Mehrheitswahl

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Mehrheitswahl
Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten
Ökonomische Theorie der Politik A.3.1
Mehrheitswahl
► Wählerpräferenzen, die zu einem Gleichgewicht führen:
Wähler
Rangfolge
I
II
III
1.
A
C
B
2.
B
B
C
3.
C
A
A
A versus B: B gewinnt 2:1
B versus C: B gewinnt 2:1
Da B gegen jede Alternative gewinnt, wird B bei Mehrheitswahl
gewählt
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.2
Wahlparadoxon bei Mehrheitswahl
► Wählerpräferenzen, die zu zyklischen Mehrheiten führen:
Wähler
Rangfolge
I
II
III
1.
A
C
B
2.
B
A
C
3.
C
B
A
A versus B: A gewinnt 2:1
B versus C: B gewinnt 2:1
A versus C: C gewinnt 2:1
Es kommt zu einem Wahlparadoxon: die kollektiven Präferenzen sind intransitiv,
obwohl die Präferenzen jedes einzelnen Wählers transitiv sind
speziell: es gewinnt immer die Alternative, über die zuletzt abgestimmt wird
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.3
Präferenzordnungen
Nutzen
II
I
III
Versorgungsniveau
A
B
C
Wähler I hat eine eingipflige Präferenz für A, Wähler III hat eine eingipflige Präferenz für B
Wähler II hat zweigipflige Präferenzen: einen Gipfel bei A, einen bei C
Eine solche Mehrgipfligkeit von Präferenzen kann zum Wahlparadoxon führen
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.4
Medianwählertheorem
► Wählerpräferenzen bezüglich Ausgaben für öffentliches Gut:
Wähler
Ausgaben (in €)
I
5
II
100
III
150
IV
160
V
700
► Die Mehrheit stimmt für ein Ausgabenvolumen von 150 €, dem vom Medianwähler präferierten Volumen
⇒ Medianwählertheorem:
Solange alle Präferenzen eingipflig sind (und verschiedene weitere Bedingungen erfüllt sind), spiegelt
das Ergebnis einer Mehrheitswahl die Präferenzen des Medianwählers wider
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.5
Stimmentausch („Logrolling“)
► Stimmentausch kann die Wohlfahrt erhöhen:
Wähler
Meier
Becker
Schmidt
Gesamter
Nettovorteil
Krankenhaus
200
-50
-55
95
Bücherei
-40
150
-30
80
Schwimmbad
-120
-60
400
220
Projekt
Wenn über jedes Projekt getrennt abgestimmt wird, wird keines realisiert, obwohl
jedes einen positiven Nettovorteil bietet;
mit Stimmentausch werden alle Projekte realisiert.
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.6
Stimmentausch („Logrolling“)
► Stimmentausch kann die Wohlfahrt aber auch verringern:
Wähler
Meier
Becker
Schmidt
Gesamter
Nettovorteil
Krankenhaus
200
-110
-105
-15
Bücherei
-40
150
-120
-10
Schwimmbad
-270
-140
400
-10
Projekt
Wenn über jedes Projekt getrennt abgestimmt wird, wird keines realisiert; dieses
Ergebnis ist effizient, weil jedes Projekt einen negativen Nettovorteil bietet;
mit Stimmentausch werden einige oder alle Projekte realisiert, was ineffizient ist.
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.7
Unmöglichkeitstheorem von Arrow
► Kenneth J. Arrow (*1921, Nobelpreis 1972), 1951: „Social Choice and Individual Values”
► 4 Anforderungen an eine kollektive Entscheidungsregel:
(U) Uneingeschränkter Geltungsbereich: Die Regel muss in der Lage sein, für jede beliebige Konfiguration
von Wählerpräferenzen eine Entscheidung herbeizuführen
(P) Pareto-Inklusivität: Das Verfahren muss garantieren, dass eine von allen präferierte Alternative auch in
der kollektiven Entscheidung präferiert wird
(I) Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen: Die kollektive Ordnung einer Teilmenge der zur Wahl
stehenden Alternativen darf ausschließlich von den individuellen Ordnungen über dieser Teilmenge
abhängen; irrelevante Alternativen dürfen keine Rolle spielen
(D) Ausschluss der Diktatur: Die gesellschaftlichen Präferenzen dürfen nicht die Präferenzen nur eines
einzigen Individuums widerspiegeln
► Arrow’sches Unmöglichkeitstheorem:
Es ist im Allgemeinen unmöglich, eine kollektive Entscheidungsregel zu finden, die allen
Anforderungskriterien genügt.
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Ökonomische Theorie der Politik A.3.8
Bedeutung des Unmöglichkeitstheorems
► Von einer demokratischen Gesellschaft kann nicht unbedingt erwartet werden, dass sie die Präferenzen
einzelner Bürger respektiert und zugleich konsistente Entscheidungen trifft
 Zweifel, ob eine Demokratie überhaupt (i.S. der Bildung kollektiv transitiver politischer Beschlüsse)
funktionieren kann bzw. dass sie die normative Attraktivität besitzt, die ihre Anhänger ihr zusprechen
► Wenn ein beliebiges der 4 zuvor genannten Kriterien gestrichen wird, können Entscheidungsregeln
konstruiert werden, die den 3 verbleibenden Anforderungen genügen
► Arrows Unmöglichkeitstheorem besagt nicht, dass es notwendigerweise unmöglich ist, eine konsistente
Entscheidungsregel zu finden; es besagt lediglich, dass man nicht garantieren kann, dass eine Gesellschaft
dazu in der Lage sein wird
► alternative Sichtweise auf das Unmöglichkeitstheorem (James Buchanan, 1960):
Die Mehrheitswahl ist gerade deswegen mit einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung vereinbar, weil sie ein
Hin- und Herspringen zwischen Alternativen erlaubt, von denen keine einstimmig zustimmungsfähig wäre
⇒ demokratischer Entscheidungsprozess als ein „trial & error“-Verfahren
► Das Arrow-Theorem zeigt, dass man unter Demokratie nicht lediglich eine Aggregation individueller
Präferenzen zu einer kollektiven Präferenzordnung verstehen kann