3. Gewerbsmäßiger Betrug durch den Verkauf sogenannter

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3. Gewerbsmäßiger Betrug durch den Verkauf sogenannter
ROXIN Newsletter – Juni 2015
3. Gewerbsmäßiger Betrug durch den Verkauf sogenannter „Schrottimmobilien“ an finanziell unerfahrene Kapitalanleger
Obwohl im Fordern eines überhöhten Preises und in Angaben zu künftigen Erträgen für
sich genommen keine Täuschung liegt, kann der überteuerte Verkauf von „Schrottimmobilien“ Betrug sein. Zukünftige Entwicklungen sind nämlich dann tauglicher Täuschungsgegenstand, wenn ein gegenwärtiger äußerer (Prognosegrundlagen) oder innerer (Überzeugung des Täters) Tatsachenkern fälschlich vorgespiegelt wird. Der Schaden ist durch
Vergleich des Kaufpreises mit dem Verkehrswert der Immobilie zu ermitteln.
BGH, Urteil vom 08.10.2014 – 1 StR 359/13 = BeckRS 2014, 20657
Die Angeklagten unterhielten ein Vertriebssystem für den Verkauf überteuerter „Schrottimmobilien“. Ihre Vermittler sprachen einerseits Personen an, die in finanziellen Schwierigkeiten waren. Diesen Personen stellten sie eine Umschuldung in Aussicht, die zu geringeren Darlehensraten und einem Barbetrag zur freien Verfügung führen würde.
Anschließend wurde diesen Kunden durch falsche Finanzierungs-Rechenbeispiele vorgespiegelt, das sei durch den Kauf einer Immobilie zu erreichen. Eine zweite von den Vermittlern angesprochene Kundengruppe verfügte über Kapital. Diese Kunden wurden mit
überhöhten Renditeversprechen zum darlehensfinanzierten Immobilienerwerb veranlasst.
Der für die Wohnungen geforderte Kaufpreis überstieg deren jeweiligen Verkehrswert, was
den Angeklagten bewusst war.
Das LG hat das Verhalten der Angeklagten als gewerbs- und bandenmäßigen Betrug eingeordnet. Die hiergegen von zwei Angeklagten eingelegten Revisionen blieben erfolglos.
Der BGH problematisiert das Tatbestandsmerkmal der Täuschung über Tatsachen. Im
Fordern eines überhöhten Preises liege keine Täuschung; Renditeversprechen seien Prognosen einer zukünftigen Entwicklung und insofern keine Tatsachen. Sie könnten aber
einen Tatsachenkern enthalten, nämlich einerseits die Prognosegrundlagen als äußere Tatsachen und andererseits die entsprechende Überzeugung der Täter als innere Tatsache. Die
Vermittler der „Schrottimmobilien“ hätten zur Finanzierung, zu den monatlichen Zahlungen und zu anderen mit dem Kaufobjekt zusammenhängenden tatsächlichen Umständen
(Mieteinnahmen, Hausgeld, Steuervorteile) nicht nur pauschal anpreisende, sondern nachprüfbar falsche Angaben gemacht und ihre entsprechende Überzeugung geäußert, also
getäuscht.
Im Verhältnis der Angeklagten zu den eingesetzten Vermittlern nimmt der BGH mittäterschaftliche Zurechnung an. Der Vermögensschaden besteht nach Ansicht des BGH in
der Differenz zwischen objektivem Verkehrswert der Wohnungen und dafür gezahltem
Kaufpreis. Der Vorstellung, zwischen dem Gegenstand der Täuschung – Finanzierung und
Renditeversprechen – und dem Vermögensschaden müsse „Stoffgleichheit“ bestehen, erteilt der BGH eine Absage.
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ROXIN Newsletter – Juni 2015
Praxis-Tipp
von David Rieks, LL.M. (Columbia/UvA), ROXIN Rechtsanwälte LLP
Mit der vorliegenden Entscheidung präzisiert der BGH die Anforderungen an eine betrugsrelevante Täuschung für den Fall der Prognose über die zukünftige Entwicklung einer (Immobilien-)Anlage. Die Entscheidung ist ausgesprochen praxisrelevant, schließlich
kommt es im Rahmen von Anlagevermittlungen fast typischerweise zu positiv gefärbten
Aussagen des Vermittlers über die zu erwartende zukünftige Anlageentwicklung. Hier
stellt der BGH klar, dass bereits die fehlende innere Überzeugung des Anlagevermittlers
hinsichtlich des Eintritts einer solchen Prognose als „innere Tatsache“ für die Annahme
einer strafrechtlich relevanten Täuschung genügen kann. Zudem verweist der BGH darauf,
dass hier nicht allein das Prognoseergebnis, sondern auch die Prognosegrundlagen als Anknüpfungspunkt einer Täuschung genügen können.
Die Entscheidung sollte zum Anlass genommen werden, daran zu erinnern, dass bei der
Vermittlung von Anlageprodukten über Prognoserisiken umfassend aufzuklären ist und
bei werbenden Aussagen unter Bezugnahme auf eine vermeintliche persönliche Überzeugung von einem positiven Anlageverlauf zurückhaltende Vorsicht geboten ist. Darüber
hinaus wird dringend empfohlen, die Prognosehintergründe einer Anlage realitätsgemäß
darzustellen und keinesfalls auf der Basis einer unrichtigen Tatsachengrundlage auf eine
positive Gesamtentwicklung der Anlage zu vertrauen.
Missachtet man dies, drohen im Falle negativer Anlageentwicklung nicht nur erhebliche
zivilrechtliche Schadensersatzforderungen, sondern auch Strafbarkeitsrisiken, die bei –
üblicherweise betragsmäßig beachtlichen – Immobilieninvestitionen schnell die Schwelle
zu einem Betrug im besonders schweren Fall überschreiten können.
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