Evolutionäre Entfaltung

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Evolutionäre Entfaltung
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Publisher 1· 2001
PrePress
Paint Shop Pro Version 7
Evolutionäre Entfaltung
Paint Shop Pro entstieg der digitalen Ursuppe als schlankes Sharewareprogramm und ist
über sieben Programmversionen zu einem Grafik-Schwergewicht herangewachsen.
n MATTHIAS SCHÜSSLER
Auf
meinem (inzwischen betagten) Privat-PC gehört Paint Shop Pro zu den
rege benützten Programmen. Sein grosser Vorteil ist der schnelle Start: Auch
wenn der Arbeitsspeicher knapp ist,
weil ich zum Schreiben meines Artikels in InDesign auch den Webbrowser benütze und in Lexirom Synonyme
nachschlage, startet Paint Shop Pro in
ein oder zwei Sekunden. Das kleine
Progrämmchen ist in einem Bruchteil
der Zeit arbeitsbereit, die Photoshop
zum Aufstarten braucht, und es bietet
dennoch genau die Funktionen, die ich
auf die Schnelle benötige: Ich kann
Grafiken ruckzuck beschneiden oder
ausdrucken, in der Auflösung überprüfen oder anpassen, ein JPEG als
TIFF speichern oder umgekehrt, und ich
kann ganz hervorragend Bildschirmfotos schiessen. Sprich: Paint Shop Pro ist
das ideale Programm für die kleinen
Aufgaben zwischendurch, mit denen
Photoshop unterfordert wäre.
Neandertaler, topfit in Form
Freilich benütze ich nicht die neueste
Version, ganz im Gegenteil: Im Einsatz
ist nach wie vor Paint Shop Pro Version 4, vom 19. August 1996 – ein
Primat, ein Neandertaler im Vergleich
zu all den anderen Programmen, die
ich seither x-mal aktualisiert habe. Ein
Umstand, der das Handicap von Paint
Shop Pro, auch der neuen Version 7,
treffend beschreibt: Es erscheint nicht
zwingend, die Software zu aktualisieren. Jasc, der Hersteller der Software,
entwickelt das Programm kontinuierlich, gewissermassen evolutionär. Mit
jeder neuen Version kommen ein paar
Funktionen hinzu, Akzente werden
nicht gesetzt. Noch nicht einmal die
Programmoberfläche hat sich seit Version 4 gross verändert – bei anderen
Softwarehäusern ist das Look und Feel
ein beliebtes Objekt für Umgestaltungen, gerade wenn die revolutionären
Ideen fehlen.
Es ist offensichtlich: Die in Minnesota
in einer Ortschaft mit dem schönen
Die Evolution des Paint Shop Pro: Noch langts nicht zur «Krone der Schöpfung», sehr weit ist der Weg aber nicht mehr.
Namen Eden Prairie beheimatete Firma
Jasc sieht das Produkt nicht als kleiner
Bruder zu Photoshop, sondern als
«Komplettlösung» – so heisst es auch
auf der Verpackung. Eine diskutable
Positionierung, denn zum einen ist Paint
Shop Pro als Grafik-«Companion» gross
geworden, nicht als Vollprogramm. Allround-Grafikprofis, wie sie Paint Shop
Pro ins Visier nimmt, kommen in aller
Regel nicht um Photoshop herum.
Die Preisdifferenz zum Adobe-Boliden
ist zwar enorm. Dennoch hätte ich persönlich Bedenken, mich für die Vierfarbenseparation auf Paint Shop Pro zu
verlassen. Man bewegt sich da einfach
zu weit abseits der bekannten Trampelpfade, auch wenn das Programm seit
mehreren Versionen mit CYMK umgehen kann. Für Neueinsteiger im PriPaint Shop Pro kann,
wie sein Vorgänger
schon, mit CMYK
umgehen. Wer es
sich zutraut, kann
die Vierfarbenseparation nach eigenen
Wünschen beeinflussen.
vatbereich fehlen die Wizards. Auch
im Business-Publishing kämen Assistenten gut an, ausserdem legt man in
diesen Kreisen sehr viel Wert auf eine
– beschworene oder tatsächlich vorhandene – Office-Integration. Bleiben
die Webgrafiker: Für sie hat Paint Shop
Pro zwar eine Menge zu bieten. Unter
anderem den «Animation Shop», ein
eigenes Programm zum Kreieren von
animierten GIFs. Trotzdem ist Paint
Shop Pro kein dezidiertes Programm für
Webgrafiken – wer nur fürs Internet
gestaltet, wird mit dem Ulead-Paket
oder Macromedia Fireworks glücklicher.
Es ist sicherlich mit der Vergangenheit
als Shareware-Programm erklärlich,
dass die Paint-Shop-Pro-Macher weniger Gedanken an die Zielgruppe verschwenden, als ein Unternehmen, das
seine Produkte vom Fleck weg über
kommerzielle Vertriebskanäle an den
User brachte.
Back to the Roots
Angesichts der Vielfalt an Grafikprogrammen sollte Jasc sich genau diese
Überlegungen machen. Bei Version 7
ist einfach nicht klar, wer dieses Programm einsetzen soll. Unser Vorschlag:
Die Stärke von Paint Shop Pro ist
nach wie vor der «Utility-Charakter»:
Die Schnelligkeit, die Unterstützung
von unzählig vielen Dateiformaten,
die das Programm prädestiniert für
Konvertierungsaufgaben. Die «BatchUmwandlung», also das automatische
Konvertieren einer beliebigen Anzahl
von Grafikdateien in einem Arbeitsgang, ist eine der stärksten Funktionen von Paint Shop Pro und auch
des «Schwesterprogramms» «Image
Robot».
Funktionsvielfalt
Wäre die Dominanz von Photoshop
nicht derartig übermächtig und
erdrückend, dann könnte Paint Shop
Pro mit seiner Kampfansage den Rivalen durchaus in Bedrängnis bringen.
Mit einem Preis von 229 Franken ist das
Programm günstig zu haben. Zumal
sein Funktionsumfang, auch wenn das
erst beim zweiten Blick sichtbar wird,
enorm ist: Wie erwähnt, kann es mit
CMYK umgehen. Es verfügt über sogenannte «Justierungsebenen», die ähnlich arbeiten wie die Effektebenen
in Photoshop. Text wird als Objekt
auf einer Vektorebene platziert, eine
Vorgehensweise, die mindestens so
einleuchtend ist wie Photoshops Typografieebenen. Darüber hinaus bietet
Paint Shop Pro gerade beim Text mehr
Einstellungsmöglichkeiten als Adobes
Pixelprogramm: z.B. erlaubt es die Definition einer Konturfarbe. Text lässt sich
auch einem Pfad entlang setzen. Paint
Shop Pro beherrscht mehrfaches Rückgängigmachen. Zwar ist die «Funk-

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