeichnungen von Entwurfs- und Ausführungsplänen
Herstellung von Farb-Laserausdrucken
Herstellung von PDF-Dateien
Überwachen von Kanalinspektions- und Kanalreinigungsleistungen, Überwachen der
TV-Aufnahmen von Kanalleitungen
Aufspüren und Orten von Lecks in Wasserversorgungsnetzen
Herstellen von Bestandsplänen von Gebäuden und Anlagen
Durchführung technischer Prüfungen und Inspektionen
Nicht vorab beschreibbare freiberufliche Leistungen liegen regelmäßig dann vor, wenn es sich um
geistig-schöpferische Leistungen für eine Aufgabe handelt, deren Lösung sich erst durch diese Leistungen entwickelt. Daher spricht § 8 VOF anders als VOL/A und VOB/A nicht von der möglichst genauen Beschreibung der Leistungen, sondern von der Beschreibung der Aufgabenstellung. So können
die gestellte Aufgabe und die zu erreichenden Ziele bei Projektbeginn beschrieben werden, nicht jedoch die konkreten Schritte zur Lösung der Aufgabe in der Art von Leistungspositionen wie bei Bauoder Lieferleistungen. Die von Architekten und Ingenieuren zu erreichenden Leistungsergebnisse in
Form des mit dem Auftraggeber vereinbarten „Werkes“ sind das Ergebnis von Denkprozessen, deren
für die Erfüllung der Aufgabenstellung erforderlichen Leistungen in Inhalt und Ablauf weder vorab
noch eindeutig und erschöpfend beschreibbar sind.
Beschreibbar können einzelne zum Erreichen des Leistungsziels führende mechanische Arbeitsschritte und Hilfsmittel sein (z.B. das Bedienen einer EDV-Anlage oder eines Zeichenautomaten, das Bedienen eines Vermessungsinstruments, das Herstellen von Zeichnungen durch Bauzeichner oder die
Durchführung der Leistungen in den o.g. Beispielen), die jedoch gegenüber der geistig-schöpferischen
Leistung i.d.R. untergeordnete Bedeutung haben. So sind auch die oben als beschreibbar definierten
freiberuflichen Leistungen im Regelfall der geistig-schöpferischen Leistung von Art und Umfang her
untergeordnet, soweit sie im Rahmen und als Teil desselben Auftrags von demselben Auftragnehmer
erbracht werden. Sie sind zwar als solche beschreibbar und kalkulierbar, stellen aber eine mechanische (handwerkliche) Prozedur dar, die nicht isoliert von der fachlich-kreativen Leistung des Ingenieurs betrachtet werden kann. Vielmehr verlangen die Anforderungen an das Leistungsziel deren Einsatz, weil ohne solche Hilfsmittel und Arbeitsschritte weder die Fülle der zu verarbeitenden Informationen adäquat erfasst und bewältigt werden kann noch die Leistungsergebnisse darstellbar sind.
Entgegen der hier geäußerten Auffassung hat die Europäische Kommission gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in mehreren Fällen von Vertragsverletzungsverfahren die Meinung vertreten,
dass beispielsweise Leistungen bei der Objektüberwachung bzw. bei der Bauoberleitung und bei der
örtlichen Bauüberwachung in der Regel beschreibbar seien. Mit dieser Auffassung ist auch eine umstrittene Entscheidung der Vergabekammer Sachsen vergleichbar14. Anders als bei Planungsleistungen sei hier die Tätigkeit in der Regel durch die Leistungsbeschreibung im Vertrag ausreichend beschreibbar, auch wenn dort nur die Leistungsbilder der Leistungsphasen 6 bis 8 HOAI übernommen
würden. Eine vergleichbare Auffassung wird von manchen öffentlichen Auftraggebern über Vermessungsleistungen geäußert.
Die Auffassungen der Kommission und der Vergabekammer Sachsen verkennen nach hiesiger Auffassung den Charakter dieser Leistungen. So ist es erforderlich, dem Planungs- und Baugeschehen
förderliche Reaktionen auf immer wieder auftretende unerwartete Ereignisse im Zuge der Abwicklung
14
Entscheidung der Vergabekammer Sachsen vom 29. Juni 2001 – 1/SVK/31-01 – IBR 2001, 563
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einer Maßnahme durch den Einsatz von Ingenieurerfahrung und –kreativität sowie Managementerfahrung garantieren zu können. Derartige Reaktionen sind eben wegen der Unkalkulierbarkeit solcher
unerwarteter Ereignisse auch nicht „vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbar''. Dasselbe gilt für
die Durchführung von Vermessungsleistungen, selbst wenn es sich beispielsweise um die Bestandsaufnahmen von Gewässerprofilen handelt, die anschließend für Hochwasserabflussberechnungen oder die Ermittlung von Hochwasserstandslinien verwendet werden. Bei solchen Vermessungsleistungen kommt es entscheidend auf die Erfahrungen und Kenntnisse des Vermessungsingenieurs
an, die in der Örtlichkeit maßgebenden und kritischen Punkte zu erfassen. Diese können erst bei der
Durchführung der Vermessung festgestellt werden. Die Anzahl der Messpunkte bestimmt die Kosten
der Vermessung entscheidend; diese Punkte können insbesondere für längere Flussstrecken nicht vor
der Durchführung der Vermessung eindeutig und erschöpfend bestimmt werden.
Wenngleich für die hier vertretene Auffassung eine höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht, ist
zusammenfassend festzustellen, dass nach ganz überwiegender Meinung15,16,17 die Leistungen von
Ingenieuren - von seltenen Ausnahmen abgesehen - nach VOF und nicht nach VOL/A zu vergeben
sind. Dies schließt auch einen Großteil derjenigen Leistungen ein, die in der HOAI zwar erfasst sind,
aber ohne Honorarverordnung geblieben sind. Beispiele hierfür sind die folgenden Leistungen:
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bei der vermessungstechnischen Bestandsaufnahme von Flussläufen zur Vorbereitung von
Hochwasserabflussberechnungen,
für die Hochwasserabflusssimulationen selbst,
bei Bedarfsanalysen hydrologischer, hydraulischer und topografischer Daten zur Herstellung von
Hochwassergefahrenkarten,
Leistungen bei Gesamtentwässerungs- bzw. Allgemeinen Kanalisationsplänen
Leistungen bei der Aufnahme und Interpretation von Schäden in Abwasserkanalnetzen sowie bei
der Entwicklung eines Sanierungskonzepts
Leistungen für Objekte, deren anrechenbare Kosten höher als die in den Honorartafeln erfassten
anrechenbaren Kosten sind
Sanierung von Altstandorten und Deponien
Baugrunderkundungen
Häufig vorliegende Beschreibungen des methodischen Ablaufs der genannten Leistungen und die für
einzelne Bearbeitungsschritte zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel und –hilfen einschließlich geeigneter EDV-Programme könnten den Eindruck nahe legen, dass es sich bei solchen Leistungen um
vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen handeln würde18,19,20,21. Bei den genannten Beispielen, die stellvertretend für eine Vielzahl anderer fachspezifischer Regelungen stehen, handelt es sich durchweg nur um Hilfsmittel in Form von Checklisten, EDV-Programmen und einheitlich
zu handhabenden Interpretationshilfen. Deren Anwendung ist für eine einheitliche und vergleichbare
Bewertung der Leistungsergebnisse zwingend notwendig.
15
Müller-Wrede, a.a.O., § 2 Rdn.74
Voppel-Osenbrück-Bubert, a.a.O., § 2 Rdn. 47 mit zahlreichen weiteren Literaturhinweisen
17
Urteil des OLG München, 28.4.2006 – Verg 6/06, ibr-online
18
Leitfaden Nr. 38 (Fortschreibung der Erfassung altlastverdächtiger Flächen) der Landesanstalt für Umweltschutz BadenWürttemberg, 2003. Materialien zur Altlastenbearbeitung in Baden-Württemberg sind z.B. einzusehen unter
http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/alfaweb
19
Arbeitshilfen zur Vereinbarung von Ingenieurverträgen für die Bearbeitung von Gesamtentwässerungsplänen (GEP), Heft Nr.
12 der AHO Schriftenreihe, Stand Januar 2000
20
Programme zur Durchführung statischer Berechnungen
21
Arbeitsblätter der ATV/DVGW
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Zahlreiche weitere Architekten- und Ingenieurleistungen sind in der HOAI nicht erfasst. Ein Beispiel
hierfür sind die Leistungen bei der "Fortschreibung der Erfassung altlastenverdächtiger Flächen", die
nach Abschluss der Ersterfassung altlastenverdächtiger Flächen in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs erfolgt. Künftig werden regelmäßige Fortschreibungen erforderlich, für die der von
der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg veröffentlichte Leitfaden „Fortschreibung der
Erfassung altlastenverdächtiger Flächen“22 einen Wiederholungsturnus von etwa fünf Jahren vorschlägt. Ziel der Fortschreibung ist die Erfassung von altlastenverdächtigen Flächen, bei denen erhebliche Schadstoffeinträge in den Untergrund zu erwarten sind23. Liegen Anhaltspunkte hierfür vor, erfolgt in einem ersten Bearbeitungsschritt eine erste qualitative Einschätzung der Gefährdung. In einem
zweiten Bearbeitungsschritt wird das weitere Vorgehen definiert. Dabei wird auch darüber entschieden, ob eine orientierende Untersuchung des Standortes erfolgen muss. Die für diese Entscheidung
notwendigen ergänzenden Informationen müssen durch den Erfasser in diesem Bearbeitungsstadium
ebenfalls beschafft werden. Alle erfassten Daten und daraus abgeleiteten Entscheidungen über die
weitere Behandlung der als altlastenverdächtig eingestuften Flächen werden in digitalen Dokumenten
nach einem landesweit einheitlichen Standard zusammengefasst.
Die Beschreibung des methodischen Ablaufs der Erfassung und die für einzelne Bearbeitungsschritte
zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel und –hilfen einschließlich der EDV-Programme erwecken den
Eindruck, dass es sich bei der Erfassung um eine vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare
Leistung handeln würde. Auch hier handelt es sich lediglich um einheitlich zu handhabenden Interpretationshilfen. Deren Anwendung ist zur Schaffung eines einheitlich bewerteten Altlastenkatasters in
Baden-Württemberg zwingend notwendig. Aus diesem Grund haben die Landesanstalt für Umwelt
Baden-Württemberg und die Landesregierung die wesentlichen Arbeitsinstrumente (z.B. Arbeitshilfen
zur Bewertung altlastenverdächtiger Flächen – XUMA-Bewertung – oder die Informationssysteme
WAABIS und UIS)24 einheitlich festgelegt.
Die zentrale freiberufliche Tätigkeit bei der Erfassung ist die zutreffende fachliche Ermittlung, ggf. erforderliche Korrektur oder Fortschreibung und fachlich richtige Interpretation der gesammelten Informationen. Dabei bildet die sorgfältige Aktenanalyse einen besonderen Schwerpunkt. Die Bedeutung
der gesammelten Daten kann und muss der Erfasser während des Aktenstudiums beurteilen und entscheiden, welche Informationen bedeutsam sind oder nicht. Vor allem muss er sie auf Verlässlichkeit
und damit zu begründender Verwertbarkeit untersuchen. Erst dann wird entschieden, ob sie mit Hilfe
der erwähnten Arbeitshilfen ausgewertet werden sollen, um danach zu den gewünschten werkvertraglich geschuldeten Arbeitsergebnissen zu kommen. Dieser Prozess erfordert die vom Leitfaden gestellten hohen Mindest-Anforderungen an die Erfasser25, die nur von erfahrenen Fachleuten erfüllt werden
können. Es liegt in der Natur der geschilderten Anforderungen an die Leistungsergebnisse, dass die
dazu notwendigen Leistungen nicht vor ihrer Durchführung in Form eines Leistungsverzeichnisses
beschreibbar sind.
Auch die digitale Datenerfassung oder die Herstellung digitaler Unterlagen (Datenblätter, Karten, Fotos etc.) sowie deren Aufnahme in die zur Verfügung stehenden Datenbanken sind keine vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare freiberufliche Leistungen. Dies trifft zwar auf das Einscannen
von Unterlagen oder die Digitalisierung von Flächen zu, nicht aber auf das Erstellen des Altlastenin-
22
Leitfaden Nr. 38 (Fortschreibung der Erfassung altlastverdächtiger Flächen) der Landesanstalt für Umweltschutz BadenWürttemberg, 2003. Materialien zur Altlastenbearbeitung in Baden-Württemberg sind z.B. einzusehen unter
http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/alfaweb
23
Leitfaden – Kurzfassung, S. 5
24
siehe Hinweise im Literaturverzeichnis des Leitfadens, S. 45
25
siehe Hinweise im Literaturverzeichnis des Leitfadens, S. 13
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formationssystems oder auf die Aufnahme in die Datenbanken, da das Altlasteninformationssystem
auf unterschiedliche Weise erstellt werden kann; somit können die konkreten Schritte zur Lösung dieser Aufgabe auch nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden. Schließlich treten bei
der Aufnahme der Daten in die Datenbanken oft unvorhersehbare und daher unkalkulierbare Probleme auf, die eine vorherige detaillierte Beschreibung der Tätigkeit nicht zulassen.
Die zentralen freiberuflichen, geistig - schöpferischen Tätigkeiten bei der Bearbeitung solcher Leistungen sind die zutreffende fachliche Ermittlung der für das Erreichen des vertraglich zu vereinbarenden
Projektziels notwendigen Grundlagen, die fachlich richtige Interpretation der gesammelten Informationen und die darauf aufbauende planerische Tätigkeit. So muss der Erfasser die Bedeutung der gesammelten Daten bei den regelmäßig erforderlichen Bestandsaufnahmen beurteilen und entscheiden,
welche Informationen bedeutsam sind oder nicht. Vor allem muss er sie auf Verlässlichkeit und damit
zu begründender Verwertbarkeit untersuchen. Erst dann wird entschieden, ob sie mit Hilfe der erwähnten Arbeitshilfen ausgewertet werden können, um dann – auf dem Wertungsergebnis aufbauend
- zu den gewünschten werkvertraglich geschuldeten Arbeitsergebnissen zu kommen.
Dieser Prozess erfordert in allen als Beispiel genannten Fällen die hohen Mindest-Anforderungen an
die Bearbeiter solcher Leistungen, wie sie beispielsweise in dem genannten LfU-Leitfaden26 genannt
und nur von erfahrenen Fachleuten erfüllt werden können. Es liegt in der Natur der geschilderten Anforderungen an die Leistungsergebnisse, dass die dazu notwendigen Leistungen nicht vor ihrer Durchführung in Form eines Leistungsverzeichnisses beschreibbar sind.
Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen i.V.m. gewerblichen Leistungen
Ingenieure übernehmen häufig Leistungen, die eine Kombination von vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbaren und von beschreibbaren freiberuflichen und gewerblichen Leistungen darstellen. Beispiele sind Leistungen bei:
•
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•
•
dem Erstellen und Fortschreiben von Kanal- und Abwasserkatastern,
der Baugrunderkundung und Baugrundbegutachtung,
der Altlastenerkundung,
der Umweltanalytik,
Bei der Beurteilung der vergaberechtlich einwandfreien Einordnung und Gestaltung der Vergabe solcher Dienstleistungen kommt es auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung an. Im Folgenden sollen
gewisse typische und in der Praxis verbreitete Auftragstypen in ihrer vergaberechtlichen Relevanz
geprüft und dargestellt werden.
Hierzu werden zunächst die vorab beschreibbaren und vorab nicht beschreibbaren Arbeitsschritte
stichwortartig ohne Unterscheidung zwischen Leistungen von freiberuflich Tätigen und Gewerbebetrieben und ohne Anspruch auf Vollständigkeit in den folgenden fünf Beispielen27 aufgelistet:
1. Leistungen beim Erstellen und Fortschreiben von Kanalkatastern
26
27
siehe Hinweise im Literaturverzeichnis des Leitfadens, S. 13
Kaufhold-Mayerhofer-Reichl, a.a.O., § 2 Rdn. 31ff.
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Beispiele für vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- die Reinigung und anschließende Zustandserfassung von Abwasserkanälen mittels TV-Kamera
- das Aufmass der Anlagen und das Herstellen der Bestandsdokumentation
- die Beseitigung des anfallenden Kanalreinigungsgutes
Beispiele für vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Begutachtung der vorgefundenen Schäden
- Bewertung der Schäden nach Schadensklassen und Sanierungspriorität
- Aufbau einer Kanaldatenbank
2. Leistungen bei der Baugrunderkundung/Baugrundbegutachtung
Beispiele für vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Abteufen von Erkundungsbohrungen
- Durchführung von Sondierungsarbeiten
- Durchführung von Labor- und Feldversuchen
- Entnahme von Wasser- und Bodenproben
Beispiele für vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Baugrundbeurteilung/Gründungsberatung
- Aufstellen erdstatischer Berechnungen
- Beraten beim Bauen im Fels
3. Leistungen bei der Altlastenerkundung
Beispiele für vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Abteufen von Erkundungsbohrungen
- Durchführung von Sondierungsarbeiten
- Durchführung von Labor- und Feldversuchen
- Entnahme von Wasser- und Bodenproben
- Messstellenbau
- Schürfe
- Reinigungs-, Labor- und Analytikleistungen
Beispiele für vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Entwicklung des Untersuchungsprogramms
- Durchführung des Untersuchungsprogramms
- Gefährdungsabschätzung
- Sanierungsplanung
4. Leistungen bei der Umweltanalytik
Beispiele für vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
- Entnahme von Wasser-, Abwasser- und Schlammproben
- Labor- und Analytikleistungen
- Messung von Volumenströmen
Beispiele für vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen:
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Interpretation der Messergebnisse
Beurteilung und Wertung der Analysen
Veranlassung ergänzender Untersuchungen
Gutachten
Für die Durchführung der Leistungen gibt es verschiedene Alternativen der Vertragsgestaltung und
damit auch bei den Vergabeverfahren; Beispiele:
Alternative 1:
Ein freiberuflich Tätiger übernimmt unter Zugrundelegung einer vom öffentlichen Auftraggeber formulierten Leistungsbeschreibung die Gesamtleistung (sowohl beschreibbare als auch nicht beschreibbare und gewerbliche Leistungen). Neben den planenden, überwachenden oder begutachtenden geistigschöpferischen Leistungen werden im gleichen Vertrag vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare freiberufliche Leistungen mit Einheits- oder Pauschalpreisen vereinbart. Die Leistungen von als
Subunternehmern zu verpflichtenden Gewerbebetrieben werden ebenso wie deren Kosten nur nachrichtlich mitgeteilt. Die Preise der gewerblichen Leistungen werden von dem beauftragten freiberuflich
Tätigen nach Vertragsabschluß nach VOB/A oder VOL/A im Wettbewerb ermittelt; Auftraggeber dieser
Leistungen ist der freiberuflich Tätige.
Alternative 2:
Ein freiberuflich Tätiger übernimmt nur die in Alternative 1 beschriebenen freiberuflichen Leistungen.
Die Vergabe der gewerblichen Leistungen erfolgt nach VOB/A oder VOL/A durch den öffentlichen
Auftraggeber selbst; der freiberuflich Tätige führt die hierzu notwendigen Leistungen (Vorbereiten und
Mitwirken bei der Vergabe) durch. Die Ausführungsüberwachung der gewerblichen Leistungen erfolgt
ebenfalls durch die freiberuflich Tätigen auf HOAI-Basis.
Die Wahl des Vergabeverfahrens orientiert sich im Regelfall am Schwerpunktprinzip der Kosten der
Leistungen (z.B. § 2 Abs. 4 VOF): Aufträge werden nach den Vergabevorschriften derjenigen Leistungen vergeben, deren Wert anteilmäßig überwiegt. Danach käme je nach Wertgewicht für die Vergabe
der Leistungen in Alternative 1 VOB/A, VOL/A oder VOF zur Anwendung, für die Vergabe der freiberuflichen Leistungen in Alternative 2 käme je nach Wertgewicht VOL/A oder VOF in Frage.
In den erwähnten und ähnlich gelagerten Fällen der Kombination vorab nicht beschreibbarer freiberuflicher Leistungen einerseits und beschreibbarer freiberuflicher Leistungen – gegebenenfalls mit gewerblichen Leistungen – andererseits, deren Wert den Wert der nicht beschreibbaren freiberuflichen
Leistung überwiegen kann, erscheint das Schwerpunktprinzip als ungeeignet. Anders als beispielsweise bei der Ausführung von Bauwerken stellt in den Beispielen 1. bis 3. die Leistung der Gewerbebetriebe nicht die Umsetzung von Architekten- oder Ingenieurleistungen in ein konkretes Bauvorhaben
dar, sondern ist die Voraussetzung für die freiberufliche Leistung. Die Qualität der gewerblichen Leistungen der Subunternehmer (Alternative 1) oder der beschreibbaren freiberuflichen Leistungen im
Beispiel 5. (Alternative 2) bestimmt die Qualität und Aussagekraft der nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbaren Leistungen der freiberuflich Tätigen. In beiden Alternativen muss die Wahl
des Vergabeverfahrens vom Leistungsziel her beurteilt werden. „Leistungsziel'' könnte in diesem Zusammenhang mit „Aufgabe'' gleichgesetzt werden, deren Lösung vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar ist (§ 5 VgV). Bei den genannten Beispielen sind die Leistungsziele stets Ergebnisse freiberuflicher Leistungen in Form von Gutachten, Bewertungen, Schadensabschätzungen etc.,
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deren Aussagen auf den Leistungsergebnissen der beschreibbaren Leistungen aufbauen. Insofern
übernimmt der freiberuflich Tätige die Gewähr für die vollständige Erfüllung seines Leistungsziels
(Werkvertrag) unter Einschluss der anderen Leistungsergebnisse. Daraus kann geschlossen werden,
dass in diesen Fällen für die Vergabe der Leistungen die VOF zur Anwendung kommen muss.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Vergabe von Leistungen nach Alternative 1 zumindest teilweise aus mittelstandsrechtlichen bzw. politischen Gründen nicht unumstritten ist,
was aber auf die erläuterte vergaberechtliche Problematik keinen Einfluss hat. So ist es beispielsweise nach den Bayerischen Mittelstandsrichtlinien Öffentliches Auftragwesen28 untersagt, Generalübernehmerverträge zu erteilen. Die beschriebenen Fälle könnten bei Durchführung nach Alternative 1 als
derartige Aufträge angesehen werden.
Vergleichbare Überlegungen gelten dann, wenn – wie im Beispiel 4 – Leistungen bei der Umweltanalytik vergeben werden sollen. Wenn das Leistungsziel eine oder mehrere der nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbaren Leistungen ist, wären auch beim denkbaren wertmäßigen Überwiegen der
beschreibbaren Leistungen sämtliche Leistungen nach VOF zu vergeben. Eine ähnliche Auffassung
könnte aus einer Stellungnahme des BMWI29 zur Frage abgelesen werden, ob bei der Vergabe von
Leistungen unabhängiger Prüflabors die VOL/A anzuwenden sei. Danach falle die Vergabe chemischanalytischer Dienstleistungen ab einem Auftragswert von 200 000 ECU grundsätzlich unter den Leistungsbegriff der VOL/A. Ein Ausschluss vom Anwendungsbereich der VOL/A könne nur dann erfolgen, wenn die Erbringung chemisch-analytischer Leistungen von Prüflaboratorien im Wettbewerb mit
Freiberuflern erfolge. Dies sei im Einzelfall zu prüfen. Sofern ein Wettbewerb zwischen Freiberuflern
und Gewerbetreibenden bei der zu vergebenden Dienstleistung bestehe, sei zusätzlich zu prüfen, ob
Gegenstand der Leistung „eine Aufgabe ist, deren Lösung vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann''. Nur wenn dies nicht der Fall sei, sei die VOF anzuwenden.
Leistungen von Prüflaboratorien sind Labor- und Analytikleistungen, die im Regelfall zu den vorab
eindeutig und erschöpfend beschriebenen Leistungen gehören. Wenn zu diesen Leistungen der Laboratorien aber Leistungen bei der Interpretation der Messergebnisse i.S.v. Gutachten, Beurteilungen
und Wertungen oder Empfehlungen hinzukommen, dürfte es sich bei der Gesamtleistung um eine
Aufgabe handeln, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann.
Kommt also die Prüfung der Aufgabenstellung zu diesem Ergebnis, ist – wie oben beschrieben – die
VOF anzuwenden.
Überblick über die Verfahren zur Vergabe freiberuflicher Leistungen
Als Ergebnis aus dem bisher Gesagten ist festzuhalten, dass Architekten- und Ingenieurleistungen nur
im Ausnahmefall vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbar sind; sie sind demzufolge entweder
freihändig oder im Verhandlungsverfahren zu vergeben, soweit der geschätzte Auftragswert bei öffentlichen Aufträgen 211.000 € beziehungsweise bei Aufträgen in den Sektorenbereichen 422.000 € erreicht oder höher ist.. Das bedeutet, dass in beiden Fällen über die Auftragsbedingungen in Vergabegesprächen des Auftraggebers mit den für den Auftrag infrage kommenden Architekten und Ingenieuren verhandelt wird.
28
29
Bayerische Mittelstandsrichtlinien, Ziffer 6 (WVM Bl. 1984, S. 136)
Schreiben I B 3 – 260500/18 – vom 3. Februar 1998 an die Wirtschaftsminister/-senatoren der Länder.
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Werden die genannten Schwellenwerte nicht erreicht, so gelten gemäß § 1 VgV in Verbindung mit § 1
VOL/A keine formalisierten Vergabebestimmungen. Dies gilt sowohl für die Vergabe vorab beschreibbarer als auch für die Vergabe nicht vorab beschreibbarer Leistungen. In den Erläuterungen zur
VOL/A (Ziffer III NR: 1 § 1 zweiter Spiegelstrich) wird hierzu festgestellt:
„.... Nach § 55 Abs. 1 BHO30 (bzw. den entsprechenden landes- und kommunalrechtlichen Bestimmungen) muss dem Abschluss von Verträgen .... eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht
die Natur des Geschäfts .... eine Ausnahme rechtfertigen. ... Es kann davon ausgegangen werden,
dass der Ausnahmetatbestand bei freiberuflichen Leistungen in der Regel erfüllt ist. Sie können daher
grundsätzlich freihändig vergeben werden.
.... Die Aufträge sind .... an solche Freiberufler zu vergeben, deren Fachkunde, Leistungsfähigkeit und
Zuverlässigkeit feststeht, die über ausreichende Erfahrung verfügen und die Gewähr für eine wirtschaftliche Planung und Ausführung bieten. Die Aufträge sollen möglichst gestreut werden“.
Die nahezu wortgleiche Formulierung ist beispielsweise in Ziffer 7.2 der Mittelstandsrichtlinien der
Landesregierung Baden-Württemberg zu finden31. Die freiberuflichen Dienstleistungen „können“ also
bei Auftragswerten unter 211.000 € bzw. 422.000 € freihändig vergeben werden; nach den Mittelstandsrichtlinien „haben sie freihändig zu erfolgen“. Umso mehr ist bei der Vergabe darauf zu achten, dass bei der Wahl des Architektur- und Ingenieurbüros qualitative Gesichtspunkte den Vorrang
gegenüber monetären erhalten. Selbst das von der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung
Baden-Württemberg angewendete Suchverfahren32 für Aufträge mit Vergabesummen unter den
Schwellenwerten wird fälschlicherweise von beiden Seiten häufig als Preiswettbewerb missverstanden.
Um das Ziel der leistungsorientierten Vergabe zu erreichen, ist eine dem VOF-Verfahren ähnelnde
stark vereinfachte Auswahlphase (Abb. 5) zu empfehlen, die anschließend unmittelbar zu Vergabeverhandlungen führen kann.
Abb. 5:
Auswahlphase bei freihändiger Vergabe ohne Planungswettbewerb
Freie Erkundung von Bewerbern
Bewerbungsunterlagen
(müssen Mindestanforderungen des
Auftraggebers erfüllen)
Aufforderung zur Abgabe einer
qualifizierten Bewerbung nach
den Auswahlkriterien Fachkunde,
Leistungsfähigkeit, Erfahrung,
Zuverlässigkeit
Wahl eines Bewerbers und Einladung zum Bietergespräch
30
Bundeshaushaltsordnung in der jeweils geltenden Fassung in
Mittelstandstandsrichtlinien für öffentliche Aufträge –MRöA) vom 06.08.2003, GABl. Nr. 51 - 2003, S. 591
32
Rift-Muster L110 – 04/2004: Such-/Verhandlungsverfahren Vertrag – Gebäude 31
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Die Struktur des VOF-Verfahrens ist in Abb. 6 skizziert; es gilt sinngemäß auch für die Vergabe von
Leistungen in den Sektoren.
Abb. 6:
Ablauf des Vergabeverfahrens nach VOF (Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung
Vergabebekanntmachung durch Auftraggeber
(europaweit)
Auswahlphase
Bewerbungsfrist mind. 37 (15) Tage
Auswahlkriterien
Bewerbung von X Bewerbern um Einladung zu
Vergabeverhandlungen
Bewerbungsunterlagen
Auswahl von mind. 3 Bewerbern und Einladung zu
Vergabegespräche
Auftragskriterien
Vorbereitung der Vergabeverhandlungen und
Angebotsbearbeitung
Leistungs- und
Honorarvorschlag
Auftragsverhandlungen und Ermittlung des Bewerbers, der die bestmögliche Leistung erwarten lässt
Vergabephase
Vergabeentscheidung durch die
entscheidungsbefugten Gremien
Information der nicht erfolgreichen Bewerber
Wartefrist nach § 13 VgV: 14 Kalendertage
Vertragsabschluss mit erfolgreichem Bewerber
Vergabevermerk und europaweite Bekanntmachung
über erfolgte Vergabe
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Der Vergabeentscheidung, die der Auftraggeber nach Abschluss der Verhandlungen trifft, liegt sowohl
bei der freihändigen Vergabe als auch bei der Durchführung eines europaweit bekannt gemachten
Vergabeverfahrens (nach VOF oder nach Richtlinie 2004/17/EG) seine Prognose über die Leistungsqualität von Bewerbern zugrunde, bei der er ihre personelle Qualifikation, Kapazitäten und Referenzen
über früher erbrachte vergleichbare Leistungen bewertet. Erst im Laufe bzw. nach Fertigstellung der
zu vergebenden Leistung kann der Auftraggeber erkennen, ob seine Prognose richtig war. Deswegen
ist es für eine richtige Entscheidung bei der Auftragsvergabe von großer Bedeutung, dass er die hierfür stets notwendigen drei Bewertungsschritte richtig macht:
Auswahlphase:
Schritt 1:
Prüfung der Bewerbungsunterlagen auf Vollständigkeit und Ausscheiden unvollständiger
Bewerbungen
Schritt 2:
Bewerberauswahl durch differenzierte fachliche Bewertung der Bewerbungsunterlagen
anhand der vorgesehenen oder bekannt gemachten Auswahlkriterien (z.B. Fachkunde,
Eignung, Erfahrung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit)
Vergabephase:
Schritt 3:
Durchführung von Bietergesprächen (Vergabeverhandlungen) und fachliche Bewertung
der Ergebnisse der Gespräche anhand der vom Auftraggeber gewählten Vergabe- oder
Zuschlagskriterien. Bei einem Vergabeverfahren nach VOF sind diese nach § 16 Abs. 3
VOF entweder in der Vergabebekanntmachung oder in der Einladung zum Bietergespräch
mitzuteilen; bei freihändiger Vergabe wird den Auftraggebern empfohlen, die Kriterien den
zum Gespräch eingeladenen Bewerbern ebenfalls vorher mitzuteilen. In beiden Fällen
dürfen die zuvor verwendeten Auswahlkriterien nicht noch einmal verwendet werden.
Der Auftraggeber kann als weiteren Schritt oder als alternative Lösung für die Auswahlphase in einer
Bekanntmachung über Wettbewerbe (Anhang II D. VOF) seine Absicht veröffentlichen, einen Auftrag
über eine freiberufliche Leistung nach Vorschalten eines Planungswettbewerb (§§ 20 bzw. 25 VOF i.
33
34
V. m. § 5 VOF und GRW 2004 oder RAW 2004 ) zu vergeben (Abb. 7). Auch bei Durchführung
einer freihändigen Vergabe ist es denkbar, einen Planungswettbewerb als zusätzliche Entscheidungshilfe in Ergänzung oder als Ersatz der Auswahlphase durchzuführen. Selbstverständlich ist in einem
solchen Fall keine europaweite Bekanntmachung erforderlich. Die anschließenden Auftragsverhandlungen folgen demselben Schema wie bei der Vergabe nach VOF (Abb. 6).
Es ist bekannt, dass wegen Fehlens eines formalisierten Verfahrens Vergabestellen öffentlicher Auftraggeber unter Hinweis auf die Landes- und Gemeindehaushaltsordnungen häufig nur Honorarangebote einholen, auf eine differenzierte fachliche Beurteilung des Leistungsvermögens von möglichen
Bewerbern aber verzichten. Dies ist deswegen erstaunlich, weil nach herrschender Meinung bei der
Vergabe freiberuflicher Leistungen Honorarangebote höchstens mit einem Wertungsgewicht von 30
%35 und weniger (häufig üblich: 20 %) berücksichtigt werden sollten. Das Gewicht der fachlichen Gesichtspunkte sollte mit 70 % und mehr angesetzt werden.
33
Grundsätze und Richtlinien auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens – GRW 1995 - Novellierte Fassung vom 22.12.2003, gültig ab 30. Januar 2004 (GRW 2004)
Regeln für die Auslobung von Wettbewerben (RAW 2004) auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des
Bauwesens, gültig in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
35
siehe z.B. die „Richtlinien der KfW-Entwicklungsbank für die Beauftragung von Consultants in der Finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern“ (Quelle: www.kfw.de/service/Online Bibliothek/Entwicklungszusammenarbeit/Richtlinien für die
Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern/Consultingaufträge, bei denen aber nicht die HOAI zur Anwendung kommt und
daher vergleichsweise große Preisdifferenzen auftreten können
34
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Abb. 7:
Auswahlphase für Realisierungswettbewerb nach VOF
Europaweite Bekanntmachung über einen Wettbewerb
durch Auftraggeber
Bewerbungsfrist mindestens 37 (15) Tage
Bewerbung von x Bewerbern
Auswahlkriterien
(Fachkunde,
Leistungsfähigkeit,
Erfahrung,
Zuverlässigkeit)
Bewerbungsunterlagen
(müssen Mindestanforderungen des
Auftraggebers erfüllen)
Entscheidung über die zum Wettbewerb Einzuladenden
Durchführung des Wettbewerbs und Entscheidung über Gewinner / Preisträger
Einen praktikablen Vorschlag für die Durchführung einer freihändigen Vergabe hat Tropf36 veröffentlicht, auf den empfehlend hingewiesen wird. Was sich also für die Vergabe nach VOF durchgesetzt
hat, sollte bei der freihändigen Vergabe erst recht angewendet werden.
Die freihändige Vergabe von Ingenieurleistungen erlaubt die freie Wahl geeigneter Partner. Das sollte
im Regelfall dazu führen, dass die Vergabestelle aus einem ihr bekannten fachlich geeigneten, leistungsfähigen, sich als zuverlässig erwiesenen erfahrenen Bewerberkreis ein Architektur- oder Ingenieurbüro zu Vergabeverhandlungen auswählt und über Auftragsbedingungen der zu vergebenden Leistungen verhandelt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Aufträge gestreut werden. Dabei ist darauf zu
achten, dass auch neu in den Bewerberkreis aufgenommene und die Leistungsanforderungen erfüllende Büros als Partner infrage kommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich mit anderen Büros zusammengeschlossen haben, um mit gemeinsamen Referenzen die Leistungsanforderungen des
Auftraggebers besser erfüllen zu können. Maßstab hierfür sind die nach herrschender Meinung auch
bei Vergaben von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte geltenden Vergabegrundsätze des § 4
VOF.
Entgegen der hier vertretenen Auffassung wird die Meinung vertreten, dass die Verhandlung mit nur
einem Büro nicht wettbewerbsgerecht sei; im Regelfall sollte hier mit mindestens 3 ausgewählten Büros verhandelt werden. Diese Meinung wäre dann zutreffend, wenn es bei den Verhandlungen bei
sinngemäßer Anwendung der §§ 16 Abs. 1 und 24 Abs. 1 vornehmlich um das Kennen lernen des
bestgeeignet erscheinenden Bewerbers gehen würde. Bei der Empfehlung, mit nur einem Bewerber
zu verhandeln, wird vorausgesetzt, dass die für die Aufgabe infrage kommenden Bewerber aus früherer Zusammenarbeit bereits bekannt sind, deswegen Verhandlungen über finanzielle und wirtschaftli-
36
Volker Tropf: Förmliches Auswahlverfahren zur Vergabe von Ingenieurleistungen unterhalb des Schwellenwertes der VOF,
altlastenforum info 1/2003, S. 37
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che Leistungsfähigkeit und insbesondere auch die durch Gespräche mit Bewerbern37 zu ermittelnde
fachliche Leistungsfähigkeit überflüssig und entbehrlich sind. Dann reicht es aus, mit dem vorab ausgewählten Bewerber ausschließlich über das Honorar zu verhandeln. Erst dann, wenn hier kein Konsens erzielt werden könnte, wären mit einem weiteren geeigneten Bewerber über das Honorar zu
verhandeln.
Schätzung des Auftragswertes - Zulässige Teilung eines Auftrages
Der Auftraggeber muss nach § 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VOF den Auftragswert für „denselben“ Auftrag
ermitteln. Leistungen, die der Auftraggeber selbst erbringt, können nicht Gegenstand des Auftrags
sein; daher bleiben Honoraranteile für Auftraggeberleistungen bei der Ermittlung des Auftragswertes
außer Betracht.
Bei der Ermittlung des voraussichtlichen Auftragswertes kommt der Definition der zu vergebenden
Leistungen eine besondere rechtliche Bedeutung zu. Unter Beachtung von § 3 Abs. 2 VOF ist dabei
von einer „einheitlichen“ Leistung auszugehen, die nur in zulässiger Weise losweise vergeben werden
darf. Dabei sind stets folgende Fragen zu klären:
1. Sind die für die Erfüllung eines Auftrages erforderlichen Leistungen als einheitliche, also aufeinander aufbauende und daher zusammengehörige Leistungen anzusehen und daher in einem einheitlichen, also „demselben“ Auftrag abzuwickeln, der gemeinsam oder in Losen an denselben
Auftragnehmer zu vergeben ist?
2. Können die Leistungen auch in voneinander unabhängig zu bearbeitende Aufträge aufgeteilt und
gleichzeitig an unterschiedliche Auftragnehmer vergeben werden, ohne den in § 3 Abs. 2 VOF
angesprochenen unzulässigen Umgehungstatbestand zu erfüllen?
Ein Umgehungstatbestand wird regelmäßig als erfüllt angesehen, wenn
•
•
offensichtlich zusammengehörende Teile eines Auftrages getrennt, aber nacheinander an denselben Auftragnehmer vergeben werden und
keine objektiven und nachvollziehbaren Gründe für eine Aufteilung desselben Auftrages vorliegen.
Der Auftragswert muss im Falle der Architekten- und Ingenieurleistungen (Objektplanung, Fachplanungen) nach den Bestimmungen der HOAI ermittelt werden, soweit die zu vergebenden Leistungen
in Leistungsbildern oder anderen Bestimmungen der HOAI erfasst sind. Dabei entspricht deren jeweilige Gesamtvergütung dem Auftragswert „derselben freiberuflichen Leistung'' (§ 3 Abs. 3 VOF). Daher
muss festgelegt werden, was unter „derselben freiberuflichen Leistung'' zu verstehen ist.
Nach § 2 Abs. 2 HOAI umfassen die Grundleistungen eines Leistungsbildes diejenigen „Leistungen,
die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrages im Allgemeinen erforderlich sind''. Besondere
Leistungen können nach § 2 Abs. 3 HOAI zu den Grundleistungen hinzu- oder an ihre Stelle treten;
sie können also auch zur Erfüllung eines Auftrages notwendig werden. Diese Festlegungen sind allein
preisrechtlicher Natur38. Die Amtliche Begründung zu § 2 HOAI erläutert ergänzend, dass die Grundleistungen „im Allgemeinen erforderlich sind, um ein bestimmtes Planungsziel zu erreichen''. Sollen
37
siehe § 24 Abs.1 VOF
38
HOAI 2002, Amtliche Begründung zu § 1, Bundesanzeigerausgabe, S. 83
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also beispielsweise einem Ingenieur die Leistungen bei der Objektplanung eines Ingenieurbauwerkes
nach Teil VII HOAI vollständig übertragen werden, so bilden die Leistungsphasen des § 55 HOAI und
die Leistungen bei der örtlichen Bauüberwachung nach § 57 HOAI zusammen „dieselbe Leistung'' des
Ingenieurs. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungen stufen- oder abschnittsweise bei demselben
Auftragnehmer abgerufen werden sollen. Dies gilt selbst dann, wenn die Leistungsphasen 1 bis 4 (bis
Genehmigungsplanung) von einem Büro und die folgenden Leistungsphasen von einem zweiten Ingenieurbüro durchgeführt werden; auch in diesem Fall bildet die Summe der beiden Honorare den
maßgebenden Auftragswert. Gleiches gilt sinngemäß für die Leistungen der Architekten oder anderer
Ingenieurleistungsbereiche nach HOAI. Selbstverständlich zählen im Bedarfsfall auch die jeweils gegebenenfalls erforderlichen Besonderen Leistungen zu „derselben Leistung''.
Werden für ein Objekt Leistungen aus verschiedenen Leistungsbildern der HOAI erforderlich (z.B.
Leistungen bei Gebäuden, bei Ingenieurbauwerken, bei Verkehrsanlagen, bei der Tragwerksplanung
und bei der technischen Ausrüstung – diese wiederum ggf. aufgeteilt in die sechs in § 68 genannten
Anlagengruppen -, so richtet sich die Höhe der Gesamtvergütung i.S.v. § 3 Abs. 1 VOF danach, ob
der Auftraggeber mit einem oder mehreren freiberuflich Tätigen zusammenarbeiten will. Hierfür gibt es
beispielsweise folgende Möglichkeiten:
Alternative A:
Der Auftraggeber schließt mit jedem Auftragnehmer (Objektplaner Gebäude, Objektplaner Freianlagen, Fachplaner Gas-, Wasser-, Abwasser- und Feuerlöschtechnik, Fachplaner Wärmeversorgungs-,
Brauchwassererwärmungs- und Raumlufttechnik, Fachplaner Elektrotechnik) einen eigenen Werkvertrag und beauftragt mit deren Koordination einen externen Projektsteuerer.
Konsequenz:
Die Auftragswerte für die Projektsteuerung, die Objektplanungen und für die jeweiligen
Fachplanungen sind getrennt zu ermitteln39. Gesamtvergütung i.S.v. § 3 Abs. 1 ist daher das jeweilige Honorar des jeweiligen Auftragnehmers.
Alternative B:
Der Auftraggeber beabsichtigt, einen Objektplaner als Generalplaner mit Subunternehmern oder eine
projektspezifisch zu bildende Arbeitsgemeinschaft aus Objekt- und Fachplanern zu beauftragen; die
Koordination ihres Projekteinsatzes erfolgt auftragnehmerseitig.
Konsequenz:
Die Höhe des Auftragswertes für dieselbe freiberufliche Leistung ist dieGesamtvergütung des Generalplaners.
Die Ermittlung der geschätzten Gesamtvergütung für die Grundleistungen der Architekten und Ingenieure nach § 2 Abs. 2 HOAI ist nur auf der Basis von Herstellkosten (bei städtebaulichen und landschaftsplanerischen Leistungen auch Verrechnungseinheiten oder Flächen) des zu bearbeitenden
Projekts möglich. Dazu müssen entweder die vorläufige Kostenannahme des Auftraggebers als Ergebnis der Bedarfsplanung oder Kostenschätzungen bzw. Kostenberechnungen als Ergebnis von
Planungsleistungen vorliegen. Dann ist die Ermittlung vergleichsweise einfach. Das Honorar ergibt
sich mit diesen Kosten aus der objektiv bestimmbaren Honorarzone, der Wahl eines geeigneten Ho-
39
So auch in Franke/Höfler, Anwendungsbereich und Kernvorschriften der VOF, S. 281.
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norarsatzes zwischen Höchst- und Mindestsatz, der Bewertung der gewünschten Leistungen und der
Annahme eines angemessenen Betrages für die Nebenkosten.
Sind infolge der obligatorisch vorauszusetzenden Bedarfsplanung oder infolge bereits vorliegender
Planungsergebnisse Besondere Leistungen i.S.v. § 2 Abs. 3 HOAI erkennbar, so muss der Auftraggeber deren Honorar der Vergütung für die Grundleistungen hinzurechnen, um die Gesamtvergütung zu
ermitteln. Das Honorar ist nach § 5 Abs. 4 HOAI „in angemessenem Verhältnis zu dem Honorar für die
Grundleistung zu berechnen, mit der die Besondere Leistung nach Art und Umfang vergleichbar ist. Ist
die Besondere Leistung nicht mit einer Grundleistung vergleichbar, so ist das Honorar als Honorar
nach § 6 (HOAI, Einfügung des Verfassers) zu berechnen.'' Damit ist die übliche Vergütung i. S. v. § 3
Abs. 1 Satz 2 VOF angesprochen.
Die Honorare der Leistungen, die teils in der HOAI nicht erfasst, teils außerhalb des Geltungsbereichs
der maßgebenden Honorartafeln liegen, sind ebenfalls vom Auftraggeber zu schätzen. Um eine zutreffende Größenordnung der zu erwartenden Honorare zu treffen, wird geraten, die Schätzung nach
dem voraussichtlichen Aufwand der Auftragnehmer nicht mit den Stundensätzen durchzuführen, die in
§ 6 HOAI verordnet sind. Die verordneten Sätze entsprechen nach herrschender Meinung und insbesondere nach den im Statusbericht 2000plus Architekten/Ingenieure40 veröffentlichten Untersuchungsergebnissen bei weitem nicht mehr der betriebswirtschaftlichen Wirklichkeit bei Architekten und
Ingenieuren; sie sind schon lange nicht mehr kostendeckend. Deswegen enthalten sie auch weder
notwendigen Sicherheiten gegen Risiken noch erst recht den notwendigen Gewinnanteil. Schätzungen des Auftragswertes mit den inzwischen überholten HOAI-Stundensätzen würden regelmäßig zu
niedrige Honorare ergeben, die keinen seriösen Vergleich mit angemessenen Honoraren zulassen,
die mit den Honorarvorschlägen erwartet werden sollten.
Öffentliche Aufraggeber sollten mindestens diejenigen Sätze verwenden, die sie für verwaltungsinterne Leistungen intern verrechnen. Insbesondere ist zu bedenken, dass diese den so genannten Bürostundensätzen entsprechen müssen, mit denen sämtliche Kosten eines Ingenieur- und Architekturbüros aus projektbezogener (= produktiver) Tätigkeit zu erwirtschaften sind. Die Höhe von Bürostundensätzen ist von Pfarr in vielen Gutachten untersucht worden41.
Der Verfasser hat im Zusammenhang mit Untersuchungen über eine Neufassung der HOAI42 auch die
Bürostundensätze untersucht. Diese Untersuchung baut auf den Untersuchungen der KGSt43, Köln,
über kostendeckende Stundensätze im kommunalen Bereich auf, wie sie für 2000 üblich waren. Die in
DM veröffentlichten Kosten sind für die Untersuchung in Euro umgerechnet worden.
Der mittlere Bürostundensatz ergibt sich grundsätzlich als Quotient aus der Summe aller jährlichen
Aufwendungen eines Auftragnehmers und der Summe aller Jahresstunden, die der Auftragnehmer
und seine Mitarbeiter bei projektbezogenen Leistungen für Dritte aufwenden. Differenzierte Bürostundensätze kalkulieren Auftragnehmer für sich und ihre Mitarbeiter in Abhängigkeit von ihrer Qualifikati-
40
41
42
43
Statusbericht 2000plus Architekten/Ingenieure, Gutachten der Forschungsgemeinschaft Enseleit, Löffelmann, Meran, Mertes,
Schramm, Schwarze für das BMWA, vorgelegt im Oktober 2002
zuletzt im „Gutachten zur Kosten- und Honorarentwicklung bei den Ingenieurbüros“, erarbeitet im Auftrag des AHO von der
Forschungsgruppe Professor Dr. Pfarr - Dr.-Ing. Koopmann, Stand 20.08.1993
W. Kaufhold: HOAI 2000 - Beitrag zur Neufassung der Honorarordnung der Architekten und Ingenieure, Mannheim 2000,
überarbeitet 2002 (nicht veröffentlicht), berücksichtigt im Statusbericht 2000plus Architekten/Ingenieure
KGSt-Bericht - 8/2001; Stand: 01.01.2001
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on und ihrer jeweiligen Personalkosten i.d.R. zu Gruppen zusammengefasst. Dabei sind unterschiedliche Produktivitätsansätze bei den Jahresstunden üblich, wie zum Beispiel Pfarr44 ermittelt hat:
1. für den Auftragnehmer und seine leitenden Mitarbeiter:
40 % bis 60 %
2. für den Ingenieur und sonstige Mitarbeiter mit abgeschlossenem Universitäts-, Hochschul- oder Fachhochschulstudium je nach Berufserfahrung, Position und Verantwortung:
60 % bis 80 %
3. für staatlich geprüfte Techniker, Labor-Fachpersonal und vergleichbare
Berufsgruppen sowie für Mitarbeiter mit entsprechender Berufserfahrung
70 % bis 85 %
4. für Technische Zeichner, Bauzeichner und sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben
erfüllen
80 % bis 90 %
Unter Produktivität wird der Anteil der projektorientiert aufgewendeten Arbeitsstunden eines Mitarbeiters aus der Summe seiner möglichen Arbeitsstunden pro Jahr verstanden; die projektorientiert aufgewendete Arbeitszeit wird auch als produktive Arbeitszeit bezeichnet. Die restliche Arbeitszeit wird
häufig missverständlich unproduktive Arbeitszeit genannt. Hierzu zählt zum Beispiel der Zeitaufwand
für allgemeine Geschäftsleitungstätigkeit, für Akquisition, Aus- und Fortbildung, aber auch für unvermeidliche unternehmensinterne Arbeiten. Auch der Zeitaufwand für Verwaltungs- und Sekretariatsarbeiten oder für die kaufmännischen oder die betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten in einem Ingenieuroder Architekturbüro wird als unproduktiv, also als nicht projektorientiert definiert. Daher bleiben die
Stunden der Mitarbeiter der Auftragnehmer wie zum Beispiel kaufmännisches Fachpersonal, Sekretariats- und Schreibkräfte, Hilfskräfte etc., die ausschließlich für unternehmensinterne Leistungen eingesetzt werden, bei der Ermittlung der projektbezogenen Stunden außer Ansatz. Ihre Kosten sind allerdings in den Jahresaufwendungen der Auftragnehmer vollständig enthalten und müssen durch projektbezogene Tätigkeit des technischen Fachpersonals erwirtschaftet werden. Das Ergebnis dieser
Untersuchungen des Verfassers ist in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Sie enthält die angenäherten kostendeckenden Bürostundensätze einschließlich Kosten für kaufmännische Betreuung
und Zuschlag für Risiko und Gewinn
Nr.
1
2
3
4
44
Berufsgruppe
Art
Bürostundensatz
€/h
für den Auftragnehmer, vergleichbare leitende Mitarbeiter wie Geschäftsführer, Niederlassungsleiter oder Partner
für Architekten, Ingenieure und sonstige Mitarbeiter mit abgeschlossenem Universitäts-, Hochschul-, Fachhochschulstudium
für staatlich geprüfte Techniker sowie für Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben
erfüllen
für technische Zeichner, Bauzeichner und sonstige Mitarbeiter, die
technische oder wirtschaftliche Aufgaben erfüllen
110 bis 120
85 bis 95
65 bis 75
60 bis 65
Pfarr, K.: Ermittlung der ersparten Aufwendungen - aber wie?, Schriften zur bau- und Immobilienwirtschaftlichen Forschung
und Praxis, Heft 3/1997
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Löffelmann/Fleischmann45 sind der Ansicht, dass erst folgende Stundensätze der in § 6 HOAI genannten Berufsgruppen ortsüblich sind und zu einer angemessenen Vergütung führen:
1. Auftragnehmer:
2. Technische und wirtschaftliche Mitarbeiter:
3. Technische Zeichner und sonstige Mitarbeiter:
78 bis 173 €
73 bis 126 €
63 bis 88 €
Die Qualifikationsanforderungen an die Bewerber
Die Auftraggeber sind nicht verpflichtet, die Auswahlkriterien bekannt zu machen. Sie müssen aber
die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung nach § 16 Abs. 2 VOF den zu Vergabegesprächen eingeladenen Bewerbern spätestens in der Einladung mitteilen. Kann der Auftraggeber seiner Meinung
nach die Gewichtung nicht angeben, so muss er mindestens die Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung angeben. Allerdings muss der Auftraggeber für seine Meinung nachvollziehbare
Gründe besitzen, die auch einem Nachprüfungsverfahren vor einer Vergabekammer standhalten.
Die genannten Kriterien müssen nach Güte- und Qualitätsmerkmalen gewichtet werden, damit sie die
für den Auftraggeber entscheidende Bedeutung erlangen können. Daher wird der Auftraggeber seine
Prognoseentscheidung nach den Bietergesprächen und aufgrund der dabei gesammelten Eindrücke
zugunsten des Bewerbers treffen, der nach seiner Überzeugung aufgrund der ausgehandelten Auftragsbedingungen die bestmögliche Leistung erwarten lässt (§ 16 Abs. 4 VOF i.V.m. § 24 Abs. 1
VOF).
Die Erfahrungen aus zahlreichen Vergabeverfahren zeigen, dass die möglichst frühe Bekanntgabe
aller Kriterien, also auch der Auswahlkriterien zu einer spürbaren Verbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses beiträgt. Dieser wird weiter verbessert, wenn der Auftraggeber auch die Methoden zur Bewertung der Auswahl- und Zuschlagskriterien schon in der Vergabebekanntmachung mitgeteilt hat oder auf Anforderung den Bewerbern zur Verfügung stellt. Dadurch kennen die Bewerber
von Anfang an die Entscheidungsschwerpunkte und können ihre Bewerbung gezielt formulieren.
Eine besonders wichtige Voraussetzung für eine auftragsbezogene Bewerbung ist die Beschränkung
der Auftraggeberforderungen auf die unbedingt notwendigen Informationen. Nach § 10 Abs. 4 VOF
dürfen Nachweise nur insoweit gefordert werden, wie es durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt ist. Diese Vorschrift ist eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Auftraggeber soll nicht ohne Not von den Bewerbern Nachweise fordern, die in keinem Verhältnis zum
Gegenstand des Auftrags stehen. Die Vorschrift will erreichen, dass sich Auftraggeber und Bewerber
auf eine konkrete, vorhabensspezifische Bewerbung konzentrieren. Der Auftraggeber muss außerdem
sein Bedürfnis bzw. Interesse hinsichtlich Auskünften, Unterlagen und Nachweisen nicht nur vom Gegenstand des Auftrags her beschränken, sondern auch mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse
der Bewerber am Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse46.
Die Qualifikationsanforderungen sind aber auch an den Grundsätzen der Vergabe nach § 4 VOF zu
messen. So sind alle Bewerber gleich zu behandeln (Abs. 2), unlautere und wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen unzulässig (Abs. 3) und kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sollen
45
46
Architektenrecht, 4. Auflage, Rdnr. 1097
Kaufhold-Mayerhofer-Reichl a.a.O. §10 Rdn. 8
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
23 von 42
angemessen beteiligt werden (Abs. 5). Dies bedeutet, dass der Auftraggeber schon bei der Wahl der
gewünschten Informationen einen möglichst umfassenden Wettbewerb anstreben und erlauben muss.
Dies bringt § 1 VOF umfassend zum Ausdruck, der freiberufliche und andere Bewerber – wie z.B.
auch gewerblich tätige Bewerber - bei der Bewerbung um freiberufliche Leistungen gleichstellt.
Umso weniger ist verständlich, wenn öffentliche Auftraggeber Zulassungsbeschränkungen formulieren, die selbst den Kreis der ausschließlich freiberuflich tätigen Interessenten unzulässig begrenzen.
Hierzu zählen z.B. folgende Forderungen, die immer wieder in Vergabebekanntmachungen zu finden
sind:
•
Nachweis der Eintragung in ein Berufs- und/oder Handelsregister nach Maßgabe des Mitgliedsstaates, in dem der Ingenieur tätig ist; alternative Formulierung: Nachweis der Berufszulassung durch Eintragung in ein Berufs- und Handelsregister nach Maßgabe des Mitgliedstaates,
in dem der Ingenieur tätig ist – Ausschlusskriterium.
Begründung:
Freiberuflich tätige Ingenieure sind allenfalls in ein Berufsregister (Ingenieurkammer) eingetragen.
Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgt nur für Kapitalgesellschaften und vergleichbare Organisationsformen. Mit einer solchen Forderung würden all diejenigen Ingenieure vom Wettbewerb
ausgeschlossen, die weder Mitglied in einer Ingenieurkammer (Berufsregister) noch in einem
Handelsregister eingetragen sind. Insbesondere wird damit von Vornherein eine angemessene
Beteiligung kleinerer Büroorganisationen und Berufsanfänger ausgeschlossen.
•
Forderung von Mindestgrößen des Gesamtumsatzes des Bewerbers pro Jahr und seines Umsatz
für entsprechende Dienstleistungen (z.B. im Jahresmittel mindestens Gesamtjahresumsatz von
3.000.000 € und mindestens 300.000 € für die zu vergebende Dienstleistung) in den letzten drei
Geschäftsjahren als Ausschlusskriterium.
Begründung:
Die Forderung von Mindestumsätzen schließt Bewerber mit geringeren Umsatzzahlen von Vornherein aus. Sie grenzt den Kreis der Bewerber unzulässig ein und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 4 Abs. 2 VOF. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 5 VOF
vor (angemessene Beteiligung kleinerer Büroorganisationen und von Berufsanfängern). Erst eine
qualifizierte Bewertung der Umsatzzahlen kann bei aller Offenheit des Bewerberkreises dennoch
das Kriterium Umsatzzahlen im Verhältnis zu den Mitarbeiterzahlen bei der Bewerberauswahl
Aufschluss über ihre Leistungsfähigkeit geben.
•
Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren abgeschlossenen vergleichbaren Dienstleistungen des vorgeschlagenen Projektleiters.
Begründung:
Leistungen für vergleichsweise seltene Bauvorhaben können angesichts der schwachen Baukonjunktur in den letzten Jahren stark abgenommen haben. In solch einem Falle wäre der geforderte
Abschluss von vergleichbaren Leistungen in den letzten drei Jahren ein unzulässiges, weil wettbewerbsbeschränkendes Ausschlusskriterium; es wird nur vergleichsweise wenige Bewerber geben, die eine nennenswerte Anzahl abgeschlossener vergleichbarer Leistungen in diesem Zeitraum nachweisen können. Daher sollten auch länger zurückliegende Referenzen angenommen
werden, da sich früher erbrachte Leistungen arbeitsmethodisch nicht wesentlich von den heutigen
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Basis-Anforderungen unterscheiden dürften und die früher gesammelten Erfahrungen von Bewerbern bzw. ihren Mitarbeitern auch heute noch zählen.
•
Bescheinigung einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde oder Vorlage einer eidesstattlichen
Erklärung über das Nichtvorliegen eines Ausschlusskriteriums nach § 11 VOF.
Begründung:
Wegen des durch eine solche Forderung entstehenden Verwaltungsaufwandes bei den Bewerbern und den genannten Behörden sollte die Ausstellung einer Bescheinigung auf wenige begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Auch auf die Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung sollte deswegen im Regelfall verzichtet werden, weil diese nach mehrheitlicher Meinung nur
gilt, wenn sie notariell beglaubigt ist. Regelmäßig ist eine Eigenerklärung der Bewerber auch mit
Blick auf § 11 e) (Ausschlussmöglichkeit bei falschen Erklärungen oder unberechtigte Zurückhaltung von gewünschten Auskünften) als unverzichtbar, aber auch als ausreichend anzusehen.
•
Beschreibung der Maßnahmen des Bewerbers zur Gewährleistung der Qualität
Begründung:
Diese unspezifische Nennung der gewünschten Information lässt die Bewerber im Unklaren, was
die Vergabestelle bewerten will. Herrschende Meinung ist, dass allein ein zertifiziertes QM-System
eines Bewerbers nur wenig über die eigentlich nachzuweisende Leistungsqualität aussagt, sondern lediglich ein Hilfsmittel zur Organisation bewerberinternener Arbeits- und Dokumentationsmethoden darstellt. Auch hier werden Berufsanfänger, kleinere Büroeinheiten und die Büros, die
die Zertifizierung aus Kostengründen oder auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht besitzen
oder anstreben, wegen der unklaren Beschreibung der Forderung benachteiligt, wenn beabsichtigt
wäre, ein zertifiziertes System besser zu bewerten als bewerbereigene Organisationsmodelle. So
ist bei einer solchen Formulierung auch unklar, ob z.B. eine Konformitätserklärung47 genau so
bewertet würde wie ein zertifiziertes System.
•
Die Dienstleistungserbringung ist einem besonderen Berufsstand vorbehalten: Ja.
Natürliche Personen, die gem. Rechts- oder Verwaltungsvorschrift ihres Heimatlandes am Tag der
Bekanntmachung gemäß der Richtlinie 85/384/EWG zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt sind. Bei juristischen Personen Nennung der bevollmächtigter Vertreter, der die
vorgenannten Anforderungen erfüllt.
Begründung:
Die genannte Richtlinie regelt die Anerkennung von Studienabschlüssen. Sie regelt kein Berufsausübungsrecht. Daher ist sowohl der Vorbehalt falsch als auch die Begründung hierfür.
•
Erklärung, dass der Auftragnehmer gemäß § 26 VOF die Auftragsleistung selbständig mit seinem
Büro ohne Unterauftragnehmer erbringt - Ausschlusskriterium
Begründung:
Diese Forderung grenzt Bewerber aus, welche die gesamte Leistung deswegen in einer Arbeitsgemeinschaft oder mit Subunternehmern erbringen wollen (z.B. Leistungen bei der Digitalisierung
von Karten), weil einige Spezialleistungen zu erbringen sind, für die diese Bewerber keine eigenen
ausreichenden Referenzen vorweisen können. Die Forderung ist ein Verstoß gegen das Gleich-
47
Kaufhold-Mayerhofer-Reichl a.a.O. § 8 Rdn. 9
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behandlungsprinzip und gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen (§ 4
VOF).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die in Vergabebekanntmachungen häufig zu findende Formulierung „Zahl der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen: mindestens
drei“ für die Vergabestelle unangenehme Folgen hat. Sie bedeutet nämlich, dass alle Bewerber, welche die Mindestanforderungen erfüllen, zu Vergabegesprächen eingeladen werden müssen. Auftraggeber, welche im Auswahlverfahren dennoch eine Höchstzahl von Einzuladenden willkürlich festlegen,
verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 4 Abs. 2 VOF. Daher sollte die Vergabestelle schon in der Vergabebekanntmachung die Mindest- und Höchstzahl der Bewerber mitteilen, die
zu Bietergesprächen ausgewählt werden sollen.
Von diesen nur beispielhaft genannten Forderungen oder Hinweisen abgesehen, stellt auch die häufig
zu beobachtende Forderung nach Auskünften unter alleinigem Hinweis auf die §§ 7, 11, 12 und 13
VOF eine Überforderung der Vergabestellen und der Bewerber dar. Sie hat nämlich zur Folge, dass
die Bewerber sämtliche dort formulierten Anforderungen erfüllen müssen. Dazu gehören beispielsweise die in der Regel nichtssagende Bankenerklärung nach § 12 a), Studiennachweise und Bescheinigungen (wer stellt diese aus?) über die berufliche Befähigung des Schlüsselpersonals des Bewerbers,
von der zuständigen Behörde (wer ist das?) ausgestellt oder beglaubigte Bescheinigungen über erbrachte Leistungen etc. Die Vergabestelle darf von solchen Forderungen bei der Bewerberauswahl
nicht abweichen. Tut sie es dennoch, macht sie sich eines Fehlers bei der Durchführung des Vergabeverfahrens schuldig. Auch aus diesen Gründen ist eine Selbstbeschränkung des Auftraggebers auf
die unbedingt nötigen Informationen anzuraten.
Auswahlkriterien und ihre Bewertung
Es ist üblich, die Auswahl der Bewerber mithilfe einer fachlichen Beurteilung der Bewerbungsunterlagen zu treffen. Dies geschieht in der Regel durch eine Bewertung mittels Punktsystem ähnlich der
Beurteilungsmethoden von Schul- oder Studienleistungen. Die in der Vergabebekanntmachung mitzuteilende Anzahl der Bewerber, deren Punktzahl der von der Vergabestelle vor der Durchführung der
Auswahl festzulegenden höchstmöglichen Punktzahl am nächsten kommen, sind zu Bietergesprächen
einzuladen.
Die Vergabestelle muss die Auswahlkriterien weder in der Vergabebekanntmachung noch sonst den
Bewerbern mitteilen. Sie ist in der Wahl und in der Anwendung dieser Kriterien frei. Allerdings muss
sie bedenken, dass sie wegen des grundsätzlich zu beachtenden Transparenzgebotes bei der Durchführung des Vergabeverfahrens spätestens bei einem bei der Vergabekammer anhängigen Nachprüfungsverfahrens darlegen können muss, dass sie die Bewertung ordnungsgemäß durchgeführt hat.
Vor diesem Hintergrund sind beispielsweise die in der folgenden Tabelle genannten Auswahlkriterien,
die bei einem Auswahlverfahren verwendet wurden, und ihre Bewertung falsch, zumindest aber kritisch zu bewerten:
Falsche Auswahlkriterien
Nr. Bezeichnung
1
Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von xxxx Euro für Sachschäden
2
Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung in Höhe von xxxx Euro für Perso-
26 von 42
Punkte
0 oder 10
0 oder 10
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3
4
5
6
7
8
9
10
nenschäden
Vorlage von Bilanzen bzw. Bilanzauszügen, falls deren Veröffentlichung vorgeschrieben ist
Erklärung über den Gesamtumsatz und den Umsatz für entsprechende Dienstleistungen in den letzten drei Geschäftsjahren, je getrennt nach Jahren
Nachweis der Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister
Erklärung über die technische Ausstattung, über die der Bewerber für die Erfüllung der Dienstleistung verfügen wird
Beschreibung der Maßnahmen des Bewerbers zur Gewährleistung der Qualität
Darstellung der internen Projektorganisation
Erklärung der Unabhängigkeit nach § 7 Abs. 2 VOF
Bescheinigung oder eidesstattliche Erklärung zum Nichtzutreffen der Ausschlusskriterien nach § 11 VOF
0 oder 10
0 oder 10
0 oder 10
0 bis 10
0 bis 20
0 oder 10
0 oder 10
0 oder 10
Zu den aufgeführten Kriterien ist folgendes zu sagen:
1. Die Kriterien Nr. 1, 2, 8, 9 und 10 hätten als Ausschlusskriterien mit „erfüllt/nicht erfüllt“ bewertet
werden müssen: fehlt eine ausdrücklich von der Vergabestelle verlangte Information eines Bewerbers, muss dieser ausgeschieden werden.
2. Kriterium Nr. 3 hätte gar nicht verwandt werden dürfen, da es all diejenigen Bewerber schlecht
bewertet, die z.B. mangels gesetzlicher Erfordernis keine Bilanz oder Bilanzauszüge erstellen.
3. Kriterium Nr. 4 enthält zwei wichtige Leistungskriterien, welche getrennt bewertet werden sollten.
Keinesfalls können unterschiedliche Umsätze – insbesondere nicht bei den zu vergebenden
Dienstleistungen – gleich, nämlich mit 10 Punkten bewertet werden. Die Bewertung mit 0 ist
falsch, da beim Fehlen von Angaben die Bewerbung ausgeschlossen werden muss.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Umsätze in Verbindung mit den ebenfalls anzugebenden Mitarbeiterzahlen dazu dienen können, die Bedeutung der zu vergebenden Dienstleistungen im Tätigkeitsspektrum der Bewerber zu vermitteln. Allerdings sollte die Vergabestelle für den
Fall, dass es sich wie im Falle der Erfassung bzw. Fortschreibung der Altlastenerhebungen um
Leistungen handelt, für die in den zu bewertenden Jahren eine relativ geringe Zahl von Aufträgen
erteilt wurden, bei der Gewichtung und Bewertung dieses Auswahlkriteriums zurückhaltend sein.
4. Kriterium Nr. 6 sollte überhaupt nicht oder allenfalls mit „erfüllt/nicht erfüllt“ bewertet werden. Die
Durchführung der Leistungen erfordert eine Mindestausstattung, die vom Bewerber nachzuweisen
wäre.
5. Die Beschreibung der Maßnahmen des Bewerbers zur Gewährleistung der Qualität (Kriterium Nr.
7) ist deutlich höher bewertet als die anderen Kriterien. Daher wäre es Aufgabe der Vergabestelle
gewesen, in der Vergabebekanntmachung zu definieren, welcher Art diese Maßnahmen sein sollten. Zertifizierte Maßnahmen, durch Konformitätserklärung oder durch bürospezifische Maßnahmen zur Gewährleistung der Leistungsqualität abgesicherte Maßnahmen wären dabei gleichermaßen anforderungserfüllend zu werten gewesen.
Beteiligung oder Nichtbeteiligung vorbefasster Bewerber an der Vergabe?
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27 von 42
Vorbefasst mit einem Objekt sind Bewerber, die den Auftraggeber vor dem Vergabeverfahren bei
demselben Objekt beraten oder für dasselbe Objekt bereits Leistungen anderer Art (z.B. Bearbeitung
der Bedarfsplanung oder Schaffung der Voraussetzungen für Finanzierungsanträge) erbracht haben.
Die Rechtssprechung über die Frage, ob solche Bewerber bei einem Vergabeverfahren berücksichtigt
werden dürfen, ist widersprüchlich. So entschieden die OLG Jena48 und Düsseldorf49, dass grundsätzlich jeder Bewerber, der in irgendeiner Weise Leistungen für das Objekt vor der aktuellen Vergabe
erbrachte, von der Vergabe auszuschließen sei. Die Vergabekammern Lüneburg50 und BadenWürttemberg51 vertraten demgegenüber die Auffassung, dass nicht bei jeder Vorbefassung ein Bewerbungsverbot gegeben sei. Beide Kammern gehen davon aus, dass nicht bereits der "böse Schein"
einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ausreiche, um den vorbefassten Bewerber vom Vergabeverfahren
auszuschließen. Dies träfe insbesondere dann zu, wenn im Rahmen des Vergabeverfahrens allen
Bewerbern die von den vorbefassten Bewerbern erarbeiteten Unterlagen in vollem Umfang zur Verfügung gestellt würden und der Auftraggeber Auftragskriterien anwende, die seine in der Zusammenarbeit mit den vorbefaßten Bewerbern gesammelten Erfahrungen nicht berücksichtige. Inzwischen hat
der EuGH die letzteren Entscheidungen in der Tendenz bestätigt, wie das folgende Zitat52 aus IBRonline verdeutlicht:
Leitsatz der Redaktion: Kein unbedingter Projektantenausschluss
Die europäischen Vergaberichtlinien stehen einer Bestimmung entgegen, nach der eine Person, die
mit Forschungs-, Erprobungs-, Planungs- oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen
oder Dienstleistungen betraut war, nicht zur Einreichung eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots
für diesen öffentlichen Auftrag zuzulassen ist, ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wird, zu beweisen, dass die von ihr erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen können.
EuGH, Urteil vom 03.03.2005 - Rs. C-21/03; EuGH, Urteil vom 03.03.2005 - Rs. C-34/03
Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG Art. 3 Abs. 2; GWB § 97 Abs. 2; Sektorenrichtlinie 93/38/EWG
Art. 4 Abs. 2; VOB/A § 7; VOL/A § 6
Problem/Sachverhalt:
Eine belgische Verordnung bestimmt unter anderem, dass eine Person, die mit Forschungs-, Erprobungs-, Planungs- oder Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen
betraut war, nicht zur Einreichung eines Teilnahmeantrags oder eines Angebots für diesen öffentlichen Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag zuzulassen ist. Eine Entlastungsmöglichkeit ist für den
Betroffenen nicht vorgesehen. Ein belgisches Gericht legte dem EuGH unter anderem die Frage zur
Vorabentscheidung vor, ob das europäische Vergaberecht dieser Regelung entgegensteht.
Entscheidung des EuGH:
Nach Ansicht des EuGH ist diese Bestimmung nicht mit den Vorgaben der Dienstleistungs- und der
Sektorenrichtlinie vereinbar. Die Situation einer Person (z. B. eines planenden Ingenieurs), die mit den
beschriebenen Arbeiten betraut war, ist hinsichtlich der Teilnahme an der Ausschreibung nicht mit der
Situation eines nicht mit der Maßnahme vorbefassten Dritten zu vergleichen. Die vorbefasste Person
kann wegen der im Projektierungsstadium erlangten Information bei der Angebotserstellung begünstigt sein und die Vergabebedingungen in einem für sie günstigen Sinne beeinflusst haben. Deshalb
hält der EuGH eine Gleichbehandlung mit jedem anderen Bieter nicht für erforderlich. Allerdings ist die
48
OLG Jena, Beschluss vom 08.04.2003 - 6 Verg 9/02; NZBau 2003, 624 und IBR 2003, 325
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2003 - Verg 57/03, IBR 2004, 88
VK Lüneburg, Beschluss vom 17.10.2003 - 203-VgK-23/2003, IBR 2004, 385
51
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.02.2003 - 1 VK 72/02, IBR 2003, 443
52
IBR 2005, 229
49
50
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belgische Regelung nicht verhältnismäßig. Sie gibt dem Betroffenen keine Möglichkeit zu beweisen,
dass sich bei ihm die genannten Probleme im konkreten Fall nicht stellen, sondern schließt ihn stets
vom Wettbewerb aus. Die Gleichbehandlung wird aber ebenso gut gewährleistet, wenn ein Ausschluss nach Einzelfallprüfung bei Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils erfolgt.
Praxishinweis:
Die Projektantenproblematik ist schon seit längerem umstritten. Nach einer Ansicht besteht ein Beteiligungsverbot nur bei Vorliegen besonderer Umständen, etwa wenn sich deutliche Hinweise auf wettbewerbliche Vorteile des Ingenieurbüros z. B. aus der Beziehung zur Vergabestelle zeigen. … Offen
blieb bisher, ob ein Ausschluss zu unterbleiben hat, wenn keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu
befürchten ist. Der EuGH erkennt an, dass sich schon aus der Stellung der vorbefassten Person eine
Gefahr für den Wettbewerb ergibt. Dies spricht für die zuletzt genannte Auffassung. Allerdings ist dem
betroffenen Bieter vor seinem Ausschluss die Möglichkeit zu geben, sich zu entlasten. Hierfür trifft ihn
die Beweislast, der nicht leicht zu genügen sein wird.
Damit dürfte klargestellt sein, dass vorbefasste Architektur- oder Ingenieurbüros dann im Rahmen
eines Verhandlungsverfahren berücksichtigt werden dürften, wenn
ƒ
ƒ
weder die Auswahl- noch die Zuschlagskriterien Aspekte nennen, welche das vorbefasster
Büro gegenüber anderen Bewerbern bevorteilt und
sämtliche von dem vorbefassten Büro vorgelegten Arbeitsergebnisse den Mitbewerbern
schon in der Auswahlphase uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus muss die Vergabestelle dafür Sorge tragen, dass das vorbefasste Büro, welches als
Bewerber auftritt, die Möglichkeit eingeräumt erhält darzulegen, dass ihm aus seiner dem Vergabeverfahren vorangegangenen Tätigkeit keine Wettbewerbsvorteile entstanden sind. Ein solcher Nachweis
ist dem Büro insbesondere vor dem Hintergrund der Auswahl- und Zuschlagskriterien zu ermöglichen,
die der Auftraggeber bekannt gemacht hat.
Zuschlags- oder Auftragskriterien und ihre Bewertung
Nicht geregelt ist in der VOF die Phase zwischen dem nach § 10 VOF durchzuführenden Verfahren
zur Auswahl der Bewerber und der nach §§ 16 und 24 VOF durchzuführenden Auftragserteilung als
Abschluss der mit den ausgewählten Bewerbern geführten Verhandlungen, also alle Tätigkeiten von
der Aufforderung zur Angebotsabgabe über die Vergabeverhandlungen bis zum Vertragsabschluß.
Dadurch haben Auftraggeber und Bewerber die Freiheit, die Vertragsverhandlungen unter Beachtung
der Grundsätze der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung und der Vertraulichkeit der Angebote
im Wesentlichen nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten. Ungeachtet dessen wird
beiden Seiten empfohlen, sich an der in Art. 40 der Richtlinie 2004/18/EG 53 beziehungsweise in Art.
47 der Richtlinie 2004/17/EG54 für die Nichtoffenen Verfahren und für das Verhandlungsverfahren
vorgeschriebenen Vorgehensweise zu orientieren, die in der VOF nicht umgesetzt wurde.
Danach fordert der Auftraggeber die nach § 10 Abs. 1 VOF ausgewählten Bewerber gleichzeitig
schriftlich auf, zur Vorbereitung des Verhandlungsverfahrens ihre Angebote bis zu einem bestimmten
53
Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, Amtsblatt der Europäischen Union vom
30.4.2004,L 134/114
54
siehe Fußnote 13
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
29 von 42
Termin einzureichen. Der Aufforderung zur Angebotsabgabe muss der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen und eventuell notwendige zusätzliche Unterlagen beifügen. Die Aufforderung umfasst damit mindestens
•
•
•
•
•
•
gegebenenfalls Angabe des Tages, bis zu dem zusätzliche Unterlagen angefordert werden können sowie Mitteilungen der Kosten und Bedingungen für die Herausgabe dieser Unterlagen
Vertragsunterlagen (z.B. gegenüber der in der Vergabebekanntmachung präzisierte und eventuell
ergänzte umfassende Aufgabenbeschreibung, Vertragsentwurf mit Anlagen),
Frist (Datum) für den Eingang der Angebote, Anschrift des Auftraggebers und Angebotssprache
(soweit nicht in Vergabebekanntmachung schon festgelegt),
Hinweis auf alle veröffentlichten Bekanntmachungen
Bezeichnung der dem Angebot ggf. zusätzlich beizufügenden Unterlagen und
Mitteilung der für die Erteilung des Zuschlags maßgeblichen Zuschlags- bzw. Auftragskriterien
und ihre Gewichtung oder gegebenenfalls die absteigender Reihenfolge ihrer Bedeutung, soweit
nicht schon in der Vergabebekanntmachung erfolgt.
Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, wenn der Auftraggeber neben der Reihenfolge der Kriterien nach
ihrer Bedeutung auch Hinweise zu seiner „Wertungsmethode'' gibt. Aus dem anteiligen „Gewicht'' der
einzelnen Auftragskriterien am „Gesamtgewicht'' aller Kriterien wird dem Bewerber noch besser als
aus der Reihenfolge allein verdeutlicht, worauf der Auftraggeber besonderen Wert legt. Um den Bewerbern die Vorbereitung auf das Bietergespräch zu erleichtern und gleichzeitig sich selbst auf die
stets gleiche Vorgehensweise bei dem Gespräch zu verpflichten, sollte die Vergabestelle im Einladungsschreiben Hinweise zu dessen Ablauf geben (z.B. Gesprächsstruktur, geplante Zeitdauer für die
einzelnen Besprechungspunkte, Form der Präsentation, Gesamtdauer).
Aufgrund der Zweiteilung des Verhandlungsverfahrens (Auswahlphase, Vergabephase) ist davon
auszugehen, dass alle vom Auftraggeber zum Verhandeln ausgewählten Bewerber die von ihm vorausgesetzte und geprüfte Eignung aufweisen. Damit erfüllen die ausgewählten Bewerber alle Mindestanforderungen des Auftraggebers. Nach den diesbezüglichen Regeln der VOL/A und VOB/A (dort
jeweils § 25) dürften in der zum Zuschlag führenden zweiten Wertungsstufe diese Auswahlkriterien
nicht mehr in die Wertung einbezogen werden, d.h., es dürfte nicht gewertet werden, dass ein Bieter
nach Auffassung des Auftraggebers noch fachkundiger, leistungsfähiger oder zuverlässiger sei als ein
anderer. Dies fällt bei den der VOB/A bzw. VOL/A unterliegenden Leistungen insoweit leicht, als die
Angebote konkret beschreibbare Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen umfassen, so dass zusammen
mit dem Preis ein in der Regel objektiv beurteilbares und vergleichbares Preis-Leistungs-Verhältnis
der Angebote vorliegt.
Die saubere gedankliche und wertungsmäßige Trennung der beiden Stufen des Verhandlungsverfahrens bzw. der Eignungskriterien nach § 10 VOF und der Auftragskriterien nach § 16 VOF ist im Bereich der nicht beschreibbaren freiberuflichen Dienstleistungen aber schwierig und im Regelfall kaum
zweifelsfrei möglich, da die Auftragsvergabe nicht auf einem konkreten Leistungsangebot basiert,
sondern gerade bei Architekten- und Ingenieurleistungen weitgehend auf der schon erläuterten Prognoseentscheidung beruht, die nur die personellen Qualifikationen und Kapazitäten sowie Referenzen
über früher erbrachte Planungsleistungen des Bieters bewerten kann. Dies bedeutet praktisch, dass
weder die in Art. 53 Abs. 1a) der Richtlinie 2004/18/EG oder die in Art. 55 Abs. 1a) der Richtlinie
2004/17/EG noch die in § 16 Abs. 3 VOF genannten Auftragskriterien bei der Vergabe freiberuflicher
Leistungen eine besonders taugliche Entscheidungsgrundlage für den Auftraggeber sind.
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Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
Für die Prognoseentscheidung der Auftragsvergabe sind in der Praxis bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen namentlich die für die Bewerberauswahl vorgesehenen Auswahlkriterien
der Fachkunde, Eignung, Erfahrung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit maßgebend. Die Prognoseentscheidung für den zu beauftragenden Auftragnehmer wird daher letztlich auf der in den Verhandlungen mit den ausgewählten Bietern gewonnenen Überzeugung des Auftraggebers beruhen, welcher
der ausgewählten geeigneten Bewerber aus Sicht des Auftraggebers voraussichtlich am geeignetsten
ist, d.h., welcher die bei der Bewerberauswahl nachgewiesenen und geprüften Kriterien der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit am besten erfüllt hat. Im Hinblick auf die aufgezeigten Wertungsprobleme ist den Auftraggebern daher zu empfehlen, in die bekannt zu gebenden Auftragskriterien solche aufzunehmen, die einen gewissen Zusammenhang mit den Auswahlkriterien aufweisen,
wie z. B. Erfahrungen mit gleichartigen oder gleichwertigen Projekten, Erfahrungen mit der Abwicklung
entsprechender Projekte usw., die bei der Wertung gleichsam eine Mitberücksichtigung des Grades
der Qualifikation, fachlichen Eignung und Leistungsfähigkeit der Bieter in Bezug auf das konkrete Projekt ermöglichen.
Es ist davon auszugehen, dass die §§ 16 und 24 VOF dem Auftraggeber bei seiner Prognoseentscheidung einen weiten Ermessensspielraum geben. Dieser schließt wohl auch die nicht zu unterschätzende subjektive Komponente ein, nämlich persönliche Wertschätzung und persönliche Sympathie, die beim Auftraggeber mit zur Bildung des für freiberufliche Leistungen unerlässlichen gegenseitigen Vertrauens beiträgt.
Der Preis/das Honorar ist nach § 16 Abs. 2 VOF nur ein Gesichtspunkt von insgesamt neun in diesem
Absatz genannten Kriterien. Der Preis oder das Honorar kann aus Sicht des Auftraggebers nur eine
untergeordnete Rolle spielen. Dies ist deswegen logisch, weil die durch die Architekten- oder Ingenieurleistungen entstehenden oder verursachten Investitions- oder Folge-/Nutzungskosten zu minimieren sind und nicht die Vergütung des freiberuflich Tätigen. So entscheiden auch bei der Erfassung von
Altlasten die Bearbeitungssorgfalt und die Erfahrung des Bearbeiters bei der Lösung vergleichbarer
Aufgaben über die daran anschließenden Sanierungskosten. Dieser Gesichtspunkt ist besonders bei
der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen zu beachten.
In diesem Zusammenhang wird auf § 16 Abs. 3 Satz 2 VOF hingewiesen. Danach darf der Auftraggeber Honorar- und Preisangebote für Leistungen, die nach einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung zu vergüten sind, nur im dort vorgeschriebenen Rahmen berücksichtigen. Daraus wäre zu
folgern, dass der Auftraggeber mit Bietern, die gesetzes-/verordnungswidrige Angebote vorgelegt
haben, im Rahmen der Bietergespräche über die notwendige Korrektur ihrer Angebote verhandeln
muss. Werden solche Angebote durch die Bieter nicht korrigiert, muss der Auftraggeber solche Angebote bzw. Bieter aus dem Vergabeverfahren ausschließen. Dieser Aspekt spielt bei der Vergabe von
Leistungen bei der Altlastenerkundung nur eine untergeordnete bzw. keine Rolle, da solche Leistungen beispielsweise in der Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht erfasst sind.
Die Gleichsetzung monetärer und nichtmonetärer Auftragskriterien erfordert eine Wertungsmethode,
die diese so unterschiedlichen Gesichtspunkte vergleichbar macht. Hierfür wird im Zusammenhang
mit der Vorstellung des nachfolgend erläuterten „Hinweisbogens“ ein Vorschlag gemacht. Er berücksichtigt die besondere Art der Kostenangebote bei Leistungen, deren Honorare in der HOAI nicht verordnet sind.
Aufgabenbeschreibung
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
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§ 8 VOF fordert eine Beschreibung der Aufgabenstellung durch den Auftraggeber, die so beschaffen
sein muss, dass sie von allen Bewerbern im gleichen Sinne verstanden wird. Allerdings sind die Anforderungen an den Auftraggeber hinsichtlich Art und Umfang der Aufgabenbeschreibung je nach
Stadium des Vergabeverfahrens aus hiesiger Sicht unterschiedlich:
ƒ
ƒ
Zur Vorbereitung des Auswahlverfahrens kann sich die Aufgabenbeschreibung in der Vergabebekanntmachung auf diejenigen Angaben konzentrieren, die es den Bewerbern erlauben, ihre Auskünfte und Formalitäten an den wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen des Auftraggebers zu orientieren (§ 10 Abs. 1 VOF).
Zur Vorbereitung der Auftragsverhandlungen mit den nach § 10 Abs. 1 VOF ausgewählten Bewerbern muss die Aufgabenbeschreibung so umfassend sein, dass den Bewerbern ein klares Bild
vom Auftragsgegenstand vermittelt wird. Den Bewerbern sind alle die Erfüllung der Aufgabenstellung beeinflussenden Umstände anzugeben, insbesondere solche, die dem Auftragnehmer ein
ungewöhnliches Wagnis aufzubürden oder auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung
auf die Honorare nicht im Voraus abschätzbarer sind.
Die vom Auftraggeber zu formulierende Aufgabenbeschreibung darf nicht mit der in § 9 VOB/A bzw. §
8 VOL/A genannten Leistungsbeschreibung verwechselt werden. Bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen kann - wie erläutert - nur die gestellte Aufgabe beschrieben werden, nicht aber die Leistung,
mit der die Aufgabe gelöst werden kann.
Sollen die Bewerber zur Vorbereitung der Vergabeverhandlung auch Leistungs- und Honorarvorschläge vorlegen, muss ihnen der Auftraggeber als Teil seiner Aufgabenbeschreibung die für eine
vollständige und zweifelsfreie Preiskalkulation erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Ist die
zu vergebende Leistung nach der Honorarordnung der Architekten und Ingenieure zu vergüten, muss
die Aufgabenbeschreibung so beschaffen sein, dass die Honorarangebote der Bewerber vollständig
und gesetzes-/verordnungskonform sind. Dafür sind alle nicht frei disponierbaren, honorarrelevanten
Sachverhalte vom Auftraggeber in der Beschreibung festzulegen; nur er kann nach DIN 18205 diese
Festlegungen treffen, nicht die Bewerber. Hierzu gehören mindestens folgende Angaben:
- die anrechenbaren Kosten und die Honorarzone, der die gewünschte Leistung in Abhängigkeit von
den Planungsanforderungen zuzuordnen ist, sowie die geschätzte Bauzeit für die Bauleitungstätigkeit,
- die Leistungsphasen, deren Vergabe beabsichtigt ist, einschließlich der zugehörigen Bewertung in
Vonhundert des Honorarsatzes (§ 5 Abs. 1 HOAI), alternativ die zu vergebenden Grundleistungen
einschließlich der zugehörigen Bewertung (§ 5 Abs. 2 und 3 HOAI), und
- die Leistungsphasen oder Grundleistungen, deren Vergabe nicht an den Auftragnehmer vorgesehen
ist, einschließlich der zugehörigen Bewertung (§ 5 Abs. 1 bis 3 HOAI),
- die Mitteilung der aus Auftraggebersicht notwendig erscheinenden Besonderen Leistungen (ohne
Bewertung),
- ein Vorschlag des Auftraggebers zum Wert der vorhandenen Bausubstanz (§ 10 Abs. 3 HOAI)
- die Vorgabe der Basiskosten für ein eventuelles Erfolgshonorar nach § 5 Abs. 4 a.
Umfasst das Vorhaben, für das Leistungen zu vergeben sind, mehrere Objekte, sind diese nach dem
der HOAI zugrundeliegenden Funktionalprinzip als Abrechnungseinheiten zu definieren.
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Honoraranfragen, die nicht alle erforderlichen Mindestangaben zur Ermittlung eines Honorars im
Rahmen der HOAI enthalten, können nach dem UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) wettbewerbswidrig sein.
Verhandlungen über die Honorarhöhe dürfen nur im Rahmen der in der HOAI vorgegebenen Spielräume erfolgen. Diese sind insbesondere:
-
Einordnung des Honorarsatzes zwischen Mindest- und Höchstsatz (§ 4 Abs. 1 HOAI),
Berechnungsansatz für ein mögliches Erfolgshonorar nach § 5 Abs. 4 a HOAI,
Bewertung der Besonderen Leistungen,
Bewertung von Leistungen ohne Vergütungsvorschrift,
Bewertung von Leistungen mit gleitender Vergütungsvorschrift wie z.B. §§ 19, 23, 24, 55 Abs. 4, 57
und 73 Abs. 4 HOAI,
- Einordnung der Stundensätze zwischen Mindest- und Höchstsatz nach § 6 HOAI,
- Höhe der Nebenkosten.
Die Vergabebekanntmachung
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 7. September 200555 zur Einführung
von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von
Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie
2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist die Verwendung der seit 2002 geltenden
Formulare ab 01.02.2006 nicht mehr möglich56. Die neuen Formblätter stehen sowohl als PDF-Datei
als auch digital unter http://www.simap.eu.int zur Verfügung.
Die Vergabebekanntmachung kann auch in der regionalen und überregionalen deutschen Presse
(z.B. Staatsanzeiger) veröffentlicht werden. Ist dies geplant, genügt in der Regel eine Anzeige mit dem
Hinweis auf das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Andernfalls müsste der komplette Text
der im Amtsblatt veröffentlichten Anzeige veröffentlicht werden, was sich allein aus Kostengründen
verbieten dürfte.
Von einer anderen Art der Vergabebekanntmachung in der deutschen Presse ist unbedingt abzuraten.
Andernfalls ist die Gefahr groß, dass die Ausschreibungstexte voneinander abweichende Formulierungen enthalten. Dies könnte zu Missverständnissen auf Seiten der Bewerber führen und äußerstenfalls sogar Grund für eine erfolgreiche Rüge des Vergabeverfahrens nach § 107 GWB sein.
Der Hinweisbogen (Kriterienübersicht)
Ein Beispiel für die wünschenswerte frühe Bewerberinformation ist der „Hinweisbogen“ in Anlage 1.
Er enthält die Auswahlkriterien, die Zuschlagskriterien und Hinweise auf die jeweils vorgesehene Bewertungsmethode, die beim Vergabeverfahren verwendet werden soll. Auf Bedeutung und Verwendung des Hinweisbogens wurde bereits hingewiesen; er sollte auch im Hinblick auf die in der Neufassung der VOF 2006 vorgesehene Pflicht zur Veröffentlichung der Zuschlagskriterien einschließlich
ihrer Gewichtung künftig integraler Bestandteil der Vergabebekanntmachung werden. Der Inhalt des
55
56
Amtsblatt Nr. L 257 vom 01/10/2005 S. 0001 – 0126 sowie BAnz. Nr. 228a vom 02. Dezember 2005
Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 26.1.2006,AZ IB./I W. 3 - 26 50 00/20
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
33 von 42
Bogens dürfte selbsterklärend sein. Die vom Auftraggeber gewünschten Informationen und Belege
ergeben sich aus den Texten. Eine Ausnahme bildet die Bewertung der Honorarangebote.
Empfehlungen für eine Bewertungsmethode
Die Bewertung der Bewerbungsunterlagen in der Auswahlphase ist im Hinweisbogen unter 1. erläutert57. Die Bewertung der Zuschlagskriterien in der Vergabephase (Ziffer 2. des Hinweisbogens) muss
von dem die Bietergespräche führenden Gremium der Vergabestelle durchgeführt werden. Dabei geht
es vornehmlich um fachliche Einschätzungen. Es ist deswegen wünschenswert, dass die hierfür bestimmten Personen Fachleute sind, die mit dem auszuwählenden Auftragnehmer später zusammenarbeiten müssen.
Damit die Bewertung so objektiv wie möglich erfolgt, muss den Bewertern eine entsprechende Bewertungs- und Entscheidungsmatrix anhand gegeben werden. Diese muss jeder Gesprächsteilnehmer
nach jedem Bietergespräch – unbeeinflusst durch einen Meinungsaustausch mit seinen Mitwertern –
ausfüllen. Die Einzelbewertungen werden nach Abschluss der Bietergespräche in das zusammenfassende Wertungsblatt eingetragen (Beispiel s. Anlage 2). Die Bieterreihenfolge kann nach Abschluss
der Bietergespräche mit den zuvor bewerteten Kostenangeboten (s. unten) ermittelt werden.
Die Kostenangebote, die die Bewerber i.d.R. zur Vorbereitung der Bietergespräche vorlegen, sollte die
Vergabestelle auf Angemessenheit prüfen. Hierbei sind 2 Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1. Sind die Honorare für die zu vergebenden Leistungen in der HOAI verordnet, ist nach § 16 Abs. 2
VOF zu prüfen, ob die vorgeschlagen Honorare die Mindestsätze der HOAI nicht unter- bzw. die
Höchstsätze nicht überschreiten. Stellen sich dabei die Honorare als nicht HOAI-konform heraus,
muss die Vergabestelle mit den Bewerbern über die Anpassung an die verordneten Honorare verhandeln58. Bewerber, die nicht bereit sind, ihre Honorarvorschläge zu korrigieren, dürfen in der
Wertung nicht mehr berücksichtigt werden.
2. Sind die Honorare nicht oder nur teilweise in der HOAI verordnet, ist auf die Angemessenheitsprüfung besonderer Wert zu legen. Sie muss schon im Eigeninteresse der Vergabestelle liegen, da
die Leistungen der Ingenieure vorab nicht beschreibbar sind. So wird sie einigermaßen sicher sein
wollen, dass die Bewerber ihre Leistungen auch auskömmlich so kalkuliert haben, dass sie die
von ihnen erwarteten und durch ihr Angebot versprochenen Leistungen auch erbringen können.
Andernfalls ist zu befürchten, dass sie allein aus Kostengründen ihre Leistungen so gestalten,
dass sie ihr vertragliches Leistungsversprechen nicht oder nur unzureichend erfüllen können.
Eine Plausibilitätsprüfung nach Ziffer 2. ist deswegen möglich, weil der Auftraggeber vor der Durchführung des Vergabeverfahrens nach § 3 VOF den voraussichtlichen Wert des Auftrages abzuschätzen
verpflichtet ist. Diese Schätzung muss nach dem Grundsatz pflichtgemäßen Ermessens erfolgen. Ist
der Auftraggeber selbst hierzu nicht erfahren genug, sollte er sich durch Sachverständige unterstützen
lassen. Daher wird dem geschätzten Auftragswert auch eine ausreichende Genauigkeit zur Beuteilung
der Auskömmlichkeit der Bieterangebote zukommen. Die Auskömmlichkeit der Angebote kann bei-
57
Weitere Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem GHV-Merkblatt "Transparente VOF-Verfahren“, Schriftenreihe Heft Nr. 2
(Stand: 22.09. 2006)
58
OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.11.2002 - 2 Verg 14/02; BauR 2003, 777 und IBR 2003,156
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Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
spielsweise mit dem Verfahren bewertet werden, welches im zweiten Teil des Hinweisbogens (Anlage
1) und ergänzend in Anlage 3 anhand von Zahlenbeispielen erläutert ist.
Der bestgeeignet erscheinende Bieter ist derjenige, der bei diesem Bewertungsverfahren die höchste
Punktzahl erreicht. Das Bewertungsgremium wird diesen für die Auftragserteilung vorschlagen. Das
über die Vergabe entscheidende Gremium des Auftraggebers sollte dieser Empfehlung folgen. Andernfalls setzt sich der Auftraggeber der Gefahr eines Vergabenachprüfungsverfahrens durch die
zuständige Vergabekammer aus, sofern ein unterlegener Bieter den begründeten Verdacht eines Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen vorbringen kann.
Abschließende Bemerkungen
Bei der Vergabe von Aufträgen mit Auftragswerten über den Schwellenwerten müssen Vergabestellen
und Bewerber sorgfältig auf die Einhaltung der Vergabebestimmungen achten, um einen umfassenden und fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Wenig erfahrenen Vergabestellen ist deswegen die
Unterstützung durch Sachverständige nach § 6 VOF anzuraten. Wird keine Hilfe eines erfahrenen
Dritten genutzt, kann der notwendige Aufwand bei der Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens durch die Vergabestelle selbst schnell so erheblich werden, dass die Durchführung ihres Tagesgeschäfts unvertretbar beeinträchtigt wird. Dies zeigen die bei den bisherigen Vergabeverfahren gemachten Erfahrungen. Die Empfehlung, sich durch unabhängige und sachkundige Dritte zur eigenen
Entlastung unterstützen zu lassen, gilt auch bei der Durchführung freihändiger Vergaben; auch dabei
kommt es vornehmlich auf die Wahl des bestgeeigneten Bewerbers an.
Allerdings muss die Vergabestelle bei der Wahl des Sachverständigen darauf achten, dass dieser
weder unmittelbar noch mittelbar an der von ihm zu betreuenden Vergabe beteiligt ist. Dies bedeutet
beispielsweise, dass Projektsteuerungsunternehmen oder Ingenieurbüros für eine solche Tätigkeit
nicht in Frage kommen, in deren Unternehmensverbund auch grundsätzliches Interesse an der
Durchführung vergleichbarer Leistungen besteht.
Die vorgelegte Arbeit stellt weder eine vollständige Verfahrensanleitung noch eine Information über
alle vergaberechtlichen Aspekte bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen dar. Sie soll aber dazu
beitragen, dass besonders häufig zu beobachtende Fehler in Zukunft vermieden werden. Erfahrungsgemäß können vor allem die vorgeschlagenen Auswahl- und Bewertungsverfahren die notwendige Transparenz, Objektivität und damit die Qualität der Verfahrensabwicklung spürbar fördern. Auf
das in der GHV-Schriftenreihe als Heft Nr. 2 kürzlich erschienene GHV-Merkblatt "Transparente VOFVerfahren", welches diese Hinweise ergänzt, wird empfehlend hingewiesen.
Ludwigshafen, den 24. Oktober 2006
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
35 von 42
Beispiel für einen Hinweisbogen zur Bewerbung „Ingenieurleistungen für Teilbereiche des Polders A-Dorf/B-Stadt“
1.
Bewerbungs- und Auswahlphase
Die Bewerber haben ihrer Bewerbung das nachfolgende Inhaltsverzeichnis vorzuheften und die Struktur ihrer Bewerbung nach den unter A bis D angegebenen Auswahlkriterien auszurichten (Gewicht =
Wertungsgewicht je Auswahlkriterium):
Kapitel
A
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
B
1.
1.1
1.2
1.3
2.
C
1.
2.
D
1.
2.
3.
Auswahlkriterium/Bewerbungsinhalt
Allgemeine Angaben
Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung (erwartete Mindestdeckungssummen:
Personenschäden = 1,5 Mio. €, Sach- und Vermögensschäden = 0,3 Mio. €)
Angabe, ob Arbeitsgemeinschaft mit Benennung eines Federführers und mit gesamtschuldnerischer Haftung jedes Arbeitsgemeinschaftsmitglieds oder Angabe, ob Generalplaner mit Subunternehmern
Aussage zur wirtschaftlichen Verknüpfung mit Unternehmen, die Lieferungs- bzw. Bauleistungsinteressen haben
Erklärung, dass Ausschlussgründe nach § 11 a) bis d) VOF nicht vorliegen
Aussagen zur örtlichen Präsenz während der Projektdurchführung
Erklärung, aus der hervorgeht, über welche Geräte und welche technische Ausrüstung
(z.B. Computer, GIS-System, Software, usw.) der Bewerber für die Dienstleistung verfügen wird.
Beschreibung der Maßnahmen zur Qualität (Bearbeitungsmethode, Beispiele für die
Dokumentation seiner Arbeitsergebnisse, Abwicklungsplanung).
Beschreibung der Projektorganisation (Organigramm des Projektteams)
Zwischensumme zu A:
Personelle Besetzung
Benennung der Leistungserbringer mit Angabe ihrer Funktion im Auftragsfall
Fachlicher Lebenslauf des Projektleiters, aus dem seine Referenzprojekte für die
zu vergebende Dienstleistung hervorgehen
Fachlicher Lebenslauf des stellvertretenden Projektleiters, aus dem seine Referenzprojekte für die zu vergebende Dienstleistung hervorgehen
Fachliche Lebensläufe der Projektteammitglieder, aus denen ihre Referenzprojekte für
die zu vergebende Dienstleistung hervorgehen
Erklärung über das Mittel der in den letzten drei Jahren technischen Beschäftigten, getrennt nach Führungskräften, fest angestellten Fachleuten und freiberuflich Tätigen
Zwischensumme zu B:
Fachliche Qualifikation des Bewerbers
Qualifikation (berufliche Befähigung) des Bewerbers als Büro und seiner sich ggf. mitbewerbenden Partner in Hinblick auf die zu vergebenden Dienstleistungen
Referenzen des Bewerbers und seiner sich ggf. mitbewerbenden Partner für die mit den
zu vergebenden Dienstleistungen vergleichbaren Leistungen mit Angabe des jeweiligen
Honorars, der Leistungszeit und der Auftraggeber (Ansprechpartner, Adresse, Telefon,
ggf. E-Mail)
Zwischensumme zu C:
Finanzielle/wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Erklärung der Netto-Gesamtumsätze in € in den letzten drei Jahren
Erklärung der Netto-Umsätze in € für die zu vergebende Dienstleistung in den letzten
drei Jahren
Erklärung der Netto-Umsätze für die zu vergebende Dienstleistung in den letzten drei
Jahren, bezogen auf die für diese Dienstleistungen tätigen Ingenieure
Zwischensumme zu D:
Gesamtpunktzahl (Summe A+B+C+D):
36 von 42
Gewicht
ja/nein
ja/nein
ja/nein
ja/nein
ja/nein
ja/nein
ja/nein
ja/nein
0
25
20
8
2
55
5
15
20
3
12
10
25
100
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
Anlage 1
zum Merkblatt „ Hinweise für die Vergabe von in der HOAI erfassten Ingenieurleistungen“
Die einzelnen Wertungsgewichte der genannten Auswahlkriterien werden mit den Bewertungspunkten
1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) bewertet und multipliziert. Selbstverständlich können auch Teilpunkte
vergeben werden. Eine weitere Stückelung der Punkte als in halbe Punkte ist jedoch nicht zu empfehlen. Es sollte auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet werden. Die so berechneten Punktprodukte
je Auswahlkriterium werden anschließend addiert. Die Bewerber mit den auf diese Weise ermittelten
höchsten Punktzahlen werden zu Auftragsverhandlungen eingeladen. Hierzu werden mindestens drei,
aber höchstens fünf Bewerber nach der Reihenfolge der erreichten Punktzahlen ausgewählt.
2. Vergabeverhandlungen und Vergabeentscheidung
Zur Bewertung der Vergabeverhandlungen werden folgende Vergabekriterien mit folgenden Wertungsgewichten herangezogen:
Vergabekriterium
A
Gewicht
Aus dem Bietergespräch gewonnene Eindrücke
davon im Einzelnen:
1.
Persönlichkeit des Projektleiters sowie einer Ersatzperson und deren fachliche Kompe-
35
tenz bei der Abwicklung vergleichbarer Leistungen
2.
3.
B
Präsentation eines vergleichbaren Projekts im Rahmen des Bietergesprächs
15
Fachliche Präsentation (Gesamteindruck bei der Auftragsverhandlung)
5
Zwischensumme zu A
55
Aussagen zur Organisation der Projektabwicklung,
davon im Einzelnen:
1.
Erläuterung bewerberinterner Methoden zur Terminplanung und –koordination bei der
15
Dienstleistungserbringung anhand eines vergleichbaren Projektbeispiels
2.
Vorgesehene bürointerne Projektorganisation (bei Arbeitsgemeinschaften und bei der
10
Einschaltung von Subunternehmern: Erläuterung der geplanten Tätigkeitsverteilung)
C
Zwischensumme zu B
25
Honorarvorschlag
20
Gesamtpunktzahl (Summe A + B + C)
100
Die einzelnen Wertungsgewichte der genannten Vergabekriterien werden wieder – wie unter 1. beschrieben - mit den Bewertungspunkten 1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) bewertet und multipliziert. (siehe
Bewertungsmatrix Anlage 2).
Die Honorarvorschläge der Bieter werden mit dem im Folgenden erläuterten Bewertungsverfahren für
zwei möglichen Fallkonstellationen bewertet:
A. Die Honorare für die zu vergebenden Leistungen sind sämtlich in der HOAI verordnet. In diesem
Fall ist im Regelfall der niedrigste Angebotspreis das für den Auftraggeber beste Angebot Hopt. Die
Angebotswertung erfolgt in diesem Fall in folgenden Schritten:
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
37 von 42
1. Ermittlung des geringsten Angebotspreises Hopt unter der Voraussetzung, dass dieser die
HOAI-Mindestsätze nicht unterschreitet. Dieser wird dann als „sehr gut“, also mit 5 Bewertungspunkten bewertet. Bei 20 Gewichtspunkten erhält der Preis 5 * 20 = 100 Punkte.
2. Berechnung der Bewertungspunkte Bi zur Bestimmung der Reihenfolge mit der folgenden
Gleichung (diese Berechnung wird auch von der KFW 59 benutzt):
Bi =
Hopt
• 100
Hi
Ein Beispiel für diese Fallkonstellation enthält Anlage 3 unter A. Es handelt sich um das Ergebnis
einer VOF - Ausschreibung für zwei Lose, deren Honorare von fünf gleichen Bewerbern vorgeschlagen wurden.
B. Der Auftraggeber hat im Rahmen der Bedarfsplanung ein aus seiner Sicht angemessenes Honorar geschätzt. Er ist deswegen der Meinung, dass Honorarvorschläge, die höher oder niedriger
sind als die von ihm geschätzten Honorare, ab- oder aufzuwerten sind, weil keine wirtschaftliche
Planung erwartet werden darf. Dies gilt erst recht für den Fall, dass Leistungen und Honorare in
der HOAI nicht oder nur teilweise erfasst sind. Die Honorare können sich in letzterem Fall aus
verordneten und frei kalkulierten Preisen oder ausschließlich aus frei kalkulierten Preisen zusammensetzen. In diesem Fall muss der Auftraggeber zunächst prüfen, ob die nach der HOAI zu berechnenden Honorare die Bedingungen von § 4 Abs. 2 und 3 HOAI (keine Unterschreitung der
Mindestsätze beziehungsweise Überschreitung der Höchstsätze) erfüllen.
In beiden Fällen wird im nächsten Wertungsschritt die Summe der angebotenen Honorare ermittelt und wie folgt analysiert (siehe Bild auf der folgenden Seite):
1. Ermittlung des Mittelwerts Hm aller Angebote Hi, Vergleich mit der Honorarschätzung des Auftraggebers (HAG) und Wahl einer zulässigen Abweichung (x %) vom Mittelwert nach unten (+)
oder oben (-), um den Wert des „auskömmlichen“ Honorars Hopt
H
opt
=1±
x
∗ H
100
m
zu bestimmen. Es wird empfohlen, das auskömmliche Honorar als Mittelwert zwischen der
Kostenschätzung des Auftraggebers und dem Mittelwert Hm der Angebote zu wählen. Dann
beträgt das „optimale“ Honorar:
H opt =
59
H
AG
+ Hm
2
kfw Entwicklungsbank, Richtlinien für die Beauftragung von Consultants in der finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, November 2003.
38 von 42
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
Anlage 1
zum Merkblatt „ Hinweise für die Vergabe von in der HOAI erfassten Ingenieurleistungen“
Alternativ hat der Auftraggeber natürlich die Möglichkeit, die aus seiner Sicht angemessene
Abweichung x vom Mittelwert der Angebote frei zu wählen. Beispiel: Ist x = 20%, ist Hopt = 0,8
* Hm oder Hopt = 1,20 * Hm
Das optimale Honorar Hopt wird als sehr gut bewertet und erhält die maximale Bewertung von
5. Bei 20 Gewichtspunkten erhält das optimale Honorar 5 * 20 = 100 Punkte. Darüber oder
darunter liegende Angebote erhalten eine Abwertung.
Bewertung Bi
2. Berechnung der Bewertungspunkte Bi zur Bestimmung der Reihenfolge mit den folgenden
Gleichungen
5,00
4,00
3,00
Berechnungsabschnitt II
Berechnungsabschnitt I
2,00
1,00
0,00
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
Honorare Hi/Hopt
Hi = Hopt
Im Berechnungsabschnitt I lautet die Formel zur Berechnung der Bewertungszahl
Bi =
H opt
Hi
∗5
Im Berechnungsabschnitt II lautet die Formel zur Berechnung der Bewertungszahl:
Bi = −
H opt ∗ 5
H i − 2 H opt
Die Bewertung in den aus der Grafik erkennbaren Bewertungsabschnitten I und II wird mit den unter 2. und 3. angegebenen unterschiedlichen Bewertungsformeln tabellarisch durchgeführt.
Zwei Zahlenbeispiele für die Bewertung von Honorarvorschlägen sind in Anlage 3 unter B. durchgerechnet worden.
Die berechneten Punktprodukte je Vergabekriterium werden abschließend addiert (s. Beispiel Anlage
3). Der Bieter mit der auf diese Weise ermittelten höchsten Punktzahl wird derjenige sein, der mit der
Durchführung der Leistungen zu beauftragen ist.
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
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Beispiel für die Bewertung einer Vergabeverhandlung mit 5 Bietern und 3 Bewertern
Bewertungsaspekte
Detailbewertung
Bieter-Nr./Name
Bieter 1
Bieter 2
Bieter 3
Wichtung
Bewertung im Mittel
Bieter 4
Bieter 5
1
2
3
4
5
Wichtung x Punkte für Bieter Nr.
[-]
1
2
3
4
5
3,5 3,0 4,0 4,5 4,0 5,0 3,0 2,0 2,0 1,5 1,0 2,0 4,0 5,0 3,5 3,50 4,50 2,33 1,50 4,17
35,0
122,5
157,5
81,7
52,5
145,8
Nr. Vergabekriterium
Herrn NN 2
Frau NN
Herrn NN 1
Herrn NN 2
Frau NN
Herrn NN 1
Herrn NN 2
Frau NN
Herrn NN 1
Herrn NN 2
Frau NN
Herrn NN 1
Herrn NN 2
Frau NN
Herrn NN 1
Bewertung von:
A Aus dem Bietergespräch gewonnene Eindrücke, davon im Einzelnen
1. Persönlichkeit des Projektleiters sowie einer Ersatzperson und deren
fachliche Kompetenz bei der Abwicklung vergleichbarer Leistungen
3. Präsentation eines vergleichbaren Projekts
4. Fachl. Präsentation (Gesamteindruck bei der Auftragsverhandlung)
2,0 2,0 2,5 3,5 3,5 4,0 4,0 3,0 3,5 2,5 2,0 3,0 4,5 4,0 4,0 2,17 3,67 3,50 2,50 4,17
15,0
32,5
55,0
52,5
37,5
62,5
3,0 3,5 3,5 5,0 5,0 5,0 4,0 3,5 3,0 3,0 3,0 3,0 4,0 4,5 3,5 3,33 5,00 3,50 3,00 4,00
5,0
16,7
25,0
17,5
15,0
20,0
2,0 3,0 4,0 3,0 5,0 4,5 4,0 5,0 5,0 1,0 1,5 2,0 3,5 4,5 4,0 3,00 4,17 4,67 1,50 4,00
1. Erläuterung bewerberinterner Methoden zur Terminplanung und
–koordination bei der Dienstleistungserbringung anhand eines
vergleichbaren Projektbeispiels.
2. Vorgesehene bürointerne Projektorganisation (bei Arbeitsgemein-schaften 3,0 2,5 3,0 3,5 3,0 4,0 3,0 3,5 4,0 2,0 2,0 1,5 3,5 4,0 4,0 2,83 3,50 3,50 1,83 3,83
und bei der Einschaltung von Subunternehmern: Erläuterung der geplanten
Tätigkeitsverteilung)
Punktzahl aus 1
Unterschriften
Punktzahl aus 2
15,0
45,0
62,5
70,0
22,5
60,0
10,0
28,3
35,0
35,0
18,3
38,3
55,0
25,0
171,7
73,3
237,5
97,5
151,7
105,0
105,0
40,8
228,3
98,3
80,0
20,0
100,0
245,0
38,4
283,4
4
335,0
20,0
355,0
2
256,7
36,2
292,9
3
145,8
100,0
245,8
5
326,7
51,5
378,2
1
B Aussagen zur Organisation der Projektabwicklung, davon im Einzelnen
NN, den
Herr NN 1
Frau NN
Herr NN 2
40 von 42
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
Gesamtpunktzahl 1 + 2
Punktzahl Honorar
Punkte insgesamt
Rang
Anlage 3
zum Merkblatt „ Hinweise für die Vergabe von in der HOAI erfassten Ingenieurleistungen“
Zahlenbeispiele für die Methoden zur Bewertung der Honorarvorschläge
A. Honorarvorschlag bei der Vergabe von HOAI-Leistungen
Bei diesem Projekt, das in zwei unabhängigen Losen vergeben werden sollte, waren fünf Bewerber
zu Bietergesprächen eingeladen. Als Grundlage für die Bearbeitung der Honorarvorschläge erhielten
die Bewerber jeweils vollständige Vertragsentwürfe mit allen zur Bearbeitung ihrer Vorschläge einschlägigen Angaben (Definition der Objekte, anrechenbare Kosten, Honorarzonen, Leistungen mit
Leistungsbewertungen nach HOAI und Hinweise auf Art und Umfang Besonderer Leistungen). Das
Ergebnis zeigt die folgende Tabelle; als bester Honorarvorschlag wurde der niedrigste Preis ermittelt,
der die Mindestsätze der HOAI nicht unterschritt. Die Bewertungsergebnisse wurden anschließend in
einer Gesamttabelle ähnlich Anlage 3 mit den Bewertungsergebnissen der nichtmonetären Vergabekriterien zusammengeführt.
Bewerber/Bieter
Nr.
Name
1
2
1
2
3
4
5
NN 1
NN 2
NN 3
NN 4
NN 5
Gewerbegebiet NN
Angebotssumme
Euro
3
441.456,17 €
452.429,39 €
442.766,83 €
404.625,67 €
433.582,52 €
Bewertungspunkte Bi 1)
4
38,4
20,0
36,2
100,0
51,5
Neubau innerstädtische Straße
Angebotssumme
Euro
5
439.378,97 €
416.718,26 €
423.027,84 €
381.548,41 €
414.288,46 €
Geringster Angebotspreis Gewerbegebiete; hier Hopt =
Geringster Angebotspreis Neubau innerstädtische Straße; hier Hopt =
1)
Bi = 100 +
Bewertungspunkte Bi 1)
6
20,0
51,3
42,6
100,0
54,7
404.625,67 €
381.548,41 €
80 * (Hi – Hopt)
(Hopt - Hmax)
B. Honorarvorschlag bei der Vergabe von HOAI-Leistungen zusammen mit frei kalkulierten
Leistungen
1. Beispiel
Es liegen Angebote von 7 Bewerbern vor. Um den Wert des „auskömmlichen“ Mindesthonorars zu
bestimmen, wird nach Vergleich des vom Auftraggeber geschätzten Honorars mit dem Mittelwert der
Angebotssummen die zulässige Abweichung (x %) vom Mittelwert nach unten mit 10 % gewählt. Damit werden in der folgenden Tabelle die Bewertungspunkte Bi ermittelt. Der günstigste Honorarvorschlag ist durch Fettdruck gekennzeichnet.
Die Bewertungsergebnisse sind nicht identisch mit den in Anlage 3 aufgelisteten. Die folgenden Beispiele dienen lediglich der Darstellung der Berechnungsmethode.
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06
41 von 42
Bieter
Honorarvorschlag
Bi 1)
Abschnitt
A
B
C
D
E
F
G
180.000,00 €
205.000,00 €
207.000,00 €
212.000,00 €
224.000,00 €
230.000,00 €
245.000,00 €
79,5
81,8
78,7
71,0
52,5
43,2
20,0
II
I
I
I
I
I
I
Mittel
Hopt = 90 %
214.714,29 €
193.242,86 €
100,0
1)
Bi = 100 +
1)
Bi = 100 -
80 * (Hi – Hopt)
Hopt - Hmax
80 * (Hi – Hopt)
Hopt - Hmax
Abschnitt I
Abschnitt II
2. Beispiel
Es liegen Angebote von 8 Bewerbern vor. Um den Wert des „auskömmlichen“ Mindesthonorars zu
bestimmen, wird die zulässige Abweichung (x %) vom Mittelwert nach unten mit 15 % gewählt. Damit
werden in der folgenden Tabelle die Bewertungspunkte Bi berechnet; Angebot C erweist sich als das
günstigste.
42 von 42
Bieter
Honorarvorschlag
Bi 1)
Abschnitt
A
B
C
D
E
F
G
H
125.000,00 €
155.000,00 €
170.000,00 €
207.000,00 €
212.000,00 €
224.000,00 €
235.000,00 €
245.000,00 €
56,7
87,5
97,1
59,0
53,9
41,6
30,3
20,0
II
II
I
I
I
I
I
I
Mittel
Hopt = 85 %
196.625,00 €
167.131,25 €
100,0
1)
Bi = 100 +
1)
Bi = 100 -
80 * (Hi – Hopt)
Hopt - Hmax
80 * (Hi – Hopt)
Hopt - Hmax
Abschnitt I
Abschnitt II
Vergabehinweise Architekten- und Ingenieurleistungen 24.10.06

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