Börsenrechtliche Aspekte eines Initial Public Offering (IPO) in der
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Börsenrechtliche Aspekte eines Initial Public Offering (IPO) in der
Börsenrechtliche Aspekte eines Initial Public Offering (IPO) in der Schweiz DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft vorgelegt von Daniel Zbinden von Plaffeien (Fribourg) und Basel-Stadt Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Peter Nobel und Dr. Dr. Markus Ruffner Dissertation Nr. 2837 Difo-Druck OHG, Bamberg 2003 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 26. Juni 2003 Der Rektor: Prof. Dr. Peter Gomez Meinen Eltern VORWORT Mein erster Dank gilt meinen Referenten Herrn Prof. Dr. Peter Nobel und Herrn Dr. Dr. Markus Ruffner für die spontane Bereitschaft, das Referat beziehungsweise das Korreferat für die vorliegende Dissertation zu übernehmen. Mein Dank gilt im Weiteren Herrn Prof. Dr. Chr. J. Meier-Schatz. Ihm verdanke ich wertvolle Anmerkungen und Hinweise zur Verbesserung dieser Arbeit sowie die dreijährige Assistenzzeit am Institut für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen. Für die kritische Durchsicht des Textes und die Vielzahl von Anregungen danke ich besonders Herrn lic. iur. HSG Patrick Guidon, Frau lic. oec. HSG Tatjana Sonderegger und Herrn Sandor Frei. Sprachliche Bereinigung erfuhr die Arbeit durch die gründliche Durchsicht von Frau Heidi Scherrer und Herrn Simon E. Zollinger, denen ich ebenfalls herzlich dafür danke. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern Martha und Leo Zbinden-Scherrer bedanken, die meine Ausbildung in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. St. Gallen/Münchenstein, im Juli 2003 Daniel Zbinden INHALTSÜBERSICHT I INHALTSÜBERSICHT INHALTSÜBERSICHT...................................................................................................I INHALTSVERZEICHNIS ...........................................................................................III LITERATUR.................................................................................................................. XI MATERIALIEN ...................................................................................................... XXIX ABKÜRZUNGEN................................................................................................. XXXIV 1. TEIL EINLEITUNG .................................................................................................. 1 I. Problemstellung....................................................................................................... 1 II. Aufbau der Arbeit................................................................................................... 2 A. Zielsetzungen .................................................................................................... 2 B. Einschränkungen.............................................................................................. 3 III. IPO als Transaktionsform...................................................................................... 4 A. Grundlagen ....................................................................................................... 4 B. Umfeld für IPOs in der Schweiz ................................................................... 15 C. Motive für ein IPO ......................................................................................... 16 D. Zeitlicher Ablauf eines IPOs ......................................................................... 26 2. TEIL BÖRSENRECHT ........................................................................................... 34 I. Anforderungen an eine Publikumsgesellschaft.................................................. 34 A. Gesellschaftsform ........................................................................................... 34 B. Bestand, Grösse und Rentabilität ................................................................. 35 C. Kapitalstruktur............................................................................................... 36 D. Anpassung der Statuten im Hinblick auf die Publikumsöffnung.............. 45 E. Entscheid zur Publikumsöffnung ................................................................. 61 II. Mit dem IPO entstehende börsenrechtliche Pflichten....................................... 63 A. Publizität im Hinblick auf das IPO .............................................................. 63 B. Offenlegung von Beteiligungen ................................................................... 105 C. Lock-up-Klausel ........................................................................................... 110 II INHALTSÜBERSICHT III. Die Rolle des Emissionshauses beim IPO ......................................................... 121 A. Emissionshaus............................................................................................... 121 B. Übernahme und Platzierung der Papiere .................................................. 124 C. Pricing............................................................................................................ 126 D. Zuteilung der Papiere .................................................................................. 130 E. Zusätzliche Aufgaben des Emissionshauses............................................... 162 3. TEIL MARKTSEGMENTE.................................................................................. 167 I. Börsenrechtliche Anforderungen an ein Kotierungsreglement ..................... 167 A. Grundsatz...................................................................................................... 167 B. Kotierungsreglemente .................................................................................. 168 C. Verweis auf international anerkannte Standards ..................................... 171 II. Übersicht der Kotierungsvoraussetzungen an ausgewählten Segmenten der SWX ..................................................................................................................... 177 A. Hauptsegment ............................................................................................... 179 B. New Market................................................................................................... 215 C. SWX Local Caps........................................................................................... 226 III. Internet-IPOs....................................................................................................... 229 A. Problematik................................................................................................... 229 B. Vor- und Nachteile von Internet-IPOs ....................................................... 230 C. Eigen- oder Fremdemission......................................................................... 232 D. Virtuelle Emissionshäuser ........................................................................... 234 E. Angebot beziehungsweise Offering............................................................. 236 F. Sekundärmärkte........................................................................................... 239 G. Fazit ............................................................................................................... 244 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG ...................................................................... 246 INHALTSVERZEICHNIS III INHALTSVERZEICHNIS INHALTSÜBERSICHT...................................................................................................I INHALTSVERZEICHNIS ...........................................................................................III LITERATUR.................................................................................................................. XI MATERIALIEN ...................................................................................................... XXIX ABKÜRZUNGEN................................................................................................. XXXIV 1. TEIL EINLEITUNG .................................................................................................. 1 I. Problemstellung....................................................................................................... 1 II. Aufbau der Arbeit................................................................................................... 2 A. Zielsetzungen .................................................................................................... 2 B. Einschränkungen.............................................................................................. 3 III. IPO als Transaktionsform...................................................................................... 4 A. Grundlagen ....................................................................................................... 4 1. Initial Public Offering .................................................................................... 4 1.1. Definition .............................................................................................. 4 1.2. Herkunft der Papiere ............................................................................. 8 1.2.1. Primary Offering ........................................................................ 8 1.2.2. Secondary Offering .................................................................... 9 1.2.3. Mischformen ............................................................................ 10 2. Eigen- oder Fremdemission ......................................................................... 11 2.1. Direkt Public Offering......................................................................... 11 2.2. Fremdemission .................................................................................... 12 3. Abgrenzung zu weiteren Eigenkapitalemissionen....................................... 13 3.1. Private Placement................................................................................ 13 3.2. Secondary Placement, Sekundärkotierung und Dual Listing.............. 14 B. Umfeld für IPOs in der Schweiz ................................................................... 15 C. Motive für ein IPO ......................................................................................... 16 1. Vorteile......................................................................................................... 17 1.1. Kapitalbeschaffung.............................................................................. 17 1.2. Desinvestition beziehungsweise Exit.................................................. 18 1.3. Publizität und Beteiligung der Mitarbeiter.......................................... 19 IV INHALTSVERZEICHNIS 2. Nachteile ...................................................................................................... 20 2.1. Offenlegung von Geschäftsinterna...................................................... 20 2.2. Überfremdung und Verlust des unternehmerischen Einflusses .......... 20 2.3. Kosten.................................................................................................. 21 2.3.1. Allgemeine Kosten des IPOs.................................................... 21 2.3.2. Steuern...................................................................................... 22 a) Steuerliche Abgaben der Gesellschaft ............................... 22 b) Steuerliche Abgaben der Altaktionäre............................... 23 2.3.3. Laufende Kosten des „Being Public“....................................... 24 2.3.4. Gesamtbetrachtung der Kosten ................................................ 24 2.4. Haftungsrisiko ..................................................................................... 25 D. Zeitlicher Ablauf eines IPOs ......................................................................... 26 1. Zeitpunkt des IPOs....................................................................................... 26 1.1. Börsenklima ........................................................................................ 26 1.2. Börsenreife .......................................................................................... 27 1.2.1. Quantitative und qualitative Voraussetzungen......................... 27 1.2.2. Umstrukturierung und Neuorganisation................................... 28 2. Auswahl der Emissionsbegleiter.................................................................. 28 3. Wahl zwischen verschiedenen Börsenplätzen und Marktsegmenten .......... 30 4. Marketing ..................................................................................................... 31 5. Festlegung der Emissionshöhe, des Preises und des Verteilschlüssels ....... 32 6. Kotierung und Handel.................................................................................. 33 2. TEIL BÖRSENRECHT ........................................................................................... 34 I. Anforderungen an eine Publikumsgesellschaft.................................................. 34 A. Gesellschaftsform ........................................................................................... 34 B. Bestand, Grösse und Rentabilität ................................................................. 35 C. Kapitalstruktur............................................................................................... 36 1. Kapitalerhöhung........................................................................................... 37 1.1. Im Allgemeinen................................................................................... 37 1.2. Arten der Kapitalerhöhung.................................................................. 37 1.3. Ausschluss des Bezugsrechts .............................................................. 39 1.4. Kapitalerhöhung im Vorfeld eines Secondary Offerings.................... 41 2. Wahl der Beteiligungspapiere...................................................................... 42 3. Verbriefung der Papiere ............................................................................... 43 4. Stückelung und Freefloat ............................................................................. 43 5. Greenshoe..................................................................................................... 44 D. Anpassung der Statuten im Hinblick auf die Publikumsöffnung.............. 45 1. Corporate Governance einer Publikumsgesellschaft ................................... 45 1.1. Im Allgemeinen................................................................................... 45 1.2. Organisation und Transparenz ............................................................ 47 1.3. Fazit..................................................................................................... 49 2. Statutenänderung bezüglich Angebotspflichten .......................................... 50 INHALTSVERZEICHNIS V 3. Einflusswahrung und Abwehrmassnahmen gegen öffentliche Übernahmeangebote .................................................................................... 54 3.1. Verlust des unternehmerischen Einflusses.......................................... 54 3.2. Einflusswahrung.................................................................................. 54 3.3. Verhaltenspflichten von Zielgesellschaften und Abwehr feindlicher Übernahmen ........................................................................................ 58 4. Fazit.............................................................................................................. 60 E. Entscheid zur Publikumsöffnung ................................................................. 61 II. Mit dem IPO entstehende börsenrechtliche Pflichten....................................... 63 A. Publizität im Hinblick auf das IPO .............................................................. 63 1. Prospekt........................................................................................................ 64 1.1. Aktienrechtlicher (Emissions-)Prospekt ............................................. 65 1.2. Börsenrechtlicher (Kotierungs-)Prospekt............................................ 67 1.2.1. Im Allgemeinen........................................................................ 67 1.2.2. Inhalt des Kotierungsprospekts ................................................ 68 a) Kapital................................................................................ 69 b) Equity Story und Zukunftsaussichten................................ 69 c) Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben . 70 2. Due Diligence .............................................................................................. 72 3. Rechnungslegung ......................................................................................... 74 3.1. Im Allgemeinen................................................................................... 74 3.2. Rechnungslegungstandards ................................................................. 74 3.3. Fazit..................................................................................................... 77 4. Kotierungsinserat ......................................................................................... 77 5. Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dokumente ................ 78 5.1. Emissionshaus und andere involvierte Personen ................................ 78 5.2. Prospekthaftung................................................................................... 79 5.2.1. Anwendungsbereich ................................................................. 79 5.2.2. Haftungsvoraussetzungen......................................................... 82 5.3. Strafrechtliche Sanktionierung............................................................ 83 5.4. Behördliche Prospektkontrolle............................................................ 84 5.5. Revisionsstelle..................................................................................... 85 5.5.1. Aufgabe .................................................................................... 87 5.5.2. Bestandesvoraussetzungen ....................................................... 87 5.5.3. Sanktionen ................................................................................ 88 5.6. Fazit..................................................................................................... 88 6. Informationelle Gleichbehandlung im Hinblick auf das IPO ...................... 90 6.1. Im Allgemeinen................................................................................... 90 6.2. Aktienrechtliche Gleichbehandlung.................................................... 90 6.3. Börsenrechtliche Gleichbehandlungspflicht ....................................... 93 6.3.1. Regelungsziele des BEHG ....................................................... 93 6.3.2. Beachtung beim IPO ................................................................ 94 6.4. Fazit..................................................................................................... 98 VI INHALTSVERZEICHNIS 7. Folgepublizität ............................................................................................. 99 7.1. Periodische Berichterstattung.............................................................. 99 7.1.1. Aktienrechtliche Publizität....................................................... 99 7.1.2. Börsenrechtliche Publizität .................................................... 100 7.2. Ad-hoc-Publizität .............................................................................. 100 7.3. Missachtung der Publizitätspflichten ................................................ 103 8. Fazit............................................................................................................ 103 B. Offenlegung von Beteiligungen ................................................................... 105 1. Regelung im Aktienrecht ........................................................................... 105 2. Börsengesetz .............................................................................................. 106 3. Besonderheiten der Offenlegung beim IPO............................................... 107 3.1. Offenlegung im Prospekt .................................................................. 107 3.2. Offenlegung eigener Beteiligungsrechte........................................... 108 3.3. Offenlegung von Bestandesveränderungen der Insider nach dem IPO ........................................................................................................... 108 4. Durchsetzung der Offenlegungspflicht ...................................................... 110 C. Lock-up-Klausel ........................................................................................... 110 1. Zweck von Verkaufsbeschränkungen ........................................................ 110 2. Vertragliche Vereinbarung......................................................................... 112 3. Zwingende Verpflichtung .......................................................................... 113 4. Durchsetzung der Lock-up-Verpflichtung................................................. 114 4.1. Sanktionen gegen die Emissionshäuser ............................................ 114 4.2. Sicherheitsverwahrung und separate Valorennummer ..................... 115 4.3. Schadenersatz .................................................................................... 115 5. Fazit............................................................................................................ 120 III. Die Rolle des Emissionshauses beim IPO ......................................................... 121 A. Emissionshaus............................................................................................... 121 1. Aufgabe...................................................................................................... 121 2. Bewilligungspflicht für Effektenhändler ................................................... 122 3. Emissionskonsortien .................................................................................. 123 B. Übernahme und Platzierung der Papiere .................................................. 124 1. Übernahmevertrag...................................................................................... 124 2. Übernahme- und Platzierungsverfahren .................................................... 125 C. Pricing............................................................................................................ 126 1. Unternehmensbewertung und Underpricing .............................................. 127 2. Festlegung des Ausgabepreises.................................................................. 128 D. Zuteilung der Papiere .................................................................................. 130 1. Problematik ................................................................................................ 130 2. Interessenlagen bei der Zuteilung .............................................................. 131 2.1. Interessen der künftigen Publikumsgesellschaft ............................... 131 2.2. Interessen der zuteilenden Banken.................................................... 133 2.3. Interessen der (Klein-)Anleger.......................................................... 134 3. Arten der Zuteilungen ................................................................................ 134 INHALTSVERZEICHNIS VII 4. Gleichbehandlung der Anleger bei der Zuteilung...................................... 137 4.1. Im Allgemeinen................................................................................. 137 4.2. Vertragliche Anspruchsgrundlagen................................................... 137 4.2.1. Anspruch aus Vertragsbeziehungen mit der Bank ................. 138 4.2.2. Anspruch aus Vertragsbeziehungen zwischen Publikumsgesellschaft und Bank ........................................... 138 4.3. Anspruch aus dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsprinzip ..... 139 4.4. Anspruch aus dem börsenrechtlichen Gleichbehandlungsprinzip .... 140 4.4.1. Anwendbarkeit der börsenrechtlichen Bestimmungen auf die Zuteilungsproblematik beim IPO ........................................... 141 4.4.2. Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit.......................... 142 4.4.3. Börsengesetzliche Verhaltensregeln ...................................... 143 a) Inhalt ................................................................................ 143 b) Beachtung beim IPO........................................................ 145 4.4.4. Verhaltensregeln für Effektenhändler der SBVg ................... 148 4.4.5. Fazit ........................................................................................ 149 4.5. Verletzung der börsenrechtlichen Pflichten ...................................... 150 4.5.1. Aufsichtsbeschwerde.............................................................. 150 4.5.2. Zivilrechtliche Klage.............................................................. 151 4.5.3. Abdingbarkeit......................................................................... 154 4.6. Wettbewerbsrecht.............................................................................. 155 5. BSK-Grundsätze in Deutschland ............................................................... 156 6. Ergebnis ..................................................................................................... 159 6.1. Im Allgemeinen................................................................................. 159 6.2. Allfällige Regelung ........................................................................... 160 6.2.1. Umfang einer Regelung ......................................................... 160 a) Zuteilungsgrundsätze....................................................... 160 b) Offenlegung des angewendeten Zuteilungsverfahrens.... 160 6.2.2. Ort der Regelung .................................................................... 161 E. Zusätzliche Aufgaben des Emissionshauses............................................... 162 1. Gewähr für die Einhaltung der Vorschriften ............................................. 162 2. Begleitung der Gesellschaft nach dem IPO ............................................... 163 2.1. Market Making.................................................................................. 163 2.2. Kurspflege und Bereitstellung zusätzlicher Kredite ......................... 163 2.3. Gesellschaftsstudien .......................................................................... 164 3. TEIL MARKTSEGMENTE.................................................................................. 167 I. Börsenrechtliche Anforderungen an ein Kotierungsreglement ..................... 167 A. Grundsatz...................................................................................................... 167 B. Kotierungsreglemente .................................................................................. 168 1. Mindestanforderungen ............................................................................... 169 2. Zulassungsverpflichtung ............................................................................ 170 VIII INHALTSVERZEICHNIS C. Verweis auf international anerkannte Standards ..................................... 171 1. Allgemein................................................................................................... 171 2. Richtlinien der Europäischen Union.......................................................... 173 2.1. Europäische Börsenzulassungsrichtlinie........................................... 173 2.2. Europäische Prospektrichtlinie.......................................................... 175 3. Fazit............................................................................................................ 177 II. Übersicht der Kotierungsvoraussetzungen an ausgewählten Segmenten der SWX ..................................................................................................................... 177 A. Hauptsegment ............................................................................................... 179 1. Anwendungsbereich................................................................................... 179 2. Kotierungsvoraussetzungen ....................................................................... 179 2.1. Gesuch und Gesuchsteller ................................................................. 179 2.2. Anforderungen an die künftige Publikumsgesellschaft .................... 180 2.2.1. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen....................................... 181 2.2.2. Rechenschaft .......................................................................... 181 a) Rechnungslegung............................................................. 182 b) Ausnahmen von der 3-Jahresregel................................... 183 2.2.3. Kapitalausstattung .................................................................. 184 2.3. Anforderungen an den Valor............................................................. 185 2.3.1. Rechtsbestand......................................................................... 185 2.3.2. Gattungsmässige Kotierung ................................................... 185 2.3.3. Mindestkapitalisierung ........................................................... 186 2.3.4. Streuung.................................................................................. 186 2.3.5. Handelbarkeit ......................................................................... 187 2.3.6. Zusätzliche Anforderungen .................................................... 188 2.4. Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung .......................... 189 2.4.1. Kotierungsprospekt ................................................................ 189 a) Inhalt des Kotierungsprospekts........................................ 189 aa) Allgemeine Angaben über den Emittenten und sein Kapital..................................................................... 189 bb) Vermögens-, Finanz- und Ertragslage .................... 191 cc) Prognosen................................................................ 192 dd) Angaben über die Valoren ...................................... 193 ee) Transparenz der Managerlöhne............................... 194 ff) Risikohinweis und Personen, die für den Prospekt die Verantwortung übernehmen.................................... 194 b) Darstellung, Veröffentlichung und Aktualisierungspflicht ......................................................................................... 195 c) Kürzungen und Ausnahmen von der Prospektpflicht...... 196 2.4.2. Kotierungsinserat ................................................................... 197 2.4.3. Weitere Publizitätspflichten und andere Werbemittel ........... 197 2.4.4. Keine Informationsbewertung durch die Zulassungsstelle .... 198 INHALTSVERZEICHNIS IX 2.5. Kotierungsverfahren.......................................................................... 200 2.5.1. Gesuch .................................................................................... 200 2.5.2. Beschwerde ............................................................................ 201 3. Kotierungskosten ....................................................................................... 202 4. Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung............................. 204 4.1. Folgepublizität................................................................................... 204 4.2. Weitere Bedingungen........................................................................ 205 4.2.1. Aufrechterhaltung der Kotierungsvoraussetzungen............... 205 4.2.2. Zusätzliche Meldepflichten .................................................... 206 5. Börsenaustritt und Sanktionen ................................................................... 207 5.1. Sistierung und Dekotierung............................................................... 207 5.2. Sanktionen......................................................................................... 209 6. virt-x........................................................................................................... 210 6.1. Anwendungsbereich .......................................................................... 210 6.2. Kotierungsvoraussetzungen .............................................................. 211 6.2.1. Grundsatz................................................................................ 211 6.2.2. Aufnahme im SMI.................................................................. 212 7. Fazit............................................................................................................ 213 B. New Market................................................................................................... 215 1. Anwendungsbereich und Zukunftsaussichten ........................................... 215 2. Kotierungsvoraussetzungen ....................................................................... 216 2.1. Grundsatz .......................................................................................... 216 2.2. Zutrittshürden .................................................................................... 217 2.3. Transparenz ....................................................................................... 218 2.3.1. Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung ............... 218 2.3.2. Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung ......... 220 2.4. Kapitalerhöhung ................................................................................ 220 2.5. Veräusserungsverbot ......................................................................... 220 2.5.1. Inhalt und Anwendungsbereich.............................................. 221 2.5.2. Publizität und Verfahren ........................................................ 223 2.6. Market Making.................................................................................. 223 3. Fazit............................................................................................................ 224 C. SWX Local Caps........................................................................................... 226 1. Anwendungsbereich................................................................................... 226 2. Kotierungsvoraussetzungen ....................................................................... 227 3. Fazit............................................................................................................ 228 III. Internet-IPOs....................................................................................................... 229 A. Problematik................................................................................................... 229 B. Vor- und Nachteile von Internet-IPOs ....................................................... 230 1. Vorteile....................................................................................................... 230 2. Nachteile .................................................................................................... 231 X INHALTSVERZEICHNIS C. Eigen- oder Fremdemission......................................................................... 232 1. Direct Public Offering (DPO).................................................................... 232 2. Fremdemission ........................................................................................... 234 D. Virtuelle Emissionshäuser ........................................................................... 234 E. Angebot beziehungsweise Offering............................................................. 236 1. Anwendbares Recht ................................................................................... 236 2. Schweizer Recht......................................................................................... 237 F. Sekundärmärkte........................................................................................... 239 1. Electronic Communication Networks und Alternative Trading Systems.. 239 1.1. Anwendbares Recht........................................................................... 240 1.2. Schweizer Recht................................................................................ 241 2. Kotierung an der SWX............................................................................... 243 G. Fazit ............................................................................................................... 244 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG ...................................................................... 246 LITERATUR XI LITERATUR ALBANI, Markus: Wirkungen der Prospekthaftung auf dem Primärmarkt für Risikokapital, in: Behr (Hrsg.), Wachstumsfinanzierung, Bern/Stuttgart/Wien 1999 S. 91-117. ALVAREZ, Manuel / WOTSCHOFSKY, Stefan: Zwischenberichterstattung nach Börsenrecht, IAS und US-GAAP, Bielefeld 2000. ARKEBAUER, James B. / SCHULTZ, Ron: Going public: everything you need to know to take your company public, including Internet direct public offerings, Chicago 1998. ARLINGHAUS, Olaf / BALZ, Ulrich (Hrsg.): Going Public – der erfolgreiche Börsengang, München/Wien/Oldenbourg 2001. 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Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen. EU geänderter Vorschlag PROSPEKT-RL: Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG vom 9. August 2002, KOM (2002) 460 endg. (zit. gV EU-Prospekt-RL). EU RECHNUNGSLEGUNGS-VO: Verordnung 1606/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze, KOM (2001) 80 endg. EU Vorschlag PROSPEKT-RL: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist vom 30.Mai 2001, KOM (2001) 280 endg. (zit. V EU-Prospekt-RL). EU Vorschlag WERTPAPIERDIENSTLEISTUNGS-RL: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märkte des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2002, KOM(2002) 625 endg. (zit. V-ISD). EU WERTPAPIERDIENSTLEISTUNGS-RL: Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (zit. ISD). FESCO European Passport: Consultation Paper, A European Passport for Issuers vom 10. Mai 2000, Fesco/99-098e. FESCO MARKET CONDUCT STANDARDS: Standards for Participants in an Offering vom 22. Dezember 1999, Fesco/99-B. FESCO REGULATED MARKETS: Standards for Regulated Markets under the ISD vom 22. Dezember 1999, Fesco/99-C. GEBÜHRENORDNUNG zum Kotierungsreglement der SWX vom 24. Mai 2000. HAMPEL REPORT: Final Report of the Committee on Corporate Governance, London 1998. 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NAMENAKTIEN-RL: Richtlinie der SWX betreffend Handelbarkeit von Namenaktien vom 24. April 1996. OECD CORPORATE GOVERNANCE: Principles of Corporate Governance, SG/CG(99)5, Paris 1999. OFFENLEGUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. I/99: Going Public und Übergangsbestimmungen vom 26. Februar 1999. OFFENLEGUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. I/01: Melde- und Veröffentlichungspflichten von Underwritern bei Festübernahmen vom 26. November 2001. RAHMENBEDINGUNGEN VIRT-X: Regulatorische Rahmenbedingungen – Handel von SWX-kotierten Effekten auf der Börsenplattform virt-x vom 18. Dezember 2000. REGELWERK NEUER MARKT: Regelwerk der DBAG für den (deutschen) Neuen Markt vom 10. März 1997, Stand 1. Juli 2002. RICHTLINIE BETR. DURCHSETZUNG DER RECHNUNGSLEGUNGSVORSCHRIFTEN UND REGISTRIERUNG DER REVISIONSORGANE: Richtlinie der SWX vom 1. Dezember 1999. RICHTLINIE BETR. KOTIERUNG AUSLÄNDISCHER GESELLSCHAFTEN: Richtlinie der SWX vom 22. Juni 2001. SBVG FINANZANALYSE: Richtlinie der SBVg zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse vom 24. Januar 2003. XXXII MATERIALIEN SBVG VERHALTENSREGELN: Richtlinie der SBVg betreffend Verhaltensregeln für Effektenhändler bei der Durchführung des Effektenhandelsgeschäftes vom 22. Januar 1997. SFAA HANDBOOK: Swiss Financial Analysts Association, Handbook of Best Practice, Juni 2002. SCHEMA A KR: Anhang I Schema A zum KR – Beteiligungsrechte. SIS MERKBLATT: Merkblatt der SegaIntersettle AG zur Richtlinie der Zulassungsstelle der SWX betr. Veräusserungsverbote vom 23. November 2000. SMI-REGLEMENT: Reglement der SWX, Entwurf vom 8. Juli 2002. SPI-REGLEMENT: Reglement der SWX vom 1. Mai 2002. SWISS CODE OF BEST PRACTICE: Code of Best Practice for Corporate Governance der Expertengruppe Corporate Governance vom 21. September 2001. SWX AGB: Allgemeine Geschäftsbedingungen der SWX, Stand 17. Juni 2002. SWX MITTEILUNG Nr. 1/99: Zur Börsenpflicht vom 1. Januar 1999. SWX MITTEILUNG Nr. 58/2002: 3 Jahre SWX New Market: Neuausrichtung an der Segmentierung an der SWX Swiss Exchange vom 23. Juli 2002. SWX VERNEHMLASSUNG MANAGEMENT-TRANSAKTIONEN: Vernehmlassung zur Regelung der Offenlegungspflicht von Management-Transaktionen vom 9. Mai 2003. ÜBERNAHMEKOMMISSION MITTEILUNG Nr. 2: Angebotspflicht vom 21. Juli 1997. VERBRIEFUNGS-RL: Richtlinie der SWX betreffend Verbriefung von Valoren (Art. 2124 KR) vom 14. Mai 1997. ZR-IMMOG.: Zusatzreglement für die Kotierung von Immobiliengesellschaften vom 18. Dezember 2000. ZR-INVG: Zusatzreglement für die Kotierung von Investmentgesellschaften vom 13. Oktober 1997. ZR-LC: Zusatzreglement für die Kotierung im Segment SWX Local Caps vom 24. Mai 2000. ZR-NM: Zusatzreglement für die Kotierung von Effekten im SWX New Market vom 1. Juni 1999. ZULASSUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. 18/2000: Bestätigung des Revisionsorgans gemäss Art. 71 KR vom 18. Dezember 2000. ZULASSUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. 2/2003: IFRS oder US-GAAP am Hauptsegment der SWX; Beschluss der Zulassungsstelle vom 11. November 2001; Inkraftsetzung: 1. Januar 2005. MATERIALIEN XXXIII ZULASSUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. 20/2000: Anerkennung von ausländischen Rechnungslegungsgrundsätzen gemäss Art. 70 des Kotierungsreglements vom 18. Dezember 2000. ZULASSUNGSSTELLE MITTEILUNG Nr. 8/1996: Rundschreiben betr. Meldepflichten, Pflicht zur monatlichen Meldung von neu geschaffenen Beteiligungsrechten aus bedingtem Kapital vom 30. Dezember 1996. ZULASSUNGSSTELLE RUNDSCHREIBEN Nr. 1/1998: Meldepflichten im Rahmen der Aufrechterhaltung der Kotierung (Art. 64-75 KR) vom 2. November 1998, aktualisiert am 1. Januar 2001. ZULASSUNGSSTELLE RUNDSCHREIBEN Nr. 2/1998: Ad hoc-Publizität (Art. 72 KR) und Handelseinstellungen vom 2. November 1998, aktualisiert am 20. Juli 2001. ZULASSUNGSSTELLE RUNDSCHREIBEN Nr. 3/2001: Kotierungsverfahren für Beteiligungsrechte vom 1. Februar 2001. ZULASSUNGSSTELLE RUNDSCHREIBEN Nr. 4/2002: Meldepflichten der sekundärkotierten Emittenten (gemäss Richtlinie betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften) vom 22. Juni 2002. ABKÜRZUNGEN XXXIV ABKÜRZUNGEN a.M. Abl. Abs. ABV AFG AG AGB AHVG AJP AK Amtl.Bull. Anh. Art. AS ATS Aufl. BAFin BAKred. BankG BankV BAWe BBA BBl Bd. BE BEHG BEHV anderer Meinung; am Main Amtsblatt der EU, Brüssel Absatz Aktionärbindungsvertrag BG vom 18. März 1994 über die Anlagefonds, SR 951.31 Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für deutsches, europäisches und internationales Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, Köln Allgemeine Geschäftsbedingungen BG vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, SR 831.10 Aktuelle Juristische Praxis, Lachen Aktienkapital Amtliches Bulletin der Schweizerischen Bundesversammlung Anhang Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts Alternative Trading Systems Auflage (deutsche) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (deutsches) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (neu BAFin) BG vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz), SR 952 VO vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen, SR 952.02 (deutsches) Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (neu BAFin) Berner Bankrechtliche Abhandlungen, Bern Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft Band Begründungserwägung/en in RL oder VO der EU BG über Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 (Börsengesetz), SR 954.1 Börsenverordnung über die Börsen und den Effektenhandel, SR 954.11 ABKÜRZUNGEN XXXV BEHV-EBK VO der Eidgenössischen Bankenkommission vom 25. Juni 1997 über die Börsen und den Effektenhandel, SR 954.193 betr. betreffend BewG BG vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, SR 211.412.41 BG Bundesgesetz BGE Bundesgerichtsentscheid BJM Basler Juristische Mitteilungen, Basel BRKG BG vom 8. Oktober 1999 über die Risikokapitalgesellschaften, SR 642.15 BSK (deutsche) Börsensachverständigenkommission bspw. beispielsweise BX Berne eXchange (vormals TBB) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CESR Committee of European Securities Regulators (vormals FESCO) CHF Schweizer Franken Corp. Corporation DAI Deutsches Aktieninstitut DB Der Betrieb, Stuttgart DBAG Deutsche Börse AG DBG BG vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer, SR 642.11 ders. derselbe d.h. das heisst Die Bank Die Bank, Zeitschrift des Bundesverbandes deutscher Banken (Hrsg.), Köln dies. dieselbe(n) DPO Direct Public Offering EAHR Eidg. Amt für das Handelsregister EBK Eidgenössische Bankenkommission ECN Electronic Communication Networks E-FusG Entwurf zum Fusionsgesetz eidg. eidgenössisch EK Eigenkapital EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, SR 0.101 endg. endgültig EPO Electronic Public Offering ABKÜRZUNGEN XXXVI et al. etc. EU EUREX EWG EWR f./ff. FASB FAZ FER FESCO FIBV FN FS FSA FuW GAAP GB GmbH GP gV GV HR HRegV Hrsg. i.c. i.d.R. i.S. i.V.m. IAS IASC IFRS ImmoG inkl. insb. InvG et alii et cetera Europäische Union EUREX Zürich AG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum folgende/fortfolgende Financial Accounting Standard Board (USA) Frankfurter Allgemeine Zeitung Fachempfehlungen zur Rechnungslegung Forum of European Securities Commissions (neu CESR) Fédération Internationale des Bourses de Valeurs Fussnote Festschrift Financial Services Authority (GB) Finanz und Wirtschaft, Zürich Generally Accepted Accounting Principles Grossbritannien Gesellschaft mit beschränkter Haftung Going Public, Das Neuemissionsmagazin, Wolfratshausen geänderter Vorschlag Generalversammlung Handelsregister Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937, SR 221.411 Herausgeber in casu in der Regel in Sachen in Verbindung mit International Accounting Standards International Accounting Committee International Financial Reporting Standards Immobiliengesellschaft(en) inklusive insbesondere Investmentgesellschaft(en) ABKÜRZUNGEN IOSCO IPO IPRG ISD ISIN ISMA IT JbHR Kap. KB KG KMU KOM KonTraG KR LC Lfg. LSE m.E. m.w.H. Mia. Mio. N NASD NASDAQ NM NR Nr. NYSE NZZ o.V. ÖBA OECD XXXVII International Organization of Securities Commissions Initial Public Offering BG über das internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987, SR 291 EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Investment Services Directive) International Securities Identification Number International Securities Market Association Informationstechnologie Jahrbuch des Handelsregisters, Zürich Kapitel Kapitalisierung der Beteiligungsrechte BG über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) vom 6. Oktober 1995, SR 251 Kleine und Mittlere Unternehmen Kommission der EU (deutsches) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998 Kotierungsreglement der SWX SWX Local Caps Lieferung London Stock Exchange meines Erachtens mit weiteren Hinweisen Milliarde(n) Million(en) Note National Association of Securities Dealers National Association of Securities Dealers Automated Quotations System SWX New Market Nationalrat Nummer New York Stock Exchange Neue Zürcher Zeitung, Zürich ohne Angabe des Verfassers Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen, Wien Organisation for Economic Co-operation and Development XXXVIII OR PS REPRAX resp. rev. RL RPW RS R-UEK Rz S. s. SAV SBVg Schlussbest. SEC SEGA SGKB SHAB SIS SJZ SMI SNMI sog. SPI SR ST StG StGB StHG StR SFAA ABKÜRZUNGEN BG vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220 Partizipationsschein Zeitschrift zur Handelsregisterpraxis, Zürich respektive revidiert Richtlinie Recht und Politik des Wettbewerbs, Bern Rundschreiben; Rechtssache Reglement der Übernahmekommission vom 21. Juli 1997, SR 954.195.2 Randziffer(n) Seite siehe Schweizerischer Anwaltsverband Schweizerische Bankiervereinigung Schlussbestimmung(en) Securities and Exchange Commission (USA) Schweizerische Effekten-Giro AG, Zürich St. Galler Kantonalbank Schweizerisches Handelsamtsblatt, Bern SegaInterSettle AG Schweizerische Juristen-Zeitung, Publikationsorgan des Schweizerischen Anwaltsverbandes, Zürich Swiss Market Index Swiss New Market Index sogenannt(e) Swiss Performance Index Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizer Treuhänder, Zürich BG vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben, SR 641.10 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0 BG vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, SR 642.14 SteuerRevue, Die unabhängige Fachzeitschrift für das gesamte Steuerwesen, Bern Swiss Financial Analysts Association, Schweizerische Vereinigung für Finanzanalyse und Vermögensverwaltung (SVFV) ABKÜRZUNGEN SWX SZW TBB u. UEV-UEK US(A) usw. UWG v. V. v.a. VBN VE-RRG VE-VZA vgl. VO VR VwVG WM WpHG z.B. ZBB ZBJV ZGB ZGR Ziff. zit. ZR ZSR z.T. XXXIX Swiss Exchange Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Zürich Telefonische Börse Bern, heute BX und VO der Übernahmekommission vom 21. Juli 1997 über öffentliche Kaufangebote, SR 954.195.1 United States (of America) und so weiter BG gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986, SR 241 von Vorschlag vor allem Verband Bernischer Notare Vorentwurf zu einem BG über die Rechnungslegung und Revision vom 29. Juni 1998 Vorentwurf zu einer VO über die Zulassung von Abschlussprüfern vom 29. Juni 1998 vergleiche Verordnung Verwaltungsrat BG vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren, SR 172.021 Wertpapier-Mitteilungen, Frankfurt a.M. (deutsches) Wertpapierhandelsgesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, Köln Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, Bern Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210 Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Berlin Ziffer zitiert Zusatzreglement für die Kotierung Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Basel zum Teil 1. TEIL EINLEITUNG 1 1. TEIL EINLEITUNG I. PROBLEMSTELLUNG Die Umwandlung einer privat gehaltenen Unternehmung in eine Publikumsgesellschaft stellt eines der einschneidendsten Ereignisse in der Geschichte einer Unternehmung dar. Eine sogenannte Publikumsöffnung oder IPO ebnet einer Gesellschaft in erster Linie den Weg zu einem breiten Kreis anonymer Kapitalgeber 1 , die mittels Streuung das Risiko ihrer Investition diversifizieren und so begrenzen können. Der Entscheid zum IPO kann für die Unternehmung oder deren Eigentümer vielfältige Gründe haben. Darunter fallen neben der Finanzierung eines geplanten Wachstumsschubs beispielsweise die Regelung der Unternehmensnachfolge, die Abspaltung eines Segments oder die Realisierung von Beteiligungsgewinnen. Der Übergang von einer Gesellschaft, die bislang von einer begrenzten, individuell bekannten und überschaubaren Schar von Miteigentümern beherrscht wurde, zu einer Publikumsgesellschaft mit anonymem Aktionariat, ist mit einer Vielzahl (börsen-) rechtlicher Probleme verbunden. So ist ein IPO eine Transaktion, die insbesondere publizitätsmässig weit über die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen hinausgeht. Zu denken ist hierbei insbesondere an die ausgedehnte Prospektpflicht und die Einhaltung strengerer Normen bezüglich Rechnungslegung. Daneben stellen das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel 2 und die sich darauf stützenden Erlasse eine Reihe weiterer Pflichten an die (neue) Publikumsgesellschaft, deren Aktionäre und Emissionsbegleiter. Schliesslich haben im Rahmen der Selbstregulierung auch die einzelnen Sekundärmärkte detaillierte Regeln bezüglich der Kotierung erlassen. 1 Alle Funktionsbezeichnungen, ob sprachlich maskulin oder feminin, beziehen sich gleichermassen auf Frauen und Männer. 2 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel, SR 954.1 (nachfolgend Börsengesetz oder BEHG). 1. TEIL EINLEITUNG 2 II. AUFBAU DER ARBEIT A. Zielsetzungen Ein Börsengang kann viele Gründe haben: Kapitalbeschaffung, Desinvestition oder Erhöhung des Bekanntheitsgrades. Bevor eine Unternehmung die Vorteile einer Börsennotierung für sich nutzen kann, stehen eine Reihe organisatorischer, steuerlicher und rechtlicher Entscheidungen an, die weit reichende Konsequenzen haben können. Eine Vielzahl rechtlicher Bestimmungen haben direkte oder indirekte Auswirkungen auf Publikumsgesellschaften. Damit ein IPO zum Erfolg führt, 3 ist es wichtig, die sich verändernde Rechtslage möglichst frühzeitig in die Planung mit einzubeziehen und diesen wesentlichen strategischen Schritt genau zu planen. Ziel dieser Arbeit soll es daher in erster Linie sein, einen Überblick über die – für ein IPO in der Schweiz relevanten – rechtlichen Bestimmungen zu schaffen. Es soll dargelegt werden, welche börsenrechtlichen Probleme vor, während und nach dem IPO auf die künftige Publikumsgesellschaft und die involvierten Personen zukommen. Dies wird aus Sicht der Gesellschaft, der bisherigen und neuen Aktionäre, der bei der Zuteilung nicht berücksichtigten Anleger, der Emissionsbegleiter und aus jener der Aufsichtsbehörde geschehen. Um ein Verständnis für solche Transaktionen zu erhalten, ist es notwendig, diese vorerst genau zu definieren und von anderen Vorgängen der Finanzierung abzugrenzen. Zudem sollte ein IPO auch von der betriebswirtschaftlichen Seite betrachtet werden, weshalb für dessen Planung die Vor- und Nachteile erörtert werden müssen. Auch in diesem Bereich soll der Schwerpunkt bei den rechtlich relevanten Aspekten liegen. Ein gewichtiger Teil dieser Arbeit wird es sein, die Problematik der Gleichbehandlung der Anleger sowohl bezüglich Informationen im Vorfeld des IPOs als auch bei der Zuteilung von überzeichneten Emissionen aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze zu erörtern. Alsdann sollen die unterschiedlichen Regulierungen ausgewählter Marktsegmente der SWX aufgezeigt werden. Schliesslich dürfen, da das Internet im Bereich öffentlicher Emissionen eine immer wichtigere Stellung einnimmt, die neuen Technologien ebenfalls nicht fehlen. Deshalb wird am Ende dieser Arbeit auf solche neu 3 Und damit keine Sorgen bringt; vgl.: Ein IPO bringt viel Geld – und einiges an Sorgen, in: NZZ Nr. 30 vom 6. Februar 2001 S. 91. 1. TEIL EINLEITUNG 3 aufkommenden Internet-Emissionsplattformen und -Handelsplätze eingegangen und die Notwendigkeit derer Regulierung diskutiert. B. Einschränkungen Mit einem IPO können die verschiedensten rechtlichen Bereiche berührt werden – insbesondere das Börsenrecht, das Gesellschaftsrecht (v.a. Aktienrecht), das Vertragsrecht, das Steuerrecht und das Strafrecht. All diese Gebiete vollumfänglich zu beleuchten, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund fokussiert die vorliegende Abhandlung auf die börsenrechtlichen Aspekte eines IPOs, im Wissen, dass eine solche Abgrenzung nicht ohne Überschneidungen möglich ist. 4 Alsdann beschränkt sich diese Arbeit mehrheitlich auf Aktiengesellschaften schweizerischen Rechts, die ihre Papiere auf dem Finanzmarkt Schweiz kotieren lassen. Somit sollen in erster Linie die für Publikumsöffnungen relevanten schweizerischen börsenrechtlichen Bestimmungen aufgezeigt werden, dies obwohl Inkorporation und Ort der Börsenzulassung beziehungsweise Börsenzulassung und Börsenhandel heute immer häufiger auseinander fallen. 5 Ein Schwerpunkt dieser Arbeit stellen schliesslich die Kotierungsbestimmungen der SWX dar. Auf die übrigen ebenfalls detaillierten Kotierungsreglemente, wie beispielsweise der Berne eXchange (BX) 6 oder jene von alternativen Handelssystemen, kann hingegen nur am Rande eingegangen werden. 4 Insbesondere werden etliche Verweise ins Aktienrecht (Kapitalerhöhung, Bezugsrechtsproblematik, Prospekthaftung etc.) und ins Vertragsrecht (Übernahmevertrag, Lock-up-Klauseln etc.) notwendig sein; vgl. zu dieser Problematik (bereits) die Botschaft zum BEHG (1993) S. 1373 f.; ebenso V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 391. 5 Hierzu bspw. HENCKEL, Emittenten (2001) S. 22 ff. 6 Vormals TBB; hierzu http://www.berne-x.com. 1. TEIL EINLEITUNG 4 III. IPO ALS TRANSAKTIONSFORM A. Grundlagen 1. Initial Public Offering 1.1. Definition Wenn ein Unternehmen, das bisher von einem zahlenmässig beschränkten Personenkreis beherrscht wurde, 7 erstmals Aktien im breiten Publikum platziert und seine Papiere damit einem anonymen Anlegerkreis zugänglich macht, sprach man früher von Publikumsöffnung. Mit der Zeit hielt der englische Begriff „Going Public“ Einzug. Heute wird dafür vermehrt der kurze US-Ausdruck IPO (Initial Public Offering) verwendet. Dabei werden in dieser Arbeit die Termini IPO, Going Public und Publikumsöffnung als gleichwertig und synonym verstanden, 8 denn sie alle teilen sich folgende Merkmale: 9 Öffentlichkeit des Angebots Erstmaligkeit Eigenkapitalbeteiligung Börsenkotierung Bei einem IPO handelt es sich demnach um ein erstmaliges 10 Verkaufsangebot von Beteiligungspapieren einer Gesellschaft an einen individuell nicht abgrenzbaren Personenkreis. 11 Die angebotene Beteiligung stellt dabei Eigenkapital der Gesellschaft dar. Für 7 Private Gesellschaft, Closely Held Corporation oder Close Corporation. Bei solchen Unternehmen sind die Gesellschafter vielfach persönlich noch aktiv an der Geschäftsführung beteiligt, und die Anteile werden nicht auf dem Kapitalmarkt gehandelt. 8 Ebenso BREALEY/MYERS (1996) S. 386; BOEMLE (1998) S. 335; SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 13; WOLFF (1994) S. 333; METTLER (1990) S. 20; KADEN (1991) S. 14; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 14; LINDNER (1999) S. 25 ff. 9 Insb. METTLER (1990) S. 19; ebenso KADEN (1991) S. 14 f.; BEHR/KRESTA (1999) S. 20. 10 Bis zum Zeitpunkt des IPOs hat noch kein solches an ein öffentliches Publikum gerichtetes Angebot stattgefunden. 11 Die Einladung ist unbeschränkt an ein breites öffentliches Publikum gerichtet, d.h. sowohl an private als auch institutionelle Anleger; vgl. OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652a N 3 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 89; BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 2d 1. TEIL EINLEITUNG 5 den späteren Börsenhandel muss lediglich vorausgesetzt werden, dass diese Beteiligung sich aufteilen lässt und handelbar ist. Bei Gesellschaften nach schweizerischem Recht sind dies in erster Linie Aktien. 12 Die klassische Form der öffentlichen Platzierung ist die Begebung über die Börse. Die Möglichkeit eines Handels dieser neuen Titel auf einem Sekundärmarkt und damit eines Ausstiegs vom Investment gilt denn auch als Voraussetzung für die Kaufbereitschaft der Anleger. 13 Ein IPO ist darum immer mit einer Zulassung an einer Börse verbunden,14 weshalb viele Autoren ein IPO mit einem erstmaligen Börsengang gleichsetzen. 15 Einige Autoren fügen der Begriffsbestimmung das Merkmal der Beherrschungskontinuität an, da in der Regel zumindest ein Teil der bisherigen Aktionäre ihre beherrschende Stellung an der Gesellschaft beibehält. 16 Ausnahme bildet dabei ein IPO zum Zweck der Nachfolgeregelung beziehungsweise eines Exits. 17 Für ein IPO ist die Beherrschungskontinuität deshalb nicht zwingend notwendig. Doch wird es regelmässig der Fall sein, N 15 f.; ROHR (1990) S. 116 ff.; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 300. Zum Begriff des öffentlichen Verkaufsangebots vgl. Art. 652a Abs. 2 OR: „Öffentlich ist jede Einladung (...), die sich nicht an einen begrenzten Kreis von Personen richtet“. Dabei ist nicht die Grösse des Personenkreises massgebend, sondern die grundsätzliche Unbegrenztheit (BÖCKLI, Aktienrecht [1996] N 193) bzw. qualitative Unbestimmtheit (vgl. EMCH/RENZ/BÖSCH [1998] S. 390). Der Platzierungserfolg ist dabei nicht entscheidend; vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 19. Durch das Kriterium der Öffentlichkeit unterscheidet sich ein IPO von der ebenfalls oft anzutreffenden Privatplatzierung (vgl. hinten Kap. 3.1.), die häufig eine Vorstufe zum IPO darstellt. 12 Denkbar (in der Praxis heute fast nicht mehr anzutreffen) sind des Weiteren Partizipations- und Genussscheine (vgl. 2.Teil/I/C/2); bzgl. anderer Gesellschaftsformen s. hinten 2.Teil/I/A. 13 WOLFF (1994) S. 6; ROHR (1990) S. 140; BEHG-DAENIKER (1999) Art. 2a-c N 30. 14 Vgl. SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 157; METTLER (1990) S. 19; WOLFF (1994) S. 5 f.; BOEMLE (1998) S. 241; bzgl. Börsenzulassung bzw. Kotierung vgl. HENCKEL (1996) S. 42: „Bei der Kotierung handelt es sich um einen Rechtszustand, der eintritt, wenn die Effekten auf Antrag des Emittenten in einem vorgeschriebenen Verfahren nach Erfüllung reglementarischer Vorschriften durch die Zulassungsstelle zum Handel an der Börse zugelassen werden, unabhängig davon, in welchem Segment diese Effekten gehandelt werden.“; s. auch Art. 2 lit. c BEHG; V. BALLMOOS (1997) S. 347 f. 15 Die SWX (http://www.swx.com/issuers/ipos_de.html) definiert ein IPO als erstmalige Kotierung an einem Marktsegment der SWX; vgl. dazu auch CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 296; LÖHR (2000) S. 15. 16 So z.B. METTLER (1990) S. 19; KADEN (1991) S. 15; BEHR/KRESTA (1999)S. 20. Infolgedessen werden bei vielen IPOs sog. Lock-up-Fristen vereinbart, um die ehemaligen Aktionäre weiterhin an die Gesellschaft zu binden; hierzu 2.Teil/II/C. Die Beherrschungskontinuität führt zu einer unechten Publikumsgesellschaft; vgl. BOEMLE (1998) S. 241. 17 Hierzu hinten Kap. C/1.2. Als Ausnahme wäre bspw. an die vollständige Privatisierung von Staatsbetrieben zu denken. Doch bei den heute vorherrschenden (Teil-)Privatisierungen wird der Staat regelmässig einen grösseren Anteil beibehalten; so z.B. Swisscom und Kantonalbanken. 6 1. TEIL EINLEITUNG dass die bisherigen Aktionäre weiterhin massgeblich an der Gesellschaft beteiligt bleiben. Demnach wird in dieser Arbeit für ein IPO folgende Definition verwendet: Ein IPO ist die erstmalig an die breite Öffentlichkeit gerichtete Einladung zum Erwerb einer Eigenkapitalbeteiligung eines Unternehmens mit nachfolgender Börsenkotierung. 1. TEIL EINLEITUNG 7 Der Übergang von einer Einpersonenaktiengesellschaft zu einer echten Publikumsgesellschaft lässt sich am einfachsten mittels einer Grafik darstellen. 18 Durch die Teilnahme einer immer grösser werdenden Zahl von Aktionären an der Unternehmung, wird eine zunehmende Streuung der Papiere und damit einhergehend eine Vergrösserung des Aktionärskreises erreicht. Zentraler Punkt des Übergangs zu einer Publikumsgesellschaft stellt das IPO dar. Einpersonen-AG Zunehmende - Streuung - Fungibilität - Mitsprache der Beteiligten - Öffnung Erbteilung, Expansion etc. Private Mehrpersonen-AG (Reine Familien- oder Gründer-AG) Beteiligung von - Persönlichen Freunden und Bekannten - Mitarbeitern - Kunden und Lieferanten - Venture Capital- bzw. PrivateEquity-Gesellschaften Private AG mit erweitertem Aktionärskreis IPO durch erstmalige freie Platzierung von Titeln im Publikum und Börsenkotierung Unechte Publikumsgesellschaft (durch bisherige Aktionäre kontrolliert) Auflösung grosser Aktienpakete u. Verschwinden dominierender Aktionäre Echte Publikumsgesellschaft 18 Öffnungsstufen der Aktiengesellschaft in Anlehnung an KUNZ R. (1991) S. 12. 1. TEIL EINLEITUNG 8 1.2. Herkunft der Papiere Die beim IPO angebotenen Papiere können aus unterschiedlichen Quellen stammen. Das breite Publikum kann entweder an der künftigen Publikumsgesellschaft beteiligt werden, indem diese selbst neue Papiere schafft und emittiert oder indem ein bisheriger Hauptaktionär (bzw. eine Gruppe von Aktionären) seine Beteiligung verkauft. Im ersten Fall spricht man von einem Primary Offering, im zweiten von einem Secondary Offering. Schliesslich ist es möglich, beide miteinander zu verbinden. IPO Primary Offering Mischformen Secondary Offering 1.2.1. Primary Offering Beim Primary Offering werden die an das Publikum ausgegebenen Beteiligungspapiere mittels Kapitalerhöhung neu geschaffen.19 Mit einem Primary Offering geht deshalb immer eine Vergrösserung des Effektenbestandes einher. Der dabei vom Publikum bezahlte Preis fliesst der emittierenden Gesellschaft zu, welche die neuen Mittel für ihr künftiges Wachstum verwenden kann. 20 Die bisherigen Aktionäre profitieren in einem solchen Fall nur indirekt vom IPO. Durch die Kotierung ihrer Papiere wird es ihnen ermöglicht, diese über die Börse zu verkaufen. Hierzu muss allerdings erwähnt werden, dass es bei einem Primary Offering durch eine 19 METTLER (1990) S. 59 ff.; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 15. Beim Primary Offering handelt es sich um eine Finanzierungsart, bei der von externer Seite (Aussenfinanzierung) Eigenbzw. Beteiligungskapital zufliesst; vgl. BOEMLE (1998) S. 341; BREALEY/MYERS (1996) S. 386; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 335 f. Deshalb müssen die gesetzlichen Aspekte der Kapitalerhöhung (ordentliche oder genehmigte; vgl. Art. 650 ff. OR) eingehalten werden; vgl. dazu 2.Teil/I/C/1. 20 WATTER, Festübernahme (1998) S. 388; WOLFF (1994) S. 5. 1. TEIL EINLEITUNG 9 spezielle Gestaltung ebenfalls möglich ist, den bisherigen Grossaktionären einen „Verkaufspreis“ zufliessen zu lassen. 21 1.2.2. Secondary Offering Das erstmalige öffentliche Angebot und die Börsenzulassung werden zwar häufig mit einer Kapitalerhöhung verbunden, doch gibt es Fälle, in denen keine solche vorgenommen wird. Bei einem Secondary Offering 22 handelt es sich um die Platzierung bereits ausgegebener Aktien im Publikum. 23 Diese erfolgt im Auftrag und auf Rechnung eines sich desengagierenden verkaufswilligen Grossaktionärs oder einer Aktionärsgruppe. Als solche kommen in erster Linie die Gründer (bzw. deren Erben) in Betracht. In jüngster Zeit treten vermehrt auch Venture Capital- und Private Equity-Investoren als Verkäufer auf.24 Denkbar ist im Weiteren der Verkauf einer Tochtergesellschaft durch einen Konzern25 oder die Privatisierung ehemals öffentlicher Unternehmen durch den Staat. 26 Im Gegensatz zur Kapitalerhöhung findet ein Secondary Offering nicht auf Rechnung der Gesellschaft statt, weshalb die Eigenkapitalbasis des Unternehmens unverändert bleibt. 27 Der vom Publikum bezahlte Preis fliesst dadurch den Verkäufern zu. Von einem 21 Bspw. indem der Grossaktionär das Unternehmen an eine neugegründete AG verkauft und den Kaufpreis als Darlehen stehen lässt. Im zweiten Schritt erhöht die AG im Rahmen des IPOs ihr Kapital (Primary Offering) und zahlt aus den ihr zufliessenden Beträgen das Darlehen zurück; so WATTER, Festübernahme (1998) S. 388. Solche Rückzahlungen von Aktionärsdarlehen werden allerdings von den Neuaktionären verständlicherweise nicht gerne gesehen und mit Kursabschlägen bestraft. 22 Z.T. als „Secondary Placement“ bezeichnet; vgl. OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5; DERS., Effektenhändler (1996) S. 77; WATTER/REUTTER (2002) S. 3. 23 BREALEY/MYERS (1996) S. 386; BOEMLE (1998) S. 341; STOLZ (1998) S. 39; WOLFF (1994) S. 5; KADEN (1991) S. 14; WATTER, Festübernahme (1998) S. 388; ROHR (1990) S. 99; v. WYL (1989) S. 260; KRAMER (1999) S. 244; MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 55; DAENIKER, Grenzüberschreitende Aktienplazierungen (2000) S. 73 f. Als Secondary Offering bezeichnen gewisse Autoren die Platzierung von zusätzlichen Aktien einer bereits kotierten Gesellschaft; so z.B. KRÄMER/HESS (1999) S. 188. 24 Sog. „Venture-Backed Offerings“, vgl. GOMPERS/LERNER (1999) S. 206; s. auch METTLER (1990) S. 63; SIDLER (1996) S. 193 ff. 25 Sog. „Spin-Off“; vgl. dazu HASSELMANN (1997) passim; SCHANZ (2000) § 2 Rz 25 ff. 26 BREALEY/MYERS (1996) S. 386; bspw. Swisscom oder Kantonalbanken; vgl. NOBEL, Privatisierung (1999) S. 10 ff.; LINDOW (1998) S. 155 ff.; ROSENBERG (1997) S. 1053 ff.; GOLDBERG/ JEDRZEJCZAK/FUCHS (1997) S. 1 ff.; WEBER, Öffentliche Unternehmen (1999) S. 79 ff. 27 Da lediglich eine Umplatzierung stattfindet, fliesst der Gesellschaft kein entsprechender Emissionserlös zu. Es handelt sich in diesem Fall um keine Beteiligungsfinanzierung im eigentlichen Sinn; 1. TEIL EINLEITUNG 10 vergrösserten Aktionärskreis profitiert die Gesellschaft allerdings indirekt, da es ihr in späteren Phasen grundsätzlich leichter fallen wird, zusätzliches Kapital aufzunehmen. Rechtlich wirft ein Secondary Offering weniger Probleme auf. 28 Allerdings bestehen hierin gravierende Markthindernisse. In der Regel favorisiert der Kapitalmarkt IPOs, bei denen das Geld der neuen Aktionäre für die weitere Expansion der Gesellschaft und nicht primär den Altaktionären zufliesst. Folglich muss ein sich verabschiedender (privater) Grossaktionär gute Gründe glaubhaft machen, weshalb er seine Beteiligung verkaufen will, um Kaufbereitschaft bei den Investoren zu erzeugen. 29 Infolgedessen schreiben manche Kotierungsreglemente (so beispielsweise jenes des SWX-New Markets 30 ) eine Kapitalerhöhung zwingend vor, womit ein reines Secondary Offering nicht immer möglich ist. 1.2.3. Mischformen In der Praxis wird bei der Börseneinführung von Unternehmen oftmals eine Kombination beider Varianten (sowohl Primary wie Secondary Offering) gewählt. 31 Die Altgesellschafter bieten den Investoren ihr Gesellschaftskapital zumindest teilweise an, wobei gleichzeitig auch eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird. Dadurch stammen die der Öffentlichkeit angebotenen Aktien sowohl aus einer Umplatzierung der Anteile der Alteigentümer als auch aus einer Kapitalerhöhung. vgl. WOLFF (1994) S. 5 u. S. 310; METTLER (1990) S. 61 spricht deshalb auch von Unternehmerfinanzierung. 28 Insbesondere entfallen die mit der Kapitalerhöhung zusammenhängenden Probleme; hierzu WATTER, Festübernahme (1998) S. 398 f. 29 Schwierig ist dies besonders dann, wenn die Preisvorstellungen des „Aussteigers“ an der oberen Skala des Vertretbaren liegen, da dann Unterstellungen des „Kassemachens“ auftreten werden. Vgl. auch GLEISBERG (2003). 30 Vgl. Art. 6 ZR-NM: „Für die erstmalige Zulassung von Valoren zum Segment SWX New Market ist eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen erforderlich, aus der mindestens 50 Prozent des zu platzierenden Emissionsvolumens stammen soll.“; hierzu und bzgl. der Zukunft des SWX New Markets s. hinten 3.Teil/II/B. 31 EHRHARDT (1997) S. 21; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 335. Eine andere Möglichkeit wäre eine Kapitalerhöhung, welche von den bisherigen Unternehmenseigentümern zu pari liberiert wird. Danach werden diese Papiere von den bisherigen Altaktionären dem Publikum angeboten. Dadurch fliesst der Emissionserlös aus der Kapitalerhöhung der Unternehmung zu (wobei gleichzeitig infolge des tieferen Ausgabepreises eine Kapitalverwässerung eintritt); der darauf folgende Verkauf der Papiere an das Publikum tangiert hingegen finanziell nur noch die bisherigen Unternehmenseigner; vgl. METTLER (1990) S. 59. 1. TEIL EINLEITUNG 11 Bilanz - AG Aktiven Fremdkapital Neu zufliessende Mittel 2. Bisheriges Secondary Offering Aktienkapital Bei den Altaktionären verbleibendes AK KapitalErhöhung Primary Offering Eigen- oder Fremdemission Die Beteiligungspapiere können entweder vom Emittenten (bzw. vom Altaktionär) selbstständig oder mit Hilfe eines Intermediärs im Publikum platziert werden. Im ersten Fall spricht man von einer Eigenemission oder auf englisch „Direct Public Offering“ (DPO), im zweiten Fall liegt eine Fremdemission oder „gemanagte“ Emission vor. 2.1. Direkt Public Offering Ein DPO ist eine Eigenemission eines Unternehmens ohne Zwischenschaltung eines Emissionshelfers. Das Unternehmen sucht seine Investoren selber und platziert die Beteiligungspapiere direkt im Publikum. 32 Sowohl ein Primary wie ein Secondary Offering können als Selbstemission durchgeführt werden. Früher scheiterten DPOs oft daran, dass die Gesellschaften (resp. die verkaufswilligen Grossaktionäre) nicht über die notwendigen Distributionskanäle verfügten. 33 Mit dem Aufkommen des Internets hat sich diese 32 Vgl. ROHR (1990) S. 109 ff.; HOPT (1991) Rz 23 ff.; WOLFF (1994) S. 110 f.; KÜNG/HUBER/ KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 4: METTLER (1990) S. 154; MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 574; ARKEBAUER/SCHULTZ (1998) S. 300 f.; WEILER, IPO (2001) S. 156. 33 Eine Direktplatzierung war in der Schweiz lange Zeit nur bei Banken selbst anzutreffen – und dort auch fast ausschliesslich für Fremdkapital; vgl. EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 391; HÄMMERLI (1986) S. 19. So nutzte bspw. sogar die SGKB für ihr IPO das Netzwerk der UBS Warburg und anderer Banken; vgl. Offering Circular St. Galler Kantonalbank vom 2. April 2001 S. 1. 1. TEIL EINLEITUNG 12 Problematik indes entschärft. Erst dieses neue Medium ermöglicht es den Emittenten, eine genügend grosse Masse von Investoren direkt anzusprechen. Die Vorteile des DPO liegen damit auf der Hand. Durch das Umgehen eines Intermediärs können dessen Provisionen, die einen gewichtigen Anteil der Kapitalbeschaffungskosten ausmachen, eingespart werden. 34 Im Vergleich zu einem traditionellen IPO werden beim DPO die Aktien eines emittierenden Unternehmens vielfach bereits in einer vorbörslichen Phase des Unternehmenszyklus angeboten. Dadurch ist eine Kotierung der emittierten Titel an der Börse oder einer anderen Handelsplattform in der Regel nicht zu erwarten. 35 Aus diesem Grund handelt es sich bei einem DPO vielfach auch nicht um ein typisches IPO. Ein DPO kann allerdings als sanfter Einstieg in den Kapitalmarkt gesehen werden, da ein eigentlicher Börsengang regelmässig als Option für einen späteren Zeitpunkt bestehen bleibt. 2.2. Fremdemission Bei einer Fremdemission bedient sich die künftige Publikumsgesellschaft beziehungsweise der verkaufende Grossaktionär zur Durchführung des IPOs der Hilfe spezialisierter Emissionshäuser. Diese unterstützen die Gesellschaft namentlich bei der Distribution der Papiere, der Erstellung der Emissionsdokumente, der Kotierung der Papiere und bei der Festlegung des Ausgabepreises. Da Emissionshäuser nur ausgewählte Gesellschaften bei dieser Transaktion betreuen, zumal sie besonderes bei einer Festübernahme ein erhebliches Risiko eingehen, stellt der Name des Emissionshauses beim IPO eine Art „Gütesiegel“ dar. 36 Bei der Fremdemission handelt es sich somit im Gegensatz zu einem DPO um eine „fremd-gemanagte“ Emission mit einer selektiven Zulassung. In der Schweiz ist bei Neuemissionen die Fremdplatzierung mittels Bookbuilding bei Weitem vorherrschend,37 wobei vertraglich die verschiedensten Vereinbarungen getroffen werden können. 34 BEHR/KRESTA (1999) S. 20 ff.; LETTMAYER (1999) S. 438; ASSMANN (1999) S. 15 ff.; zu den Kosten des IPOs s. hinten Kap. C/2.3. 35 KRESTA (1999) S. 64. 36 Vgl. WATTER, Festübernahme (1998) S. 390; HOPT (1991) Rz 57 ff. 37 Hierzu 2.Teil/III/B u. C. 1. TEIL EINLEITUNG 13 3. Abgrenzung zu weiteren Eigenkapitalemissionen 3.1. Private Placement Bei einer Privatplatzierung (oder Private Placement) wird das Eigenkapital direkt bei institutionellen oder ausgewählten privaten Investoren aufgenommen.38 Ein Private Placement richtet sich deshalb von vornherein nicht an das allgemeine öffentliche Publikum, sondern lediglich an einen begrenzten und individuell bestimmten Personenkreis. Das Kriterium der Öffentlichkeit ist damit bei einem Private Placement nicht erfüllt, weshalb hier nicht von einem IPO gesprochen werden kann. Zudem können solche Papiere vielfach nicht an einer Börse kotiert werden, 39 da eine ausreichende Streuung dieser Titel durch die enge Auswahl der Investoren nicht vorhanden ist. 40 Ein Private Placement ist häufig mit einer hohen Abgabe der Stimmrechte und einer starken Einflussnahme der neuen Investoren auf die Gesellschaft verbunden. Insbesondere Venture Capital-Unternehmen versuchen die Gesellschaft nach ihren Zielsetzungen zu beeinflussen und aktiv bei der Geschäftsführung mitzuwirken.41 Zudem kann bei einem IPO unter Umständen ein höherer Preis für die Beteiligungspapiere erzielt werden als bei einer Privatplatzierung. Allerdings ist nicht jede Gesellschaft reif für ein IPO, 42 womit eine Privatplatzierung für eine Vielzahl von Unternehmen die einzige Möglichkeit darstellt, um zu dem für weitere Expansionen benötigten (Eigen-)Kapital zu gelangen. Ein Private Placement kann dadurch vielfach eine Vorstufe zum IPO darstellen. Erweist sich nämlich die Privatplatzierung als Erfolg, so können die (neuen) Aktionäre bestrebt sein, sich mittels IPO von ihrer Investition zu lösen und den erzielten Wertzuwachs als Gewinn zu realisieren. 38 Dies können beispielsweise Private Equity- oder Venture Capital-Unternehmen, Business Angels, Fonds, Versicherungen oder (in beschränktem Masse) auch Pensionskassen sein; anstatt vieler KÜNG/HUBER/ KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 2; HOPT (1991) Rz 31. 39 ROHR (1990) S. 120; CLAUSSEN ([2000] § 9 Rz 300) sieht in der Börseneinführung den Unterschied zwischen IPO und Private Placement. 40 Damit ein marktmässiger Handel erreicht werden kann, wird von den Börsen eine hinreichende Streuung („Freefloat“) verlangt; so z.B. Art. 17 KR, Art. 10 ZR-NM, Art. 7 ZR-LC. 41 Z.B. durch Einsitznahme im VR oder der Geschäftsleitung. Zur Thematik BREALEY/MYERS (1998) S. 399 ff.; MORRISON/STANGER (1998) S. 100 ff. 42 Vgl. hinten Kap. D/1.2. 1. TEIL EINLEITUNG 14 3.2. Secondary Placement, Sekundärkotierung und Dual Listing Bei einer Sekundärplatzierung bzw. Sekundäremission handelt es sich um ein Angebot von Papieren, das erst erfolgt, nachdem das Unternehmen bereits an die breite Öffentlichkeit getreten ist. Dabei werden in einer zweiten Tranche Beteiligungspapiere, die wiederum aus einer zusätzlichen Kapitalerhöhung oder aus Beständen der Altaktionäre stammen, platziert. 43 Von einem IPO kann bei solchen Transaktionen nicht mehr gesprochen werden, da ein Secondary Placement das Kriterium der „Erstmaligkeit“ nicht erfüllt. Von einem IPO ebenfalls zu unterscheiden sind Sekundärkotierungen. Dabei werden die Papiere einer Gesellschaft an einer zweiten (häufig ausländischen) Börse kotiert. 44 Eine solche wird beispielsweise von Unternehmen getätigt, welche glauben, an der Heimbörse unterbewertet zu sein, 45 oder die damit eine Akquisitionswährung für künftige Firmenübernahmen erhalten wollen. Werden die Papiere gleichzeitig an zwei oder mehreren Börsen platziert, spricht man von einem Dual Listing. 46 Wegen der momentan noch unterschiedlichen börsenrechtlichen Regulierungen (insb. Publizitätserfordernissen), der hohen Kosten 47 und der Beeinträchtigung der Liquidität der Titel sind solche Mehrfachkotierungen und grenzübergreifende Börsengänge bisher eher selten. Des Weiteren ist für Sekundärkotierungen eine entsprechende Unternehmensgrösse erforderlich, weshalb eine solche Zweitkotierung vielfach erst einige Jahre nach dem IPO erfolgt. 48 43 OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5; DERS., Effektenhändler (1996) S. 77. 44 Vgl. PAGANO/RÖELL/ZECHNER (2001); FRANCIONI/BÖHNLEIN (1998) S. 261; SCHANZ (2000) § 14 Rz 1 ff. 45 ZARB (1998) S. 330. 46 Vgl. HODEL (2002) S. 108; bzgl. Handhabung solcher Sekundärkotierungen und Dual Listings bei der SWX s. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 15/2001 vom 3. September 2001 u. Richtlinie betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften. 47 Beachtung unterschiedlicher Publizitätsstandards, Umstellung der Rechnungslegung, Kotierungskosten etc. 48 Es gibt indes auch Beispiele, die zeigen, dass ein gleichzeitiges Kotieren an verschiedenen Börsen durchaus möglich ist; so z.B. IPO BioMarin Pharmaceutical Inc., die im Juli 1999 gleichzeitig an der NASDAQ und am SWX New Market eingeführt wurde. 1. TEIL EINLEITUNG 15 B. Umfeld für IPOs in der Schweiz Von der Vielzahl der in der Schweiz existierenden Aktiengesellschaften sind nur deren 256 49 an der Schweizer Börse (SWX) kotiert. Allerdings liegt deren Börsenkapitalisierung an der SWX in Relation zum Bruttoinlandprodukt mit 213,4% weit über den Vergleichswerten anderer Staaten. 50 Die Börsen leiden in zunehmendem Mass unter einem enormen Konkurrenzdruck. 51 Im Zeitalter der elektronischen Handelssysteme spielt es für einen Handelsteilnehmer eine immer kleiner werdende Rolle, an welchem Ort sich ein Handelssystem befindet. 52 Wichtiger als der geografische Ort ist heutzutage die Liquidität des Marktes, die Effizienz des Handelssystems und die rechtliche Ordnung. Auch die Schweizer Börse spürt in jüngster Zeit die härter gewordene Konkurrenz unter den europäischen Finanzplätzen. Um der Abwanderung nach anderen Börsen, insbesondere London, entgegenzuwirken, hat die Schweizer Börse SWX mit der Gründung der „virt-x“ 53 den Sprung nach vorne gewagt. In den Jahren 1995 bis 2000 entdeckten immer mehr Schweizer Unternehmen die Börse als Eigenkapitalquelle. 54 Damit haben Neuemissionen und Börsenneuzulassungen wesentlich zur Erhöhung der Börsenkapitalisierung beigetragen. 55 Während dieser BoomPhase, in der nicht aufgeklärte Anleger sich mehr und mehr auf die Zeichnung neuer Aktien konzentrierten, um in den Genuss eines vermeintlich risikolosen Zeichnungsgewinnes zu kommen, konnten Aktien zu Höchstkursen emittiert werden. Dadurch wurden Un49 Monatsbericht SWX Mai 2003 S. 3. 50 Zum Vergleich: USA 136,3%, Japan 55,4%; Grossbritannien und Nord-Irland 152%, Deutschland 58,1%, vgl. DAI-Factbook (2002) Tabelle 05-3-a, Stand November 2002; hierzu SCHANZ (2000) § 1 Rz 1. 51 In Europa gibt es derzeit über 30 traditionelle, nationale Börsen für den Aktienhandel, 12 verschiedene Handelssysteme und 20 verschiedene Institutionen für die Abwicklung der Wertpapiergeschäfte; vgl. bezüglich des Konkurrenzdrucks: Konsolidierung der europäischen Börsen – Weitgehende Änderungen erwartet, in: NZZ Nr. 171 vom 26. Juli 2001 S. 25. 52 Trotz dieser zunehmenden Verflechtung besteht in der Schweiz allerdings noch immer ein starker Hang zu heimischen Werten, was momentan noch auf eine gewisse Trägheit der (privaten) Anleger zurückzuführen ist; vgl. HENCKEL, Emittenten (2001) S. 22 ff. 53 Vgl. 3.Teil/II/A/6. 54 Damit begann die Marktfinanzierung die traditionelle Vorherrschaft der Bankfinanzierung abzulösen. So nahm beispielsweise das Handelsvolumen des Aktiengeschäfts auch in der EU von 19951999 jährlich um über 30% zu; vgl. dazu: Erster Bericht des Ausschusses der Weisen über die Reglementierung der Europäischen Wertpapiermärkte vom 9. November 2000. 55 Hierzu DAI-Factbook (2002) Tabelle 03-4-2. 1. TEIL EINLEITUNG 16 ternehmen mit minimalen Umsätzen und ohne Historie mit enormen Mittelzuflüssen versorgt. Aufgrund der Vielzahl von Fällen, bei denen gewisse Unternehmen achtlos mit diesen neuen Mitteln umgegangen sind 56 , und der versiegenden Börseneuphorie zeigen sich die Investoren heute überaus kritisch. Die Zeiten, in welchen Anleger blind Neuemissionen zeichneten und mit ziemlicher Sicherheit enorme Renditen erzielen konnten, sind heute vorbei. Investoren, Emissionshäuser und auch die Gesellschaften selber hinterfragen die Geschäftsstrategien stärker und beurteilen die Zukunftsaussichten skeptischer. Die hohen Kursverluste an den Börsen bis Ende 2002 veranlassten einige Unternehmen dazu, ihre IPO-Pläne vorerst zurückzustecken. 57 Dennoch ist das Interesse von jungen Firmen an einem Börsengang auch heute immer noch gross. Bei einer Besserung des Börsenumfeldes stehen folglich etliche Kandidaten bereit, da einige Unternehmen ihr IPO bereits angekündigt, dann aber verschoben haben. Die Risikobereitschaft der Anleger gegenüber den jungen Gesellschaften wird massgeblich von der Entwicklung an den Aktienmärkten abhängen. Da die Börsen – aber auch die Emissionshäuser – heute unter der rückläufigen Zahl von IPOs leiden, 58 ist für künftige Publikumsgesellschaften eine gründliche Planung des IPOs umso mehr von überragender Wichtigkeit. C. Motive für ein IPO Für ein IPO gibt es viele Gründe. Denkbar sind unter anderem die Finanzierung eines geplanten Wachstumsschubs, die Nachfolgeregelung oder die Abspaltung eines Unternehmenssegments. Allerdings sind mit der Publikumsöffnung auch gewisse Nachteile verbunden. Da sich diese Arbeit überwiegend mit börsenrechtlichen Fragestellungen be- 56 Infolge des hohen Drucks der Anleger sahen sich etliche Manager gezwungen, nicht allein durch organisches Wachstum, sondern vielmehr über waghalsige Zukäufe die ehrgeizigen Expansionspläne zu finanzieren. Eine Cash-Burn-Rate wurde gemeinhin als erstrebenswert erachtet und galt lange Zeit als Ausdruck eines rasanten Wachstums in der schnellen Welt der New Economy. 57 Dementsprechend sank die Zahl der Gesellschaften, die den Gang an die SWX wagten, von 31 im Jahr 2000 auf 15 im Jahr 2001 und auf 5 im Jahr 2002; vgl. http://www.swx.com/issuers. 58 Entsprechend verschärft hat sich der Wettbewerb um neue Gesellschaften. Unter diesen Vorzeichen entschloss sich beispielsweise Mitte Juni 2001 die London Stock Exchange zu einem europaweiten Werbefeldzug. Interessanterweise umwarb diese ihre potentiellen Kandidaten nicht nur mit dem Hinweis auf die Standortvorteile des Finanzplatzes London, sondern hervorgehoben wurde insbesondere auch der hohe Standard der börsenrechtlichen Regulierungsvorschriften und Offenlegungspflichten; vgl. NZZ Nr. 139 vom 19. Juni 2001 S. 33. 1. TEIL EINLEITUNG 17 schäftigt, die sich im Zusammenhang mit einem IPO stellen, werden die wirtschaftlichen Aspekte lediglich kurz behandelt. 59 1. Vorteile 1.1. Kapitalbeschaffung Da ein Primary Offering dem Unternehmen die Möglichkeit bietet, Mittel zu beschaffen, welche nicht durch Selbstfinanzierung oder Fremdkapital bereitgestellt werden können, ist der weitaus häufigste Beweggrund für ein IPO die Verbreiterung der Eigenkapitalbasis und damit die Deckung eines wachstumsbedingten Liquiditätsbedarfs. 60 Das neu zufliessende, zeitlich unbefristet zur Verfügung stehende Kapital kann neben Weiterem die Basis für eine Umstrukturierung, Diversifikation, zukünftige Akquisitionen 61 oder Finanzierung eines geplanten Wachstums bilden. Ein IPO sollte demnach kein Ziel per se sein, sondern lediglich ein Mittel, um langfristige Unternehmensziele zu erreichen. 62 Für Wachstumsunternehmen ist ein Primary Offering eine attraktive Art der Kapitalaufnahme, da es vielfach an weniger Mitspracherechte der Investoren geknüpft ist als beispielsweise eine Kapitalaufnahme bei Venture Capital-Gesellschaften. 63 Zusätzlich wird mit dem IPO die Investorengruppe im Hinblick auf weitere Kapitalerhöhungen wesentlich verbreitert, wodurch sich später weitere Expansionsprojekte einfacher finanzieren lassen. Alsdann wird über die Börsenkotierung eine marktgerechte Bewertung der Gesellschaft erreicht, was zu einer verbesserten Kreditwürdigkeit und damit zur Möglichkeit der Ausweitung der Fremdfinanzierung führen kann. 64 59 Für weitergehende Hinweise s. LÖHR (2000) S. 21 ff.; EHLERS/JURCHER (1999) S. 17 ff.; WOLFF (1994) S. 31 ff.; LINDNER (1999) S. 28 ff.; KRAMER (1999) S. 166 ff.; WIESELHUBER/BÖSEL (1995) S. 39; WEISS (1988) S. 7 ff. 60 Vgl. LÖHR (2000) S. 21 f.; BOEMLE (1998) S. 336; SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 15; WEISS (1988) S. 7 f. 61 Die Gesellschaft erhält mit den kotierten Papieren eine neue Akquisitionswährung für spätere Unternehmensübernahmen. Da sich der zeitliche Horizont bei einem IPO als sehr viel länger erweist als für ein Takeover, muss Ersteres bereits vor konkreten Übernahmeplänen in Angriff genommen werden; vgl. GERRIT, Wenn Töchter flügge werden (2001) S. 108. 62 Bestehen vor dem IPO indes keine konkreten Pläne, wie die neuen Mittel eingesetzt werden sollen, zeigen viele Beispiele der letzten Jahre, dass durch die vollen Kassen bei solchen Unternehmen die Kostendisziplin zusammenbrechen kann. 63 SCHENKER, IPO (2000) S. 6. 64 WOLFF (1994) S. 35; PAGANO/PANETTA/ZINGALES (1998) S. 38 ff. 1. TEIL EINLEITUNG 18 1.2. Desinvestition beziehungsweise Exit Ein IPO bietet den bisherigen Aktionären die Möglichkeit, aus der Gesellschaft auszusteigen, ohne die Selbstständigkeit des Unternehmens zu gefährden. Damit stellt es eine bevorzugte Exit-Strategie für Grossaktionäre (seien dies die Gründungsaktionäre oder Private Equity- bzw. Venture Capital-Gesellschaften) dar. 65 Während bei Familiengesellschaften ein IPO einen äusserst attraktiven Weg darstellt, einen Generationenwechsel vorzubereiten, 66 steht bei Beteiligungsgesellschaften in erster Linie die Veräusserung ihres Investments im Vordergrund. Schliesslich kann auch die Platzierung von Aktien einer Tochtergesellschaft (bzw. eines Betriebsteiles) für ein bereits kotiertes Unternehmen Vorteile mit sich bringen.67 Einerseits können die dadurch frei werdenden Mittel für ein gezielteres Wachstum der Muttergesellschaft eingesetzt werden, andererseits hilft das IPO auch bei der Bewertung der Muttergesellschaft, sofern diese noch einen grösseren Teil der kotierten Tochter behält. 68 Mit der Börsenkotierung erhalten die bisherigen Aktionäre die Möglichkeit, ihre Papiere im Rahmen des IPOs oder zu einem späteren Zeitpunkt am Sekundärmarkt zu verkaufen. Mittels IPO können je nach Marktlage höhere Preise erzielt werden als beim Verkauf an einen industriellen Käufer.69 Zielt der Altaktionär hingegen nach dem IPO auf einen raschen Rückzug von seinem Engagement, ist indes zu erwarten, dass ein solcher von der Börse mit empfindlichen Kursrückgängen quittiert wird und deshalb nur schwer möglich ist. Zudem hindern vielfach Lock-up-Klauseln die Altaktionäre, ihre Papiere während einer bestimmten Zeit nach der Kotierung zu veräussern. 70 65 BELL (1999) S. 372 ff. 66 Das IPO bietet gewissen (passiven) Familienmitgliedern einen attraktiven Weg, sich von der Gesellschaft zu lösen, ohne dass die Gefahr besteht, dass eine namhafte Beteiligung in die Hände eines (unerwünschten) Dritten gelangt, der auf ein zu starkes Mitspracherecht beharren würde; KADEN (1991) S. 24; PAGNO/PANETTA/ZINGALES (1998) S. 56 f. 67 Sog. „Spin-off“; vgl. BÜCHI (2001); HASSELMANN (1997) passim; WATTER, Festübernahme (1998) S. 389; SCHENKER, IPO (2000) S. 8. GERRIT, Shareholder Value (2000) S. 130 ff.; DERS., Wenn Töchter flügge werden (2001) S. 106 ff. Wenn bei einem Spin-off indes die Beteiligung den Aktionären der Mutter angeboten wird und infolgedessen kein öffentliches Angebot stattfindet, handelt es sich nicht um ein IPO im eigentlichen Sinne. 68 Durch ein IPO können der Marktwert einer Tochter genauer ermittelt und, da Mutterunternehmen ihre „Juwelen“ meist nur minderheitlich aus der Hand geben, damit auch Rückschlüsse auf die Mutter gezogen werden. 69 Weshalb der Zeitpunkt des IPOs für den Erfolg des IPOs von überragender Bedeutung ist; vgl. LÖHR (2000) S. 29; SCHENKER, IPO (2000) S. 4. 70 Hierzu 2.Teil/II/C. 1. TEIL EINLEITUNG 1.3. 19 Publizität und Beteiligung der Mitarbeiter Mehr als nur ein angenehmer Nebeneffekt des IPOs ist die Tatsache, dass mit der Öffnung die Aktivitäten und Produkte des Börsenkandidaten ans Licht der Öffentlichkeit gelangen.71 Zudem kann mittels breiter Streuung der Papiere die Kundenbasis und deren Loyalität gesteigert werden. 72 Mit der Publizität steigt auch die Attraktivität und der Bekanntheitsgrad des Unternehmens als Arbeitgeber. Die Aufgabe, ein IPO durchzuführen und bei einer kotierten Unternehmung zu arbeiten, ist reizvoll und lockt daher erfahrene, erfolgsorientierte Manager an. So ist es nicht unüblich, dass im Vorfeld des IPOs qualifizierte Personalakquisitionen gelingen, um die sich das Unternehmen bis dato vergeblich bemüht hatte. 73 Auch für Arbeitnehmer, die nicht auf Managementebene tätig und deshalb nicht direkt vom IPO betroffen sind, steigt die Attraktivität der Gesellschaft nicht zuletzt wegen deren Möglichkeit, Anreize mittels Mitarbeiterbeteiligungen zu erhalten. Da sich die Unternehmung bei einem IPO dem Publikum öffnet, liegt die Überlegung nahe, sich parallel dazu auch der Belegschaft zu öffnen und dieser die Möglichkeit zu geben, sich ebenfalls an ihr zu beteiligen. 74 Solche Beteiligungen bezwecken neben einer grösseren Leistungsbereitschaft und der Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber insbesondere eine stärkere Bindung an das Unternehmen, speziell bei Führungskräften. 75 Mitarbeiter sind zudem eher langfristig orientierte Investoren, womit sich durch die Ausgabe von Aktien an eigene Mitarbeiter sowohl die Kurshektik der Papiere als auch die Gefahr unfreundlicher Übernahmen vermindern. Werden die Mitarbeiteraktien als Erfolgsbeteiligung abgegeben, verhindert die Gesellschaft schliesslich auf diese Weise einen sonst resultierenden Liquiditätsabfluss. 71 Auch nach dem IPO führt die periodische Berichterstattung zu einer regelmässigen Medienpräsenz. 72 Will ein Unternehmen die Kunden seiner Produkte auch als Aktionäre gewinnen, so strebt es eine breite Streuung der Aktionäre an; vgl. PAGANO/PANETTA/ZINGALES (1998) S. 40; z.B. IPO von Swisscom oder Rentenanstalt/Swiss Life; hierzu ROSENBERG (1997) S. 1053 ff.; KUHN (1997) S. 275 ff. 73 RÖDL/ZINSER (1999) S. 81; METTLER (1990) S. 299 f.; SCHAUERTE (1999) S. 8. 74 BOEMLE (1998) S. 328 ff.; WOLFF (1994) S. 208; METTLER (1990) S. 161 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 448 ff. Eine solche Beteiligung ist möglich mittels bevorzugter Zuteilung oder durch Auflegung von Mitarbeiteroptionsplänen. 75 Aber auch in Sparten mit einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt (z.B. IT-Branche) waren lange Zeit ohne solche Mitarbeiterbeteiligungen kaum mehr Spezialisten rekrutierbar. Der einzelne Mitarbeiter ist allerdings durch die Investition in Aktien seines Arbeitgebers einem doppelten Risiko ausgesetzt; als Arbeitnehmer dem Risiko des Einkommensverlustes und als Aktionär dem Risiko des Ver- 1. TEIL EINLEITUNG 20 2. Nachteile 2.1. Offenlegung von Geschäftsinterna Nachdem aus der Gesellschaft ein „öffentliches“ Unternehmen werden soll, müssen auch strengere Anforderungen an die Publizität gelegt werden, da die Öffentlichkeit und besonders die neuen Aktionäre detaillierte Informationen über die Gesellschaft wünschen. 76 Was für die neuen Aktionäre einen Vorteil darstellt, kann sich auf den ersten Blick für die Gesellschaft als nachteilig erweisen. Deshalb tun sich bisher privat gehaltene Gesellschaften vielfach schwer, Informationen zur Geschäftspolitik offen zu legen, zumal solche Informationspflichten selbstverständlich für positive wie negative Bekanntmachungen bestehen. 77 Alsdann werden die obersten Führungsgremien zur Offenlegung ihrer Entschädigungen verpflichtet. 78 Ebenso führt die erhöhte Publizität auch zu einer einfacheren Analysierbarkeit durch allfällige Konkurrenten. 2.2. Überfremdung und Verlust des unternehmerischen Einflusses Die Vergrösserung der Eigenkapitalbasis, die Unkontrollierbarkeit der Wertpapierströme und der damit verbundene Einflussverlust der Gründungsaktionäre birgt die Gefahr unerwünschter Unternehmensübernahmen. Dieses Problem verstärkt sich dadurch, dass die Vinkulierungsmöglichkeiten für börsenkotierte Aktien erschwert sind und das Börsenrecht Abwehrmassnahmen einschränkt. Dennoch können präventiv Vorkehrungen getroffen werden, die geeignet sind, Übernahmen zu verhindern. 79 Solche Massnahmen sollten wenn möglich bereits vor dem IPO in die Wege geleitet werden. Das beste Mittel gegen solche Übernahmen ist indes immer eine erfolgreiche Geschäftspolitik, denn diese führt zu höheren Unternehmensgewinnen und zur Möglichkeit der Gewinnthesaurierung sowie zu einer höheren Bewertung der Aktienkurse. 80 Durch eine höhere Marktbewertung der Publikumsgesellschaft ist die Gefahr, ein Übernahmekandidat zu werden, sehr mögensverlusts; vgl. WOLFF (1994) S. 210; ACHERMANN/HERZOG (2001) S. 6, 14; zur steuerrechtlichen Behandlung s. BRAUCHLI ROHRER/FISCHER (2000) S. 712 f. 76 S. neben vielen LINDNER (1999) S. 134 ff.; KRAMER (1999) S. 171. 77 Vgl. METTLER (1990) S. 301; LÖHR (2000) S. 25. 78 Vgl. z.B. Corporate Governance-RL der SWX; hierzu 2.Teil/I/D/1. 79 Insb. Art. 685d f. OR; Art. 29 Abs. 2 BEHG; vgl. 2.Teil/I/D/3. 80 SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 40. 1. TEIL EINLEITUNG 21 viel geringer, oder wie es BREALEY/MYERS bildlich ausdrücken: „pirates capture only the slower ships“. 81 Sollte der unternehmensbestimmende Einfluss der ursprünglichen Gesellschafter erhalten bleiben, wäre deshalb zu empfehlen, lediglich eine Minderheitsbeteiligung öffentlich zu platzieren. 82 Die Beibehaltung der starken Stellung der Gründungsaktionäre entspricht vielfach auch dem Interesse der neuen Investoren, denn für das Vertrauen künftiger Anleger ist es unter anderem wichtig, dass derjenige Personenkreis, der sich für die bisherige erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens verantwortlich zeigte, auch weiterhin seinen Einfluss wahrnimmt und finanziell beteiligt bleibt. 83 2.3. Kosten 2.3.1. Allgemeine Kosten des IPOs Im Gegensatz zur Privatplatzierung ist ein IPO wesentlich teurer, da erhebliche Publizitätskosten anfallen. Vor allem die Erstellung der von den einzelnen Börsen geforderten detaillierten Dokumente (insb. Kotierungsprospekt) ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Zusätzlich kommen auf eine Gesellschaft im Vorfeld ihres IPOs enorme Werbekosten zu, sei dies für Pressekonferenzen, Analystentreffen, Drucksachen (Kotierungsinserat, -prospekt, postalischer Versand), Road Shows etc. 84 Nicht zu unterschätzen sind im Weiteren die Kotierungskosten der einzelnen Börsen.85 Beachtet man die Komplexität und die Vielzahl der bei einem IPO involvierten Personen, ist es nicht verwunderlich, dass eine solche Transaktion mit enormen Kosten verbunden ist. 86 Ein gewichtiger Teil des Erlöses muss einerseits für die Übernahme- und Platzierungsprovision des Emissionskonsortiums verwendet werden. 87 Andererseits ist 81 BREALEY/MYERS (1991) S. 317. 82 Das ist indes mit dem Ziel der Wachstumsfinanzierung nicht immer vereinbar; vgl. WOLFF (1994) S. 40. 83 Hierzu 2.Teil/II/A. 84 Vgl. LINDNER (1999) S. 134 ff. und 160 ff.; SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 88; WEISS (1988) S. 81 f. 85 Hierzu 3.Teil/II/A/3. 86 Dazu ausführlicher SCHANZ (2000) § 10 Rz 66 ff.; METTLER (1990) S. 306 ff.; SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 87; LÖHR (2000) S. 163 ff.; LINDOW (1998) S. 260 ff. 87 Diese Kosten des IPOs betrugen vor allem in den Boomjahren etwa 6-10% des Emissionsvolumens; so für Deutschland LÖHR (2000) S. 15, was hingegen auch für IPOs in der Schweiz galt. Abweichungen nach oben waren v.a. bei kleineren Emissionen ohne weiteres möglich. Mit der Abnahme 1. TEIL EINLEITUNG 22 eine Gesellschaft insbesondere für die Due Diligence-Prüfung 88 auf externe Berater angewiesen. Deren Gebühren gilt es bei der Planung des IPOs ebenfalls zu berücksichtigen. Mit höheren Aufwendungen ist zudem bei der Revision zu rechnen, da die Revisoren einer börsenkotierten Gesellschaft besondere Voraussetzungen erfüllen müssen. 89 Auf das Unternehmen kommen neben den direkten auch unternehmensinterne Kosten hinzu, wie die Bindung von Managementkapazität 90 oder Kosten für eine allfällige Änderung der Rechtsform und die Umstellung der Rechnungslegung. Vielfach liegt der Eröffnungskurs auf dem Sekundärmarkt über dem Emissionspreis. 91 Diese Differenz stellt für den Emittenten Opportunitätskosten dar, 92 die wirtschaftlich ebenfalls den Kosten des IPOs zuzurechnen sind. Da ein Grossteil der Aufwendungen für das IPO Fixkostencharakter haben, werden sich die prozentualen Emissionskosten bei höherem Emissionsvolumen grundsätzlich reduzieren. Demzufolge können sich die relativ hohen Kosten nur bei Publikumsöffnungen ab einem gewissen Emissionsvolumen bezahlt machen. Ist das Primärziel des IPOs die Deckung des wachsumsbedingten Liquiditäts- und Eigenkapitalbedarfs, müssen namentlich bei kleinen Gesellschaften die verschiedenen Finanzierungsalternativen wie klassische Fremdfinanzierung, Finanzierung aus eigenem Cash-Flow, Kapitalerhöhung durch die bisherigen Gesellschafter oder die Aufnahme einiger weniger neuer Gesellschafter (Private Placement) ebenfalls evaluiert werden. 93 2.3.2. Steuern a) Steuerliche Abgaben der Gesellschaft Durch die mit einem Primary Offering verbundene Kapitalerhöhung fällt auf Seite der Gesellschaft in erster Linie die Emissionsabgabe an. Diese beläuft sich grundsätzlich auf der IPO-Euphorie ist anzunehmen, dass auch die Provisionen der Banken tendenziell fallen und wieder eine vernünftigere Höhe aufweisen werden. 88 Überprüfung der Annahmen, auf denen die Bewertung des Unternehmens beruht, auf ihre Korrektheit und Vollständigkeit hin; dazu 2.Teil/II/A/2. 89 Art. 727b Abs. 1 OR; Verordnung vom 15. Juni 1992 über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren, SR 221.302; Art. 71a KR; vgl. auch HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1136 ff. 90 METTLER (1990 S. 307) schätzt einen zeitlichen Aufwand von etwa ein bis zwei „Mannjahren“, und dies bei den wichtigsten Managern. 91 Sog. „Underpricing“; WOLFF (1994) S. 221; SCHMITZ-ESSER/STOLZ (1998) S. 2; hierzu 2.Teil/III/C. 92 „Money left on the table“; teilweise können diese die direkten Kosten des IPOs sogar übersteigen. 93 Ausführlicher LÖHR (2000) S. 27 ff. 1. TEIL EINLEITUNG 23 1% der neu zufliessenden Mittel. 94 Die Erhöhung des Kapitals bewirkt, dass fortan auch die (kantonal erhobene) Kapitalsteuer entsprechend höher ausfallen wird. 95 Eine allfällige vor dem IPO vorzunehmende Umwandlung in eine Aktiengesellschaft sollte dagegen grundsätzlich steuerneutral vorgenommen werden können.96 b) Steuerliche Abgaben der Altaktionäre Eine Öffnung durch die Schaffung neuer Papiere und deren freie Platzierung im Publikum unter Ausschluss eines Bezugsrechts läuft finanziell an den Altaktionären vorbei. Sämtliche Mittel, welche aus dieser Transaktion stammen, fliessen der Gesellschaft zu. Durch den Verzicht des Bezugsrechts sinkt lediglich die Beteiligungsquote der Aktaktionäre. Aus der Preisgabe dieses Rechts ergeben sich für diese im Bereich der Einkommenssteuer in der Regel keine steuerlichen Konsequenzen. 97 Eine direkte finanzielle Entschädigung der Aktionäre durch die Gesellschaft als Abfindung für den Verzicht auf das Bezugsrecht ist zwar denkbar, aber aus steuerlicher Sicht ungünstig, da eine solche Entschädigung einer Dividende der Gesellschaft gleichkommt, deshalb der Verrechnungssteuer unterliegt und als Vermögensertrag zu versteuern ist. Handelt es sich um ein Angebot von Wertpapieren aus dem Besitz der Altaktionäre (Secondary Offering), wird die Umsatzabgabe fällig, sofern bei dieser Übertragung ein Effektenhändler beteiligt ist. 98 Die Abgabe wird auf dem Entgelt berechnet und beträgt 1,5‰ für von einem Inländer ausgegebene Urkunden bzw. 3‰ für von einem Ausländer ausgegebene Urkunden. 99 Ein Secondary Offering hat für die verkaufenden Altaktionäre überdies keine steuerlichen Folgen, wenn es sich bei diesen um natürliche Personen handelt und sich die Beteiligung in deren Privatvermögen befunden hat. Der erzielte (priva- 94 Art. 8 Abs. 1 lit. a StG. Die Ausnahmen von Art. 6 StG werden regelmässig nicht zur Anwendung kommen. Vgl. dazu HÖHN/WALDBURGER (2001) § 26 II; V. WYL (1989) S. 262; NEUHAUS/BRAUCHLI ROHRER (2002) S. 205; vgl. auch Bundesgesetz über die Risikokapitalgesellschaften (BRKG, SR 642.15). Dieses soll indirekt die Gründung von innovativen und zukunftsorientierten Unternehmen fördern, indem Risikokapitalgebern Steuererleichterungen in Bezug auf die eidg. Emissionsabgabe und die direkte Bundessteuer angeboten werden. 95 Art. 29 StHG. Die überwiegende Mehrzahl der Kantone erhebt eine proportionale Steuer zwischen 0,3 und 7‰ des steuerbaren Kapitals; hierzu ausführlich HÖHN/WALDBURGER (2001) § 19 Rz 3 ff. 96 Art. 61 DBG; HÖHN/WALDBURGER (2001) § 18 Rz 54 ff. 97 V. WYL (1989) S. 261. 98 Art. 13 StG; dazu HÖHN/WALDBURGER (2001) § 26 III; NEUHAUS/BRAUCHLI ROHRER (2002) S. 205. 99 Art. 16 StG. 1. TEIL EINLEITUNG 24 te) Kapitalgewinn bleibt so in der Regel steuerfrei. 100 Steuerrechtliche Gesichtspunkte sprechen in einem solchen Fall für ein IPO. Werden die Papiere hingegen als Geschäftsvermögen qualifiziert oder handelt es sich beim Verkäufer um eine juristische Person 101 , so sind die veräussernden Altaktionäre 102 für ihren Gewinn einkommens- 103 bzw. gewinnsteuerpflichtig. 104 2.3.3. Laufende Kosten des „Being Public“ Auch nach dem IPO bleiben die (internen und externen) Kosten für die periodische Publizität beträchtlich. Mit einem IPO geht automatisch eine Vergrösserung des Aktionärskreises einher. Die Kehrseite einer breiten Aktienstreuung ist, dass sich die Investor Relations-Massnahmen als sehr viel aufwändiger gestalten. Die Betreuung dieses vergrösserten Aktionärskreises bedarf entsprechender Strukturen und Prozesse im Verwaltungsapparat der Gesellschaft. 105 Dies ist der Grund, weshalb die meisten Unternehmen zwar eine gewisse Streuung ihrer Papiere anstreben, aber doch eine relativ gewichtige Beteiligung von mittleren und grossen (vor allem institutionellen) Investoren bevorzugen. 106 Ferner fallen bei den Börsen Gebühren für die Aufrechterhaltung der Kotierung an. 107 2.3.4. Gesamtbetrachtung der Kosten Grundsätzlich dürfen die Aufwendungen eines IPOs nicht unterschätzt werden. Die neu zufliessenden Mittel und die mit der Kotierung verbundenen Vorteile erhält eine Unternehmung nie kostenlos. Indes sind nicht alle Aufwendungen, die auf die neue Publikumsgesellschaft zukommen, lediglich als nachteilig zu betrachten. Beispielsweise profitiert die Unternehmensleitung von gut aufbereiteten Zahlen nach international aner100 Art. 16 Abs. 3 DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG; s. HÖHN/WALDBURGER (2001) § 14 Rz 22 ff.; WYL (1989) S. 262; SCHENKER, IPO (2000) S. 8 f. V. 101 Z.B. Mutter- oder Venture Capital-Gesellschaft. 102 Bspw. eine Venture Capital- oder eine ehemalige Muttergesellschaft. 103 Art. 18 Abs. 2 DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG. Zur Abgrenzung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit s. HÖHN/WALDBURGER (2001) § 14 Rz 39 ff. 104 Art. 57 DBG; Art. 24 Abs. 1 lit. b StHG; HÖHN/WALDBURGER (2001) § 18 Rz 13; NEUHAUS/BRAUCHLI ROHRER (2002) S. 203. 105 Unter anderem ist hier der mit der Generalversammlung verbundene Aufwand (Vervielfältigung des Geschäftsberichts, Versand der GV-Einladung, Organisation der GV usw.) oder die Führung des Aktienregisters zu erwähnen. 106 Vgl. 2.Teil/III/D. 107 Hierzu 3.Teil/II/A/3. 1. TEIL EINLEITUNG 25 kannten Rechnungslegungs-Standards. 108 Alsdann können die Publizitätskosten und der vergrösserte Aktionärskreis auch als Investition für die Zukunft betrachtet werden, da diese den Bekanntheitsgrad des Unternehmens erhöhen, was wiederum dem Absatz der eigenen Güter beziehungsweise Dienstleistungen zugute kommen kann. 2.4. Haftungsrisiko Mit dem IPO setzen sich die Beteiligten einem gewissen Haftungsrisiko aus. So können nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch der Verwaltungsrat, die Hauptaktionäre und andere am IPO Beteiligte zur Verantwortung gezogen werden. 109 Wird ein Unternehmen allerdings ausserhalb der Börse verkauft, so erwartet der Käufer ebenfalls weitgehende Zusicherungen und Garantien des Verkäufers, 110 woraus teilweise strengere Gewährleistungsansprüche resultieren können. 111 So kann sich zwar bei einem IPO aus unrichtigen Angaben im Prospekt eine Haftung ergeben.112 In der Regel ist dieses Risiko jedoch geringer als bei einem ausserbörslichen Verkauf, da durch entsprechende Risikohinweise eine Prospekthaftung in weiten Bereichen ausgeschlossen werden kann. Insofern können solche Haftungsrisiken durch eine professionelle Planung weitgehend begrenzt werden. 113 Zudem sind die geforderten Angaben im Prospekt vielfach weniger detailliert als die bei Unternehmensverkäufen üblichen Zusicherungs- und Garantiebestimmungen. 114 Aus diesen Gründen sollte das Haftungsrisiko beim IPO im Vergleich zu einem ausserbörslichen Verkauf nicht überbewertet werden. 115 108 Vgl. 2.Teil/II/A/3. 109 Insb. Emissionshäuser, Revisionsgesellschaften und Anwaltskanzleien; hierzu 2.Teil/II/A/5.2. 110 Sog. „Representations and Warranties”; z.B. bezüglich der Bilanz und Erfolgsrechnung, Steuern, Umweltrisiken, Produktehaftpflichtrisiken, Immaterialgüterrechten, Compliance mit rechtlichen Vorschriften, Versicherungen etc. 111 SCHENKER, IPO (2000) S. 5 f. 112 Art. 752 OR; Vgl. WOLFF (1994) S. 294; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) Rz 1966 ff.; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 1 ff. 113 Insbesondere mittels gründlicher Due Diligence-Prüfung und sorgfältiger Prospekterstellung; vgl. 2.Teil/II/A/1 u. 2. 114 Im Bereich der Richtigkeit der Bilanz und der Erfolgsrechnung entspricht der Haftungsumfang bei IPOs der Bilanzzusicherungsklausel für Unternehmenskäufe. In den übrigen Gebieten, bei denen bei Unternehmenskäufen weitere Zusicherungen die Regel bilden, ist eine Prospekthaftung nahezu ausgeschlossen, sofern der Prospekt entsprechende Risikohinweise enthält; SCHENKER, IPO (2000) S. 5 f. 115 Vgl. 2.Teil/II/A/5.2. 1. TEIL EINLEITUNG 26 D. Zeitlicher Ablauf eines IPOs Obwohl sich der exakte Ablauf eines IPOs meist als sehr individuell erweist, sind nach dem getroffenen Entscheid zum IPO einige typische Meilensteine feststellbar, auf die im Rahmen dieser Arbeit allerdings nur kurz eingegangen werden kann. 116 1. Zeitpunkt des IPOs 1.1. Börsenklima Die Wahl des richtigen Zeitpunkts des IPOs ist für dessen Gelingen von herausragender Wichtigkeit. Herrscht ein positives Börsenklima mit grosser Investitionsneigung, so wird der aus dem IPO resultierende Gewinn höher ausfallen – die verkaufenden Aktionäre werden einen besseren Preis für ihre Papiere erhalten und dank eines höheren Agios kann die Gesellschaft ihre Wachstumschancen besser nutzen. Die Feststellung, dass die Börsenlage sich momentan als günstig erweist, kann hingegen kein langfristiges Argument für ein IPO darstellen. Da durch ein fehlendes Finanzierungspotential auch Wachstumschancen verspielt werden können, ist es andererseits ebenfalls falsch, das IPO einzig aus dem Grund zu verschieben, um allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt einen grösseren Emissionserlös erzielen zu können.117 Der wichtigste Punkt muss deshalb immer noch die Tatsache sein, dass die Gesellschaft reif für ihr IPO ist. Das Going Public wird folglich mit Vorteil auf das Entwicklungsstadium des Unternehmens, die Strategie und die Marktbearbeitung ausgerichtet. Durch die massiv schlechtere Bewertung von Gesellschaften und das Abklingen der IPO-Euphorie in den letzten Jahren mussten sich die Unternehmen und die einführenden Banken ein IPO allerdings besser überlegen. Es ist daher anzunehmen, dass diese Tatsache zu einer steigenden Qualität derjenigen Gesellschaften führt, die ihr IPO trotzdem wagen. 116 Vgl. hierzu MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 84 f. 117 Der schlimmste Fall wäre, wenn ein Unternehmen wegen eines schlechten Börsenumfeldes bestimmte Projekte aufgeben oder den Betrieb schliessen müsste. Überdies sind bei einer kurzfristigen Verschiebung des IPOs bereits beträchtliche Kosten (insb. für Werbekampagnen, Due Diligence, etc.) angelaufen; vgl. z.B. den kurzfristigen Rückzug der Surgical Instruments Systems Group AG vom 12. Juli 2001. 1. TEIL EINLEITUNG 1.2. 27 Börsenreife 1.2.1. Quantitative und qualitative Voraussetzungen Für ein IPO ist in erster Linie ein bestimmtes Minimum an Platzierungsvolumen und damit eine Mindestgrösse der künftigen Publikumsgesellschaft erforderlich. Damit die Anteile gehandelt werden können, setzen die Börsen für die Kotierung eine bestimmte Mindesteigenkapitalausstattung der Gesellschaft und eine Mindestkapitalisierung der zu kotierenden Papiere voraus. 118 Da die Kosten des IPOs mit zunehmender Grösse proportional kleiner werden, macht sich der enorme Aufwand, den die künftigen Publikumsgesellschaften und die Emissionsbanken im Bereich des IPOs auf sich nehmen, 119 zudem erst ab einem gewissen Mindestvolumen bezahlt. 120 Das Alter der Gesellschaft spielt hingegen zur Erlangung der Börsenreife nur mehr eine sekundäre Rolle. So können beispielsweise bereits einjährige Gesellschaften eine Kotierung am SWX New Market beantragen. Eine Voraussetzung für eine Publikumsgesellschaft ist deren Bereitschaft zu einer offenen kontinuierlichen Informationspolitik. Unumgänglich ist überdies die Vorlage eines plausibel nachvollziehbaren „Business-Plans“ und ein funktionierendes „Reporting“ und „Controlling“. 121 Zur Börsenreife gehört neben einem überzeugenden und glaubwürdigen Management und einer soliden Unternehmensstruktur vor allem eine überzeugende „Equity Story“122 mit klar erkenn- und kommunizierbaren Markt- bzw. Wachstumspotentialen. 123 Im Vordergrund steht dabei nicht mehr der vergangene Umsatz und Ertrag, sondern eine stichhaltige und glaubwürdige Unternehmensstrategie mit entsprechenden Zuwachsraten. 124 Ein Börsenaspirant sollte zudem grundsätzlich in der Lage sein, einen ausreichenden „Cash-Flow“ zu generieren, um die Ausschüttungsfähigkeit und damit auch die Dividendenkontinuität der Gesellschaft zu gewährleisten. Ausnahmen von diesem Kriterium sind lediglich bei Wachstumsunternehmungen zu akzeptieren, die ihren 118 Hierzu 2.Teil/I/B. 119 Insb. Marketing- und Researchaktivitäten. 120 Hierzu neben vielen BREALEY/MYERS (1998) S. 401. 121 Vgl. neben vielen BOEMLE (1998) S. 337 ff. 122 Als „Equity Story“ wird die Gesamtheit der durch das Unternehmen nach aussen kommunizierten Argumente bezeichnet, die begründen, weshalb eine Investition in die Aktien der Gesellschaft für einen Anleger interessant sein dürfte; so LÖHR (2000) S. 104. 123 D.h. eine überzeugende „Growth-“ (wachsender Markt, steigender Marktanteil, internes und externes Wachstum) und „Value-Story“ (höhere Endpreise, Kostenreduktion, steigende Margen). 124 KRAMER (1999) S. 160 ff. 1. TEIL EINLEITUNG 28 „Cash Flow“ direkt reinvestieren und deren ausgezeichnete Zukunftsaussichten eine frühzeitige Kotierung erlauben. Allerdings sind die Investoren, aufgrund schlechter Erfahrungen, diesbezüglich heute sehr viel kritischer als noch vor ein paar Jahren. 1.2.2. Umstrukturierung und Neuorganisation Ein erster Schritt vor dem eigentlichen IPO ist, die Gesellschaft börsenfähig zu machen. Für schweizerische Gesellschaften notwendig wäre die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. 125 Eine solche ist in der Schweiz allerdings nur selten erforderlich, da eine Vielzahl der privaten Unternehmen bereits als Aktiengesellschaften organisiert sind. Von einer gewissen Bedeutung sind Rechtsformwechsel hingegen bei IPOs öffentlichrechtlicher Unternehmen, die zunächst in eine AG umgewandelt werden müssen. 126 Vielfach benötigen die Statuten bisher privat gehaltener Aktiengesellschaften gewisse Anpassungen. So werden viele Unternehmen ihre Corporate Governance den Erfordernissen einer Publikumsgesellschaft anpassen müssen. Eine Publikumsgesellschaft braucht insbesondere ein qualifiziertes Management, und auch der Verwaltungsrat sollte mit Persönlichkeiten besetzt werden, die ihre Aufsichtsfunktion gegenüber der Geschäftsleitung glaubhaft wahrnehmen können. 127 Eine schlechte Corporate Governance bedeutet für die Anleger ein Investitionsrisiko, was umgehend vom Markt bestraft wird. Schliesslich erweist sich eine mit dem Unternehmen gewachsene Organisationsstruktur für eine Publikumsgesellschaft regelmässig als unpassend und deshalb für Aussenstehende häufig auch unverständlich. Insofern ist zu überlegen, vor dem IPO alle relevanten Unternehmensteile, Vermögensgegenstände und Rechte in einer übersichtlichen Art und Weise zusammenzufassen. 128 2. Auswahl der Emissionsbegleiter Nur selten wird eine Gesellschaft in der Lage sein, ihr IPO ohne fremde Hilfe vorzunehmen. Neben der Betreuung durch ein Emissionshaus ist insbesondere der Kontakt zu 125 Bezüglich allfälligem Rechtsformwechsel vgl. neben vielen MEIER-SCHATZ, Rechtsformwechsel (1994) S. 353 ff. Bei ausländischen Gesellschaften, die ihr IPO in der Schweiz planen, werden von der SWX Gesellschaftsformen vorausgesetzt, die handelbare Eigenkapitalbeteiligungen aufweisen; vgl. Art. 19 KR (hierzu 2.Teil/I/A; 3.Teil/II/A/2.2.1). 126 Insb. Swisscom u. Kantonalbanken; hierzu LINDOW (1998) S. 175; NOBEL, Privatisierung (1999) S. 10 ff.; vgl. auch Art. 762 OR. 127 So SCHENKER, IPO (2000) S. 21 ff. 128 Bspw. über die Gründung einer Holding; vgl. BOEMLE (1998) S. 339; METTLER (1990) S. 68 f. HALLAUER/ SCHARZ (1997) S. 1139. 1. TEIL EINLEITUNG 29 Anwaltskanzleien, Steuerberatern, Kommunikationsspezialisten, Werbeberatern und Wirtschaftsprüfern zu suchen. Ferner kann die Anmeldung des Kotierungsgesuches bei den jeweiligen Zulassungsstellen der einzelnen Börsen vielfach nur durch einen anerkannten Vertreter erfolgen, wozu die Gesellschaft grundsätzlich die Hilfe eines Dritten benötigt. 129 In erster Linie ist eine künftige Publikumsgesellschaft auf das Netzwerk der Emissionshäuser zu den potentiellen Investoren angewiesen. 130 Nachdem die wesentlichen Strukturen der Transaktion festgelegt sind, muss deshalb eine spezifische Bank (bzw. ein Bankensyndikat) 131 ausgewählt werden. 132 Bei der Wahl ist allerdings zu bedenken, dass zwischen den (Investment-)Banken und dem börsenwilligen Unternehmen ein grosser Kulturunterschied bestehen kann. Eine künftige Publikumsgesellschaft sollte deshalb berücksichtigen, welche Eigeninteressen 133 die Emissionsbegleiter verfolgen und ob sie geeignet und gewillt sind, als langfristige Partner zu agieren. Ausschlaggebend für die Entscheidung für das Syndikat und dessen Konsortialführer ist somit nicht nur das finanziell beste Angebot, sondern auch die Erfahrung der Institute, ihre Platzierungskraft, die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter, ihre Research- und Handelsfähigkeiten und der Ruf bei vorhergegangenen IPOs. Da die Banken und im Besonderen die Lead Manager sich mit ihrem Namen für das IPO verbürgen, wirkt das gewählte Bankenkonsortium auch als „Gütesiegel“ für das IPO. 134 In der Schweiz, die das 129 So z.B. für die Anmeldung bei der SWX (vgl. Art. 50 KR) oder an der Berne eXchange (vgl. Art. 8 KR-BX). 130 Vgl. SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 91 ff.; BREALEY/MYERS (1996) S. 397 ff.; LÖHR (2000) S. 92 ff.; EHLERS/JURCHER (1999) S. 97 ff.; LINDOW (1998) S. 202 ff.; ARLINGHAUS (2001) S. 23 ff. 131 In den überwiegenden Fällen ist nicht eine einzige Bank allein für die Platzierung zuständig. Unter der Führung einer „Lead Bank“ teilen sich i.d.R. mehrere Banken diese Aufgabe; vgl. dazu 2.Teil/III/A/3. 132 Vgl. KRAMER (1999) S. 215 ff. 133 So untersteht die federführende Bank bspw. dem Druck, den Börsengang in jedem Fall umzusetzen. Zudem ist es für die Banken von Vorteil, einen tiefen Emissionspreis festzulegen (systematisches Underpricing), denn erstens möchten sie ihren Kunden einen attraktiven Preis bieten (und damit die Kundenbeziehung fördern), zweitens besteht bei der Bewertung der Gesellschaft eine Unsicherheit, weshalb die Bank i.d.R. eher vorsichtig bewertet. Unabhängige externe Berater unterliegen dagegen in geringerem Mass solchen Interessenkonflikten und sind deshalb (insb. bei der Bewertung der Unternehmen) neutraler, weshalb vor jedem IPO zu überlegen ist, ob ein Beizug eines solchen Beraters Vorteile mit sich bringen könnte; vgl. WEISS (1988) S. 33 ff.; LÖHR (2000) S. 18, 90 f.; KRAMER (1999) S. 213 ff.; MÜLLER (1998) S. 33. 134 So bspw. LÖHR (2000) S. 92 f. 1. TEIL EINLEITUNG 30 Universalbankensystem kennt, wird der Emittent allerdings vornehmlich denjenigen Banken den Vorzug geben, welche mit ihm bereits vor dem IPO Geschäftsbeziehungen unterhalten haben, 135 weshalb im Gegensatz zu den USA der Konkurrenzkampf unter den (Investment-)Banken in der Schweiz geringer ist. 3. Wahl zwischen verschiedenen Börsenplätzen und Marktsegmenten Da technisch der Zugang zu den Börsen und zu „alternativen Handelsplätzen“ auf der ganzen Welt heutzutage kein Problem mehr darstellt, stehen die einzelnen Börsen untereinander in einem starken Wettbewerbsverhältnis um Emittenten, Marktkapitalisierung und Handelsumsätze. Die Papiere schweizerischer Unternehmen müssen deshalb nicht zwingend an der SWX gehandelt werden. 136 Zwar ist der Heimatmarkt für viele schweizerische Aktien immer noch deren Liquiditätszentrum, doch werden diese vermehrt auch an den unterschiedlichsten ausländischen Finanzplätzen gehandelt. Zudem wurde durch die Schaffung der virt-x ein Grossteil der Umsätze mit Schweizer Titeln ins Ausland verlegt. Die traditionellen Qualitäten der Schweiz als Anlageland, wie etwa politische Stabilität, das Bankkundengeheimnis, niedrige Zinsen oder die Ausbildung, Produktivität und Einsatzbereitschaft der Bevölkerung haben nach wie vor ihre Bedeutung, doch hat sich dieser Vorsprung gegenüber anderen Ländern und Finanzplätzen vermindert. Für die Attraktivität des Marktes ist die Grösse und insbesondere dessen Liquidität das entscheidende Kriterium. Auf der anderen Seite bleiben die geografische Nähe zu den potentiellen Investoren und die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Marktes für Emittenten und Anleger immer noch von grosser Bedeutung. An der SWX stehen einem Emittenten grundsätzlich fünf Marktsegmente zur Verfügung: das Hauptsegment, das Segment der Investmentgesellschaften, der Immobiliengesellschaften, der Local Caps und der New Market. Neben der SWX existieren insbesondere die Berne eXchange und weitere alternative Handelsplätze. Hierbei können für ein IPO speziell die neu aufkommenden virtuellen Handelsplätze eine gewisse Relevanz aufweisen. Auf die Bestimmungen ausgewählter Segmente der SWX (Hauptsegment, New Market und Local Caps) und auf Fragen im Zusammenhang mit den neu aufkommenden Internet-Handelsplätzen wird vertieft im dritten Teil eingegangen. 135 METTLER (1990) S. 248; LINDNER (1999) S. 95 f.; SCHLICK (1997) S. 124. 136 Neben vielen HENCKEL, Emittenten (2001) S. 17 ff. 1. TEIL EINLEITUNG 4. 31 Marketing Das Aktienmarketing ist für die der grossen Öffentlichkeit vielfach noch unbekannten privaten Gesellschaften ein wesentlicher Bestandteil eines IPOs. Hierbei soll durch geeignete Kommunikationsinstrumente der Bekanntheitsgrad des Unternehmens gesteigert und Vertrauen in die Qualität der Aktien geschaffen werden. In erster Linie beinhaltet das Marketing die Information der Investoren über die Aktivitäten, spezifischen Finanzkennzahlen, die involvierten Märkte und die jeweiligen Produkte der künftigen Publikumsgesellschaft. 137 Zu einem umfassenden IPO-Marketing gehören – gewichtet nach der angestrebten Zusammensetzung der zukünftigen Investoren – insbesondere Roadshows mit Präsentation des Managements, Gespräche mit Finanzanalysten, Pressekonferenzen, Werbung in Massenmedien, aber auch die gesetzliche Publizität mittels Prospekten und periodischen Geschäftsberichten. 138 Da die Anzahl der Neuemissionen an der SWX sehr viel tiefer ist als beispielsweise an der LSE, DBAG, NASDAQ oder NYSE, ist einem Unternehmen bei ihrem IPO in der Schweiz automatisch ein Minimum an Aufmerksamkeit gewiss. Im Hinblick auf das in der Schweiz hauptsächlich praktizierte Bookbuilding-Verfahren wird schon vor der öffentlichen Zeichnungsphase der bevorzugte Anlegerkreis (vor allem institutionelle Investoren) kontaktiert. 139 Hierbei wird neben der Schaffung eines positiven Bildes versucht, die Nachfrage und die Preisvorstellungen der künftigen Investoren für die künftige Aktie abzutasten. Die dabei geäusserten Preisindikationen dienen danach als Grundlage für die Festlegung der Bookbuilding-Spanne. 140 Da nach dem Marketing die Zeichnungsfrist beginnt, müssen am Ende dieser Phase die Due Diligence-Prüfung abgeschlossen, die Preisspanne der neuen Titel festgelegt und auch der (vorläufige) Prospekt erstellt sein. 137 Neben vielen HAUBROK (2000) S. 63 ff.; LINDER (1999) S. 160 ff.; WEISS (1988) S. 61 ff.; vgl. GP, Sonderausgabe „Investor Relations“ (2001) passim. 138 Vgl. LINDER (1999) S. 170 ff. 139 Hierzu hinten 2.Teil/III/B u. C. 140 Damit nehmen die (institutionellen) Anleger einen wesentlichen Einfluss auf den späteren Emissionspreis; vgl. CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 344. 1. TEIL EINLEITUNG 32 5. Festlegung der Emissionshöhe, des Preises und des Verteilschlüssels Ein weiterer wichtiger Punkt im Ablauf des IPOs ist die Bestimmung der Emissionshöhe. Neben den spezifischen Bedürfnissen des Unternehmens wird die Zahl der angebotenen Papiere durch eine obere wie auch durch eine untere Limite beschränkt. Um die Anforderungen der Börsen zu erfüllen, muss eine Mindestliquidiät der Titel vorhanden sein, was eine bestimmte Anzahl frei verfügbarer Aktien erfordert. 141 Andererseits darf mit den neu angebotenen Papieren nicht die Aufnahmefähigkeit des Marktes überschritten werden. Alsdann kann die Zahl der angebotenen Papiere durch den Wunsch der Einflusswahrung der Altgesellschafter beschränkt sein. Um flexibel auf den Markt reagieren zu können, werden schliesslich häufig sogenannte „Mehrzuteilungsoptionen“ 142 vereinbart. Damit wird der Leadbank die Möglichkeit eingeräumt, in den ersten Wochen nach dem IPO zusätzliche Aktien auf den Markt zu geben (oder auch vom diesem zu nehmen), um dadurch auf die spezifische Nachfrage zu reagieren und den Kurs der Papiere zu stabilisieren. 143 Eines der zentralen Probleme vor dem IPO ist die Festlegung des Preises, zu welchem die Aktien der Öffentlichkeit angeboten werden. 144 Da die neue Publikumsgesellschaft grundsätzlich nur wenig Erfahrung in diesem Bereich besitzt, sind es in erster Linie die Emissionsbegleiter, die den endgültigen Emissionspreis festsetzen. 145 Schliesslich erfolgt die Verteilung der Papiere auf die Zeichner. Diese bringt in Fällen einer (mehrfachen) Überzeichnung der Emission die Banken in grössere Schwierigkeiten, da es ihnen dann nicht möglich ist, die Wünsche all ihrer Kunden zu befriedigen. In einigen Fällen erfolgt die Zuteilung nach einem (teilweise mit dem Emittenten) im Vor- 141 Sog. „Freefloat“. 142 Auch „Greenshoe“ bzw. „Over-Allotment-Option“; vgl. SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 158; KRÄMER/HESS (1999) S. 173; ARKEBAUER/SCHULTZ (1998) S. 250, WOLFF (1994) S. 325; LÖHR (2000) S. 116. 143 Hierzu hinten 2.Teil/I/C/5. 144 Die mit dem Verkauf der neuen Aktien betrauten Banken und besonders die Anleger wünschen sich einen niedrigen Emissionskurs, der Emittent einen möglichst hohen. In dieser Spanne muss letztendlich der Emissionspreis festgelegt werden. 145 Im Bookbuilding-Verfahren in Zusammenarbeit mit den (institutionellen) Investoren; vgl. 2.Teil/III/C. 1. TEIL EINLEITUNG 33 aus festgelegten Verteilschlüssel, in anderen lässt der Emittent den Emissionshäusern hierzu freie Hand. 146 6. Kotierung und Handel Nach Ablauf der Zeichnungsfrist und der Zuteilung der Papiere erfolgen schliesslich die Kotierung und der Handel am gewählten Sekundärmarkt. 147 Das Ziel des IPOs ist damit erreicht – die Gesellschaft hat sich dem Publikum geöffnet. Erfolgt eine Kotierung an der SWX, sind ab dem Zeitpunkt des IPOs die Effektenhändler als Mitglieder der Börse verpflichtet, Kundenaufträge grundsätzlich über die Börse abzuwickeln. 148 Der Erfolg eines IPOs lässt sich einerseits anhand der langfristigen Kursentwicklungen und einem hohen Handelsvolumen messen, andererseits daran, dass einige Jahre später gesagt werden kann, dass das IPO im Interesse des Unternehmens, der bisherigen Inhaber, der neuen Publikumsaktionäre und der Mitarbeiter gewesen ist. 146 Hierzu 2.Teil/III/D. 147 Vgl. z.B. Art. 28 KR. 148 Börsenpflicht für Aufträge unter CHF 200’000.–; Mitteilung SWX Nr. 1/99. 2. TEIL BÖRSENRECHT 34 2. TEIL BÖRSENRECHT Die sich mit dem IPO verändernde Rechtslage berührt in vielen Bereichen die Rechte und Pflichten der Gesellschaft, der Emissionsbegleiter und der Aktionäre. Auf diese ist im Folgenden vertieft einzugehen. Da ein IPO definitionsgemäss mit einer Börsenkotierung verbunden ist, stellt für solche Transaktionen die Börsengesetzgebung der Schweiz eine der wichtigsten Quellen dar. Diese setzt sich aus einer Fülle von Erlassen zusammen, an deren Spitze das BEHG als Rahmengesetz steht. Deshalb befasst sich die vorliegende Abhandlung schwergewichtig mit den dort enthaltenen und darauf fussenden Bestimmungen. Überdies finden sich eine Vielzahl börsenrechtlicher Normen im schweizerischen Aktienrecht, 149 so dass es im Rahmen dieser Arbeit erforderlich ist, auch auf die dort enthaltenen und für ein IPO relevanten Bestimmungen einzugehen. I. ANFORDERUNGEN AN EINE PUBLIKUMSGESELLSCHAFT A. Gesellschaftsform Eine Gesellschaft, die sich dem Publikum öffnen will, muss in einem ersten Schritt ein börsenfähiges Rechtskleid wählen. Die Zahl der Gesellschaftsformen schweizerischen Rechts, die sich für ein Going Public eignen, ist allerdings beschränkt, da für den börsenmässigen Handel verkehrsfähige Beteiligungspapiere eine zwingende Voraussetzung sind. 150 Denkbar sind neben der Aktiengesellschaft die Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder die Genossenschaft. Die letzten beiden Gesellschaftstypen erweisen sich hingegen wegen der fehlenden Eignung zum massenweisen Handel der Beteiligungsrechte für eine Kotierung in der Regel als ungeeignet. 151 Demzufolge existieren in der 149 Beispielsweise verweist das BEHG und dessen Ausführungserlasse (insb. Art 6 und 12 KR) auf die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen. Ist die künftige Publikumsgesellschaft in der Schweiz inkorporiert, so hat sie insbesondere die aktienrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Auch knüpft das Aktienrecht an den Tatbestand der Börsenkotierung gewisse strengere Bestimmungen; neben vielen GARNITSCHNIG (2002) S. 21 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 156 ff. 150 Vgl. z.B. Art. 19 KR. 151 Bei der GmbH scheitert die Kotierung vielfach an der gesetzlich vorgeschriebenen Maximalhöhe des Stammkapitals von CHF 2 Mio. (Art. 773 OR) und dem Prinzip der festen Einlage (Art. 772 Abs. 2 2. TEIL BÖRSENRECHT 35 Schweiz Publikumsgesellschaften nahezu ausschliesslich in der Form der Aktiengesellschaft. Auch die Anforderungen des Kotierungsreglements der SWX an Emittenten legen die Aktiengesellschaft als geeignete schweizerische Rechtsform für eine Publikumsgesellschaft nahe.152 Die offene Formulierung im Kotierungsreglement der SWX wurde gewählt, um es auch ausländischen Gesellschaften, die in ihrem Herkunftsland nicht in der Form der AG errichtet wurden, zu ermöglichen, ihre Effekten an der SWX zu kotieren. In der Folge beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf Aktiengesellschaften schweizerischen Rechts. B. Bestand, Grösse und Rentabilität Nicht jedes Unternehmen erfüllt die Voraussetzungen, um ein IPO in Angriff nehmen zu können. Insbesondere für die Kotierung an einem Sekundärmarkt müssen Gesellschaften bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen und eine sogenannte „Börsenreife“ aufweisen. Neben einer börsenfähigen Rechtsform ist das Alter der Gesellschaft ein wesentlicher Punkt. Aus diesem Grund sollte eine künftige Publikumsgesellschaft schon vor dem IPO (ausreichend) in den Markt integriert sein. Da Unternehmen, die bereits längere Zeit am Markt erfolgreich agieren, von den Anlegern in der Regel als weniger riskant eingestuft werden und dementsprechend einen höheren Emissionspreis erzielen, ist allzu jungen Gesellschaften prinzipiell von einem IPO abzuraten. In letzter Zeit wird allerdings dem Kriterium des Bestandes eine geringere Bedeutung zugemessen, können doch am New Market und an der Berne eXchange bereits Unternehmen mit einer erst einjährigen Historie ihre Papiere kotieren lassen. 153 Für die Kotierung muss des Weiteren eine bestimmte Grösse der Gesellschaft und eine genügend grosse Zahl von frei handelbaren Wertpapieren („Freefloat“) vorausgesetzt werden. So liegen beim Hauptsegment der SWX das minimal erforderliche Eigenkapital bei CHF 25 Mio. und die minimale Kapitalisierung der Beteiligungsrechte bei CHF 25 OR). Durch die starke Personenbezogenheit der Genossenschaft lässt sich diese nur schwer in eine Publikumsgesellschaft umwandeln. Umstritten ist zudem, ob der Genossenschaftsanteil als handelbares Wertrecht ausgestaltet werden kann; ausführlich hierzu KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 12 N 56, 69, 82. 152 Vgl. Art. 6 ff. KR; ebenso Art. 42 ff. EU-Börsenzulassungs-RL; s. auch Art. 1 Abs. 4 ISD, die von Aktien oder Aktien gleichzustellenden Papieren spricht. 153 Art. 4 ZR-NM; Art. 5.2 KR-BX; zur Zukunft des SWX New Markets s. 3.Tei/II/B. Beim Vorliegen besonderer Umstände (Immobilien- und Investmentgesellschaften etc.; s. Ausnahme-RL) kann sogar gänzlich auf das Erfordernis des Bestandes verzichtet werden. 2. TEIL BÖRSENRECHT 36 Mio. 154 Derartige Mindestvoraussetzungen sind erforderlich, weil erst mit einer genügend grossen Kapitalbasis und einer ausreichenden Anzahl Titel ein liquider Handel entstehen kann. Zudem sind für die Emissionsbanken Börsengänge ebenfalls erst ab einem gewissen Emissionsvolumen lukrativ. Da ihre Provision grundsätzlich proportional von der Zahl der angebotenen Papiere abhängt, werden die Emissionshäuser ein IPO unter einer gewissen Mindestgrösse aus Kostengründen vielfach ablehnen. Diese proportionale Beteiligung der Banken am Erfolg des IPOs führt dazu, dass vor allem in Haussephasen die künftigen Publikumsgesellschaften verleitet werden, mehr Kapital aufzunehmen, als sie für ihre Wachstumspläne benötigen.155 Damit wird in den guten Börsenphasen von gewissen Unternehmen nur ein Teil der generierten Mittel produktiv investiert, wobei die Kosten 156 hierfür die jungen Publikumsgesellschaften zu tragen haben. Nicht zwingend erforderlich ist es, dass die Unternehmen vor ihrem IPO einen Betriebsgewinn ausweisen. 157 Nach den drastischen Kurseinbrüchen, die junge Wachstumsunternehmen in den letzten Jahren erlitten haben, muss heute hingegen wieder vermehrt dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass ein Unternehmen seine Rentabilität bewiesen haben sollte, bevor es seine Papiere an einer Börse kotieren lässt. So zeigen die Anleger bei IPOs von Gesellschaften, welche keine Profite ausweisen können, heute vermehrt Zurückhaltung. C. Kapitalstruktur Vor dem IPO sollte die Kapitalstruktur der neuen Publikumsgesellschaft den Erfordernissen des Kapitalmarktes angepasst werden. 158 Zu beachten sind hierbei eine allfällig mit dem IPO vorzunehmende Kapitalerhöhung, die Wahl der angebotenen Beteiligungspapiere, deren Verbriefung und deren Stückelung. 154 New Market: Eigenkapital (EK) CHF 2,5 Mio. und Kapitalisierung der Beteiligungsrechte (KB) CHF 8 Mio.; Local Caps: EK CHF 2,5 Mio. und KB CHF 2,5 Mio., hierzu 3.Teil/II; Berne eXchange: EK CHF 2 Mio. (Art. 5.4 KR-BX) und KB CHF 4 Mio. (Art. 6.2 KR-BX). 155 U.a. auch mittels Einräumung (und darauffolgender Ausübung) einer „Greenshoe-Option“ (hinten Kap. C/5). 156 Dividenden, Steuern, Betreuung der Investoren etc.; vgl. 1.Teil/C/2.3. 157 So enthalten weder das KR, das KR-BX noch die EU-Börsenzulassungs-RL ein solches Erfordernis. 158 METTLER (1990) S. 71; SCHENKER, IPO (2000) S. 12 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 37 1. Kapitalerhöhung 1.1. Im Allgemeinen Einem IPO geht regelmässig eine Kapitalerhöhung voraus. Gründe dafür sind die in den meisten Segmenten vorgeschriebene Mindestkapitalisierung und der Freefloat, welche ohne eine Erhöhung des Kapitals oft von den Gesellschaften nicht erreicht werden. Ferner wird eine Kapitalerhöhung für die Kotierung an einzelnen Börsen bzw. Segmenten zwingend vorgeschrieben. 159 Mit einer Kapitalerhöhung zeigt die künftige Publikumsgesellschaft auch, dass sie neue Mittel für ihre Expansionspläne benötigt und das IPO nicht einzig als Exit-Möglichkeit eines ihrer Grossaktionäre gebraucht wird. 160 Hierzu ist es allerdings notwendig, den Anlegern eine klare Strategie aufzuzeigen, auf welche Weise die neu zufliessenden Mittel investiert werden sollen. 161 1.2. Arten der Kapitalerhöhung Bei einem IPO werden die zusätzlichen Mittel hauptsächlich mittels ordentlicher Kapitalerhöhung beim Publikum beschafft, wobei das Bezugsrecht der Altaktionäre zugunsten der neuen Publikumsaktionäre ausgeschlossen wird und als Zeichner regelmässig die festübernehmende Bank auftritt. 162 Möglich ist ebenfalls die Schaffung neuen Kapitals mittels genehmigter Kapitalerhöhung. 163 Hier wird dem Verwaltungsrat die Möglichkeit gegeben, den Termin der Kapitalerhöhung und damit des IPOs flexibel selbst zu bestimmen, womit der Verwaltungsrat den Zeitpunkt des IPOs besser auf das Marktumfeld abstimmen kann. Da das Obligatio159 Vgl. Art. 6 ZR-NM (3.Teil/II/B); Abschnitt 2 Ziff. 3.8 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. 160 Bezüglich Umgehungsmöglichkeiten vgl. 1.Teil/I/A/1.2.1 insb. FN 21. 161 Aufgrund der Kapitalerhöhung und den daraus folgenden (beträchtlichen) Neuinvestitionen ist auch ersichtlich, dass sich die Zukunftsaussichten der neuen Publikumsgesellschaft nicht ohne weiteres aus den Zahlen der Vergangenheit herleiten lassen. Damit ist für die Investoren die künftige Anlage der neu zufliessenden Mittel vielfach entscheidender und aussagekräftiger als ein weit zurückreichender „track record“; hierzu 3.Teil/II/A/2.2.2. 162 Zum Verfahren s. Art. 650 ff. OR. Nach der Annahme des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch die Generalversammlung hat der VR die Kapitalerhöhung beim zuständigen Handelsregisteramt anzumelden (Art. 653h OR; Art. 22 Abs. 2, Art. 80 Abs. 2 HRegV), wofür der VR unter anderem eine öffentliche Urkunde über die Generalversammlungsbeschlüsse betreffend Kapitalerhöhung (Art. 650 Abs. 2 OR), Statutenänderungen (Art. 652g f. OR; Art. 80 Abs. 1 HRegV) und Kapitalerhöhungsbericht des VR (Art. 652e Abs. 1 Ziff. 4 OR) vorzulegen hat (Art. 80 HRegV); hierzu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 42 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 170 ff. 163 S. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 208 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 38 nenrecht die Schaffung von genehmigtem Kapital auf 50% des bisherigen Aktienkapitals beschränkt, 164 ist ein grösseres Primary Offering mittels genehmigter Kapitalerhöhung nicht möglich. Die Bereitstellung von genehmigtem Kapital kann jedoch notwendig sein, falls den Konsortialbanken im Rahmen des Zuteilungsverfahrens eine Greenshoe-Option eingeräumt wird und die dazu notwendigen Papiere nicht aus den Beständen der Altaktionäre stammen. 165 Um dem Verwaltungsrat überdies eine gewisse Flexibilität für spätere Kapitalerhöhungen vorzubehalten,166 kann vor dem IPO zusätzlich ein entsprechendes genehmigtes Kapital geschaffen werden. Im Hinblick auf das IPO ist es zu empfehlen, dass eine künftige Publikumsgesellschaft kein allzu hohes genehmigtes Kapital aufweist. Ein solches kann auf potentielle Anleger abschreckend wirken, da jede Kapitalerhöhung zu einer Verwässerung des (Gewinn-)Anteils führt. Deshalb sollte schon im Prospekt detailliert aufgezeigt werden, für welche Zwecke das bedingte Kapital benötigt wird. 167 Wurde vor dem IPO ein Optionsprogramm für Mitarbeiter eingeführt, so sollte bereits zuvor das hierzu benötigte bedingte Kapital bereitgestellt werden. 168 Hingegen können die Aktien für ein Primary Offering grundsätzlich nicht mittels bedingter Kapitalerhöhung geschaffen werden. 169 Im Hinblick auf die Maximierung des Emissionserlöses ist der Betrag für Optionen eher klein zu halten. Ein geringes bedingtes Kapital für Mitarbeiteroptionsprogramme wird dagegen in der Regel als positiv angesehen, denn motivierte Mitarbeiter kommen schlussendlich auch den Aktionären zugute. 170 Im Interesse der Anleger muss eine Veränderung des bedingten Kapitals durch Ausübung der Optionen nach dem IPO regelmässig veröffentlicht werden.171 164 Art. 651 Abs. 2 OR. 165 Vgl. WATTER/REUTTER (2002) S. 12; hierzu hinten Kap. 5. 166 Z.B. für künftige Akquisitionen. 167 Vgl. Art. 652a Abs. 1 Ziff. 3; Art. 8 Abs. 2 BEHG; Schema A KR Rz 1.5.3. 168 Bei privat gehaltenen Gesellschaften werden derartige Optionsrechte häufig einzig durch das Versprechen der Hauptaktionäre abgesichert, bei der Ausübung der Option die benötigten Titel zu schaffen; vgl. SCHENKER, IPO (2000) S. 16. Wie beim genehmigten Kapital darf das bedingte Kapital 50% des einbezahlten Aktienkapitals nicht übersteigen (Art. 653 OR); zum Verfahren s. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 298 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 164, 220 ff. 169 Vgl. Art. 653 Abs. 1 OR. 170 Hierzu bereits 1.Teil/III/C/1.3; vgl. SCHENKER, IPO (2000) S. 16; HERZOG/HÄNNI (2001) S. 6 ff. 171 Gemäss Art. 653h OR i.V.m. Art. 653 Abs. 2 und Art. 653g muss die Veränderung jährlich dem HR gemeldet werden. Aufgrund Art. 8 Abs. 2 BEHG ist dies bei der SWX monatlich notwendig; vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 8/1996. 2. TEIL BÖRSENRECHT 1.3. 39 Ausschluss des Bezugsrechts Gemäss Art. 652b OR hat bei einer Kapitalerhöhung jeder Aktionär ein Anrecht auf den Teil der neu ausgegebenen Aktien, der seiner bisherigen Beteiligung entspricht. Damit wird dem Aktionär die Möglichkeit gegeben, seinen Kapitalanteil nicht nur absolut, sondern auch relativ konstant halten zu können. Das Bezugsrecht schützt so den Aktionär vor einem Stimmrechts- wie Vermögensverlust. 172 Um eine genügend grosse Zahl Papiere für das Publikum zur Verfügung zu stellen und damit einen ausreichenden Freefloat zu schaffen, ist es bei einem Primary Offering notwendig, dass die Altaktionäre auf ihr gesetzlich zustehendes Bezugsrecht verzichten. Aufgrund Art. 652b Abs. 2 OR kann ausnahmsweise das Bezugsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eingeschränkt oder aufgehoben werden.173 Ein solcher liegt vor, wenn kumulativ die folgenden drei Voraussetzungen gegeben sind: Der Bezugsrechtsausschluss muss im Interesse der Gesellschaft liegen, dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre Rechnung tragen und nicht gegen das Prinzip der schonenden Rechtsausübung verstossen. 174 Da ein Ausschluss im Hinblick auf das IPO im Gesetz nicht explizit als wichtiger Grund aufgeführt wird, ist zu prüfen, ob ein IPO die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Es stellt sich hier besonders die Frage, weshalb die Altaktionäre sich (soweit sie können und wollen) nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen dürfen. 175 Eine sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses kann somit nur aus dem Interesse der Unternehmung selbst am IPO erfolgen. Wie bereits aufgezeigt, kann eine Gesellschaft ein eigenes 172 „Verwässerungsschutz“. Die vermögensorientierten Interessen der Altaktionäre werden durch den Entzug des Bezugsrechts insbesondere dadurch verletzt, dass der auszuschüttende Gewinn ceteris paribus auf mehr Aktien verteilt werden muss, was theoretisch zu sinkenden Kursen führen wird; vgl. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 269; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 Nr. 17 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 48; OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652b N 2. 173 Für einen Bezugsrechtsausschluss ist ein Beschluss der Generalversammlung notwendig, wobei das erforderliche Quorum einzuhalten ist (vgl. Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR). 174 NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 53; vgl. auch BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 271 ff. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 40 N 244 ff. 175 Geld, aus welcher Hand auch immer, bleibt Geld; vgl. OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652b N 20a; LUTTER/DRYGALA (1995) S. 243. Allerdings liegt es häufig gar nicht im Interesse der Altaktionäre, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, denn der Zweck des IPOs dient regelmässig der (momentanen und künftigen) Kapitalbeschaffung, an der sich die Altaktionäre nicht beteiligen wollen beziehungsweise, da ihnen die Finanzierungskraft fehlt, nicht können. Dies ist vielfach der Hauptgrund, weshalb das breite Publikum herangezogen wird. 2. TEIL BÖRSENRECHT 40 Interesse an der Publikumsöffnung haben.176 Beispielsweise kann ein solcher Ausschluss für die Schaffung einer ausreichenden Streuung der Aktien (Freefloat) notwendig sein, wenn nur so ein liquider Handel gewährleistet werden kann.177 Da der Öffentlichkeit vielfach einzig mittels Bezugsrechtsausschluss genügend Titel angeboten werden können, 178 ist ein Ausschluss für die Erreichung der Kotierungsvoraussetzung regelmässig erforderlich. Dementsprechend liegt im Hinblick auf das IPO regelmässig der erforderliche wichtige Grund für den Bezugsrechtsausschluss vor. 179 In Bezug auf die schonende Rechtsausübung ist allerdings zu beachten, dass die neuen Papiere dem Publikum zu einem angemessenen Preis angeboten werden, da ein übermässiges Underpricing bei den Altaktionären zu einem Vermögensverlust führen würde. 180 Insofern würde auch eine Klage eines Altaktionärs gegen einen diesbezüglichen Bezugsrechtsausschluss für gewöhnlich zu keinem Erfolg führen. 181 Eine grosse Gefahr solcher Klagen besteht indes im Hinblick auf die kurze Zeit, in der ein IPO durchgeführt werden muss. Erreicht ein Aktionär eine Handelsregistersperre, kann der Zeitplan des IPOs nicht mehr eingehalten werden, wodurch die Gesellschaft einen immensen Schaden erleiden kann. 182 Daher sollte bei solchen Entscheiden immer versucht werden, Einstimmigkeit zu erzielen, was bei privat gehaltenen Gesellschaften durchaus im Bereich des Mögli176 Vgl. 1.Teil/II/C/1. 177 Vgl. z.B. Art. 17 KR; Art. 10 ZR-NM; Art. 6.4 KR-BX; Art. 48 EU-Börsenzulassungs-RL. 178 BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 267; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 40 N 237. 179 Ebenso OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652b N 20; WATTER, Festübernahme (1998) S. 395; WATTER/REUTTER (2002) S. 7 ff.; MARTI, Greenshoe (2002) S. 359 f.; vgl auch BGE 121 III 219; zum deutschen Recht LUTTER, Gesellschaftsrecht (1998) S. 379. 180 Durch ein Underpricing verlieren die Altaktionäre den Zeichnungsgewinn. Davon profitieren einzig die neuen Aktionäre. Ein solches wirtschaftliches Bezugsrecht sollte bei einem IPO nicht entstehen. Die jungen Aktien dürfen daher nicht zu einem Minus gegenüber dem Unternehmenswert emittiert werden; vgl. hinten Kap. III/C. Diese Problematik stellt sich auch bei einem Spin-off, bei welchem die Mutteraktionäre nicht vom IPO profitieren. In solchen Fällen dürfen die Beteiligungen an einer Tochter nicht „unter Wert“ verkauft werden. Der VR der Muttergesellschaft kann nicht Unternehmensvermögen, welches alleinig den Mutteraktionären zusteht, an fremde Dritte „verschenken“; vgl. GERRIT, Wenn Töchter flügge werden (2001) S. 110. 181 Vgl. die ähnliche Problematik in BGE 121 III 219, 237 m.w.H.; zur Anfechtbarkeit von GVBeschlüssen OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652b N 25. 182 Art. 706 OR i.V.m. Art. 32 Abs. 2 HRegV; hinsichtlich eines allfälligen Rechtsmissbrauchs ORDUBS/TRUFFER, Bd. II (2002) Art. 706 N 1a. Besteht eine latente Gefahr einer Anfechtung, wäre eine Kapitalerhöhung mittels genehmigten Kapitals vorzuziehen, da dadurch der Zeitpunkt des IPOs durch den VR bestimmt werden kann. 2. TEIL BÖRSENRECHT 41 chen liegt. Da einzelne Altaktionäre allerdings durch einen Bezugsrechtsausschluss ihre privilegierte Stellung verlieren können, 183 wäre in solchen Fällen an eine Einräumung eines Quasi-Bezugsrechts für die betroffene Minderheit zu denken, 184 womit auch die Gefahr einer Anfechtungsklage von Art. 706 OR umgangen werden kann. Eine weitere Gefahr der Anfechtung ist sodann der Ausschluss des Bezugsrechts für die Schaffung eines Greenshoes, 185 da damit den einführenden Banken eine Gratisoption eingeräumt wird. Stimmen nicht alle Altaktionäre der Gewährung einer solchen zu, so kann diese Gratisoption als Gründervorteil i.S.v. Art. 628 Abs. 3 und Art. 650 Abs. 2 Ziff. 6 OR gesehen und bei Nichteinhaltung der Vorschriften angefochten werden. Weil die Stabilisierung des Aktienkurses nach dem IPO und damit die Einräumung des Greenshoes vor allem im Interesse der künftigen Publikumsgesellschaft sowie deren Aktionäre liegt, ist m.E. darin allerdings kein Gründungsvorteil zugunsten der Banken zu sehen. Dennoch ist einer künftigen Publikumsgesellschaft aufgrund der aufgezeigten Problematik zu empfehlen, die für die Greenshoe-Option erforderlichen Papiere wenn immer möglich mittels Secondary Offering bereitzustellen. 1.4. Kapitalerhöhung im Vorfeld eines Secondary Offerings Eine Kapitalerhöhung kann auch im Vorfeld eines Secondary Offerings durchgeführt werden. Grund hierfür ist vielfach ebenfalls die Schaffung der notwendigen Zahl der Aktien, die in einem zweiten Schritt dem Publikum angeboten werden sollen. Durch eine Kapitalerhöhung und die Ausgabe der neuen Aktien zum Nennwert, welcher unter dem inneren Wert liegt, kann zudem der Wert der einzelnen Aktien auf ein angestrebtes Niveau gesenkt werden. 186 Indem das Kapital zu pari erhöht und von den Altaktionären nach den Regeln des Bezugsrechts übernommen und sodann geschlossen an die Börse 183 Z.B. Recht auf Einberufung einer Generalversammlung (Art. 699 Abs. 3 OR) oder Antrag auf Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697b OR) etc. 184 Es liesse sich beispielsweise eine Abrede im Vertrag der Gesellschaft mit dem Emissionskonsortium vorstellen, wonach im ersten Schritt z.B. nur 75% des Erhöhungsbetrages an den Markt gegeben wird, während die restlichen 25% des Erhöhungsbetrages für die Minderheit zum Erwerb zur Verfügung stehen, um ihre Quote zu halten; vgl. LUTTER/DRYGALA (1995) S. 245; LUTTER, Gesellschaftsrecht (1998) S. 379. 185 Hierzu WATTER/REUTTER (2002) S. 11 ff. Vgl. hinten Kap. 5. 186 Die bisherigen Aktionäre können eine Kapitalerhöhung kurz vor der Emission durchführen und den Kapitalerhöhungsbetrag mittels sogenanntem „Bridge Loan“ finanzieren, den sie aus dem Erlös des IPO zurückbezahlen; SCHENKER, IPO (2000) S. 12; LÖHR (2000) S. 17. 2. TEIL BÖRSENRECHT 42 gebracht wird, können diese einen beträchtlichen Gewinn187 erzielen. Der Gesellschaft fliesst dadurch nur der Nennwert zu. Eine andere Möglichkeit der Kapitalerhöhung vor dem eigentlichen IPO ist schliesslich die Erhöhung des Kapitals aus Mitteln der Gesellschaft. 188 Dabei werden freie Rückstellungen der Unternehmung in Aktienkapital umgewandelt. Diese neu geschaffenen Aktien werden dann von den Altaktionären der Öffentlichkeit angeboten. Vor allem wenn sich die Beteiligung im Privatvermögen der Altaktionäre befindet, ist aus steuerlichen Überlegungen letzteres Verfahren allerdings in der Regel nicht zu empfehlen. 189 Immerhin stellen gemäss BGE 122 V 178 Gratisaktien kein beitragspflichtiges Einkommen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 AHVG dar. 2. Wahl der Beteiligungspapiere Das Kotierungsreglement der SWX zeigt sich bezüglich der Umschreibung der kotierbaren Effekten als überaus liberal und fordert bei der Wahl der Beteiligungspapiere lediglich deren Handelbarkeit. 190 Damit liegt es an den Gesellschaften, die Wahl zu treffen, welche Papiere sie kotieren lassen wollen. Das schweizerische Aktienrecht kennt grundsätzlich zwei Arten von Aktien: Inhaberund Namenaktien.191 Inhaberaktien haben prinzipiell den Vorteil einer leichteren Übertragbarkeit und deshalb der grösseren Liquidität. Als Folge wurden Inhaberaktien früher in der Regel höher bewertet als Namenaktien. Mit den technischen und rechtlichen Vereinfachungen der letzten Jahre im Bereich der Namenaktien, insb. durch das SEGANamenaktienmodell oder die Einmal-Eintragungsermächtigung, 192 und der Annäherung zum angelsächsischen Rechtssystem haben die Inhaberaktien heute an Stellenwert verloren. Durch diese Neuerungen wurde die Effizienz der Verfahren wesentlich verbessert und der Transaktionskostennachteil der Namenaktien verringert. In den letzten Jahren ist zudem ein eindeutiger Trend zur Einheitsaktie auszumachen. Hiermit wird beabsichtigt, durch die Klarheit der Kapitalstruktur die Liquidität des Marktes zu erhöhen, d.h. die Abhängigkeit der Preisbildung vom Handelsvolumen zu re187 Der Gewinn aus dem Agio kann ein Mehrfaches des Nennwerts ausmachen. 188 Art. 652d OR; hierzu OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652d N 2 ff. 189 Vgl. BRAUCHLI/ROHRER/FISCHER (2000) S. 712. 190 So bspw. Art. 19 KR; vgl. Art. 46 EU-Börsenzulassungs-RL; vgl. auch die offene Formulierung von Art. 2 Abs. 1 lit. a BEHG; hierzu BRUNNER (1996) S. 186 ff. 191 Art. 622 Abs. 1 OR. 192 Vgl. hierzu Richtlinie zu Art. 19 KR betr. Handelbarkeit von Namenaktien vom 24. April 1996 (nachfolgend Namenaktien-RL); BRUNNER (1996) S. 157 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 170 ff.; LYK (1995) S. 286. 2. TEIL BÖRSENRECHT 43 duzieren. 193 Dabei stehen heute, wie bereits erwähnt, die Namenaktien im Vordergrund. Auch von den übrigen Finanzierungsinstrumenten wie Genussschein und Partizipationsschein ist der Kapitalmarkt in der letzten Zeit abgekommen. 194 3. Verbriefung der Papiere Der massenweise Handel der Papiere einer Publikumsgesellschaft erfordert Erleichterungen bei deren Verbriefung.195 Infolgedessen zeigt sich die schweizerische Gesetzgebung diesbezüglich überaus offen. Gemäss BEHG sind nicht nur ordentlich verbriefte Wertpapiere kotierbar, sondern auch unverbriefte. 196 Neben den physisch in gedruckter Form vorliegenden Wertpapieren sind demzufolge an der SWX und an der Berne eXchange auch mittels „Globalurkunde auf Dauer“ verbriefte Valoren, „unverurkundete Aktien“ und „Bucheffekten“ zugelassen. 197 4. Stückelung und Freefloat Eine Grundvoraussetzung für ein IPO ist das Vorhandensein einer genügend grossen Anzahl handelbarer Titel. Diese dürfen zudem nicht zu „schwer“ sein, da ein hoher Kurswert die Verkehrsfähigkeit und damit die Liquidität einschränkt. 198 Das Kotierungsreglement der SWX enthält zwar keine besonderen Bestimmungen betreffend des Wertes eines einzelnen Beteiligungspapiers, 199 doch sollte die Stückelung der Aktien so gestaltet 193 Hierzu BURKHALTER (2001) S. 15 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 75; LYK (1995) S. 281 ff.; vgl. auch RUFFNER, Publikumsgesellschaft (2000) S. 537 ff. 194 Partizipationsscheine (Art. 656a OR) und Genussscheine (Art. 657 OR). Hierzu METTLER (1990) S. 77 ff.; vgl. auch BÖCKLI, AKTIENRECHT (1996) N 466 ff., 529 ff.; NOBEL, Unternehmensfinanzierung (1998) S. 355. 195 Dazu BRUNNER (1996) S. 42 ff.; KLEINER (1995) S. 290 ff.; zur Entmaterialisierung s. NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 9 N 134 ff.; DERS., Unternehmensfinanzierung (1998) S. 354 ff. 196 Unter Effekten versteht das BEHG (in Art. 2 Abs. 1 lit. a) „vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion (Wertrechte) und Derivate“. Ebenso spricht die ISD in Art. 1 Abs. 4 von „Aktien und andere, Aktien gleichzustellende Papieren“. 197 Vgl. Art. 2 lit. a BEHG; Art. 21 ff. KR; Verbriefungs-RL; Druckvorschriften-RL; Art. 6.8 u. 6.9 KR-BX; hierzu BRUNNER (1996) S. 38 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 9 N 147 ff.; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Art. 2a N 10 ff.; HODEL (2002) S. 129 ff. 198 Zur Wahl der Aktienstückelung s. BOEMLE (1998) S. 257 f. 199 Eine solche Forderung wäre auch nicht zweckmässig; hierzu RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 42. Art. 20 KR fordert dementsprechend lediglich, dass die Stückelung der Gesamtsumme eines Valors die Abwicklung einer Börsentransaktion in der Höhe einer Schlusseinheit gemäss den anwendbaren Bestimmungen der SWX ermöglicht; ebenso Art. 6.6 KR-BX. 2. TEIL BÖRSENRECHT 44 werden, dass sich ein vernünftiger Emissionspreis ergibt. Dieser hat sich in den letzten Jahren zwischen CHF 100.– und 500.– eingependelt. Im Vergleich zum Ausland (insb. zu den USA) ist dies ein relativ hoher Preis. Das auf Frühjahr 2001 revidierte Aktienrecht setzt neu den Mindestnennwert von Aktien auf einen Rappen fest.200 Damit ist es durch einen Beschluss der Generalversammlung 201 möglich, die Zahl der Papiere mittels Splitting zu erhöhen. Durch diese Revision ist der Preis von neu angebotenen Aktien tendenziell gesunken und hat sich den internationalen Verhältnissen angenähert. 202 Damit die für den Börsenhandel notwendige Liquidität der Titel vorhanden ist, setzen die Kotierungsreglemente der Börsen einen bestimmten Freefloat der Papiere voraus und schreiben den Gesellschaften vor, dass sich ein bestimmter Anteil der kotierten Papiere in den Händen des Publikums befinden muss. Eine ausreichende Streuung ist gemäss Kotierungsreglement der SWX für das Hauptsegment gewährleistet, wenn sich die in der gleichen Kategorie ausstehenden Beteiligungsrechte des Emittenten zu mindestens 25% im Publikumsbesitz befinden. 203 Im Segment der Local Caps und an der Berne eXchange genügen bereits eine Streuung im Publikum von 15%. 204 5. Greenshoe Besonders hervorzuheben ist schliesslich eine allfällige „Greenshoe-Vereinbarung“. 205 Darunter versteht man eine Vereinbarung zwischen dem Emissionshaus und der künftigen Publikumsgesellschaft beziehungsweise deren Altaktionären bezüglich einer Option, die bei einer Platzierung im Bookbuildung-Verfahren der zusätzlichen Befriedigung von Anlegern und der Stabilisierung des Preises nach dem IPO dient. Sofern eine Überzeichnung vorliegt, wird mittels Greenshoe eine Kursglättung dadurch erreicht, dass die Emissionshäuser ihre Kunden bei der Zuteilung mit mehr Titeln berücksichtigen, als ihnen primär zur Verfügung stehen. Steigt der Kurs nach dem IPO, so decken die Banken ihre „short position“ durch eine im Übernahmevertrag eingeräumte Option, zusätzliche Akti200 Revidierter Art. 622 Abs. 4 OR. 201 Art. 623 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 703 OR. 202 So hat denn auch die Revision des Aktienrechts an der SWX eine regelrechte Splitwelle ausgelöst. Zahlreiche Unternehmen erhoff(t)en sich dadurch, die Attraktivität – insb. für Kleinanleger – zu steigern. Kritisch hierzu KUNZ/MAJHENSEK (2003). 203 Vgl. Art. 17 Abs. 2 KR; ebenso Art. 48 EU-Börsenzulassungs-RL. 204 Art. 17 ZR-LC; Art. 6.4 KR-BX. 205 Mehrzuteilungsoption, auch „Over-Allotment-Option“; vgl. SUTTON/BENEDETTO (1988) S. 158; WEISS (1988) S. 78 f.; WOLFF (1994) S. 325; LÖHR (2000) S. 116; PICOT/LAND (1999) S. 574; 2. TEIL BÖRSENRECHT 45 en zum Emissionspreis beziehen zu können. 206 Sinkt der Kurs in den ersten Tagen des Börsenhandels unter den Ausgabepreis, so kaufen die Banken die ihnen fehlenden Papiere über die Börse, womit eine zusätzliche, den Kurs stabilisierende Nachfrage entsteht; die Greenshoe-Option braucht in solchen Fällen nicht ausgeübt zu werden. Die Ausübung des Greenshoes ist deshalb ein wichtiger Indikator bezüglich des kurzfristigen Erfolgs des IPOs. Mit dem Greenshoe kommen die Emissionshäuser in den Genuss einer (Gratis-) Option. 207 Sind die Banken in der Lage, beim IPO alle Titel samt Greenshoe zuzuteilen, so profitieren sie im Falle von steigenden Sekundärmarktkursen davon, dass sie zusätzliche Papiere absetzen konnten, womit sich die prozentual zu berechnende Provision automatisch erhöht. Im Falle sinkender Kurse vergrössert sich deren Gewinn dadurch, dass sie die zu viel zugeteilten Papiere günstiger an der Börse zukaufen können. D. Anpassung der Statuten im Hinblick auf die Publikumsöffnung 1. Corporate Governance einer Publikumsgesellschaft 1.1. Im Allgemeinen Vor dem IPO sollten die Statuten und Organisationsreglemente der künftigen Publikumsgesellschaft in der Weise angepasst werden, dass deren Gesellschafts- bzw. Konzernorganisation im Sinn einer modernen Corporate Governance 208 derjenigen einer Publikumsgesellschaft entspricht. Eine gute Corporate Governance beinhaltet einerseits die sachgerechte Aufgabenzuteilung auf die obersten Leitungsorgane und deren zweck- KRAMER (1999) S. 261; SCHANZ (2000) § 10 Rz 55 ff.; WATTER/REUTTER (2002) S. 11 f.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 176 f. 206 Es handelt sich dabei um eine Option, weitere Aktien im Umfang von 10-15% der primär zur Verfügung stehenden Aktien aus einer Kapitalerhöhung (genehmigtes bzw. bedingtes Kapital) bzw. aus Beständen der Altaktionäre zu beziehen. Hierzu MARTI, Greenshoe (2002) S. 357 ff. 207 Zu beachten ist aber Art. 628 Abs. 3 und Art. 650 Abs. 2 Ziff. 6 OR; hierzu vorne Kap. 1.3. 208 „Corporate Governance ist die Gesamtheit der auf die Aktionärsinteressen ausgerichteten Grundsätze und Regeln über Organisation, Verhalten und Transparenz, die – unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz der Führung – auf oberster Unternehmensebene ein ausgewogenes Verhältnis von Leitung und Kontrolle anstreben.“; Rz 2 Corporate Governance-RL. 46 2. TEIL BÖRSENRECHT mässige Strukturierung, 209 andererseits zeichnet sie sich dadurch aus, dass es ihr gelingt, den systemimmanenten Interessenkonflikt zwischen Management und Aktionären zu verringern. 210 Da Aktionäre gegenüber Unternehmensinsidern immer ein Informationsdefizit aufweisen, gehören Transparenz, Publizität und Übernahmeregeln zu den elementaren Punkten einer guten Corporate Governance. Eine ausreichende Corporate Governance ist für eine börsenkotierte Gesellschaft eine unentbehrliche Voraussetzung, umso mehr noch für eine, die ihr IPO plant. Gewisse Mindestregeln für eine funktionierende Corporate Governance sind bereits im schweizerischen Aktienrecht enthalten.211 Da dieses den schweizerischen Gesellschaften allerdings einen grossen Spielraum lässt, ist es vor allem der Kapitalmarkt, der Gesellschaften bestraft, wenn diese nicht eine Mindestqualität an Corporate Governance bieten. Um Kursabschläge zu vermeiden, gehen schweizerische Unternehmen deshalb vielfach weit über das hinaus, was der Gesetzgeber fordert. 212 Trotz diesen zusätzlichen, freiwilligen Massnahmen sind die schweizerischen Gesellschaften bezüglich Corporate Governance im internationalen Vergleich alles andere als Spitzenreiter. 213 Viele der grossen Kapitalmärkte kennen in diesem Bereich gesetzlich nicht bindende Regelwerke – sogenannte Benimmregeln oder „Codes of Best Practice“. 214 Seit kurzem existiert auch für die 209 Demzufolge sollten nach einer allfälligen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft möglichst einfache und (für den externen Anleger) transparente Organisationsstrukturen gewählt werden; SCHENKER, IPO (2000) S. 21 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 17 ff.; DERS., Audit (2001) S. 93 ff.; HODEL (2002) S. 150 ff. 210 Sog. „Prinzipal-Agent-Problem“; vgl. BÖCKLI, Corporate Governance (1999) S. 2; SCHÄFER/OTT (2000) S. 601 ff.; NOBEL, Corporate Governance (1998) S. 176 f.; VON DER CRONE, Strategische Leistung (2002) S. 1. 211 Insbesondere die Rechte und Pflichten der Aktionäre sind im Aktienrecht gut ausgebaut; vgl. BÖCKLI, Corporate Governance (1999) S. 14; DERS., Cadbury Report (1996) S. 158; MARTI, Corporate Governance (2002) Rz 6. 212 Damit hat sich die Corporate Governance von Schweizer Unternehmen auf Druck der Investoren in den vergangenen zehn Jahre spürbar verbessert. Bspw. geht BÖCKLI (Corporate Governance [1999] S. 12) davon aus, dass eine Vielzahl (70-90%) der im „Hampel Report“ geforderten Prinzipien heute in den grösseren Schweizer Gesellschaften verwirklicht sind; s. auch RUUD/BODENMANN (2002) S. 273 ff.; VON DER CRONE, Aktienrecht (1998) S. 159; MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 50 f.; NOBEL, Audit (2001) S. 94. 213 HOFSTETTER, Corporate Governance (2001) S. 6 ff. In einem Vergleich mit 14 europäischen Ländern erreichte die Schweiz nur gerade Platz 11 – dahinter rangierten lediglich Dänemark, Norwegen und Portugal. Kritisiert wurden vor allem die fehlenden Regeln bezüglich der Transparenz; vgl. NZZ Nr. 149 vom 30. Juni 2001 S. 27. 214 Diese gehen auf die von der OECD vorgelegten Principles of Corporate Governance (1999) zurück; vgl. auch „Cadbury Report“ (1992), „Code of Best Practice“ (1992), „Hampel Report“ (1998) und 2. TEIL BÖRSENRECHT 47 Schweiz ein von der Economiesuisse ausgearbeiteter „Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance“, 215 welcher 30 Empfehlungen an die kotierten Gesellschaften enthält. Damit gehört ein Mindestmass an Corporate Governance heute zu den international akzeptierten Standards und sollte deshalb gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG von den Börsen in ihren Kotierungsreglementen berücksichtigt werden. 216 Aus diesem Grund hat die SWX diesbezügliche Bestimmungen in einer speziellen Richtlinie betreffend Informationen zur Corporate Governance festgehalten. 217 Der Zweck dieser Richtlinie besteht vorwiegend darin, den Investoren bestimmte Schlüsselinformationen zur Corporate Governance kotierter Emittenten in geeigneter Form zugänglich zu machen. 218 Damit regelt die SWX mit der Richtlinie lediglich einheitliche Offenlegungspflichten bezüglich der Corporate Governance, nicht aber deren Ausgestaltung. 1.2. Organisation und Transparenz Organisatorisch sollte eine Publikumsgesellschaft heutzutage auf zwei separaten Organen mit unterschiedlichen Funktionen und Verantwortlichkeiten, nämlich dem Verwaltungsrat einerseits und der Geschäftsleitung andererseits, beruhen. Nur damit kann eine klare wechselseitige Kontrolle garantiert werden. 219 Um eine reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen, müssen anschliessend die einzelnen Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung klar definiert werden. 220 Eine solche Zweiteilung ist nach dem schweizerischen Aktienrecht indes selbst für Publikumsgesellschaften nicht zwingend vorgeschrieben 221 und auch gemäss dem Kotierungsreglement der SWX nicht erforderlich. Trotzdem sollte insbesondere eine künftige Publikumsgesellschaft bei der „Rapport Viénot“ (1998). Diese sind allerdings vielmehr als Anweisungen für die jeweilige nationale Gesetzgebung gedacht (vgl. OECD, Principles [1999] Preamble). Die darin formulierten Prinzipien sind insbesondere der Schutz der Aktionärsrechte, die Gleichbehandlung der Aktionäre und die Offenlegung und Transparenz. 215 Nachfolgend Swiss Code of Best Practice; vgl. hierzu NZZ Nr. 133 vom 12. Juni 2002 S. 25; NZZ Nr. 149 vom 1. Juli 2002 S. 13; MARTI, Corporate Governance (2002) Rz 8. 216 Vgl. 3.Teil/I/C. 217 Richtlinie betr. Informationen zur Corporate Governance vom 17. April 2002, nachfolgend Corporate Governance-RL. 218 Rz 4 Corporate Governance-RL. 219 Anleger erwarten heute eine strikte Trennung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung; vgl. SCHENKER, IPO (2000) S. 17 f.; METTLER (1990) S. 68 ff. 220 Vor allem sind Rechtsstrukturen einzuführen, die möglichst eindeutige Verantwortlichkeiten festlegen. 221 Vgl. Art. 716 ff. OR. 48 2. TEIL BÖRSENRECHT Wahl und Ausgestaltung ihres Verwaltungsrates die nachfolgenden Punkte berücksichtigen. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, dass der VR-Präsident auch die Geschäftsführung übernimmt. 222 Nach schweizerischem Aktienrecht ist dies ohne weiteres möglich und wird vielfach noch praktiziert. 223 Bei einer solchen Konstellation ist eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit des VR-Präsidenten im Interesse des Aktionärs nur dann gewährleistet, wenn es andere starke und unabhängige VR-Mitglieder gibt, die diese Kontrollaufgabe übernehmen.224 Durch die Tatsache, dass dieses Gremium in der Regel nicht aus Fachpersonen besteht und vielfach Verflechtungen existieren, ist eine solche Kontrolle hingegen schwierig. Damit sollte eine Publikumsgesellschaft grundsätzlich einen von der Geschäftsführung getrennten VR-Präsidenten aufweisen. Heute hat sich die durchschnittliche Zahl der Verwaltungsratsmitglieder einer Publikumsgesellschaft deutlich verringert. 225 Mit der Abnahme der Anzahl der Verwaltungsräte muss andererseits eine zunehmende Professionalität einhergehen. 226 Zu bedenken ist hierbei auch, dass eine einzelne Person nur wenige Verwaltungsratsmandate von Publikumsgesellschaften inne haben kann. Deshalb ist es für den Aktionär besonders wichtig, allfällige Abhängigkeiten und Verflechtungen der VR-Mitglieder und auch der Direktoren zu kennen. Solche Beziehungsnetze sind zwar per se nicht negativ, doch sollte in diesem Punkt Transparenz über das Kräfteverhältnis innerhalb des Verwaltungsrates geschaffen werden, weshalb diese offen zu legen sind. 227 222 Dagegen spricht sich bspw. der Hampel Report (Principle 14) aus; vgl. BÖCKLI, Corporate Governance (1999) S. 10 f.; DERS., Cadbury Report (1996) S. 158; RUUD/BODENMANNN (2002) S. 275 f.; VON DER CRONE, Strategische Leistung (2002) S. 5 ff. 223 HOFSTETTER, Corporate Governance (2001) S. 36. Der Swiss Code of Best Practice (Rz 19) lässt diese Frage offen. 224 Sog. „lead director“; vgl. Hampel Report, Principle 15. Danach soll ein erfahrener aussenstehender Verwaltungsrat als spezielle Person bestellt werden, bei der Einwendungen und Kritik angebracht werden können. 225 Sassen vor einigen Jahren manchmal bis zu zwanzig Leute in diesem Gremium, so gibt es heute kaum mehr Gesellschaften mit einem VR mit mehr als zehn Personen; vgl. Swiss Code of Best Practice Rz 12: „Die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder ist auf die Anforderungen des einzelnen Unternehmens abzustimmen und soll so klein wie möglich sein“. 226 Bis anhin wurden VR-Mitglieder häufig aufgrund bestimmter Beziehungen bestellt. Heute ist es wichtig, dass zunächst die Funktion beschrieben und erst danach die geeigneten Personen dazu gesucht werden. 227 Gefordert in Rz 26 Corporate Goverance-RL; ebenso Schema A KR Rz 1.2.1, wo verlangt wird, im Prospekt die wichtigsten Tätigkeiten aufzuführen, welche die dem Emittenten nahestehenden Personen (v.a. Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane und Gründer, wenn 2. TEIL BÖRSENRECHT 49 Der Transparenz förderlich ist auch die Offenlegung der Praxis bezüglich Kompensationen der obersten Kader und der Nominationen auf obersten Führungsstufen des Unternehmens. 228 Die Corporate Governance-RL verpflichtet deshalb die kotierten Gesellschaften, diesbezügliche Daten zu veröffentlichen.229 Empfehlenswert wäre des Weiteren, dass sich der Verwaltungsrat für gewisse sensible Bereiche in Unterausschüsse strukturiert, beispielsweise ein „Audit-, „Nomination-„ und „Compensation-Committee“ bildet. 230 Schliesslich wäre es auch hilfreich, wenn die Gesellschaft offen Einsicht in die Protokolle der Geschäftsführungsmeetings gewähren würde. Ermöglicht eine Unternehmung den Investoren die Zugänglichkeit solcher Dokumente, schafft diese Offenlegung der Strukturen Vertrauen und fördert die Bereitschaft des Managements zur Einhaltung der selbst auferlegten Ziele. 1.3. Fazit Eine moderne, transparente und über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Corporate Governance dokumentiert nach aussen das Bestreben des Managements, Risiken minimieren und Vertrauen schaffen zu wollen. Insofern reicht es nicht aus, wenn eine Publikumsgesellschaft lediglich am Ende des Geschäftsjahres einen Geschäftsbericht publiziert 231 und den Aktionären nur ein Minimum an (aktienrechtlichen) Kontrollrechten 232 zugestanden wird.233 Hauptproblem bei der Beurteilung der Corporate Governance ist indes die mangelnde Transparenz selbst. Anleger erfahren die Mängel erst, wenn es bereits zu spät ist und diese längst massive Kursabschläge bewirkt haben. Deswegen ist eine wesentliche Forderung an die Kotierungsreglemente der Börsen, Transparenz bezüglich der Corporate Governance zu schaffen. es sich um eine Gesellschaft handelt, die seit weniger als fünf Jahren besteht) ausserhalb des Emittenten ausüben, sofern diese (externen) Tätigkeiten für den Emittenten von Bedeutung sind. 228 Bspw. leistungsabhängige oder fixe Entlöhnung, Abgangsentschädigungen (Golden Parachutes), Aktien- oder Optionspläne etc. 229 Anh. Rz 5.2, 5.4 Corporate Governance-RL; hierzu 3.Teil/II/A/2.4.1/dd. 230 Was durch Art. 716a Abs. 2 OR ermöglicht wird; vgl. RUUD/BODENMANNN (2002) S. 277 f.; BÖCKLI, Corporate Governance (1999) S. 12; DERS., Cadbury Report (1996) S. 156 f.; NOBEL, Corporate Governance (1998) S. 177; VON DER CRONE, Strategische Leistung (2002) S. 8 f. 231 Art. 662 ff. OR i.V.m. Art. 697h OR. 232 Kontrollrechte gemäss Art. 696 ff. OR und Recht auf die Einleitung einer Sonderprüfung gemäss Art. 697a ff. OR. 233 So müssen unverzügliche Benachrichtigungen von Aktionären (sei dies mittels Aktionärsbriefen und/oder Internet) nach besonderen Ereignissen und die Behandlung von Anfragen, Anregungen und Beanstandungen heutzutage für eine Publikumsgesellschaft selbstverständlich sein. 2. TEIL BÖRSENRECHT 50 In der heutigen Realität schweizerischer Unternehmen sind die oben aufgestellten Bedingungen für eine gute Corporate Governance noch Wunschvorstellungen, die nur selten vollständig erfüllt werden. Durch den Swiss Code of Best Practice und die Corporate Governance-RL der SWX ist allerdings zu erwarten, dass dieser Mangel in Zukunft zumindest teilweise behoben werden kann. Da das schweizerische Börsengesetz selbst keine die Corporate Governance von Publikumsgesellschaften betreffenden Vorschriften kennt,234 liegt es gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG an den schweizerischen Börsen, diesbezügliche Reglemente zu erlassen. Die Richtlinie der SWX betreffend Informationen zur Corporate Governance auferlegt den Gesellschaften indes keine bestimmte Struktur. Es ist damit diesen grundsätzlich freigestellt, wie viele Rechte sie ihren Eigentümern zugestehen. Allerdings reagiert die Börse überaus sensibel auf diesbezügliche Benachteiligungen, weshalb der Druck des Marktes die Publikumsgesellschaften veranlasst, den Anforderungen der Investoren nachzukommen. Um den Gewinn zu maximieren, müssen Gesellschaften die ihr IPO planen bemüht sein, ihren künftigen Aktionären eine gute Corporate Governance zu bieten. 2. Statutenänderung bezüglich Angebotspflichten Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG haben Aktionäre, welche Beteiligungspapiere einer kotierten Gesellschaft erwerben und dadurch Besitzer von über 331/3 Prozent der Stimmen werden, für alle kotierten Beteiligungspapiere ein Angebot zu unterbreiten. 235 Da die ehemaligen Alleineigentümer der Gesellschaft regelmässig auch nach dem IPO eine massgebliche Beteiligung an der neuen Publikumsgesellschaft halten, muss diese börsenrechtliche Bestimmung in die Planung des IPOs mit einbezogen werden. Das Börsengesetz überlässt im Bereich der Angebotspflicht den Gesellschaften einen gewissen Freiraum. Mittels statutarischer Regelung kann die oben erwähnte Bestimmung gemildert oder gänzlich aufgehoben werden. 236 Gemäss BEHG ist es möglich, den für die Auslö234 Da diese Corporate Governance-Grundsätze in erster Linie für börsenkotierte Gesellschaften gelten (vgl. auch OECD, Principles [1999] Preamble), wäre zu überlegen, solche spezifische Regeln ins BEHG aufzunehmen. 235 Hierzu BÖCKLI, BJM (1998) S. 254 ff.; V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 401 f.; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 179 ff.; Mitteilung der Übernahmekommission Nr. 2. Diese Bestimmung ist auf alle schweizerischen Gesellschaften, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind, anwendbar (Art. 22 BEHG); vgl. BEHG-HOFSTETTER (1999) Art. 32 N 6; BÖCKLI, BJM (1998) S. 255; REUTER (1999) S. 1094 f.; Botschaft BEHG S. 1380, 1417 f.; MEIER-SCHATZ, Offenlegung (1996) S. 124; BOHRER (1997) S. 195 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1962 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 90 ff. 236 Vgl. hierzu das Beispiel von HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 231 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 51 sung der Angebotspflicht massgeblichen Grenzwert von 331/3 Prozent der Stimmrechte durch entsprechende Statutenbestimmung bis auf maximal 49 Prozent zu erhöhen („Opting-up“) oder gänzlich wegzubedingen („Opting-out“). 237 Ein Entscheid für oder gegen das System der Angebotspflicht sollte vor dem IPO getroffen werden. 238 Nach der Publikumsöffnung ist eine Abkehr gesetzlich zwar immer noch zulässig, doch gemäss Art. 22 Abs. 3 BEHG nur noch gültig, wenn sie den Voraussetzungen von Art. 706 OR (d.h. insb. dem Gleichbehandlungsgrundsatz) genügt. 239 Es wird daher faktisch einfacher sein, eine Statutenänderung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem noch wenige Aktionäre an der Gesellschaft beteiligt sind. Eine Aufhebung der Angebotspflicht ist in jenen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen ein Grossaktionär auch nach dem IPO weiterhin eine beherrschende Beteiligung (d.h. ca. 331/3 Prozent der Stimmrechte) an der Gesellschaft beibehalten will. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die börsengesetzliche Regelung nicht nur für einzelne Aktionäre gilt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch auf eine Gruppe von Aktionären gemeinsam angewendet wird. 240 Die alleinige Tatsache, dass es sich lediglich um ehemalige Gründungsaktionäre der Gesellschaft handelt, wird allerdings nicht genügen, um diese als Gruppe im Sinne des Gesetzes anzusehen. Wurden unter den Altaktionären hingegen spezifische und durchsetzbare Verträge geschlossen, welche die zukünftige Vorgehensweise bezüglich der Führung des Unternehmens betreffen, 241 so können diese 237 Mit einem Opting-out schliesst eine Gesellschaft („Zielgesellschaft“) die Angebotspflicht vollständig aus (Art. 22 Abs. 2 BEHG); s. auch BOHRER/KUBLI (1998) S. 907 ff.; KÖPFLI (2000) S. 127 ff.; BEHG-HOFSTETTER (1999) Art. 32 N 22 ff. Andere partielle, befristete oder individualisierte „Opting-outs“ sind hingegen nicht zulässig; vgl. Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 23. Juni 2000 in Sachen Esec Holding AG, Steinhausen, und Unaxis Holding AG, Zürich, betreffend Einführung einer statutarischen, befristeten Opting-out-Klausel gemäss Börsengesetz zu Gunsten der Unaxis Holding AG bei der Esec Holding AG; hierzu ausführlich DUBS/GASSER (2001) S. 88 ff. 238 Gemäss Art. 22 Abs. 2 BEHG können bereits vor der Kotierung solche Bestimmungen in die Statuten aufgenommen werden; vgl. KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 22 N 4. 239 Art. 22 Abs. 3 BEHG; vgl. BEHG-HOFSTETTER (1999) Art. 32 N 24 f.; DERS., Gleichbehandlung (1996) S. 232. Mitteilung der Übernahmekommission Nr. 2 Kap. I/2; vgl. auch Übergangsbestimmung in Art. 53 BEHG. Zudem sind solche Entscheide bei einem kleineren, homogeneren Aktionärskreis leichter zu treffen. 240 Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG sowie Art. 27 i.V.m. Art. 15 BEHV-EBK; BEHG-HOFSTETTER (1999) Art. 32 N 14 ff., 37; Mitteilung der Übernahmekommission Nr. 2 Kap. II; vgl. auch Art. 20 Abs. 1 BEHG (hierzu Kommentar BEHG MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 201 ff.). 241 Insb. deren „Beherrschung“ (vgl. Art. 27 BEHV-EBK); v.a. mittels Aktionärsbindungsverträgen, welche die Stimmrechtsausübung betreffen; anstatt vieler Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) 52 2. TEIL BÖRSENRECHT als eine Gruppe betrachtet und ihre Anteile zur Feststellung der Überschreitung der Grenzwerte addiert werden. Verändern sich die Beteiligungsverhältnisse des Aktionärs (oder der Gruppe), besteht latent die Gefahr, dass dieser zu einem Angebot verpflichtet wird, was dem Zweck des IPOs diametral entgegen läuft. Gedenkt beispielsweise der Grossaktionär, Teile seiner Beteiligung im Sinn einer Kurspflege zu verkaufen und wieder zuzukaufen, kann es sein, dass dieser die 331/3 Prozentschwelle überschreitet. Ein Kauf, mit welchem ein Aktionär die besagte Schwelle überschreitet, verpflichtet diesen zu einem Angebot für alle kotierten Papiere. Um diese Gefahr zu umgehen, wäre eine Erhöhung des Grenzwertes oder ein gänzlicher Ausschluss der Angebotspflicht zu überlegen. Ein Opting-out ist auch dann zu empfehlen, wenn die Möglichkeit einer Unter- und nachfolgend einer Überschreitung der 50%-Schwelle besteht. Eine solche führt gemäss Art. 52 BEHG und Art. 31 BEHV-EBK ebenfalls zu einer Angebotspflicht. Danach wird ein beherrschender Aktionär, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Börsengesetzes über mehr als einen Drittel, aber weniger als 50 Prozent der Stimmrechte einer Zielgesellschaft verfügte, zu einem Angebot verpflichtet, sobald er durch einen zusätzlichen Erwerb den Grenzwert von 50 Prozent der Stimmen überschreitet. Um weitere Zukäufe, im Sinn von Kursstabilisierungsmassnahmen der beherrschenden Grossaktionäre zu ermöglichen, ohne zu einem Angebot für alle Titel verpflichtet zu werden, wäre deshalb ein statutarisches Opting-up bzw. -out notwendig. Nimmt man allerdings an, dass es sich bei Art. 52 BEHG um eine Übergangsregelung handelt, so wäre diese Bestimmung einzig auf Gesellschaften anwendbar, die ihr IPO bereits vor Inkrafttreten des BEHG vorgenommen haben. 242 Da es für die Stellung des Minderheitsaktionärs einen gewichtigen Unterschied macht, ob ein Grossaktionär beispielsweise 34% oder 67% der Stimmrechte besitzt, hat die Errichtung einer weiteren Schwelle bei 50% einiges für sich. Da heute noch nicht vollständig geklärt ist, inwieweit es sich bei Art. 52 BEHG lediglich um intertemporales Recht handelt oder ob diese BeArt. 20 N 237 ff., 275 f. Hierfür ist ein bestimmter (höherer) Organisationsgrad notwendig; vgl. KÖPFLI (2000) S. 164 ff.; BOHRER (1997) S. 180 f. 242 Dies entspricht der Auffassung der Übernahmekommission in der Empfehlung vom 8. Juni 2000 betr. Anfrage zum Bestehen einer Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes nach Streichen der Opting-out-Klausel aus den Statuten der Calida Holding AG, Oberkirch; ebenfalls ablehnend FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 61 N 49. Ebenso sind die Übergangsbestimmungen bezüglich Offenlegung von Beteiligungen auf Geschäfte mit Aktien von Gesellschaften, bei welchen das Going Public nach dem 1. Januar 1998 stattgefunden hat, nicht anwendbar; vgl. Mitteilung der Offenlegungsstelle Nr. I/99. 2. TEIL BÖRSENRECHT 53 stimmung auch auf Gesellschaften anwendbar ist, die sich erst nach Erlass des BEHG dem Publikum geöffnet haben, ist diese Problematik bei der Planung des IPOs ebenfalls zu berücksichtigen und, wenn erforderlich, in die Statuten ein Opting-out aufzunehmen. Theoretisch denkbar sind im Weiteren partielle Opting-ups bzw. -outs, beispielsweise die Kombination der verschiedenen Schwellen. Danach könnten unterschiedliche Schwellen anwendbar sein, je nachdem, ob der Aktionär unmittelbar vor dem IPO bereits massgeblich an der Gesellschaft beteiligt war oder nicht. 243 Gemäss Praxis der EBK sind solche partiellen Opting-outs bzw. -ups allerdings nicht zulässig. 244 Anhand des Zwecks des BEHG, der Schaffung von Transparenz, ist es einleuchtend, dass die Publikation eines allfälligen Opting-up beziehungsweise -outs im Kotierungsreglement für die jeweilige Gesellschaft zwingend vorgeschrieben werden muss. 245 Demnach hat ein Kotierungsprospekt diesbezügliche Angaben zu enthalten. 246 Wie bei allen Massnahmen, welche die Rechte der Aktionäre beschränken, wird sich ein Opting-up oder -out grundsätzlich eher negativ auf den Emissionskurs auswirken, weil dadurch insbesondere die Übernahmephantasien verringert werden.247 Demzufolge müssen vor dem IPO die Vorteile gegen diesen Nachteil gut abgewogen werden. Dennoch wird der mit dem Opting-up bzw. -out zugestandene Gestaltungsspielraum in der Praxis rege genutzt. 248 243 Beispielsweise für Altaktionäre gälte eine 49%-Schwelle, für die neuen eine solche von 331/3 Prozent; vgl. BÖCKLI, Börsengesetz (1998) S. 263. 244 Vgl. Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 i.S. Esec Holding AG und Unaxis Holding AG; hierzu DUBS/GASSER (2001) S. 88 ff.; LENGAUER (2002) S. 470. 245 Eine solche Bestimmung stellt eine relevante Tatsache dar, auf die gemäss Art. 8 Abs. 2 BEHG im Kotierungsprospekt hingewiesen werden muss. Überdies erhält der Entscheid bereits Publizität durch das Handelsregister; vgl. KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 22 N 21; BÖCKLI, BJM (1998) S. 261. Die Botschaft BEHG ging davon aus, dass die Börsen unterschiedliche Segmente für die Papiere von Gesellschaften errichten, je nachdem, ob sie von den Bestimmungen des BEHG betreffend öffentlicher Kaufangebote abweichen oder nicht; vgl. Botschaft BEHG S. 1400, 1417. 246 Vgl. z.B. Schema A KR Rz 1.5.10; Art. 12 Abs. 3 Ziff. 11 KR-BX. 247 Eine solche Bestimmung gibt den Anlegern zu verstehen, dass die Gründungsaktionäre sich das Recht vorbehalten, ihre Mehrheit an der Gesellschaft mit einer Kontrollprämie an einen Dritten zu verkaufen, ohne dass die Publikumsaktionäre von diesem Verkauf profitieren können; so z.B. BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 11, 29. 248 Von den 285 an der SWX kotierten Gesellschaften haben 66 ein Opting-out und 19 ein Opting-up in ihre Statuten aufgenommen; vgl. http://www.swx.com/cgi/issuers/optQuery. 2. TEIL BÖRSENRECHT 54 3. Einflusswahrung und Abwehrmassnahmen gegen öffentliche Übernahmeangebote 3.1. Verlust des unternehmerischen Einflusses Indem die neuen Aktionäre mittels Generalversammlung Einfluss auf das unternehmerische Geschehen der Gesellschaft nehmen können, besteht einer der grössten Nachteile eines IPOs für die Gründungsaktionäre im Verlust ihrer unternehmerischen Steuerungsmöglichkeiten. Im extremsten Fall kann eine unerwünschte Mitbestimmung zu einer feindlichen Übernahme mittels öffentlichem Kaufangebot führen. Der Schutz vor zu starkem Fremdeinfluss und damit die Mehrheitssicherung der Altgesellschafter ist ein schwieriges Unterfangen, das sowohl durch das Aktien- als auch durch das Börsenrecht eingeschränkt wird. Allerdings werden Präventivmassnahmen börsenrechtlich nicht vollumfänglich untersagt, und auch das Aktienrecht ermöglicht es den Gesellschaften, diesbezüglich gewisse (statutarische) Vorkehrungen zu treffen. 3.2. Einflusswahrung Gründungsaktionäre sind häufig daran interessiert, ihren unternehmerischen Einfluss auch nach dem IPO beizubehalten. 249 Geben diese mit dem IPO ihre Stimmenmehrheit auf, so müssen bei der Planung des IPOs und bei der Anpassung der Statuten Überlegungen angestellt werden, wie eine Beherrschung der Generalversammlung gesichert und ob präventive Schutzbestimmungen gegen feindliche Übernahmeangebote vorgesehen werden sollen.250 Der unternehmerische Einfluss kann am einfachsten gewahrt bleiben, indem die Gründungsaktionäre eine möglichst grosse Restbeteiligung an der Gesellschaft beibehalten. Dem steht jedoch das Ziel eines teilweisen Ausstiegs beziehungsweise die Verbesserung der Kapitalbasis entgegen. Je kleiner die Quote ist, welche die Altaktionäre öffentlich platzieren respektive die Gesellschaft neu emittiert, umso kleiner wird das aus dem IPO resultierende Kapital ausfallen, was wiederum die Expansionsmöglichkeiten der Gesellschaft beziehungsweise den Gewinn der verkaufenden Altaktionäre verringert. Zudem muss nach dem IPO der freie Handel am gewählten Sekundärmarkt gewährleistet werden, was eine Mindeststreuung (Freefloat) der Titel im Publikum voraussetzt. 251 249 Vgl. SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 39; METTLER (1990) S. 72 ff. 250 Vgl. SCHENKER, IPO (2000) S. 19 f.; V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 400 f.; METTLER (1990) S. 72. 251 Vgl. 3.Teil/II/A/2.3.4. 2. TEIL BÖRSENRECHT 55 Durch eine geeignete Wahl der Beteiligungspapiere besteht für die ehemaligen Eigentümer eine weitere Möglichkeit, ihren Einfluss auch nach dem IPO wahren zu können. Mittels Vinkulierung 252 , Stimmrechtsaktien 253 oder Stimmrechtsbeschränkungen 254 können die Gründungsaktionäre mit wenig Kapital dennoch ihre Stimmenmehrheit bewahren. Alsdann haben die Gründungsaktionäre die Möglichkeit, ihre Stimmen mittels sogenannter Aktionärsbindungsverträge zu koordinieren. 255 Die häufigste und in der Regel auch effektivste Massnahme zur Einflusswahrung ist die Sicherung der Mehrheit im Verwaltungsrat. 256 Dadurch können die ehemaligen Alleineigentümer weiterhin ihren Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, ohne an ihr noch mehrheitlich beteiligt zu sein. Es ist jedoch zu beachten, dass die (neue) Generalversammlung einen von den Gründungsunternehmern eingesetzten Verwaltungsrat wiederwählen muss und diesen grundsätzlich jederzeit abberufen kann.257 Diese Gefahr kann dadurch ein 252 Art. 685b f. OR. Während die Statuten einer nichtkotierten Gesellschaft weitgehende Gründe für die Verweigerung der Übertragungszustimmung vorsehen können, sind die Ablehnungsgründe bei kotierten Gesellschaften stark eingeschränkt und beschränken sich auf die Prozent- (Art. 685d Abs. 1 u. 2 OR) und Ausländerklausel (Art. 4 Schluss- u. Übergangsbestimmungen zur Aktienrechtsrevision, vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1 BewG); hierzu BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 603a ff.; GUHL/DRUEY (2000) § 67 N 77 ff.; BOHRER (1997) S. 203 ff.; SCHENKER, IPO (2000) S. 15; DERS., Takeover Defence (2001) S. 54; BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 18; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 44 N 182 ff. 253 Art. 693 Abs. 1 OR; hierzu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 24 N 95 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 324 ff.; BOHRER (1997) S. 195 ff.; SCHENKER, Takeover Defence (2001) S. 55. Es ist zu beachten, dass das Stimmrechtsprivileg bei bestimmten Traktanden ausgeschaltet ist (Art. 693 Abs. 3 u. Art. 704 OR); vgl. NOBEL, Unternehmensfinanzierung (1998) S. 356; BERNET (1998) S. 300. 254 Art. 692 Abs. 2 OR. Möglich ist die Festlegung einer absoluten oder häufiger einer prozentual maximalen Stimmenzahl. Zudem sind Höchststimmrechte nicht nur bei Namenaktien, sondern auch bei Inhaberaktien anwendbar; hierzu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 24 N 60 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1411 ff.; BERNET (1998) S. 301; BOHRER (1997) S. 234 f.; SCHENKER, Takeover Defence (2001) S. 54; LYK (1995) S. 285. 255 Auch „Poolverträge" oder „Shareholder Agreements" genannt; vgl. LÖHR (2000) S. 17. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 139 ff.; BOHRER (1997) S. 223; BOEMLE (1998) S. 283 f.; WOLFF (1994) S. 206. Bei solchen Verträgen ist zu beachten, dass die gebundenen Aktionäre als Gruppe im Sinn des BEHG betrachtet werden und diese damit gemeinsam den Offenlegungs- und Angebotspflichten unterliegen können; hierzu bereits vorne Kap. 2. 256 Vgl. GOMPERS/LERNER (1999) S. 290. 257 Art. 705 Abs. 1 OR; hierzu BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1471; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 22 N 29; OR-DUBS/TRUFFER, Bd. II (2002) Art. 705 N 5 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 56 wenig gemindert werden, dass in die Statuten lange Amtszeiten der Verwaltungsräte 258 verbunden mit qualifizierten Mehrheiten für die Abwahl aufgenommen werden. 259 Ein weiterer Schutz vor dem Auswechseln des gesamten (von den Gründungsaktionären eingesetzten) Verwaltungsrats ist dessen Staffelung. 260 Darunter wird ein statutarisches Verbot verstanden, auf einen Schlag mehr als einen bestimmten Anteil des gesamten Verwaltungsrates abzuwählen. 261 Alsdann können die Verwaltungsratssitze mit hohen Abgangsentschädigungen („Golden Parachutes“) abgesichert werden, wodurch es für einen allfälligen Übernehmer sehr teuer ist, den Verwaltungsrat auszuwechseln. 262 Wie aufgezeigt, können die Gründungsaktionäre (vor der Publikumsöffnung) die Statuten in der Weise gestalten, dass ihnen die Beherrschung der Gesellschaft gesichert bleibt. Potentielle Übernehmer haben allerdings die Möglichkeit, einen solchen Verteidigungswall mittels Statutenänderung aufzubrechen, wozu vielfach ein einfaches Mehr an der Generalversammlung genügt. 263 Statutarisch kann deshalb vorgesehen werden, dass bestimmte Generalversammlungsbeschlüsse ein qualifiziertes (häufig sogar prohibitives) Mehr erfordern. 264 Zu denken ist dabei insbesondere an Beschlüsse, die einen Kontrollwechsel herbeiführen können, wie beispielsweise die Aufhebung von (abwehrstrategisch zentralen) Statutenbestimmungen über die Vinkulierung und Stimmrechtsbeschränkung, die Umwandlung von Namen- in Inhaberaktien, die Lock-up-Klausel (Petrifizierungsklausel) selber oder die bereits erwähnte Abberufung der Verwaltungsräte. 265 Die 258 Zu beachten ist allerdings, dass gemäss Art. 710 Abs. 1 OR die Amtsdauer eines VR sechs Jahre nicht übersteigen darf; vgl. ebenfalls Swiss Code of Best Practice Rz 14, wonach die ordentliche Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder nicht mehr als vier Jahre betragen soll. 259 Bspw. über Art. 703 OR hinausgehende Anforderungen, wie mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen; vgl. FN 264. Die vertragliche Rechtmässigkeit solcher statutarischer Klauseln ist mit Blick auf die freie Abwählbarkeit des Verwaltungsrates durch die GV (Art. 705 OR) allerdings umstritten. Eine solche Klausel wurde aber vom Bundesgericht (in BGE 117 II 290, 313) geschützt; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 22 N 30. 260 Gestaffelter VR bzw. „Straggered board“. 261 Vgl. BREALEY/MYERS (1996) S. 934 f.; BOHRER (1997) S. 235; SCHENKER, Takeover Defence (2001) S. 55. Um die relative Stimmkraft eines (bisherigen) Verwaltungsratsmitglieds nicht verwässern zu können, ist es notwendig, die Zahl der Verwaltungsratssitze zu limitieren. 262 Neben vielen SCHENKER, Takeover Defence (2001) S. 57. 263 Art. 703 OR. 264 Auch „Lock-up- oder Petrifizierungs-Klausel“ genannt; hierzu NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 314; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1400; BOHRER (1997) S. 225, 235; BERNET (1998) S. 300; MEIER-SCHATZ, SJZ (1991) S. 62; DIETZI/LATOUR (2002) S. 104; OR-DUBS/TRUFFER, Bd. II (2002) Art. 704 N 18. 265 Vgl. dazu SCHENKER, IPO (2000) S. 20; DIETZI/LATOUR (2002) S. 104. 2. TEIL BÖRSENRECHT 57 gleiche Wirkung wie die erwähnten Beschlussfassungsquoren hat schliesslich auch die Einführung von Präsenzquoren an der Generalversammlung. Eine weitere Massnahme zur Einflusswahrung besteht für Börsenneulinge, die auf patentierte Technologien oder sonstige Immaterialgüterrechte angewiesen sind. Solche Rechte können vom ehemaligen Alleinaktionär (häufig ist es die einstige Muttergesellschaft) der neuen Publikumsgesellschaft in Lizenz vergeben werden. Dabei kann sich dieser vorbehalten, die Lizenzen zu entziehen, sollte ein ihm nicht genehmer Investor die Mehrheit der Aktien übernehmen. 266 Selbstredend müssen solche Abhängigkeiten aus Gründen der Transparenzgewährleistung offen gelegt werden und Eingang in den Kotierungsprospekt finden. 267 Mitarbeiterbeteiligungen sind ebenfalls ein wirksames Mittel zum Schutz gegen zu starken Fremdeinfluss, da damit ein Aktienpaket in die Hände von grundsätzlich unternehmensverbundenen Personen gegeben wird. 268 Im Falle einer unfreundlichen Übernahme ist anzunehmen, dass die Mitarbeiter mit hoher Wahrscheinlichkeit das amtierende Management unterstützen und sich eher gegen einen neuen Käufer aussprechen werden. 269 Sind die Beteiligungspapiere der Gesellschaft breit gestreut und befinden sich keine grösseren Pakete bei neuen Aktionären, so kann dies den Einfluss der Altaktionäre ebenfalls vergrössern. Aus diesem Grund ist bereits im Vorfeld des IPOs zu überlegen, ob bei der Zuteilung der Papiere Kleinanleger speziell berücksichtigt werden sollen. 270 Letztlich ist zu beachten, dass sich jeder Entzug von Rechten beim IPO in einem tieferen Emissionskurs und in Preisabschlägen am Kapitalmarkt niederschlägt, was wiederum die Kapitalnutzungskosten erhöht. Der aus einem solchen IPO resultierende, geringere Erfolg läuft damit zweifellos dem Ziel der Erlösmaximierung entgegen. Dies ist allerdings der Preis für die Aufrechterhaltung des Einflusses der Altaktionäre und die Erschwerung 266 So beispielsweise beim IPO der Inficon, bei der die Unaxis gewisse Lizenzen behielt; vgl. NZZ Nr. 251 vom 27. Oktober 2000 S. 33. 267 So z.B. Schema A KR Rz 1.3.5 oder Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 4.2. 268 Mitarbeiter werden vielfach in der Generalversammlung das bisherige Management unterstützen. Arbeitnehmer sind i.d.R. an einer langfristigen Beteiligung interessiert und werden ihre Aktien weniger schnell verkaufen, was zu einer Kursglättung führt. Zudem können Mitarbeiterpapiere mit langen Verkaufssperrfristen ausgestaltet werden. 269 WOLFF (1994) S. 206 f.; SCHENKER, Takeover Defence (2001) S. 56. 270 Vgl. hierzu hinten Kap. III/D/2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 58 von Unternehmensübernahmen.271 Dennoch können stichhaltige Gründe eine Einbusse des Emissionserlöses rechtfertigen. Daher müssen die Altaktionäre sorgfältig die Vorteile eines solchen Abwehrdispositivs gegen die Erlösminderung abwägen. Im Lichte der Informationspflicht der Investoren hinsichtlich der Kotierung 272 steht es ausser Frage, dass solche Einschränkungen der Aktionärsrechte in den Kotierungsprospekten der Gesellschaften offen gelegt werden müssen. 273 3.3. Verhaltenspflichten von Zielgesellschaften und Abwehr feindlicher Übernahmen Das schweizerische Börsengesetz stellt bei Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebots spezielle Verhaltensvorschriften an das Management einer Publikumsgesellschaft. 274 Dabei handelt es sich zum einen um die Pflicht des Verwaltungsrates einer Zielgesellschaft, bezüglich des Kaufangebots eine schriftliche Stellungnahme zuhanden der Aktionäre abzugeben. 275 Viel einschneidender sind zum andern die negativen Handlungspflichten (bzw. Unterlassungspflichten), die das Börsengesetz dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft auferlegt. 276 Geschäftsleitung und Verwaltungsratsmitglieder einer Zielgesellschaft sind aufgrund persönlicher Interessen nicht immer in der Lage, ihre Entscheidungen im ausschliesslichen Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu treffen. 277 Deshalb dürfen diese im Zeitraum zwischen der Veröffentlichung eines Übernahmeangebots und der Veröffentlichung des Ergebnisses keine Rechtsgeschäfte mehr 271 Neben vielen CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 334; SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 39 f. Im Gegensatz dazu kommt GLEISBERG (2003) zu einer grundsätzlich positiven Bewertung solcher „aktionärsfeindlicher“ Massnahmen. 272 Insb. in Bezug auf „die Beurteilung der Eigenschaften der Effekten und der Qualität des Emittenten“ gemäss Art. 8 Abs. 2 BEHG. 273 Diese Verpflichtung muss in den Kotierungsreglementen der Börsen enthalten sein; vgl. bzgl. SWX Art. 35 u. Schema A KR (insb. Rz 1.5.2, 3.5 und 3.9.1). 274 Insb. Art. 29 BEHG. Diese Bestimmung entspricht in etwa dem Vorschlag zu einer EU-Übernahmerichtlinie, der allerdings am 4. Juli 2001 vor dem Europäischen Parlament gescheitert ist. Zu den neuen Anläufen der EU-Kommission vgl. NZZ Nr. 229 vom 3. Oktober 2002 S. 23. 275 Art. 29 Abs. 1 BEHG. Die Anforderungen an den Inhalt des Berichts sind in Art. 29-32 UEV-UEK enthalten; vgl. hierzu Botschaft BEHG S. 1414; BERNET (1998) S. 257 ff.; BOHRER (1997) S. 121 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1661j ff.; DERS., BJM (1998) S. 247; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 199; WATTER/DUBS (1998) S. 1314 ff.; FRAUENFELDER (2001) S. 71 ff. Verletzt der Verwaltungsrat seine Pflicht zur Stellungnahme, so droht ihm gemäss Art. 42 BEHG eine Busse von bis zu CHF 200’000.–; hierzu NATER (2001) S. 149 ff. 276 BOHRER (1997) S. 121 ff.; BERNET (1998) S. 273 ff.; BÖCKLI, BJM (1998) S. 247; V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 397 ff. 277 Vgl. BERNET (1998) S. 275. 2. TEIL BÖRSENRECHT 59 beschliessen, die darauf abzielen, wesentliche Aktiven 278 zu veräussern oder die Gesellschaft durch starke Verschuldung zu belasten. 279 Daneben ist es dem Verwaltungsrat auch untersagt, andere erfolgsvereitelnde Massnahmen vorzunehmen. 280 Damit haben das Börsengesetz und die darauf beruhende UEV-UEK die Kompetenz des Verwaltungsrates, Abwehrmassnahmen zu ergreifen, stark eingeschränkt und auf die Generalversammlung übertragen. Die Beschlüsse der Generalversammlung unterliegen in der Regel keiner börsengesetzlichen Beschränkung. Sie dürfen also unter gewissen Einschränkungen unabhängig davon ausgeführt werden, ob sie vor oder nach der Veröffentlichung des Angebots gefasst worden sind. 281 Da es in Fällen feindlicher Übernahmen notwendig ist, rasch reagieren zu können und die Aktionäre oft nicht in der Lage sind, 282 allfälligen Abwehrmassnahmen rechtzeitig zuzustimmen, sind solche präventiven statutarischen Abwehrkonzepte bei der Planung des IPOs ebenfalls zu berücksichtigen. 283 Mit Blick auf die börsengesetzlichen Restriktionen ist es bei präventiven Abwehrmassnahmen indes wichtig, dass diesbezügliche Generalversammlungsbeschlüsse auf Vorrat beziehungsweise die Statuten hinreichend bestimmt sind. Zudem sind sie ausdrücklich an die Bedingung zu binden, diese (auch) im Falle eines Übernahmeangebots auszuführen und als sogenannte Poison Pills einzusetzen.284 Eine generelle statutarische Vereinbarung, welche dem Verwaltungsrat ermöglichen würde, alle nach Art. 29 Abs. 2 BEHG verbotenen Abwehrmassnahmen treffen zu können, wäre hingegen mit dem Sinn und 278 Insb. interessante Unternehmensteile, sog. „Crown Jewels“. 279 Art. 29 Abs. 2 BEHG; Art. 35 UEV-UEK. Darunter müssen nach funktionaler Betrachtungsweise auch ausserbilanzielle Geschäfte fallen; vgl. MEIER-SCHATZ, Offenlegung (1996) S. 121. 280 Bspw. Poison Pills, Golden Parachutes, Schaffung kartellrechtlicher Probleme etc.; vgl. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1661o; DERS., BJM (1998) S. 247 ff.; Botschaft BEHG S. 1415. 281 Art. 29 Abs. 2 Satz 2 u. Art. 36 UEV-UEK i.V.m. Art. 29 Abs. 3 BEHG; vgl. Botschaft BEHG S. 1415; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 323; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1661o ff.; DERS., BJM (1998) S. 249; WATTER/DUBS (1998) S. 1318; V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 400. 282 Insb. in Anbetracht der Zeitverhältnisse (vgl. Art. 700 Abs. 1 OR) würden dadurch Abwehrmassnahmen verunmöglicht. 283 Vgl. vorne Kap. 3.2. 284 Vgl. V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 400; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 29 N 13; BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 21. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1661p ff., 1669a; DERS., BJM (1998) S. 249 f.; WATTER/DUBS (1998) S. 1319, 1325 f.; vgl. auch Art. 35 Abs. 2 UEVUEK. 2. TEIL BÖRSENRECHT 60 Zweck der gesetzlichen Ordnung nicht vereinbar. 285 So ist jede einzelne durch den Verwaltungsrat zu ergreifende Massnahme spezifisch in den Statuten zu formulieren. 286 Schliesslich sind die konkret auszuführenden Abwehrmassnahmen – ob präventiv oder erst nach einem Übernahmeangebot beschlossen – vor deren Einsatz der Übernahmekommission zu melden. 287 4. Fazit Eine gute Corporate Governance schafft Vertrauen in die Gesellschaft und in deren Management, was sich letztlich in höheren Emissions- und Sekundärmarktkursen auswirkt. Damit liegt es im Interesse der Gesellschaft, den Anforderungen des Kapitalmarkts zu entsprechen und diesen entgegenzukommen. Hinsichtlich einer Erlösmaximierung ist einer künftigen Publikumsgesellschaft daher zu empfehlen, weitgehend den Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance zu beachten. Mittels besonderer Gestaltung der Statuten ist es möglich, die kontrollierende Stellung der Altaktionäre beizubehalten und allfällige Übernahmen der Gesellschaft zu erschweren. Die schlechte Entwicklung vieler Going Publics in den 80er- und anfangs der 90erJahre führte allerdings zur Erkenntnis, dass die vollen Aktionärsrechte von grosser Bedeutung sind. So schlägt sich der Entzug von Aktionärsrechten regelmässig in einer Minderung des Emissionspreises nieder. Dies ist der Grund, weshalb heute fast ausschliesslich Gesellschaften an die Börse gelangen, deren Papiere weder vinkuliert sind noch in den Statuten (strengere) Abwehrklauseln enthalten. Fehlt die Gefahr von Übernahmen, so fehlt es dem Management auch am Zwang, sich immer wieder am Markt zu bewähren, um nicht zum „Takeover“-Kandidaten zu werden. 288 Die Entscheidung, ob eine Unternehmensübernahme langfristig gesehen Mehrwert schafft und deshalb sinnvoll ist, sollte weitgehend dem Markt überlassen werden. Deshalb ist auf Mechanismen, die das Spiel der Marktkräfte ausschalten und damit Übernahmen blockieren, so weit wie möglich zu verzichten. 285 Vgl. auch ZOBL, Zielgesellschaft (1997) S. 67; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1661q; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 29 N 12. 286 BÖCKLI, BJM (1998) S. 250. 287 Art. 34 UEV-UEK. 288 Vgl. sog. „Unternehmenskontrollmarkt“; anstatt vieler SCHÄFER/OTT (2000) S. 602. 2. TEIL BÖRSENRECHT 61 E. Entscheid zur Publikumsöffnung Die wichtigste Entscheidung, die eine private Aktiengesellschaft vor dem IPO zu fällen hat, ist jene, ob sie sich dem Publikum öffnen will oder nicht. 289 Ein solcher Entscheid darf erst nach reiflicher Überlegung getroffen werden, denn eine Öffnung ist nach einer Kotierung nur schwer wieder rückgängig zu machen. 290 Für ein IPO ist deshalb ein Beschluss der Gesellschaft erforderlich, welcher unter anderem auch dem Kotierungsgesuch beigelegt werden muss. 291 Bei einem Primary Offering mit einer Beschränkung des Bezugsrechts ist gemäss Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR ein Beschluss der Generalversammlung notwendig, welcher mindestens zwei Drittel der vertretenen Aktionärsstimmen und 50% der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt. 292 Wird das Kapital im Hinblick auf das IPO erhöht, stellt die geplante Publikumsöffnung wie oben aufgezeigt einen wichtigen Grund dar, der einen Bezugsrechtsausschluss rechtfertigt. 293 Daher ist im Kapitalerhöhungsbeschluss der Generalversammlung unweigerlich auch der Entscheid zum Going Public enthalten. 294 Schwieriger erweist sich die Problematik der Entscheidungskompetenz beim Secondary Offering. Es stellt sich die Frage, ob ein verkaufswilliger Grossaktionär diesen Entscheid selber treffen kann oder ob dafür ein Beschluss der Generalversammlung beziehungsweise des Verwaltungsrates notwendig ist. Gemäss Aktienrecht ist der Verwaltungsrat in allen Angelegenheiten zur Beschlussfassung berechtigt, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind. 295 Da das Gesetz der Generalversammlung keine Kompetenz bezüglich des Entscheids zum IPO einräumt und auch in den Statuten der Gesellschaft im Regelfall eine 289 Für eine Gesellschaft ist ein IPO ein einmaliges Ereignis, das die Erfolgspotentiale und die Kultur des Unternehmens über Jahrzehnte massgeblich prägt. Demnach dürfen nur langfristige Aspekte für den Entscheid zum IPO von Bedeutung sein. 290 Vgl. INDERBITZIN (1993), passim. 291 Vgl. z.B. Art. 51 Abs. 3 Ziff. 1 KR. 292 Art. 650 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 OR; an Stelle vieler GUHL/DRUEY (2000) § 69 N 37 ff.; OR-DUBS/TRUFFER, Bd. II (2002) Art. 704 N 2 ff. 293 Vgl. vorne Kap. A/1.3. 294 Vgl. CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 337; LUTTER, Gesellschaftsrecht (1998) S. 377, 379; PICOT/LAND (1999) S. 571. 295 Art. 716, Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6, Art. 718, Art. 718a OR; s. auch BÖCKLI, AKTIENRECHT (1996) N 1521 ff.; GUHL/DRUEY (2000) § 71 N 10; BERTSCHINGER, Zuständigkeit (2002) S. 312. 2. TEIL BÖRSENRECHT 62 solche fehlen wird, liegt die Zuständigkeit beim Verwaltungsrat. 296 Selbstverständlich kann dieser den Entscheid zum IPO mittels Secondary Offering nur zusammen mit den verkaufenden Aktionären treffen, da diese nicht gegen ihren Willen dazu gebracht werden können, ihre Papiere der Öffentlichkeit anzubieten. 297 Aufgrund der Tatsache, dass die verkaufswilligen Grossaktionäre regelmässig die Mehrheit an der Gesellschaft besitzen und deshalb auch die Generalversammlung beherrschen, ist diese Lösung gutzuheissen. Ein formeller Beschluss der Generalversammlung ist demzufolge nicht zwingend erforderlich. Liegen hingegen keine klaren Mehrheiten vor und sind die grossen Mehrheitsaktionäre bezüglich dem IPO unschlüssig, ist aus praktischen Gründen die Konsultation der Generalversammlung zu empfehlen.298 Problematisch ist hingegen die Tatsache, dass bei einem reinen Secondary Offering in erster Linie die verkaufenden Altaktionäre profitieren. In diesem Fall erzielt die Gesellschaft und die an dieser weiterhin beteiligt bleibenden Aktionäre aus dem IPO keinen direkten finanziellen Nutzen. Hingegen kommen auf die Gesellschaft enorme Kosten zu bezüglich Bindung von Managementkapazität, Prospekterstellung, Kotierungskosten, Werbemassnahmen, Kosten für externe Berater etc. Da das Unternehmen und auch die nicht verkaufenden Altaktionäre selbst beim Secondary Offering einen Nutzen aus dem Going Public ziehen, 299 kann die Gesellschaft dennoch die üblicherweise mit dem IPO verbundenen Kosten übernehmen, ohne dass ein Fall von Art. 678 OR bzw. ein Verstoss gegen Art. 718a OR vorliegt. Da der Verwaltungsrat für die organisatorische und rechtliche Umstrukturierung der Gesellschaft zuständig ist, ist demgegenüber ein Grossaktionär immer auf die Unterstützung 296 Vgl. auch WATTER/REUTTER (2002) S. 18 ff. Die Generalversammlung andererseits ist mit einem qualifizierten Mehr zuständig für die Änderung des Gesellschaftszwecks; Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1, Art. 623 Abs. 1 i.V.m. Art. 626 Abs. 1 Ziff. 2 OR. Ein Börsengang gehört indes mindestens im weitesten Sinn zum Wesen einer AG und damit zu ihrem Zweck, weshalb spezieller Generalversammlungsbeschluss abzulehnen ist; ebenso CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 336. 297 Vgl. Art. 680 Abs. 1 OR. 298 Damit besteht in beschränktem Masse die Möglichkeit, dass der Verwaltungsrat die Generalversammlung zu einer Konsultativabstimmung auffordern kann. Rechtlich bleibt der Verwaltungsrat befugt, entgegen dem Abstimmungsergebnis zu entscheiden, denn die Verantwortung – wie immer er entscheidet – bleibt bei ihm; vgl. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1259k f.; bzgl. Deutschland empfehlen eine Abstimmung: CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 336; PICOT/LAND (1999) S. 571; für ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung LUTTER, Gesellschaftsrecht (1998) S. 378 f. m.w.H. 299 Künftig einfachere Eigenkapitalfinanzierung, einfachere Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung, leichte Trennung von der Investition etc.; vgl. 1.Teil/III/C/1. 2. TEIL BÖRSENRECHT 63 des Verwaltungsrats angewiesen. 300 Demnach ist es einem Grossaktionär nicht möglich, das IPO durchzuführen, ohne dass zumindest der Verwaltungsrat hinter dieser Entscheidung steht. Allerdings ist diese Frage eher theoretischer Natur. In den überwiegenden Fällen wird sich der Verwaltungsrat dem Willen der Mehrheitsaktionäre fügen und einen solchen Entscheid mittragen. II. MIT DEM IPO ENTSTEHENDE BÖRSENRECHTLICHE PFLICHTEN Vor, mit und nach dem IPO kommen sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Aktionäre eine Vielzahl neuer Pflichten zu. Auf der Seite der Gesellschaft sind dies insbesondere die Publizitätspflichten. Hierbei ist in erster Linie an die Prospektpflicht und die Folgepublizität zu denken. Überdies hat das Management der künftigen Publikumsgesellschaft neue Verhaltenspflichten im Falle einer allfällig bevorstehenden Übernahme zu beachten. 301 Der Tatbestand der Börsenkotierung führt aber auch bei den Aktionären zu neuen Pflichten. Diese reichen von allfälligen Lock-up-Fristen für Altaktionäre sowie der Verpflichtung zur Offenlegung grösserer Beteiligungen bis zur Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots im Falle, dass ein Aktionär ein die Beherrschung der Gesellschaft ermöglichendes Aktienpaket erwirbt. 302 A. Publizität im Hinblick auf das IPO Die erstmalige Emission von Beteiligungspapieren an ein anonymes Publikum, verbunden mit einer Börsenkotierung, ist ein Vorgang, der publizitätsmässig weit über die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen hinausgeht. Finanzmarktteilnehmer (seien es private oder institutionelle Investoren) benötigen, wenn sie ihre Kauf- und (späteren) Verkaufsentscheide nicht dem Zufall überlassen wollen, ausreichend Informationen. Im Bereich des Kapitalmarktrechts und besonders beim IPO besteht ein grosses Informationsungleichgewicht zwischen der Gesellschaft und den Investoren, aber auch zwischen den Investoren und den Finanzintermediären. Dieses Ungleichgewicht soll durch die Pu300 Art. 716 ff. OR; insb. aufgrund der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben von Art. 716a OR; ebenso Art. 51 Abs. 2 Ziff. 1 KR; vgl. auch Art. 9 Abs. 3 Ziff. 1 KR-BX, wonach der Gesuchsteller im Gesuch eine Erklärung abzugeben hat, dass der Verwaltungsrat mit der Kotierung einverstanden ist. 301 Hierzu bereits vorne Kap. I/D/3.3. 302 Vorne Kap. I/D/2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 64 blizitätspflichten, die das Börsengesetz und speziell die Kotierungsreglemente den Emittenten auferlegen, mindestens partiell gemindert werden. Die Bereitstellung von Informationen ist für eine Gesellschaft stets mit Kosten verbunden. Da Unternehmen für gewöhnlich eine Kostenminimierungsstrategie verfolgen, sind freiwillige Publikationen im Rahmen eines IPOs nicht unbedingt rational. 303 Es ist deshalb den Zielen des Börsengesetzes entsprechend notwendig, den Publikumsgesellschaften eine ausreichende Informationsverpflichtung aufzuerlegen.304 Das IPO verändert damit die Kommunikationskultur eines Unternehmens markant. Verwaltungsrat und Management einer privaten Gesellschaft müssen einem neuen, deutlich erweiterten Kreis von Personen öffentlich Rechenschaft über Strategie, Ziele und Resultate der Unternehmung ablegen, denn institutionelle Investoren, Publikumsaktionäre, Finanzanalysten, Fondsmanager und Wirtschaftsjournalisten wollen detailliert über das Unternehmen informiert werden, und dies nicht nur zum Zeitpunkt des IPOs, sondern kontinuierlich auch danach. In der Weise ist zu unterscheiden zwischen den Informationspflichten im Hinblick auf die Kotierung und der Folgepublizität. Aufgrund der thematischen Einschränkung auf das IPO fokussiert diese Arbeit auf Ersteres. 1. Prospekt Beim IPO stellt der Prospekt das Hauptinstrument der Anlegerinformation dar. Die Anleger sollten sich aus den im Prospekt enthaltenen Informationen ein eigenes Bild über die neue Publikumsgesellschaft und deren Aktien machen können.305 Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Emittenten sowohl durch das Aktien- als auch indirekt durch das Börsenrecht verpflichtet, einen Prospekt zu veröffentlichen. 306 303 Immerhin dient insb. der Prospekt auch als Werbemittel; zu Sinn und Funktion des Prospekts s. WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 48 f. So werden ungenügend informierte Investoren weniger bereit sein, Papiere einer Gesellschaft zu zeichnen, was sich in einem tieferen Emissionspreis ausdrücken wird. Damit ist gemäss Effizienzmarkthypothese eine gewisse Informationsverbreitung ökonomisch rational; vgl. SCHÄFER/OTT (2000) S. 605 f. 304 Die Förderung und Sicherung der Transparenz ist als das wichtigste Instrument zur Erreichung des Anleger- und Funktionsschutzes zu betrachten; vgl. Botschaft BEHG S. 1394, 1400. Gemäss Art. 8 Abs. 2 BEHG haben die Kotierungsreglemente infolgedessen Transparenz über die (neu) gehandelten Effekten zu schaffen. 305 Dem potentiellen Investor soll mit dem Prospekt ein zuverlässiges Instrument für seinen Anlageentscheid in die Hand gegeben werden; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 43 f. m.w.H.; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 342; VON DER CRONE, Emission (1996) S. 83 ff. 306 Art. 652a OR; Art. 8 Abs. 2 BEHG i.V.m. z.B. Art. 32 Abs. 1 KR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 65 Von dieser Informationspflicht profitieren in erster Linie professionelle Marktteilnehmer und besonders die institutionellen Investoren. 307 Den Kleinanlegern fehlt hingegen häufig entweder die Zeit, die gebotenen Informationen auszuwerten oder das hierfür benötigte Know-how. 308 Für die Gesellschaft ist der Prospekt ein wichtiges Marketinginstrument. Deshalb sollte dieser so ausgestaltet sein, dass die angebotenen Papiere für die Anleger möglichst interessant wirken und die Gesellschaft in einem positiven Licht dargestellt wird. 309 Der Prospekt erfüllt aber auch eine Garantiefunktion vergleichbar mit der Zusicherung im Kaufrecht. 310 Darin lässt sich ein Interessenkonflikt der Gesellschaft erkennen. Auf der einen Seite ist eine neue Publikumsgesellschaft versucht, sich und ihre Papiere im Prospekt möglichst positiv darzustellen, auf der anderen Seite müssen – bedenkt man die Haftungsfolgen – auch die damit verbundenen Risiken berücksichtigt werden. Die Pflicht, die künftigen beziehungsweise potentiellen Aktionäre zu informieren und damit den Prospekt zu erstellen, wird grundsätzlich der künftigen Publikumsgesellschaft auferlegt. Ökonomisch betrachtet macht dies durchaus Sinn, da bei ihr die geringsten Kosten für die Beschaffung der relevanten Informationen anfallen. 311 Auch ist es regelmässig die künftige Publikumsgesellschaft, die von den neu zufliessenden Mitteln profitiert. Die Prospekterstellung ist allerdings eine überaus komplexe Aufgabe, die eine künftige Publikumsgesellschaft vielfach nicht ohne Hilfe erfahrener Emissionsbegleiter bewältigen kann. Sie erweist sich damit als eine Koproduktion aller Beteiligten, d.h. der Gesellschaft, der Banken, der Revisionsstelle, der Anwälte usw. 1.1. Aktienrechtlicher (Emissions-)Prospekt Bei einem Primary Offering werden neue Aktien öffentlich zur Zeichnung angeboten, weshalb nach Art. 652a OR ein Emissionsprospekt aufzulegen ist. Nach Abs. 2 des gleichen Artikels ist eine Einladung zur Zeichnung „öffentlich“, wenn sie sich nicht an einen begrenzten Kreis von Personen richtet, was beim IPO definitionsgemäss der Fall ist. 312 307 Der Prospekt wendet sich v.a. an ein Fachpublikum. Er ist demnach ein Dokument von Professionellen für Professionelle; v. PLANTA (1997) S. 30. 308 Vgl. z.B. WATTER, Investorenschutz (1997) S. 280 f. 309 SCHENKER, IPO (2000) S. 34; HODEL (2002) S. 135 f. 310 BGE 120 IV 122, 128; zur (Prospekt-)Haftung hinten Kap. 5.2. 311 Ebenso WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 49; vgl. hierzu MEIER-SCHATZ, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität (1989) S. 166 ff. 312 Vgl. auch Art. 4 BEHV oder Art. 2a lit. a u. 3a Abs. 2 BankV, die von mehr als 20 Kunden sprechen. 2. TEIL BÖRSENRECHT 66 Der schweizerische Gesetzgeber stellt bei öffentlichen Emissionen an einen Aktienemissionsprospekt bestimmte Mindestanforderungen, 313 welche im internationalen Vergleich 314 allerdings mehr als nur bescheiden sind und bezüglich der Klarheit viele Lücken aufweisen. 315 Gemäss Art. 652a OR hat der Prospekt immerhin Aufschluss über den Inhalt der bestehenden Eintragung im Handelsregister, die bisherige Höhe und Zusammensetzung des Aktienkapitals, Bestimmungen der Statuten über eine genehmigte oder eine bedingte Kapitalerhöhung, die Anzahl der Genussscheine und den Inhalt der damit verbundenen Rechte sowie die letzte Jahresrechnung und Konzernrechnung mit dem Revisionsbericht zu geben. Dennoch müssen die im Aktienrecht geforderten Informationspflichten bezüglich Quantität und Qualität der Informationen als ungenügend bezeichnet werden. 316 Ferner beziehen sich diese Vorschriften auf Emissionen von schweizerischen Aktiengesellschaften. Öffentliche Angebote bereits emittierter Papiere (Secondary Offering), anderer Gesellschaftsformen und ausländischer Unternehmen werden von Art. 652a OR primär nicht erfasst und unterstehen damit nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht den aktienrechtlichen Vorschriften. 317 Deshalb war lange Zeit unklar, ob bei einem Festübernahmeverfahren eine aktienrechtliche Prospektpflicht besteht; diese Frage wird von der Lehre heute mehrheitlich bejaht. 318 Sinn und Zweck der Prospektpflicht sprechen im Weiteren auch für die Geltung bei reinen Secondary Offerings. 319 Daher sind auch Grossaktionäre, die ihre Beteiligung an einer Gesellschaft öffentlich an einen nicht begrenzten Kreis von Personen anbieten, verpflichtet, die Bestimmungen von Art. 652a OR einzuhalten. Die Prospektpflicht bei Secondary Offerings ist vor allem bei Internet-Angeboten von Be- 313 Art. 652a OR; vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 93 ff.; OR-ZINDEL/ISLER, (2002) Art. 652a N 4 ff. 314 Vgl. z.B. EU-Emissionsprospektrichtlinie, Standards der IOSCO und insb. die US-amerikanischen Bestimmungen. 315 Ebenso Botschaft BEHG S. 1384; WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 53 f.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 195 f.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 187; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 250 f.; HIRSCH, droit boursier (1995) S. 229 ff.; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 1 N 42; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 93 ff. 316 Allerdings haben die Gerichte und die Lehre diesen Bestimmungen gewisse Konturen verliehen; vgl. neben vielen ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 164 ff.; OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652a N 5. 317 Vgl. WOLFF (1994) S. 172; METTLER (1990) S. 84. 318 Neben vielen WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 51 m.w.H.; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 92, 198 ff.; OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652a N 3b. 319 Ebenso WATTER, Festübernahme (1998) S. 399 f.; bezüglich Haftung s. hinten Kap 5.2.1. 2. TEIL BÖRSENRECHT 67 deutung, wenn die Titel nicht zum Handel an einer Börse zugelassen werden sollen und daher kein Kotierungsprospekt zu erstellen ist. 320 Aufgrund der ungenügenden Regelung des Prospekts bei öffentlichen Emissionen in der Schweiz wäre eine Erhöhung der Transparenz – wie beispielsweise im geänderten Vorschlag zur europäischen Prospektrichtlinie oder in den „International Disclosure Standards for cross-border offerings and initial listings“ der IOSCO vorgeschrieben – überaus wünschenswert und im Hinblick auf die Internationalisierung der Finanzmärkte auch erforderlich. 321 1.2. Börsenrechtlicher (Kotierungs-)Prospekt 1.2.1. Im Allgemeinen Im Sinne des Anleger- und Funktionsschutzes ist es notwendig, dass die Börsen im Rahmen der Selbstregulierung für Publikumsgesellschaften über das Gesellschaftsrecht hinausgehende Anforderungen an einen Prospekt stellen. Die auf dem Börsengesetz beruhenden Kotierungsreglemente haben damit Vorschriften zu enthalten, die einen Emittenten veranlassen, alle relevanten Daten bekannt zu geben, um es den Anlegern zu ermöglichen, Eigenschaften der Effekten und Qualität des Emittenten beurteilen zu können. 322 Daneben auferlegt das Börsengesetz den Effektenhändlern gegenüber ihren Kunden verschiedene Verhaltens- und Informationspflichten. Darunter fällt unter anderem auch die Verpflichtung, bereits die Zeichner von Neuemissionen genügend zu informieren. 323 Demnach sind sowohl der Emittent wie die einführenden Effektenhändler verpflichtet, die aktuellen und potentiellen Investoren mit ausreichenden Informationen zu versorgen. Für eine Börsenkotierung ist gemäss Börsengesetz die Erstellung eines Kotierungsprospekts eine zwingende Voraussetzung, gleich, ob es sich dabei um ein Primary oder um ein Secondary Offering einer in- oder ausländischen Gesellschaft handelt. Findet mit der Kotierung gleichzeitig eine Emission statt, was bei einer überwiegenden Zahl von IPOs der Fall ist, wäre neben dem Kotierungsprospekt zusätzlich ein Emissionsprospekt gemäss Art. 652a OR erforderlich. Die Erstellung zweier unterschiedlicher Prospekte wäre 320 Hierzu 3.Teil/III/B/5.1. 321 Dies auch, da in den Dokumenten für öffentliche Angebote nahezu dieselben Bestimmungen aufgestellt werden wie für die Zulassung zum Handel auf geregelten Märkten; vgl. Art. 1 gV EUProspekt-RL. 322 Art. 8 Abs. 2 BEHG; s. 3.Teil/I. 323 Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG; hierzu hinten Kap. III/D/4.4.3. 2. TEIL BÖRSENRECHT 68 allerdings sehr umständlich und wiese für die Anleger keinerlei Vorteile auf. Es bietet sich deshalb an, sich bei der Prospekterstellung an die börsenrechtlichen Vorschriften zu halten, da der weit ausführlichere Kotierungsprospekt auch die rudimentären Angaben umfasst, die gemäss Aktienrecht im Emissionsprospekt enthalten sein müssen. Auf diese Weise können Emissions- und Kotierungsprospekt in einem einzigen Dokument vereint werden, wobei in solchen Fällen immer beide rechtlichen Grundlagen (Art. 652a OR und das KR) beachtet werden müssen. 324 Bei einem Primary Offering handelt es sich bei diesem Dokument um einen Emissionsprospekt, der zugleich die Erfordernisse eines Kotierungsprospekts erfüllt, weshalb formell auf die Erstellung des Letzteren verzichtet werden kann. 325 1.2.2. Inhalt des Kotierungsprospekts Das Börsengesetz legt in Art. 8 Abs. 2 BEHG fest, dass den Anlegern genügend Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, um es diesen zu ermöglichen, die Eigenschaften der Effekten und die Qualität des Emittenten zu beurteilen. 326 Infolgedessen muss ein Kotierungsprospekt im Mindesten die in Art. 652a OR geforderten Angaben enthalten. Um die Informationspflicht jedoch angemessen zu erfüllen, wird dieser sehr viel detailliertere Informationen und über die Anforderungen von Art. 652a OR hinausgehende Daten beinhalten müssen.327 Darunter fallen insbesondere umfassende Angaben über den Emittenten, dessen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage 328 sowie Entwicklungsaussichten, Informationen über die mit den zu kotierenden Papieren verbundenen Rechte und über Personen, welche für den Inhalt des Kotierungsprospekts die Verantwortung übernehmen. 329 Die Anforderungen an den Inhalt des Kotierungsprospekts festzulegen, ist gemäss BEHG Sache der einzelnen Börsen. Dieser Pflicht sind die Börsen nachgekommen, in324 Vgl. O.V., Einführung KR (1996) S. 3 f.; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 1156 N 13; HIRSCH, droit boursier (1995) S. 229; WIDMER (1996) S. 124 f.; ROHR (1990) S. 187; SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 198; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 403; BERTSCHINGER/LENGAUER/ SCHWARZ (2001) S. 16 f.; HODEL (2002) S. 136 f. 325 Vgl. HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 22; Botschaft BEHG S. 1385; in der Weise Art. 38 Abs. 1 Ziff. 1 KR u. Art. 11 Abs. 2 KR-BX. 326 Hierzu hinten 3.Teil/I. 327 Botschaft BEHG S. 1385; vgl. auch HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 15 f.; V. PLANTA (1997) S. 30. 328 Insb. durch die Publikation von Jahresabschlüssen inkl. deren Prüfung. 329 So beispielsweise Art. 32, 35 KR, Art. 12 KR-BX oder Art. 21 EU-Börsenzulassungs-RL; hierzu 3.Teil /I. 2. TEIL BÖRSENRECHT 69 dem sie den erforderlichen Inhalt des Kotierungsprospekts in ausführlichen Schemata aufgelistet haben. 330 Damit erleichtern sie einerseits den Emittenten, ihre Kotierungsprospekte zu erstellen, andererseits ermöglichen diese Schemata eine einheitliche Handhabung, was letztlich der Vergleichbarkeit der Prospekte und damit den Anlegern zugute kommt. 331 Nachfolgend wird auf einige ausgewählte Bereiche eingegangen, die bei der Erstellung des Prospekts beachtet werden müssen. Für den detaillierten Prospektinhalt ist hingegen auf die einzelnen Kotierungsreglemente zu verweisen. 332 a) Kapital Beim Primary Offering muss der Emissionsprospekt (und damit auch der Kotierungsprospekt) den Generalversammlungsbeschluss über die Ausgabe neuer Aktien wiedergeben. 333 Stammen die angebotenen Papiere (oder ein Teil davon) aus einem Secondary Offering von verkaufenden Altaktionären, so hat der Prospekt ebenfalls alle für die Investoren relevanten Angaben, insbesondere die Anzahl und Nennwert sowie die Namen der verkaufenden Altaktionäre dieser Papiere zu enthalten. Schliesslich hat der Prospekt auch die Investoren bezüglich einer allfälligen Greenshoe-Vereinbarung 334 zu informieren. b) Equity Story und Zukunftsaussichten Für den Investor von grosser Bedeutung sind nicht nur die Unternehmenszahlen der Vergangenheit, sondern besonders die Produkte der Unternehmung, deren Marktstellung, die Marktentwicklung und damit die Zukunft der Gesellschaft. 335 Infolgedessen enthält ein Prospekt die sogenannte „Equity Story“. Darunter wird die möglichst prägnante Darstellung der Zukunftschancen des Unternehmens verstanden, welche Details zum Business-Plan, zu Marktvolumen, zum Management und zur Erfolgsstrategie des Unternehmens beinhaltet. Damit soll die Equity Story vor allem die Erfolgsfaktoren der Unternehmung aufzeigen und den Investoren die Frage beantworten, weshalb sie insbesondere 330 So bspw. Schema A und D im Anh. I zum KR; vgl. auch Muster-Kotierungsprospekt der BX; zur europäischen Regelung vgl. Schema A EU-Börsenzulassungs-RL. 331 Vgl. VON DER CRONE, Emission (1996) S. 92; V. PLANTA (1997) S. 27; WIDMER (1996) S. 128. 332 Hierzu insbesondere die Details des KR hinten 3.Teil/II. 333 Art. 652a Abs. 1 Ziff. 7 OR; hierzu vorne Kap. I/B. 334 Vgl. hinten Kap. I/C/5. 335 Die neuen Mittel aus einem Primary Offering kommen dem Unternehmen (und damit den neuen Aktionären) nur zugute, wenn für deren Verwendung ein sinnvolles Konzept besteht. Mit dem IPO sind deshalb Investitionspläne vorzulegen, die eine spätere Mittelverwendung in überprüfbarer Form darstellen. 2. TEIL BÖRSENRECHT 70 diese Papiere erwerben sollen. Im schweizerischen Aktienrecht finden sich keine Angaben hinsichtlich der Publizitätspflicht von Zukunftsaussichten. Damit liegt es an den Börsen, diesbezügliche Regeln aufzustellen. 336 Aussagen bezüglich der Zukunft der Unternehmung sind allerdings äusserst schwierig zu qualifizieren. 337 Mit der Aufstellung von Umsatz- und Gewinnprognosen sollte deswegen generell sehr vorsichtig umgegangen werden. Werden solche nach dem IPO unerwartet reduziert, kann dies enorme Kurseinbrüche nach sich ziehen. Zudem können falsche Prognosen der aktienrechtlichen Prospekthaftung unterliegen, wenn sie ohne Berücksichtigung konkreter Tatsachen und Wahrscheinlichkeiten erfolgten und damit leichtfertig übertriebene Erwartungen weckten. Somit ist es wichtig, dass Werturteile und Prognosen im Prospekt klar als solche gekennzeichnet werden. 338 Im Rückblick betrachtet erwiesen sich die publizierten Zukunftsaussichten vieler New Economy Unternehmen vielfach als übertrieben. Deren Businesspläne beruhten auf der Annahme von exorbitanten Wachstumsraten insbesondere für die Technologiemärkte. Heute sind weniger die Phantasie eines Titels gefragt, sondern vermehrt wieder reelle Gewinnzahlen, ein starkes Management und klare realistische Unternehmensstrategien, weshalb ein Prospekt sich vor allem auf die objektive Darstellung solcher Punkte beschränken soll. c) Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben Die im Prospekt enthaltenen Angaben müssen, soweit sie für die Beurteilung wesentlich sind, richtig und vollständig sein. 339 Ein Prospekt ist nicht nur dann unrichtig, wenn er falsche Zahlen und Angaben enthält, sondern auch dann, wenn er Erwartungen weckt, die einer sachlichen Grundlage entbehren, den tatsächlichen Verhältnissen und fairer Einschätzung nicht entsprechen und kaufmännisch nicht vertretbar sind. 340 Der Kotierungsprospekt darf ebenso keine aufdringlichen Anpreisungen und Darstellungen enthal- 336 Art. 8 Abs. 3 BEHG; vgl. Art. 32 KR u. Schema A KR Rz 1.4; ebenso Art. 21 Abs. 1 EUBörsenzulassungs-RL; Art. 5 Abs. gV EU-Prospekt-RL. 337 Bspw. „Weltmarktführer in der Erzeugung und Nutzung von Wissen“, Aussage Think Tools; vgl. auch JURIUS (2003) Rz 5 ff. 338 Vgl. OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 19; DERS., Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 58; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 252; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL § 37 N 85; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 166; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 252. 339 RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 44; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) Rz 1966i; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 84; WEBER, Prospekthaftpflicht (1993) S. 55. 340 CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 342. 2. TEIL BÖRSENRECHT 71 ten. 341 Dieses rechtliche Gebot ist beim IPO noch stärker zu gewichten als bei alteingesessenen Aktien(-gesellschaften), deren Position am Kapitalmarkt bereits bekannt ist. Um das Haftungsrisiko zu minimieren, ist schliesslich bereits im Prospekt auf besondere Risiken ausdrücklich hinzuweisen. 342 Liegt der Bilanzstichtag mehr als sechs beziehungsweise neun Monate zurück, so verlangt das Aktienrecht bei einem Primary Offering die Publikation eines Zwischenabschlusses. 343 Trotzdem kann von einer aktuellen und umfassenden Erstinformation über die Emission noch nicht gesprochen werden, da beispielsweise wesentliche Änderungen seit Abschluss des letzten Geschäftsjahres 344 gemäss Aktienrecht nicht publiziert werden müssen. 345 Die Problematik der Aktualisierungspflicht stellt sich vor allem bezüglich Ereignissen, die sich im Zeitraum zwischen dem für die Erstellung der Prospektangaben massgebenden Stichtag und dem Zeitpunkt der Kotierung abspielen. 346 Die Kotierungsreglemente haben deswegen Bestimmungen zu enthalten, die den Emittenten bis zum Ende der Zeichnungsfrist verpflichten, auf wesentliche Veränderungen hinzuweisen. 347 Eine solche Aktualisierungspflicht entspricht in etwa der nach der Kotierung zu beachtenden Adhoc-Publizität. 348 Allfällige Aktualisierungen haben mittels einer Neufassung des Pros- 341 Vgl. Art. 37 Abs. 3 KR. 342 Vgl. Art. 32 Abs. 2 KR; Art. 11 Abs. 1 KR-BX; hierzu BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 84 f. 343 Art. 652a Abs. 1 Ziff. 5 OR. Die Toleranzfrist gegenüber dem Bilanzstichtag beträgt nach gefestigter Ansicht entgegen dem Wortlaut von Art. 652a Abs. 1 Ziff. 5 OR neuen Monate; vgl. BÖCKLI/DRUEY/FORSTMOSER/HIRSCH/ NOBEL (1993) S. 282 ff; OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) N 4. 344 Bzw. seit dem Stichtag des Zwischenabschlusses. 345 ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 251; anders aber WATTER (OR (1994) Art. 752 N 20), der sich für eine (aktienrechtliche) Aktualisierungspflicht bis zum Ende der Zeichnungsfrist ausspricht; ebenso ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 167 f. 346 Hierzu STEPHAN (2002) S. 3 ff. 347 ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 251 f.; V. PLANTA (1997) S. 32; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 45; STEPHAN (2002) S. 5; in der Weise bspw. Art. 34 Abs. 2 (welcher bei wesentlichen Änderungen der Angaben zwischen der Prospektveröffentlichung und der Einreichung des Kotierungsgesuchs die Veröffentlichung derselben verlangt) und Art. 51 Abs. 3 Ziff. 3 KR; vgl. auch Schema A KR Rz 2.3.; Art. 12 Abs. 3 Ziff. 24 KR-BX. 348 Diese ist vor der Kotierung unter anderem deshalb nicht anwendbar, da das Kriterium der erheblichen Änderung des Kurses noch nicht greifbar ist; vgl. hinten Kap. 6.2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 72 pekts oder durch separate Prospektnachträge zu erfolgen. 349 Auf diese ist sodann mittels Kotierungsinserat explizit hinzuweisen. 350 2. Due Diligence Die Due Diligence 351 wird im Vorfeld von Unternehmensakquisitionen oder IPOs durchgeführt, um ein Unternehmen detailliert zu durchleuchten und Chancen und Risiken in Form einer Stärken/Schwächen-Analyse herauszuarbeiten. 352 Sie dient der umfassenden Analyse und transparenten Darstellung aller relevanten Unternehmensdaten. 353 Im Unterschied zur Jahresabschlussprüfung, welche stichtagbezogene und vergangenheitsorientierte Daten erhebt, bezweckt die Due Diligence in erster Linie die Erfassung künftiger Fakten. Dadurch können Tatsachen belegt und Werturteile und Prognosen erhärtet werden. Da die Zulassungsstelle keine materielle Prüfung des Kotierungsgesuches vornimmt, liegt es vorwiegend bei den börseneinführenden Banken, zusammen mit der künftigen Publikumsgesellschaft und deren Revisionsstelle, für eine Prüfung der publizierten Unternehmensdaten zu sorgen. 354 Gründe hierfür sind, dass die Emissionshäuser aufgrund der Haftungsgefahr ein Interesse haben, ihre Anleger ausreichend und wahrheitsgemäss zu informieren sowie korrekte Daten für eine exakte Unternehmensbewertung benötigen. Die so erhaltenen Daten finden danach Eingang in den Emissions- und Kotierungsprospekt der Gesellschaft. Nur wenn wahrheitsgetreue Unternehmensdaten vorhanden sind, können die Statements im Kotierungsprospekt richtig erstellt werden. Eine gründliche Due Diligence ist deshalb für einen späteren Ausschluss allfälliger Gewährleistungsansprüche von herausragender Wichtigkeit. 355 Die Prüfung umfasst insbesondere folgende Felder: 349 ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 167; ebenso Art. 16 gV EU-Prospekt-RL. 350 Vgl. Art. 45 Abs. 1 Ziff. 3 u. Art. 48 Abs. 1 Ziff. 5 KR. 351 Due Diligence bedeutet in etwa die erforderliche, angemessene oder gebührende Sorgfalt. 352 EHLERS/JURCHER (1999) S. 6 f.; ARKEBAUER/SCHULTZ (1998) S. 157 ff. 353 Die Analyse bezieht sich insbesondere auf das Management, die Produkte und die Märkte; neben vielen HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1137; HAARBECK (2001) S. 87 ff.; SCHANZ (2000) § 8 Rz 1 ff. 354 Hierzu hinten Kap. 5. 355 Zu dieser Problematik s. neben vielen MAROLDA/VON DER CRONE (2003) S. 163 f.; SCHANZ (2000) § 8 Rz 4 ff.; BUSS/WITTE (1999) S. 350 ff.; KOCH/WEGMANN (2002) S. 59 ff.; KRANEBITTER (2002) S. 49 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 73 Die umfassende Darstellung der künftigen Publikumsgesellschaft im Bereich der unternehmerischen Tätigkeit ist Bestandteil der Business Due Diligence. Bilanzielle Risiken ergeben sich aus der Überbewertung von Aktiven, der unvollständigen Auflistung von Verbindlichkeiten sowie einem irreführenden Erfolgsausweis. 356 Solche Fehler zu entdecken ist die Aufgabe der Accounting Due Diligence. Die Operational Due Diligence überprüft die Aussagen zur Geschäftstätigkeit der Unternehmung sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B. Märkte), in denen sie tätig ist. Bei der Legal Due Diligence geht es vorwiegend darum, eine Bestandesaufnahme der rechtlichen Beziehungen der Gesellschaft im Innen- und Aussenverhältnis vorzunehmen. 357 Als rechtliche Risiken können Garantiefälle, Vertragsverletzungen sowie hängige Prozesse aufgeführt werden. Nicht nur aus steuerrechtlicher Sicht, sondern auch im Hinblick auf eine faire Behandlung der Investoren ist es wichtig, dass alle „Related party transactions“ wie unter Dritten („at arms-length“) abgewickelt werden. Speziell bei jungen Unternehmen ist die Verflechtung von Beziehungen mit geschäftsführenden Aktionären und Verwaltungsräten gross. Als Beispiele können die Bezüge der Verwaltungsräte, Bonus- und Vorsorgepläne, Darlehen mit Vorzugszinsen, privat gehaltene Tochtergesellschaften, Lizenz- und Garantievereinbarungen, Transaktionen mit Personalvorsorgestiftungen und Ähnliches aufgeführt werden. 358 Hinsichtlich der grossen Bedeutung der Unternehmensleitung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist schliesslich eine Beurteilung des Managements erforderlich. Hierzu dient die Management Due Diligence. 359 In der Tax Due Diligence werden die steuerlichen Risiken bewertet. Solche können beispielsweise entstehen, wenn noch nicht endgültig veranlagte Geschäftsjahre, geldwerte Leistungen an Aktionäre oder Reorganisationen mit steuerlichen Folgen vorliegen. 360 Ist ein Unternehmen Grundeigentümerin, so müssen allfällige Risiken aus Altlasten abgeklärt werden, da diese zu grossen finanziellen Belastungen führen können. Ebenso muss geprüft werden, ob und wie weit die laufende Unternehmenstätigkeit zu Umweltrisiken führen kann. 361 Diese Abklärungen erfolgen in der Environmental Due Diligence. 356 HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1137. 357 Hierzu SCHMID/HEIZ (2002) S. 73 ff. 358 BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 85. 359 SCHANZ (2000) § 8 Rz 22; auch Human Resources Due Diligence; vgl. KRANEBITTER (2002) S. 127 ff. 360 Vgl. HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1137; BRAUCHLI ROHRER/FISCHER (2000) S.713 f. 361 Immissionen aus Produktionsprozessen, Probleme mit der Abfallentsorgung, Altlasten etc. 2. TEIL BÖRSENRECHT 74 Die Due Diligence muss sich aus Praktikabilitätsgründen auf die wesentlichen Punkte beschränken. 362 Sie kann nicht alle Risiken und Verträge untersuchen, sondern muss sich auf die für die Bewertung der Gesellschaft relevanten Bereiche konzentrieren. Daher muss der Umfang der Due Diligence-Prüfung von der Grösse der Gesellschaft abhängig gemacht werden. 363 Trotz einer solchen Einschränkung bleibt die Erstellung der entsprechend umfassenden Dokumentation eine überaus zeit- und damit kostenintensive Aufgabe. Dennoch darf, aufgrund der oben genannten Gründe und insbesondere der Haftungsgefahr, auf sie nicht verzichtet werden. 3. Rechnungslegung 3.1. Im Allgemeinen Eine transparente und aussagekräftige Rechnungslegung ist eine Grundvoraussetzung für eine exakte Bewertung durch den Markt. 364 Die handels- und aktienrechtlichen Standards, die heutzutage für privat gehaltene Gesellschaften bereits als minimal angesehen werden, genügen für Publikumsgesellschaften noch weniger. 365 Um eine möglichst grosse Vergleichbarkeit zwischen den Publikumsgesellschaften zu erzielen, fordern die einzelnen Börsen bestimmte einheitliche und strengere Standards bezüglich der Rechnungslegung und schreiben in ihren Reglementen den kotierten Gesellschaften die Einhaltung spezieller Rechnungslegungsvorschriften vor. 3.2. Rechnungslegungstandards Die Globalisierung der Kapitalmärkte hat den Druck zur Angleichung der Rechnungslegungsnormen stark erhöht. Insbesondere mit Blick auf eine (internationale) Vergleichbarkeit der Unternehmensdaten ist eine Standardisierung notwendig. 366 Bei den Standards der Rechnungslegung handelt es sich damit um die bedeutendsten Normen, denen 362 Sog. „Materialitätsgrenze“. 363 Vgl. SCHENKER, IPO (2000) S. 50. 364 Vgl. VON DER CRONE, Aktienrecht (1998) S. 159; HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 16 f. 365 Art. 662a ff. OR; zu den handelsrechtlichen Bestimmungen vgl. neben vielen VON DER CRONE, Aktienrecht (1998) S. 165; GUHL/DRUEY (2000) § 83 N 1 ff. 366 Vgl. auch OECD Principles of Corporate Governance (1999) Kap. IV B, die ebenfalls international anerkannte Normen empfehlen, um damit die Vergleichbarkeit der Informationen zwischen den einzelnen Ländern zu erleichtern. 2. TEIL BÖRSENRECHT 75 die Börsen bei der Festlegung der Kotierungserfordernisse gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG Rechnung zu tragen haben. 367 Die Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) stellen die Rechnungslegungsnormen der USA dar, die für alle in den USA kotierten Gesellschaften obligatorisch sind. 368 Deshalb sind bis anhin auch ausländische Gesellschaften, die ihre Papiere in den USA zulassen wollen, unabhängig nach welchem anderen Standard sie ihre Bücher führen, zu einer fast vollständigen Überleitung auf die US-GAAP verpflichtet. Ein Grund hierfür ist, dass die SEC dazu neigt, die übrigen Standards als solche tieferer Qualität einzustufen. 369 Die International Accounting Standards (IAS) sind das Gegenstück zu den US-GAAP. Sie übernehmen vielfach angelsächsische Grundsätze, sind aber dank Wahlmöglichkeiten flexibler und weniger detailliert als die US-GAAP. 370 Die IAS werden vom International Accounting Standard Board (IASC), dem bis heute über 70 Länder beigetreten sind, herausgegeben. Ziel des IASC ist es, ein internationales Regelwerk für die Rechnungslegung zu schaffen, das von möglichst allen Kapitalmärkten anerkannt wird. Mit Ausnahme der USA akzeptieren denn auch die meisten Finanzmärkte die IAS. 371 In Zukunft sollen die IASC-Normen unter der neuen Bezeichnung International Financial Reporting Standards (IFRS) lanciert werden, während die bisherigen Standards unter IAS weiterlaufen. Um die Vergleichbarkeit der von börsenkotierten Gesellschaften erstellten (Jahres-)Abschlüsse zu erhöhen, verpflichtet die EU mittels Verordnung alle europäischen Publikumsgesellschaften, die ihre Papiere auf einem geregelten Markt im Gebiet der EU kotiert haben, ihre konsolidierten Abschlüsse für die Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen, nach den IAS/IFRS zu erstellen.372 Damit kam die EU davon ab, selbst ein eigenständiges Regelwerk auszuarbeiten.373 Die Kommission behält sich 367 Vgl. auch RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 46 f.; hierzu 3.Teil/I. 368 ALVAREZ/WOTSCHOFSKY (2000) S. 23 ff.; HELBLING (2001) S. 766 ff. 369 Da US-GAAP die Möglichkeiten der „Bilanzkosmetik“ sehr stark einschränken, galten sie als ausgesprochen anlegerfreundlich; vgl. BEHR, Rechnungslegungsstandards (2001) S. 112. Vor dem Hintergrund der Bilanzskandale in den USA (Enron, WorldCom etc.) ist hier allerdings ein Vorbehalt anzubringen. 370 SIEPMANN, IAS-Abschluss (2000) S. 1343; RAMIN, (1998) S. 189 ff. 371 HELBLING (2001) S. 764 ff. 372 Vgl. EU-Rechnungslegungs-VO. 373 Insb. Jahresabschluss-RL (78/660/EWG) und Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG). 2. TEIL BÖRSENRECHT 76 lediglich vor, bestimmte Rechnungslegungsgrundsätze und Auslegungen (insb. deren Neuerungen und Änderungen) gemäss einem bestimmten Mechanismus anzuerkennen. 374 Damit versucht die EU ein Gegengewicht zu den US-GAAP zu schaffen und verdeutlicht den starken europäischen Einfluss auf diese Standards. Das schweizerische Pendant zu den US-GAAP und den IAS sind die Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (FER). Für eine Kotierung an der SWX und an der Berne eXchange stellen diese Regeln momentan die Mindeststandards dar. 375 Die FER orientieren sich stark am schweizerischen Obligationenrecht376 und lassen grosse Freiheiten bei der Bilanzierung (z.B. hinsichtlich Gewinnausweis, Reservenbildung und Rückstellungen) zu, womit die FER ganz klar hinter den US-GAAP und den IAS zurückbleiben.377 Die FER-Regeln finden nur in der Schweiz Beachtung, weshalb es sich bei ihnen nicht um einen internationalen Standard handelt. 378 Heute ermöglicht die Schweizer Börse in den meisten Segmenten 379 , gemäss FER oder aber nach international anerkannten Standards Rechnung zu legen.380 Restriktiver sind die Rechnungslegungsvorschriften für eine Kotierung am SWX New Market.381 Für die Kotierung an diesem Segment setzt die SWX bereits heute die Einhaltung der Vorschriften von IAS oder US-GAAP voraus. Ab dem Jahr 2005 wird die SWX ebenfalls im Hauptsegment nur noch die IFRS oder US-GAAP zulassen. 382 374 Sog. „Regelungsausschuss auf dem Gebiet der Rechnungslegung“; vgl. Art. 6 EU-Rechnungslegungs-VO. 375 Art. 67 KR; Art. 5.3 u. 17.2 KR-BX. In der Revision des KR von 1999 wurde von der einzelfallbezogenen, selektiven Aufnahme der FER-Regeln Abstand genommen. An ihrer Stelle wurde nun auf die Rechnungslegungsnormen der FER in globo verwiesen. Der Anhang II zum KR fiel deshalb weg; vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 6/99 vom 6. August 1999. 376 Insb. an den Vorschriften des allgemeinen Buchführungsrechts (Art. 957-965 OR) und des Aktienrechts (Art. 662-679 OR); hierzu BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 13; vgl. auch Art. 742 VE-RRG. 377 Weiter dazu HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1137 f.; BUDDE/STEUBER (1999) S. 503 ff.; BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 81; vgl. auch http://www.fer.ch/ 378 International ist allerdings das in ihnen verankerte Prinzip der „True and Fair View“. 379 Hauptsegment, am Segment der InvG, der ImmoG und der LC. 380 Die SWX verzichtet damit auf die strikte Durchsetzung der heimischen Rechnungslegungsstandards und anerkennt auch weitere, insbesondere die vorne erwähnten, internationalen Regelwerke. 381 Zur Zukunft des SWX New Markets s. 3.Teil/II/B. 382 Ab diesem Zeitpunkt wird FER nur noch für die Segmente SWX Local Caps, Immobiliengesellschaften, und Investmentgesellschaften zugelassen. Vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 2/2003; hierzu 3.Teil/II/A/2.2.2/a. 2. TEIL BÖRSENRECHT 3.3. 77 Fazit Die Festlegung strenger Standards der Rechnungslegung für börsenkotierte Gesellschaften ist im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der einzelnen Gesellschaften unbedingt erforderlich. In Anbetracht des Trends zur Globalisierung der Finanzmärkte stellt sich die Frage, ob es für die Schweiz heute noch sinnvoll ist, ein eigenständiges Rechnungslegungsregelwerk aufrechtzuerhalten.383 In der Weise ist die SWX dem Weg der EU gefolgt und hat ab 2005 für das Hauptsegment allgemein die international anerkannten Rechnungslegungsstandards als massgebend bezeichnet. Dabei wird den Emittenten die Wahlfreiheit eingeräumt, sich je nach geschäftlichem Schwerpunkt entweder für die IAS/IFRS oder die US-GAAP zu entscheiden. Die Anhänger der FER sehen sich somit mit der Wahl konfrontiert, entweder den Rechnungslegungsstandard oder ins Segment der Local Caps zu wechseln. Eine Umstellung der Rechnungslegung ist für eine Gesellschaft mit einem enormen Aufwand verbunden. 384 Zudem ist zu beachten, dass, um die Unternehmensentwicklung darzustellen, beim IPO in der Regel nicht nur die Rechnungslegung des laufenden Geschäftsjahres umzustellen ist, sondern der Kotierungsprospekt regelmässig auch ein Restatement der letzten Jahre enthalten muss. 385 Deshalb ist es Gesellschaften zu empfehlen, wenn sie ein IPO planen, ihre Rechnungslegung auf einen geforderten Standard umzustellen, noch bevor die eigentlichen Vorbereitungsarbeiten beginnen. An dieser Stelle ist schliesslich zu erwähnen, dass sich ein detailliertes Rechnungswesen für die Unternehmung nicht nur als nachteilig erweist. So erlangt das Management durch die detailliertere Budgetierung und Finanzberichterstattung ebenfalls eine verbesserte Entscheidungsgrundlage, was für eine klare Ausrichtung des Unternehmens und für dessen Zukunftsplanung Vorteile bringen kann. 4. Kotierungsinserat Das Kotierungsinserat hat den Zweck, die Investoren auf das IPO und die beantragte Kotierung der Titel an der Börse aufmerksam zu machen. Die Börsen verpflichten die künf- 383 Vgl. NZZ Nr. 195 vom 24./25. August 2002 S. 29. 384 Denn zwischen den Minimalbestimmungen des OR und den FER (geschweige denn den IAS und den US-GAAP) bestehen enorme Unterschiede; vgl. SIEPMANN, IAS-Abschluss (2000) S. 1343 ff. 385 Vgl. HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1139; SCHENKER, IPO (2000) S. 11; BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 81, 83. Im Hauptsegment sind dies bspw. drei Jahre (vgl. 3.Teil/II/A/2.2.2.); ebenso gemäss Art. 44 EU-Börsenzulassungs-RL. 2. TEIL BÖRSENRECHT 78 tige Publikumsgesellschaft zur Publikation solcher Inserate. 386 Diese haben beim IPO lediglich summarische Angaben über die künftige Publikumsgesellschaft und die zu kotierenden Beteiligungspapiere zu enthalten und müssen insbesondere darauf hinweisen, wo der ausführliche Kotierungsprospekt zu beziehen ist. Im Weiteren ist, namentlich aus haftungsrechtlichen Gründen, der Hinweis anzufügen, dass es sich nicht um einen Emissionsprospekt handelt und dass allein der Kotierungsprospekt für die Kotierung massgebend ist. 387 5. Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dokumente Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Dokumente bieten in erster Linie die in das IPO involvierten Personen. Diese haben aufgrund der Prospekthaftung, der strafrechtlichen Sanktionierung und infolge wirtschaftlicher Gesichtspunkte ein grosses Interesse, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten. Anschliessend ist in diesem Kapitel auch aufzuzeigen, inwieweit in der Schweiz bei IPOs eine behördliche Prospektkontrolle existiert und welche Rolle die Revisionsgesellschaften einnehmen. 5.1. Emissionshaus und andere involvierte Personen Für die Richtigkeit der Dokumente haben alle in das IPO involvierten Personen einzustehen. Hierbei handelt es sich einerseits um die künftigen Publikumsgesellschaft selbst und deren Organe. Aber auch die Emissionsbegleiter, besonders die Banken, 388 haben die Pflicht, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu sorgen. Diese werden aus Gründen der Minimierung allfälliger Prospekthaftungsfolgen bemüht sein, dass alle erforderlichen Dokumente wahrheitsgemäss und unmissverständlich erstellt werden.389 Alsdann haben Emissionsbanken bezüglich der von ihnen betreuten IPOs einen guten Ruf zu wahren beziehungsweise einen solchen aufzubauen.390 Die Reputation ist für die Betreuung künftiger IPOs von enormer Wichtigkeit, sowohl für die Gewinnung neuer Kunden als auch für die Betreuung weiterer börsenwilliger Gesellschaften. 386 Vgl. Art. 45 KR; Art. 13 Abs. 1 KR-BX. Das Aktienrecht kennt hingegen keine solche Pflicht. 387 Vgl. Art. 48 Abs. 1 Ziff. 9 u. 10 KR; Art. 13 Abs. 2 Ziff. 15 KR-BX; V. PLANTA (1997) S. 32; HODEL (2002) S. 147 f. 388 Insb. Leadbank. 389 Art. 752; vgl. auch Art. 35 Abs. 1 Ziff. 4 KR; Art. 21 Abs. 2 EU-Börsenzulassungs-RL. 390 Für die Anleger stellt der Name der Bank, die eine Gesellschaft bei ihrem IPO betreut, eine Art „Gütesiegel“ dar; vgl. ROHR (1990) S. 126; KUNZ J. (1991) S. 123. 2. TEIL BÖRSENRECHT 79 Im Weiteren müssen Effektenhändler gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG ihre Kunden auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hinweisen. 391 Die über lange Zeit erreichten Zeichnungsgewinne liessen viele Anleger das beträchtliche Risiko, das IPOs in sich bergen, 392 vergessen. Umso mehr sind Effektenhändler verpflichtet, die Investoren auf die Gefahren eines IPOs hinzuweisen. Die Emissionshäuser müssen deshalb besonders darauf bedacht sein, dass alle Informationsquellen und insbesondere der Prospekt klar und verständlich aufgebaut sind sowie ausreichend und wahrheitsgemäss Auskunft über die unternehmensspezifischen Gefahren und Risiken geben. Folglich sind namentlich die Emissionsbanken bestrebt, ihren Kunden die erforderlichen Dokumente zur Verfügung zu stellen und eine gründliche Due Diligence-Prüfung zu veranlassen. 393 Als Folge ihrer Stellung zwischen Anleger und Gesellschaft ist jedoch zu beachten, dass sich die Emissionsbanken bei einem IPO in einem Interessenkonflikt befinden, 394 welcher zweifellos noch grösser ist, wenn die Banken schon vor dem IPO massgeblich an der neuen Publikumsgesellschaft beteiligt waren. 395 Insofern müssen auch Informationen der betreuenden Investmentbanken kritisch betrachtet werden. 5.2. Prospekthaftung 5.2.1. Anwendungsbereich Wie aufgezeigt, ist der Prospekt das weitaus bedeutendste Instrument zur Information der Anleger über das IPO. Die Verletzung der aktienrechtlichen Informationspflicht wird durch die Prospekthaftung gemäss Art. 752 OR sanktioniert. 396 Den Kreis der verant391 Hierzu Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 58 ff.; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 11 N 19 ff.; BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 55 ff.; WATTER, Effektenhändler (1996) S. 87 ff.; HIRSCH, droit boursier (1995) S. 230 f. 392 Die Gefahren des Kapitalmarkts (Informationsrisiko, Substanzerhaltungsrisiko und Interessenvertretungsrisiko) sind bei einem IPO besonders hoch. 393 ZOBL/ARPAGAUS, Prospekt-Prüfungspflicht (1994) S. 195 ff.; BUSS/WITTE (1999) S. 356. 394 Vgl. Kap. III/C/1. 395 Zu denken ist beispielsweise an das IPO einer eigenen Beteiligungsgesellschaft. Es ist in solchen Fällen fraglich, ob die Analysten der Muttergesellschaft die Tochtergesellschaften objektiv beurteilen und insbesondere bewerten können; vgl. hierzu hinten Kap. III/E/2.3. 396 Hierzu ROHR (1990) S. 209 ff.; WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 48 ff.; VON DER CRONE, Emission (1996) S. 94 ff.; vgl. auch Art. 6 gV EU-Prospekt-RL; eine ökonomische Analyse findet sich bei ALBANI (1999) S. 101 ff.; zum deutschen Recht GROSS (1999) S. 199 ff.; KORT (1999) S. 9 ff. Auf alternative Rechtsbehelfe wie kaufrechtliche Sachmängelhaftung, Auftragsrecht, unerlaubte Handlung oder culpa in contrahendo wird nicht weiter eingegangen; hierzu WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 56. 80 2. TEIL BÖRSENRECHT wortlichen Personen fasst das Aktienrecht sehr weit. Alle Personen, die an der Erstellung eines falschen Prospekts mitgewirkt oder diesen verbreitet haben, haften bereits für Fahrlässigkeit. Darunter fallen nicht nur der Verwaltungsrat der jungen Publikumsgesellschaft, sondern auch die extern Mitwirkenden, wie namentlich Banken, Revisionsstellen, Anwälte und Dritte, welche einschlägige Informationen generieren oder weiterleiten. 397 Je nachdem, wie stark die verkaufenden Altaktionäre beim IPO und insbesondere bei der Prospekterstellung mitgewirkt haben, können schliesslich auch sie einer Haftung unterliegen. Kann mehreren Beteiligten eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden, haften diese nach Art. 759 OR solidarisch für den Schaden. 398 Hierbei kennt das Aktienrecht eine differenzierte Solidarität. Danach ist im Aussenverhältnis jede einzelne von mehreren Personen nur insoweit haftbar, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens persönlich zurechenbar ist, wobei der Grad des Verschuldens bei der Solidarität berücksichtigt wird. 399 Die Prospekthaftung sanktioniert unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben bei Emissionsprospekten. Enthält ein Prospekt zusätzliche, d.h. aktienrechtlich nicht vorgeschriebene Angaben, unterstehen diese ebenfalls der aktienrechtlichen Prospekthaftung. 400 Damit unterliegt beim Primary Offering der gesamte Kotierungsprospekt mit seinen sehr viel detaillierteren Angaben der Haftung von Art. 752 OR. 401 Von der Prospekthaftung erfasst sind aber nicht nur der eigentliche Emissions- bzw. Kotierungsprospekt, sondern auch ähnliche Mitteilungen, d.h. Angaben in sämtlichen Informations- und Werbemitteln, die im Rahmen des IPOs eine Rolle spielen. Enthalten beispielsweise Kotierungsinserate, Kurzprospekte, Informationsbroschü397 BERTSCHINGER, Verantwortlichkeit (1999) S. 239 f.; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 173 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 73 ff.; MAROLDA/VON DER CRONE (2003) S. 159, 163 f.; GUHL/DRUEY (2000) § 72 N 14; MAURENBRECHER (1998) S. 1343 f.; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 404. 398 ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 176; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 36. 399 Vgl. OR-WIDMER/BANZ, Bd. II (2002) N 3 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 2022 ff. 400 BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 17; BEHG-DAENIKER (1999) Art. 4 N 17; HODEL (2002) S. 138 f. 401 Vgl. KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 37; BÄRTSCHI (2001) S. 81 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 79; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 14; O.V., Einführung KR (1996) S. 4. Vgl. auch NOBEL, Finanzmarktrecht § 10 N 133, nach welchem eine Haftung für den Kotierungsprospekt lediglich in analoger Weise zur Emissionsprospekthaftung (d.h. nicht gestützt auf Art. 752 OR, sondern nach Art. 41 OR bzw. culpa in contrahendo) erfolgen kann. Daneben kann auch die Gründungshaftung gemäss Art. 753 OR zur Anwendung kommen, denn diese schützt den Aktionär auch bei Kapitalerhöhungen; GUHL/DRUEY (2000) § 72 N 23; ORWATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 38. 2. TEIL BÖRSENRECHT 81 ren, Werbespots, Websites oder massenweise versandte E-Mails zusätzliche oder dem Prospekt widersprechende Angaben, so können auch diese der Prospekthaftung unterliegen. 402 Der aktienrechtlichen Prospekthaftung unterliegt in erster Linie ein Primary Offering einer schweizerischen Gesellschaft. Von der Prospekthaftung primär nicht erfasst sind Emissionen ausländischer Gesellschaften oder ein reines Secondary Offering. Bezüglich ausländischer Gesellschaften statuiert Art. 156 IPRG allerdings eine Alternativanknüpfung, entweder nach dem Gesellschaftsstatut oder nach dem Recht des Emissionsortes. Dadurch kann die Prospekthaftung auch am Ausgabeort geltend gemacht werden. 403 Alsdann ist der Begriff der Ausgabe weit aufzufassen und nicht nur auf Emissionen im eigentlichen Sinne zu beziehen.404 Damit unterliegt auch der Prospekt bei einem Secondary Offering, bei dem es sich gerade nicht um eine Emission neuer Papiere handelt, der Prospekthaftung von Art. 752 OR. 405 Dieser Ansatz ist allerdings in der Lehre umstritten. 406 Dennoch ist er gutzuheissen, da die junge Gesellschaft, auch wenn ihr direkt keine Mittel zufliessen, indirekt ebenfalls vom IPO profitiert.407 Zudem ist es nicht sinnvoll, unterschiedliche Haftungsregeln einzuführen, je nachdem, ob es sich um ein Secondary oder um ein Primary Offering handelt. Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich bei beiden Vorgängen um ein Angebot von Aktien an das breite Publikum. 408 Ob die Papiere neu geschaffen werden oder ob sie von ehemaligen Aktionären stammen, darf damit bezüglich der Haftungsfolgen keinen Unterschied machen. So bejaht denn auch die Lehre 402 Art. 752 OR.; vgl. ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 162; HODEL (2002) S. 148; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 79; GUHL/DRUEY (2000) § 72 N 17. 403 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 5 N 23; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 40; IPRG-WATTER (1996) Art. 156 N 7 ff., 20; DERS., Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 55; WEBER, ECommerce (2001) S. 606; MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 52; hinsichtlich dem Gerichtsstand vgl. Art. 151 Abs. 3 IPRG; RL betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften Rz 8. 404 BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1966f. 405 Ebenso WATTER, Festübernahme (1998) S. 400; vgl. auch BEHG-DAENIKER (1999) Art. 4 N 17; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 63 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 92 insb. FN 34a. 406 Die Prospekthaftung bei einem Secondary Offering verneinend ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 165; vgl. auch OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5. 407 Erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten, Publizität; Mitarbeiterbeteiligung etc. 408 Vgl. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1966f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 82 die Prospekthaftung bei Festübernahmen, bei welchen es sich formell ebenfalls um ein Secondary Offering handelt. 409 5.2.2. Haftungsvoraussetzungen Klageberechtigt sind neben den Zeichnern auch spätere Erwerber der Papiere, sofern diese glaubhaft machen können, dass sie die Titel aufgrund der unkorrekten Informationen im Prospekt erworben haben.410 Passivlegitimiert sind – wie vorne bereits erwähnt – sämtliche Personen, die an der Erstellung des falschen Prospekts mitgewirkt oder diesen verbreitet haben. Diese haben nicht die Möglichkeit, sich ihrer Haftpflicht zu entledigen. 411 Eine Haftung setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Schadens voraus. Als Schaden gilt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Vermögensstand des Geschädigten und dem hypothetischen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis, und zwar in Form eines erlittenen Verlustes oder eines entgangenen Gewinns. 412 Zur Verantwortung gezogen wird allerdings nur, wer sich pflichtwidrig verhält, das heisst durch das Gesetz oder die Statuten auferlegte Pflichten missachtet. In Frage kommen hierbei neben der Nichtbeachtung der Erstellungspflicht bzw. des gesetzlichen Mindestinhalts unter anderem auch die Verletzung der Wahrheitspflicht, die Verletzung der Transparenzpflicht oder die Nichtbeachtung der Aktualisierungspflicht. 413 Auch falsche Prognosen können zu einer Haftung führen, wenn diese ohne Berücksichtigung der konkreten Tatsachen und Wahrscheinlichkeiten erfolgten. Das kann dann der Fall sein, wenn, beispielsweise durch eine zu optimistische Equitiy Story, leichtfertig übertriebene Erwartungen geweckt wurden. 414 Gemäss Art. 752 OR haften die Beteiligten bereits für Fahrlässigkeit. Hierbei ist der Verschuldensmassstab objektiviert und richtet sich nach denjenigen Fähigkeiten, 409 Vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 249 f.; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 165. 410 WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 57; HOPT (1991) Rz 143; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 80; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1966c; ROBERTO/WEGMANN (2001) S.172. 411 OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 32. 412 Vgl. BGE 116 II 444 m.w.H.; WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 59 f.; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 170 ff. 413 Hierzu ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 164 ff.; MAURENBRECHER (1998) S. 1343; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 20; ROHR (1990) S. 224. 414 WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 58; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 37 N 85. 2. TEIL BÖRSENRECHT 83 welche der Verkehr bei der handelnden Person voraussetzen durfte. 415 Folglich sind die Voraussetzungen, die vor allem an die Leadbank gestellt werden, besonders gross. Alsdann muss zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Schadenseintritt ein Kausalzusammenhang bestehen. 416 Die Beweislast für den Schaden und die Pflichtverletzung obliegt dem Kläger, 417 was sich in der Praxis als äusserst schwierig erweist und mit einem grossen Risiko verbunden ist. Verschärft wird dies dadurch, dass die Kostenverteilung sich nach den allgemeinen Grundsätzen richtet, da Art. 756 Abs. 2 OR nicht anwendbar ist. 418 5.3. Strafrechtliche Sanktionierung Als strafrechtlich relevante Normen sind bei einem IPO neben dem Betrug 419 im Besonderen der Tatbestand der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe gemäss Art. 152 StGB 420 und die Falschbeurkundung 421 in Betracht zu ziehen. So hat das Bundesgericht beispielsweise eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für falsche Angaben in einem „freiwilligen“ Prospekt ausdrücklich anerkannt. 422 Das schweizerische Strafgesetzbuch sieht bei Erfüllung dieser Tatbestände in der Regel Gefängnis, teilweise auch Zucht415 ROHR (1990) S. 224 f.; WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 60. 416 Natürlicher und adäquater, d.h. nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Erfahrung des Lebens hat das Fehlverhalten einen Erfolg von der Art des Eingetretenen herbeizuführen; vgl. BGE 113 II 57; ROHR (1990) S. 222 f. Weil die Gerichtspraxis keine hohen Anforderungen stellt, ist der adäquate Kausalzusammenhang regelmässig kein relevantes Prozesshindernis; zu den Haftungsvoraussetzungen ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 164 ff. m.w.H.; KUNZ P., Haftungsvoraussetzungen (1998) S. 1272 ff. 417 Das Verschulden wird hingegen vermutet; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 33; MAROLDA/VON DER CRONE (2003) S. 161 f.; HOPT (1991) Rz 174. 418 OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 37. Art. 756 Abs. 1 OR umfasst lediglich Klagen auf Leistung an die Gesellschaft, nicht aber direkt an den Aktionär; vgl. OR-WIDMER/BANZ, Bd. II (2002) Art. 756 N 7. 419 Art. 146 Abs. 1 StGB; vgl. hierzu BGE 120 IV 122. Bei Prognosen über den zukünftigen Geschäftsgang in Businessplänen oder Emissionsprospekten handelt es sich um Tatsachen, die vom Tatbestand des Betruges erfasst sind; hierzu NIGGLI/WATTER (1994) S. 1329 ff. 420 Danach wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, „wer als Gründer, als Inhaber, als unbeschränkt haftender Gesellschafter, als Bevollmächtigter oder als Mitglied der Geschäftsführung, des Verwaltungsrates, der Revisionsstelle oder als Liquidator einer Handelsgesellschaft, Genossenschaft oder eines andern Unternehmens, das ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Berichten oder Vorlagen an die Gesamtheit der Gesellschafter oder Genossenschafter oder an die an einem andern Unternehmen Beteiligten unwahre oder unvollständige Angaben von erheblicher Bedeutung macht oder machen lässt, die einen andern zu schädigenden Vermögensverfügungen veranlassen können“. 421 Art. 251 StGB. 422 BGE 120 IV 128; vgl. auch BEHG-DAENIKER (1999) Art. 4 N 17. 2. TEIL BÖRSENRECHT 84 haus 423 oder Busse vor. Daneben können grundsätzlich auch der Tatbestand der Kursmanipulation 424 und die Verletzung der Insiderstrafnorm 425 mittels unwahrem Prospekt in Frage kommen. Allerdings ist bei einem IPO das Tatbestandselement des Börsenhandels noch nicht erfüllt, weshalb die zuletzt erwähnten Normen in der Regel keine Anwendung finden. 426 Aufgrund der thematischen Einschränkung wird auf die strafrechtlichen Belange hier nicht weiter eingegangen. 427 5.4. Behördliche Prospektkontrolle Eine materielle Kontrolle des Prospektinhalts vor dem IPO durch eine besondere Behörde existiert in der Schweiz nicht. 428 Auch kennt die Schweiz keine Meldepflicht für öffentliche Angebote von Wertpapieren. Zwar prüft gemäss Art. 58 KR die Zulassungsstelle der SWX den Kotierungsprospekt, doch handelt es sich hierbei lediglich um eine formelle Kontrolle. 429 Trotz der Bestimmungen von Art. 32 KR ist es nicht die Aufgabe der Zulassungsstelle, die materielle Richtigkeit bzw. den Wahrheitsgehalt der im Kotierungsprospekt enthaltenen Informationen zu überprüfen. Sie prüft lediglich, ob alle im Kotierungsreglement aufgestellten Bestimmungen vom Börsenaspiranten erfüllt werden. Allerdings hat die Zulassungsstelle die Möglichkeit, falls notwendig, eine übersichtlichere Darstellungsform oder die Hervorhebung von wichtigen Informationen an prominenter Stelle zu verlangen. 430 Selbstverständlich stünde es einer Börse frei, eine materielle Prospektkontrolle einzuführen. 431 Mittels einer solchen präventiven Kontrolle könnte zwar die Qualität der kotierten 423 Art. 146 Ziff. 1 oder bei Gewerbsmässigkeit Ziff. 2 StGB; Art. 251 Ziff. 1 Abs. 4 StGB. 424 Art. 161bis StGB. 425 Art. 161 Ziff. 1 StGB. 426 Vgl. TRECHSEL (1997) Art. 161 N 11 u. Art. 161bis N 5. 427 Vgl. z.B. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1966q ff.; WATTER, Investorenschutz (1997) S. 280 m.w.H. 428 ROHR (1990) S. 234 f.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 187; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 253; HENCKEL (1996) S. 152 ff.; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 40, 44; DAENIKER, Grenzüberschreitende Aktienplazierungen (2000) S. 79; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 163. Dies etwa im Gegensatz zur SEC in den USA oder zur EU; vgl. KUNZ J. (1991) S. 37 ff. 429 Ebenso Art. 4 Abs. 3 KR-BX. 430 Art. 37 Abs. 2 KR. 431 Befürwortend z.B. VON DER CRONE, Emission (1996) S. 101. Mit dem geänderten Vorschlag für eine Prospekt-RL wird den Mitgliedstaaten vorgeschrieben, Behörden einzusetzen, die die Prospekte genehmigen. Da es sich bei den Börsen regelmässig um private, gewinnorientierte Einrichtungen handelt, kann diese Situation zu Interessenkonflikten führen, was für den Schutz der Märkte und Anleger nicht zweckmässig erscheint. Aus diesem Grund fordert die EU für die Prospektkontrolle eine Verwaltungsbehörde (vgl. BE 29 gV EU-Prospekt-RL). 2. TEIL BÖRSENRECHT 85 Gesellschaften und damit der Funktions- und Anlegerschutz zweifellos erhöht werden, allerdings wäre hierzu ein riesiger administrativer Apparat notwendig, was die Kosten für die Börse (und damit auch die Kotierungskosten für den Emittenten) enorm erhöhen würde. Auch bestünde durch eine präventive Qualitätskontrolle die Gefahr der Wettbewerbsverzerrung. Schliesslich könnte eine materielle Prospektprüfung durch die Zulassungsstelle die Gefahr einer Haftung mit sich bringen, was sich wiederum negativ auf die Kotierungskosten auswirken würde.432 Die Zulassungsstelle der SWX stellt infolgedessen keine behördliche Qualitätskontrolle für Emittenten dar. Die Verarbeitung der Informationen soll damit Sache des Anlegers beziehungsweise seiner Berater sein. Durch die Gefahr der Prospekthaftung liegt es hingegen im Interesse aller Beteiligten und damit auch der Zulassungsstelle, für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts zu sorgen. Unterlässt es die Zulassungsstelle, einen fehlerhaften Kotierungsprospekt zu kritisieren, obwohl der Mangel aufgrund einer formellen Prüfung erkennbar gewesen wäre, ist auch hier, trotz der Beschränkung auf eine lediglich formelle Kontrolle, eine Haftung gemäss Art. 752 OR möglich. 433 5.5. Revisionsstelle Wie oben aufgezeigt, weist die Zulassungsstelle der SWX die primäre Verantwortung bezüglich der Einhaltung der Normen nebst dem Verwaltungsrat und den einführenden Emissionshäusern den Revisionsstellen (Wirtschafts- bzw. Konzernprüfer) zu und nimmt diesbezüglich kaum Aufsichtsfunktionen wahr. Damit die Art und Weise, wie die Emissionsdokumente und die jährlichen Abschlüsse erstellt und aufbereitet wurden, von externer Seite objektiv abgesichert ist, muss die Prüfung dieser Dokumente von einem unabhängigen Revisor vorgenommen werden. 434 Die Revisionsstelle ist dabei nicht nur eine Einrichtung gesellschaftsinterner Selbstkontrolle und hat daher ihre Prüfungsaufgaben nicht nur im Interesse der direkt Beteiligten, sondern auch zugunsten der Allgemeinheit zu erfüllen. 435 Die Revisionsorgane nehmen folglich eine wichtige Stellung beim 432 Vgl. KUNZ J. (1991) S. 41 f. 433 BERTSCHINGER, Verantwortlichkeit (1999) S. 242. In einem solchen Fall könnte allerdings Art. 99 Abs. 2 OR greifen und ein geringeres Haftungsmass angewandt werden, da das Geschäft für die Zulassungsstelle keinerlei Vorteil bezweckt. Eine Haftung ablehnend HENCKEL (1996) S. 181; SCHENKER, IPO (2000) S. 42; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 176. Die EU überlässt die Regelung dieser Frage den Mitgliedstaaten (Art. 13 Abs. 7 gV EU-Prospekt-RL). 434 Art. 727c OR; Art. 35 KR; vgl. auch OECD Principles of Corporate Governance (1999) Kap. IV C; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 727c N 4 ff. 435 Unveröffentlichter BGE 4C.13/1997 = Pra 1998 Nr. 121. 2. TEIL BÖRSENRECHT 86 IPO ein. 436 Die Verletzung ihrer Aufgaben wird vor allem durch die spezielle Revisionshaftung von Art. 755 OR, aber auch mittels Prospekthaftung sanktioniert. Die für die Prüfung erforderliche Unabhängigkeit der Revisionsstelle kann insbesondere durch die Anwendung anspruchsvoller Rechnungsprüfungsnormen und beruflicher Ehrenkodizes erreicht werden. Problematisch bezüglich der Unabhängigkeit ist allerdings, dass Revisionsstellen im Gegensatz zu staatlichen Institutionen den Marktkräften ausgesetzt sind und damit gewissen Abhängigkeiten unterliegen.437 Die aufgezeigten Abhängigkeiten können zusätzlich dadurch entstehen, dass die Revisionsstellen ausser den Prüfungsdiensten noch weitere Dienstleistungen (insb. Beratungen) erbringen. Deshalb ist zu überlegen, ob nicht ein Plafond für den prozentualen Anteil am Gesamteinkommen des Prüfers festgelegt werden soll, der von einem einzelnen Auftraggeber stammen darf. 438 436 Vgl. auch Art. 44 ff. VE-RRG und VE-VZA. 437 Da z.B. der VR der GV den Antrag zur Wahl der Revisionsstelle macht und überdies deren Honorarrechnung genehmigt, wird ihr natürlich nahe gelegt, im Sinne des VR zu entscheiden; vgl. GUHL/DRUEY (2000) § 71 N 30. 438 Vgl. OECD, Principles of Corporate Governance (1999) Kap. IV/4/D; Corporate Governance-RL Anh. Ziff. 7, wonach immerhin die Summe der Honorare ausgewiesen werden muss; vgl. NOBEL, Audit (2001) S. 102 ff.; CLOPATH (2002) S. 29. 2. TEIL BÖRSENRECHT 87 5.5.1. Aufgabe Die wichtigste Aufgabe eines Revisionsorgans beim IPO ist die Prüfung der dem Prospekt zugrunde liegenden Jahresabschlüsse. 439 Die Revisionsstelle hat grundsätzlich die volle Einhaltung aller massgebenden Vorschriften zu attestieren, d.h., dass hinsichtlich Methodik, Bewertung und Offenlegung keine Abweichungen zu verzeichnen sind.440 Dementsprechend muss das Revisionsorgan bestätigen, dass die (konsolidierte) Rechnungslegung der künftigen Publikumsgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage („True and Fair View“) in Übereinstimmung mit den von der jeweiligen Börse anerkannten Rechnungslegungsnormenwerke vermittelt. 441 Dieser Bericht bezieht sich grundsätzlich auf die im Finanzteil des Kotierungsprospekts publizierten Daten. Allerdings finden sich auch in den übrigen Teilen des Prospekts finanzielle Daten und Kennzahlen, weshalb auch die Übereinstimmung der dort enthaltenen verbalen Ausführungen mit dem Finanzteil zu überprüfen ist. 442 Die Revisoren haben bei ihrer Berichterstattung und Auskunftserteilung die Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft zu wahren. 443 Diese Geheimhaltungspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Verhältnis gegenüber der Zulassungsstelle. Deshalb werden die Emittenten, die ihre Papiere an der SWX kotieren lassen wollen, aufgefordert, ihr Revisionsorgan gegenüber der Zulassungsstelle von der Schweigepflicht zu entbinden.444 Das Einverlangen und die Verwendung solcher Informationen unterliegen jedoch strengen, von der Zulassungsstelle selbst auferlegten Beschränkungen.445 5.5.2. Bestandesvoraussetzungen Aufgrund der Stellung zwischen Aufsichtsbehörde und Publikumsgesellschaft und der grossen Verantwortung wegen müssen an die Revisionsstellen strenge Anforderungen gestellt werden. Insofern bestimmt bereits das Aktienrecht, dass Revisoren börsenkotier439 Vgl. Art. 652f, Art. 728 OR; Art. 35, 71 KR; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1840q. 440 Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000 Kap. IV; Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 18/2000. 441 Z.B. hat der Prospekt gemäss Schema A KR Rz 2.6 den im letzten Geschäftsjahr veröffentlichten Bericht der Revisionsstelle und des Konzernprüfers zu enthalten; hierzu Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 18/2000; vgl. BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 81. 442 Hierzu HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1142. 443 Art. 730 OR. 444 Z.B. Art. 71b Abs. 1 KR; vgl. OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 730 N 7. 445 Art. 71b KR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 88 ter Gesellschaften besondere fachliche Voraussetzungen erfüllen müssen. 446 Im Weiteren haben schweizerische sowie ausländische Emittenten, deren Beteiligungspapiere primär an der SWX kotiert sind, für diese Aufgabe einzig ein bei der Zulassungsstelle registriertes Revisionsorgan zu wählen.447 5.5.3. Sanktionen Verletzt die Revisionsstelle ihre Informationspflichten oder erweisen sich die Angaben im Kotierungsprospekt als falsch oder irreführend, so stehen der Zulassungsstelle oder der Disziplinarkommission der SWX gegen die Revisionsorgane verschiedene Sanktionsmittel zur Verfügung.448 Diese reichen von einem Verweis über eine Busse bis zu CHF 100’000.– bis hin zum Entzug der Registrierung. 449 Daneben unterliegt die Revisionsstelle – wie oben bereits erwähnt – der Prospekthaftung.450 5.6. Fazit Mangels einer materiellen behördlichen Kontrolle der Emissions- und Kotierungsdokumente kennt das Schweizer Recht eine strenge Prospekthaftpflicht. Diese umfasst neben der Ausgabe neuer Aktien auch Secondary Offerings sowie Angebote ausländischer Emittenten. Passivlegitimiert sind dabei alle Personen, die absichtlich oder fahrlässig unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben gemacht oder dabei mitgewirkt haben.451 Infolge ihrer bedeutenden Stellung bei der 446 Art. 727b Abs. 1 Ziff. 2 OR. Dieser setzt das eidg. Diplom als Wirtschaftsprüfer oder ähnliche Diplome voraus; vgl. auch die Verordnung über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren vom 15. Juni 1992 (SR 221.302); GUHL/DRUEY (2000) § 70 N 23; BERTSCHINGER/ LENGAUER/ SCHWARZ (2001) S. 20. 447 Art. 71a KR; Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000 Kap. V; Richtlinie betr. Durchsetzung der Rechnungslegungsvorschriften und Registrierung der Revisionsorgane Rz 18 ff. Die Zulassungsstelle führt eine Liste der registrierten Revisionsorgane. Bei den Emittenten aus EU- oder EWRLändern, die ihre Primärkotierung nicht an der SWX haben, muss das Revisionsorgan den Anforderungen der Prüferbefähigungsrichtlinie der EU (Achte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie der EU vom 10. April 1984, RL 84/253/EWG) genügen und im entsprechenden Land zugelassen sein. Bei übrigen Emittenten aus anderen Ländern werden Revisionsorgane, welche Mitglied der Big-FourOrganisationen sind, anerkannt. Wird ein Emittent von einem anderen Revisionsorgan geprüft, entscheidet die Zulassungsstelle je nach Einzelfall (Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000 Kap. V). 448 Art. 81 KR. 449 Art. 82a KR. 450 Vgl. BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 82; . KUNZ J. (1991) S. 128 ff.; hierzu vorne Kap. 5.2.2. 451 Art. 752 OR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 89 Prospekterstellung und der damit verbundenen Haftungsgefahr obliegt die Qualitätsprüfung der IPO-Kandidaten in erster Linie dem Verwaltungsrat, der Revisionsstelle und den betreuenden Emissionsbanken. Um später eine Schadenersatzpflicht zu vermeiden, müssen alle kritischen Punkte, die bereits im Zeitpunkt des IPOs vorlagen und bekannt sein müssten, im Prospekt enthalten sein. 452 Damit können mit einer umfassenden und objektiven Darstellung der Risiken Haftungsfälle weitgehend vermieden werden, sofern diese Hinweise im Prospekt nicht versteckt, sondern an prominenter Stelle klar und deutlich aufgeführt wurden. 453 Aus diesem Grund ist der Prospekterstellung beim IPO eine überragende Bedeutung einzuräumen. Hierbei dürfen sich insbesondere die börseneinführenden Banken nicht zu stark auf Prognosen und Einschätzungen der Unternehmensvertreter verlassen, sondern haben die benötigten Angaben durch eine, vor dem IPO durchzuführende, gründliche Due Diligence-Prüfung zu beschaffen beziehungsweise zu überprüfen. Bis anhin blieben in der Schweiz Prospekthaftungsklagen selten. Hauptgrund dafür ist, neben den Schwierigkeiten, die Haftungsvoraussetzungen nachzuweisen, das Risiko des Klägers, im Falle eines Unterliegens die Prozesskosten übernehmen zu müssen. 454 Bei einer kleinen Investition ist damit ökonomisch betrachtet das Risiko einer Klage für einen Anleger vielfach zu hoch. Damit die das IPO betreuenden Personen einer konkreten Haftungsgefahr unterliegen und so ernsthaft besorgt sind, die bestehenden Regelungen einzuhalten, wäre eine gesetzliche Verminderung der Klagerisiken für (Klein-)Anleger oder sogar eine Umverteilung der Beweislast zu prüfen. Sodann würde eine explizite Einführung der Prospektpflicht und damit der Haftung für Secondary Offerings im Aktienrecht zu Rechtssicherheit führen und damit den Schutz der Anleger verbessern. 452 SCHENKER, IPO (2000) S. 49. 453 SCHENKER, IPO (2000) S. 39. 454 KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 786 ff.; BÄRTSCHI (2001) S. 339 ff.; WEBER, Prospekthaftpflicht (1993) S. 55 ff.; WATTER, Investorenschutz (1997) S. 277, 280. 2. TEIL BÖRSENRECHT 90 6. Informationelle Gleichbehandlung im Hinblick auf das IPO 6.1. Im Allgemeinen Um bei einer möglichst grossen Zahl von Anlegern das Interesse an den angebotenen Papieren zu wecken, muss vor dem IPO der Bekanntheitsgrad der künftigen Publikumsgesellschaft erhöht werden. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die Bekanntgabe von unternehmensspezifischen Informationen, denn ohne ausreichende Informationen zeigen sich die Anleger nicht bereit, die angebotenen Papiere zu zeichnen. Das bedeutendste Instrument der Anlegerinformation stellt – wie bereits erwähnt – der Kotierungsprospekt dar. Mit den Vorschriften an den Prospekt tragen die aktien- und börsenrechtlichen Bestimmungen dazu bei, dass ein gewisses Mass an relevanten Informationen den Investoren gleichmässig zugänglich gemacht wird. Allerdings können einzelne, für die künftige Publikumsgesellschaft bedeutende Investoren den Wunsch nach exklusivem Zugang zu zusätzlichen Informationen äussern. 455 Da es im Interesse der Gesellschaft liegt, langfristig denkende Aktionäre zu gewinnen, die sich auch unternehmerisch engagieren möchten, kann eine Gesellschaft versucht sein, manchen dieser potentiellen Investoren ergänzende Unternehmensdaten zur Verfügung zu stellen, um bei ihnen den Zeichnungswillen zu fördern. Alsdann können beispielsweise anlässlich des Bookbuildings456 einzelnen Grossinvestoren bereits in einer frühen Phase des IPOs über den Prospekt hinausgehende Daten und Fakten über die künftige Publikumsgesellschaft zufliessen. Hierbei stellt sich die Frage, ob es zulässig ist, künftig bedeutende Aktionäre privilegiert mit Informationen zu bedienen, oder ob das aktienund börsenrechtliche Prinzip der Gleichbehandlung der Anleger diesem wirtschaftlichen Bedürfnis vorgehen muss. 6.2. Aktienrechtliche Gleichbehandlung Der Grundsatz der Gleichbehandlung durchzieht das schweizerische Aktienrecht wie ein roter Faden. 457 Das Aktienrecht schränkt in Art. 717 OR die Möglichkeiten des Verwaltungsrates in dergestalt ein, dass dieser bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Interessen 455 Vgl. GARNITSCHNIG (2002) S. 119; DETTWILER (2002) S. 91 ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 228. 456 Siehe hinten Kap. III/C/2. 457 Hierzu HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 222 ff., 233; HUGUENIN, Gleichbehandlungsprinzip (1994) passim; DIES. Analyse (2002) S. 409 ff.; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 523 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 91 der Gesellschaft zu wahren und die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln hat. 458 Gemäss Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR sind Ungleichbehandlungen möglich, sofern diese ein sachliches Mittel zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks darstellen. Das Gebot der schonenden Rechtsausübung ist ein weiteres Prinzip des Aktienrechts, das bei der Beschränkung der Aktionärsrechte einzuhalten ist. Dieses verlangt, dass bei Eingriffen in die Aktionärsposition immer derjenige Weg zu wählen ist, der sich für die Benachteiligten am relativ vorteilhaftesten auswirkt. 459 Das Aktienrecht kennt indes auch einen Kernbereich, in welchem eine absolute Gleichbehandlung herrscht. So stehen die meisten Schutzrechte allen Aktionären in gleicher Weise zu. Darunter fallen unter anderem die Einsichts- und Auskunftsrechte. 460 Auf absolute Gleichbehandlung angelegt sind sodann die gesetzlichen Informationsrechte der Aktionäre, wie der Anspruch auf Aushändigung der jährlichen Geschäfts- und Revisionsberichte 461 und die Klagerechte. 462 Allerdings spricht sich auch im Bereich der informationellen Gleichbehandlung der Aktionäre ein Teil der Lehre dafür aus, einzelne Aktionäre bezüglich bestimmter Unternehmensinformationen privilegiert behandeln zu können. 463 Demnach ist der Verwaltungsrat der künftigen Publikumsgesellschaft an seine allgemeine Sorgfaltspflicht gebunden und hat jeweils unter Einbezug aller Umstände abzuwägen, ob und in welcher Form eine über die offiziellen Angaben hinausgehende Kommunikation mit einzelnen Aktionären zulässig ist. Folglich kann gemäss dieser Meinung beispielsweise eine Ungleichbehandlung von Gross- und Kleinaktionären beziehungsweise von privaten und institutionellen Anlegern zulässig sein, sofern hierfür ein sachlicher Grund besteht und der 458 Hierzu BÖCKLI, Aktienrecht (1996) Rz 1651 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 11 ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 227; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 526 ff. 459 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 95 ff.; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 535 ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 227. 460 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 73; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 223 f.; HUGUENIN, Gleichbehandlungsprinzip (1994) S. 38. 461 Art. 696 Abs. 1 OR. 462 Z.B. Recht auf Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen (Art. 706 OR) oder das Recht, Verantwortlichkeitsklagen gegen Mitglieder des Verwaltungsrates zu erheben (Art. 752 ff. OR). 463 BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1660a ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 228 ff.; kritisch KUNZ P., Informationsrecht (2001) S. 530 ff.; HUGUENIN, Gleichbehandlungsprinzip (1994) S. 242 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 68. 2. TEIL BÖRSENRECHT 92 Eingriff sich nicht als unverhältnismässig erweist. 464 So ist es beispielsweise heute immer noch üblich, Mehrheitsaktionären mehr und qualitativ bessere Informationen zukommen zu lassen. 465 Im Bereich der Informationspolitik der Gesellschaft dürfen Ausnahmen von der Gleichbehandlung allerdings nur unter strengsten Voraussetzungen zulässig sein. 466 Beispielsweise kann ein Interesse der künftigen Publikumsgesellschaft daran bestehen, der Öffentlichkeit nicht alle Informationen publik zu machen. 467 So ist es m.E. zulässig, dass im Rahmen des Bookbuildingverfahrens einzelne Investoren mit Informationen höherer Qualität versorgt werden, sofern diesen eine Geheimhaltungspflicht auferlegt wird. 468 Ungeachtet der Problematik, ob gewisse Aktionäre mit unternehmensinternen Informationen privilegiert bedient werden können, stellt sich bezüglich der Gleichbehandlung im Vorfeld des IPOs die Frage, ob sich alle Anleger auf das aktienrechtliche Gleichbehandlungsprinzip berufen können. Grundsätzlich bezieht sich Art. 717 Abs. 2 OR bzw. Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR auf die Gleichbehandlung der bestehenden Aktionäre. 469 Da potentielle Aktionäre im Zeitpunkt der Zeichnung noch keine Aktionärsstellung besitzen, würde die künftige Publikumsgesellschaft nach einer engen Auslegung der aktienrechtlichen Bestimmungen nicht zu deren Gleichbehandlung verpflichtet. 470 Demnach wäre eine diskriminierende Informationspolitik der Gesellschaft im Vorfeld ihres IPOs gegenüber potentiellen Investoren gemäss den aktienrechtlichen Bestimmungen zulässig. Allerdings ist die aktienrechtliche Gleichbehandlungspflicht und der Begriff „Aktionär“ funktional auszulegen. Besonders anlässlich eines IPOs ist es notwendig, dass die Gesellschaft und deren Organe verpflichtet sind, auch zukünftige Aktionäre und damit alle Investoren gleich mit Informationen zu versorgen. Danach ist m.E. eine künftige Publikumsgesellschaft hinsichtlich der Informationsverbreitung im Vorfeld ihres IPO grund- 464 Vgl. Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 717 N 23; a.M. HUGUENIN, Gleichbehandlungsprinzip (1994) S. 194. 465 BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1660g; DETTWILER (2002) S. 121, 128 f.; vgl. hierzu auch KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 531; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 39 ff. 466 Vgl. RUFFNER, Publikumsgesellchaft (2000) S. 263 ff. 467 Ebenso KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 532. 468 WATTER, Minderheitenschutz (1993) S. 121; a.M. HUGUENIN, Gleichbehandlungsprinzip (1994) S. 193. 469 Vgl. OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 717 N 1; OR-DUBS/TRUFFER, Bd. II (2002) Art. 706 N 3. 470 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 34; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 524, 526. 2. TEIL BÖRSENRECHT 93 sätzlich bereits aufgrund der aktienrechtlichen Bestimmungen zur relativen Gleichbehandlung der potentiellen Aktionäre verpflichtet. 6.3. Börsenrechtliche Gleichbehandlungspflicht Da es heute noch umstritten ist, ob eine Gesellschaft und deren Organe aufgrund der aktienrechtlichen Bestimmungen dazu verpflichtet sind, im Vorfeld des IPOs die künftigen Aktionäre in gleicher Weise mit Informationen zu versorgen, ist an dieser Stelle zu prüfen, ob das BEHG eine künftige Publikumsgesellschaft oder die das IPO begleitenden Emissionsbanken hierzu anhält. 6.3.1. Regelungsziele des BEHG Die wichtigsten Regelungsziele des schweizerischen Börsengesetzes bilden der Funktionsschutz einerseits und der Anlegerschutz andererseits. 471 Der Funktionsschutz bezweckt die Förderung der Markteffizienz. Indem er das Vertrauen des Publikums und der Effektenhändler in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu gewährleisten versucht, stellt er eine spezifische Ausprägung des Vertrauensschutzes dar. 472 Des Weiteren bezweckt das Börsengesetz, die einzelnen Anleger vor einer Übervorteilung durch die einzelnen Händler, Emittenten und anderen Investoren (z.B. Insider oder Marktmanipulatoren) zu schützen. 473 Ziel des Anlegerschutzes ist daher die Schaffung von Vertrauen in die Lauterkeit des Wertschriftenmarktes. 474 Dieses Schutzbedürfnis des Anlegers beruht auf dessen fachlicher Überforderung und seiner wirtschaftlichen Unterlegenheit, denn dem Anleger ist es regelmässig nicht möglich, die Risiken einer Anlage vollumfänglich beurteilen zu können oder Einfluss auf den Emittenten zu nehmen. Eine Grundvoraussetzung für den Anleger- und den Funktionsschutz ist die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer. Ein wichtiger Bereich hierbei ist die Schaffung eines gleichen Zugangs zu unternehmensinternen Informationen. Die börsengesetzlichen Ziele 471 Art. 1 BEHG; Botschaft BEHG S. 1394; vgl. ROHR (1990) S. 25 ff.; WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) S. 273 ff.; ZUFFEREY, Protection (1996) S. 169 ff. Damit entspricht das schweizerische Gesetz auch den Normzielen des europäischen Börsenrechts; hierzu BE 2 ff. zur EU-BörsenzulassungsRL; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 13 f. 472 Im Gegensatz zum Anlegerschutz wirkt er damit als Vertrauenskollektivschutz; Botschaft BEHG S. 1382; MORSCHER (1992) S. 214 f.; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Art. 1 N 20 ff.; DERS., Börsenrecht (1998) S. 24; WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) passim. Dieses Vertrauen ist unter dem Aspekt von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr schutzwürdig; WOLFF (1994) S. 7. 473 Botschaft BEHG S. 1382. 2. TEIL BÖRSENRECHT 94 können nur erreicht werden, wenn der Markt weit gefasst wird und das BEHG bereits auf das IPO Anwendung findet. Schutzobjekte des Börsengesetzes und von diesem erfasst sind deshalb nicht nur die aktuellen, sondern auch die potentiellen Anleger. 475 Insofern können sich Investoren auf die börsengesetzlichen Bestimmungen berufen, noch bevor sie Aktionärsstellung besitzen. Ein Effektenmarkt (Primär- oder Sekundärmarkt), an welchem Anleger ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden, wird deren Vertrauen verlieren, was zu einer Abwanderung der Anleger an andere (für sie vertrauenswürdigere) Märkte führen kann. 476 Folglich muss, was einer Gruppe von Investoren bekannt gegeben wird, grundsätzlich auch der gesamten Öffentlichkeit und damit allen bestehenden und potentiellen Aktionären kommuniziert werden.477 Alsdann auferlegt Art. 11 BEHG den Effektenhändlern gegenüber ihren Kunden eine Informations-, Sorgfalts- und Treuepflicht. 478 Auch diese beinhalten die Pflicht des Effektenhändlers, seine Kunden bezüglich Informationsweitergabe gleich zu behandeln. Die Ziele des BEHG sind folglich nur zu erreichen, wenn sowohl die Publikumsgesellschaften als auch die Emissionsbanken allen Investoren die gleichen Informationen zukommen lassen. 6.3.2. Beachtung beim IPO Regelungsgegenstand des BEHG ist im Wesentlichen der Sekundärmarkt, d.h. derjenige Markt, auf dem bereits emittierte Papiere und Rechte die Handelsobjekte darstellen.479 Im Gegensatz dazu umfasst der Primärmarkt die Emission und Inverkehrsetzung von fungiblen Kapitalmarktpapieren, die gleichzeitig und zu gleichen Bedingungen bei den 474 Er wirkt deshalb als Vertrauensindividualschutz; Botschaft BEHG S. 1382; Kommentar BEHGZOBL (2000) Art. 1 N 12 ff.; DERS., Börsenrecht (1998) S. 24. 475 Botschaft BEHG S. 1382; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Art. 1 N 15. 476 Vgl. KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 1 N 15, Art. 11 N 1; HOFSTETTER, Gleichbehandlung, (1996) S. 226, 233; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 255. 477 Eine ausreichende Informationsverbreitung liegt – neben der Publikation mittels Prospekt – in der Regel dann vor, wenn die Information durch mindestens ein bei professionellen Marktteilnehmern verbreitetes elektronisches Informationssystem sowie durch eine Zeitung von nationaler Bedeutung bekannt gegeben wird; vgl. bezüglich Ad-hoc-Publizität das Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998 Rz 17. 478 Hierzu ausführlich hinten Kap. III/D/4.4.3. 479 Vgl. neben vielen NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 1 N 110 f.; BÖCKLI, BJM (1998) S. 226; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 246; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Einleitung N 113 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 95 Anlegern platziert werden. 480 Dessen Regelung wurde grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BEHG ausgeschlossen. Das Motiv für diesen Ausschluss war, dass der Gesetzgeber die Emission neuer Effekten dem Obligationenrecht überlassen und einzig dort regeln wollte. 481 Es stellt sich somit die Frage, ob die börsengesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die börsenrechtliche Gleichbehandlungspflicht, 482 bei einem IPO Anwendung finden und daher von den Emissionsbanken und den künftigen Publikumsgesellschaften beachtet werden müssen. Wie sich besonders bei einem IPO zeigt, kann die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärmarkt häufig nicht exakt vorgenommen werden. 483 So werden beim IPO die Papiere nicht immer neu geschaffen. Beim Secondary Offering existieren die an das Publikum ausgegebenen Papiere bereits vor dem IPO. Ebenso sind die Papiere, die bei einem Festübernahmeverfahren den Anlegern zugeteilt werden, bereits vorhanden.484 Nach der üblichen Definition ist ein Primary Offering dem Primärmarkt, ein Secondary Offering dagegen eher dem Sekundärmarkt zuzurechnen.485 Da beim IPO die Papiere vielfach aus einem Primary sowie einem Secondary Offering stammen, berühren IPOs regelmässig sowohl den Primär- als auch den Sekundärmarkt. Würde man einer strengen Differenzierung folgen, führte dies dazu, dass bei einer überwiegenden Mehrzahl der IPOs unterschiedliche Regelungen anwendbar wären. 486 Schon die Botschaft zum BEHG spricht hingegen davon, dass zwischen den Vorschriften, welche die Emission regeln und denjenigen, die für die Zulassung von Effekten zur Börse gelten, eine gewisse Kongruenz erzielt werden solle. So sind die Anleger am Emissionsmarkt beispielsweise ebenso auf Treu und Glauben angewiesen wie diejenigen an der 480 Da beim Primärmarkt die Papiere neu geschaffen werden, führt dieser immer zu einer Vermehrung des Effektenbestandes; vgl. Botschaft BEHG S. 1383 f.; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Einleitung N 113; MORSCHER (1992) S. 211 f.; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 246; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 97; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 35; DIES., Bd. II (1998) Art. 1 N 32 ff.; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 295; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 410; ROHR (1990) S. 3, 24. 481 Insb. BOTSCHAFT (1993) S. 1376, 1383 ff. 482 Hierzu hinten Kap. III/D/4.4. 483 Vgl. Botschaft BEHG S. 1379, 1383; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 1 N 39; HODEL (2002) S. 111. f. 484 Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 29. 485 Botschaft BEHG S. 1383 ff.; WYSS (2000) S. 15; OR-WATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5; IPRGWATTER (1996) Art. 156 N 12. 486 Für das Primary Offering das Aktienrecht – das BEHG für das Secondary Offering. 2. TEIL BÖRSENRECHT 96 Börse. 487 Zudem greifen bereits zahlreiche andere Regelungen des Börsengesetzes direkt in aktienrechtliche Belange ein, womit das Recht der kotierten Gesellschaften durch das Börsengesetz in wesentlichem Umfang überlagert wird. 488 Es ist deshalb nicht einzusehen, wieso im Bereich der Emission eine solch strikte Abgrenzung aufrechterhalten werden soll. Deshalb wird vermehrt dafür plädiert, die Trennung zwischen Primär- und Sekundärmarkt nicht überzubewerten und funktional vorzugehen. 489 Schliesslich ist das schweizerische Börsengesetz bereits von Gesetzes wegen auch für den Primärmarkt von Bedeutung. Gemäss Art. 2 lit. d BEHG fallen unter die Definition des Effektenhändlers auch Personen, die gewerbsmässig Effekten öffentlich auf dem Primärmarkt anbieten. 490 Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass die Emissionshäuser ebenfalls vom Börsengesetz erfasst werden, wodurch diese den Bewilligungsvoraussetzungen von Art. 10 BEHG unterstehen und ebenfalls die börsenrechtlichen Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG einzuhalten haben. 491 Damit wird durch die Unterstellungspflicht der Emissionshäuser unter das BEHG der Primärmarkt immerhin indirekt beeinflusst. 492 Da anerkanntermassen ein weitgehender Regelungsbedarf für den Primärmarkt besteht, 493 müssen die Pflichten des BEHG für alle Tätigkeiten der Effektenhändler gelten, d.h. sowohl für Primär- als auch für Sekundärmarktgeschäfte. 494 Daraus folgt, dass beim 487 Botschaft BEHG S. 1383. 488 Vgl. hierzu V. BÜHREN/BÄHLER (1996) S. 393 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 61 N 22. 489 ZUFFEREY, Financial Market Law (1995) S. 211; WYSS (2000) S. 16. 490 Vgl. Botschaft BEHG S. 1385, 1397; hierzu Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 18 ff.; WATTER, Effektenhändler (1996) S. 70 ff., 77; ZOBL, Börsenrecht (1998) S. 28. 491 Vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 2d N 38, Art. 11 N 23, 49; die Botschaft BEHG S. 1397 spricht selbst davon, dass mittels dieser Regelung indirekt ein Einfluss auf den Primärmarkt ausgeübt werden kann; HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 22; DERS., droit boursier (1995) S. 233; THÉVENOZ (1997) S. 24; WYSS (2000) S. 50 f.; insb. S. 54; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 1 N 111; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Einleitung N 115; WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) S. 276. Vgl. auch Anhang I Abschnitt Rz 6 A V-ISD. 492 In der Weise bereits Botschaft BEHG S. 1385, 1397; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 25; WATTER, Effektenhändler (1996) S. 77 f.; HIRSCH, droit boursier (1995) S. 230. 493 Botschaft BEHG S. 1385 f. 494 Ebenso BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 23; HERTIG, diligence des banques (1994) S. 346 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 61 N 31; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 1 N 11; WYSS (2000) S. 119 ff; dagegen WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) S. 276. 2. TEIL BÖRSENRECHT 97 IPO die börsenrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich Anwendung finden und die Emissionshäuser diese zu beachten haben. 495 Da das Börsenrecht zum Wirtschaftsrecht gehört, ist das dort enthaltene Prinzip der Gleichbehandlung der Aktionäre wirtschaftsrechtlich auszulegen. Eine Gleichbehandlung der Anleger rechtfertigt sich nur insoweit, als damit wirtschaftsrechtliche Ziele gefördert werden. Wie oben erläutert, auferlegen bereits die aktienrechtlichen Bestimmungen den Gesellschaften vielfach lediglich eine relative Gleichbehandlung. Hinsichtlich der Effektenhändler, die in einem streng regulierten Bereich tätig sind, ist die Gleichbehandlungsverpflichtung zwar strikter auszulegen. Dennoch zwingen auch die börsenrechtlichen Regelungen die Effektenhändler zu keiner absoluten Gleichbehandlung. Eine Ungleichbehandlung ist unter dem Gleichbehandlunsgebot dann gerechtfertigt, wenn ein sachlicher Grund dazu vorliegt. 496 So kann eine gewisse Privilegierung einzelner Investoren, beispielsweise im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens, zulässig bleiben. Dies ist in beschränktem Masse gutzuheissen, da der Grundsatz der Gleichbehandlung immer mit anderen Interessen der Gesellschaft abzuwägen ist. So verdient beispielsweise das Interesse der künftigen Publikumsgesellschaft an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse ebenfalls gewissen Schutz. Da Grossaktionäre auch andere Möglichkeiten haben, zu Zusatzinformationen zu gelangen (z.B. mittels Einsitz im Verwaltungsrat), darf schliesslich eine gewisse Informationsprivilegierung nicht überbewertet werden. Mangels einer anders lautenden Regelung sind primär die Effektenhändler an die börsenrechtliche Gleichbehandlungsverpflichtung gebunden. Obwohl der Zweck des Börsengesetzes es erfordern würde, dass auch die künftige Publikumsgesellschaft und die sich verabschiedenden Grossaktionäre die Anleger gleich behandeln müssten, sind diese nicht zur Beachtung der Bestimmungen des BEHG verpflichtet. 497 Allerdings ist an dieser Stelle nochmals anzufügen, dass der Emissions- bzw. der Kotierungsprospekt alle Informationen enthalten muss, die für die Beurteilung der Eigenschaften der Effekten und der Qualität des Emittenten durch die Anleger nötig sind.498 Damit bleibt im Vorfeld eines IPOs der Raum für Sonderinformationen und die Benachteiligung einzelner Investoren gering. Solche Zusatzinformationen können sich schliesslich 495 Auf die Durchsetzung der Gleichbehandlungsverpflichtung der börseneinführenden Banken in Bezug auf die Zuteilung der Aktien wird in einem speziellen Kapitel (hinten Kap. III/D/4) eingegangen. 496 DETTWILER (2002) S. 117. 497 Vgl. WATTER, Effektenhändler (1996) S. 77. So gilt bspw. Art. 72 KR erst ab dem Zeitpunkt der Kotierung. 2. TEIL BÖRSENRECHT 98 aufgrund möglicher Haftungsansprüche als problematisch erweisen. Insofern werden die Emissionsbanken und auch die künftigen Publikumsgesellschaften selbst ein Interesse haben, sich mit solchen Informationen zurückzuhalten, weshalb diesen zu empfehlen ist, grundsätzlich auf den ausführlichen und geprüften Prospekt zu verweisen. 6.4. Fazit Sowohl das Aktien- als auch das Börsenrecht enthalten Bestimmungen hinsichtlich der Gleichbehandlung der Anleger beziehungsweise der Aktionäre. Allerdings ist es heute noch umstritten, ob die aktienrechtliche Gleichbehandlungspflicht bei IPOs zur Anwendung gelangt, da interessierte Investoren beziehungsweise die Zeichner noch keine Aktionärsstellung besitzen. Meines Erachtens ist Art. 717 OR allerdings funktional auszulegen, womit bereits der Gesellschaft und deren Organen eine Verpflichtung zur informationellen Gleichbehandlung der potentiellen Investoren auferlegt wird. Aufgrund der börsenrechtlichen Bestimmungen sind bei einem IPO ebenfalls die Emissionshäuser verpflichtet, ihre Kunden bezüglich Informationen gleich zu behandeln. Diese Bestimmungen sind während des gesamten IPO zu beachten und einzuhalten. Da es unmöglich ist, bei der Informationsverbreitung alle Marktteilnehmer absolut gleich zu behandeln, gilt hierbei in vielen Bereichen das Prinzip der relativen Gleichbehandlung. 499 Im Licht des Anleger- und Funktionsschutzes sind Ausnahmen von der Gleichbehandlungspflicht nur unter strengen Voraussetzungen gutzuheissen. Folglich haben die Emissionsbanken bereits vor und besonders während des IPOs darauf zu achten, Bekanntmachungen so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet bleibt. Alsdann muss auch im Hinblick auf die strafrechtlichen Tatbestände dafür gesorgt werden, dass zurückgehaltene Informationen nach der Kotierung nicht von Insidern missbräuchlich verwendet werden können. 500 Da durch die geltende börsengesetzliche Regelung lediglich die das IPO betreuenden Banken zur Gleichbehandlung verpflichtet werden, wäre eine Änderung der börsenrechtlichen Bestimmungen in der Weise wünschenswert, dass nicht nur die Effektenhändler, sondern auch die künftigen Publikumsgesellschaften und die Gründungsaktionäre hierzu 498 Art. 8 Abs. 2 BEHG; Art. 652a OR. 499 Das bedeutet, dass Gruppen von Interessenten in vergleichbarer Lage gleich zu behandeln sind. Eine unterschiedliche Behandlung von Gruppen bleibt möglich, muss jedoch durch sachliche Kriterien gerechtfertigt sein und hat möglichst gering zu erfolgen; in der Weise bzgl. Ad-hoc-Publizität V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 103 f.; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 52. 500 Eine Privilegierung einzelner Anleger und das Ausnutzen so erhaltener Informationen wäre gemäss der Insiderstrafnorm grundsätzlich verboten; vgl. Art. 162 StGB. 2. TEIL BÖRSENRECHT 99 verpflichtet wären. Das BEHG greift in vielen Bereichen schon heute in aktienrechtliche Belange ein, 501 weshalb eine entsprechende Erweiterung des Börsengesetzes nicht gänzlich systemfremd wäre. Eine andere Möglichkeit zur Verpflichtung der Gesellschaften und der Altaktionäre wäre die Aufnahme einer diesbezüglichen Bestimmung in die Kotierungsreglemente der Börsen. 502 In der Praxis ist es nur schwer möglich, den Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen. So werden die Anleger nur selten erfahren, dass andere Investoren privilegiert behandelt wurden. Die Problematik der Gleichbehandlung bezüglich der Informationen ist im Zeitpunkt des IPOs indes weniger gravierend als nach der Kotierung, da die Aktionäre mittels der gesetzlichen Publizität, insbesondere dem Prospekt samt Aktualisierungspflicht, gut bedient sind. Da überdies von einem grossen Teil der (Klein-) Anleger nicht einmal der Prospekt beachtet wird, sind weitergehende Informationen vielfach gar nicht erwünscht. Schliesslich haben die künftige Publikumsgesellschaft und die verkaufenden Altaktionäre selbst ein Interesse, alle positiven Unternehmensdaten publik zu machen, um so einen möglichst hohen Emissionskurs erzielen und möglichst viel Kapital generieren zu können. Damit darf der Spielraum für Sonderinformationen im Hinblick auf das IPO nicht überschätzt werden. 7. Folgepublizität 7.1. Periodische Berichterstattung 7.1.1. Aktienrechtliche Publizität Auch ohne spezielle Vorschriften im Kotierungsreglement der jeweiligen Börse sind börsenkotierte Gesellschaften bereits gemäss den aktienrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, eine Jahres- und Konzernrechnung 503 samt Revisionsbericht zu veröffentlichen. Dies geschieht entweder durch die Publikation im SHAB oder durch Zustellung an jede Person, die innerhalb eines Jahres seit Abnahme eine solche verlangt. 504 501 Vgl. Art. 20, 29 u. 32 BEHG. 502 Z.B. analog Art. 72 Abs. 3 KR. 503 Gemäss Art. 663e Abs. 3 Ziff. 2 OR gilt die Ausnahme von der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung für Kleinkonzerne nicht, wenn die Aktien der Gesellschaft an der Börse kotiert sind. 504 Art. 697h Abs. 1 OR; neben vielen OR-WEBER, Bd. II (2002) Art. 697h N 2 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 48 N 57 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 100 7.1.2. Börsenrechtliche Publizität Für Publikumsgesellschaften müssen die aktienrechtlich vorgeschriebenen Pflichten als nicht ausreichend betrachtet werden, weshalb es Sache der einzelnen Börsen ist, in den gemäss Art. 8 BEHG von ihnen zu erlassenden Reglementen die Einzelheiten betreffend der Folgepublizität auszuführen. Wie beim Kotierungsprospekt müssen die Anforderungen der Börsen bezüglich Folgepublizität mindestens denjenigen des Aktienrechts entsprechen, haben aber in zahlreichen Punkten darüber hinaus zu gehen. Beispielsweise werden sie bestimmte Rechnungslegungsstandards vorschreiben sowie Halbjahres- oder sogar Quartalsberichte verlangen. Die Berichte selbst haben ebenfalls ein Mindestmass an Angaben zu enthalten. 505 Des Weiteren sollte eine Publikumsgesellschaft regelmässig Auskunft geben über Änderungen bezüglich der allgemeinen Angaben,506 Einzelheiten zur Generalversammlung, Dividendenzahlungen, sämtliche Veränderungen der Kapitalstruktur etc. 507 7.2. Ad-hoc-Publizität Zu den im schweizerischen Börsengesetz in Art. 8 Abs. 3 geforderten internationalen Standards gehört die Verpflichtung des Emittenten zur Ad-hoc-Publizität. Darunter wird die Verpflichtung verstanden, beim Eintritt eines aussergewöhnlichen, erheblich kursrelevanten Ereignisses die Öffentlichkeit unverzüglich zu orientieren. 508 Die Ad-hocPublizität soll gewährleisten, dass eine börsenkotierte Gesellschaft die Öffentlichkeit in fairer und transparenter Weise frühzeitig über massgebliche Veränderungen informiert. Damit trägt sie zu einer korrekten Preisbildung bei und beugt dem Insiderhandel vor. 509 Alsdann konkretisiert diese Vorschrift Art. 8 Abs. 2 BEHG, da diesbezügliche Informationen für die Beurteilung der Eigenschaften der Effekten und der Qualität des Emittenten notwendig sind. 505 Vgl. z.B. die Vorschriften in Art. 73 EU-Börsenzulassungs-RL. 506 Wie insb. Firmen- und Adressänderungen, Verlegung des Sitzes oder der Hauptverwaltung oder die Kotierung an anderen Börsen. 507 Hierzu z.B. Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 508 Art. 72 Abs. 1 KR; hierzu HSU (2000) S. 113; WEBER, Ad-hoc-Publizität (2002) S. 297 ff.; BÖCKLI, BJM (1998) S. 264; vgl. auch RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 47 ff.; V. PLANTA (1997) S. 33 f.; BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 53 ff.; Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998. 509 Vgl. BÖCKLI, BJM (1998) S. 267 ff.; bzgl. Insiderstraftatbestand vgl. Art. 161 StGB. 2. TEIL BÖRSENRECHT 101 Die SWX verpflichtet die Publikumsgesellschaften in Art. 72 KR zur Ad-hocPublizität. 510 Damit stimmt im Bereich der Ad-hoc-Publizität das Kotierungsreglement mit den relevanten europäischen Richtlinien überein.511 Grundsätzlich verpflichtet das Kotierungsreglement die Gesellschaft zur Ad-hoc-Publizität erst ab dem Zeitpunkt der Kotierung. 512 Dennoch sollten sich künftige Publikumsgesellschaften bereits in der Phase des IPOs daran halten und beim Vorliegen der Voraussetzungen die Anleger informieren. Allerdings liegt in einem solchen Fall vielfach die Pflicht zur Aktualisierung des Kotierungsprospekts nach Art. 34 Abs. 2 KR vor, welche der Ad-hoc-Publizität vorgeht. Die Beurteilung kursrelevanter Informationen stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Als kursrelevant gelten neue Tatsachen, die wegen ihrer beträchtlichen Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsgang des Emittenten geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung der Kurse zu führen. 513 Typische Ereignisse, die eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösen, sind namentlich: 514 erhebliche Gewinnveränderungen Sanierungsfälle grössere Wechsel in der geschäftlichen Tätigkeit, der Konzern- bzw. Kapitalstruktur andere unerwartete oder erhebliche Vorkommnisse. Erweist sich eine solche Information im Nachhinein als falsch oder kann diese zu falschen Folgerungen führen, so ist sie zu berichtigen. 515 510 Vgl. Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998. Diese Pflicht gilt nicht nur für die am Hauptsegment kotierten Gesellschaften, sondern für alle Segmente der SWX sowie für die Kotierung an der Berne eXchange (vgl. Art. 18 KR-BX). 511 Vgl. V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 7 f.; insb. Art. 68 EU-Börsenzulassungs-RL. 512 Die Bestimmung gehört systematisch zu den Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung (Kap. IV KR). 513 Vgl. Art. 72 Abs. 1 Satz 2 KR; hierzu mit weiteren Angaben V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 84 ff.; WEBER, Ad-hoc-Publizität (2002) S. 297 ff. 514 Vgl. Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998 Rz 6. In diesen Punkten geht die Ad-hocPublizität teilweise weiter als die Insiderstrafnorm (Art. 161 insb. Abs. 3 StGB); vgl. hierzu BGE vom 5. März 2001 (1A. 325/2000). 515 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998 Rz 6; vgl. V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 96. 2. TEIL BÖRSENRECHT 102 Bei dieser Bekanntgabeverpflichtung handelt es sich lediglich um einen Mindeststandard. Der Gesellschaft steht es deshalb frei, darüber hinaus zu gehen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Informationspflichten zu Propagandazwecken missbraucht werden. So wurden teilweise Ad-hoc-Mitteilungen publik gemacht, die eine solche Bezeichnung nicht verdient hätten. Dabei mögen einige der überflüssigen Meldungen auf die Unsicherheit bei der Definition der kursrelevanten Tatsache und der erheblichen Kursveränderung zurückzuführen sein. 516 Insgesamt ist der Anteil an Ad-hoc-Meldungen, die vermutlich zu Zwecken der Werbung veröffentlicht wurden, indessen nicht so hoch, dass die Anleger in der Informationsflut den Überblick über die wirklich bedeutsamen Meldungen verlieren könnten.517 Um das Ziel der Gleichbehandlung zu erreichen, muss die Verpflichtung, den Markt zu informieren, grundsätzlich immer bestehen, sobald der Emittent von der Tatsache in ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat. Ein Hinausschieben ist damit lediglich unter bestimmten (strengen) Voraussetzungen möglich. 518 Das Kotierungsreglement der SWX nennt in diesem Zusammenhang den Fall, in welchem die neue Tatsache auf einem Plan oder Entschluss des Emittenten beruht und deren Verbreitung geeignet ist, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen.519 In solchen Ausnahmesituationen hat der Emittent allerdings eine umfassende Vertraulichkeit der Tatsache zu gewährleisten. 520 Tritt hingegen ein Leck auf, so hat die Bekanntgabe unverzüglich zu erfolgen. Generell kann gesagt werden, dass ein Aufschub der Meldung nur in wenigen Fällen gerechtfertigt und damit nur selten erlaubt ist. 521 In der Praxis hat sich die Verzögerung der Informationen kaum bewährt, weshalb grundsätzlich eine rasche Publikation vorzuziehen ist. 516 Zur Bestimmung der Erheblichkeit s. V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 86 ff. 517 Dieses Problem bestand insb. am Neuen Markt in Deutschland; vgl. BAWe, Jahresbericht (2000) S. 27. Ein grundsätzlich positives Fazit für die Schweiz zieht V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 97. 518 Art. 68 Abs. 2 EU-Börsenzulassungs-RL geht weiter und ermöglicht sogar die gänzliche Entbindung von dieser Pflicht. 519 Als Beispiele werden insb. Sanierungen, Unternehmensübernahmen bzw. Fusionen genannt; hierzu ausführlich V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 99 f.; WEBER, Ad-hoc-Publizität (2002) S. 300 f. 520 Vgl. Art. 72 Abs. 2 KR. 521 So ausdrücklich Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998 Rz 2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 7.3. 103 Missachtung der Publizitätspflichten Im Gegensatz zu den Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung ist die Folgepublizität vor allem Sache der Publikumsgesellschaft. So sind die Emissionshäuser nicht mehr verpflichtet, die Gesellschaft hierzu anzuhalten. 522 Auch fehlt nach dem IPO den Börsen das Druckmittel der Ablehnung des Kotierungsgesuchs. Deshalb haben die Börsen dafür zu sorgen, dass die Emittenten ihre Pflicht auch nach dem IPO einhalten. Verletzt eine Gesellschaft ihre Pflichten, so müssen einer Börse gewisse Mittel zur Verfügung stehen, die die kotierten Unternehmen zur Einhaltung ihrer Pflichten zwingen. Denkbar sind hierbei Verweise, Publikation der Verletzung, 523 Bussen, Sistierung des Handels oder eine Dekotierung. 524 Alsdann kann es sich bei der Nichteinhaltung gewisser aktienrechtlich vorgeschriebener Pflichten (z.B. die Erstellung eines Geschäftsberichtes 525 ) um eine Widerrechtlichkeit handeln, die eine Haftung des Verwaltungsrats der neuen Publikumsgesellschaft gemäss Art. 754 OR nach sich ziehen kann, sofern durch dessen Handlung bzw. Unterlassung ein Schaden eingetreten ist. Eine zivilrechtliche Haftung bezüglich der Verletzung der Ad-hoc-Publizität sowie der halbjährlichen oder quartalsweisen Berichterstattung ist in der Lehre hingegen umstritten. 526 8. Fazit Die Beschaffung von produktivem Kapital darf einerseits nicht allzu hohe Kosten verursachen. Andererseits müssen die Investoren mit ausreichenden und wahren Unternehmensdaten versorgt werden. Nur so sind diese bereit, Geld in eine junge Publikumsgesellschaft zu investieren. Strenge börsenrechtliche Anforderungen an die künftigen 522 Teilweise bestehen allerdings eigene Pflichten der einführenden Banken, für die Information der Anleger (z.B. bezüglich Publikation von Gesellschaftsstudien [vgl. Art. 15 ZR-NM]) besorgt zu sein; hierzu hinten Kap. III/E/2.3. 523 Bspw. führt die Deutsche Börse im Internet (http://deutsche-boerse.com) eine Liste derjenigen Unternehmen, die ihre Quartalsberichte nicht rechtzeitig abgegeben haben. 524 Vgl. Art. 82 KR; Art. 22 f. KR-BX; Art. 17 f. EU-Börsenzulassungs-RL; neben vielen V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 120 f.; WEBER, Ad-hoc-Publizität (2002) S. 301. 525 Art. 662 ff. und Art. 958 ff. OR. 526 Ausführlich zu dieser Problematik V. FISCHER, Ad hoc-Publizität (1999) S. 119 ff.; HSU (2000) S. 269 ff.; BÖCKLI, BJM (1998) S. 266 f.; WIEGAND, Ad hoc-Publizität (1998) S. 165 ff.; WEBER, Ad-hoc-Publizität (2002) S. 301. Wirtschaftlich betrachtet werden bei einer Gutheissung der Klage besonders die nicht klagenden Aktionäre benachteiligt. Einerseits erhalten sie keinen Schadenersatz, andererseits verliert ihre Beteiligung an einer geschwächten Gesellschaft an Wert. 104 2. TEIL BÖRSENRECHT Publikumsgesellschaften und an deren Publizität schaffen Vertrauen und tragen zum Funktionieren des Marktes bei. Für dieses Vertrauen ist die Gleichbehandlung aller Anleger überaus wichtig. Die Einführung gewisser einheitlicher Standards und Schemata vereinfacht hierbei die Vergleichbarkeit der einzelnen Gesellschaften. Damit müssen die IPO-Kandidaten von den einzelnen Börsen dazu verpflichtet werden, der Öffentlichkeit ausreichend Daten zur Verfügung zu stellen und einzelne Anleger nicht zu benachteiligen. Mittels einer strengen Prospekthaftung werden die Gesellschaften gezwungen, wahre Daten zu publizieren und realistische Prognosen aufzustellen. Damit die Prospekthaftung eine präventive Wirkung auf die Kommunikation der Gesellschaft vor dem IPO aufweist, muss indes ein reelles Haftungsrisiko für die Gesellschaft und die am IPO Beteiligten bestehen. Momentan ist die Gefahr einer Klage sehr klein. Zur Behebung dieses Missstandes müssten Prospekthaftungsklagen vereinfacht werden und für die einzelnen Kläger das Risiko bei einem Unterliegen vermindert werden. Alsdann muss auch die Frage gestellt werden, ob ein zu ausführlicher Prospekt bei den privaten Investoren überhaupt Beachtung findet. Heute richtet sich der Prospekt insbesondere an Finanzanalysten und institutionelle Investoren. Für einen privaten Anleger sind die Unternehmenspublikationen hingegen oft unverständlich. Dieses Problem verstärkt sich zusätzlich durch die englische Sprache, in welcher der Prospekt häufig erstellt wird. Folglich müssen neue Möglichkeiten der Anlegerinformation gefunden werden. Denkbar sind beispielsweise eine kurze, kommentierte Zusammenfassung des Prospekts entsprechend dem geänderten Vorschlag der EU-Prospekt-RL oder Informationen mittels neuer Technologien, die sich neben dem eigentlichen Kotierungsprospekt besonders an die Kleinanleger richten. Allerdings entstünde dadurch wiederum die Problematik der Haftung. Grundsätzlich müssten solche Informationen den gleichen strengen Haftungsfolgen unterliegen wie der ausführliche Prospekt und folglich in vielen Bereichen auf diesen verweisen. Dennoch könnte ein solcher Kurzprospekt den Investitionsentscheid für Kleinanleger erleichtern. Eine ebenfalls zu prüfende Möglichkeit wäre, entsprechend einzelnen internationalen Vorstössen, die Zweiteilung der Emissionsdokumente in ein emittentenbezogenes Rahmendokument und ein Emissionsdokument. 527 Dies hätte nicht nur für die Publikumsgesellschaft den Vorteil, leicht weitere Tranchen von Beteiligungen auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten platzieren zu können, sondern würde auch den Investoren eine übersichtlichere und klare Dokumentation verschaffen. 2. TEIL BÖRSENRECHT 105 Schliesslich hat eine künftige Publikumsgesellschaft zu berücksichtigen, dass die geforderten Publizitätspflichten nicht nur im Zeitpunkt des IPOs, sondern ebenfalls danach und vor allem auch in weniger erfolgreichen Zeiten eingehalten werden müssen. 528 B. Offenlegung von Beteiligungen Die Entstehung und Veränderung massgeblicher Beteiligungen an Publikumsgesellschaften können eine erhebliche Kursrelevanz aufweisen, weshalb diesbezügliche Meldungen für aktuelle oder potentielle Aktionäre von erheblichem Interesse sind. Zur Schaffung der erforderlichen Transparenz ist es demzufolge notwendig, solche Veränderungen der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Dadurch dass die Volumen der frei handelbaren Titel und die Existenz von Grossaktionären bekannt gemacht werden, werden zudem missbräuchlich nutzbare Informationsvorsprünge reduziert. 529 Schliesslich ist eine Offenlegungspflicht eng mit der Regelung öffentlicher Kaufangebote verknüpft, da der heimliche Erwerb beziehungsweise die Veräusserung einer massgeblichen Beteiligung (stille Auf- und Verkäufe von Unternehmen) hiermit erschwert wird. 530 1. Regelung im Aktienrecht Publikumsgesellschaften haben gemäss Aktienrecht im Anhang der Bilanz ihre bedeutenden Aktionäre und deren Beteiligung anzugeben, sofern ihnen diese bekannt sind oder bekannt sein müssten. 531 Als bedeutende Aktionäre gelten Aktionäre und stimmrechtsverbundene Aktionärsgruppen, deren Beteiligung fünf Prozent aller Stimmrechte übersteigt. 532 Indem die Gesellschaft selbst keine Nachforschungsverpflichtung trifft 533 und 527 Hierzu hinten 3.Teil/I/C/2.2. 528 Hierzu gehört unter anderem, einmal aufgestellte Prognosen wieder aufzugreifen und die Gründe für deren Erreichen beziehungsweise deren Verfehlen zu kommunizieren; vgl. KNORR (1999) S. 20 f. 529 Vgl. Botschaft BEHG S. 1410. 530 Hierzu bereits vorne Kap. I/D/2. 531 Art. 663c Abs. 1 OR; vgl. dazu FORSTMOSER, OR 663c (1994) S. 69 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 972 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 8 ff.; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 171 ff.; V. BALLMOOS (1997) S. 346 ff.; V. BÜREN/BÄHLER (1996) S. 395 ff. Die Bekanntgabe bedeutender Aktionäre ist ebenfalls gemäss den OECD Principles of Corporate Governance (1999) Kap. IV. A Ziff. 3 erforderlich. 532 Enthalten die Statuten eine tiefere prozentmässige Begrenzung der Namenaktien (Art. 685d Abs. 1 OR), so gilt für die Bekanntgabepflicht diese Grenze; Art. 663c Abs. 2 OR. Unklar bleibt in dieser Bestimmung, ob für die Berechnung der 5%-Grenze vom gesamten Grundkapital oder nur vom stimmberechtigten Kapital auszugehen ist; hierzu BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 17. 533 So Amtl. Bull. NR (1990) S. 1362 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 106 die Aktionäre gemäss Aktienrecht nicht zur Meldung verpflichtet werden können, 534 zeigt diese Bestimmung nur eine beschränkte Wirkung. 535 Da bei Grossaktionären börsenkotierter Gesellschaften das Interesse an der Anonymität gegenüber dem Interesse des Marktes an der Transparenz der Beteiligungsverhältnisse zurücktritt, füllt nun, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, das Börsengesetz diese Lücke. 2. Börsengesetz Gemäss Art. 20 Abs. 1 BEHG ist gegenüber der Gesellschaft und den Börsen meldepflichtig, „wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise in der Schweiz kotiert sind, für eigene Rechnung erwirbt oder veräussert und dadurch den Grenzwert von 5, 10, 20, 331/3, 50 oder 662/3 Prozent der Stimmrechte, ob ausübbar oder nicht, erreicht, unter- oder überschreitet.“ 536 Die Gesellschaft hat in der Folge die ihr so mitgeteilten Informationen zu veröffentlichen.537 Diese Bestimmung erfüllt grundsätzlich auch die in der europäischen Börsenzulassungsrichtlinie aufgestellten Anforderungen. 538 534 Art. 680 Abs. 1 OR. 535 Insb. bei Inhaberaktien; neben vielen MEIER-SCHATZ, Offenlegung (1996) S. 98 f.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 973a f. 536 Art. 20 Abs. 1 BEHG; hierzu Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 1 ff.; DERS., Offenlegung (1996) S. 93 ff.; o.V., Offenlegung (1998) passim; VON DER CRONE, Publikumsgesellschaften (1997) S. 86; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 160; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 980b; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 621 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 80 ff. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Namen- oder Inhaberpapiere handelt; vgl. LYK (1995) S. 283 ff.; s. auch V. BALLMOOS (1997) S. 347; BÖCKLI, BJM (1998) S. 234 f.; LENGAUER (2002) S. 473 f. 537 Art. 21 BEHG; hierzu Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 21 N 1 ff.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 980c. DERS., BJM (1998) S. 235 ff. Diese Meldung ist danach sowohl im SHAB als auch in mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien, welche Börseninformationen verbreiten, zu veröffentlichen; vgl. Art. 19 BEHV-EBK. 538 Art. 85 ff. EU-Börsenzulassungs-RL. Betreffend der Berechnung der Stimmrechte (Art. 92 ff. EUBörsenzulassungs-RL) ist die Richtlinie um einiges detaillierter als das BEHG. Hingegen entspricht in diesem Punkt die Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission über die Börsen und den Effektenhandel (insb. Art. 9-23 BEHV-EBK; vgl. auch Mitteilung der Offenlegungsstelle Nr. III/99, Berechnung der Beteiligung vom 26. Februar 1999) grundsätzlich den europäischen Anforderungen. In einigen Punkten geht die Schweiz sogar weiter. So beginnt die Meldepflicht gemäss der europäischen Richtlinie erst bei 10% der Stimmrechte (Art. 89 EU-Börsenzulassungs-RL). Strengere Verpflichtungen bei der Umsetzung dieser RL sind hingegen auch für EU-Mitgliedstaaten möglich (Art. 88 EU-Börsenzulassungs-RL); s. hierzu auch Botschaft BEHG S. 1410. 2. TEIL BÖRSENRECHT 107 An anderer Stelle auferlegt das Börsengesetz Aktionären, die eine Beteiligung von über 5% einer Zielgesellschaft besitzen, eine Sondermeldepflicht. Gemäss Art. 31 BEHG werden diese während eines öffentlichen Angebotsverfahrens verpflichtet, jede Transaktion, sei es auch nur der Verkauf einer einzigen Aktie, der Gesellschaft zu melden. 539 3. Besonderheiten der Offenlegung beim IPO 3.1. Offenlegung im Prospekt Nach dem IPO ist Art. 20 BEHG unverzüglich anwendbar, d.h. die (neuen bzw. verbleibenden) Grossaktionäre sind verpflichtet, mit der Kotierung die Höhe ihrer Beteiligungen zu melden. 540 Um die Anleger anlässlich der Kotierung ausreichend zu informieren, müssen die bedeutenden verbleibenden Aktionäre indes bereits im Kotierungsprospekt publiziert werden.541 Eine diesbezügliche Bestimmung im Kotierungsreglement hat mindestens derjenigen des BEHG zu entsprechen, darf aber auch strenger sein. 542 Die Meldepflicht von Art. 20 BEHG ist für die im Kotierungsprospekt genannten Aktionäre deshalb bereits im Zeitpunkt der Publikumsöffnung erfüllt, da die Information dem Publikum auf einem anderen Weg zugänglich gemacht wurde. Eine zusätzliche Publikation nach dem Verfahren von BEHV-EBK (Art. 17 ff.) kann daher entfallen. 543 Ist der Gesellschaft allerdings ein bedeutender Aktionär im Zeitpunkt des IPOs nicht bekannt und dieser deshalb nicht im Prospekt aufgeführt, bleibt dessen eigenständige Meldepflicht im Sinn von Art. 20 BEHG bestehen. 544 539 Vgl. Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 129 ff.; BÖCKLI, BJM (1998) S. 251. 540 Der im Rahmen des Festübernahmeverfahrens durch die Banken vor der Kotierung übernommene Teil der Papiere fällt – mangels kotierter Beteiligungspapiere – nicht unter die Meldepflicht von Art. 20 BEGH; vgl. Mitteilung der Offenlegungsstelle Nr. I/01 541 Art. 8 Abs. 2 BEHG. Nach Art. 32 ff. KR und dem Anh. zum KR (Schema A KR Rz 1.5.9) hat der Kotierungsprospekt der an der SWX kotierten Gesellschaften Angaben betreffend der Offenlegung von bedeutenden Beteiligungen zu enthalten. 542 Beispielsweise die Meldung von Beteiligungen unter 5% der Stimmrechte. Die SWX hingegen begnügt sich mit der Angabe gemäss Art. 20 BEHG; vgl. Schema A KR Rz 1.5.9. 543 Vgl. dazu Mitteilung der Offenlegungsstelle Nr. I/99; Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 51 N 7 f. 544 Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 51 N 8. Der betreffende Aktionär ist somit verpflichtet, seine Beteiligung innerhalb von vier Börsentagen seit dem ersten Handelstag an der Börse zu melden; vgl. Art. 18 BEHV-EBK; Mitteilung der Offenlegungsstelle Nr. I/99. 2. TEIL BÖRSENRECHT 108 3.2. Offenlegung eigener Beteiligungsrechte Einleuchtend ist die Bestimmung, dass nicht nur bedeutende fremde Aktionäre gemeldet werden müssen, sondern auch die Anzahl eigener Beteiligungsrechte, welche die Publikumsgesellschaft selbst hält. 545 Diese Zahl wird in der Praxis nicht allzu gross sein, da die Gesellschaften diesbezüglich schon durch das Aktienrecht eingeschränkt werden. 546 Alsdann widerspricht das Halten eigener Papiere dem Öffnungsgedanke des IPOs. Vor allem wenn, dieses zur Finanzierung künftiger Investitionen geplant ist, ist anzunehmen, dass nur wenig frei verwendbares Eigenkapital vorhanden sein wird, um eigene Papiere zu erwerben. 547 3.3. Offenlegung von Bestandesveränderungen der Insider nach dem IPO Weder das BEHG noch das Kotierungsreglement der SWX verpflichten die Altaktionäre oder das Management der Publikumsgesellschaft, allfällige Bestandesveränderungen ihrer Beteiligung anzugeben, sofern die oben genannten Schwellen des BEHG nicht tangiert werden. Für die neuen und die potentiellen Aktionäre können solche Informationen hingegen von grosser Bedeutung sein, da die Gründungsaktionäre und das Management ihr Unternehmen am besten kennen und somit am ehesten feststellen, wann die Gesellschaft überbewertet ist. Die Investoren wollen daher wissen, wenn sich die Altaktionäre finanziell verabschieden. Zur Förderung von Transparenz wäre aus Sicht der Anleger die Angabe einer allfälligen Bestandesveränderung von Beteiligungen der Altaktionäre und Insider während einer bestimmten Zeit nach dem IPO sehr hilfreich. 548 Eine Art. 31 BEHG entsprechende Pflicht derjenigen Altaktionäre, welche mindestens zwei Prozent der Stimm- oder Kapitalrechte der neuen Publikumsgesellschaft halten, sämtliche Käufe und Verkäufe von Beteiligungspapieren während etwa zwei bis fünf Jahre ab dem Zeitpunkt des IPOs bzw. nach Ablauf der Lock-up-Frist zu melden, wäre eine begrüssens- 545 Vgl. z.B. Schema A KR Rz 1.5.8. 546 Art. 659 ff. OR; vgl. neben vielen BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 380a ff.; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 40 N 131 ff.; Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 119. 547 Denkbar wäre lediglich, dass die Gesellschaft eine gewisse Anzahl eigener Aktien im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen hält. 548 Gemäss der Corporate Governance-RL (Anh. Ziff. 5.5) ist immerhin die Anzahl der Aktien der Publikumsgesellschaft zu veröffentlichen, welche per Stichtag von den Verwaltungsräten gehalten werden. 2. TEIL BÖRSENRECHT 109 werte Bestimmung. 549 Noch wirkungsvoller wäre schliesslich auch eine Bestimmung, wonach die betreffenden Personen Aktienverkäufe des eigenen Unternehmens vor deren Ausführung und nicht erst im Nachhinein bekannt geben müssten. Eine solche Verpflichtung entspräche dem Postulat der grösstmöglichen Transparenz und wäre daher zu begrüssen. Durchgesetzt werden könnte diese Bestimmung mittels Androhung einer Busse im Falle der Verletzung oder durch die Beibehaltung der separaten Valorennummer, die regelmässig bereits zur Durchsetzung der Lock-up-Verpflichtung besteht. 550 Einen Schritt in diese Richtung versuchte der deutsche Neue Markt einzuschlagen. Durch dessen Regelwerk wurden die Emittenten verpflichtet, der Deutschen Börse AG jedes Geschäft mitzuteilen, welches sie selber und ihre Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Zusammenhang mit eigenen Aktien oder von diesen abhängigen Derivaten tätigten. 551 Allerdings wurde diese Bestimmung des deutschen Neuen Marktes mit dem Beschluss des Vorstands der Deutschen Börse AG vom 27. Juni 2002 wieder aufgehoben. Auch die SWX plant mittels Revision des Kotierungsreglements, Mitglieder des Verwaltungsrates oder der Geschäftsleitung eines Emittenten zu verpflichten, Transaktionen in eigene Papiere offen zu legen.552 Wie bei der ehemaligen Regelung des deutschen Neuen Marktes werden hiermit die Verkäufe der Gründungsaktionäre – sofern ihnen keine Verwaltungsrats- bzw. Geschäftsleitungsfunktion zukommt – von der Mitteilungsverpflichtung nicht erfasst. Da die Offenlegung von Management-Transaktionen die Informationsversorgung der Anleger insoweit fördert, als die Tatsache, dass das Management eines Emittenten eigene Beteiligungspapiere kauft bzw. verkauft, Rückschlüsse auf zukünftige Wertentwicklungen zulässt, ist diese Regelung für die Schaffung von Transparenz immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollte m.E. ebenfalls die Aufnahme der Gründungsaktionäre in den Kreis der zur Meldung verpflichteten Personen zumindest für eine begrenzte Zeit nach dem IPO in Erwägung gezogen werden. In Anbetracht des eher skeptischen Grundtenors der Vernehmlassung ist allerdings zu erwarten, dass sich der Inhalt der Regelung noch ändern wird. 549 Vgl. SENN, Meldepflicht (1993) S. 231 f.; WEBER, Offenlegungspflichten (1994) S. 305; FREI, Übernahmeangebote (1997) S. 248. 550 Vgl. hinten Kap. C/4.2. 551 „Disclosure of Directors Dealings“; vgl. Abschnitt 2 Ziff. 7.2. Regelwerk (deutscher) Neuer Markt (Stand 18. Oktober 2001). 552 Vgl. SWX Vernehmlassung Management-Transaktionen. 2. TEIL BÖRSENRECHT 110 4. Durchsetzung der Offenlegungspflicht Bei der Durchsetzung der Meldepflichten sind die Gesellschaften und Börsen in erster Linie auf die Mitwirkung der Aktionäre selber angewiesen. 553 Hat aber eine Publikumsgesellschaft selbst Grund zur Annahme, dass ein Aktionär seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist, so ist sie verpflichtet, dies der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. 554 Da das Aktienrecht noch keine besondere Sanktionsnorm bezüglich der Verletzung der (aktienrechtlichen) Offenlegungspflicht kennt, 555 ist eine solche nun im Börsengesetz enthalten. Danach kann einem Aktionär, der seine Offenlegungsverpflichtung vorsätzlich missachtet, eine Busse auferlegt werden, die bis das doppelte des Kaufs- bzw. Verkaufspreises betragen kann. 556 Beim IPO einer (kleineren) Gesellschaft werden die Aktionäre regelmässig bekannt sein, da diese der Unternehmung häufig noch sehr nahe stehen. Damit wird die Publizitätspflicht der bedeutenden Aktionäre im Kotierungsprospekt bei den meisten IPOs nur wenig Probleme bereiten. Nach dem IPO hingegen sind die Gesellschaft bzw. die Offenlegungsstelle davon abhängig, dass die betreffenden Aktionäre die Höhe ihrer Beteiligung beim Überschreiten der Schwellenwerte tatsächlich offen legen. C. Lock-up-Klausel 1. Zweck von Verkaufsbeschränkungen Zur Absicherung des IPOs vor übermässigen Verkäufen und hinsichtlich einer dadurch einfacher zu bewerkstelligenden Kurspflege vereinbaren die Emissionsbanken häufig mit den verbleibenden Grossaktionären 557 und der künftigen Publikumsgesellschaft ein sogenanntes Lock-up. 558 553 Die Gesellschaft hat bei Inhaberaktien praktisch keine Möglichkeiten, die Verletzung der gesetzlichen Meldepflichten zu kontrollieren. 554 Art. 20 Abs. 4, Art. 21 BEHG; hierzu Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 364 f. 555 Z.B. BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 980a. 556 Art. 41 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BEHG; vgl. auch Botschaft BEHG S. 1420 ff., 1426; NATER (2001) S. 104 ff. 557 Insb. Gründungsaktionäre, Management und eventuell beteiligte Private Equity-Gesellschaft. 558 Auch Marktschonungsvereinbarung genannt; vgl. auch die Regelung des SWX New Markets (3.Teil/II/B/2.5). Diese Lock-up-Vereinbarungen sind nicht zu verwechseln mit den „Lock-ups“ als Abwehrmassnahme gegenüber öffentlichen Übernahmeangeboten; dazu vorne Kap. I/D/3.2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 111 Mit dieser Vereinbarung verpflichten sich die Altaktionäre, ihre Aktien über eine gewisse Zeitspanne nach dem IPO nicht über die Börse zu verkaufen. 559 Dadurch wirken sie dem Eindruck entgegen, dass sie das IPO lediglich aus Liquidationsmotiven durchführen 560 und die restlichen Anteile zu einem Maximalpreis bald möglichst zu verkaufen gedenken. Namentlich Start-up-Unternehmen sind regelmässig nur von einigen wenigen Personen abhängig. 561 Deshalb ist es für die künftigen Investoren wichtig, dass das Engagement der Gründungsaktionäre auch nach dem IPO anhält. Das Eingehen dieser Verpflichtung dokumentiert, dass die Altaktionäre sich weiterhin mit der Strategie des Unternehmens identifizieren und den Börsengang nicht als willkommene Exitgelegenheit betrachten. Des Weiteren soll vermieden werden, dass die Altaktionäre durch ihr Insiderwissen ihre Papiere verkaufen, sobald sie feststellen, dass die neukotierte Gesellschaft überbewertet ist. Ein solcher Verkauf würde ein schlechtes Bild auf die Gesellschaft werfen und suggerieren, dass sich eine Investition nicht mehr lohnt. 562 Neben den Altaktionären verpflichtet sich die künftige Publikumsgesellschaft während der vereinbarten Frist, keine weiteren Beteiligungsrechte zu emittieren oder Erwerbs-, Wandel- oder Umtauschrechte auszugeben, welche zum Bezug von neuen Beteiligungsrechten berechtigen. Damit schützt die Vereinbarung die neuen Aktionäre davor, dass der Wert der von ihnen erworbenen Titel bald wieder durch weitere Kapitalerhöhungen verwässert wird. Lock-up-Agreements dienen ferner dazu, ein Überangebot an Titeln und eine entsprechend schlechte Kursentwicklung in den ersten Monaten nach dem IPO zu vermeiden. Mit dem verminderten Angebot auf dem Sekundärmarkt verringert sich für die Emissionshäuser auch die Gefahr, Kursstabilisierungsmassnahmen vornehmen zu müssen,563 was für diese mit geringeren Kosten und damit einer einfacheren Wahrung der Reputation gleichkommt. Daher liegt es besonders im Interesse der Emissionshäuser, dass sich die künftige Publikumsgesellschaft und deren Grossaktionäre einer solchen Verpflichtung unterstellen. Schliesslich sind die Emissionsbanken auch versucht, alle beim 559 Vgl. CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 339. 560 Vorwurf eines „cashing out“; vgl. GOMPERS/LERNER (1999) S. 209; JURIUS (2003) Rz 4. 561 Diese Gesellschaften selbst weisen häufig noch keine grossen Gewinne bzw. Cash Flow aus, weshalb das Management für den künftigen Erfolg der Gesellschaft von grosser Wichtigkeit ist. 562 Würden die Altaktionäre ihre Beteiligung in einer Phase der Markteuphorie kurz nach dem IPO verkaufen, so würde dadurch der Eindruck erweckt, dass die Altaktionäre (die ihr Unternehmen am besten kennen) den Wert und die Zukunft nicht mehr ganz so rosig einschätzen wie die übrigen (weniger informierten) Anleger; vgl. GOMPERS/LERNER (1999) S. 206. 563 Vgl. hinten Kap. III/E/2.2. 2. TEIL BÖRSENRECHT 112 IPO zum Verkauf stehenden Papiere selber an den Markt zu bringen, da von dem angebotenen Volumen ihre Provision abhängt. Verkaufen die Altaktionäre hingegen ihre Papiere nach dem IPO über die Börse, so erzielen die Emissionsbanken dadurch keine Provisionen mehr. 2. Vertragliche Vereinbarung Die Abgabe der Lock-up-Erklärung lässt sich von einem Altaktionär nicht erzwingen, denn eine solche Erklärung erschwert dem Aktionär den Verkauf seiner Papiere in einer Weise, die wirtschaftlich einer Vinkulierung nahe kommt und verpflichtet ihn somit zu einem Unterlassen, das er von Gesetzes wegen nicht schuldet. 564 Insofern sind die künftige Publikumsgesellschaft und die Emissionsbanken diesbezüglich auf die Kooperation der (Gross-)Aktionäre angewiesen. 565 Die Altaktionäre haben hingegen meist ein eigenes Interesse, eine Marktschonungsvereinbarung einzugehen, setzt diese doch ein positives Zeichen für die neuen Investoren, was schliesslich den Emissionspreis und damit den Gewinn begünstigt. Da Grossaktionäre mit der Gesellschaft eng verbunden sind und in der Regel das IPO unterstützen, werden sie die Verpflichtung eingehen, da andernfalls die Emissionsbanken sich vielfach nicht bereit erklären, das IPO zu begleiten. Häufig liegt es auch nicht im Interesse eines Grossaktionärs, seine Papiere so schnell wie möglich nach dem IPO abzustossen, da dies schlechte Auswirkungen auf die Marktentwicklung hätte. 566 Ein Grossaktionär sollte sich demzufolge von Anfang an bewusst sein, wie viele Papiere er auf den Markt bringen will, d.h. ob er ein vollständiges Exit vornehmen oder noch einen Anteil seiner Investition behalten will. Die Gestaltungsformen des Lock-up-Agreements sind vielfältig. Sie reichen von der strengen Auflage, eine gewisse Zeit lang keine Titel (bzw. nur mit Zustimmung der Emissionsbank) zu verkaufen, bis zur allgemein gehaltenen Pflicht, bei Verkäufen eine 564 Im schweizerischen Recht existiert gemäss Art. 680 Abs. 1 OR keine Treuepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft; vgl. auch LUTTER/DRYGALA (1995) S. 252. 565 In Fällen, in denen es für die Gesellschaft notwendig ist, eine solche Erklärung zu verlangen (z.B., weil diese sonst keinen Emissionsbegleiter findet und finanziell unausweichlich auf den Börsengang angewiesen ist), sehen LUTTER/DRYGALA ([1995] S. 250) eine Möglichkeit, den Aktionär hierzu zu verpflichten, da die Abgabe einer solchen Erklärung für den Grossaktionär in der Regel zumutbar ist. 566 Es kann auch ein Vorteil sein, nicht alle Papiere sofort zu verkaufen und mit dem vollständigen Exit zuzuwarten. Möglicherweise liegen die Kurse der Papiere ein Jahr nach dem IPO über dem Emis- 2. TEIL BÖRSENRECHT 113 Kursschonung sicherzustellen. 567 Die vertraglichen Sperrfristen, die bei IPOs in der Schweiz vereinbart werden, variieren zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. 568 Von der Vereinbarung erfasst wird regelmässig nicht nur der Verkauf, sondern jegliche Form des Zum-Verkauf-Anbietens, die Äusserung von Verkaufsabsichten, Termingeschäfte, das Einräumen von Wandel- und Erwerbsrechten, der Erwerb von Put-Optionen, der Abschluss von Swap- und Tauschverträgen sowie die Sicherungsübereignung. 569 Den Altaktionären gleichzustellen sind schliesslich auch die wirtschaftlich Berechtigten an den entsprechenden Beteiligungen, welche ebenfalls eine solche Verpflichtung unterzeichnen sollten. 570 Bezüglich Lock-up-Verpflichtungen hat die SWX spezifische Regeln aufgestellt. 571 Diese sind primär auf Lock-up-Verpflichtungen gemäss Art. 7 des ZR-NM anwendbar. 572 Vertraglich festgelegte Veräusserungsverbote, die über dessen Anwendungsbereich hinausgehen, wie beispielsweise Veräusserungsverbote für am Hauptsegment oder am New Market kotierte Gesellschaften, die länger als sechs Monate bestehen, werden vom Reglement und der Richtlinie zwar nicht erfasst, doch empfiehlt die SWX, auch solche Veräusserungsverbote möglichst analog auszugestalten. 573 3. Zwingende Verpflichtung Die Vereinbarung von Lock-ups wird dem Muster der NASDAQ entsprechend für die Kotierung an einzelnen Börsen zwingend vorausgesetzt. Durch die weite Verbreitung solcher Lock-up-Vereinbarungen (insb. an den Neuen Märkten 574 ) muss die Frage gestellt werden, ob es sich bei solchen Pflichten um einen internationalen Standard für IPOs handelt, welchem gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG Rechnung zu tragen ist. Dementsprechend schreibt das Zusatzreglement für die Kotierung von Effekten im SWX New sionskurs, wodurch mit einem Verkauf einer zweiten Tranche der aus einem Exit resultierende Gewinn gesteigert werden kann. 567 CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 339; vgl. JURIUS (2003) Rz 3. 568 Wird hingegen die Dauer der Verpflichtung nicht im Vertrag (oder durch das entsprechende Kotierungsreglement) geregelt, so stellt sich die Frage, wie lange diese den Grossaktionär bindet; hierzu ausführlich LUTTER/DRYGALA (1995) S. 250. 569 Analog Rz 15 Lock-up-RL. 570 Vgl. Rz 10 Lock-up-RL. 571 Richtlinie betr. Veräusserungsverbote (Lock-up-Agreements) vom 23. November 2000. 572 Hierzu hinten Kap. 3 u. 3.Teil/II/B. 573 Rz 4 Lock-up-RL. 574 Bspw. SWX New Market, Neuer Markt (Deutschland), Nouveau Marché (Frankreich), Nuevo Mercado (Spanien). 2. TEIL BÖRSENRECHT 114 Market vor, dass sich der Emittent selbst sowie qualifizierte Aktionäre zu verpflichten haben, innerhalb eines Zeitraums von mindestens sechs Monaten keine Beteiligungsrechte zu veräussern. 575 Gemäss ZR-NM hat der Gesuchsteller (i.d.R. der Leadmanager) 576 den Nachweis zu erbringen, dass die betroffenen Personen sich einzeln und in verbindlicher Weise der Lock-up-Verpflichtung unterstellen. Die Veräusserungsbeschränkungen sind deshalb vertraglich zwischen dem Leadmanager (Gesuchsteller) einerseits sowie dem Emittenten und den Altaktionären andererseits festzulegen. Dem Veräusserungsverbot des SWX New Market unterliegen nicht sämtliche Altaktionäre, sondern lediglich diejenigen, die unmittelbar vor dem Zeitpunkt des IPOs über mehr als zwei Prozent des ausstehenden Kapitals oder der ausstehenden Stimmrechte verfügen.577 Mit dieser Bestimmung wird ausserdem erreicht, dass die im Kotierungsreglement ebenfalls enthaltene zwingende Verpflichtung zur Kapitalerhöhung von 50% des zu platzierenden Emissionsvolumens nicht umgangen wird. 578 Da ein Verkauf der Titel nach dem IPO keine neuen Mittel in die Gesellschaft bringt, werden die verkaufswilligen Aktionäre durch das Lock-up gezwungen, ihre Papiere zum Zeitpunkt des IPOs anzubieten und nicht kurze Zeit später auf dem Sekundärmarkt. 4. Durchsetzung der Lock-up-Verpflichtung 4.1. Sanktionen gegen die Emissionshäuser Die Regelung des ZR-NM knüpft bei den Emissionshäusern (Leadmanagern) an. Als Gesuchsteller der Kotierung müssen diese nachweisen, dass die künftige Publikumsgesellschaft und die gewichtigen Altaktionäre „einzeln und in rechtsverbindlicher Weise“ die Lock-up-Verpflichtung eingegangen sind.579 Der Sanktionskatalog umfasst Bussen bis CHF 200’000.– oder den Ausschluss von weiteren Kotierungen. 580 Die Emissionshäuser sind damit Garanten, die besorgt sein müssen, dass die gebundenen Grossaktionäre und die Publikumsgesellschaft ihre Lock-up-Verpflichtung einhalten. 575 Art. 7 Abs. 1 ZR-NM. 576 Vgl. 3.Teil/II/A/2.1. 577 Vgl. 3.Teil/II/B/2.5.1. 578 Bei einem Secondary Offering müssen gemäss Art. 6 ZR-NM anlässlich des IPOs 50% neue Mittel aus einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft zufliessen; vgl. 3.Teil/II/B/2.4; ebenso Abschnitt 2 Ziff. 3.8 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. 579 Art. 7 Abs. 1 ZR-NM. 580 Art. 23 ZR-NM i.V.m. Art. 82 KR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 4.2. 115 Sicherheitsverwahrung und separate Valorennummer Durchgesetzt werden können die Lock-up-Verpflichtungen, indem die verpflichteten Aktionäre die gebundenen Aktien bei der Emissionsbank in die Depotverwaltung geben. Eine weitere Möglichkeit zur Durchsetzung hat die SIS geschaffen, indem für solche Papiere eine separate Valorennummer beantragt werden kann. 581 Für am SWX New Market kotierte Papiere, die einer Sperrfrist gemäss Art. 7 ZR-NM unterliegen, ist die federführende Bank verpflichtet, eine separate Valorennummer zu beantragen. 582 Für die Durchsetzung der übrigen vertraglichen Lock-up-Vereinbarungen ist ebenfalls zu empfehlen, eine solche bei der SIS zu beantragen. 583 Obwohl Beteiligungsrechte, die eine separate Valorennummer besitzen, als kotiert gelten, können sie nicht über die SWX gehandelt werden und gelten als nicht usanzgemässe Lieferung im Sinne der AGB der SWX. 584 Nach Ablauf der Lock-up-Pflicht hat die Leadbank bei der SIS die Umbuchung der Bestände mit separaten Nummern zu beantragen.585 Erst danach ist es den Altaktionären möglich, ihre Bestände über die Börse zu verkaufen. Die Verkaufsmöglichkeit des Aktionärs ausserhalb der Börse wird durch eine separate Valorennummer indes nicht vollumfänglich eingeschränkt. So bleibt die Möglichkeit eines paketweisen Verkaufs oder die Umgehung mittels (komplexer) Derivattransaktionen bestehen. 586 4.3. Schadenersatz Da trotz separater Valorennummer Umgehungsmöglichkeiten immer noch vorhanden sind, stellt sich die Frage möglicher Rechtsfolgen einer allfälligen Missachtung der Pflicht. Berechtigt an der Lock-up-Verpflichtung sind in erster Linie die Emissionshäuser, denen gegenüber diese Erklärung abgegeben wurde. Handelt der Grossaktionär einer solchen Vereinbarung zuwider und verkauft seine Papiere oder bietet diese auf andere Weise an, so ist darin eine Verletzung seiner vertraglichen Rechtspflichten zu sehen. Insofern haben die Emissionsbanken und insbesondere der Leadmanager einen Unterlassungsanspruch. Für dessen Durchsetzung wird es allerdings vielfach zu spät sein. 581 Die SIS führt nur eine separate Valorennummer pro Originalvalor; vgl. Merkblatt SIS betr. Veräusserungsverbote Ziff. 2. 582 Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 15/2000 vom 18. Dezember 2000; Rz 38 ff. Lock-up-RL; Merkblatt SIS; s. hinten 3.Teil/II/B/2.5. 583 Vgl. Rz 4 Lock-up-RL. 584 Vgl. Rz 39 Lock-up-RL. 585 Rz 41 f. Lock-up-RL. 586 Vgl. KÄLIN (2000) S. 17. 2. TEIL BÖRSENRECHT 116 Effizienter sind deshalb Schadenersatzansprüche, die bei einer allfälligen Vertragsverletzung primär den Emissionsbanken zustehen.587 Es ist allerdings fraglich, ob einem Emissionshaus bei der Missachtung der Lock-up-Pflicht überhaupt ein Schaden entsteht. 588 War das IPO anfangs ein Erfolg, d.h. konnten alle Aktien im Publikum platziert werden, so stellt ein schlechter Kursverlauf für das Emissionshaus lediglich einen nur schwer nachweisbaren immateriellen Schaden dar. Ein zu ersetzender Schaden kann hingegen eine allfällige Busse darstellen, welche dem Emissionshaus aufgrund der Verletzung von Kotierungsbestimmungen, beispielsweise Art. 7 ZR-NM, auferlegt wurde. 589 Einen Schaden aus dem vertragswidrigen Verhalten des verkaufenden Aktionärs können vor allem die neuen Aktionäre, aber auch die Publikumsgesellschaft selbst erleiden. Bei den Aktionären kann sich der Schaden in einem Kursverlust der Papiere zeigen. Bei der Gesellschaft ist ein Schaden beispielsweise darin zu sehen, dass sie wegen des schlechten Kursverlaufs auf eine von ihr geplante weitere Inanspruchnahme des Kapitalmarkts verzichten muss. 590 Schwierigkeiten bereitet allerdings die Bemessung des allfälligen Schadens. Einzig eine etwaige Busse, die dem Emissionshaus auferlegt worden wäre, kann als Schaden leicht beziffert werden. Hingegen erweist sich die Berechnung des Schadens, den die Gesellschaft oder die Publikumsaktionäre erleiden, als äusserst schwierig. So ist beispielsweise der hypothetische Kurswert der Papiere ohne einen unerlaubten Verkauf im Nachhinein nur schwer abschätzbar. 591 Der Nachweis der Vertragsverletzung und des Kausalzusammenhangs592 zwischen dem eingetretenen Schaden und der Verletzung der Lock-upPflicht ist vom Geschädigten in der Regel ebenfalls nicht leicht zu erbringen. 593 Das Verschulden wird bei der Geltendmachung vertraglicher Schadenersatzansprüche hingegen vermutet. 594 587 Art. 98 Abs. 2 OR; Art. 99 Abs. 2 u. 3 OR. 588 Hierzu CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 339. 589 Vgl. vorne Kap. 4.1. 590 Z.B. Verzicht auf die Beschaffung von FK, welche durch die gefallenen Aktienkurse nicht mehr möglich ist oder, wenn die Altaktionäre eine längere Lock-up-Frist eingegangen sind als die junge Publikumsgesellschaft, Verzicht auf eine (weitere) Kapitalerhöhung. 591 Zur Differenztheorie vgl. neben vielen SCHWENZER (1998) N 14.03 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/ REY (1998) Rz 2624 ff. So kann eine Preisänderung auch noch andere Ursachen haben als die Verletzung der Lock-up-Pflicht. 592 Natürlicher und adäquater. 593 Vgl. JURIUS (2003) Rz 4. 594 Art. 97 Abs. 1 OR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 117 Eine Haftung des verpflichteten Grossaktionärs auf Schadenersatz gegenüber der Gesellschaft und den Neuaktionären kann in Betracht kommen, wenn die Lock-up-Verpflichtung speziell auch für diese Personen ihre Schutzwirkung entfaltet. 595 Bei einem IPO besteht zwischen der Emissionsbank und der künftigen Publikumsgesellschaft eine Rechtsbeziehung, aus der die Bank als Gläubigerin ein Interesse am Schutz der Gesellschaft hat. Dass die Gesellschaft in den Schutzbereich einer Lock-up-Verpflichtung mit einbezogen ist, ergibt sich aus deren Zweck, eine stetige Kursentwicklung sicherzustellen. 596 Durch die Beratungspflicht des Effektenhändlers wird dieser bei der Abfassung der Emissionsbedingungen auch die Interessen der Gesellschaft im Auge haben und ihr deshalb Massnahmen gegen einen vermeidbaren Kurszerfall nahe legen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass ein Emissionshaus eine Lock-up-Verpflichtung nicht nur im eigenen Interesse aufnimmt, sondern auch zum Schutz der Gesellschaft. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Emissionsbank mit den Grossaktionären einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (nämlich der Gesellschaft) eingeht, was der neuen Publikumsgesellschaft erlaubt, direkte (Schadenersatz-)Ansprüche gegen zuwiderhandelnde Altaktionäre anzumelden. 597 Zu einem ähnlichen Ergebnis führt die Qualifikation der Lock-up-Verpflichtung als echten Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR. 598 Da sich der Übernahmevertrag regelmässig einzig auf das Verhältnis zwischen Bank und Gesellschaft bezieht, bietet dieser in der Regel keine Schutzwirkung bezüglich der übrigen Aktionäre. 599 Zu prüfen ist hingegen die Herleitung einer Schutzpflicht aufgrund des rechtsgeschäftlichen Verhältnisses der Bank mit den neuen Anlegern. So entstehen beim Vertrieb von Wertpapieren durchaus Nebenpflichten, doch betreffen diese in erster Linie die Bereiche Publizität und Aufklärung. 600 Eine Verpflichtung des Emissionshauses, die Aktionärsinteressen diesbezüglich zu schützen, dass die Aktienkurse nicht durch über595 LUTTER/DRYGALA (1995) S. 247; bzgl. Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte vgl. SCHWENZER (1998) N 87.01 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 4042 ff.; OR-WIEGAND, Bd I (1996) Einleitung zu Art. 97-109 N 9. 596 An einer stetigen Kursentwicklung haben sowohl die Bank als auch die neue Publikumsgesellschaft ein Interesse – die Bank im Hinblick auf ihre Position bei weiteren IPOs, die Gesellschaft im Hinblick auf künftige Emissionen. 597 Vgl. auch SCHWENZER (1998) N 87.05, die dieses Institut für das Schweizer Recht ablehnt. 598 Vgl. hierzu GUHL/KOLLER (2000) § 22 Rz 10 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 4016; SCHWENZER (1998) N 86.01 ff. 599 LUTTER/DRYGALA (1995) S. 247 ff.; CANARIS (1981) Rz 2267; WATTER/REUTTER (2002) S. 29; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 173. 600 Zu den Pflichten des Effektenhändlers und insb. Art. 11 BEHG s. hinten Kap. III/D/4.4.3. 2. TEIL BÖRSENRECHT 118 mässige Verkäufe von Altaktionären gedrückt werden, geht hingegen deutlich über das geschuldete Mass an Anlegerschutz hinaus. 601 Aus den oben genannten Gründen kann keine Schutzwirkung der Lock-up-Verpflichtung der Aktionäre bejaht werden, weshalb den neuen Publikumsaktionären aus der Lock-up-Verpflichtung keine direkten Ansprüche zustehen; dies selbst dann nicht, wenn die Lock-up-Verpflichtung als Teil des Emissionsprospekts veröffentlicht oder vom jeweiligen Börsensegment verlangt wurde. Denkbar ist indes, dass die Emissionshäuser den Schaden ihrer Kunden im Sinne eines unechten Vertrags zugunsten Dritter oder mittels Drittschadensliquidation geltend machen. Beim unechten Vertrag zugunsten Dritter haben die Publikumsaktionäre kein direktes Forderungsrecht gegenüber dem verkaufenden Grossaktionär. Deshalb haben die Emissionshäuser als Gläubiger auf die Leistung an die geschädigten Publikumsaktionäre zu klagen. 602 Ob ein unechter Vertrag zugunsten der Publikumsaktionäre vorliegt, ist durch Auslegung der Lock-up-Vereinbarung zu ermitteln. Mittels Drittschadensliquidation ist es möglich, einen Schaden geltend zu machen, der nicht im Vermögen des ersatzberechtigten Gläubigers (Emissionshaus), sondern bei Dritten (Publikumsaktionären) entstanden ist. 603 Dieses Institut ist allerdings in der Schweiz noch umstritten. 604 Da der seine Verpflichtung verletzende Altaktionär die Drittinteressen erkennen musste, sind im vorliegenden Fall sowohl die Geltendmachung gemäss unechten Vertrag zugunsten Dritter als auch die Drittschadensliquidation grundsätzlich gutzuheissen. 605 Weiter zu prüfen ist ein Schadenersatz aufgrund unerlaubter Handlung. 606 Hierbei muss unter anderem eine Widerrechtlichkeit des Verkaufs nachgewiesen werden, wofür mangels Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts 607 die Verletzung einer Schutznorm notwendig ist. Damit stellt sich die bereits in Bezug auf die Ad-hoc-Publizität umstrittene Frage, ob Kotierungsreglemente und insbesondere Art. 7 ZR-NM Schutznormen darstellen. 608 Da das ZR-NM den Altaktionären nur indirekt ein Verkaufsverbot aufer- 601 Ebenso LUTTER/DRYGALA (1995) S. 250; vgl. auch SCHWENZER (1998) N 87.04. 602 Art. 112 Abs. 1 OR; vgl. GUHL/KOLLER (2000) § 22 Rz 9; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 4013 ff.; SCHWENZER (1998) N 86.06 ff. 603 Vgl. OR-WIEGAND, Bd. I (1996) Art. 97 N 40. 604 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 2690 ff.; vgl. BGE 112 II 235. 605 Ebenso WATTER/REUTTER (2002) S. 29 f. 606 Art. 41 OR. 607 Beim Vermögen handelt es sich um kein absolut geschütztes Rechtsgut; vgl. HONSELL (2000) § 2 N 5; ROBERTO (2002) Rz 138 ff. 608 Vgl. vorne Kap. A/7.3 insb. FN 526. 2. TEIL BÖRSENRECHT 119 legt, ist der Schutznormcharakter dieser Bestimmung zu verneinen. 609 Zu beachten ist überdies, dass das ZR-NM lediglich eine Sperrfrist von sechs Monaten enthält und alleinig für die Kotierung am SWX New Market gilt. 610 Somit gelangt diese Norm für eine länger dauernde Vereinbarung und für andere Segmente ohnehin nicht zur Anwendung und hat daher nur eine beschränkte Bedeutung. Wirkungsvoll wäre es, beim unrechtmässig erzielten Veräusserungserlös des verkaufenden Altaktionärs anzusetzen. Ein solcher Erlös kann einerseits mittels spezifischer vertraglicher Vereinbarung im Lock-up-Agreement abgeschöpft werden. Denkbar ist andererseits auch die Gewinnherausgabe aufgrund einer Geschäftsanmassung nach Art. 423 OR. Da hierfür bereits eine Verletzung relativer Rechte ausreichen kann,611 wäre es durchaus möglich, den Verletzer einer Lock-up-Vereinbarung zur Herausgabe des erzielten Veräusserungserlöses zu verpflichten. Allerdings muss der herauszugebende Gewinn in einer dem Vertragspartner des Verletzers (Emissionshaus) ausschliesslich zugewiesenen Sphäre erzielt worden sein, 612 was bei einer Missachtung der Lock-up-Pflicht in der Regel nicht der Fall ist. 613 Aus diesem Grund ist eine Gewinnherausgabe aufgrund Art. 423 OR nicht wahrscheinlich. Infolge der oben aufgezeigten Probleme, insbesondere der Schadensberechung, sollte die Einhaltung des Lock-up-Agreements mittels Vereinbarung einer Konventionalstrafe abgesichert werden. 614 Auf diese Weise gelangt ein allfällig geschuldeter Betrag allerdings wiederum primär an die Emissionsbanken, die direkt keinen oder nur einen geringen finanziellen Schaden erleiden. Damit die Aktionäre und Gesellschaft selbst von der Konventionalstrafe profitieren, muss eine solche mit der Verpflichtung der Emissionshäuser verbunden werden, die Mittel für den Zukauf der entsprechenden Titel zu verwenden 609 Ebenso WATTER/REUTTER (2002) S. 30 f. 610 Art. 7 ZR-NM; vgl. 3.Teil/II/B/2.5.1. 611 OR-WEBER, Bd. I (1996) Art. 423 Rz 6; vgl. auch GUHL/KOLLER (2000) § 48 N 44 ff. 612 Vgl. ZK-SCHMID (1993) Art. 423 Rz 77. 613 Vgl. WATTER/REUTTER (2002) S. 31. 614 Vgl. Art. 160 ff. OR. Das Regelwerk des deutschen Neuen Marktes sah die Vereinbarung einer solchen Konventionalstrafe vor: „Im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das Veräusserungsverbot verpflichte ich mich zur Zahlung einer Vertragsstrafe zugunsten der Deutsche Börse AG in Höhe des Differenzbetrages zwischen Emissionspreis und Veräusserungserlös bzw. des geldwerten Vorteils. Liegt der Veräusserungserlös bzw. geldwerte Vorteil niedriger als der Emissionspreis, werde ich die Differenz zwischen Anschaffungspreis und Veräusserungserlös bzw. geldwerten Vorteil als Vertragstrafe erstatten. Die Deutsche Börse AG wird diesen Betrag zweckgebunden für die Weiterentwicklung des Neuen Marktes einsetzen.“; Verpflichtungserklärung zum Veräusserungsverbot Anlage 1 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. 2. TEIL BÖRSENRECHT 120 und damit den Kurs der Papiere zu stützen oder diese direkt an die junge Publikumsgesellschaft zu leisten. 5. Fazit Lock-up-Verpflichtungen können einerseits zur Förderung der Anlegerinteressen beitragen. Sie zeigen, dass die Altaktionäre am Geschehen der Gesellschaft beteiligt bleiben und dass sich eine Investition in die Gesellschaft immer noch lohnt. Zudem verhindern sie, dass die Kurse durch ein übermässiges Angebot nach dem IPO zu stark abfallen und erleichtern damit die Kursstabilisierungsmassnahmen der Emissionsbanken. Andererseits bewirken Lock-ups eine künstliche Angebotsverknappung, was in Zeiten der Börseneuphorie die Kurse nach dem IPO stark in die Höhe treibt. Nur durch die begrenzt zur Verfügung stehenden Papiere sind die übermässigen Kursanstiege im Nachgang einiger IPOs zu erklären. Es ist zu beachten, dass Lock-up-Verpflichtungen das Problem grosser Verkäufe durch Altaktionäre nicht verhindern können, sondern lediglich zeitlich verschieben. Grundsätzlich ist deshalb zu erwarten, dass die mit dem Ablauf der Sperrfristen zusätzlich auf den Markt kommenden Titel die Kurse drücken. Sodann ist die Durchsetzung solcher Verpflichtungen nicht immer möglich und ein allfälliger Schaden bei einer allfälligen Umgehung nur schwierig zu beziffern. Für den Fall einer Verletzung ist deshalb wichtig, dass mit der Lock-up-Verpflichtung eine Konventionalstrafe vereinbart wird oder das Lock-up eine Bestimmung enthält, die es erlaubt, einen unrechtmässig erzielten Kapitalgewinn abzuschöpfen. Durch die Möglichkeit der Beantragung einer separaten Valorennummer bei der SIS sind die Umgehungsmöglichkeiten von Verkaufsbeschränkungen für den gebundenen Altaktionär heute allerdings stark eingeschränkt. 2. TEIL BÖRSENRECHT 121 III. DIE ROLLE DES EMISSIONSHAUSES BEIM IPO A. Emissionshaus 1. Aufgabe Gesellschaften haben einerseits die Möglichkeit, mit jedem einzelnen Investor selbst die Verhandlungen über die Emissionsmodalitäten aufzunehmen, andererseits können sie dies einem dafür spezialisierten Emissionshaus (sog. „Underwriter“) überlassen. Aufgrund ihrer Marktkenntnis und der engen Beziehung zu institutionellen und privaten Investoren kann eine Emissionsbank diese Funktion in der Regel besser und damit vielfach auch kostengünstiger ausüben als der Börsenkandidat selbst. Emissionshäuser übernehmen gemäss der Definition der Börsenverordnung gewerbsmässig 615 Effekten, die von Dritten ausgegeben worden sind, fest oder in Kommission, und bieten sie öffentlich auf dem Primärmarkt an. 616 Ein Angebot gilt als öffentlich, wenn es sich an eine unbestimmte Menge von Personen richtet, d.h. insbesondere durch Inserate, Prospekte, Rundschreiben oder elektronische Medien (z.B. Internet) verbreitet wird. 617 Da es sich beim IPO um ein öffentliches Angebot an einen unbestimmten Investorenkreis handelt, gelten die das IPO betreuenden Emissionshäuser gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. d BEHG als Effektenhändler 618 und unterliegen deshalb den (strengen) Bestimmungen des Börsengesetzes. 619 Für die Einreichung eines Kotierungsgesuches an einer Börse hat ein Emittent in der Regel über die erforderliche Sachkunde zu verfügen, welche beim IPO-Kandidaten zumeist nicht vorhanden sein wird. In solchen Fällen kommt eine künftige Publikumsgesellschaft 615 Gewerbsmässig heisst, dass das Effektengeschäft eine selbstständige und unabhängige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, die darauf ausgerichtet ist, regelmässige Erträge zu erzielen (EBK-RS 98/2 Rz 12; vgl. auch Art. 52 Abs. 3 HRegV). Der nur gelegentliche Handel mit Effekten wird somit nicht als gewerbsmässig betrachtet. 616 Art. 3 Abs. 2 BEHV; Art. 2 lit. d BEHG; vgl. neben vielen ZUFFEREY, banque ou négociant (1998) S. 200. 617 Vgl. Art. 3 BankV. 618 Art. 2 BEHV. 619 Insb. Art. 10 ff. BEHG; vgl. auch EBK-RS 98/2 Rz 24 ff.; hierzu NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 8 N 83a. 2. TEIL BÖRSENRECHT 122 nicht ohne Mithilfe anerkannter Spezialisten 620 aus, weshalb ein Emittent vielfach verpflichtet wird, sich durch solche vertreten zu lassen. 621 Es liegt daher nahe, die Emission wenn immer möglich mit Unterstützung einer Bank vorzunehmen, vor allem, weil ein IPO unter Mithilfe eines Emissionsbegleiters auch weitere Vorteile aufweist. 622 2. Bewilligungspflicht für Effektenhändler Effektenhändler dürfen ihre Tätigkeit nur mit einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde (EBK) aufnehmen. 623 Erfüllen sie alle geforderten Voraussetzungen,624 so besteht ein Rechtsanspruch auf eine Bewilligung. 625 Emissionshäuser fallen unter das Börsengesetz und benötigen damit eine Bewilligung, wenn sie hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind. 626 Die erforderliche, hauptsächlich gewerbsmässige Tätigkeit im Finanzbereich 627 wird bei Emissionshäusern, die ein IPO einer künftigen Publikumsgesellschaft betreuen, regelmässig vorliegen. 628 620 I.d.R. sind dies eine Bank oder ein Effektenhändler, aber auch Anwälte, Wirtschaftsprüfer etc.; für die Kotierung an der SWX s. insb. Rz 4 Einreichungs-RL. 621 Vgl. bspw. für die Kotierung an (allen Segmenten) der SWX Art. 50 Abs. 1 KR. 622 Unter anderem wirken die betreuenden Banken als „Gütesiegel“ für die Qualität des IPOs, haben i.d.R. die besseren Kontakte zu den Investoren, grössere Erfahrung bei der Unternehmensbewertung, Emissionspreisfindung, Dokumenteerstellung, Due Diligence etc.; vgl. HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1136 ff.; WATTER, Festübernahme (1998) S. 390. 623 Art. 10 BEHG. Ausländische Effektenhändler bedürfen gemäss Art. 39 Abs. 1 BEHV einer Bewilligung, sofern sie in der Schweiz eine Zweigniederlassung oder eine Vertretung betreiben oder Mitglied einer Börse mit Sitz in der Schweiz sind bzw. werden wollen. 624 Insb. bezüglich internen Vorschriften, Betriebsorganisation, Mindestkapital, Fachkenntnisse der verantwortlichen Mitarbeiter und Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit; vgl. Art. 10 Abs. 2 BEHG; Art. 17 ff. BEHV; hierzu Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 10 N 1 ff.; WYSS (2000) S. 44 ff. 625 Art. 4 Abs. 2 BEHG; Botschaft BEHG S. 1404; ausführlich WATTER, Effektenhändler (1996) S. 80 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 52 ff.; für die Anerkennung als Gesuchsteller an der SWX s. Einreichungs-RL. 626 Art. 2 Abs. 1 BEHV. Damit soll vermieden werden, dass Industrie- und Gewerbeunternehmen aufgrund der Tätigkeiten ihrer Finanzabteilungen unter das Börsengesetz fallen; anstatt vieler WATTER, Effektenhändler (1996) S. 70 ff.; dagegen gelten Market Maker (hierzu hinten Kap. E/2.1) immer als Effektenhändler, auch wenn sie nicht hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind; so ausdrücklich Art. 2 Abs. 2 BEHV. 627 Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 BEHV. 628 Vgl. WATTER, Effektenhändler (1996) S. 77. 2. TEIL BÖRSENRECHT 3. 123 Emissionskonsortien Zur Risikostreuung und da die Ausgabe neuer Aktien von ihrem Volumen her die Abwicklungskapazitäten und Platzierungskraft einer einzelnen Emissionsbank übersteigen kann, schliessen sich regelmässig mehrere Bankinstitute zu einem Emissionskonsortium zusammen. 629 Ein weiteres Motiv für die Konsortialbildung stellt der Grundsatz der Reziprozität dar. Demnach lädt ein Konsortialführer andere Banken zur Mitwirkung in „seinem“ Syndikat ein, um zu einem späteren Zeitpunkt selbst in einem Konsortium unter deren Leitung berücksichtigt zu werden. Schliesslich ist es für eine Investmentbank eine Prestigefrage, in möglichst vielen Konsortien vertreten zu sein. Damit tragen solche Reziprozitätsbeziehungen dazu bei, den Wettbewerb zwischen den einzelnen Emissionshäusern einzugrenzen. 630 Banken, deren Platzierungskraft zu gering ist, um ins Konsortium aufgenommen zu werden, können in Form von Unterbeteiligungen in das Emissionsgeschäft mit einbezogen werden. 631 In Fällen der mehrfachen Überzeichnung werden Letztere hingegen häufig nicht berücksichtigt. Bei einem Emissionskonsortium handelt es sich rechtlich um eine einfache Gesellschaft, 632 wobei die Rechte und Pflichten der beteiligten Banken in einem Konsortialvertrag detailliert umschrieben sind. 633 Geschäftszweck des Konsortiums ist die Platzierung der Titel im Publikum, möglicherweise verbunden mit einer nachfolgenden (zeitlich begrenzten) Markt- und Kurspflege. 629 METTLER (1990) S. 247; ROHR (1990) S. 159 ff.; KUNZ J. (1991) S. 125; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 394 ff.; WOLFF (1994) S. 92 ff.; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 299, 304 ff.; CANARIS (1981) Rz 2238 ff.; LINDER (1999) S. 92 ff., insb. S. 96; STOLZ (1998) S. 29 ff. 630 MÜLLER U. (1997) S. 246 ff.; RÖDL (1999) S. 291; CARLS (1996) S. 217; zu den wettbewerbsrechtlichen Aspekten s. hinten Kap.D/ 4.6. 631 EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 397; ROHR (1990) S. 160 f., 177 ff. 632 Art. 530 ff. OR; neben vielen GUHL/DRUEY (2000) § 61 N 23. 633 Insb. Federführung (Lead Manager) und Beteiligungsquote; hierzu EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 394. 2. TEIL BÖRSENRECHT 124 B. Übernahme und Platzierung der Papiere 1. Übernahmevertrag Das Rechtsverhältnis zwischen der künftigen Publikumsgesellschaft und dem Bankenkonsortium wird durch den Übernahmevertrag geregelt. Vertragspartner sind dabei der IPO-Kandidat, die verkaufswilligen Grossaktionäre und jeder einzelne Konsorte (Bank), vertreten durch den Konsortialführer. Vertragsgegenstand ist insbesondere die Übernahme der Papiere zum Zweck der öffentlichen Emission, verbunden mit der anschliessenden Kotierung an der Börse. 634 Im Vertrag werden im Weiteren die Modalitäten der Übernahme festgelegt, wie Art der Übernahme, Übernahmepreis, Rechte und Pflichten der Parteien sowie eine allfällige Rücktrittsklausel 635 . Im Rahmen der Übernahme bieten die Banken weitere Beratungsdienstleistungen an, wodurch der Emittent zusätzlich vom Fachwissen der Banken profitiert. Alsdann stellen die Banken den beim Primary Offering in der Regel notwendigen Emissionskredit zur Verfügung und unterstützen die künftige Publikumsgesellschaft im Zusammenhang mit der Erstellung des Prospekts und der Lieferung der Wertpapiere. 636 Rechtlich betrachtet handelt es sich beim Übernahmevertrag um einen Dienstleistungsvertrag sui generis mit auftragsrechtlichen Komponenten. 637 Für dessen Zustandekommen braucht es auf der Seite der Gesellschaft keine Genehmigung der Generalversammlung. Vielmehr kann der Übernahmevertrag durch den Verwaltungsrat (allenfalls mit den verkaufenden Altaktionären) allein abgeschlossen werden. 638 634 Hierzu DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 160 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 179; HOPT (1991) Rz 35 ff. 635 Sog. „Katastrophenklausel“ oder „Force-Majeure-Klausel“. Diese gibt den Banken das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, für den Fall, dass vor Ablauf der öffentlichen Zeichnungsfrist Ereignisse eintreten, welche die Durchführung des IPOs erschweren oder gefährden könnten; vgl. EMCH/RENZ/ BÖSCH (1998) S. 399 f.; CANARIS (1981) Rz 2252; PICOT/LAND (1999) S. 572; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 183. 636 WATTER, Festübernahme (1998) S. 391. Durch diese Beteiligung und die dadurch entstehende Mithaftung der Emissionshäuser (hierzu vorne Kap. II/A/5) profitiert der Emittent vom Ansehen der beteiligten Institute, womit die Platzierung erleichtert wird und zudem ein höherer Verkaufspreis zu erwarten ist. 637 Art. 394 ff. OR; vgl. STRAZZER (1995) S. 29 ff., 139 ff.; WATTER, Festübernahme (1998) S. 391 f. 638 Hierzu bereits vorne Kap. I/E. 2. TEIL BÖRSENRECHT 2. 125 Übernahme- und Platzierungsverfahren Bei den Übernahme- und Platzierungsverfahren ist zu unterscheiden zwischen der Festübernahme, der kommissionsweisen Platzierung und dem heute vorherrschenden Bookbuilding-Verfahren. Eine Festübernahme liegt vor, wenn im Rahmen des IPOs die Emissionsbank alle zu verteilenden Aktien zu einem fixen Preis in ihr Eigentum übernimmt und diese dann in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bei den Investoren platziert. 639 Beim Primary Offering werden die Aktien durch die Zeichnung des Bankenkonsortiums neu geschaffen, 640 beim Secondary Offering werden sie von einem Grossaktionär erworben. Daher tragen bei diesem Verfahren die Banken das Platzierungsrisiko, d.h. die Folgen für den Fall, dass die Titel nicht vollständig am Markt untergebracht werden können. 641 Das Platzierungsrisiko wird heute allerdings durch die Anwendung des Bookbuildingverfahrens stark vermindert. Bei der kommissionsweisen Platzierung ist die Emissionsbank lediglich als Vermittlerin der Wertpapiere tätig. Diese stellt hierzu einzig ihr Netzwerk und ihr Know-how zur Verfügung, ohne je Eigentümerin der zu platzierenden Titel zu werden. Für ihre Dienste werden die Banken in Form einer Platzierungskommission entschädigt. Infolgedessen entsteht das Vertragsverhältnis direkt zwischen der künftigen Publikumsgesellschaft und den Anlegern. 642 Die mit dem IPO verbundenen Risiken – insbesondere das Platzierungsrisiko – haben allein der Emittent beziehungsweise die verkaufenden Gründungsak639 WATTER, Festübernahme (1998) S. 387 ff.; STRAZZER (1995) S. 5 f.; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 198 ff.; WOLFF (1994) S. 109 f.; METTLER (1990) S. 155; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 23; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 391 f.; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 298. 640 Die Banken zeichnen und liberieren hierbei die Aktien treuhänderisch mit der Verpflichtung, diese anschliessend zu platzieren. Es stellt sich hierbei die Frage, ob es sich in einem solchen Fall um eine öffentliche Emission handelt; vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 249 f. m.w.H.; ORWATTER, Bd. II (2002) Art. 752 N 5; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 63 f. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob die Banken bei einer Festübernahme die technischen Aspekte einer Kapitalerhöhung (insb. Bezugsrechtswahrung) erfüllen müssen und einen Prospekt gemäss Art. 652a OR zu erstellen haben; hierzu WATTER, Festübernahme (1998) S. 392; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 174, 188; BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 22; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 250; CANARIS (1981) Rz 2243 ff. 641 Dadurch können der Emittent resp. beim Secondary Offering die verkaufenden Altaktionäre einen sicher eintreffenden Betrag einkalkulieren; so WATTER, Festübernahme (1998) S. 389 f.; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 169a ff.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 163. 642 Art. 425 ff. OR; vgl. EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 391; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 298. 2. TEIL BÖRSENRECHT 126 tionäre zu tragen. Dadurch kommt diese Vertriebsform wirtschaftlich einer Selbstemission (DPO) nahe. 643 Das heute in der Schweiz bei der Platzierung von Aktien vorherrschende Verfahren ist das Bookbuilding. Mit diesem Verfahren versuchen die Emissionshäuser, sowohl einen möglichst marktnahen Ausgabepreis zu erzielen als auch die Aktien bei möglichst langfristig orientierten Investoren zu platzieren. 644 Es handelt sich hierbei um ein nachfrageorientiertes Emissionsverfahren, bei dem die Banken versuchen, den Wert des Unternehmens zu ermitteln und die Nachfrage nach den zu platzierenden Titeln auszuloten. Infolgedessen werden die Anleger beim Bookbuilding in den Preisfindungsprozess mit einbezogen. Da die Ausgabe der Titel zu dem Preis erfolgt, zu dem alle platziert werden können, bietet das Bookbuilding-Verfahren vor allem den Vorzug, dass damit das Platzierungsrisiko der Emissionsbanken (bei der Festübernahme) beziehungsweise jenes der künftigen Publikumsgesellschaften und des verkaufenden Grossaktionärs (bei der kommissionsweisen Platzierung) weitgehend ausgeschlossen werden kann. 645 C. Pricing Zentrales Element eines IPOs ist die Festlegung des richtigen Emissions- bzw. Ausgabepreises der angebotenen Papiere. 646 Dabei handelt es sich um eine Problematik, die letztlich eng mit der Bezugsrechtsbehandlung647 und insbesondere der Zuteilungsproblematik zusammenhängt. Da eine private Gesellschaft für gewöhnlich nur schwer in der Lage sein wird, allein den richtigen Emissionskurs zu bestimmen, ist sie auf die Mithilfe Dritter angewiesen, seien dies externe Berater oder das Emissionshaus. 648 643 Vgl. KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. I (1998) § 7 N 4. 644 LÖFFLER (2000) S. 60 ff.; WEILER, Bookbuilding (2000) S. 269 ff.; SCHMITZ-ESSER/STOLZ (1998) S. 1039 ff.; BEHR/KIND (1999) S. 63 ff.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 164 ff. 645 Hierzu hinten Kap. C/2; vgl. auch HUBER (2002) S. 58 f.; WATTER, Festübernahme (1998) S. 390; HODEL (2002) S. 112. 646 Dazu BEHR/KIND (1999) S. 63 ff.; METTLER (1990) S. 202 ff.; SERFLING/PAPE/KRESSIN (1999) S. 289 ff. 647 Vgl. vorne Kap. I/C/1.3. 648 Da die Emissionsbank bereits tiefen Einblick in die Gesellschaft hat, spricht denn auch einiges dafür, dass sie diese Aufgabe übernimmt. Ein Emissionshaus befindet sich jedoch bei der Preisbestimmung in einem Interessenkonflikt. Dieser entsteht aus der gleichzeitigen Vertretung der Verkäufer- und der Käuferseite; hierzu eingehender EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 392; CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 343 f.; zu beachten ist auch Art. 650 Abs. 2 Ziff. 3 OR; hierzu WATTER, Festübernahme (1998) S. 392 ff.; STRAZZER (1995) S. 56 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 1. 127 Unternehmensbewertung und Underpricing Basis für die Berechnung des Ausgabepreises der Titel ist die Bewertung des Unternehmens. Die Bestimmung des Unternehmenswertes gehört zu den wichtigsten, gleichzeitig aber auch zu den schwierigsten Aufgaben bei der Vorbereitung und Gestaltung eines IPOs. Da die Unternehmensbewertung stark mit der künftigen Ertragslage verknüpft ist und damit eine prognostizierte Grundlage aufweist, ist diese stets mit Unsicherheiten behaftet. Damit kann der endgültige Emissionspreis beziehungsweise die Bookbuildingspanne nur eine Annäherung an den „richtigen“ Preis sein. Die Praxis hat hierbei die verschiedensten Verfahren zur Unternehmenswertfindung entwickelt, 649 auf die in dieser juristischen Arbeit nicht weiter eingegangen werden kann. 650 Aufgrund der Unsicherheiten bei der Bewertung von privat gehaltenen Unternehmen legen die Emissionsbanken regelmässig einen eher konservativen Emissionspreis fest, der in der Regel unterhalb des vermuteten Wertes liegt. Die Differenz zwischen Emissionspreis und Schlusskurs am ersten Handelstag beziehungsweise wirklichem Wert der Papiere wird als „Underpricing“ bezeichnet. Ein geringfügiges Underpricing wird von den Emissionsbanken bewusst in Kauf genommen, um einerseits den Appetit der Investoren anzuregen, andererseits, um so ein unerwünschtes Absinken des Börsenkurses unter den Emissionskurs zu verhindern. 651 Ohne Aussicht auf eine gute Performance nach dem IPO hätten viele Anleger keinen Anreiz, junge Aktien zu kaufen, die gegenüber bereits bewährten Titeln grössere Risiken bergen. 652 Als weitere Gründe für das (empirisch nachweisbare) Underpricing 653 nennen verschiedene Studien u.a. Informationsasymmet- 649 Z.B. Ertragswert-, Discounted Cash-Flow- oder Multiplikatormethoden. 650 Zur Unternehmensbewertung neben vielen BLÄTTCHEN (2000) S. 14 ff.; LÖHR (2000) S. 142 ff.; WOLFF (1994) S. 300 ff.; METTLER (1990) S. 201; ESCHER-WEINGART (2000) S. 168 f.; BOEMLE (1998) S. 342; LINDOW (1998) S. 235 ff.; LINDNER (1999) S. 71 ff.; KLEIN/KRÄMLING/ANDREAS (2000) S. 231 ff.; SERFLING/PAPE/KRESSIN (1999) S. 292 ff.; BEHR, New Economy (2000) S. 1115 ff.; BEHR/KIND (1999) S. 63 ff.; LÖFFLER (2000) S. 59 f., NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 26 ff.; SCHLICK (1997) S. 131 ff.; BALZ (2001) S. 63. 651 Ein solches hätte für die Gesellschaft (im Hinblick auf spätere Kapitalerhöhungen) wie auch für die Emissionsbanken (bzgl. in Zukunft zu begleitenden IPOs) negative Auswirkungen; vgl. insb. LÖFFLER (2000) S. 58 m.w.H.; LÖHR (2000) S. 160 ff.; METTLER (1990) S. 236 ff. 652 Demgegenüber schädigt ein Underpricing den Emittenten, da diesem dadurch zusätzliche Mittel verloren gehen; vgl. SERFLING/PAPE/KRESSIN (1999) S. 294 f. m.w.H.; WATTER, Prospekt(haft)pflicht (1992) S. 51; KADEN (1991) S. 142 ff. 653 Studien zeigen, dass die Zeichnungsrenditen in den USA während den Boomjahren von durchschnittlich 15% auf 65%, in der Schweiz von 15% auf 39%, in England von 12% auf 29% und in Deutschland von 10% auf 48% gestiegen sind; vgl. COCCA, Schädliche Praxis (2003) S. 33. 2. TEIL BÖRSENRECHT 128 rien zwischen Emittent, Emissionsbank und Anleger, die Risikoaversion der Banken 654 und ein mangelnder Wettbewerb unter Letzteren.655 Die lange Zeit nahezu sicher erzielbaren Kursgewinne führten bis Mitte des Jahres 2000 zu einem immer grösser werdenden Interesse an Neuemissionen, was den Nachfrageüberhang bei IPOs zusätzlich verstärkte. Die daraus resultierenden mehrfachen Überzeichnungen der Neuemissionen führten für die Emissionshäuser zu erheblichen Problemen bei der Zuteilung. 656 Da erst aufgrund dieser enormen Preissprünge die Zuteilungsproblematik thematisiert wurde, 657 ist zu erwarten, dass sich diese entschärft, wenn ein angemessenes Pricing erreicht werden kann. 2. Festlegung des Ausgabepreises Kursgewinne von über dreihundert Prozent, die bis Mitte des Jahres 2000 mit einigen IPOs erzielt wurden, 658 haben nichts mehr mit einem moderaten Underpricing zu tun. Es drängt sich deshalb die Frage auf, weshalb es zu solchen Kurssprüngen kommen konnte. Für die Bestimmung eines angemessenen Ausgabekurses stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung, die ein übermässiges Underpricing verhindern sollten. Von diesen Verfahren können hier nur einige verkürzt vorgestellt werden. 659 Beim Festpreisverfahren vereinbaren die Leadbank und der Emittent bzw. die verkaufenden Gründungsaktionäre einen fixen Preis, zu dem die Beteiligungspapiere von den Investoren gezeichnet werden können. 660 Infolge der Risikoabwälzung auf die Emissionshäuser ist diese Platzierungsform für den Emittenten in der Regel die teuerste Variante. Zudem ist dieses Verfahren stets mit einer latenten Gefahr des Over- oder Un- 654 Prospekthaftung, Kurspflege, Reputation etc. 655 BLÄTTCHEN/JACQUILLAT (1998) S. 188 ff.; LÖFFLER (2000) S. 57 f.; zur empirischen Evidenz in der Schweiz s. LINDNER (1999) S. 82 f. 656 So stand beim IPO der Think Tools AG einem Angebot von 560’000 eine Nachfrage von 14,4 Mio. Aktien gegenüber. Vgl. Verfügung der EBK vom 19. März 2003 i.S. Bank Vontobel AG. Hierzu hinten Kap. D. 657 Könnte ein nichtberücksichtigter Investor die entsprechenden Papiere auf dem Sekundärmarkt zu einem Preis erwerben, der (wenigstens ungefähr) dem Emissionskurs entspricht, so wäre die Enttäuschung aufgrund der Nichtberücksichtigung nicht annähernd so gross. 658 Vgl. Verfügung der EBK vom 19. März 2003 i.S. Bank Vontobel bez. IPO der Think Tools AG. 659 Weitere Hinweise in HASSELMANN (1997) S. 47 ff.; KILLAT (2000) S. 219 ff.; EHRHARDT (1997) S. 29 ff.; BILL (1991) S. 85 ff. 660 Dazu METTLER (1990) S. 137 ff.; BOEMLE (1998) S. 343. 2. TEIL BÖRSENRECHT 129 derpricings verbunden, weshalb das Festpreisverfahren bei IPOs heute nicht mehr verwendet wird. 661 Das Auktions- oder Tenderverfahren kennt keinen zum Voraus fixierten Ausgabepreis. Es wird lediglich ein Mindestpreis deklariert, über den hinaus die Investoren in beliebiger Höhe bieten können. Die Zuteilung kann einerseits nach dem amerikanischen Verfahren 662 – abnehmend vom höchsten bis zum niedrigsten Angebot – zu den jeweiligen Kaufauftragslimits bis zur vollständigen Platzierung der Emission (Preisdiskriminierung) oder andererseits nach dem holländischen Verfahren – zu einem einheitlichen Kurs, der dem niedrigsten Limit entspricht, das noch die Zuteilung bewirkt – erfolgen. 663 Der Vorteil des amerikanischen Verfahrens liegt für den Emittenten in der Erzielung eines maximalen Emissionserlöses 664 und darin, dass so das für die Bank problematische Zuteilungsverfahren entfällt. 665 In der Praxis hingegen waren die Ergebnisse dieses Verfahrens wenig überzeugend, da sich der Sekundärmarktkurs vielfach unter dem Emissionspreis einpendelte. 666 Dem Auktionsverfahren ähnlich ist das vorne bereits erwähnte Bookbuildingverfahren. 667 Die Preisfindung erfolgt dort stufenweise. Zunächst wird den (institutionellen) Grossanlegern die Möglichkeit gegeben, ihre Preisvorstellung zu signalisieren. Aufgrund dieser Indikation wird eine Preisspanne ermittelt, innerhalb derer sich der endgültige Emissionskurs bewegen wird. Auf der Basis der damit vorgegebenen Preisspanne geben die Anleger ihre Kaufangebote ab. 668 Erst in Kenntnis der Orderlage legen danach der Konsortialführer und die künftige Publikumsgesellschaft den endgültigen einheitlichen Platzierungspreis fest. 669 Da die Zuteilung (im Unterschied zum oben dargestellten Auktions- und Tenderverfahren) unabhängig von der individuellen Limitierung erfolgt, sind 661 Vgl. DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 164; WEILER, IPO (2001) S. 157. 662 (Echte) Auktion, Best Effort; vgl. WOLFF (1994) S. 326 f.; STOLZ (1998) S. 24 f. 663 STOLZ (1998) S. 25; CARLS (1996) S. 196; ERHARDT (1997) S. 27; METTLER (1990) S. 141 ff. 664 Indes würde das Auktionsverfahren wohl dazu führen, dass die bei Anlegern beliebten Zeichnungsgewinne verloren gingen. Solche Zeichnungsgewinne sind jedoch ein wichtiger Grund (wenn nicht der Hauptgrund) für die grosse Beliebtheit von IPOs bei den Anlegern. 665 Vgl. METTLER (1990) S. 143 f.; PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 673; vgl. Arten der Zuteilung hinten Kap. D/3. 666 Vgl. BOEMLE (1998) S. 343; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 168. 667 Vorne Kap. B/2. 668 Die Zeichnungsaufträge werden in einem „Order Book“ gesammelt – daher der Name „Bookbuilding“. Streng genommen handelt es sich beim Bookbuilding ebenfalls um ein, durch die Preisspanne begrenztes, Auktionsverfahren; ebenso LÖHR (2000) S. 128; vgl. auch WEILER, IPO (2001) S. 159 f. 669 Sog. „Holländisches Verfahren“. 2. TEIL BÖRSENRECHT 130 die Emissionshäuser bei der definitiven Zuteilung an die Anleger frei, 670 weshalb das Bookbuilding in Bezug auf die Zuteilungsproblematik keine Lösungen liefert. Dennoch ist das Bookbuilding das heute in der Schweiz vorherrschende Verfahren. D. Zuteilung der Papiere 1. Problematik Wie im vorherigen Kapitel kurz angeschnitten, kann im Falle einer Überzeichnung die Titelzuteilung bei einem IPO verschiedene Probleme mit sich bringen. So gehen bei überzeichneten IPOs die (kleinen) Privatanleger vielfach leer aus. Grund hierfür ist zum einen die jeweils tiefe Zahl von neu ausgegebenen Aktien, 671 zum andern die Zuteilungspraxis der Emissionsbanken. Noch heute ist es möglich, dass die Banken im Rahmen der Zuteilung des von ihnen übernommenen Kontingentes zunächst ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen und die Titel sich selbst zuteilen. 672 Damit verknappen diese das geringe Angebot noch zusätzlich. Sobald der Börsenkurs über dem Emissionskurs liegt, verkaufen die Banken jene Aktien, die sie sich selbst zugeteilt haben und erzielen damit einen zusätzlichen Gewinn. 673 Alsdann bedienen die Emissionsbanken primär die grossen institutionellen Investoren, insbesondere die (institutseigenen bzw. -nahen) Fondsgesellschaften und Pensionskassen. 674 Damit haben die Banken die Möglichkeit, eine allfällige „Underperformance“ von suboptimal bewirtschafteten Wertschriftenportefeuilles zu verbessern. 675 Auf diese Weise geht im Normalfall nur ein geringer Teil des Emissionsvolumens an Private. In dieser letzten Quote finden sich sodann die grossen Privatkunden, die von den Banken ebenfalls regelmässig bevorzugt bedient werden. Schliesslich sind das wichtige Kunden, die eine Bank nicht verlieren will. Damit setzen die Emissionsbanken eine attraktive Zutei670 STOLZ (1998) S. 25 ff.; ERHARD (1997) S. 28; SCHUSTER/RUDOLF (2001) S. 14 f.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 167. 671 Börsenneulinge fallen meist unter die Kategorie KMU, weshalb nicht viele Beteiligungspapiere zu verteilen sind. Am ausgeprägtesten zeigt sich dies an den Neuen Märkten. 672 Vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 254; ROHR (1990) S. 149; KRAMER (1999) S. 257 f.; KUNZ M. (2002) S. 76; COCCA; Schädliche Praxis (2003) S. 33. 673 Vgl. Verfügung der EBK vom 19. März 2003 in Sachen Bank Vontobel AG. Diese Aktien unterstehen keiner Lock-up-Verpflichtung und können deshalb jederzeit verkauft werden. 674 Vgl. LÖHR (2000) S. 127. Diesbezügliche Interessenkonflikte sind besonders im Universalbankensystem relativ gross;. dazu auch Botschaft BEHG S. 1381. 675 Vgl. METTLER (1990) S. 251 2. TEIL BÖRSENRECHT 131 lung als Instrument der Kundenbindung ein. 676 Für die Kleinanleger, die nicht zu den „guten“ Kunden der Bank gehören, sinken dadurch die Zuteilungschancen beträchtlich. Diese haben, sofern sie noch einsteigen wollen, die Papiere am Sekundärmarkt den berücksichtigten Investoren abzukaufen, und zwar zu Kursen, die weit über dem Ausgabepreis liegen können, womit sie die (teilweise exorbitanten) Gewinne der begünstigten Anleger finanzieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Falle eines überzeichneten IPOs Angebot und Nachfrage nur durch Kürzungen oder Streichungen bei den Zeichnungsofferten in Einklang zu bringen sind. Trotzdem ist bei den Anlegern die Kritik an der Zuteilungspraxis der Banken in der letzten Zeit gewachsen. 677 Gleichwohl zeigen sich die Schweizer Emissionsbanken bis heute verschlossen, Angaben über die angewendeten Zuteilungsverfahren zu machen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die künftigen Publikumsgesellschaften und die Banken bei der Zuteilung neuer Aktien voll und ganz frei sind, oder ob die Anleger einen Anspruch auf individuelle Berücksichtigung haben. 2. Interessenlagen bei der Zuteilung 2.1. Interessen der künftigen Publikumsgesellschaft Die emittierende Gesellschaft wie auch die verkaufenden Altgesellschafter wollen einerseits durch das IPO so viel Kapital wie möglich erhalten, weshalb diese primär an einem möglichst hohen Ausgabekurs der neuen Aktien interessiert sind.678 Andererseits ist ein stabiles Aktionariat Voraussetzung für eine kontinuierliche Aktienkursentwicklung. Der jungen Publikumsgesellschaft muss es deshalb in demselben Masse darum gehen, die Aktien möglichst langfristig zu platzieren. Aktionäre, deren einziges Interesse es ist, ihre Papiere sofort nach dem IPO wieder zu verkaufen und einen kurzfristigen Gewinn zu erzielen, 679 sollen daher von einer Zuteilung möglichst ausgeschlossen werden. 680 Vom Emittenten erwünschte Kunden sind besonders solche, die sich bei bisherigen IPOs als gute Partner erwiesen haben und beispielsweise im „after market“ weitere Titel hinzukauften. Institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen gelten hierbei 676 METTLER (1990) S. 251. 677 Z.B. Das schnelle Geld lockt – doch beim Börsengang kann nicht jeder mitverdienen; in: NZZ Nr. 73 vom 27. März 2000 S. 30; vgl. auch NZZ Nr. 42 vom 20. Februar 2003; NZZ am Sonntag vom 30. März 2003 S. 47; Jahresbericht EBK (2002) S. 74 f. 678 Anstatt vieler ROHR (1990) S. 124. 679 Sog. „stagging“; vgl. SCHLICK (1997) S. 117. 680 Vgl. WILLAMOWSKI (2001) S. 658. 2. TEIL BÖRSENRECHT 132 grundsätzlich als stabilere Aktionäre. 681 Zudem zeigen sich diese als eher passiv und mischen sich wenig in die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft ein. 682 Vielfach hat die Gesellschaft ein eigenes Interesse, einen von ihr definierten Kreis von Anlegern bevorzugt zu bedienen. Dabei handelt es sich oftmals um Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und der Gesellschaft anderweitig nahestehende Personen. So wünschen sich die künftigen Publikumsgesellschaften häufig, diese Gruppe mittels eines sogenannten „Friends- and Family-Programms“ speziell berücksichtigen zu können. 683 Schliesslich können Unternehmen und deren Management ein Interesse haben, eine grosse Zahl an Kleinaktionären zu gewinnen. In dieser Weise wurden beispielsweise bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen 684 die Privatanleger (im Vergleich zu den herkömmlichen IPOs) überdurchschnittlich berücksichtigt.685 Auch birgt die Abhängigkeit von einzelnen Grossinvestoren die Gefahr, dass der Aktienkurs starken Belastungen ausgesetzt ist, wenn sich ein solcher von seiner Investition trennen will. Eine grosse Zahl von Kleinaktionären bringt zwar einen grösseren Aufwand mit sich; da jedoch eine Paketbildung, der damit einhergehende Verlust der Unternehmenskontrolle 686 und ein illiquider Markt ebenfalls nicht im Interesse der Gesellschaft sind, kann das Management der künftigen Publikumsgesellschaft eine breite Streuung der Titel unter vielen Privatanlegern bevorzugen. 681 Aufgrund des Performancedrucks sind heute indes auch institutionelle Anleger nicht mehr bereit, in schlechteren Zeiten Durststrecken durchzustehen und die Papiere auch dann zu halten, wenn diese eine schlechtere Kursentwicklung zeigen. 682 Pensionskassen und Fondsgesellschaften treten selten aktiv an einer GV auf, da sie sich nicht sicher sein können, ob sie im Interesse aller Beteiligten handeln. 683 Hierzu WILLAMOWSKI (2001) S. 661 f. 684 Swisscom, Kantonalbanken etc. 685 Hierzu LINDOW (1998) S. 252 ff. m.w.H. 686 SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 40 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 2.2. 133 Interessen der zuteilenden Banken Ein Hauptinteresse der Banken liegt darin, die Platzierung der Titel möglichst zeit- und kostengering durchzuführen. Je kleiner die jeweils zugeteilte Anzahl der Titel ist, umso grösser wird aber der Aufwand im Platzierungs- und Verwaltungsbereich. Zum einen verursacht die Betreuung vieler Kleinanleger einen erheblich grösseren Aufwand, zum anderen ist es bei Privatanlegern schwieriger und zeitaufwändiger, Konzertzeichnungen und Majorisierungen zu erkennen und auszuschliessen. 687 Dementsprechend sind Kleinanleger bei den Banken nur ausnahmsweise gefragt. Da jedes rechtlich vorgeschriebene Zuteilungsverfahren zu einem Mehraufwand führen würde, bevorzugen die Banken eine möglichst grosse Freiheit bei der Zuteilung. Alsdann sind die Emissionshäuser im Falle einer erwarteten, positiven Kursentwicklung auch versucht, einen grossen Teil der ihnen im Rahmen der Festübernahme zugeteilten Quote in ihre Eigenbestände zu übernehmen. 688 Auch liegt es nahe, grosszügige Zuteilungen an ausgewählte Bankangestellte im Sinne von (i.d.R. steuerfreien) „incentives“ resp. „fringe benefits“ zu gewähren. Im Weiteren wünschen die Banken, die Zuteilung im Sinne einer Kundenbindung einsetzen zu können. Zeichnungsreduktionen führen verständlicherweise zu Enttäuschungen bei der betroffenen Anlegerschaft, was schlimmstenfalls zu einem Abbruch der bestehenden Bankbeziehungen führen kann. Der daraus resultierende Schaden ist bei guten (Gross-)Kunden selbstverständlich gravierender als bei kleinen. Da die meisten Banken ebenfalls kein transparentes Zuteilungsverfahren aufweisen, können Kleinanleger ihrer Enttäuschung allerdings nur schwer durch einen Abbruch der Bankbeziehung Nachdruck verleihen. Schliesslich gibt die Freiheit in der Zuteilung den Emissionsbanken die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass ihre Kunden über einen längeren Zeitraum gleich behandelt werden. Damit können sie Anleger, die bei einem IPO nicht berücksichtigt werden konnten, bei einem nachfolgenden bevorzugt bedienen. 687 Unter Konzertzeichnung versteht man das Zeichnen eines Anlegers bei verschiedenen Banken, um damit die Chance auf eine Zuteilung zu erhöhen. Bei der Majorisierung zeichnet ein Investor eine seinen Bedarf übersteigende Zahl an Titeln, da er damit rechnet, dass er, wenn überhaupt, lediglich einen Teil der gezeichneten Titel erhält; vgl. METTLER (1990) S. 249; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 404; SCHLICK (1997) S. 117 f. 688 Dieses Recht behalten sich die Emissionshäuser regelmässig vertraglich vor; vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 254. 2. TEIL BÖRSENRECHT 134 Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Emissionshäuser als gewinnorientierte Unternehmen der Einhaltung zwingend vorgeschriebener Zuteilungsverfahren grundsätzlich abgeneigt gegenüberstehen. 2.3. Interessen der (Klein-)Anleger Die zeichnenden Anleger haben ihrerseits ein Interesse daran, möglichst die gewünschte Zahl der neu emittierten Papiere zu erhalten, mindestens jedoch die Zuteilung im Rahmen einer Schlusseinheit zu erreichen. Bei der Zuteilung einer zu kleinen Einheit lohnt sich diese für den Investor nicht, da die Dividende durch die Depotgebühren und ein Kursgewinn durch die Verkaufsspesen vernichtet würde. Da den Anlegern bewusst ist, dass im Falle einer Überzeichnung nicht immer alle Zeichnungswünsche erfüllt werden können, 689 erhoffen sie sich wenigstens ein möglichst gerechtes und transparentes Zuteilungsverfahren. 3. Arten der Zuteilungen Im Falle einer Überzeichnung des IPOs befinden sich die Emissionshäuser in einem Interessenkonflikt, den diese in Absprache mit der künftigen Publikumsgesellschaft und durch Anwendung eines angemessenen Zuteilungsverfahrens vermeiden sollten. Hierbei sind folgende Formen der Zuteilung denkbar, welche wiederum miteinander kombiniert werden können. 690 Das in der Schweiz (vorläufig) vorherrschende Verfahren ist die freie Auswahl. Bei diesem Verfahren bestimmt das Emissionshaus nach eigenem Ermessen, welche Anleger bevorzugt mit Titeln berücksichtigt werden. Bei einer Quotierung erhalten die Anleger anteilig einen Prozentsatz der von ihnen gezeichneten Aktien. Hierbei können zudem verschiedene Ordergrössen gebildet werden. Auch wenn dieses Verfahren auf den ersten Blick am gerechtesten aussieht, stösst es bei mehrfachen Überzeichnungen an seine Grenzen. Aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen liegt es überdies weder im Interesse der künftigen Publikumsgesellschaft noch in jenem der Anleger, dass jeweils nur einzelne Aktien zugeteilt werden. Demzufolge sollten Kleinststückelungen vermieden und den Anlegern mindestens Papiere im Umfang einer Schlusseinheit zugeteilt werden. 689 Um die Gefahr, bei der Zuteilung nicht berücksichtigt zu werden bzw. lediglich einen Teil der gewünschten Titel zu erhalten zu minimieren, können die Kleinanleger versucht sein, mittels Konzertzeichnungen und Majorisierungen dennoch die gewünschte Anzahl Titel zu erlangen, was wiederum den Aufwand der Konsortialbanken bei der Zuteilung erhöht; s. vorne Kap. 2.2 insb. FN 687. 690 EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 404 f.; METTLER (1990) S. 262 f.; WOLFF (1994) S. 319 f.; PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 673; KRAMER (1999) S. 262; Art. 12 BSK-Grundsätze. 2. TEIL BÖRSENRECHT 135 Beim Losverfahren werden die verfügbaren Papiere mittels Los den einzelnen Investoren zugeteilt. Um die Anzahl der berücksichtigten Anleger zu erhöhen, kann zusätzlich auch die Höchstzahl der zuzuteilenden Aktien festgelegt werden. Gleichzeitig ist es auch möglich, verschiedene Losgrössen oder eine Gewichtung nach Massgabe der Kundenbeziehung einzuführen. 691 Insbesondere auf Druck der Öffentlichkeit hat sich dieses Verfahren in Deutschland durchgesetzt. 692 Die Berücksichtigung im Rahmen des „First come First serve“-Verfahrens erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs der Angebote, also nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Sobald eine genügend grosse Zahl von Zeichnungen vorliegt, wird die Zeichnungsfrist (vorzeitig) beendet. Diesem Verfahren wird heute auf dem Sekundärmarkt Vorzug gegeben. 693 Der Vorteil dieses Verfahrens liegt sicherlich in seiner Fairness, der Nachteil darin, dass häufig keine optimale Streuung der Papiere erreicht wird. Ferner verleitet es Anleger zur überstürzten Zeichnungen und kann in vielen Fällen einer gründlichen Informationsbeschaffung und -verarbeitung entgegenstehen. So sind es oftmals die kurzfristig orientierten Anleger, denen dieses Verfahren zugute kommt. 694 Aus Gründen des Anlegerschutzes ist das First come First serve-Verfahren daher für IPOs abzulehnen. Möglich ist ferner auch eine Zuteilung aufgrund anderer, sachgerechter Kriterien. Bei der Zuteilung an Affinity- oder Friends- and Family-Groups bestimmt die künftige Publikumsgesellschaft die Gruppe von Investoren, bei denen die Gesellschaftsinteressen am ehesten gewahrt sind, 695 und die sodann vorrangig bedient werden. Des Weiteren kann – falls ein Emittent ein besonderes Interesse daran hat – die Zuteilung beispielsweise nach regionalen Aspekten erfolgen. 696 Solch vorrangige Zuteilungen können allerdings nicht allein angewandt werden. Wird beispielsweise das Friends- and Family-Progamm nicht oder nur teilweise genutzt, so muss sichergestellt sein, dass die verbleibenden Aktien nach den gleichen Verfahren und Kriterien wie die übrigen zur Platzierung gekommenen Aktien verteilt werden. Das Verhalten des Zeichners bei vorhergehenden IPOs kann ebenfalls als Anlass für die Zuteilung genommen werden. Danach können Anleger, welche bei früheren IPOs die 691 WOLFF (1994) S. 319; SCHLICK (1997) S. 120. Dies ist auch gutzuheissen, denn sonst könnten sich Kunden mit grossen Depots und entsprechend grossen Umsätzen benachteiligt fühlen, wenn ihre Order gleich behandelt würde wie diejenige eines Kleinanlegers. 692 SCHREINER (2000) S. 654; vgl. die BSK-Grundsätze hinten Kap. 5. 693 Vgl. Art. 10 SBVg-Verhaltensregeln; hierzu WINZELER (1998) S. 188. 694 Deshalb auch der Übername „Windhundverfahren“; vgl. dazu auch PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 673; CARLS (1996) S. 214 f.; WEILER, IPO (2001) S. 161. 695 Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter etc. 696 Vgl. WILLAMOWSKI (2001) S. 664. 2. TEIL BÖRSENRECHT 136 Papiere längerfristig behalten haben, bei nachfolgenden privilegiert behandelt werden.697 Bei dieser Zuteilungsvariante kann der Emittent von der Erfahrung der Emissionshäuser profitieren. Diese waren grundsätzlich in mehrere IPOs involviert, was ihnen einen besseren Einblick in das Anlageverhalten bestimmter Investoren gibt. Zur Vermeidung von „Flippings“ 698 können jene Investoren bevorzugt berücksichtigt werden, die sich freiwillig einer Sperrfrist 699 für den Verkauf der zugeteilten Papiere unterwerfen. Danach werden von den Emissionsbanken solche Investoren zuerst eine Zuteilung erhalten, die ein mittel- bis langfristiges Engagement ins Auge fassen. Solche Massnahmen sind in Zeiten eines schwierigen Marktumfeldes sowohl für den Emittenten als auch für die Banken von Vorteil. Damit sind beispielsweise die Banken zu geringeren Stützungsmassnahmen gezwungen, und es besteht eine bessere Ausgangslage für eine gute Post-IPO-Performance. 700 Allerdings ist es besonders in weniger guten Börsenzeiten, in denen zur Kurssicherung solche Massnahmen speziell notwendig wären, schwierig, genügend Investoren zu finden, die eine solche Verpflichtung eingehen. Im Rahmen des Auktions- oder Tenderverfahrens sind die Emissionshäuser schliesslich auf die Zuteilung gemäss der Höhe der abgegeben Angebote verpflichtet. Dabei geben interessierte Aktionäre limitierte Kaufangebote ab, zu denen sie bereit sind, die neuen Aktien zu zeichnen, wobei es keine vorgegebene Preisspanne gibt. 701 Die Zuteilung erfolgt je nach Höhe des gebotenen Preises. 702 Da das Auktionsverfahren Überzeichnungen verhindert, ist es bezüglich der Zuteilung das gerechteste Verfahren; 703 allerdings wird den Privatanlegern eine genaue Einschätzung des gerechten Preises oftmals nicht möglich sein. Aus Sicht der Publikumsgesellschaft, die Einfluss auf die künftige Aktionärsstruktur nehmen will, hat das Auktionsverfahren schliesslich den Nachteil, dass ihr der Zuteilungsprozess vollumfänglich aus der Hand genommen wird. 697 So kann die Emissionsgeschichte des Zeichners berücksichtigt werden. Hat der Zeichner bei früheren IPOs seine ihm zugeteilten Papiere innerhalb weniger Tage wieder verkauft (solche Investoren werden als „Flippers“ bezeichnet), wird versucht, diesen bei zukünftigen Allokationen auszuschliessen. Eine solche Zuteilung liegt vor allem im Interesse der künftigen Publikumsgesellschaft, einen möglichst konstanten Investorenkreis zu besitzen. 698 Unmittelbare Realisierung des Zeichnungsgewinns. 699 Lock-up; die Frist könnte etwa der Stabilisierungsphase der Emissionsbanken entsprechen. 700 Besteht nach dem IPO ein Nachfrageüberhang, so können solche Verkaufsbeschränkungen allerdings eine Kursexplosion eher noch weiter anheizen, da damit das Angebot nach dem IPO noch zusätzlich verringert wird. 701 In einigen Fällen wird auch ein Mindestpreis deklariert, über den hinaus die Investoren in beliebiger Höhe bieten können. 702 Vgl. LÖHR (2000) S. 128; STOLZ (1998) S. 24 ff.; CARLS (1996) S. 196 ff.; METTLER (1990) S. 141 ff.; zu den gängigen Verfahren bei der Preisfindung vorne Kap. C/2. 703 Vgl. COCCA, Zuteilung (2000) S. 33; DERS. Schädliche Praxis (2003) S. 33. 2. TEIL BÖRSENRECHT 137 Wie anfangs erwähnt, auferlegen sich die Schweizer Emissionsbanken in der Regel keines der zuletzt aufgezeigten Zuteilungsverfahren, sondern teilen die Titel nach freiem Ermessen unter ihren Kunden auf. Aus Gründen der Fairness und der Gleichbehandlung und folglich vorzuziehen wäre indes die Quotierung verbunden mit dem Losverfahren. Allerdings müssen den künftigen Publikumsgesellschaft gewisse Freiheiten belassen werden, um beispielsweise mittels Friends- and Family-Programmen ihren künftigen Aktionärskreis teilweise selbst bestimmen zu können. 4. Gleichbehandlung der Anleger bei der Zuteilung 4.1. Im Allgemeinen Infolge Fehlens expliziter gesetzlicher Regeln, die ihnen bei der Zuteilung von Neuemissionen bestimmte Pflichten auferlegen würden, verfahren – wie bereits erwähnt – viele Schweizer Banken nach Gutdünken und zeigen sich gegenüber einem transparenten Zuteilungsverfahren verschlossen. Eine jeden zufriedenstellende Behandlung ist allerdings besonders bei hohen Überzeichnungsquoten in den seltensten Fällen möglich, da vielfach zu wenig Aktien vorhanden sind, um die Zeichnungswünsche aller Anleger befriedigen zu können. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Anleger trotz der bekannten Schwierigkeiten einen individuellen Anspruch auf Zuteilung im Sinne eines gleichen Rechts für alle haben. Durch eine glaubhaft garantierte Chancengleichheit aller Anleger könnte Vertrauen in die Aktienmärkte geschaffen werden, womit Nachfrage, Liquidität und Preisniveau der Aktienmärkte im Interesse aller Beteiligten positiv beeinflusst würden. Hierbei zu prüfen sind insbesondere vertragliche, gesellschaftsrechtliche und börsenrechtliche Anspruchsgrundlagen. 4.2. Vertragliche Anspruchsgrundlagen Bei der Platzierung von neuen Aktien im Publikum entstehen beim in der Schweiz vorherrschenden Festübernahmeverfahren keine Rechtsbeziehungen zwischen der künftigen Publikumsgesellschaft (beziehungsweise den verkaufenden Altaktionären) und den Neuaktionären, sondern lediglich zwischen der Gesellschaft und dem Emissionshaus sowie zwischen dem Emissionshaus und den Zeichnern. Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Aktionären erwachsen erst durch den Erwerb der Mitgliedschaft, welche aber auf die bereits abgeschlossene Platzierung selbst keine Auswirkungen mehr haben kann. Folglich ist an dieser Stelle zu untersuchen, ob aufgrund vertraglicher Beziehungen – einerseits zwischen den Kunden mit ihrer Bank, andererseits zwischen 2. TEIL BÖRSENRECHT 138 der Emissionsbank und der künftigen Publikumsgesellschaft – ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht. 4.2.1. Anspruch aus Vertragsbeziehungen mit der Bank Das Rechtsverhältnis zwischen Emissionsbank und Anleger ist als Kaufvertrag über neue Aktien beziehungsweise als Innominatvertrag mit kaufähnlichem Charakter zu qualifizieren. 704 Infolge der aus der Vertragsfreiheit fliessenden Grundsätze der Abschlussund Partnerwahlfreiheit steht es den Banken grundsätzlich frei, mit wenigen oder im Extremfall nur mit einem Anleger in eine Vertragsbeziehung zu treten. 705 Zudem stellt das öffentliche Angebot der Banken und des Emittenten im Verkaufsprospekt beziehungsweise im Inserat noch kein verbindliches Angebot im Sinne von Art. 3 ff. OR dar, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum. 706 Erst mit seinem Zeichnungsantrag (Kauforder) gibt der Kunde gegenüber dem Emissionshaus ein (Kauf-)Angebot ab. 707 Dessen Annahme erfolgt danach mittels individueller Zuteilung der Aktien. Infolgedessen hat der Anleger keinen vertraglichen Anspruch auf die Lieferung der Papiere, wenn seine Kauforder nicht oder nicht vollständig berücksichtigt wurde. Diesbezügliche Ausnahmen müssten gesetzlich oder speziell vertraglich vorgesehen sein oder sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben.708 4.2.2. Anspruch aus Vertragsbeziehungen zwischen Publikumsgesellschaft und Bank Die Kriterien der Zuteilung werden üblicherweise vom Emittenten festgelegt. Hierbei ist es durchaus verbreitet, dass die künftige Publikumsgesellschaft Bestimmungen in den Übernahmevertrag aufnimmt, in denen sie festlegt, im Rahmen eines Friends- and Family-Programms bestimmte Dritte oder, falls sie beispielsweise eine breite Streuung 704 NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 189; ROHR (1990) S. 108, 150; ROTH, Aufklärungspflicht (1993) S. 21; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 255; BGE 120 IV 276, 279. 705 ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 254; ROHR (1990) S. 149; EMCH/RENZ/BÖSCH (1998) S. 404 f.; ebenso im deutschen Recht PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 671; KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 26. 706 Aufforderung zur Angebotsabgabe. Rechtlich ist ein Prospekt nicht als Offerte, sondern – wie dies Art. 652a Abs. 2 OR technisch richtig festhält – als Einladung zu einer solchen zu betrachten; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 91; CANARIS (1981) Rz 2268; SCHANZ (2000) § 10 Rz 47; WILLAMOWSKI (2001) S. 655. 707 Neben vielen FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 52 N 112; OR-ZINDEL/ISLER, Bd. II (2002) Art. 652a N 2. 708 Vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 255. 2. TEIL BÖRSENRECHT 139 wünscht, Kleinaktionäre bei der Zuteilung besonders zu berücksichtigen. 709 Demnach stellt sich hier die Frage, ob solche Regelungen im Übernahmevertrag auch Rechtswirkungen zugunsten dieser Personen entfalten. Da in solchen Fällen der Emittent zwar bestimmte Zuteilungsregeln festlegen will, nicht aber einzelnen potentiellen Anlegern individuelle Rechte auf Berücksichtigung der Zuteilung geben will, handelt es sich hierbei in der Regel nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von Art. 112 OR 710 . Ausnahmen sind lediglich bei einem Friends- and Family-Programm denkbar. Folglich verleiht eine derartige vertragliche Bestimmung einem potentiellen Anleger nur in Ausnahmefällen einen Zuteilungsanspruch, weshalb sich ein nicht berücksichtigter Investor in der Regel nicht darauf berufen kann.711 4.3. Anspruch aus dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsprinzip Eines der Grundprinzipien des Aktienrechts ist die Gleichbehandlung der Aktionäre. 712 Beim aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handelt es sich in der Regel nicht um ein Gebot formeller und absoluter Gleichbehandlung, sondern lediglich um die Forderung nach gleicher Behandlung unter gleichen Voraussetzungen. 713 Wie oben bereits aufgeführt, gilt im schweizerischen Aktienrecht die Gleichbehandlungsverpflichtung nicht absolut, weshalb Ungleichbehandlungen möglich und innerhalb des Gesellschaftszwecks auch zulässig sind. Da die Anleger im Zeitpunkt der Zeichnung noch keine Aktionärsstellung aufweisen, ist es zudem umstritten ob diese Gleichbehandlungspflicht auf die Zuteilungsproblematik beim IPO zur Anwendung gelangt. Ebenfalls binden die aktienrechtlichen Bestimmungen nicht die Emissionsbanken, die im Normalfall die Zuteilung vornehmen, sondern einzig den Verwaltungsrat der (künftigen) 709 Dies insb. bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen; s. auch die Formulierung einer solchen Regelung in PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 671: „Die Aktien sollen möglichst breit gestreut und dauerhaft platziert werden. Bei der Zuteilung sind Kaufaufträge von Privatanlegern bis zu je 50 Stück in vollem Umfang und darüber hinaus nach einem einheitlichen Zuteilungsschlüssel zu bedienen. Institutionellen Anlegern sollen insgesamt bis zu 50 Prozent zugeteilt werden, im Einzelfall jedoch nicht mehr als 1’000 Stück. Mitarbeiter des Emittenten sollen bevorzugt berücksichtigt werden.“ 710 Vgl. hierzu vorne Kap. II/C/4.3. 711 Vgl. zum deutschen Recht PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 671; KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 27; WILLAMOWSKI (2001) S. 654 f. 712 Art. 717 Abs. 2 und Art. 706 Abs. 2 Ziff. 2 OR; dazu HUGENIN (1994) passim; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1651 ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 223 ff.; FORSTMOSER/MEIERHAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 11 ff. 713 Hierzu BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1651 ff.; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 227. 2. TEIL BÖRSENRECHT 140 Publikumsgesellschaft. 714 Bei diesem Argument ist allerdings zu beachten, dass, wenn für den VR eine solche Verpflichtung bestünde, er verpflichtet wäre, im Übernahmevertrag diese Gleichbehandlungspflicht auch auf die Banken zu übertragen. Schliesslich sind auch die verkaufenden Aktionäre bei einem Secondary Offering nicht dem Gleichbehandlungsprinzip unterworfen.715 Sollten die künftigen Publikumsgesellschaften, deren Verwaltungsrat und die verkaufenden Grossaktionäre zu einer (relativen) Gleichbehandlung der Anleger bei der Zuteilung der Titel während des IPOs verpflichtet werden, wäre hierfür eine Änderung des Aktienrechts, das in erster Linie für die Regelung des Primärmarktes zuständig ist, erforderlich. Damit existiert im heute geltenden schweizerischen Aktienrecht keine spezifische Norm für eine gerechte Aktienzuteilung. Infolgedessen ist in den nachfolgenden Kapiteln zu untersuchen, ob das schweizerische Börsenrecht Ansatzpunkte bietet, um bei der Titelzuteilung eine angemessene Berücksichtigung aller Interessengruppen zu ermöglichen. 4.4. Anspruch aus dem börsenrechtlichen Gleichbehandlungsprinzip Wie aufgezeigt, sind künftige Publikumsgesellschaften oder deren verkaufswillige Grossaktionäre aufgrund des Aktienrechts nicht verpflichtet, ihre Beteiligungspapiere an bestimmte Personen zu verkaufen. Hingegen handeln Emissionshäuser in einem durch das Börsengesetz streng regulierten Bereich. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass Effektenhändler aufgrund der schweizerischen Börsengesetzgebung verpflichtet sind, potentielle Anleger bei der Zuteilung der Titel eines IPOs gleich zu behandeln. Auf diese Frage ist im Folgenden vertieft einzugehen. 714 Vgl. NOBEL, Querbezüge (1997) S. 463 f.; ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 255; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 29. 715 Vgl. auch Art. 680 OR; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (1996) § 39 N 30; BÖCKLI, Aktienrecht (1996) N 1646c; HOFSTETTER, Gleichbehandlung (1996) S. 224; KUNZ P., Minderheitenschutz (2001) S. 529. 2. TEIL BÖRSENRECHT 141 4.4.1. Anwendbarkeit der börsenrechtlichen Bestimmungen auf die Zuteilungsproblematik beim IPO Die schweizerische Börsenordnung auferlegt den Effektenhändlern verschiedenste Verhaltenspflichten. Allerdings umfasst der Regelungsgegenstand des BEHG in erster Linie den Sekundärmarkt, also den gewerbsmässigen Handel mit bereits emittierten Papieren. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Effektenhändler die Verhaltensregeln auch beim Emissionsgeschäft und insbesondere bei der Zuteilung neuer Titel zu beachten haben. Das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel hat sich die Gleichbehandlung aller Anleger für den gesamten gewerbsmässigen Effektenhandel zum Ziel gesetzt. 716 Im Rahmen der teleologischen Auslegung sind daher die börsenrechtlichen Erlasse, sei dies auf Gesetzes-, Verordnungs- oder Selbstregulierungsebene, nach dem Anleger- und Funktionsschutz auszulegen. 717 Da es bei der Zuteilungsproblematik nicht nur um den einzelnen nicht berücksichtigten Investor selbst geht, sondern um das gesamte Vertrauen in den Kapitalmarkt, das erschüttert werden könnte, wenn das Gefühl aufkäme, dass es bei der Zuteilung der Papiere im Rahmen eines IPOs nicht mit rechten Dingen zugeht, ist eine Gleichbehandlungsverpflichtung der Emissionsbanken bezüglich der Zuteilung von Aktien an die Anleger erforderlich. Wie bereits bei der Gleichbehandlung bezüglich der Informationen im Vorfeld des IPOs aufgezeigt, unterliegen Emissionshäuser gemäss Art. 2 lit. d BEHG den gleichen Bestimmungen wie die Effektenhändler. Da zudem der Übergang vom Primär- zum Sekundärmarkt fliessend und eine genaue Abgrenzung nicht immer möglich ist, ist es nicht konsequent und sachgerecht, wenn die Emissionshäuser bei der Zuteilung von Papieren, die neu geschaffen werden, keinen Verhaltenspflichten unterliegen, jedoch bei bereits bestehenden Papieren die Bestimmungen des Börsengesetzes einhalten müssen. 718 Demzufolge haben Emissionshäuser bei jedem IPO die börsenrechtlichen Bestimmungen zu 716 Art. 1 BEHG: „Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb von Börsen sowie für den gewerbsmässigen Handel mit Effekten, um für den Anleger Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Es schafft den Rahmen, um die Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte zu gewährleisten.“ 717 Vgl. Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Art. 1 N 29. 718 Hierzu bereits vorne Kap. II/A/6.3.2. 142 2. TEIL BÖRSENRECHT beachten und sind bei der Zuteilung von Effekten zur Interessenwahrung und grundsätzlich zur Gleichbehandlung ihrer Kunden verpflichtet. 719 4.4.2. Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit Wer als Effektenhändler beziehungsweise als Emissionshaus tätig werden will, bedarf einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde. Dazu hat ein Effektenhändler sicherzustellen, dass er die Bestimmungen des Gesetzes einhält und gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. d BEHG sowie 3 Abs. 2 lit. c BankG insbesondere Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bietet. 720 Das letztgenannte Erfordernis wird unter anderem durch die börsenrechtlichen Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG konkretisiert. Das in der Schweiz vorherrschende Universalbankensystem kann, wie oben bereits aufgezeigt, zu Interessenkonflikten zwischen Anlegern und Banken führen. Infolgedessen fordern das BEHG und die Börsenverordnung eine wirksame betriebsinterne Funktionstrennung zwischen Handel, Vermögensverwaltung und Abwicklung. 721 Dennoch bleibt bei der Betreuung von IPOs bei den Emissionshäusern die Gefahr von Interessenkonflikten und damit die missbräuchliche Ausnutzung der Kompetenzen bei der Zuteilung gross. Für Emissionsbanken bei IPOs besonders problematisch ist beispielsweise die Behandlung von Zeichnungseingängen ihrer eigenen Angestellten beziehungsweise deren Familie und Freunde. Umstritten ist auch die Frage, wie weit Titel aus Neuemissionen zur Alimentierung von Eigenbeständen der involvierten Banken benutzt werden dürfen. Alsdann können die teilweise sicher erzielbaren Zeichnungsgewinne die Banken veranlassen, mit ihren Kunden sogenannte „profit-sharing-Deals“ abzuschliessen. Bei diesen werden diejenigen Anleger bei der Zuteilung bevorzugt, die sich bereit erklären, ihre Gewinne mit der emittierenden Bank zu teilen. Das geschieht beispielsweise dadurch, 719 Vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 23; gegen die Anwendbarkeit des BEHG auf die Zuteilungsproblematik bei überzeichneten IPOs vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 26. 720 Vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPISSER (1999) Art. 10 N 46 ff.; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 11 N 2; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 10 N 13 ff.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 169 f. 721 Art. 10 Abs. 2 lit. a BEHG und insb. Art. 19 BEHV. Zusätzlich erforderlich sind die Errichtung von sog. „Chinese Walls“ und die Regelung von persönlichen Transaktionen von Angestellten; vgl. WATTER, Effektenhändler (1996) S. 81; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 173 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 69; ebenso Art. 12 V-ISD. 2. TEIL BÖRSENRECHT 143 dass die Kunden exzessive Kommissionen 722 bezahlen oder von der Emissionsbank andere Papiere zu einem erhöhten Preis beziehen. 723 Es ist in der Folge zu untersuchen, ob die oben erwähnten, einseitigen Bevorzugungen einzelner Kunden bei der Titelzuteilung durch die Emissionshäuser mit dem Gebot des ordentlichen Verhaltens eines jeden seriösen Bankiers und Effektenhändlers und insbesondere mit Art. 11 BEHG vereinbar sind. 4.4.3. Börsengesetzliche Verhaltensregeln a) Inhalt Das schweizerische Börsenrecht kennt mehrere Bestimmungen, die den Effektenhändlern Verhaltenspflichten auferlegen. In der Weise statuiert bereits der Zweckartikel (Art. 1 BEHG) die Sicherstellung von Transparenz und Gleichbehandlung. Alsdann auferlegt Art. 11 BEHG den Effektenhändlern gegenüber ihren Kunden Informations-, Sorgfaltsund Treuepflichten. 724 Unter der Sorgfaltspflicht (Art. 11 Abs. 1 lit. b BEHG) versteht der Gesetzgeber insbesondere die Verpflichtung des Effektenhändlers und damit auch eines Emissionshauses zur bestmöglichen Erfüllung der Kundenaufträge (sog. „best execution“) und die Pflicht zur Transparenz. 725 Bereits in der Pflicht zur bestmöglichen Auftragserfüllung ist, in 722 Sog. „Kick-backs“; hierzu WPHG-Kommentar-KOLLER (1999) § 31 N 72 ff., 105a. 723 Sog. „Paketverkäufe“. Es liegt bei solchen Konstellationen nahe, an unzulässige Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. f KG zu denken; dazu hinten Kap. 5. So haben bspw. die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, die NASD und die Bundesstaatsanwaltschaft in Manhattan (NY) Untersuchungen eingeleitet, die solche Vorgehensweisen bei amerikanischen IPOs zum Gegenstand haben; vgl. Basler Zeitung Nr. 93 vom 21./22. April 2001 S. 17; NZZ Nr. 128 vom 6. Juni 2001 S. 31; NZZ Nr. 198 vom 28. August 2002 S. 27. In Deutschland sind deshalb Kreditund Finanzinstitute von Gesetzes wegen verpflichtet, über sämtliche anfallenden Entgelte – und damit auch versteckte Provisionen – zu informieren. 724 Art. 11 BEHG; vgl. auch Botschaft BEHG S. 1405 f.; dazu WATTER, Effektenhändler (1996) S. 87 ff.; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 3 f.; HERTIG, Diligence (1994) S. 317; MEIERSCHATZ, Börsenrechtsordnung (1997) S. 334; ARTER/JÖRG (2001) S. 57 ff.; Verfügung der EBK vom 30. März 2000 in: EBK-Bulletin 40/2000 S. 24 ff. Die Verhaltensregeln entsprechen grundsätzlich den Empfehlungen der IOSCO, die am 15. November 1990 in Santiago de Chile verabschiedet wurden, den Regeln der FIBV und der EU (insb. Art. 11 Abs. 1 ISD; vgl. auch Art. 16, 18 ff. VISD); zum internationalen Kontext ZOBL/BANZ (1999) S. 621 ff.; WATTER/MALACRIDA (1996) S. 151 ff.; WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) S. 276 ff.; zur Entwicklung in der EU vgl. CESR, Investor Protection (2002). 725 Art. 11 Abs. 1 lit. b BEHG; hierzu Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 101 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 68 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 144 Verbindung mit Zweckartikel 1 BEHG, eine Gleichbehandlungspflicht der Kunden bei der Titelzuteilung bei einem IPO zu sehen.726 Nur mittels Gleichbehandlung können die Emissionsbanken ihren Kunden garantieren, dass ihre Aufträge bestmöglich ausgeführt werden. Würden gewisse Gruppen von Kunden bei der Zuteilung bewusst diskriminiert, verletzten die Effektenhändler damit ihre Sorgfaltspflicht. Ebenfalls erfordert die Sorgfaltspflicht, die Kunden im Falle einer Nichtberücksichtigung bei der Zuteilung von Titeln aus einem IPO zu informieren, weshalb sie leer ausgegangen sind, und welcher Verteilungsschlüssel angewandt wurde. 727 Letzteres kann bei einer weiten Auslegung bereits aufgrund der Informationspflicht (Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG) gefordert werden. 728 Denn neben der explizit erwähnten Informationspflicht bezüglich der mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken 729 kann auch eine Informationspflicht über die Art und Weise der Zuteilung bei einem IPO unter Art. 11 Abs. 1 lit. a BEHG subsumiert werden. Hiernach ist ein Emissionshaus sowohl aufgrund der Sorgfalts- wie der Informationspflicht bereits bei der Zeichnung des Kunden 730 verpflichtet, für den Fall, dass eine Überzeichnung vorliegt, Auskunft über das angewendete Zuteilungsverfahren zu geben. Schliesslich stipuliert das Börsengesetz eine Treuepflicht (Art. 11 Abs. 1 lit. c BEHG). Danach hat ein Effektenhändler sicherzustellen, dass allfällige Interessenkonflikte seine Kunden nicht benachteiligen. Zu den Interessenkonflikten gehören nicht nur vertikale, d.h. solche zwischen Effektenhändler und Kunden, sondern auch horizontale, also diejenigen zwischen zwei oder mehreren Kunden untereinander.731 Unter diese Treuepflicht ist in Verbindung mit Art. 1 BEHG demzufolge ebenfalls eine Gleichbehandlungsverpflichtung von gleichgelagerten Kunden zu subsumieren. 732 Somit muss ein Effekten726 Die gleichmässige Wahrung der Interessen aller Kunden bei der Zuteilung gehört zu den elementaren Pflichten eines Effektenhändlers; so bereits EBK-Bulletin 18/1988 S. 29 f.; ROHR (1990) S. 149 f. 727 Der Effektenhändler muss sicherstellen, dass der Kunde das Geschäft nachvollziehen kann; vgl. WATTER, Effektenhändler (1996) S. 90. 728 Allerdings wollte der Gesetzgeber den Effektenhändlern keine umfassende Informationspflicht über jedes einzelne Geschäft auferlegen; vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 58 ff. m.w.H. 729 Vgl. auch Art. 3 Abs. 3 SBVg-Verhaltensregeln. 730 Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Verhaltensregeln um die Information des Kunden vor der Transaktion, allerdings können Kunden unter bestimmten Umständen auch nach Geschäftsabschluss informiert werden (vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER [1999] Art. 11 N 66), was insbesondere bei einer Nichtzuteilung der Fall sein müsste. 731 Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 156; BRAND (1999) S. 60. 732 Vgl. WATTER, Effektenhändler (1996) S. 91; DAENIKER, Swiss Securities Regulation (1998) S. 154; ROTH, Effektenhändler (1996) S. 85; vgl. Art. 8 u. 9 SBVg-Verhaltensregeln; IOSCO, Securities Regulation (1998) RZ 12,5; Art. 20 Abs. 1 V-ISD. 2. TEIL BÖRSENRECHT 145 händler sich in erster Linie an den Interessen seiner Kunden orientieren und hat die Eigeninteressen zurückzusetzen. Dementsprechend hat ein Emissionshaus die anlässlich des IPOs übernommenen Effekten im Interesse seiner Kunden zu platzieren und darf diese nicht zur Stärkung der eigenen wirtschaftlichen Position benutzen. Lassen sich Interessenkonflikte nicht vermeiden, sind diese gegenüber den Kunden offen zu legen.733 Interessenkonflikte bezüglich der Zuteilung von Titeln eines IPOs sind allerdings in erster Linie durch die Einhaltung eines im Voraus definierten Zuteilungsverfahrens vermeidbar. Auf diese Weise weitet Art. 11 BEHG, ausgehend vom Vertrauensverhältnis, das zwischen Effektenhändlern und Kunden besteht, den Geltungsbereich der auftragstypischen Verhaltenspflichten 734 auf anderweitige Vertragsverhältnisse (insb. Kaufvertrag) aus. 735 Eine willkürliche Zuteilung von Aktien in Eigenbestände und an einzelne Kunden der Emissionsbank ist daher mit dem börsenrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung, der Sorgfalts- und der Treuepflicht nicht vereinbar. 736 b) Beachtung beim IPO Die Unterstellung des Effektenhändlers unter die börsenrechtlichen Verhaltensregeln bedeutet nicht, dass ungeachtet des Rechtsgeschäfts für alle Transaktionsarten derselbe (Gleichbehandlungs-)Massstab angewendet werden soll wie beim nachfolgenden Handel am Sekundärmarkt. Besonders den Emissionshäusern muss eine grössere Gestaltungsfreiheit zuerkannt werden. 737 Wie bereits aufgezeigt, stösst bei einem überzeichneten IPO die gebotene Wahrung der Kundeninteressen auf natürliche Grenzen, da es nicht möglich ist, alle Kundenwünsche zu befriedigen. Um zumindest eine relative Gleichbehandlung zu gewährleisten, müssen die Effektenhändler in Fällen einer Überzeichnung ein Zuteilungsverfahren wählen, bei dem gleichartige Zeichnungsaufträge grundsätzlich 733 DIETZI/LATOUR (2002) S. 69; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 188. 734 Art. 397 f. OR. 735 Vgl. WYSS (2000) S. 54; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 11 N 9; ARTER/JÖRG (2001) S. 59 f.; zum deutschen Recht bereits CANARIS (1981) Rz 2272. 736 Vgl. Verfügung der EBK vom 19. März 2003 in Sachen Bank Vontobel AG. 737 Vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 23, 49; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 26; DAENIKER, Underwriting, Agreement (2002) S. 167; BankG-Kommentar-KLEINER (1999) Art. 3 N 113. Den Emissionshäusern muss ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt werden, da der Gleichbehandlungsmassstab am Emissionsmarkt weniger streng ist als beim nachfolgenden Börsenhandel; PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 671; ebenso ESCHER-WEINGART (2000) S. 166. 2. TEIL BÖRSENRECHT 146 gleich behandelt werden. 738 Eine Bevorzugung einzelner Gruppen von Investoren ist damit nur in Anwendung klarer interner Regeln bezüglich der Ausführung von Transaktionen und Allokation der Effekten zulässig. Sofern objektive Gründe vorliegen, bleibt die Privilegierung gewisser Anleger legitim. Namentlich haben die Emissionshäuser die Möglichkeit, für bestimmte Anlegerkategorien Gruppen zu bilden und deren Zeichnungswünsche unterschiedlich zu befriedigen. Allerdings dürfen Diskriminierungen keine spürbaren unfairen Wirkungen aufzeigen. Ungleichbehandlungen sind vor allem soweit akzeptabel, als sie das schonendste zur Verfügung stehende Mittel darstellen, um eine konkret anvisierte Wertsteigerung der künftigen Publikumsgesellschaft zu erzielen. Hingegen dürfen – aufgrund der Sorgfaltsund Treuepflicht – den beteiligten Emissionshäusern nahestehende Personen nicht besser gestellt werden als deren übrige Kunden. Die Tatsache, dass es sich bei den Zeichnenden um Mitarbeiter oder Institutionen wie Investment-Fonds, Pensionskassen oder Beteiligungsgesellschaften der Emissionshäuser handelt, ist folglich kein sachgerechtes Kriterium für deren Bevorzugung. Diese dürfen nicht günstiger gestellt werden als die übrigen Privatanleger. Eine Zuteilung an solche Personen ist damit nur zulässig, wenn diese wie alle übrigen Kunden behandelt werden.739 Auch der Abschluss von sogenannten profitsharing-Deals mit einzelnen Kunden ist mit einer einwandfreien Geschäftstätigkeit und den börsenrechtlichen Verhaltensregeln nicht vereinbar. Die Begünstigung einzelner Gruppen von Anlegern soll in erster Linie auf einer entsprechenden Initiative der künftigen Publikumsgesellschaft beruhen. 740 Trotz der Verhaltensregeln der Effektenhändler muss es dem IPO-Aspiranten unbenommen sein, bestimmte Investorengruppen gegenüber anderen Gruppen zu bevorzugen, um seine Zielvorstellungen in Bezug auf den richtigen „Investorenmix“ zu verwirklichen. 741 So kann die künftige Publikumsgesellschaft im Rahmen des Übernahmevertrages den Emissionshäusern bestimmte Zuteilungsvorgaben auferlegen. Zu denken ist hierbei unter anderem an Vor738 Ebenso BEHG-WATTER (1999) Art. 1 N 12; ZULAUF, règles de conduite (1995) S. 32; PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 672; KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 28. 739 Zur Bevorzugung von Mitarbeiterkunden vgl. insb. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 165 ff.; O.V., Mitarbeitergeschäfte (2000) passim; WpHG-Kommentar-KOLLER (1999) § 31 N 79a; hierzu bereits EBK-Bulletin 18/1988 S. 26 ff. (hierbei stellte die Zuteilung von begehrten Neuemissionen eine einseitige und unverhältnismässige Bevorzugung dar, was als einen gravierenden Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr beurteilt wurde und daher mit dem Gebot des redlichen Verhaltens sowie mit der Sorgfaltspflicht eines seriösen Bankiers nicht zu vereinbaren war); vgl. auch Art. 7 (deutsche) BSK-Grundsätze. 740 Sog. „Directed Allocation“; vgl. WILLAMOWSKI (2001) S. 657. 741 WILLAMOWSKI (2001) S. 658. 2. TEIL BÖRSENRECHT 147 gaben bezüglich der Quote der Privatanleger, bezüglich der regionalen Aspekte der Zuteilung, bezüglich der Bevorzugung von Lieferanten, Kunden oder Mitarbeitern der neuen Publikumsgesellschaft sowie bezüglich der Zuteilung anhand der Qualität der Anleger. 742 Mit der Anwendbarkeit der börsenrechtlichen Verhaltensregeln auf das Emissionsgeschäft wird den Effektenhändlern kein spezifisches Zuteilungsverfahren vorgeschrieben. Gemäss dem relativen Gleichbehandlungserfordernis liegt die Zuteilung per Los am nächsten, wobei Differenzierungen anhand von Ordergrössen oder Anlegerqualifikationen 743 immer noch möglich bleiben müssen. Infolge der börsengesetzlichen Bestimmungen sind indes allfällige Differenzierungen nur nach vorgängiger Vorankündigung und Offenlegung zulässig. 744 Hierfür eignet sich neben der persönlichen Information der Kunden die Aufnahme im Prospekt am besten. Die Pflicht zur Publikation des Verteilschlüssels im Prospekt wäre bereits aufgrund von Art. 8 Abs. 2 BEHG von den Börsen in die jeweiligen Kotierungsreglemente aufzunehmen. Schliesslich ist an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass die börsenrechtlichen Vorschriften lediglich Anwendung finden, wenn das IPO von einem Effektenhändler betreut wird. Bietet dagegen eine Unternehmung ihre Papiere selbst auf dem Primärmarkt an (DPO), untersteht sie hinsichtlich der Zuteilung der Aktien keinen börsenrechtlichen Regelungen und kann ihren künftigen Aktionärskreis frei bestimmen. Wollte man die Gesellschaften auch bei einem DPO zur Gleichbehandlung verpflichten, wäre hierfür eine spezielle gesetzliche Grundlage erforderlich. 742 Sofern die zuzuteilenden Papiere aus einem Primary Offering stammen, kann hingegen eine bevorzugte Zuteilung an Verwandte und Freunde einzelner Altaktionäre hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses bedenklich sein; vgl. hierzu hinten Kap. I/C/1.3. Daher sollten diese auf einen überschaubaren Anteil am Emissionsvolumen (z.B. maximal 10%) begrenzt werden; so WILLAMOWSKI (2001) S. 662. 743 Private oder institutionelle Investoren, Gross- oder Kleinanleger, bisheriges Verhalten (z.B. Flipping) bei früheren Zuteilungen etc. 744 BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 100 ff. Vor allem aufgrund der mangelnden Transparenz hat sich in der Schweiz die Kritik gegenüber den Emissionshäusern entzündet. Deren Informationen, insbesondere bezüglich Allokationsverfahren, sind heute ungenügend (so schon METTLER [1990] S. 263), was das Misstrauen der (Klein-)Anleger fördert; vgl. auch WOLFF (1994) S. 322; Verfügung der EBK vom 19. März 2003 in Sachen Bank Vontobel AG E. 2a. 2. TEIL BÖRSENRECHT 148 4.4.4. Verhaltensregeln für Effektenhändler der SBVg Da das Börsengesetz selbst keine greifbare Konkretisierung der für Effektenhändler aufgestellten Verhaltensregeln vornimmt 745 und auch in den Verordnungen zugunsten der Selbstregulierung der Branche auf eine weitergehende Klärung verzichtet wurde, hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg)746 Richtlinien erlassen, welche die börsenrechtlichen Verhaltensregeln weiter konkretisieren. 747 Im Gegensatz zu den Standesregeln anderer Wirtschaftszweige sind diejenigen der Banken und Effektenhändler allgemein verbindlich und zeigen gewisse Aussen- bzw. Drittwirkungen. Deren Einhaltung wird deshalb nicht von einem Standesorgan, sondern von der EBK als staatliche Aufsichtsbehörde überwacht, die darin ein Erfordernis der „einwandfreien Geschäftstätigkeit“ sieht. 748 Die detaillierte Kontrolle erfolgt schliesslich durch die Revisionsstellen der Effektenhändler, welche gemäss Rundschreiben der EBK 749 die Einhaltung der Standesregeln zu prüfen haben. In Art. 8 auferlegen die Verhaltensregeln dem Effektenhändler eine Treuepflicht gegenüber seinen Kunden. 750 Danach hat dieser zweckdienliche organisatorische Massnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte zwischen seinen Mitarbeitern und den Kunden entweder gänzlich zu vermeiden oder die Benachteiligung der Kunden durch solche Interessenkonflikte auszuschliessen. Lässt sich eine Benachteiligung in Interessenkonfliktsituationen ausnahmsweise nicht vermeiden, so hat der Effektenhändler diese wenigstens in 745 Vgl. Botschaft BEHG S. 1405. 746 Die Schweizerische Bankiervereinigung besteht seit 1912 als Verband, der zu seinen Aufgaben die Wahrung der Interessen der Anbieter von Finanzdienstleistungen, die Selbstregulierung namentlich zum Schutz der Ein- und Anleger sowie die Förderung des Finanzplatzes Schweiz zählt; vgl. § 2 Statuten der SBVg. 747 Richtlinie der SBVg betreffend Verhaltensregeln für Effektenhändler bei der Durchführung des Effektenhandelsgeschäftes vom 22. Januar 1997. Die Bankiervereinigung kennt kein eigenes Verfahren zur Durchsetzung ihrer Standesregeln. Sie beschränkt sich lediglich darauf, deren Inhalt im Ausnahmefall auf dem Zirkularweg zu interpretieren oder zu präzisieren, denn häufig sind auch die Formulierungen der Richtlinien offen gehalten und ermöglichen damit den Banken und Effektenhändlern eine eigenverantwortliche Umsetzung; WINZELER (1998) S. 180; hierzu BERGER, Verhaltenspflichten (2000) S. 142 ff.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 64 ff. 748 Vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. d BEHG; hierzu WINZELER (1998) S. 179; BERGER, Verhaltenspflichten (2000) S. 138 f. 749 Rz 24 u. Anhang I EBK RS 96/3. 750 Vgl. Art. 8 Abs. 1 SBVg-Verhaltensregeln. 2. TEIL BÖRSENRECHT 149 geeigneter Form offen zu legen. 751 Schliesslich bestimmen die Verhaltensregeln, dass bei der Ausführung von Kundentransaktionen, Kunden, die ihre Effektenhandelsgeschäfte unter gleichen Umständen aufgegeben haben, fair und gleich zu behandeln sind.752 Die Verhaltensregeln lösen die bestehenden Interessenkonflikte bei der Ausführung der Aufträge durch eine strenge Zeitpriorität. 753 Dieses „First come First serve“-Verfahren weist bei einem IPO allerdings grosse Nachteile auf, weshalb es für die Zuteilung von Papieren in der Regel ungeeignet ist. 754 Nachdem Emissionshäuser die Bestimmungen von Art. 11 BEHG bei der Zuteilung der Papiere eines IPOs zu beachten haben, ist hier zu prüfen, ob dasselbe auch für die Verhaltensregeln der SBVg gilt. Gemäss Art. 2 regeln die Verhaltensregeln ausschliesslich die Ausführung von Effektenhandelsgeschäften. Darunter sind alle Tätigkeiten zu verstehen, die in „direktem Zusammenhang mit dem Erwerb und der Veräusserung von Effekten“ stehen. 755 Damit könnte – bei weiter Auslegung – auch die Betreuung von IPOs als von den Verhaltensregeln der SBVg erfasst betrachtet werden. Allerdings zeigt deren Inhalt (insbesondere die strikte Festlegung der Ausführung nach Zeitpriorität gemäss Art. 10 Verhaltensregeln SBVg), dass die Richtlinien primär im Hinblick auf den Sekundärmarkthandel ausgearbeitet worden sind. 756 Demzufolge sind die Richtlinien nicht direkt auf die Zuteilungsproblematik bei einem IPO anwendbar. 757 Dennoch können sie eine gewisse Hilfe bei der Auslegung von Art. 11 BEHG bieten. 4.4.5. Fazit Da der Übergang zwischen Primär- und Sekundärmarkt beim IPO fliessend ist und Emissionshäuser gemäss Art. 2 lit. d BEHG denselben börsenrechtlichen Regeln unterliegen wie die übrigen Effektenhändler, haben die Emissionshäuser die Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG auch bei der Zuteilung der Aktien aus einem IPO einzuhalten. Die Verhaltensregeln der SBVg beziehen sich hingegen primär auf den Sekundärmarkthan751 Art. 8 Abs. 2 SBVg-Verhaltensregeln; vgl. Kommentar zu Art. 9 SBVg-Verhaltensregeln; WINZELER (1998) S. 187; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 160. 752 Art. 9 SBVg-Verhaltensregeln; vgl. auch NOBEL, Selbstregulierung (1998) S. 132; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 160. 753 Art. 10 SBVg-Verhaltensregeln; vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 161; V-ISD Art. 20 Abs. 2. 754 S. vorne Kap. 3. 755 Kommentar zu Art. 2 SBVg-Verhaltensregeln. 756 Vgl. WYSS (2000) S. 25; 118; DIETZI/LATOUR (2002) S. 64 f. 757 In der Weise auch WYSS (2000) S. 118. 2. TEIL BÖRSENRECHT 150 del. Dennoch ist es sinnvoll, einzelne Bestimmungen im Sinne einer Auslegungshilfe auch auf Emissionen anzuwenden. Ein Ausbau der Richtlinien der SBVg in diese Richtung wäre deshalb aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu begrüssen. Bedient sich eine künftige Publikumsgesellschaft beim IPO der Hilfe eines Emissionshauses, so wird damit die Freiheit bei der Zuteilung eingeschränkt. Aufgrund der börsenrechtlichen Verhaltenspflichten und des Grundsatzes von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr darf ein Emissionshaus einzelne Kunden nicht einseitig und unverhältnismässig bevorzugen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass alle Anleger absolut gleich zu behandeln sind. Liegen sachliche Gründe vor, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, und erfolgt die Zuteilung aufgrund objektiver Kriterien, so ist eine Diskriminierung möglich. Allerdings darf der Spielraum bei der Zuteilung beispielsweise nicht zu Zwecken der Kundenbindung der Emissionsbank, zum Abschluss von profit-sharing-Deals, zur Bevorzugung von Mitarbeitern oder zur Alimentierung eigener Institutionen missbraucht werden. Wird der verbleibende Zuteilungsspielraum von der künftigen Publikumsgesellschaft oder dem Emissionshaus genutzt, so hat die Öffentlichkeit aufgrund der börsenrechtlichen Verhaltenspflichten ein Anrecht darauf, darüber informiert zu werden. Deshalb müssen die absehbaren Ungleichbehandlungen und insbesondere die Bevorzugung der „Affinity-Groups“ im Rahmen der Informations- und Sorgfaltspflichten bereits vor dem IPO offen gelegt werden. 4.5. Verletzung der börsenrechtlichen Pflichten Die börsenrechtlichen Verhaltensregeln dienen einerseits dem Schutz der einzelnen Anleger, andererseits auch dem Schutz eines funktionierenden Marktes. Aus diesem Grund handelt es sich dabei um Doppelnormen, also gemischtrechtliche Bestimmungen, die sowohl privatrechtlicher als auch öffentlichrechtlicher Natur sind. 758 Folglich kann eine Verletzung dieser Regeln aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen haben. 4.5.1. Aufsichtsbeschwerde Die Verletzung der börsenrechtlichen Pflichten hat in erster Linie aufsichtsrechtliche Konsequenzen. Gemäss Art. 35 Abs. 3 BEHG hat die Bankenkommission als Aufsichtsbehörde bei Verletzungen des Gesetzes (worunter u.a. die Verletzung der Verhaltensre758 Öffentlich-rechtliche Aufsichtsnormen, die teils der Konkretisierung der „Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit“ dienen, teils den Schutz des individuellen Anlegers im Privatrechtsverhältnis zwischen diesem und dem Effektenhändler bezwecken. 2. TEIL BÖRSENRECHT 151 geln fällt) oder sonstigen Missständen 759 den ordnungsgemässen Zustand wiederherzustellen, sobald sie davon Kenntnis erlangt. 760 Hierzu stehen der EBK die Massnahmen von Art. 35 f. BEHG zur Verfügung,761 welche hingegen nach einer erfolgten Verletzung nur schwer den eingetretenen Missstand beseitigen können. Immerhin weist diese Bestimmung eine gewisse präventive Wirkung auf. Eine weitere und wirkungsvolle Massnahme, solche Vorgehen zu unterbinden, wäre die Einziehung des unrechtmässig erzielten Gewinns bei den Emissionshäusern. Allerdings enthält das BEHG hierfür keine gesetzliche Grundlage, weshalb dies nach geltendem Recht unzulässig ist. 762 Enttäuschte Anleger haben demnach die Möglichkeit, eine Verletzung von Art. 11 BEHG mittels Aufsichtsbeschwerde gemäss Art. 71 VwVG bei der EBK anzuzeigen, wobei ihnen im Verfahren allerdings keine Parteistellung zukommt. 763 Auf diesem Weg lassen sich deshalb keine zivilrechtlichen Ansprüche einfordern. 764 Folglich sind solche vor den Zivilgerichten geltend zu machen. 4.5.2. Zivilrechtliche Klage Aus den Materialien zum Börsengesetz ist nicht ersichtlich, ob Art. 11 BEHG eine unmittelbare privatrechtliche Bedeutung besitzt. 765 Ein Grossteil der Lehre spricht dieser 759 Unter „sonstige Missstände“ werden beispielsweise grobe Verstösse gegen Standesregeln, Statuten oder Reglemente der Börsen verstanden. Die Formulierung wurde bewusst offen gewählt, damit die Aufsichtsbehörde flexibel auf weitere mögliche Missstände reagieren kann; vgl. Botschaft BEHG S. 1421. 760 Effektenhändler werden grundsätzlich nach dem System der Bankenaufsicht überwacht, denn im Gegensatz zur Börsenaufsicht besteht in diesem Bereich keine Selbstregulierung; vgl. ZOBL, Börsenrecht (1998) S. 39; MEIER-SCHATZ, Börsenrechtsordnung (1997) S. 333; WIEGAND/BERGER (1999) S. 722 f.; Verfügung der EBK vom 19. März 2003 in Sachen Vontobel AG. 761 Diese Massnahmen reichen bis zu einem Bewilligungsentzug und der Liquidation des Effektenhändlers (Art. 36 BEHG); hierzu Jahresbericht EBK 1997 S. 115 ff.; EBK-Bulletin 35/1998 S. 13 ff.; Botschaft BEHG S. 1422; WATTER, Effektenhändler (1996) S. 93 f.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 152 f.; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 10 N 54. 762 Vgl. hierzu Entscheid der II. Öffentlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 2. Februar 2000 i.S. Credit Suisse Group und Credit Suisse First Boston, in: BEK-Bulletin 40/2000 S. 37 ff. insb. S. 75 f. 763 Nicht veröffentlichter BGE vom 14. August 1995, in: EBK-Bulletin 29/1995 S. 50 f.; LANGHART (1993) S. 357; MEIER-SCHATZ, Börsenrechtsordnung (1997) S. 333; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 21; WIEGAND/BERGER (1999) S. 723; ZULAUF, règles de conduite (1995) S. 38 f.; DERS., Sorgfaltspflicht (1994) S. 387; WYSS (2000) S. 102 ff. 764 ZULAUF, règles de conduite (1995) S. 38. 765 Botschaft BEHG S. 1405 f.; Amtl. Bull. SR (1993) S. 998 ff.; Amtl. Bull. NR (1994) S. 1051 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 152 Norm allerdings eine solche zu und qualifiziert sie als sogenannte Doppelnorm. 766 Durch diese Qualifikation ist es möglich, dass sich ein Kunde direkt auf eine Verletzung der börsenrechtlichen Verhaltensregeln berufen kann. Damit stellt eine Verletzung der Verhaltenspflichten eine Vertragsverletzung dar, welche den Effektenhändler beziehungsweise das Emissionshaus schadenersatzpflichtig machen würde, sofern die übrigen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind. 767 Schliesslich sind auch Klagen aufgrund von Art. 41 OR möglich, da Art. 11 BEHG ein Schutznormcharakter zugesprochen werden muss. 768 Letzteres wird ein verletzter Kunde in der Regel nur geltend machen, wenn er beispielsweise Mitarbeiter des Effektenhändlers persönlich belangen will. 769 Ein allfälliger Schaden zeigt sich als Differenz zwischen dem gegenwärtigen Stand des Vermögens des Geschädigten und demjenigen Stand, den das Vermögen ohne Missachtung der Verhaltenspflichten gehabt hätte. 770 Die Höhe der Schadenersatzansprüche bei einer Nichtzuteilung entspricht demzufolge grundsätzlich dem entgangenen Zeichnungsgewinn. 771 Allerdings sind hiervon allfällig eingetretene Vermögensvorteile anzurechnen. 772 766 Hierzu EBK-Bulletin 40/2000 S. 26; MEIER-SCHATZ, Börsenrechtsordnung (1997) S. 334; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 8 N 111; Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Einleitung N 55; BERGER, Verhaltenspflichten S. 106; DERS., SBVg (2001) S. 69; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 24 ff.; BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 8 ff.; WYSS (2000) S. 49 ff., insb. S. 55 ff.; WERLEN, Anlegerschutzrecht (1995) S. 277; ZOBL, Börsenrecht (1998) S. 41; WIEGAND/BERGER (1999) S. 732; ZOBL/BANZ (1999) S. 636; ZULAUF, règles de conduite S. 38 f.; DIETZI/LATOUR (2002) S. 63; WATTER/MALACRIDA (1996) S. 153 f.; BERGER, Verhaltenspflichten (2000) S. 106; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 11 N 7. 767 Eine Verletzung kann so eine Vertrauenshaftung gemäss Art. 97 OR nach sich ziehen; hierzu ARTER/JÖRG (2001) S. 59 f. m.w.H.; WYSS (2000) S. 105; BERGER, Verhaltenspflichten (2000) S. 109; DIETZI/LATOUR (2002) S. 71; WIEGAND/BERGER (1999) S. 734 f. 768 WYSS (2000) S. 74 f., S. 105 f.; WATTER, Investorenschutz (1997) S. 277 ff.; WATTER,/MALACRIDA (1996) S. 152, 159; WATTER/DUBS (1998) S. 1311; ZOBL/BANZ (1999) S. 631 insb. FN 55; a.M. BERGER, Verhaltenspflichten (2000) S. 110 ff.; bzgl. Schutznorm vgl. OFTINGER/STARK (1995) § 4 N 41; REY (1998) N 698. 769 WYSS (2000) S. 74, 105 f. 770 In Betracht kommt damit insbesondere das positive Interesse (Erfüllungsinteresse) bei einer vertraglichen Haftung (Art. 97 ff.; vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY [1998] Rz 2703 ff.) bzw. der entgangene Gewinn (lucrum cesans) bei einer ausservertraglichen Haftung (vgl. ROBERTO [2002] Rz 584). 771 D.h. die Differenz zwischen dem Platzierungspreis und dem ersten Börsenkurs. Weitere Kursgewinne bleiben damit unberücksichtigt, da der interessierte Anleger die Papiere zu diesem Kurs am Markt hätte erwerben können; vgl. KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 31. 772 Vgl. SCHWENZER (1998) N 15.11 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 153 Sofern ein Effektenhändler bei der Titelzuteilung sachliche Kriterien beachtet hat, liegt im Falle einer Nichtberücksichtigung einzelner Anleger noch keine Pflichtverletzung beziehungsweise keine Widerrechtlichkeit vor. Als Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflichten müsste hingegen eine willkürliche Zuteilung an dem Effektenhändler nahestehende Kunden oder die Vereinbarung von profit-sharing-Deals mit einzelnen Anlegern qualifiziert werden. Die Haftung für einen eingetretenen Schaden kommt nur in Frage, wenn das dem Schädiger zur Last gelegte Verhalten – die Verletzung der Vertragspflicht oder der deliktischen Verhaltenspflicht – für den eingetretenen Erfolg ursächlich war. 773 Die Missachtung der Verhaltenspflichten darf nicht weggedacht werden können, ohne dass auch gleichzeitig der Schaden entfiele. 774 Daher besteht ein Anspruch auf Schadenersatz nie im vollen Umfang der vom Anleger gezeichneten Aktien, sondern ist auf die Quote begrenzt, die bei Beachtung der massgeblichen Kriterien zuzuteilen gewesen wäre. 775 Liegt indes eine (mehrfache) Überzeichnung vor, so ist nicht sicher, ob es zu einer Zuteilung der Papiere gekommen wäre, selbst wenn das Emissionshaus die Verhaltensregeln strikte eingehalten hätte. In einem solchen Fall sind auch bei Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes, beispielsweise in Anwendung des Losverfahrens, regelmässig Streichungen notwendig. Daher ist bei Vorliegen von Überzeichnungen vielfach der für eine Haftung erforderliche natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der Pflichtverletzung nicht gegeben. Das für die Gutheissung einer Schadenersatzklage notwendige Verschulden des Emissionshauses wird bei der vertraglichen Haftung vermutet. Aufgrund des objektivierten Verschuldensbegriffs wird es für ein Emissionshaus schwierig sein, den Exkulpationsbeweis zu erbringen. 776 Bei der ausservertraglichen Haftung hingegen hat der Geschädigte das Verschulden nachzuweisen. 777 Da eine blosse Nichtberücksichtigung der Zeichnungswünsche alleine noch keine Verletzung der börsenrechtlichen Verhaltenspflichten darstellt und der leer ausgegangene Anleger nur schwer den erforderlichen (natürlichen) Kausalzusammenhang zwischen der 773 SCHWENZER (1998) N 19.01 f. 774 Sog. natürlicher Kausalzusammenhang; „conditio sine qua non-Formel“; vgl. GUHL/KOLLER (2000) § 10 N 21; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 2712 f.; OR-WIEGAND, Bd. I (1996) Art. 97 N 41. 775 Vgl. PFÜLLER/MAERKER (1999) S. 672; KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 31 f. 776 Vgl. GUHL/KOLLER (2000) § 31 N 22 f.; OR-WIEGAND, Bd. I (1996) Art. 97 N 43. 777 Neben vielen ROBERTO (2002) Rz 216 ff. 2. TEIL BÖRSENRECHT 154 Pflichtverletzung und dem Schaden nachweisen kann,778 ist eine Haftung des Effektenhändlers aufgrund einer Nichtberücksichtigung bei der Zuteilung in vielen Fällen auszuschliessen. Zu prüfen ist des Weiteren eine Schadenersatzpflicht aufgrund einer Verletzung der börsenrechtlichen Informationspflicht. Vielfach sehen Bankkunden von einer Zeichnung ab, wenn ihre Chancen auf eine Zuteilung aufgrund des angewendeten Zuteilungsverfahrens aussichtslos erscheinen. Unterlässt es das Emissionshaus, den Anleger diesbezüglich zu informieren, könnte diesem ein Schaden daraus erwachsen, dass er seine Gelder mit Rücksicht auf seine Zeichnung nicht anderweitig angelegt hatte und ihm infolgedessen ein anderweitiger Gewinn entgangen ist. 779 Aufgrund der beträchtlichen Beweisschwierigkeiten werden solche Klagen ebenfalls nur in Ausnahmefällen zur Zusprache eines Schadenersatzes führen. Da der Einzelne in der Regel nur einen vergleichsweise geringen Schaden erleidet und die Risiken eines Prozesses gross sind, erweisen sich die oben aufgezeigten Klagemöglichkeiten – wie bereits bei der Prospekthaftung ausgeführt – in der Praxis nur wenig effektiv. 780 Aus diesem Grund wären Klageerleichterungen, wie beispielsweise eine Beweislastumkehr oder spezielle Regelungen bezüglich der Kostenverteilung781 sicherlich zu begrüssen. Da heute solche Bestimmungen allerdings fehlen, ist es umso wichtiger, dass die EBK ihre Aufsichtsfunktion strikte ausübt und die Einhaltung der börsenrechtlichen Verhaltensregeln auch bei der Zuteilung von Titeln aus einem IPO überwacht. 4.5.3. Abdingbarkeit Obwohl die Gefahr einer Haftung für die Emissionshäuser – wie oben aufgezeigt – nicht allzu gross ist, müssen Überlegungen angestellt werden, ob diese die Möglichkeit haben, sich von der Verpflichtung zur relativen Gleichbehandlung vertraglich lösen zu können. Zudem gilt zu prüfen, wieweit eine solche vertragliche Wegbedingung aufsichtsrechtlich zulässig ist. Die Qualifikation der Verhaltenspflichten als Doppelnormen und die Tatsache, dass das Gesetz eine vertragliche Abänderung nicht verbietet, ermöglichen grundsätzlich eine 778 Gemäss Art. 8 ZGB hat „derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet“. 779 Vgl. KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 32 f.; ROBERTO/WEGMANN (2001) S. 171 f. 780 Vgl. vorne Kap. II/A/5.6. 781 Vgl. z.B. Art. 756 Abs. 2 OR. 2. TEIL BÖRSENRECHT 155 Anpassung oder eine Beschränkung der Haftung. 782 Demnach sind spezielle vertragliche Vereinbarungen, die den Umfang der Pflichten und der Haftung des Effektenhändlers betreffen, zulässig. 783 Legt eine Bank beispielsweise unmissverständlich offen, dass sie im Fall einer Überzeichnung primär die institutionellen Grossanleger berücksichtigen wird, so ist in einem solchen Fall das Vertrauen der Investoren in eine gerechte Zuteilung nicht mehr schützenswert. 784 Allerdings erfordert der aufsichtsrechtliche Charakter von Art. 11 BEHG, dass eine Anpassung der Verhaltenspflichten und eine Beschränkung der Haftung für die Kunden klar erkennbar ist. 785 Daher würde beispielsweise eine Regelung in den AGB des Emissionshauses hierfür nicht genügen. 786 Bei IPOs muss daher eine diesbezügliche Einschränkung bereits im Prospekt klar offen gelegt werden. Dem ist hinzuzufügen, dass eine zu weitgehende Wegbedingung aufsichtsrechtlich keine Wirkung zeigt, da die Bankenkommission auch den börsengesetzlichen Funktions- und Vertrauensschutz zu beachten hat. Was aufsichtsrechtlich zur Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit minimal erforderlich ist, kann somit nicht durch eine abweichende Parteivereinbarung umgangen werden.787 Zudem sind bei einem Ausschluss der Haftung die Grenzen von Art. 100 Abs. 2 und Art. 101 Abs. 3 OR zu beachten. 788 Infolgedessen ist es im Hinblick auf den aufsichtsrechtlichen Charakter der börsenrechtlichen Verhaltenspflichten einem Emissionshaus nicht möglich, die Gleichbehandlungsverpflichtung in der Weise aufzuheben, dass ihm beispielsweise der Abschluss von profit-sharing-Deals erlaubt würde oder dass institutseigene Fonds und Mitarbeiterkunden grundsätzlich bevorzugt berücksichtigt werden könnten. 4.6. Wettbewerbsrecht 782 BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 47 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (1998) Rz 2801 ff. 783 BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 15, 47; vgl. auch WATTER (Effektenhändler [1996] S. 91 f.; DERS., Investorenschutz [1997] S. 279), der einen vertraglichen Ausschluss verneint, hingegen Präzisierungen zulässt. 784 Diese wären sich der Ungleichbehandlung von vornherein, d.h. bereits im Zeitpunkt der Zeichnung, bewusst; vgl. BRAND (1999) S. 62; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 188. 785 BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 53. 786 BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 52. 787 WATTER, Effektenhändler (1996) S. 91; DERS., Investorenschutz (1997) S. 279; ARTER/JÖRG (2001) S. 66. Allerdings hat sich die EBK in diesem Bereich bis anhin eher zurückgehalten; vgl. BEHGHERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 11 N 54; BERGER, SBVg (2001) S. 75. 788 Hierzu WYSS (2000) S. 76 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 156 Zu prüfen wäre des Weiteren ein Anspruch auf Gleichbehandlung aufgrund des schweizerischen Kartellgesetzes. Wie oben bereits aufgezeigt, erfolgt die Zuteilung der Papiere von IPOs regelmässig mittels Emissionssyndikaten. Die Emission unter den verschiedenen Konsortialbanken aufzuteilen, welche die Papiere danach zu gleichen Bedingungen an das breite Publikum verteilen, kann einerseits als unzulässige horizontale Wettbewerbsabrede i.S.v. Art. 5 KG betrachtet werden. Andererseits kann auch die Frage gestellt werden, ob das Emissionshaus (bzw. Syndikat) seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, wenn es gewisse Gruppen von Investoren bei der Zuteilung nicht berücksichtigt. 789 Diese Problematik hat sich verschärft, seit einige Investmentbanken ihre Stellung in der Weise ausnutzen konnten, dass sie von ihren Kunden zusätzliche Leistungen forderten, damit diese bei der Zuteilung berücksichtigt wurden. 790 An dieser Stelle müsste insbesondere untersucht werden, welches der relevante Markt beim IPO darstellt. 791 In einigen Fällen müsste die Zuteilungsproblematik schliesslich auch lauterkeitsrechtlich betrachtet werden. 792 Da sich diese Arbeit auf die börsenrechtlichen Aspekte eines IPOs konzentriert, kann auf die wettbewerbsrechtliche Problematik hier nicht weiter eingegangen werden. 793 5. BSK-Grundsätze in Deutschland Bereits Ende der 90er-Jahre wurde in Deutschland das Problem der Zuteilung bei überzeichneten IPOs erkannt und nach einer Lösung gesucht. Um auf die öffentliche Kritik an der Zuteilung von Aktien an Privatanleger einzugehen, beauftragte das deutsche Bundesministerium für Finanzen eine Börsensachverständigenkommission, Richtlinien für die Zuteilung von Aktien an Privatanleger zu erarbeiten. Die daraus entstandenen „Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger“ (im Folgenden: BSK-Grundsätze) traten für Deutschland am 1. Juli 2000 in Kraft. 794 Die diesbezüglichen Bestimmungen sind im Sinne einer diskutablen Lösung für die Schweiz im Folgen789 Verweigerung der Geschäftsbeziehung i.S.v. Art. 7 Abs. 1 insb. Abs. 2 lit. a KG. 790 Zu prüfen wäre hier das Vorliegen einer unzulässigen Verhaltensweise eines marktbeherrschenden Unternehmens i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. c und f KG. 791 Wird der relevante Markt bei IPOs eng (d.h. auf eine einzige Emission) festgelegt, so muss die Marktbeherrschung als gegeben betrachtet werden, wird er weit definiert, so liegt in den seltensten Fällen eine solche vor. 792 Insb. Art. 2 UWG. 793 Vgl. hierzu ROHR (1990) S. 152; ESCHER-WEINGART (2000) S. 167. 794 Hierzu SCHUSTER/RUDOLF (2001) S. 9 ff.; KÜMPEL, Zuteilungsgrundsätze (2001) S. 25 ff.; BIRNBAUM (2001) S. 15 ff.; WILLAMOWSKI (2001) S. 662 ff.; O.V., Zuteilungsgrundsätze (2000) S. 718 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 157 den kurz aufzuzeigen. Alsdann besteht die Möglichkeit, dass sich solche Zuteilungsgrundsätze zu einem internationalen Standard entwickeln könnten, welche die Schweizer Börsen gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG in ihren Reglementen zu berücksichtigen hätten. Die BSK-Grundsätze stellen Verhaltensempfehlungen sowohl für Emittenten als auch für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Emissionshäuser), die an Aktienemissionen beteiligt sind, dar. Ihr Hauptziel ist es, bei überzeichneten Emissionen Transparenz für die Anleger herzustellen. Die BSK-Grundsätze sollen jedoch nicht die Freiheit des Emittenten begrenzen, in eigenem Ermessen die Anlegergruppen zu bestimmen, bei denen die Papiere platziert werden sollen, und gegebenenfalls die angestrebte Struktur der Platzierung auch während des Bookbuilding-Verfahrens zu ändern. 795 Die Selbstverpflichtung von Emittenten und Emissionshäusern auf ein transparentes Zuteilungsverfahren 796 hat sowohl vor als auch nach dem IPO zu erfolgen. Nach Art. 3 BSK-Grundsätze muss der Emittent bereits vor Beginn der Zeichnungsfrist Einzelheiten über das Zuteilungsverfahren veröffentlichen, soweit ein solches bereits festgelegt wurde. 797 Die Veröffentlichung enthält insbesondere Angaben über die vorgesehenen Zuteilungsverfahren, sofern eine Überzeichnung vorliegt, und den prozentualen Aktienanteil, der im Rahmen eines Friends- and Family-Programms reserviert wurde. 798 Nach dem IPO hat der Emittent gemäss Art. 4 BSK-Grundsätze zusätzliche Informationen bekanntzugeben:799 den prozentualen Anteil der Aktien, der nach Kenntnis des Emittenten oder Konsortialführers Privatanlegern zugeteilt wurde; den prozentualen Anteil, der im Rahmen eines Friends- and Family-Programmes zugeteilt wurde, sowie ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Organmitgliedern des Emittenten oder deren Angehörigen Aktien zugeteilt wurden; die nach Kenntnis des Emittenten für die Zuteilung an Privatanleger tatsächlich angewendeten Verfahren, soweit hierfür für das Konsortium verbindliche Vorga795 Präambel BSK-Grundsätze. 796 Art. 2 BSK-Grundsätze. 797 Hierzu WILLAMOWSKI (2001) S. 662 f. 798 Sind vor Beginn der Zeichnungsfrist hingegen (noch) keine diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen Emittent und Konsortialführer getroffen worden, so ist diese Tatsache ebenfalls ausdrücklich zu erwähnen. 799 Die ersten drei Punkte sind gemäss Art. 3 BSK-Grundsätze (sofern zwischen Emittent und Konsortialführer vereinbart) bereits vor Beginn der Zeichnungsfrist bekanntzugeben; hierzu SCHUSTER/ RUDOLF (2001) S. 19 f. 2. TEIL BÖRSENRECHT 158 ben für die Zuteilung an Privatanleger im Falle einer Überzeichnung getroffen wurden oder die Zuteilung zentral durch den Konsortialführer erfolgt ist; die Ausübung des Greenshoes. Die Angaben haben jeweils in einer Pressemitteilung des Emittenten und auf dessen Internet-Homepage zu erfolgen. Diese Bekanntgabeverpflichtung kann auch auf Dritte (i.d.R. die Konsortialbanken) übertragen werden. 800 Nach Abschluss des IPOs hat das Emissionshaus seine Kunden, die Kaufangebote abgegeben haben, zumindest auf Anfrage über Art und Einzelheiten des bei der Zuteilung an Privatanlegern gewählten Verfahrens zu unterrichten. 801 Alsdann dürfen Mitarbeiter einer Konsortialbank nicht gegenüber den anderen Kunden bevorzugt werden. 802 Für die Zuteilung selbst sieht Art. 12 BSK-Grundsätze fünf Möglichkeiten vor, die allein oder kombiniert angewendet werden können: Die Zuteilung nach Ordergrösse, Quote, Eingang des Kaufangebotes, Losverfahren und „eine Auswahl nach anderen sachgerechten Kriterien“. 803 Auch wenn die BSK-Grundsätze als Selbstverpflichtung der Emittenten und Banken konzipiert sind, werden sie vom Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) und von den Börsen überwacht und können bei Verstössen Strafen auslösen. Ferner hat die Deutsche Börse AG die Einhaltung der Grundsätze zur Voraussetzung für die Notierung am Neuen Markt gemacht. 804 Die BSK-Grundsätze statuieren folglich kein Recht auf Zuteilung, sondern lediglich ein Recht auf Information. Normative Regeln, welche ein bestimmtes Zuteilungsverfahren vorschreiben, wird es in Deutschland in nächster Zeit auch nicht geben. 805 Damit hat Deutschland den Weg der Transparenz eingeschlagen und nicht den Weg der Regulierung des eigentlichen Zuteilungsprozesses. 800 Art. 5 BSK-Grundsätze. 801 Art. 10 BSK-Grundsätze. 802 Art. 7 BSK-Grundsätze; vgl. WILLAMOWSKI (2001) S. 663; hierzu auch O.V., Mitarbeitergeschäfte (2000) passim. 803 Vgl. hierzu oben Kap. D/3. 804 „Die Zulassung der Wertpapiere zum Neuen Markt setzt die Einhaltung der Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen (Zuteilungsgrundsätze) der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen durch den Emittenten voraus. Der Emittent sowie das Antrag stellende Institut oder Unternehmen (...) sind verpflichtet, der DBAG die Einhaltung der Zuteilungsgrundsätze nachzuweisen.“ Abschnitt 2 Ziff. 3.14 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. 805 SCHREINER (2000) S. 654. 2. TEIL BÖRSENRECHT 159 6. Ergebnis 6.1. Im Allgemeinen Mit der Anwendung der börsenrechtlichen Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG auf IPOs verpflichtet das Börsengesetz die Emissionshäuser zu einer gerechten Verteilung der Papiere und zur Veröffentlichung des angewendeten Verteilschlüssels. Damit kennt das BEHG ein probates Mittel zur Sicherung des Anlegervertrauens. Da sich in der Praxis – wie eingangs erwähnt – nicht alle Emissionshäuser daran halten und auch die Haftung nur wenig spürbare Wirkungen zeigt, ist diesbezüglich eine strenge Beaufsichtigung der Emissionshäuser durch die EBK notwendig. An dem grundsätzlichen Problem, dass bei einem attraktiven IPO häufig eine zu geringe Anzahl Aktien angeboten wird, können die börsenrechtlichen Verhaltensregeln nur wenig ändern. Allerdings hat die IPO-Euphorie der 90er-Jahre zu einer Übersättigung des Marktes und die schlechte Börsenstimmung zur einer Abnahme der Aktienzeichnungen geführt, wodurch auch die beträchtlichen Kurssprünge nach der Emission seltener wurden. Desgleichen liessen auch marktnähere Preisfindungsverfahren die enormen Zeichnungsgewinne teilweise sinken. Schwindet die Möglichkeit, durch die Zuteilung einer Neuemission erhebliche Gewinne zu erzielen, wird auch das Interesse der Anleger an einer Zuteilung zurückgehen. Dies zeigt, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes eingesetzt haben und dass sich das Bedürfnis nach einem gesetzgeberischen Eingreifen verringert hat. Dennoch wird es auch in Zukunft IPOs mit mehrfachen Überzeichnungen und hohen Zeichnungsgewinnen und damit enttäuschte Anleger, die keine Zuteilung erhalten haben, geben. Es ist deshalb zu prüfen, ob und, wenn ja, wie weit der Gesetzgeber in diesem Bereich einschreiten und eine über Art. 11 BEHG hinausgehende Regelung schaffen soll. Vor allem im Sinne der Rechtssicherheit wäre es wünschenswert, wenn diesbezüglich der Gesetzgeber oder die Emissionsbanken für sich selber klare Regeln erlassen würden. Zudem können nur mittels besonderer Regelung auch die künftigen Publikumsgesellschaften bei einem DPO verpflichtet werden, die Titel nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung zuzuteilen. Zur Durchsetzung solcher Bestimmungen könnten schliesslich Klagen von allfällig verletzten Anlegern erleichtert beziehungsweise deren Prozessrisiko verringert werden. 2. TEIL BÖRSENRECHT 160 6.2. Allfällige Regelung 6.2.1. Umfang einer Regelung a) Zuteilungsgrundsätze Im Rahmen der Vertragsfreiheit müssen die Emissionshäuser und Emittenten zu einem gewissen Grad selbst entscheiden können, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen wollen. Zudem können die Anleger keinen absoluten Anspruch auf Berücksichtigung bei der Wertpapierzuteilung erhalten, da einerseits keine Garantie gegeben werden kann, dass ein ausreichender Bestand an Titeln vorliegt, andererseits es auch nicht im Interesse der Anleger liegen kann, wenn pro Zeichner nur eine Aktie ausgegeben wird. Insofern darf es bei der Zuteilung von überzeichneten Emissionen keinen Kontrahierungszwang geben. Gleichwohl wäre es im Sinne des Anleger- und Funktionsschutzes auf dem Finanzmarkt notwendig, sowohl den künftigen Publikumsgesellschaften wie auch den das IPO betreuenden Emissionsbanken gewisse Zuteilungsgrundsätze aufzuerlegen. Es ist wenig sinnvoll, die Emissionshäuser zu verpflichten, die Zuteilung an Kunden nach einem bestimmten Verfahren vorzunehmen. Die Entscheidung über das Zuteilungsverfahren muss dem Emittenten, teilweise in Absprache mit dem Emissionshaus, obliegen. Dennoch sollte ein für die Anleger transparentes Zuteilungsverfahren gewählt werden, bei dem die unterschiedlichen Gruppen gleich behandelt werden. Hierbei denkbar wären insbesondere die Quotierung oder das Losverfahren. Eine Friends- and Family-Tranche widerspricht zwar streng genommenen dem Gleichbehandlungsgrundsatz, hingegen müssen die Interessen der künftigen Publikumsgesellschaft ebenfalls berücksichtigt werden können. Dieser muss es möglich sein, Mitarbeiter speziell an ihr zu beteiligen oder Partnerunternehmen an sie zu binden. Demzufolge muss die Reservation einer solchen Tranche weiterhin möglich bleiben. Überdies muss eine Gesellschaft, sofern sich dies wirtschaftlich rechtfertigen lässt, weiterhin gewisse Freiheiten haben, die Struktur ihres zukünftigen Aktionärskreises selbst zu bestimmen, was ihr durch gesetzliche Bestimmungen nicht verwehrt werden darf. Da die Gefahr des Missbrauchs indes gross ist, dürfen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung nur zulässig sein, wenn hierfür ein objektiver Grund vorliegt. b) Offenlegung des angewendeten Zuteilungsverfahrens Die Öffentlichkeit und insbesondere die enttäuschten Anleger haben ein berechtigtes Interesse hinsichtlich der genauen Kenntnis und Nachvollziehbarkeit des Zuteilungsschlüs- 2. TEIL BÖRSENRECHT 161 sels. 806 Da die Anleger bei Vorliegen mehrfacher Überzeichnungen wohl selbst davon ausgehen, dass ihre Zuteilungswünsche nicht immer erfüllt werden können, reicht es für die Schaffung von Vertrauen in den Zuteilungsprozess, wenn für eine ausreichende Publizität gesorgt wird. Obwohl bereits die geltenden börsenrechtlichen Bestimmungen die Emissionshäuser zur Offenlegung des Zuteilungsverfahrens verpflichten, wäre im Sinne der Rechtssicherheit eine diesbezügliche Regelung zu begrüssen. Alsdann könnten damit ebenfalls künftige Publikumsgesellschaften im Rahmen eines DPO zur Offenlegung verpflichtet werden. Nach dem Gesagten wäre es wünschenswert, wenn sowohl die Banken als auch die künftigen Publikumsgesellschaften bei einem IPO verpflichtet wären, ein transparentes Zuteilungsverfahren zu wählen und die Anleger diesbezüglich möglichst frühzeitig zu informieren. Dazu gehört die Angabe des Umfangs der Friends- and Family-Tranche, des voraussichtlich den Institutionellen zufliessenden Anteils sowie des vorgesehenen Zuteilungsverfahrens bei einer allfälligen Überzeichnung. Diesem Anliegen könnte entsprochen werden, wenn bereits im Prospekt der Verteilungsschlüssel und das Zuteilungsverfahren offen gelegt würden. Nach Abschluss des IPOs sollte dann die Einhaltung der publizierten Zuteilungsregeln durch einen unabhängigen Dritten – denkbar wäre die Revisionsstelle oder die Zulassungsstelle der Börse – überprüft werden. 6.2.2. Ort der Regelung Die Zuteilung betreffende Pflichten könnten im Aktienrecht, das grundsätzlich für die Regulierung des Primärmarkts zuständig ist, festgeschrieben werden. Allerdings ist es nicht sinnvoll, solche Bestimmungen auf alle Aktiengesellschaften anzuwenden. Zudem wären die dort festgehaltenen Regelungen auf ein Secondary Offering oder ausländische Gesellschaften, die ihre Papiere in der Schweiz öffentlich anbieten, grundsätzlich nicht anwendbar. Der bessere Ort zur Platzierung einer solchen Regelung wäre daher das Börsengesetz. Obwohl der Gesetzgeber bei dessen Erlass den Primärmarkt ausklammern wollte, sprechen dennoch stichhaltige Gründe dafür, solche Bestimmungen dort zu regeln. So weitet das BEHG, im Gegensatz zum aktienrechtlichen Gleichbehandlungsprinzip, das sich in erster Linie an die Organe der Gesellschaft richtet, seinen Adressatenkreis aus. 807 Daher können neben den Emissionshäusern sowohl die künftigen Publikumsgesellschaften als auch die verkaufenden Grossaktionäre im Vorfeld eines IPOs zu einer relativen Gleichbehandlung der Anleger und zur Offenlegung des angewendeten 806 Sog. „gläserne Emission“; so STEFFEN (1999) S. 61 f. 807 Bspw. auf die Grossaktionäre. 2. TEIL BÖRSENRECHT 162 Zuteilungsverfahrens verpflichtet werden. Eine solche Ausweitung des Adressatenkreises wäre mit Blick auf Art. 20 oder Art. 32 BEHG nicht gänzlich systemfremd, da bereits dort gesellschaftsrechtliche Belange geregelt werden. Eine gesetzliche Regelung hat den Nachteil der mangelnden Flexibilität. Die entsprechenden Pflichten könnten deshalb auch im Rahmen der Selbstregulierung als Kotierungsvoraussetzung in den Reglementen der einzelnen Börsensegmente aufgenommen werden. 808 Eine andere Möglichkeit der Regelung der Zuteilungsproblematik wäre schliesslich ein Selbstregulierungserlass durch die Effektenhändler selber, entsprechend den deutschen BSK-Grundsätzen. Denkbar wäre beispielsweise eine diesbezügliche Erweiterung der Verhaltensregeln für Effektenhändler der SBVg. Eine Regelung in den Verhaltensregeln der SBVg hat allerdings gegenüber einer gesetzlichen Bestimmung den Nachteil, dass bei einem DPO weder die Gesellschaften noch die verkaufenden Grossaktionäre direkt erfasst werden können. Hierfür müssten beispielsweise die Kotierungsreglemente der Börsen die Beachtung solcher Bestimmungen als Kotierungsvoraussetzung vorschreiben. 809 E. Zusätzliche Aufgaben des Emissionshauses 1. Gewähr für die Einhaltung der Vorschriften Bei einer „gemanagten“ Emission bürgen die Effektenhändler für eine gewisse Qualität der Emission. Sie übernehmen in der Schweiz in diesem Punkt einen Teil der Aufgaben, die in anderen Ländern die Aufsichtsbehörde wahrnimmt. Aufgrund der Gefahr einer Haftung und der börsenrechtlichen Aufklärungspflicht gegenüber ihren Kunden sind die Effektenhändler bemüht, ihre Kundschaft umfassend mit richtigen Informationen zu versorgen. Folglich bieten die Emissionshäuser Gewähr, dass beim IPO die (börsen-) rechtlichen Vorschriften eingehalten werden und der Kotierungsprospekt korrekte Angaben enthält. 810 808 Die Regelung in den Kotierungsreglementen hätte den Vorteil der flexiblen und individuellen Ausgestaltung; vgl. HENCKEL, Selbsregulierung (2003) S. 25. Zudem würden die jeweiligen Börsensegmente aufgewertet, da eine solchen Regelung das Vertrauen der Anleger in die Börse stärkt. 809 Diesen Weg hat das Regelwerk (deutscher) Neuer Markt (Abschnitt 2 Ziff. 3.14) eingeschlagen; vgl. O.V., Richtlinien (2000) S. 274. 810 Hierzu bereits vorne Kap. II/A/5.1. 2. TEIL BÖRSENRECHT 163 2. Begleitung der Gesellschaft nach dem IPO 2.1. Market Making Nach dem IPO besteht besonders bei kleineren Gesellschaften die Gefahr, dass deren Titel beim Handel eine zu geringe Liquidität aufweisen und damit keine faire Preisstellung vorhanden ist. Dem helfen Market Maker ab, indem sie öffentlich Kauf- und Verkaufskurse stellen und damit die nötige Marktliquidität schaffen. Market Maker sind Effektenhändler, die gewerbsmässig für eigene Rechnung kurzfristig mit Effekten handeln und öffentlich dauernd oder auf Anfrage Kurse für einzelne Effekten stellen. 811 Gewöhnlich übernehmen die am IPO beteiligten Konsortialbanken das Market Making für die Papiere der jungen Publikumsgesellschaft. Diese Verpflichtung wird regelmässig im Übernahme- bzw. Kommissionsvertrag vereinbart.812 Ein Market Making wird für Gesellschaften, die am SWX New Market kotiert sind, zwingend vorausgesetzt, da die Papiere dieser Gesellschaften vielfach bloss eine geringe Liquidität aufweisen. 813 2.2. Kurspflege und Bereitstellung zusätzlicher Kredite Die einführenden Emissionsbanken haben nicht nur ein Interesse daran, dass die Liquidität der neu eingeführten Titel vorhanden ist, sondern darüber hinaus, dass der Kurs der Papiere auch nicht allzu grosse Ausschläge verzeichnet. Um Letzteres zu verhindern, versuchen die Banken, plötzlich fallende Kurse durch Käufe zu stützen oder seltener, bei 811 Art. 3 Abs. 4 BEHV; EBK-RS 98/2 Rz 39 ff.; vgl. BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 2 lit. d N 26 ff.; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 42. Market Maker handeln auf eigene Rechnung, wenn sie in eigenem Namen ohne Auftrag oder Instruktionen Dritter Effektengeschäfte abschliessen und das Risiko derselben selber tragen, d.h. wenn die Gewinne ihnen zustehen bzw. Verluste sie belasten. Der Begriff der Kurzfristigkeit bezieht sich auf das mit dem Erwerb von Effekten verfolgte Ziel, nämlich deren aktive Bewirtschaftung, um innerhalb kurzer Fristen aus Veränderungen von Kursen oder Zinsen Gewinne zu erzielen. Nicht kurzfristig handeln würde beispielsweise, wer Effekten zum Zweck einer Finanzanlage oder einer Beteiligungsnahme erwerben würde (z.B. Investment- oder Holdinggesellschaften) vgl. auch EBK-RS 98/2 Rz 21 f. 812 Ebenso wie die nachfolgend erwähnte Kurspflege; vgl. KRÄMER/HESS (1999) S. 180 ff.; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 189 f. 813 Gemäss Art. 11 ZR-NM ist anlässlich der Einreichung des Kotierungsgesuches eine Erklärung eines Teilnehmers der SWX beizubringen, wonach sich dieser verpflichtet, für einen Markt der Beteiligungspapiere zu sorgen; Rz 6 Market Making-RL; dazu hinten 3.Teil/II/B/2.6. 2. TEIL BÖRSENRECHT 164 stark steigenden Kursen, durch Verkäufe zu dämpfen.814 Die sogenannte Kurspflege geht damit über das reine Market Making hinaus. Kurspflegemassnahmen können für die Emissionshäuser mit grossen Kosten verbunden sein. Um dieses Risiko zu minimieren und die Kurspflege zu erleichtern, räumen sich diese im Vorfeld des IPOs beispielsweise eine Greenshoe-Option 815 ein oder verpflichten die künftige Publikumsgesellschaft und deren Altaktionäre zu einem Lock-up 816 . Da Kurspflegemassnahmen für die Beurteilung der Eigenschaften der Effekten bedeutend sind, müssen diesbezügliche Vereinbarungen bereits im Kotierungsprospekt erwähnt werden. 817 Eine Emissionsbank trägt gegenüber dem Börsendebütanten und den Investoren zudem eine erhebliche Mitverantwortung. Einerseits besteht für sie die Gefahr einer Haftung, andererseits wäre es dem Image der Bank kaum förderlich, wenn ein Börsenneuling schon kurze Zeit nach dessen IPO in existenzielle Nöte geraten würde. Mit Blick auf künftige IPOs sind Emissionshäuser deshalb teilweise bereit, für die junge Publikumsgesellschaft in Krisenzeiten zusätzliche Kredite bereitzustellen, um damit allfällige Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Allerdings liegt es im Ermessen der Emissionshäuser, solche Finanzspritzen zu gewähren, da hierfür grundsätzlich weder gesetzliche noch vertragliche Verpflichtungen bestehen. 2.3. Gesellschaftsstudien Einige Börsen beziehungsweise Segmente, so beispielsweise der SWX New Market, 818 verpflichten die einführende Bank, regelmässig für den Emittenten betreffende Gesellschaftsstudien zu sorgen und zu publizieren. Häufig erledigt die Emissionsbank dies in Eigenregie. 819 In den Gesellschaftsstudien wird im Gegensatz zum Geschäftsbericht vermehrt auf die Darstellung der zukünftigen Entwicklung und das Marktumfeld der Unternehmung Wert gelegt. Allerdings sind solche Berichte generell mit Vorsicht zu ge814 Hierzu KRÄMER/HESS (1999) S. 175 ff.: ROHR (1990) S. 127, 146 f.; SCHLICK (1997) S. 121 f.; CARLS (1996) S. 220 ff.; HOPT (1991) Rz 28; im internationalen Kontext vgl. CESR, Stabilisation and Allotment (2002). 815 Hierzu vorne Kap. I/C/5. 816 Hierzu vorne Kap. II/C. 817 Vgl. Art. 8 Abs.2 BEHG; ebenso KRÄMER/HESS (1999) S. 192 ff. 818 Gemäss den Vorschriften des New Markets (Art. 15 ZR-NM) hat die börseneinführende Bank während zweier Jahre nach der Kotierung mindestens zweimal jährlich eine Gesellschaftsstudie zu präsentieren. In einem schnelllebigen Markt wie dem New Market ist dies als untere Grenze zu verstehen. Deshalb publizieren einige Investmentbanken freiwillig vierteljährliche Updates. 819 Vgl. BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 44; DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 189. 2. TEIL BÖRSENRECHT 165 niessen. Da sie vielfach von der Emissionsbank stammen, ist der Interessenkonflikt vorprogrammiert. Gefälligkeitsstudien mit „Strong Buy“- oder zumindest „Buy“-Ratings ohne grosse Aussagekraft sind die Folge.820 Gesellschaftsanalysen müssen jedoch auf seriös durchgeführten Schätzungen fussen. Wichtig ist daher die Unabhängigkeit der Research-Abteilung. Diese muss, um Interessenkonflikte zu vermeiden, mittels „Chinese Walls“ streng von der Investment-Abteilung des Emissionshauses getrennt sein. 821 Damit die Unvoreingenommenheit der Analysten, die ein IPO begleiten, gewährleistet ist, sollten schliesslich auch personelle Vorkehrungen getroffen werden. Beispielsweise sollte es Analysten verboten sein, selbst im Besitz von Titeln zu sein beziehungsweise diese zeichnen zu dürfen, für deren Studie sie sich später verantwortlich zeigen. 822 Um die erforderliche Unabhängigkeit der Finanzanalyse sicherzustellen, hat die SBVg diesbezügliche Richtlinien erlassen. 823 Dabei ging es der SBVg vor allem darum, mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Finanzanalysen zu vermeiden, zu begrenzen oder mindestens deren Offenlegung zu erwirken. Nebst der Schaffung entsprechender Transparenz sollte grundsätzlich die Gleichbehandlung der Empfänger von Finanzanalysen sichergestellt werden. 824 Namentlich fordern die Richtlinien eine organisatorisch, hierarchisch und funktionale Trennung von Finanzanalyse und Emissionsgeschäft. 825 So darf die Entlöhnung der Finanzanalysten nicht vom Erfolg einer oder mehrerer spezifischer Transaktion(en) der Emissionsabteilung bzw. des Investment Banking abhängig sein. 826 Ebenfalls müssen die Emissionsabteilung einer Bank und die Finanzanalyse so organisiert sein, dass zwischen ihnen grundsätzlich keine privilegierten Informationen fliessen, die nicht gleichzeitig den Kunden der Bank zur Verfügung stehen. 827 Alsdann darf eine Bank, die als „Mana820 Vgl. COCCA; Schädliche Praxis (2003) S. 33; NZZ Nr. 268 vom 18. November 2002 S. 26. 821 Vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 173 ff.; ROTH, Effektenhändler (1996) S. 87; WATTER, Effektenhändler (1996) S. 90 f.; SFAA-Handbook (2002) S. 33. 822 Vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 180; SFAA-Handbook (2002) S. 27 ff. 823 Diese Richtlinien sind mit Beschluss des Verwaltungsrats der SBVg vom 2. Dezember 2002 verabschiedet und von der EBK mit Beschluss vom 23. Januar 2003 als Standesregeln anerkannt worden. Sie wurden in den Anhang I zum EBK-Rundschreiben 96/3 („Revisionsbericht“) aufgenommen und traten per 1. Juli 2003 in Kraft. 824 Präambel der SBVg-Finanzanalyse; zum Anwendungsbereich Grundsätze 1-4 SBVg-Finanzanalyse. 825 Grundsatz 5 SBVg-Finanzanalyse. 826 Grundsatz 6 SBVg-Finanzanalyse. „Wenn die Entlöhnung der Finanzanalysten auf den Erfolg von Emissionsabteilung bzw. Investment Banking insgesamt abstellt, so ist dies in Studien und Empfehlungen offen zu legen“, Grundsatz 7 SBVg-Finanzanalyse. 827 Grundsatz 8 SBVg-Finanzanalyse. 2. TEIL BÖRSENRECHT 166 ger“ oder „Co-Manager“ bei einem IPO mitwirkt, während 40 Kalendertagen nach dem ersten Handelstag keine neuen Studien zur betreffenden Gesellschaft veröffentlichen und keine neuen Empfehlungen abgeben.828 Ein Finanzanalyst darf schliesslich Titel von ihm selbst analysierter Unternehmen nicht auf eigene Rechnung erwerben. 829 Hingegen erlauben die Richtlinien den Analysten explizit, im Rahmen eines IPOs neue Titel zu zeichnen. 830 828 Sog. „Quiet Period“; Grundsatz 27 SBVg-Finanzanalyse. 829 Grundsatz 33 SBVg-Finanzanalyse. 830 Kommentar zu Grundsatz 9 SBVg-Finanzanalyse. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 167 3. TEIL MARKTSEGMENTE Im 3. Teil werden vorerst die Anforderungen erörtert, die das BEHG an ein Kotierungsreglement stellt. Danach sind die Voraussetzungen für eine Kotierung an der SWX aufzuzeigen. Schwerpunkt bildet hierbei das Hauptsegment. Nicht explizit behandelt werden in der vorliegenden Abhandlung die Kotierungsbestimmungen der Berne eXchange. 831 Zwar soll diese insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen als Vorstufe zur SWX dienen, doch ist ihre praktische Bedeutung momentan noch gering.832 Ebenfalls zur Zeit in der Schweiz noch wenig verbreitet sind die neuen, internetbasierten Handelsplätze und Emissionsplattformen. Dennoch weisen Internet-IPOs eine Vielzahl rechtlicher Probleme auf, weshalb auf diese im letzten Kapitel vertieft einzugehen ist. I. BÖRSENRECHTLICHE ANFORDERUNGEN AN EIN KOTIERUNGSREGLEMENT A. Grundsatz Börsen sind in der Schweiz schon seit jeher korporative Gebilde, die sich von staatlicher Regulierung fern halten wollen. Dies berücksichtigend, stellt das schweizerische Börsengesetz lediglich eine Rahmenordnung auf, innerhalb welcher die Börsen oder ihre Verbände 833 selbst Regeln aufstellen dürfen.834 Damit wurde ein System geschaffen, das die erforderliche Flexibilität bietet, um auf die Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten möglichst rasch reagieren zu können. 835 Demzufolge ist das BEHG als Rahmengesetz konzipiert, das sich auf die Zweckerreichung – nämlich den Anleger- und den Funktionsschutz 836 – beschränkt. Die Konkreti831 BX; hierzu http://www.berne-x.com. 832 Ob sich dies in Zukunft durch den Zukauf eines neuen elektronischen Handelssytems ändern wird, ist noch ungewiss; vgl. NZZ Nr. 69 vom 23./24. März 2002 S. 33; Jahresbericht EBK (2002) S. 73 f. 833 Im Bereich der Börsen ist dies insb. die SWX, für Banken und Effektenhändler die SBVg. 834 Art. 4 BEHG. Die Zurückhaltung des Staates bei der Regulierung stellt ein Gebot des Subsidiaritätsprinzips dar; vgl. VON DER CRONE, Emission (1996) S. 98 f. 835 So ZOBL, Börsenrecht (1998) S. 25; vgl. auch MORSCHER (1992) S. 134 ff.; kritisch PIRRONG (1995) S. 141 ff. 836 Hierzu 2.Teil/II/A/6.3.1. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 168 sierung der im Börsengesetz aufgestellten Grundsätze erfolgt danach im Rahmen der Selbstregulierung. 837 Durch die Festlegung von Mindestvorschriften wird aber immerhin ein einheitliches Sicherheitsniveau garantiert. Damit ist es den einzelnen Börsen (innerhalb des festgelegten gesetzlichen Rahmens) freigestellt, eigene Wege zur Erfüllung dieser Vorschriften zu gehen. Im Kampf um Investoren und Gesellschaften müssen die einzelnen Börsen sich selbst darum bemühen, alle Voraussetzungen zu schaffen und möglichst leistungsfähige Systeme aufzustellen. Ein Nachteil des Systems der Rahmengesetzgebung und der Selbstregulierung liegt in der Tatsache, dass dadurch ein Teil des demokratischen Gesetzgebungsverfahrens umgangen wird. Dies zeigt sich am deutlichsten dort, wo das Gesetz pauschal auf international anerkannte Standards verweist. 838 B. Kotierungsreglemente Die Konzeption als Rahmengesetz zeigt sich besonders in den Bestimmungen betreffend der Zulassung von Effekten. Das BEHG enthält diesbezüglich lediglich Minimalanforderungen für die zu erlassenden Kotierungsreglemente. 839 Die Umschreibung der konkreten Zulassungsbedingungen überlässt der Gesetzgeber hingegen nahezu vollumfänglich den Börsen. 837 „Selbstregulierung ist eine normative Tätigkeit ohne die autoritäre Teilnahme des Staates, aber dennoch: Regulierung mit Geltung für sich selbst so wie auch für Dritte.“; so NOBEL, Selbstregulierung (1998) S. 125. Selbstregulierung bedeutet hingegen nicht den Verzicht auf staatliche Aufsicht, sondern eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen behördlicher Oberaufsicht und privater Selbstkontrolle; vgl. Botschaft BEHG S. 1383, 1399; hierzu WINZELER (1998) S. 172 ff.; Kommentar BEHGZOBL (2000) Einleitung N 61 ff.; BEHG-WATTER (1999) Art. 1 N 15; HENCKEL, Selbsregulierung (2003) S. 25; vgl. auch die Verhaltensregeln für Effektenhändler der SBVg (vorne 2.Teil/III/D/4.4.4) oder die Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse der SBVg (vorne 2.Teil/III/E/2.3). 838 Art. 8 Abs. 3 BEHG; vgl. RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 38. Hierzu ist anzufügen, dass die Regulierung im Bereich der Kotierung eine sehr komplexe Materie darstellt, welche spezifisches transaktionsorientiertes Spezialwissen verlangt. Ein sachgerechter Konsens kann deshalb in der Regel besser auf privater als auf politischer Ebene erreicht werden; vgl. Botschaft BEHG S. 1383. 839 Die Kotierungsreglemente sollen in enger Zusammenarbeit mit den kotierten Gesellschaften und den Vertretern der Anlegerkreise aufgestellt werden; vgl. Botschaft BEHG S. 1387, 1402 f.; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 7 ff., 42 f.; zur Rechtsnatur der Kotierungsreglemente s. neben vielen BEHG-DAENIKER (1999) Art. 4 N 8. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 1. 169 Mindestanforderungen Die materiellen Voraussetzungen für die Zulassung sind im BEHG nur sehr allgemein gehalten. 840 Der Gesetzgeber verlangt lediglich, dass die einzelnen schweizerischen Börsen ein Reglement erlassen, welches Vorschriften über die Handelbarkeit der Effekten enthält und festlegt, welche Informationen für die Beurteilung der Eigenschaften der Effekten und der Qualität der Emittenten notwendig sind.841 Den Börsen bleiben dadurch grosse Freiheiten in der Ausgestaltung ihrer Reglemente. Insbesondere in der Festlegung der Zulassungsbedingungen setzt ihnen das BEHG keine Grenzen. 842 So können diese selbst entscheiden, welche Voraussetzungen sie an eine Gesellschaft stellen, deren Papiere kotiert werden sollen. 843 Die Börsen haben lediglich den in Art. 1 BEHG festgelegten Zweck der Sicherstellung von Transparenz und Gleichbehandlung zu gewährleisten. Dadurch ist es letztlich der Wettbewerb, der entscheidet, wie viel Regulierung erforderlich ist. 844 Die grosse Bedeutung, die der Gesetzgeber in diesem Bereich der Selbstregulierung beimisst, wird schliesslich dadurch unterstrichen, dass im Gesetz von der Kompetenz des Bundesrates abgesehen wurde, auf dem Verordnungsweg Mindestanforderungen bezüglich der Zulassung einzuführen.845 Damit wurde verhindert, dass das in Art. 4 BEHG postulierte Prinzip der Selbstregulierung durch 840 Vgl. Art. 8 BEHG; BEHG-LANZ (1999) Art. 8 N 1; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 37. 841 Art. 8 Abs. 2 BEHG; d.h. insb. quantitative Handelsvolumina (Liquidität) oder Basiskriterien der Handelbarkeit (beispielsweise Zahl und Struktur der ausstehenden Beteiligungspapiere oder die Eintragungspraxis für vinkulierte Namenaktien); vgl. RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 41 ff. 842 Art. 4 BEHG. Damit steht es den Börsen frei, für verschiedene Segmente unterschiedlich strenge Zulassungsvoraussetzungen vorzusehen. Diesen Weg hat bspw. die SWX eingeschlagen; vgl. hinten Kap. II. 843 Meist sind dies Eigenschaften der zu kotierenden Papiere, Qualität der Emittenten (Existenzdauer, Tätigkeit, Rechnungslegung, Mindesteigenkapitalausstattung, Gewinn- und Umsatzentwicklung, etc.) oder Publizitätspflichten (Emissions- und Kotierungsprospekt, periodische Berichterstattung, Ad-hoc-Publizität usw.). 844 Sog. „competitive (de-)regulation“. In einer Studie von PAGANO/RÖELL/ZECHNER (2001) wurde festgestellt, dass diejenigen Börsen mit largeren Publizitätsregeln, schwach ausgeprägtem Anlegerschutz und hohen Handelskosten in den letzten Jahren am meisten Kotierungen verloren haben. Da mit einer zu grosszügigen Zulassungspraxis eine Börse Gefahr läuft, dass sich an ihr nur zweitklassige Publikumsgesellschaften kotieren lassen, was der Reputation des Handelsplatzes abträglich ist, liegt es im Interesse der Börsen selbst, für strikte Regeln besorgt zu sein. 845 Art. 8 Abs. 5 des Entwurfs zum BEHG legte fest, dass der Bundesrat Mindestanforderungen für die Zulassung von Effekten zum Handel sowie für deren Sistierung auf dem Verordnungsweg regeln kann. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 170 Kontrollinstrumente des Bundesrates wieder zur blossen Selbstverwaltung der Börse degradiert wird. Von Beginn an ist bei der Ausarbeitung des BEHG auf die grundsätzliche Übereinstimmung des Regelungsgehalts mit internationalen Standards – speziell mit der Konzeption der europäischen Rechtsetzung – geachtet worden. 846 Deshalb bestimmt eine der wenigen die Kotierung betreffenden materiellen Regelungen, dass das Kotierungsreglement den international anerkannten Standards Rechnung zu tragen hat. 847 2. Zulassungsverpflichtung Nach dem im BEHG aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung hat der Marktzugang offen und rechtsgleich zu erfolgen, wobei allgemein anerkannte, objektiv feststellbare und für gleiche Antragsteller gleiche Kriterien anzuwenden sind. 848 Erfüllt eine Gesellschaft alle Anforderungen des Kotierungsreglements (insb. betreffend Grösse, Existenzdauer, Information der Anleger, Rechnungslegung etc.), so hat sie einen Anspruch, von der Börse aufgenommen zu werden. 849 Über die jeweilige Zulassung von Valoren zum Handel, d.h. über die Frage, ob alle Anforderungen erfüllt sind, hat eine von den Börsen gebildete Zulassungsstelle zu entscheiden. 850 Im Gegensatz zur Europäischen Union bleibt im BEHG die Frage unbeantwortet, in welchem Zeitraum die Zulassungsstelle über einen Antrag zu entscheiden hat. 851 In Anbetracht der unter den Börsen herrschenden Konkurrenzsituation und des zeitlichen 846 Botschaft BEHG S. 1434 f. 847 Hierzu hinten Kap. C. 848 BEHG-LANZ (1999) Art. 8 N 11; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 8 N 4, 11. 849 Vgl. Art. 8 Abs. 4 BEHG. Danach sind die Börsen zur Kotierung verpflichtet, wenn der Emittent die Bedingungen ihres Reglements erfüllt. In diesem Lichte ist von Art. 5 Abs. 3 KR, welcher der Zulassungsstelle die Kompetenz erteilt, ein Kotierungsgesuch abzulehnen, wenn dies im Interesse der Öffentlichkeit geboten ist, nur in ganz speziellen Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. 850 Nicht jede Börse muss eine eigene Zulassungsstelle einrichten; eine gemeinsame Zulassungsstelle für Börsen gleicher Art ist durchaus möglich; vgl. Botschaft BEHG S. 1403. Die Zulassungsstelle der SWX setzt sich aus zwölf Mitgliedern zusammen, wovon fünf vom Schweizerischen Handelsund Industrieverein (Vorort) und sieben vom Verwaltungsrat der SWX aus dem Kreis der Mitglieder der SWX bestimmt werden; vgl. Art. 19 Abs. 1 Statuten der Schweizerischen Effektenbörse SWX. Soweit den Emittenten Pflichten auferlegt werden, erlässt sie selbstständig die notwendigen Reglemente; ausführlicher NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 9 N 50 ff. 851 Gemäss Art. 19 EU-Börsenzulassungs-RL kann ein Gesuchsteller nach Ablauf von 6 Monaten ein Rechtsmittel ergreifen. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 171 Drucks, unter denen die Emittenten stehen, kann es sich hingegen keine Börse leisten, solche Entscheide unverhältnismässig lange hinauszuzögern. C. Verweis auf international anerkannte Standards 1. Allgemein Um eine flexible Regelung zu schaffen und ein Abseitsstehen der Schweizer Börsen zu vermeiden, verweist das BEHG im Bereich Börsenzulassung pauschal auf internationale Standards. 852 Hier sind insbesondere die europäischen Richtlinien im Bereich des Kapitalmarktrechts, die Vorschläge oder Empfehlungen der internationalen Gremien und – im Bereich der Rechnungslegung – Standards wie die IAS/IFRS und US-GAAP zu beachten. Im Rahmen der Globalisierung der Finanzmärkte beschäftigen sich die internationalen Gremien, allen voran die IOSCO und das CESR, mit der Schaffung und Weiterentwicklung von internationalen Standards, um damit die Transparenz und Integrität auf den Märkten zu erhöhen sowie eine faire Behandlung der Anleger sicherzustellen. Hierzu haben diese eine Vielzahl von Standards, Berichten und Konsultationspapieren geschaffen. Im Hinblick auf die vorliegende Problematik sind etwa die „Objectives and Principles of Securities Regulation“, 853 die „International Disclosure Standards for CrossBorder Offerings and Initial Listings by Foreign Issuers“ 854 der IOSCO oder die „Market Conduct Standards for Participants in an Offering“, 855 die „Standards for Regulated Markets under the ISD“, 856 „A European Regime of investor protection – The Harmonisation of Conduct of Business Rules“, 857 "Stabilisation and Allotment – A European Supervisory Approach" 858 des CESR von Relevanz. 859 Ein Ziel des CESR ist es unter anderem, europaweit die gegenseitige Anerkennung von Wertpapierprospekten zu erleichtern sowie dem Anleger vereinfachten Zugang zu den 852 Gemäss Art. 8 Abs. 3 BEHG hat ein Zulassungs- bzw. Kotierungsreglement international anerkannten Standards Rechnung zu tragen; vgl. Botschaft BEHG S. 1387. 853 Report der IOSCO vom Februar 2002. 854 Report der IOSCO vom September 1998. 855 Standards der FESCO vom 22. Dezember 1999 (99-FESCO-B). 856 Standards der FESCO vom 22. Dezember 1999 (99-FESCO-C). 857 Standards des CESR vom 9. April 2002 (CESR/01-014d). 858 Standards des CESR vom 9. April 2002 (CESR/02-020b). 859 Vgl. http://www.iosco.org; http://www.europefesco.org. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 172 für eine Anlageentscheidung bedeutsamen Informationen aus einem Wertpapierprospekt zu verschaffen. Dementsprechend bezweckt beispielsweise das Konsultationspapier „A European Passport for Issuers“ 860 , den Zeit- und Kostenaufwand des Emittenten für die Prospekterstellung zu vermindern, um damit dem Ziel der Schaffung eines EU-Passes für grenzüberschreitende Wertpapieremissionen näher zu kommen. Im Weiteren sieht das Konsultationspapier vor, Wertpapierprospekte in ein emittentenbezogenes Rahmendokument 861 und ein Emissionsdokument 862 zu unterteilen. 863 Die Bestrebungen dieser Behörden und Institutionen zeigen, dass der Markt für Neuemissionen als regelungsbedürftig betrachtet wird. Deren Vorhaben muss besonders vor dem Hintergrund der verschiedenen Börsenkooperationen gesehen werden. So hat beispielsweise die Realisierung der EUREX und der Euronext sowie die englischschweizerische Handelsplattform virt-x deutlich gemacht, dass die Zukunft der Regulierung und der Aufsicht nicht allein im nationalen Bereich liegen kann. Den oben erwähnten internationalen Standards entsprechend, hat die Europäische Kommission die Anpassung ihrer Richtlinien bezüglich Wertpapierdienstleistungen und Börsenzulassungen in Angriff genommen. 864 Mit zunehmender Verbreitung und Anerkennung werden sich diese Vorstösse zu Standards entwickeln, welche die schweizerischen Börsen im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 BEHG ebenfalls zu beachten haben. 860 FESCO, European Passport (2000) S. 1 ff. 861 Sog. „Registration Document“. Das Rahmendokument muss einmal jährlich nach der Genehmigung des Jahresabschlusses erstellt werden und enthält Informationen über den Emittenten. Es soll nach seiner Anerkennung im Herkunftsstaat EWR-weite Anerkennung geniessen. Vom CESR/FESCO wird dabei insbesondere empfohlen, bereits alle Informationen des Rahmendokumentes in den Jahresabschluss einzubeziehen, so dass eine separate Erstellung hinfällig und die Einheitlichkeit der Jahresabschlüsse EWR-weit gefördert würde; vgl. FESCO, European Passport (2000) S. 5 f. 862 Sog. „Securities Note“. Das Emissionsdokument würde im Falle einer Emission oder eines Börsenganges erstellt und soll die notwendigen Angaben über die konkret angebotenen oder zum Börsenhandel zugelassenen Wertpapiere enthalten. Es unterliegt dabei jeweils der individuellen Anerkennung im Aufnahmestaat; vgl. FESCO, European Passport (2000) S. 5. 863 Derselbe Weg bezüglich der Zweiteilung der Dokumente wird auch von der IOSCO vorgeschlagen; sog. „Shelf Registration“; vgl. hierzu IOSCO, Shelf Registration (2001). 864 Z.B. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat betr. Aktualisierung der Wertpapierdiensleistungsrichtlinie vom 15. November 2000, KOM (2000) 729; EU-Börsenzulassungs-RL; gV EU-Prospekt-RL. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 2. 173 Richtlinien der Europäischen Union Der Verweis des BEHG auf internationale Standards bezog sich nach Auffassung des Gesetzgebers insbesondere auf die kapitalmarktbezogenen Publizitätspflichten von Emittenten, für welche namentlich die EU detaillierte Richtlinien erlassen hat.865 Die Botschaft zum BEHG erwähnt explizit die europäische Zulassungsrichtlinie, 866 die beiden Prospektrichtlinien, 867 die Zwischenberichtsrichtlinie 868 und die Transparenzrichtlinie 869 . 870 In den letzten Jahren ist die EU vom Gedanken der Vollintegration und der Schaffung eines Einheitsrechts abgekommen. Vielmehr gilt heute das Konzept der Mindestharmonisierung und der wechselseitigen Annäherung der nationalen Regelungen.871 So stellen die EU-Richtlinien nur Mindeststandards dar, doch sind diese in vielen Bereichen weitaus detaillierter als die schweizerische Börsengesetzgebung. Auf die europäischen Richtlinien ist im Folgenden kurz einzugehen. 2.1. Europäische Börsenzulassungsrichtlinie Aus Gründen der Übersichtlichkeit kodifizierte die EU alle die Börsenzulassung und den amtlichen Handel betreffenden Richtlinien 872 und fasste diese in einer einzigen – der Eu- 865 Botschaft BEHG S. 1402 f. 866 Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse (79/279/EWG). 867 Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung zu veröffentlichen ist (80/390/EWG); Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (89/298/EWG). 868 Richtlinie über regelmässige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind (82/121/EWG). 869 Richtlinie über die bei Erwerb und Veräusserung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (88/627/EWG). 870 Botschaft BEHG S. 1434 ff.; HERTIG, Richtlinien (1993) S. 17 ff.; WIDMER (1996) S. 125; zu den einzelnen Richtlinien KNOBL/OPPTITZ (1992) S. 523 ff.; LUTTER, Unternehmensrecht (1996) S. 528 ff. 871 Neben vielen CLAUSSEN (2000) § 9 Rz 12 f. 872 RL 79/279/EWG; RL 80/390/EWG; RL 82/121/EWG; RL 88/627/EWG. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 174 ropäischen Börsenzulassungsrichtlinie 873 – zusammen, wobei der materielle Inhalt der ursprünglichen Rechtsakte grundsätzlich beibehalten wurde.874 Im Vordergrund der europaweiten Harmonisierung im Bereich der Börsenzulassung standen Mindestanforderungen an Grösse und Bestand des Emittenten, Handelbarkeit und Streuung der Wertpapiere sowie Informationspflichten. 875 Allerdings wurde auch hier keine vollständige Rechtsangleichung erreicht, denn unter der Berücksichtigung des Gleichbehandlungsprinzips können die einzelnen Mitgliedstaaten die Kotierung auch strengeren oder zusätzlichen Bedingungen unterwerfen.876 Die Börsenzulassungsrichtlinie soll den Emittenten den Zugang zu den verschiedenen Börsen der Mitgliedstaaten dadurch erleichtern, dass die nationalen Behörden von den Börsenkandidaten grundsätzlich identische Informationen verlangen. 877 Der Schwerpunkt der Börsenzulassungsrichtlinie liegt im Gleichbehandlungsprinzip und einer effizienten Informationsweitergabe. 878 Dementsprechend enthält die Börsenzulassungsrichtlinie detaillierte Bestimmungen betreffend der Pflicht zur Erstellung, des Inhalts, der Kontrolle, der gegenseitigen Anerkennung und der Veröffentlichung von (Kotierungs-) Prospekten. 879 Ferner wurden von der EU gewisse Mindeststandards betreffend der Folgepublizität festgelegt. 880 Die ehemals in der Transparenzrichtlinie aufgestellte Informationspflicht bei Erwerb einer bedeutenden Beteiligung fand ebenfalls Eingang in die Börsenzulassungsrichtlinie. 881 Da sich das schweizerische Börsengesetz und das Kotierungsreglement der SWX (Art. 8 Abs. 3 BEHG entsprechend) in vielen Punkten an die europäische Börsenzulassungsrichtlinie beziehungsweise an die Vorgängerrichtlinien an- 873 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, nachfolgend EU-Börsenzulassungs-RL. 874 BE 1 u. insb. Anh. III (Übereinstimmungstabelle) EU-Börsenzulassungs-RL. 875 Art. 20-51, 67-77 sowie 98-104 EU-Börsenzulassungs-RL. 876 Art. 8 Abs. 1 EU-Börsenzulassungs-RL. 877 Vgl. Art. 20 ff. u. insb. Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Anh. I. 878 So bereits zu den Vorgängerrichtlinien KNOBL/OPPTITZ (1992) S. 529. 879 Art. 20-51, 98-104 u. Anh. I Schema A EU-Börsenzulassungs-RL; hierzu ebenfalls Art. 5 ff. gV EUProspekt-RL (s. FN 891). 880 Insbesondere im Bereich der Veröffentlichung von Jahres- und Halbjahresberichten und der Ad-hocPublizität; vgl. Art. 64-77 EU-Börsenzulassungs-RL. 881 Art. 85-97 EU-Börsenzulassungs-RL. Danach werden Aktionäre, welche eine bestimmte Schwelle von Stimmrechten einer börsenkotierten Gesellschaft halten bzw. überschreiten, zur Meldung verpflichtet; vgl. auch die Offenlegungspflicht des BEHG 2.Teil/II/B. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 175 lehnen, werden die Analogien und spezifischen europäischen Besonderheiten im Zusammenhang mit den schweizerischen Normen behandelt. 882 Sollte sich der in der Börsenzulassungsrichtlinie vorgesehene europäische Pass durchsetzen, 883 so könnte dies insbesondere nachteilige Wettbewerbsauswirkungen auf die Schweizer Börsen in ihren jetzigen Formen haben, da es für (europäische) Publikumsgesellschaften attraktiver ist, ihre Aktien allein in der EU und nicht mehr in der Schweiz kotieren zu lassen. Gemäss der europäischen Börsenzulassungsrichtlinie hätte die Europäische Gemeinschaft die Möglichkeit, mit Drittländern Vereinbarungen abzuschliessen, um damit von ihnen anerkannten Zulassungsprospekten die „Einmalzulassung“ zu gewähren. 884 Würde die Schweiz als solches Drittland anerkannt, könnten Gesellschaften, welche die Zulassungsbestimmungen gemäss Kotierungsreglement der SWX erfüllten, ihre Papiere auch an den Börsen der EU kotieren lassen, ohne sich einem weiteren Zulassungsverfahren unterziehen zu müssen. 885 Umgekehrt könnten schweizerische Börsen, um ausländische Gesellschaften für ein Dual Listing886 in der Schweiz zu gewinnen, den europäischen Pass für die Zulassung akzeptieren und so den erwähnten Wettbewerbsnachteil beseitigen. 887 2.2. Europäische Prospektrichtlinie Bis heute unterscheiden sich die nationalen Bestimmungen der Staaten der EU insbesondere mit Blick auf die Form und den Inhalt des Prospekts immer noch beträchtlich, was die Zulassung einer Emission in mehreren Mitgliedstaaten (Dual Listing) weiterhin erschwert. 888 Damit haben die ehemaligen europäischen Prospektrichtlinien 889 ihr Ziel nicht erreicht. 890 Mit dem geänderten Vorschlag für eine neue Richtlinie betreffend den Prospekt, welcher beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulas- 882 Hinten Kap. II/A. 883 „Europäischer Pass für Emittenten“; vgl. Art. 38-40 EU-Börsenzulassungs-RL. 884 BE 18, Art. 41 EU-Börsenzulassungs-RL. 885 Art. 38 ff. EU-Börsenzulassungs-RL. 886 Vgl. vorne 1.Teil/III/A/3.2. 887 Vgl. Rz 17 ff. RL betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften. 888 Vgl. BE 5-14 EU-Börsenzulassungs-RL; BE 1 gV EU-Prospekt-RL. 889 RL 89/298/EWG; RL 80/390/EWG. 890 Hierzu Mitteilung der Kommission, Aktueller Stand auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, zweiter Bericht, KOM (2000) 336 endg. S. 12. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 176 sung zum Handel zu veröffentlichen ist,891 wird versucht, durch die Festlegung von Mindestbedingungen eine vermehrte Koordinierung der Voraussetzungen für die Zulassung von Wertpapieren zu erreichen. Eine Aktualisierung und Flexibilisierung der bisherigen Richtlinie und die Einführung einer europaweit identischen Definition des Begriffs „öffentliches Angebot“ sind eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines einheitlichen Emittentenpasses. 892 Gemäss dieser Definition unterscheidet der geänderte Vorschlag für eine EU-Prospekt-RL bezüglich der Prospektpflicht nicht zwischen einem Primary und einem Secondary Offering. In beiden Fällen handelt es sich nach europäischem Recht um ein prospektpflichtiges Angebot von Wertpapieren an das Publikum, sofern die erforderlichen Schwellenwerte überschritten werden.893 Eine Neuerung des Vorschlags für eine europäische Prospekt-RL liegt darin, dass der Prospekt nicht mehr in einem einzigen Dokument veröffentlicht werden muss, sondern mehrere Bestandteile (Registrierungsformular, Wertpapierumschreibung und Zusammenfassung) umfassen kann. Eine solche Unterteilung kann namentlich für „Daueremittenten“ Vorteile mit sich bringen. 894 Schliesslich dürften die Harmonisierung des Prospektinhalts und die Regelung der erforderlichen Mindestinformationen 895 einen gemeinschaftsweit einheitlichen Anlegerschutz ermöglichen und so länderübergreifende Verkaufsangebote und den grenzüberschreitenden Handel erleichtern. 891 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. August 2002 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (nachfolgend gV EU-Prospekt-RL); vgl. auch Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist (nachfolgend EU-Vorschlag Prospekt-RL). 892 Vgl. Art. 17 ff. gV EU-Prospekt-RL. 893 Art. 2 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 3 gV EU-Prospekt-RL. Danach handelt es sich um kein prospektpflichtiges öffentliches Angebot gemäss RL, wenn sich dieses an qualifizierte Anleger bzw. an weniger als 100 Personen pro Mitgliedstaat richtet. Unter die Ausnahmen fallen sodann auch Angebote mit einem Mindestbetrag von weniger als € 2’500’000 oder Angebote, bei denen die Wertpapiere lediglich ab einer Mindeststückelung von € 50’000 erworben werden können. 894 Vgl. auch IOSCO, Shelf Registration (2001). 895 Insb. Anh. I-IV gV EU-Prospekt-RL. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 3. 177 Fazit Mit der elastischen Regelung des BEHG und den damit verbundenen geringfügigeren Differenzen zu anderen nationalen Rechtsordnungen soll der Börsenplatz Schweiz für ausländische Gesellschaften offen und attraktiv bleiben. Ausländische Emittenten sollen nicht durch vollständig andere Kotierungsanforderungen abgeschreckt werden. Da eine gewisse schweizerische Eigenständigkeit der Börsenordnung in einigen Bereichen durchaus sinnvoll sein kann, müssen die ausländischen Regeln hingegen nicht absolut und unreflektiert übernommen werden, sondern sollen eher als Referenzgrösse bei der Anpassung an die schweizerischen Verhältnisse dienen. Dies zeigt sich auch darin, dass der Schweizer Gesetzgeber den einzelnen Börsen nicht eine Europakompatibilität der Kotierungsreglemente vorschreiben wollte. 896 Durch das Zusammenwachsen der Finanzmärkte ist es für die schweizerische Rechtsordnung nicht mehr sinnvoll, sich zu stark von den übrigen Märkten zu unterscheiden. Zur Gewinnung ausländischer Gesellschaften ist es erforderlich, dass die schweizerischen Börsen und insbesondere die SWX die Standards der im Finanzbereich überaus wichtigen internationalen Gremien und der EU beachten und ihre Bestimmungen daran anpassen, wo dies angebracht erscheint. Die dafür erforderliche Flexibilität wird durch die schweizerische Börsenordnung gewährleistet. II. ÜBERSICHT DER KOTIERUNGSVORAUSSETZUNGEN AN AUSGEWÄHLTEN SEGMENTEN DER SWX In der Schweiz bestehen für Unternehmen mehrere Möglichkeiten, sich über den Zugang an einer Börse Kapital zu beschaffen und ihre Titel kotieren zu lassen. Den weitaus bedeutendsten Sekundärmarkt stellt die SWX dar. Diese hat im Rahmen der Selbstregulierung für ihre Segmente verschiedene Kotierungsreglemente (bzw. entsprechende Zusatzreglemente) erlassen, in denen sie für die Kotierung unterschiedliche Anforderungen stellt. 897 Für ein IPO in der Schweiz von Bedeutung und für die vorliegende Abhandlung von Interesse sind neben dem Hauptsegment namentlich der New Market und das Segment der 896 BEHG-LANZ (1999) Art. 8 N 8. 897 Schon die Botschaft BEHG (S. 1400) ging davon aus, dass eine Börse verschiedene Segmente mit unterschiedlichen Vorschriften, insb. bezüglich Zulassung von Effekten, bilden könne. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 178 Local Caps. Die übrigen Segmente der SWX (das Segment der Investment- 898 und jenes der Immobiliengesellschaften 899 ) weisen bezüglich der Zulassung nur geringe Unterschiede auf, weshalb nur am Rande darauf eingegangen wird. Zur besseren Übersicht und als Einstieg werden nachfolgend in einer tabellarischen Auflistung die wichtigsten Anforderungen der einzelnen Segmente der SWX aufgezeigt. Hauptsegment 900 New Market Local Caps 3 Jahre 901 1 Jahr 2 Jahre IAS/IFRS, USGAAP, FER 902 und vergleichbare nationale Standards 903 Lediglich IAS/IFRS und US-GAAP IAS/IFRS, USGAAP, FER und vergleichbare. nationale Standards Eigenkapitalausstattung CHF 25 Mio. CHF 2,5 Mio. CHF 2,5 Mio. Mindestkapitalisierung CHF 25 Mio. CHF 8 Mio. CHF 10 Mio. 25% 20% (mind. 100’000 Stück) 15% Jahres- und Halbjahresberichte Quartalsberichte Jahres- und Halbjahresberichte Existenzdauer der Gesellschaft Rechnungslegung Freefloat Period. Berichterstattung 898 Zusatzreglement für die Kotierung von Investmentgesellschaften vom 13. Oktober 1997 (nachfolgend ZR-InvG); hierzu MÜLLER (2001) S. 79 ff. 899 Vgl. Zusatzreglement für die Kotierung von Immobiliengesellschaften vom 18. Dezember 2000 (nachfolgend. ZR-ImmoG); vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 6/2001. 900 Gilt ebenso (mit Ausnahme von FN 901) für Investment- und Immobiliengesellschaften. 901 Investment- und Immobiliengesellschaften kennen keine minimale Existenzdauer. 902 Im Hauptsegment sind die FER nur noch bis ins Jahr 2005 zugelassen; vgl. hinten Kap. A/2.2.2./a. 903 Vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000; ab 2005 nur noch IAS/IFRS und US-GAAP; s. hinten Kap. A/2.2.2. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 179 A. Hauptsegment 1. Anwendungsbereich Das Hauptsegment ist, wie der Name bereits erkennen lässt, das wichtigste und mit Abstand grösste Segment der SWX. Gedacht ist es grundsätzlich für die klassischen, grösseren Publikumsgesellschaften. Dennoch ist das Hauptsegment auch für ein IPO geeignet. Das zeigt die Praxis, werden dort doch die meisten Neukotierungen verzeichnet. Im Rahmen dieser Arbeit ist es zweckmässig, in erster Linie auf die Kotierungsbestimmungen des Hauptsegmentes der SWX einzugehen, da sich die übrigen Segmente in wesentlichen Bereichen an das Kotierungsreglement der Hauptbörse anlehnen sowie an vielen Stellen direkt auf dieses verweisen. Das Kotierungsreglement gilt damit primär für die Zulassung an der Hauptbörse, sekundär für die übrigen Segmente. Für die Zulassung an den New Market, das Segment der Investmentgesellschaften, der Local Caps und der Immobiliengesellschaften gelten zusätzliche Reglemente der Zulassungsstelle, welche teils strengere, teils largere Voraussetzungen für die Zulassung enthalten. 2. Kotierungsvoraussetzungen 2.1. Gesuch und Gesuchsteller Mit der Einreichung des Kotierungsgesuchs hat der Gesuchsteller nachzuweisen, dass alle gemäss Kotierungsreglement erforderlichen Voraussetzungen von der künftigen Publikumsgesellschaft erfüllt werden. 904 Kann er diesen Nachweis erbringen, so hat eine Gesellschaft grundsätzlich einen Anspruch auf die Kotierung ihrer Papiere. 905 Die Zulassungsstelle behält sich allerdings vor, ein Gesuch abzulehnen, wenn dies im Interesse der Öffentlichkeit geboten ist. 906 Ebenfalls hat die Zulassungsstelle gemäss Art. 76 KR die Möglichkeit, Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen zu bewilligen, wenn dies den Interessen der Öffentlichkeit, der Börse oder der SWX-Teilnehmer nicht zuwiderläuft und 904 Art. 50 ff. KR; hierzu SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 193 ff. Das Gesuch ist spätestens einen Monat vor dem vorgesehenen Termin der Kotierung bei der SWX schriftlich, in deutscher oder französischer Sprache, einzureichen; vgl. Art. 50a KR. 905 Art. 8 Abs. 4 BEHG; Art. 59 Abs. 1 KR. 906 Art. 5 Abs. 3 KR; vgl. auch Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 3/2001. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 180 der Gesuchsteller den Nachweis erbringt, dass der Zweck der betreffenden Bestimmung im konkreten Fall auf eine andere Weise erreicht wird. 907 Das Kotierungsgesuch ist vom Emittenten selbst oder einem anerkannten Vertreter einzureichen. 908 Verfügt der Emittent nicht über die erforderliche Sachkunde909 , was bei einem IPO regelmässig der Fall ist, 910 verlangt die Zulassungsstelle, dass er sich durch einen kundigen, anerkannten Spezialisten vertreten lässt. 911 Als solcher wird gewöhnlich die Leadbank eingesetzt, doch auch andere Emissionshelfer, wie beispielsweise Anwälte oder die Revisionsgesellschaft, können als Vertreter akzeptiert werden. 912 2.2. Anforderungen an die künftige Publikumsgesellschaft Gemäss dem Grundsatz der Offenheit der SWX 913 sind die Anforderungen, die an eine künftige Publikumsgesellschaft gestellt werden, nicht besonders hoch. Dementsprechend wären eine Vielzahl von mittleren und grösseren Gesellschaften im Stande, diese zu erfüllen. 907 Vgl. Ausnahme-RL. Dies kann auch beispielsweise bei einer Sekundärkotierung einer ausländischen Gesellschaft der Fall sein; so Art. 77 KR; Rz 15 ff. RL betr. Kotierung von ausländischen Gesellschaften. 908 Art. 50 KR; WIDMER (1996) S. 128; HALLAUER/SCHWARZ (1997) S. 1136. 909 Die Zulassungsstelle regelt das Verfahren über den Nachweis der erforderlichen Sachkunde von Emittenten und die Anerkennung von Vertretern in der Richtlinie zu Art. 50 KR betr. Einreichung des Kotierungsgesuchs vom 1. Oktober 1996 (nachfolgend Einreichungs-RL). Nach Rz 8 EinreichungsRL gilt der Nachweis der Sachkunde namentlich dann als erbracht, wenn der Gesuchsteller bzw. der Vertreter in den letzten drei Jahren mindestens acht Kotierungsgesuche bei der Zulassungsstelle eingereicht oder in massgeblicher Mitverantwortung bearbeitet hat und dabei auch für die technischen Aspekte der Verbriefung, Verwahrung und Gewährleistung der Abwicklung von Börsentransaktionen verantwortlich war. 910 So ist insb. bei Eigenkapitaltransaktionen die Börse auf eine sachkundige Planung und Abwicklung angewiesen (vgl. Rz 4 Einreichungs-RL). Da es sich bei einer künftigen Publikumsgesellschaft in der Regel um eine „Einmalemittentin“ (vgl. CLAUSSEN [2000] § 9 Rz 296 f.) handelt, erfüllt sie gewöhnlich dieses Erfordernis nicht, es sei denn, es handle sich um ein IPO eines Effektenhändlers, der seine eigenen Papiere an die Börse bringt. 911 Art. 50 KR. 912 Die SWX unterscheidet zwischen provisorischer, Voll- und Teil-Anerkennung. Eine Vollanerkennung kann nur für Banken ausgesprochen werden, da sie neben dem Tätigkeitsbereich der Dokumentation auch Sachkunde im abwicklungstechnischen Bereich voraussetzt. Teilanerkennungen werden in der Regel für Anwaltskanzleien und Treuhandbüros, welche lediglich für die dokumentatorische Seite (insbesondere Erstellung des Kotierungsprospektes) zuständig sind, ausgesprochen. Ferner gibt es auch Teilanerkennungen für einzelne Produktekategorien. 913 Vgl. Art. 1 KR; Art. 1 u. 8 BEHG. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 181 2.2.1. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen Jeder Emittent, der seine Papiere an der SWX kotieren lassen will, muss sich über seine gesellschaftsrechtliche Existenz ausweisen können. So müssen Gründung, Statuten oder Gesellschaftsvertrag jenem nationalen Recht entsprechen, dem die künftige Publikumsgesellschaft unterliegt.914 Dadurch ist es nicht notwendig, dass eine Gesellschaft, die an der SWX kotiert ist, selbst in der Schweiz inkorporiert ist. Sind die Beteiligungsrechte einer ausländischen Unternehmung weder im Sitzstaat noch im Staat der hauptsächlichen Verbreitung kotiert, so ist der Nachweis zu erbringen, dass eine dortige Kotierung nicht einzig unterblieben ist, um Anlegerschutzvorschriften zu umgehen. 915 Sofern eine ausländische Gesellschaft ihre Papiere aus wirtschaftlichen Überlegungen 916 in der Schweiz kotieren lassen will und die Anleger dadurch nicht benachteiligt werden, ist eine Kotierung in der Schweiz durchaus möglich und wird von der SWX selbstverständlich begrüsst. Ausländische Gesellschaften, die nicht gemäss den Bestimmungen des schweizerischen Aktienrechts errichtet wurden, müssen allerdings Gewähr bieten, dass sie ihren Aktionären ein Mindestmass an Corporate Governance zuerkennen. Hier unterscheidet die SWX zwischen Primär- und Sekundärkotierung, wobei die Anforderungen an sekundärkotierte Gesellschaften weniger umfassend sind.917 2.2.2. Rechenschaft Gesellschaften, die ihre Papiere am Hauptsegment kotieren lassen wollen, haben gemäss Art. 7 KR über drei volle Geschäftsjahre Rechenschaft abzulegen. 918 Grund hierfür ist, dass die im Hauptsegment kotierten Gesellschaften einen gewissen Bestand aufweisen sollen, da dieses Segment, im Gegensatz zum SWX New Market, keine Plattform für Venture Capital-Gesellschaften darstellen soll. Durch dieses Erfordernis wird sodann die Vergleichbarkeit mit Vorjahreszahlen ermöglicht und für den Anleger die Voraussetzung 914 Damit ist das Sitzstatut für die Kotierung massgebend; Art. 6 KR; ebenso Art. 52 EUBörsenzulassungs-RL. 915 Art. 27 KR; Rz 8 ff. Richtlinie betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften; ebenso Art. 51 EUBörsenzulassungs-RL. 916 Weil beispielsweise der Kapitalmarkt im Heimatland unterentwickelt ist oder die Schweiz für bestimmte Industriezweige Vorteile aufweist (z.B. Kotierung von Biotechnologieunternehmen). 917 Vgl. Rz 32 ff. RL betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften; Rz. 2 ff. Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 4/2002. 918 Sog. „3-Jahresregel“. Nach Art. 7 Abs. 2 KR kann die Zulassungsstelle jedoch Ausnahmen von der 3-Jahresregel gestatten; vgl. dazu hinten Kap. b. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 182 geschaffen, Fluktuationen und Zyklen des Geschäftsganges des Emittenten feststellen zu können, 919 womit sich auch die Aussagekraft der publizierten Zahlen erhöht. Um eine Vergleichbarkeit zu schaffen, ist es notwendig, Rechenschaft anhand der Rechnungslegungsvorschriften abzulegen, die für die betreffende Gesellschaft nach der Kotierung anwendbar sind. Dies kann, je nach bisherigem Standard, einen rückwirkenden Wechsel des Rechnungslegungssystems erforderlich machen. 920 a) Rechnungslegung Die Rechnungslegung hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln. 921 Dieses Erfordernis ist gemäss Kotierungsreglement heute erfüllt, wenn die Rechnungslegung anhand der FER 922 oder nach international anerkannten Standards erfolgt. 923 Zu den Letzteren zählt die SWX die IAS/IFRS und die US-GAAP. 924 Bei Emittenten von Beteiligungsrechten ist eine halbjährliche Zwischenberichterstattung gemäss FER 12 oder einer gleichwertigen ausländischen Norm erforderlich.925 Zudem hat die Zulassungsstelle der SWX Jahresrechnungen und Zwischenabschlüsse von ausländischen Emittenten gemäss folgenden nationalen Rechnungslegungsnormen als gleichwertig anerkannt: 926 die nationalen Rechnungslegungsnormen der EU- und EWR-Länder, sofern diese die entsprechenden EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt haben; 927 919 Vgl. auch Rz 1 Ausnahme-RL; ebenso HODEL (2002) S. 120. 920 Restatement für die letzten drei Jahre vor dem IPO; vgl. auch 2.Teil/II/A/3.3. 921 „True and Fair View“; Art. 66 KR. 922 Art. 67 KR. Für Banken, Effektenhändler und Pfandbriefinstitute gelten gemäss Art. 68 KR die Regeln der auf sie anwendbaren spezialgesetzlichen Bestimmungen. 923 Art. 70 Abs. 1 KR; vgl. auch Art. 8 Abs. 3 BEHG; Hirsch, règlement de cotation (1995) S. 16 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 9 N 52c. Diese Standards unterscheiden sich wesentlich von den im Aktienrecht gestellten Anforderungen; dazu beispielsweise GUHL/DRUEY (2000) § 68 N 21. 924 Hierzu bereits 2.Teil/II/A/3.2. 925 Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000 Kap. III/1/a; vgl. auch V. PLANTA (1997) S. 32. 926 Anerkennung gemäss Art. 70 Abs. 2 KR (Heimatlandnormen); Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 20/2000 Kap. III/2. Dabei ist zu beachten, dass diese Regelungen grundsätzlich nur für Emittenten gelten, die auch im entsprechenden Staat domiziliert sind. 927 Bei Emittenten aus EU- und EWR-Ländern wird keine Mittelflussrechnung verlangt. Vgl. allerdings die EU-Rechnungslegungs-VO, wonach ab 2005 alle europäischen Publikumsgesellschaften, die ihre Papiere auf einem geregelten Markt im Gebiet der EU kotiert haben, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den IAS/IFRS zu erstellen haben; hierzu 2.Teil/Kap.II/A/3.2. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 183 die nationalen Rechnungslegungsnormen von Australien, Japan, Kanada, Neuseeland und Südafrika. Im November 2002 hat die Zulassungsstelle allerdings beschlossen, für das Hauptsegment ab 2005 nur noch die IFRS und US-GAAP als Rechnungslegungsstandards zuzulassen, wobei die Ausnahmeregelungen für Banken 928 sowie für die im Ausland domizilierten Gesellschaften 929 bestehen bleiben.930 b) Ausnahmen von der 3-Jahresregel Sofern eine Ausnahme von der 3-Jahresregel im Interesse der Gesellschaft oder der Anleger wünschenswert ist und die Zulassungsstelle Gewähr hat, dass die Anleger über die erforderlichen Informationen verfügen, um sich ein begründetes Urteil über die Gesellschaft zu bilden, kann die Zulassungsstelle vom Kriterium der dreijährigen Existenz absehen. Bei der Genehmigung von Ausnahmen ist deshalb vorwiegend zu prüfen, ob eine fundierte Beurteilung der künftigen Publikumsgesellschaft durch andere Gegebenheiten als durch deren dreijährigen Bestand gewährleistet werden kann.931 Die Zulassungsstelle hat die Möglichkeit, insbesondere in folgenden Fällen Ausnahmen zu gewähren: 932 wenn ein neugegründetes Unternehmen der wirtschaftlichen Fortführung eines oder mehrerer bisheriger Unternehmen dient; bei Investmentgesellschaften; 933 bei Immobiliengesellschaften. 934 Wird ein bisheriges Unternehmen fortgeführt, so sind vielfach gewisse aussagekräftige Anhaltspunkte bereits vorhanden, auch wenn das Unternehmen in dieser spezifischen Form rechtlich noch nicht drei Jahre existiert. Zu denken ist dabei namentlich an eine 928 Art. 68 KR. 929 Art. 70 Abs. 2 KR. 930 Beschluss der Zulassungsstelle vom 11. November 2002; Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 2/2003. 931 Rz 4 ff. Ausnahme-RL; vgl. auch Art. 44 EU-Börsenzulassungs-RL. 932 Rz 8 ff. Ausnahme-RL. 933 Vgl. Art. 6 ZR-InvG. 934 Diese sind in Rz 8 ff. Ausnahme-RL zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch erklärt Art. 6 ZRImmoG ebenfalls die Nichtanwendbarkeit von Art. 7 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 184 Fusion, 935 bei der die sich zu verbindenden Teile bereits länger existieren und somit eine aussagekräftige Unternehmensgeschichte vorlegen können, oder an ein Spin-off. 936 In solchen Fällen kann allerdings die Zulassungsstelle im Prospekt zusätzliche Informationen verlangen, die es dem Anleger erlauben, sich über den Bestand der Gesellschaft und die Kontinuität des Geschäfts ein Bild zu machen. 937 Aus dem Kotierungsprospekt müssen die Grundlagen der wirtschaftlichen Nachfolge klar hervorgehen. Schliesslich hat die Zulassungsstelle die Möglichkeit, Informationen über die Vorgängergesellschaften sowie die Erstellung von kombinierten, historischen Abschlüssen oder pro-formaDarstellungen für drei vergangene Geschäftsjahre zu verlangen. 938 2.2.3. Kapitalausstattung Plant eine Gesellschaft ihre Kotierung am Hauptsegment der SWX, muss ihr ausgewiesenes Eigenkapital mindestens CHF 25 Mio. betragen.939 Damit diese erforderliche Kapitalausstattung vorhanden ist, wird häufig zusammen mit dem IPO eine Kapitalerhöhung durchgeführt. 940 An dieser relativ hohen Anforderung an das Eigenkapital zeigt sich, dass das Hauptsegment eher auf mittlere und grössere Gesellschaften ausgerichtet ist. Die europäische Börsenzulassungs-RL stellt in diesem Punkt denn auch geringere Anforderungen. Danach genügt ein voraussichtlicher Börsenkurswert der Aktien oder, falls eine Schätzung nicht möglich ist, ein Eigenkapital der Gesellschaft von € 1 Mio.941 Da das Hauptsegment unterschiedliche Rechnungslegungsgrundsätze als zulässig erachtet, kann die 25-Millionen-Franken-Schwelle zu Problemen führen. So können beispielsweise nach US-GAAP konsolidierte Rechnungen aufgrund der Nichtanerkennung bestimmter Goodwill-Elemente zu einer Unterbilanz führen, die gemäss IAS/IFRS oder FER nicht bestünde. 942 Da das Kotierungsreglement diesbezüglich keine Bestimmung 935 Genauer Kombination, bei der zwei oder mehrere Aktiengesellschaften in einer neu zu gründenden Gesellschaft vereinigt werden. Die beteiligten Gesellschaften gehen dabei unter; vgl. MEIERHAYOZ/FORSTMOSER (1998) § 24 N 17. 936 Neben vielen z.B. Ciba SC, Syngenta, Givaudan, Inficon. 937 Rz 13 Ausnahme-RL. 938 Rz 14 Ausnahme-RL; V. PLANTA (1997) S. 27 f. 939 Art. 8 KR. Handelt es sich beim Emittenten um eine Gruppenobergesellschaft (Konzern), so ist das konsolidiert ausgewiesene Eigenkapital massgebend. 940 Hierzu 2.Teil/I/C/1. 941 Art. 43 EU-Börsenzulassungs-RL. Da sich die Richtlinie an alle Segmente richtet (insb. auch an die Neuen Märkte), ist diese tiefe Zutrittsschwelle angebracht; vgl. auch die tiefere Limite von CHF 2,5 Mio. am SWX New Market (Art. 5 ZR-NM) bzw. im Segment der Local Caps (Art. 5 ZR-LC). 942 V. PLANTA (1997) S. 28; HODEL (2002) S. 122. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 185 enthält, braucht die Schwelle lediglich nach dem gewählten (bzw. für das jeweilige Segment vorgeschriebenen) Standard erfüllt zu sein. 2.3. Anforderungen an den Valor 2.3.1. Rechtsbestand Eine Kotierung ist nur möglich, wenn die Beteiligungspapiere in Übereinstimmung mit dem auf den Emittenten anwendbaren Recht ausgegeben worden sind und den für die Ausgabe von Wertpapieren geltenden Vorschriften entsprechen.943 Die kotierten Beteiligungspapiere der neuen Publikumsgesellschaft müssen demnach das nationale Recht einhalten, dem die Gesellschaft nach Art. 6 KR unterliegt. 944 Handelt es sich um eine in der Schweiz inkorporierte Gesellschaft, so haben die Beteiligungspapiere den Anforderungen des Aktienrechts zu entsprechen. 945 2.3.2. Gattungsmässige Kotierung Die Kotierung erfasst immer alle bereits herausgegebenen Effekten des gleichen Titels. 946 Das Kotierungsreglement schreibt hingegen nicht vor, dass sämtliche verschiedenen Beteiligungspapiere einer Publikumsgesellschaft kotiert werden müssen. Einzelne Titelkategorien 947 können folglich ohne weiteres unkotiert bleiben. Rechtlich zulässig ist beispielsweise, allfällige Stimmrechtsaktien, die bei den Gründungsaktionären verbleiben, nicht zu kotieren und lediglich die neu geschaffenen Titel an die Börse zu bringen. 948 Durch das Prinzip der gattungsmässigen Kotierung sind nach dem IPO die Aktien, die in den Händen eines Altaktionärs verblieben sind (sofern es sich bei diesen um die gleiche 943 Art. 12 KR. 944 Entspricht Art. 45 EU-Börsenzulassungs-RL. 945 Vgl. 2.Teil/I/A. 946 Art. 13 KR; vgl. NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 120 f.; ebenso Art. 49 EUBörsenzulassungs-RL. 947 Beispielsweise Namenaktien, Inhaberaktien, PS, GS oder Papiere mit unterschiedlichem Nennwert. 948 Vgl. 2.Teil/I/D/3.2. Heute besteht allerdings ein Bestreben zu einer einheitlichen und somit einfachen und transparenten Kapitalstruktur. Es wird deshalb versucht, möglichst nur eine Kategorie von Papieren zu schaffen, da dies von den Anlegern in der Regel positiver aufgenommen und deshalb mit einem höheren (Eröffnungs-)Kurs belohnt wird; hierzu 2.Teil/I/C/2. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 186 Kategorie handelt), automatisch kotiert. 949 Diesem steht es demnach frei, nach dem IPO sofort seine Beteiligung an der Börse zu veräussern, sofern er keiner anderweitigen Verpflichtung unterliegt, die einen solchen Verkauf verbietet. 950 2.3.3. Mindestkapitalisierung Die neu zu kotierenden Beteiligungsrechte müssen eine nachhaltige, ausserbörsliche Kapitalisierung von mindestens CHF 25 Mio. aufweisen.951 Werden alle ausstehenden Beteiligungsrechte kotiert, sollte diese Schwelle ohne weiteres erreicht werden, da das ausgewiesene Eigenkapital ebenfalls CHF 25 Mio. betragen muss. 952 Bei der Kotierung einer zusätzlichen Kategorie von Papieren wird diese Grenze auf CHF 10 Mio. herabgesetzt. 953 Werden somit bei einem IPO beispielsweise sowohl Namenwie Inhaberpapiere kotiert, so muss die Mindestkapitalisierung für beide Kategorien zusammen CHF 35 Mio. betragen. 954 Dies ist für ein IPO eine recht hohe Summe. Zudem geht eine komplizierte Kapitalstruktur auf Kosten der Liquidität der Titel, was von den Anlegern in der Regel weniger geschätzt und häufig mit Preisabschlägen beim IPO quittiert wird. Deshalb zeigt die Praxis, dass, wenn nicht triftige ökonomische Argumente dagegen sprechen, bei einem IPO (vorerst) nur eine Kategorie von Wertpapieren kotiert wird. 955 2.3.4. Streuung Da die Liquidität eines Beteiligungspapiers nicht nur vom Handelsvolumen, sondern auch von der Streuung abhängt, verlangt das Kotierungsreglement ab dem Zeitpunkt der Kotierung eine minimale Streuung im Publikum. 956 Damit ein marktmässiger Handel gewährleistet werden kann, gilt deshalb grundsätzlich, dass mindestens 25% der Beteili949 DAENIKER, Grenzüberschreitende Aktienplazierungen (2000) S. 80. Dies im Gegensatz zum amerikanischen System, wo für jede weitere öffentliche Platzierung, die bestimmte Werte übersteigt, ein „registration statement“ bei der SEC einzureichen ist; vgl. V. PLANTA (1997) S. 30. 950 Insb. Lock-up-Verpflichtung; hierzu 2.Teil/II/C. 951 Art. 14 KR; vgl. auch Art. 43 EU-Börsenzulassungs-RL. Bei einem IPO ist, mangels eines ausserbörslichen Handels, auf eine voraussichtliche Kapitalisierung in gleicher Höhe abzustellen. 952 Hierzu vorne Kap. 2.2.3. 953 Art. 14 Abs. 2 KR. Eine Erhöhung eines bereits kotierten Valors ist dagegen gemäss Art. 18 KR an keine Begrenzung gebunden. 954 CHF 25 Mio. für die Kotierung des ersten Valors (z.B. Inhaberpapiere) zuzüglich CHF 10 Mio. für die Kotierung des zweiten (z.B. Namenpapiere). 955 Vgl. den Trend zur Einheitsaktie; dazu 2.Teil/I/C/2. 956 Sog. „Freefloat“; Art. 17 KR; vgl. auch Art. 48 Abs. 5 EU-Börsenzulassungs-RL. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 187 gungsrechte im Publikum (d.h. bei institutionellen Investoren und privaten Anlegern) gestreut sein müssen. 957 Der Gesuchsteller hat mit dem Kotierungsgesuch eine Erklärung abzugeben, mit der er bestätigt, dass die Aktie über die oben geforderte Streuung verfügt. 958 Weist der Gesuchsteller hingegen Umstände nach, die erwarten lassen, dass der erforderliche marktmässige Handel auch mit einem niedrigeren Prozentsatz zustande kommt, so kann diese Schwelle auch tiefer liegen. Die Zulassungsstelle kann ebenfalls vom Erfordernis, dass eine solche Streuung spätestens zum Zeitpunkt der Kotierung vorliegen muss, absehen, wenn sie davon überzeugt ist, dass eine ausreichende Streuung nach der Kotierung in Kürze erreicht sein wird. 959 Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sich ein Grossaktionär verpflichten würde, kurz nach der Kotierung einen Teil seiner Papiere über die Börse zu verkaufen. 2.3.5. Handelbarkeit In Art. 19 Abs. 1 stellt das Kotierungsreglement den Grundsatz auf, dass die kotierten Beteiligungspapiere handelbar sein müssen. 960 Die Handelbarkeit kann insbesondere bei nicht vollständig einbezahlten und bei vinkulierten Beteiligungspapieren eingeschränkt sein. Allerdings wird im Kotierungsreglement nicht die Einführung einer Einheitsaktie gefordert. Eine komplexe Kapitalstruktur kann zwar die Handelbarkeit der Titel reduzieren, doch können ökonomische Überlegungen eine Abweichung vom Prinzip der Einheitsaktie rechtfertigen. 961 So können unter gewissen Umständen sogar nicht voll einbezahlte Beteiligungspapiere kotiert werden 962 und selbst vinkulierte Namenaktien beeinträchtigen die Handelbarkeit nicht per se. 963 Insofern erlaubt das Kotierungsreglement deren Kotierung, allerdings nur unter der Einschränkung, dass diese Übertragungs- 957 Im Gegensatz zur SWX wurden Friends- and Family-Tranchen und Mitarbeiterprogramme im deutschen Neuen Markt nicht zum Streubesitz gezählt; vgl. Abschnitt 2 Ziff. 10.3 Abs. 1 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. 958 Vgl. Art. 52 Abs. 1 Ziff. 8 KR. 959 Art. 17 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 Ziff. 8 KR. 960 Hierzu HODEL (2002) S. 128; vgl. daneben Art. 46 EU-Börsenzulassungs-RL. 961 RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 43. 962 In einem solchen Fall müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden, um die Handelbarkeit zu gewährleisten; vgl. Art. 19 Abs. 2 KR; ebenso Art. 46 Abs. 2 EU-Börsenzulassungs-RL. 963 NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 123; BERTSCHINGER/LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 36. So sieht auch das Aktienrecht eine Kotierung von vinkulierten Namenaktien vor; vgl. Art. 685d OR und Art. 4 Schlussbest. Revision Aktienrecht. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 188 beschränkungen zu keinen Marktstörungen führen.964 Schliesslich können unter derselben Bedingung auch Valoren kotiert werden, deren Übertragung einer Einschränkung hinsichtlich des Kreises der Erwerber unterliegt. 965 Solche Angaben über die Basiskriterien der Handelbarkeit 966 müssen den Anlegern zugänglich gemacht werden. 967 Deshalb haben beispielsweise Emittenten von vinkulierten Namenaktien bereits im Kotierungsprospekt die Eintragungskriterien in standardisierter Form offen zu legen. 968 2.3.6. Zusätzliche Anforderungen Die Stückelung der Gesamtsumme des Valors muss die Abwicklung einer Börsentransaktion in der Höhe einer Schlusseinheit969 gemäss Börsenordnung ermöglichen.970 Damit ist eine künftige Publikumsgesellschaft bei der Stückelung ihrer Titel weitgehend frei. 971 Die Schwere eines Titels hat aber zumindest einen psychologischen Einfluss auf dessen Handelbarkeit, weshalb heute (entsprechend den amerikanischen Verhältnissen) beim IPO ein Wert von unter CHF 100.– zu empfehlen ist. 972 Die Erfordernisse der Verbriefung der Beteiligungspapiere werden von der SWX in Art. 21-24 KR und in der Verbriefungs-Richtlinie festgehalten. 973 Wie die übrigen den Valor betreffenden Bestimmungen ist auch die Art der Verbriefung im Prospekt und im Kotierungsinserat zu erläutern. 974 964 Art. 19 Abs. 3 KR; gleichlautend Art. 46 Abs. 3 EU-Börsenzulassungs-RL. 965 Art. 19 Abs. 5 KR; z.B. bei ImmoG (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. c BewG). 966 Wie z.B. Zahl und Struktur der ausstehenden Beteiligungspapiere oder die Eintragungspraxis für Namenaktien. 967 So bereits Botschaft BEHG S. 1403. 968 Dies betrifft insb. die prozentmässige Begrenzung des Erwerbs, die Beschränkung des Erwerbs für Ausländer und die Nominee-Eintragungen; vgl. Anh. 1 Namenaktien-RL; hierzu hinten Kap. 2.4.1/a/dd. 969 Unter einer Schlusseinheit (sog. „Round Lot“) versteht man bei Beteiligungspapieren, Fondsanteilen und Optionsscheinen eine Mindeststückzahl, die für eine offizielle Kursnotierung an der SWX notwendig ist. Die Schlusseinheit bei der SWX liegt bei der kleinsten handelbaren Menge. 970 Art. 20 KR. 971 Es würde an einem sachlichen Grund fehlen, mittels einer Zulassungsbestimmung die Schwere eines Titels zu begrenzen; vgl. RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 42. 972 Vgl. auch KUNZ/MAJHENSEK (2003) S. 31. 973 Richtlinie der Schweizerischen Zulassungsstelle betreffend Verbriefung von Valoren (Art. 21-24 KR) vom 14. Mai 1997 (nachfolgend Verbriefungs-RL); vgl. auch Art. 50 EU-BörsenzulassungsRL. 974 Rz 42 ff. Verbriefungs-RL; Schema A KR Rz 3.13; LYK (1995) S. 281 ff.; KLEINER (1995) S. 290 ff. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 2.4. 189 Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung 2.4.1. Kotierungsprospekt a) Inhalt des Kotierungsprospekts Der Prospektinhalt wurde von der SWX im Sinne einer Checklist für die verschiedenen Valoren separat geregelt. Hierbei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Beteiligungsrechten, Anleihen und Derivaten. 975 Die Grundzüge und der wesentliche Inhalt eines beim IPO zu erstellenden Kotierungsprospekts sind ausführlich in Art. 35 KR und im Schema A im Anhang I des KR aufgeführt. 976 Danach muss ein Kotierungsprospekt detaillierte Angaben über den Emittenten, die Valoren und die Personen, die für den Kotierungsprospekt die Verantwortung übernehmen, enthalten. Die erforderlichen Angaben orientieren sich weitgehend an den europarechtlichen Richtlinien 977 , weshalb an dieser Stelle auch verschiedene Hinweise auf die Rechtsordnung der EU angebracht sind. In Anbetracht der Fülle der geforderten Einzelheiten folgt hier nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte; für Details ist auf die einzelnen Schemata des KR zu verweisen. aa) Allgemeine Angaben über den Emittenten und sein Kapital In einem ersten Abschnitt hat der Kotierungsprospekt allgemeine Angaben über die künftige Publikumsgesellschaft zu enthalten. Darunter fallen Informationen über die Gesellschaft selbst, wie deren Firma, Sitz, Ort der Hauptverwaltung, Zweck und Registereintrag. 978 Ebenfalls von grosser Wichtigkeit sind die Angaben über die Rechtsordnung, Rechtsform und den Zeitpunkt der Gründung. Ist die zu kotierende Gesellschaft eine Konzerngesellschaft, ist deren Stellung innerhalb des Konzerns zu nennen sowie der Gesamtkonzern kurz zu beschreiben. 979 Um sich ein Bild über die Gesellschaft machen zu können, hat der Kotierungsprospekt ebenfalls Angaben über die personelle Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane zu 975 S. Anh. I KR Schema A-D. 976 Hierzu V. PLANTA (1997) S. 30 ff.; LINDNER (1998) S. 142 ff. 977 Insb. Anh. 1 Schema A (Schema für den Prospekt für die Zulassung von Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse) der EU-Börsenzulassungs-RL (ehemals Anh. Schema A RL 80/390/EWG). 978 Vgl. auch Art. 652a Abs. 1 Ziff. 1 OR. 979 Schema A KR Rz 1.1; ebenso Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 3.1 u. 3.2.8. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 190 enthalten und die Namen aller Personen bekannt zu geben, die dem Emittenten nahe stehen. 980 Bei diesen Personen ist zudem darauf hinzuweisen, welche wichtigen Tätigkeiten sie ausserhalb der künftigen Publikumsgesellschaft ausüben. 981 Damit soll offen gelegt werden, ob allfällige Abhängigkeiten und Interessenkonflikte bestehen. So ist es insbesondere wichtig aufzuzeigen, welchen anderen Gremien die Verwaltungsratsmitglieder des Emittenten angehören. Ebenfalls muss der Prospekt Auskunft über den prozentualen Anteil der Stimmrechte der Gesellschaft geben, den die Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane halten. 982 Zudem sind Organgeschäfte, die über die normale Geschäftstätigkeit hinausgehen, sowie Bezüge und Sachleistungen, die vom Emittenten 983 an dessen Mitglieder der Verwaltungs-, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane bezahlt beziehungsweise gewährt werden, auszuweisen. 984 Alsdann hat der Kotierungsprospekt alle Angaben über die Geschäftstätigkeit zu enthalten, die für die Beurteilung der Tätigkeit und Rentabilität der künftigen Publikumsgesellschaft von Bedeutung sind. Handelt es sich beim Emittenten um eine Konzernobergesellschaft, so sind diese Angaben konzernweit und konsolidiert im Kotierungsprospekt aufzunehmen. Gefordert sind Angaben über Haupttätigkeit, Nettoumsatzerlöse, Standorte, Grundbesitz, Personalbestand und, falls für den Emittenten von Wichtigkeit, Lagerstätten 985 und deren voraussichtliche Nutzungsdauer. 986 Zur Abschätzung von besonderen Risiken und Abhängigkeiten ist es für die Investoren ebenfalls wichtig zu erfahren, welche bedeutenden Patente und Lizenzen die Unternehmung besitzt, wie die Forschungs- und Entwicklungspolitik aussieht, ob Gerichts-, Schieds- oder Administrativverfahren anhängig sind oder ob der betriebliche Ablauf im letzten Jahr gewissen Unterbrechungen unterlag. 987 Für die Beurteilung der Zukunftsaussichten ist schliesslich die 980 Bei einem Start-up-Unternehmen sind dies insb. die Gründer (Schema A KR Rz 1.2.1 lit. c). 981 Schema A KR Rz 1.2.1. 982 Schema A KR Rz 1.2.2; vgl. auch die Meldepflicht der sonstigen bedeutenden Aktionäre gemäss Art. 20 BEHG in Schema A KR Rz 1.5.9; hierzu 2.Teil/II/B. 983 Bzw. sämtliche Unternehmen, die vom Emittenten abhängig sind und mit denen Letzterer einen Konzern bildet. 984 Schema A KR Rz 1.2.3; hierzu hinten Kap. ee. 985 Dies bei Gesellschaften, die in Gewinnung, Verarbeitung oder sonstiger Nutzung von Rohstoffen oder Energiequellen tätig sind; vgl. ebenso Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 4.1.3. 986 Schema A KR Rz 1.3; vgl. auch HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 16; SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 194. 987 Schema A KR Rz 1.3.5-8; entspricht Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 4.3; vgl. auch 2.Teil/II/A/2. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 191 Investitionspolitik von herausragender Bedeutung, weshalb auch diesbezügliche Angaben im Kotierungsprospekt Erwähnung finden müssen. 988 Ferner müssen Einzelheiten zum Kapital und zu den Stimmrechten im Kotierungsprospekt enthalten sein. 989 Darunter fällt die Darstellung der Höhe und Struktur 990 des Kapitals vor und nach dem IPO (inkl. eines allfälligen Greenshoes) und der Stimmrechtsverhältnisse (insb. auch allfällige Stimmrechtsbeschränkungen). Zusätzlich muss der Prospekt Angaben enthalten zu den Beteiligungsrechten, welche die neue Publikumsgesellschaft selber hält, 991 zu den an ihr beteiligten, bedeutenden Aktionären 992 und zu einer allfälligen Erleichterung oder Befreiung von der öffentlichen Kaufangebotsverpflichtung.993 bb) Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Der Kotierungsprospekt hat die Investoren über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu informieren. Diese Verpflichtung erfüllt die Gesellschaft durch die Publikation von Jahresrechnungen (inkl. eines allfälligen Zwischenabschlusses) und von Angaben über die bisherige Dividendenpolitik. Die Angaben betreffend Dividende und Ergebnis sind für den Investor von grosser Bedeutung. Deshalb hat der Prospekt ausführlich die Dividenden und das Ergebnis nach Steuern pro Beteiligungsrecht der letzten drei Geschäftsjahre auszuweisen.994 Der Jahresrechnung gehören die (konsolidierte) Bilanz, 995 die Erfolgsrechnung und die Mittelflussrechnung 996 der letzten drei Geschäftsjahre an. Dabei darf der Stichtag des zuletzt veröffentlichten Jahresabschlusses grundsätzlich nicht länger als 18 Monate zurücklie988 Vgl. Schema A KR Rz 1.4; ebenso Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 4.7. 989 Vgl. Schema A KR Rz 1.5; entspricht weitgehend dem Schema A EU-Börsenzulassungs-RL Rz 3.2; vgl. auch SIEPMANN, Kapitalbeschaffung (1998) S. 195. 990 Betrag des ordentlichen, genehmigten und bedingten Kapitals, Zahl und Gattung der Beteiligungsrechte, jeweils unter Angabe der nach Kategorien unterschiedenen Hauptmerkmale, wie Dividendenberechtigung, allfällige Vorzugsrechte und ähnliche Berechtigungen sowie des nicht einbezahlten Teils auf dem ordentlichen Kapital; s. Schema A KR Rz 1.5.1. 991 Schema A KR Rz 1.5.8. 992 Schema A KR Rz 1.5.9; vgl. auch Art. 20 BEHG; dazu bereits 2.Teil/II/B/3.1. 993 Schema A KR Rz 1.5.10 („Opting-out“ und „Opting-up“); vgl. Art. 32 und Art. 52 BEHG; s. 2.Teil/I/D/2. 994 Schema A KR Rz 2.4. 995 Hierzu ausführlich BERTSCHINGER/SCHWARZ/ZWICKER (1998) S. 85 ff. 996 Soweit diese durch die Rechnungslegungsvorschriften von Art. 66 ff. KR vorgeschrieben ist; vgl. vorne Kap. 2.2.2/a. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 192 gen. 997 Sind seit dem letzten Jahres- bzw. Zwischenabschluss wesentliche Veränderungen der Vermögens-, Ertrags- oder Finanzlage der Gesellschaft eingetreten, so müssen diese im Prospekt erläutert werden. 998 Ebenso gehört in den Kotierungsprospekt der letzte Bericht der Revisionsstelle und des Konzernprüfers. 999 Alsdann müssen im Prospekt detaillierte Angaben publiziert werden bezüglich nicht konsolidierter Beteiligungen, deren Anteil mehr als 10% des Eigenkapitals beziehungsweise des Ergebnisses des Emittenten ausmachen, 1000 und Gesellschaften, an denen der Emittent zu über 10% beteiligt ist. 1001 cc) Prognosen Für junge Publikumsgesellschaften erweisen sich Prognosen als besonders heikel. Für Finanzanalysten ist es zudem sehr viel schwieriger, einen jungen Titel einzustufen, als einen etablierten Blue Chip. Da bei den Aktionären und Analysten nicht immer das notwendige Branchenverständnis vorhanden ist, erfordert die hohe Komplexität bei Neukotierungen eine spezielle Vorsicht, was die kommunizierten Strategien und Ziele betrifft. Das ruft nach einer Berichterstattung, die ausser Umsatz, Gewinn und Cash-flow auch Markt- und Kundendaten und so genannte weiche Faktoren wie Innovationskraft, Kundentreue oder Markenwert umfasst. 1002 Da das Kotierungsreglement lediglich formale Aspekte berücksichtigt, wurde denn auch bis anhin mit Prognosen und der Beschreibung der Produkte, wie „innovativ“, „revolutionär“ und „marktführend“ diese seien, nicht gegeizt. Häufig überschätzten die Unternehmen die Qualität ihrer Produkte, und die geplanten Verkaufszahlen basierten zu sehr auf Wunschdenken. Deshalb sollten sich neue Publikumsgesellschaften mit solchen Aussagen besonders zurückhalten. Eine strenge diesbezügliche Regelung im Kotierungsreglement wäre folglich sehr zu begrüssen. 997 Schema A KR Rz 2.1.2. Sofern der Stichtag des zuletzt veröffentlichten Jahresabschlusses zum Zeitpunkt der Publikation des Kotierungsprospekts mehr als neun Monate zurückliegt, muss zusätzlich für die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres ein Zwischenabschluss veröffentlicht werden; Schema A KR Rz 2.2. 998 Ansonsten muss der Kotierungsprospekt eine negative Bestätigung enthalten; Rz 2.3 Schema A KR; vgl. auch Art. 34 Abs. 2 KR und Art. 51 Abs. 3 Ziff. 3 KR. 999 Schema A KR Rz 2.6. 1000 Schema A KR Rz 2.5.1. 1001 Schema A KR Rz 2.5.2. 1002 Vgl. FuW Nr. 37 vom 17. Mai 2000 S. 37. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 193 dd) Angaben über die Valoren Die einzelnen Beteiligungspapiere betreffend, hat der Kotierungsprospekt insbesondere folgende Angaben zu enthalten:1003 Rechtsgrundlage 1004 Art der Emission 1005 Anzahl, Gattung und Nennwert der Beteiligungsrechte Neue Beteiligungsrechte aus Kapitaltransaktionen 1006 Mit den Papieren verbundene Rechte 1007 Dividendenberechtigung Beschränkung der Übertragbarkeit und Handelbarkeit 1008 Gleichzeitige öffentliche und private Platzierung einer internationalen Emission Zahlstellen Nettoerlös und dessen vorgesehene Verwendung Öffentliche Kauf- oder Umtauschangebote seit dem letzten Geschäftsjahr Verbriefung Publikationsorgan Valorennummer und ISIN Vertreter gemäss Art. 50 KR Erfolgt die Emission gleichzeitig mit der Kotierung (Primary Offering) oder liegt diese weniger als zwölf Monate zurück, sind weitere Informationen in den Kotierungsprospekt aufzunehmen. In solchen Fällen muss der Prospekt zusätzlich Angaben betreffend Be- 1003 Schema A KR Rz 3. 1004 Angaben über die Beschlüsse, Ermächtigungen und Genehmigungen, aufgrund derer das IPO vorgenommen wurde; vgl. 2.Teil/I/E. 1005 Festübernahme oder komissionsweise Platzierung bzw. Angabe, dass die Titel bereits platziert sind. Bei der Festübernahme ist auch das federführende Institut anzugeben; vgl. Schema A KR Rz 3.2. 1006 Beteiligungsrechte, die anlässlich einer Fusion, Spaltung, der Einbringung der Gesamtheit oder eines Teils des Vermögens eines Unternehmens, eines öffentlichen Umtauschangebotes oder als Gegenleistung für andere Leistungen als Bareinlagen begeben werden; vgl. Schema A KR Rz 3.4. 1007 Insbesondere Umfang des Stimmrechts, Anspruch auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös sowie allfällige Vorrechte. 1008 Vgl. Namenaktien-RL; hierzu 2.Teil/I/C/2 u. 2.Teil/I/D/3.2. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 194 zugs- und Vorwegzeichnungsrechte, Platzierungsfrist, Emissionspreis, Zahlungsdatum und Handelsaufnahme enthalten.1009 ee) Transparenz der Managerlöhne Für die künftigen Aktionäre von Bedeutung sind auch das Salär und die weiteren Leistungen, welche die leitenden Organe der Gesellschaft beziehen. Diesbezügliche Daten sind deshalb bereits im Kotierungsprospekt zu veröffentlichen. 1010 So verlangt die Corporate Governance-Richtlinie der SWX unter anderem die Veröffentlichung der Kriterien und Methoden für die Festlegung aller Entschädigungsbestandteile sowie die Entschädigungen (einschliesslich Saläre, Boni, Gutschriften sowie Sachleistungen), ferner Optionen, Aktienzuteilungen, Pensionskasseneinlagen, Organdarlehen und Abgangsentschädigungen. Diese Informationen sind je gesamthaft auszuweisen für die exekutiven Mitglieder des Verwaltungsrates und die Mitglieder der Geschäftsleitung, die nichtexekutiven Mitglieder des Verwaltungsrates sowie für die ehemaligen Mitglieder dieser Führungsorgane. Zudem sind die obgenannten Informationen für jenes Verwaltungsratsmitglied mit der gesamthaft höchsten Entschädigung ohne Namensnennung gesondert auszuweisen. 1011 Damit geht die Corporate-Governance-Richtlinie der SWX weiter als die Anforderungen, die gemäss europäischen Richtlinien gelten. 1012 ff) Risikohinweis und Personen, die für den Prospekt die Verantwortung übernehmen Bei der Darstellung des Prospekts muss darauf geachtet werden, dass alle wesentlichen Risiken in objektiver Form aufgezeigt werden. Der Hinweis auf die spezifischen Risiken ist grundsätzlich im jeweiligen Sachzusammenhang anzubringen. 1013 Diese Risikodarstellung ist im Hinblick auf eine allfällige Haftung wegen eines irreführenden oder unrichtigen Prospekts von enormer Bedeutung. Die Aufzählung in Art. 13 Abs. 1 Ziff. 4 1009 Schema A KR Rz 3.9. 1010 Z.B. Schema A KR Rz 1.2.3; vgl. auch OECD, Principles of Corporate Governance (1999) Kap. IV A Ziff. 4; Swiss Code of Best Practice Rz 25 ff.; vgl. auch BEHR, Rechnungslegungsstandards (2001) S. 122; BÖCKLI, Corporate Governance (1999) S. 12; HOFSTETTER, Corporate Governance (2001) S. 25 f. 1011 Corporate Governance-RL Anh. Ziff. 5. 1012 Vgl. Schema A Kap. 6.2EU-Börsenzulassungs-RL. 1013 Wird beispielsweise auf eine sehr gute Kundenbindung hingewiesen, so sollte an der gleichen Stelle auch eine mögliche Abhängigkeit von Grosskunden erwähnt werden; so SCHENKER, IPO (2000) S. 51; vgl. auch HODEL (2002) S. 139 f. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 195 ZR-NM kann hier als Vorlage für die Formulierung der Risikohinweise im Kotierungsprospekt auch eines im Hauptsegment kotierten Unternehmens dienen. 1014 Schliesslich muss der Kotierungsprospekt die Namen der Personen enthalten, die für den Inhalt des Prospekts die Verantwortung übernehmen. 1015 Diese haben im Prospekt zu erklären, dass die Angaben nach ihrem Wissen richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen worden sind. 1016 b) Darstellung, Veröffentlichung und Aktualisierungspflicht Solange ein vollständiges und nicht irreführendes Bild entsteht, ist die Publikumsgesellschaft bei der Auswahl, Darstellung und Gliederung der sie betreffenden Angaben grundsätzlich frei. 1017 Der Kotierungsprospekt ist allerdings gemäss Kotierungsreglement so zu erstellen, dass die Analyse und das Verständnis erleichtert werden. Zum Schutz der Anleger verboten sind aufdringliche Anpreisungen und Darstellungen. Ausserdem kann die Zulassungsstelle verlangen, dass bestimmte Angaben besonders hervorgehoben werden. 1018 Der Kotierungsprospekt muss entweder in deutscher, französischer, italienischer oder englischer Sprache veröffentlicht werden. 1019 Er kann einerseits in mindestens zwei Zeitungen mit landesweiter Verbreitung bekannt gemacht oder andererseits in broschierter oder gebundener Form kostenlos abgegeben werden.1020 Im letzteren (in der Schweiz vorherrschenden 1021 ) Fall muss darauf in einem Kotierungsinserat hingewiesen werden. Seit kurzem kann die Zulassungsstelle auch die Veröffentlichung des Prospekts in elektronischer Form (beispielsweise über Internet oder E-Mail) bewilligen, sofern sie der Auffassung ist, dass diese Art der Veröffentlichung den Informations- und Schutzbe- 1014 Vgl. hierzu den expliziten Risikohinweis bezüglich der Kotierung am New Market hinten Kap. B/2.3.1. 1015 Dies können neben der Gesellschaft selbst die Leadbank, Anwälte, Revisionsfirmen etc. sein; s. 2.Teil/II/A/5.1. 1016 Schema A KR Rz 4; hierzu V. PLANTA (1997) S. 31; vgl. auch Art. 21 Abs. 2 und Rz 1.1 Schema A Anh. I EU-Börsenzulassungs-RL; Art. 6 Abs. 1 gV EU-Prospekt-RL. 1017 Art. 36 KR; WIDMER (1996) S. 127. 1018 Art. 37 KR. 1019 Art. 33 KR; heute wird die überwiegende Mehrheit der Prospekte in Englisch abgefasst; vgl. auch V. PLANTA (1997) S. 32. 1020 Vgl. die entsprechende Bestimmung Art. 98 Abs. 1 EU-Börsenzulassungs-RL. 1021 Insbesondere wegen des ernormen Umfangs, den die Prospekte heute angenommen haben und den hohen Kosten der Veröffentlichung in den Zeitungen; vgl. V. PLANTA (1997) S. 32. 196 3. TEIL MARKTSEGMENTE dürfnissen der Investoren gerecht wird. 1022 Die Publikation hat gemäss Kotierungsreglement schliesslich spätestens am Tage der Kotierung zu erfolgen. 1023 Da neuere Erkenntnisse alte Daten unrichtig machen und neu eintretende Umstände zur Unvollständigkeit eines Prospekts führen können, sind wesentliche zwischen der Veröffentlichung und der Kotierung eingetretene Änderungen offen zu legen. Eine solche Aktualisierungspflicht ist in Art. 34 Abs. 2 KR enthalten. 1024 Zusätzlich hat nach Art. 51 Abs. 3 Ziff. 4 KR der Gesuchsteller eine Erklärung abzugeben, dass sich seit der Veröffentlichung des Kotierungsprospekts keine wesentlichen Verschlechterungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Geschäftsaussichten ergeben haben.1025 c) Kürzungen und Ausnahmen von der Prospektpflicht In bestimmten Fällen ermöglicht das Kotierungreglement die Publikation einer gekürzten Fassung des Prospekts oder sogar den gänzlichen Verzicht auf dessen Erstellung. Kürzungen beziehen sich hauptsächlich auf die grundsätzlichen Angaben über den Emittenten und auf bestimmte, den Geschäftsgang betreffende Daten, sofern diese im letzten Geschäftsbericht einer bereits kotierten Gesellschaft publiziert wurden. 1026 Da es sich bei einem IPO um ein Angebot einer noch nicht kotierten Unternehmung handelt, sind diese Bestimmungen nicht anwendbar. Wurde drei Monate vor Einreichen des Kotierungsgesuches ein (Emissions-)Prospekt veröffentlicht, der die Anforderungen eines Kotierungsprospekts erfüllt, so kann auf die Erstellung eines neuen verzichtet werden.1027 Diese Bestimmung ermöglicht es, den Ko- 1022 Art. 33 Abs. 2 KR; Art. 14 Abs. 2 lit. c gV EU-Prospekt-RL. Falls der Prospekt allerdings in elektronischer Form veröffentlicht wird, so ist gemäss Art. 14 Abs. 6 gV EU-Prospekt-RL dem Anleger auf Anfrage eine kostenlose Papierversion zur Verfügung zu stellen; vgl. auch BE 24 gV EUProspekt-RL. 1023 Art. 34 KR. Nach der EU-Börsenzulassungs-RL (Art. 99) muss dieser vor dem Beginn der amtlichen Notierung veröffentlicht werden. 1024 Vgl. auch Art. 100 EU-Börsenzulassungs-RL; hierzu LINDOW (1998) S. 228; vgl. auch HODEL (2002) S. 142 f. 1025 Sog. „No-material-adverse-change“-Erklärung; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 45. 1026 Vgl. Art. 39 KR. Art. 38 Abs. 1 Ziff. 3 KR sieht vor, dass auf die Auflage eines Prospekts verzichtet werden kann, wenn die Kapitalerhöhung einer bereits kotierten Gesellschaft weniger als 10% des ausstehenden Eigenkapitals beträgt (vgl. auch Art. 23 Abs. 3 lit. a EU-Börsenzulassungs-RL). Bei einem IPO kommt diese Bestimmung allerdings nicht zur Anwendung; vgl. auch Art. 4 gV EUProspekt-RL. 1027 Art. 38 Abs. 1 Ziff. 1 KR. Auch in diesem Punkt ist die Regelung der SWX strenger, als diejenige der die EU. Gemäss Art. 23 Abs. 1 EU-Börsenzulassungs-RL könnten die zuständigen Stellen Emit- 3. TEIL MARKTSEGMENTE 197 tierungsprospekt und Emissionsprospekt in einem einzigen Dokument zu veröffentlichen, was bei einem Primary Offering regelmässig der Fall ist. 1028 2.4.2. Kotierungsinserat Wie oben bereits erwähnt, wird bei einem IPO aufgrund des Umfangs und der damit verbundenen Kosten in der Regel kein ungekürzter Kotierungsprospekt gemäss Art. 33 Abs. 1 Ziff. 1 KR in den Zeitungen veröffentlicht, weshalb das Kotierungsinserat dazu dienen soll, die Anleger auf das IPO aufmerksam zu machen. So hat das Inserat insbesondere einige Angaben des Prospekts verkürzt wiederzugeben und die Investoren zu informieren, wo sie den ausführlichen Prospekt beziehen können.1029 Alsdann muss das Inserat auch allfällige wesentliche Änderungen zu den Informationen des Prospekts, welche zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kotierungsprospekts und der Veröffentlichung des Kotierungsinserats eingetreten sind, enthalten. 1030 Gemäss dem revidierten Art. 46 KR kann die Zulassungsstelle anstatt der Publikation des Kotierungsinserats in zwei oder mehreren Zeitungen auch die Veröffentlichung in elektronischer Form bewilligen. 2.4.3. Weitere Publizitätspflichten und andere Werbemittel Sofern im Kotierungsprospekt auf weitere Informationsdokumente Bezug genommen wird, seien dies beispielsweise Expertisen, „Trust Deeds“ oder wichtige Verträge, so kann die Zulassungsstelle verlangen, auch diese in der Schweiz dem Anlagepublikum zur Einsicht aufzulegen. 1031 Durch die enorme Grösse, Komplexität und die englische Sprache, in welcher die Prospekte abgefasst werden, werden sie von einer Vielzahl von (privaten) Anlegern nicht beachtet. Für diese wäre eine kurze Zusammenfassung des Prospekts, welche in nichttechnischer Sprache die wesentlichen Merkmale und Risiken des Angebots aufzeigen würde, überaus hilfreich. Es ist deshalb zu prüfen, ob die SWX, dem geänderten Vorschlag der tenten bereits dann von der Prospektpflicht befreien, wenn innerhalb von 12 Monaten ein gleichwertiger Prospekt veröffentlicht wurde. 1028 S. 2.Teil/II/A/1.2.1. 1029 Art. 45-48 KR. Das Kotierungsinserat muss gemäss Art. 47 KR spätestens am Tag der Kotierung veröffentlicht werden; vgl. auch HODEL (2002) S. 147 f. 1030 Art. 45 Abs. 2 Ziff. 3 u. Art. 48 Abs. 1 Ziff. 5 KR. 1031 Art. 49 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 198 EU-Prospekt-RL entsprechend, 1032 ebenfalls die Publikation einer Zusammenfassung des Prospekts für eine Kotierung voraussetzen sollte. Richtet sich ein IPO an Privatanleger, gewinnen andere Werbemittel wie Plakate, Bekanntmachungen in Radio und Fernsehen oder sonstige Informationsbroschüren an Bedeutung. Allerdings wurde in der Vergangenheit die öffentliche Kommunikation teilweise missbräuchlich eingesetzt und in der Werbung andere Tatsachen suggeriert als die im Prospekt aufgelisteten. Deshalb sollten sämtliche Aussagen, die im Vorfeld des IPOs gemacht werden, auch Eingang im Prospekt finden. Da die erwähnten, zusätzlichen Publizitätsmittel für viele (private) Investoren ausschlaggebend sind, ist es mit Blick auf den Anlegerschutz wichtig, dass auch diese einer Haftung unterworfen sind. 1033 Durch die weite Formulierung von Art. 752 OR sind solche Informationen ebenfalls von der Prospekthaftung erfasst. 1034 Zudem sollten derartige Werbemittel, analog zu Art. 48 Ziff. 8 KR, angeben, dass ein ordentlicher Prospekt existiert und wo dieser zu beziehen ist. 1035 Die bestehende Regelung der SWX erweist sich in diesem Punkt als dürftig. Dennoch sollten die Börsen selbst für eine gewisse Kontrolle der über den Prospekt und das Inserat hinausgehenden Anlegerinformationen besorgt sein. 1036 Insbesondere müsste die Zulassungsstelle überprüfen, ob die Aussagen in den übrigen Informationsmitteln und die Kommunikation der Unternehmen im Vorfeld ihres Börsenganges dem Prospekt entsprechen, und ob die Anleger objektiv informiert werden. 1037 Allerdings käme die Börse dadurch einer Informationsbewertung und somit einer (von der SWX grundsätzlich abgelehnten) materiellen Kontrolle sehr nahe. 2.4.4. Keine Informationsbewertung durch die Zulassungsstelle Über die Kotierung der Aktien entscheidet die Zulassungsstelle der SWX. Sobald die im Reglement festgelegten objektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, besteht nach 1032 Vgl. Art. 5 Abs. 2 gV EU-Prospekt-RL. Danach hat die Zusammenfassung weniger als 2’500 Wörter zu umfassen. 1033 In diesem Sinne Art. 101 EU-Börsenzulassungs-RL. 1034 Hierzu 2.Teil/II/A/5.2.1. 1035 So Art. 101 Abs. 2 EU-Börsenzulassungs-RL u. Art. 15 Abs. 2 gV EU-Prospekt-RL. 1036 Vgl. Art. 13 EU-Prospekt-RL, wonach auch Bekanntmachungen, Anzeigen und Broschüren der zuständigen Herkunftslandbehörde im Voraus zu übermitteln sind und von dieser vor der Veröffentlichung überprüft werden. 1037 Hierzu wäre es erforderlich, dass die künftige Publikumsgesellschaft die Zulassungsstelle über die wahrgenommenen Mittel informiert und diese zwecks Vorprüfung einreicht. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 199 Art. 59 Abs. 1 KR die Pflicht der Börse, die Papiere zum Handel zuzulassen. 1038 Als Massstab gilt hier der Grundsatz der Gleichbehandlung. Im Gegensatz zu ausländischen Regelungen (insb. in den USA)1039 existiert in der Schweiz keine materielle Kontrolle des Prospekts durch die Aufsichtsbehörde. 1040 Die im Kotierungsreglement festgelegten Publizitätspflichten sollen lediglich die Transparenz gewährleisten und die Voraussetzung schaffen, dass die Anleger ihre Entscheide auf der Basis ausreichender und gleicher Informationen treffen können.1041 Damit prüft die schweizerische Zulassungsstelle den Prospekt im Rahmen des Zulassungsverfahrens nur in formeller, nicht aber in materieller Hinsicht. 1042 Folglich ist es nicht Sache der Zulassungsstelle, eine Qualitätsbeurteilung der künftigen Publikumsgesellschaft vorzunehmen. Deshalb übernimmt sie grundsätzlich auch keine Verantwortung für den Inhalt des Prospekts und unterliegt dementsprechend nur in Ausnahmefällen der Haftung der mit der Prospekterstellung betrauten Personen. 1043 Eine offizielle Prospektkontrolle durch die Zulassungsstelle auch in materieller Sicht würde den Anlegerschutz sicherlich verbessern, würde indessen das IPO verteuern und verlangsamen. Zudem könnte eine materielle Prüfung durch die Zulassungsstelle und deren Mitwirkung bei der Erstellung zu einem enormen Haftungsrisiko führen. Dem stünden indes die Vorteile für den Anleger und die internationale Verbreitung der Prospektprüfung gegenüber. 1044 Effizienter als eine materielle Prospektkontrolle durch die Zulassungsstelle ist hingegen eine strenge Prospekthaftung der an der Erstellung beteiligten Personen. Die materielle Überprüfung liegt damit in der Regel bei den einführenden Emissionshäusern.1045 Durch die Konkurrenzsituation der letzten Jahre waren diese allerdings versucht, ihre diesbezüglichen Pflichten zu vernachlässigen.1046 Nur wenn die am IPO beteiligten Personen 1038 Ebenso Art. 8 Abs. 4 BEHG. 1039 Vgl. Securities Act von 1933. 1040 Art. 59 Abs. 3 KR; vgl. DAENIKER, Grenzüberschreitende Aktienplazierungen (2000) S. 84 f.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 187; WATTER, Investorenschutz (1997) S. 279. 1041 RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 39 f.; HODEL (2002) S. 116. 1042 ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 253; vgl. auch Art. 59 Abs. 3 KR. 1043 Denkbar wäre eine Prospekthaftung gemäss Art. 752 OR insbesondere, wenn die Zulassungsstelle schon vor der Veröffentlichung des Emissionsprospekts Ratschläge erteilt hat; vgl. BERTSCHINGER, Verantwortlichkeit (1999) S. 241 f.; hierzu 2. Teil/II/A/5.4. 1044 Vgl. ZOBL/ARPAGAUS, Primärmarkt (1995) S. 253. 1045 Hierzu 2.Teil/II/A/5.1. 1046 Vgl. z.B. HEBEISEN (2000) S. 1. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 200 eine Haftung reell zu befürchten haben, sind sie bereit, die erforderlichen Dokumente ordnungsgemäss zu erstellen, alle gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten und die Anleger ausreichend und wahrheitsgemäss zu informieren. Um die Gefahr einer Haftung zu vergrössern und die Ersteller dazu zu bewegen, die Anleger wahrheitsgemäss zu informieren, wäre es folglich wünschenswert, wenn die Klagerisiken für allfällig geschädigte Anleger verringert würden. 1047 2.5. Kotierungsverfahren 2.5.1. Gesuch Das eigentliche Kotierungsverfahren beginnt mit der Einreichung des Gesuchs bei der SWX durch die künftige Publikumsgesellschaft beziehungsweise deren Vertreter. 1048 Dieses Gesuch hat die zu kotierenden Beteiligungspapiere kurz zu beschreiben und einen Antrag betreffend dem gewünschten ersten Handelstag zu enthalten.1049 Der Gesuchseinreichung ist eine Erklärung des Emittenten beizulegen, mit welcher dieser bestätigt, 1050 dass seine Organe mit der Kotierung einverstanden sind; 1051 dass Kotierungsprospekt und -inserat im Sinne des KR vollständig sind; dass sich seit der Veröffentlichung des Kotierungsprospekts keine wesentlichen Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Geschäftsaussichten ergeben haben; 1052 dass er (und allenfalls der Sicherheitsgeber) von den Informationspflichten gemäss Kapitel IV und der Sanktionsordnung gemäss Kapitel VII des KR Kenntnis genommen hat und sich dem Verfahren und den Entscheidungen der Rechtsmittelinstanz gemäss Art. 83 KR unterwirft, und dass er die Kotierungskosten übernimmt. Zusätzlich sind dem Gesuch weitere Unterlagen beizufügen, welche bei einem IPO umfassender ausfallen müssen als bei bereits kotierten Gesellschaften. 1053 1047 Vgl. hierzu 2.Teil/II/A/5.2. 1048 Art. 50-63 KR; bzgl. der von der Zulassungsstelle anerkannten Vertreter s. hinten Kap. II/A/2.1. 1049 Art. 51 Abs. 1 KR. 1050 Art. 51 Abs. 3 KR. 1051 Hierzu 2.Teil/I/E. 1052 S. 2.Teil/II/A/1.2.2/d. 1053 Der Kotierungsprospekt, das Kotierungsinserat, ein Muster bzw. Kopie des gedruckten Wertpapiers (bzw. der Globalurkunde oder bei Bucheffekten die Erklärung des Emittenten, auf welche Weise der 3. TEIL MARKTSEGMENTE 201 Anhand der eingereichten Unterlagen prüft die Zulassungsstelle das Gesuch. 1054 Alsdann haben alle Teilnehmer der SWX das Recht, zu einem laufenden Kotierungsverfahren Stellung zu nehmen. 1055 Werden alle (im KR) aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, so heisst die Zulassungsstelle das Gesuch gut. 1056 Allerdings behält sich die Zulassungsstelle vor, ein Gesuch abzulehnen, wenn dies im Interesse der Öffentlichkeit geboten ist. 1057 Es steht dem Emittenten im Falle einer Ablehnung jedoch frei, jederzeit ein neues Gesuch zu stellen. Da eine Ablehnung (oder auch nur schon eine Verzögerung) mit einer enormen Imageschädigung verbunden ist, 1058 ist es einer künftigen Publikumsgesellschaft zu empfehlen, einen Vorentscheid der Zulassungsstelle zu verlangen. 1059 Erst wenn dieser positiv ausgefallen ist, sollte mit den Marketingmassnahmen begonnen werden. 2.5.2. Beschwerde Gegen Entscheide und Vorentscheide der Zulassungsstelle betreffend Kotierung kann Beschwerde vor der unabhängigen Beschwerdeinstanz der SWX geführt werden. 1060 Diese ist dabei an keinerlei Weisungen der SWX gebunden. 1061 Mit der Beschwerde kann die Verletzung der Kotierungsbestimmungen und der allgemeinen GeschäftsbedingunBerechtigte einen Ausweis über seinen Effektenbesitz erhalten kann), ein Auszug aus dem Handelsregister, die Statuten, eine Erklärung des Emissionsführers, dass der Valor über eine ausreichende Streuung verfügt, und Zwischenberichte und Mitteilungen über neue, kursrelevante Tatsachen, welche seit dem letzten Geschäftsbericht veröffentlicht wurden; Art. 52 ff. KR. 1054 Art. 58 KR; vgl. vorne Kap. 2.4.4. 1055 Art. 57 KR. 1056 Wird ein Kotierungsgesuch von der Zulassungsstelle abgelehnt, so erhebt diese eine Pauschalgebühr von maximal CHF 10’000.– (Rz 66 Gebührenordnung). Ist sich der Gesuchsteller im Klaren, dass er gewisse Kotierungsvoraussetzungen nicht erfüllt, so kann er bereits im Gesuch einen Antrag für eine Ausnahmebewilligung stellen; Art. 51 Abs. 2 KR. 1057 Art. 5 Abs. 3 KR. Zu denken wäre hier insbesondere an eine Nichterfüllung der elementarsten Grundsätze der Corporate Governance. 1058 Die Entscheide der Zulassungsstelle werden publiziert (Art. 59 Abs. 4 KR). Ein negativer Entscheid kann bei einem später erfolgenden IPO von den Investoren mit einem tieferen Emissionskurs sanktioniert werden. 1059 Vgl. Art. 60 KR. Für Vorentscheide berechnet die Schweizer Börse eine Pauschalgebühr von max. CHF 10’000.–, welche bei einem anschliessenden Kotierungsgesuch in der Regel angerechnet wird; vgl. Rz 60 f. Gebührenordnung. 1060 Art. 9 Abs. 1 BEHG; Art. 1 Abs. 1 Reglement SWX für die Beschwerdeinstanz vom 19. November 1999 (nachfolgend Beschwerdeinstanzreglement). Die Beschwerde ist innert 30 Tagen nach der Bekanntgabe schriftlich einzureichen; Art. 6 Abs. 1 Beschwerdeinstanzreglement. 1061 Art. 1 Abs. 2 Beschwerdeinstanzreglement. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 202 gen für die Teilnehmer sowie die unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung gerügt werden. 1062 Da eine (unabhängige) Beschwerdeinstanz gemäss Art. 6 EMRK nicht als eigentliches Gericht gilt, ermöglicht das BEHG, um der EMRK zu entsprechen, die Klage vor dem Zivilrichter. Eine solche Klage ist allerdings gemäss Art. 9 Abs. 3 BEHG erst nach der Durchführung des Beschwerdeverfahrens möglich. Ist nach dem Reglement der Börse hingegen keine Beschwerde möglich, sei dies mangels Beschwerdegrund oder mangels Beschwerdelegitimation, ist die direkte Klage beim Zivilrichter zulässig, wobei sich die relevanten Prozessvoraussetzungen nach der jeweiligen Zivilprozessordnung richten.1063 Sofern eine gültige Schiedsgerichtvereinbarung vorliegt, kann anstelle der Klage vor dem Zivilrichter auch ein Schiedsgericht angerufen werden. Diesen Weg hat die SWX vorgesehen. 1064 Danach kann der Beschwerdeführer gegen einen abweisenden Entscheid der Beschwerdeinstanz der SWX innert 30 Tagen nach dessen Bekanntgabe das Schiedsgericht gemäss den AGB der SWX anrufen. 1065 Da die Beschwerdeinstanz gegenüber der SWX allerdings nicht vollständig unabhängig ist, wird dieses System teilweise kritisiert und vorgeschlagen, diese Aufgabe der EBK zu übertragen und das Verwaltungsverfahren des Bundes als anwendbar zu erklären. 1066 3. Kotierungskosten Für die Kotierung neuer Beteiligungsrechte und für die Aufrechterhaltung der Kotierung wird von der Schweizer Börse eine Gebühr erhoben, welche sich im Wesentlichen aus einer einmaligen Gebühr für die Bearbeitung des Kotierungsgesuches und einer Aufrechterhaltungsgebühr pro Kalenderjahr zusammensetzt. 1067 Für die Kotierung an den verschiedenen Segmenten werden, wenn nicht anders erwähnt, dieselben Gebühren er- 1062 Art. 6 Abs. 1 Beschwerdeinstanzreglement. Einen ähnlichen Rechtsbehelf sieht auch Art. 19 EUBörsenzulassungs-RL vor. Dieser kann in der EU auch ergriffen werden, wenn die zuständige Stelle nicht innerhalb von 6 Monaten reagiert; Art. 19 Abs. 2 und 3 EU-Börsenzulassungs-RL. 1063 BEHG-LANZ (1999) Art. 9 N 9; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 56. 1064 Art. 6 Abs. 9 Beschwerdeinstanzreglement; Ziff. 6.3 AGB-SWX; vgl. BEHG-LANZ (1999) Art. 9 N 10; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) N 4 ff. 1065 Art. 6 Abs. 9 Beschwerdeinstanzreglement. 1066 DIETZI/LATOUR (2002) S. 47. 1067 Rz 1 Gebührenordnung. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 203 hoben. 1068 Daneben erhebt die SWX entsprechend dem Verursacherprinzip weitere Gebühren für Dienstleistungen, welche sie zu Gunsten des Emittenten erbringt. 1069 Bei der Kotierung eines neuen Beteiligungsrechtes (Primärkotierung), wie es bei einem IPO die Regel ist, wird eine einmalige Bearbeitungsgebühr erhoben, welche sich wie folgt zusammensetzt: 1070 Grundgebühr CHF 8’000.– plus variable Gebühr pro eine Million Kapitalisierung CHF 10.– maximal jedoch CHF 46’000.– plus Zusatzgebühr für Neuemittenten CHF 15’000.– Zur Grundgebühr erhebt die SWX eine von der Höhe der Kapitalisierung abhängige Gebühr. Massgebender Stichtag für die Berechnung der Gesamtkapitalisierung des zu kotierenden Beteiligungsrechts ist der Schlusskurs am ersten Handelstag. 1071 Damit kann die Berechnungsbasis für die Kapitalisierung je nach Höhe des Underpricings über der Summe liegen, welche die Gesellschaft durch ihr IPO erhält. Mit dieser Gebühr sind auch die Kosten für die Aufrechterhaltung der Kotierung für das angebrochene Jahr abgedeckt. 1072 Definitionsgemäss handelt es sich bei einem IPO um das Angebot eines Neuemittenten, der bisher noch keine Valoren an der Schweizer Börse kotiert hat. 1073 Somit erhebt die SWX eine zusätzliche einmalige Gebühr von CHF 15’000.–. 1074 Entsteht der Schweizer Börse im Zusammenhang mit einem komplexen Kotierungsgesuch ein ausserordentlicher Aufwand, so kann sie vom Emittenten eine Zusatzgebühr verlangen, welche im konkreten Fall je nach Aufwand festgelegt wird. 1075 Ebenso können begründete Kosten 1068 Rz 3 Gebührenordnung. 1069 Rz 2 Gebührenordnung. 1070 Rz 4 ff. Gebührenordnung. 1071 Rz 6 Gebührenordnung. 1072 Rz 7 Gebührenordnung. 1073 Es wäre einzig denkbar, dass das Unternehmen bisher schon Anleihen an der Schweizer Börse kotieren liess, wodurch es sich vom Status eines Neuemittenten befreien könnte. 1074 Rz 8 Gebührenordnung. 1075 Rz 67 Gebührenordnung. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 204 von Rechtsgutachten und Stellungnahmen von Dritten 1076 dem Gesuchsteller angerechnet werden. 1077 Für die Aufrechterhaltung der Kotierung der Beteiligungsrechte für die nachfolgenden Jahre wird eine jährliche Gebühr erhoben, die sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt: 1078 Grundgebühr CHF 6’000.– plus variable Gebühr pro eine Million Kapitalisierung CHF 10.– maximal jedoch CHF 40’000.– 4. Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung Obwohl die Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung nicht mehr direkt mit dem Börsengang zusammenhängen, sind diese trotzdem bereits bei der Planung des IPOs zu berücksichtigen. Neben der oben erwähnten Bezahlung der jährlichen Kotierungskosten sind besonders die Folgepublizitätspflichten und die Bestimmungen der SWX bezüglich Börsenaustritt und betreffend Sanktionen zu beachten, auf die im Folgenden kurz einzugehen ist. 4.1. Folgepublizität Innerhalb von sechs Monaten seit dem Abschluss des Geschäftsjahres hat eine Publikumsgesellschaft ihren Geschäfts- und den Revisionsbericht zu veröffentlichen und der Zulassungsstelle zu übermitteln.1079 Die Rechnungslegung muss dabei den für den Kotierungsprospekt vorgeschriebenen Rechnungslegungsnormen entsprechen; 1080 dies hat der Revisionsbericht zu bestätigen. 1081 Publikumsgesellschaften werden zudem verpflichtet, 1076 Vgl. Art. 58 Abs. 2 KR. 1077 Rz 2 Gebührenordnung. 1078 Rz 9 f. Gebührenordnung. Die Erhebung erfolgt jeweils im ersten Quartal für das laufende Jahr auf der Basis der Gesamtkapitalisierung der jeweils kotierten Valoren per Schlusskurs des letzten Börsentages des Vorjahres; Rz 11 Gebührenordnung. 1079 Art. 64 KR; vgl. HIRSCH, règlement de cotation (1995) S. 16 ff.; BERTSCHINGER/ LENGAUER/SCHWARZ (2001) S. 54 ff.; ebenso Art. 70 EU-Börsenzulassungs-RL; für schweizerische Aktiengesellschaften vgl. Art. 698 Abs. 2 Ziff. 3 i.V.m. Art. 699 Abs. 2 OR. 1080 Art. 66 ff., insb. Art. 70 KR. 1081 Art. 71 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 205 einen Zwischenbericht zu veröffentlichen, welcher einen Zeitraum von sechs Monaten oder weniger umfasst. 1082 Im Gegensatz zum Jahresbericht muss der Zwischenbericht nicht geprüft, dafür aber bereits binnen vier Monaten nach Beendigung des Berichtszeitraums veröffentlicht und bei der Zulassungsstelle eingereicht werden.1083 Die Ad-hoc-Publizität ist in Art. 72 KR besonders geregelt. Diese Publizitätspflicht wurde bereits im Rahmen der durch das IPO entstehenden börsenrechtlichen Pflichten beschrieben, weshalb auf die dort gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. 1084 Schliesslich hat die neue Publikumsgesellschaft die in der neuen Corporate GovernanceRichtlinie enthaltenen Pflichten zu beachten und die entsprechenden Angaben zu publizieren. 1085 4.2. Weitere Bedingungen 4.2.1. Aufrechterhaltung der Kotierungsvoraussetzungen Einzelne Vorschriften, welche nach dem Wortlaut des ursprünglichen Kotierungsreglements nur als Eintrittshürde anlässlich der Kotierung galten, sind seit der Revision des KR im Jahre 1999 während der ganzen Dauer der Kotierung zu beachten. 1086 Danach müssen unter anderem die Bestimmungen betreffend die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen 1087 und die Handelbarkeit 1088 auch nach dem IPO eingehalten werden. Unter die Erfordernisse der Aufrechterhaltung der Kotierung fallen hingegen nicht die Anforderungen betreffend Kapitalausstattung und Mindestkapitalisierung.1089 Eine Dekotierung aufgrund (vorübergehender) finanzieller Missstände ist im Sinne des Anlegerund Funktionsschutzes abzulehnen. Gleichwohl sah beispielsweise das revidierte Regelwerk des deutschen Neuen Marktes vor, dass „Penny stocks“, d.h. Aktien von Gesellschaften, die eine bestimmte Schwelle der Kapitalausstattung unterschreiten und die 1082 Vgl. zum Ganzen Art. 65 KR. 1083 Art. 65 Abs. 3 KR; ebenso Art. 72 EU-Börsenzulassungs-RL; vgl. ausführlicher BERTSCHINGER/ SCHWARZ/ ZWICKER (1998) S. 78 ff., 145 ff. 1084 Vgl. vorne 2.Teil/II/A/7.2. 1085 Vgl. Corporate Governance-RL; Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 6/2000; hierzu bereits 2.Teil/I/D/1. 1086 Art. 75a KR; vgl. auch Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 6/1999. 1087 Art. 6 KR. 1088 Art. 19 KR. 1089 Art. 8 und 14 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 206 während einer bestimmten Zeit unter der Marke von einem Euro gehandelt werden, vom Markt genommen werden. Ebenfalls nicht aufrechterhalten werden müssen die Voraussetzungen betreffend die Streuung der Beteiligungsrechte. 1090 Sind hingegen nur noch wenige Papiere im Publikum gestreut, was beispielsweise nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot der Fall sein kann, so ist, aufgrund der damit einhergehenden grossen Volatilität der Papiere, eine Dekotierung dennoch zu überlegen. 4.2.2. Zusätzliche Meldepflichten Weitere Meldepflichten im Rahmen der Aufrechterhaltung der Kotierung regelt die Zulassungsstelle in einem speziellen Rundschreiben.1091 Dieses befasst sich mit der Pflicht des Emittenten 1092 , über technische und administrative Sachverhalte und Ereignisse zu informieren. Diese Meldeverpflichtung geht eine künftige Publikumsgesellschaft mit der Einreichung des Kotierungsgesuches ein, in welchem sie eine Erklärung abzugeben hat, wonach sie den Informationspflichten nachkommen wird und sich der Verfahrens- und Sanktionsordnung der SWX unterstellt. 1093 Die Meldepflicht beschränkt sich dadurch nicht nur auf Publikumsgesellschaften mit Sitz in der Schweiz, sondern bezieht sich auf alle Emittenten, deren Effekten in der Schweiz kotiert sind, unabhängig von ihrer gesellschaftsrechtlichen Inkorporation. Eine Ausnahme gilt einzig für Emittenten, deren Beteiligungsrechte ausschliesslich im Rahmen einer Sekundärkotierung an der SWX zugelassen sind. 1094 Das Rundschreiben enthält des Weiteren eine Checkliste, in der die meldepflichtigen Sachverhalte, der Zeitpunkt der Meldung und die Anforderungen, die an diese Meldung gestellt werden, detailliert aufgeführt sind.1095 Zu melden sind danach die allgemeinen Informationen über den Emittenten, Einzelheiten zur Generalversammlung sowie Divi1090 Art. 17 KR. 1091 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 1092 Auf eine besondere Rubrik betreffend Meldepflicht der federführenden Banken wurde im Gegensatz zum (vorangegangenen) Rundschreiben Nr. 1/1996 verzichtet; Rz 9 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 1093 Vgl. Art. 51 Abs. 3 Ziff. 4 KR; Rz 8 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 1094 „Bei solchen Sekundärkotierungen wird angestrebt, dass sämtliche Informationen, welche der Emittent im Heimatmarkt veröffentlicht, auch der SWX und den Börsenteilnehmern in der Schweiz zur Verfügung gestellt werden.“; Rz 10 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998; vgl. RL betr. Kotierung ausländischer Gesellschaften; Rundschreiben Nr. 4/2002. 1095 Anh. 1 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 207 dendenzahlungen und sämtliche Veränderungen der Kapitalstruktur. 1096 Die Verantwortung für den Inhalt der Mitteilung trägt der Absender der Mitteilung, also die Publikumsgesellschaft. 1097 5. Börsenaustritt und Sanktionen 5.1. Sistierung und Dekotierung Das BEHG enthält bezüglich Sistierung und Dekotierung keine Bestimmungen. Es sind deshalb die Börsen, die diesen Bereich regeln müssen. 1098 Die Zulassungsstelle der SWX hat die Möglichkeit, auf eigene Initiative oder auf Gesuch des Emittenten die Kotierung eines Valors vorübergehend auszusetzen (zu sistieren).1099 Auf Antrag wird die Zulassungsstelle die Sistierung vornehmen, wenn eine Publikumsgesellschaft beispielsweise vor einer wichtigen, kursrelevanten Mitteilung steht und das Aussetzen des Handels als das richtige Mittel erscheint, um negative Auswirkungen von Gerüchten auf dem Markt zu verhindern. Aus eigener Initiative wird die Zulassungsstelle eine Sistierung vornehmen, wenn sie z.B. auf die Verletzung von wichtigen Informationspflichten des Emittenten aufmerksam wird. Zudem kann die Sistierung auch als Sanktion angeordnet werden, wenn der Emittent andere Verpflichtungen des Kotierungsreglements verletzt. 1100 Wie bei der Sistierung kann eine Streichung der Kotierung (Dekotierung) sowohl auf Initiative der Gesellschaft als auch der Zulassungsstelle erfolgen. Dabei hat die Zulassungsstelle immer auch die Interessen der Anleger zu berücksichtigen, weshalb erst nach einer sorgfältigen Abwägung aller Interessen einem Dekotierungsgesuch entsprochen werden darf. 1101 In letzter Konsequenz wird es allerdings immer die Publikumsgesellschaft sein, die über die Kotierung und deren Aufrechterhaltung im Rahmen der gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen entscheiden kann, denn eine Kotierung kann 1096 Vgl. Rz 5 Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 1/1998. 1097 Vgl. Rz 3, 11 f. Rundschreiben der Zulassungsstelle Nr. 2/1998. 1098 Art. 8 BEHG; KÜNG/HUBER/KUSTER, Bd. II (1998) Art. 8 N 20 ff. 1099 Art. 79 Abs. 1 KR. 1100 Art. 79 Abs. 2, Art. 82 KR; vgl. dazu hinten Kap. 5.2. Da diese Sanktion nicht nur den Emittenten, sondern auch den gesamten Markt und seine Teilnehmer betrifft, ist vor der Handelseinstellung eine sorgfältige Interessenabwägung notwendig; vgl. V. PLANTA (1997) S. 34. 1101 Art. 80 Abs. 1 Ziff. 1 KR; Richtlinie der Zulassungsstelle betr. die Dekotierung von Valoren vom 23. November 2000 (nachfolgend: Dekotierungs-RL); vgl. auch INDERBITZIN (1993) S. 157 ff. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 208 nie gegen den Willen des Emittenten aufrechterhalten werden. 1102 Da der Emittent bei der Börseneinführung die Zusicherung über die Einhaltung der mit der Kotierung verbundenen Pflichten abgegeben hat, wozu auch die Vorschriften über die Aufhebung der Kotierung zählen, 1103 hat er sich allerdings auch verpflichtet, sich bei einer allfälligen Dekotierung an die Bestimmungen des KR zu halten. Eine Dekotierung ist in jenen Fällen gutzuheissen, in denen kein sinnvoller Handel mehr stattfinden kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Gesellschaft nach einem Übernahmeangebot praktisch vollständig übernommen worden ist und nur noch vereinzelt Anteile ausstehend bleiben. 1104 Die Zulassungsstelle hat ferner die Möglichkeit, die Dekotierung vorzunehmen, wenn die Zahlungsfähigkeit des Emittenten ernsthaft in Frage steht, wenn trotz Abmahnung während einer längeren Periode keine börslichen Abschlüsse erfolgten oder wenn die Sistierung während dreier Monate aufrechterhalten wurde, ohne dass die Gründe für die Anordnung dieser Massnahme weggefallen sind.1105 Eine Dekotierung bei nicht mehr gehandelten Gesellschaften ist durchaus angebracht, da damit insbesondere ein unerwünschter Mantelhandel vermieden werden kann. 1106 Schliesslich kann eine Dekotierung (wie schon die Sistierung) als Sanktion angeordnet werden. 1107 Findet ein aktiver Handel auf der Basis von korrekten Informationen statt, so erscheint eine Dekotierung vielfach als nicht gerechtfertigt, da eine solche Massnahme letztlich die Anleger bestraft, die durch eine Dekotierung die Möglichkeit verlören, sich von ihren Papieren zu trennen.1108 Infolgedessen enthält die Dekotierungsrichtlinie zum Schutz der Anleger strikte formelle Vorschriften. 1109 1102 Vgl. Rz 4 Dekotierungs-RL. 1103 Vgl. Erläuterungen Ziff. 3 f. zur ehemaligen Richtlinie betr. Dekotierung von Valoren vom 18. November 1991. 1104 V. PLANTA (1997) S. 34. 1105 Art. 80 Abs. 1. Ziff. 2-4 KR. 1106 Sog. „Reverse Takeover“; vgl. WITTORF (2003) S. 27. Durch den Kauf solcher kotierter Aktienmäntel kann der strenge Weg der ursprünglichen Kotierung umgangen werden. Beispielsweise müssen dadurch die Informationspflichten im Kotierungsprospekt nicht erfüllt werden, was dem Anlegerund dem Funktionsschutz zuwider läuft. Deshalb ist es sinnvoll, dass solche kotierten Aktienmäntel möglichst schnell vom Markt verschwinden. 1107 Art. 80 Abs. 1. Ziff. 5 u. Art. 82 KR. 1108 Ebenso V. PLANTA (1997) S. 35; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 46 f. 1109 Rz 5 f. Dekotierungs-RL. Danach muss das Gesuch um Dekotierung einen Monat vor deren Ankündigung vom Emittenten oder einem anerkannten Gesuchsteller (Art. 50 KR) zusammen mit dem Entwurf des Inserats und allfälligen weiteren Unterlagen (z.B. Angebotsprospekte, Verpflichtung zum ausserbörslichen Handel und Bestätigungen von Gerichtsurteilen) eingereicht werden (Rz 11 3. TEIL MARKTSEGMENTE 209 Eine strenge Praxis in Bezug auf die Dekotierung verfolgte die Deutsche Börse AG bei ihrem Neuen Markt und versuchte damit, diesem wieder auf die Sprünge zu helfen. 1110 Danach wurden Unternehmen mit geringem Börsenwert und insolvente Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen vom Kurszettel gestrichen. Die quantitative Schwelle lag bei einem Tagesdurchschnittskurs von einem Euro und einer Marktkapitalisierung von € 20 Mio. Unterschritt eine Gesellschaft an 30 aufeinander folgenden Börsentagen beide Grenzwerte und übertraf beide Werte in den nächsten 30 Börsentagen nicht an mindestens 15 aufeinander folgenden Börsentagen, schloss die Deutsche Börse das Unternehmen aus. 1111 Um die Qualität der kotierten Gesellschaften zu steigern, muss sich auch die SWX überlegen, gewisse schwarze Schafe auszuschliessen. Da allerdings die Anleger bei der Dekotierung die Leidtragenden sind, sollten solche Ausschlüsse mit Blick auf den Anleger- und Funktionsschutz eine Ausnahme bleiben. 5.2. Sanktionen Die effizienteste Massnahme, eine künftige Publikumsgesellschaft vor dem IPO zur Einhaltung der Vorschriften zu bewegen, ist die Verweigerung der Kotierung. Damit wird eine Gesellschaft gezwungen, alle Erfordernisse der Kotierung zu erfüllen. 1112 Nach der Kotierung steht der Börse dieses Druckinstrument nicht mehr zur Verfügung. Deshalb Dekotierungs-RL). Darauf folgend bestimmt die Zulassungsstelle den Zeitpunkt der Ankündigung und des letzten Handelstages des Valors. In ihrem Entscheid berücksichtigt die Zulassungsstelle sowohl die Interessen der Anleger (an einem ordnungsgemässen Handel) als auch diejenigen des Gesuchstellers. Die Ankündigung der Dekotierung hat in der Regel (Ausnahmen sind gemäss Rz 7 Dekotierungs-RL möglich, insb. in Fällen einer Fusion, einer Liquidation, eines Übernahmeangebotes oder der Kraftloserklärung restlicher Beteiligungspapiere von Art. 33 BEHG) mindestens drei Monate vor dem letzten Handelstag mittels Publikation eines Inserates gemäss Art. 46 KR und einer „Offiziellen Mitteilung der SWX“ zu erfolgen. Sind im Zeitpunkt der Dekotierung noch mehr als 5% der Titel im Publikum gestreut, ist zudem über einen Zeitraum von längstens sechs Monaten ein ausserbörslicher Handel aufrechtzuerhalten. 1110 Zur Zukunft des deutschen Neuen Marktes s. hinten Kap. B/3. 1111 Abschnitt 2 Ziff. 2.1.5 Regelwerk (deutscher) Neuer Markt. Diese Mindestgrenzen sind zwar willkürlich gewählt, doch zeigt die Erfahrung, dass Notierungen unter € 1 unerwünschte volatile Bewegungen auslösen. Die Schwelle der Kapitalisierung erklärt sich unter anderem auch damit, dass manche institutionelle Investoren nicht in Unternehmen mit geringerer Marktschwere investieren dürfen; vgl. Pressemitteilung der Deutschen Börse AG vom 20. Juli 2001; NZZ Nr. 167 vom 21. Juli 2001 S. 29. Unternehmen, bei denen diese Schwelle eine Gefahr darstellt, können allerdings diese Regel mittels „Reverse Split“ (vgl. Art. 623 OR) umgehen. Damit werden beispielsweise aus 10 alten Aktien eine neue – und der Kurs steigt ceteris paribus von z.B. 0,5 auf € 5.–, wodurch diese Schwelle für das Unternehmen (vorläufig) keine Gefahr mehr darstellt. 1112 Art. 5 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 210 enthält das Kotierungsreglement verschiedene Sanktionsmittel, die dessen Einhaltung sicherstellen sollen.1113 Diese reichen von einer Fristansetzung zur Behebung des Mangels über eine Busse von bis zu CHF 200’000.– bis zur Dekotierung. Die weniger weit gehenden Sanktionen wie Fristansetzung zur Behebung eines Mangels, Verweis und die Publikation von Informationen können von der Zulassungsstelle ergriffen werden. Für die schwerer wiegenden Sanktionen hat die Zulassungsstelle einen Antrag an die Disziplinarkommission der Schweizer Börse zu stellen, welche dann alle Sanktionen ergreifen kann. 1114 6. virt-x 6.1. Anwendungsbereich In Zusammenarbeit mit dem britischen Konsortium Tradepoint 1115 hat die SWX im Sommer 2001 eine neue Handelsplattform aufgebaut. Die sogenannte „virt-x“ verfolgt das Ziel, eine europäische Börsenplattform für den grenzüberschreitenden Handel von Beteiligungsrechten zu schaffen und damit die Liquidität in diesen Effekten zu zentralisieren. 1116 Seit dem Start der virt-x findet der gesamte Handel mit den im SMI enthaltenen Schweizer Blue Chips an der neuen Börse statt. 1117 Die virt-x ist eine elektronische Börse nach britischem Recht mit Sitz in London und untersteht damit der britischen Aufsicht. 1118 Technisch verwendet die virt-x das gleiche und bewährte System wie die SWX. Die virt-x-Börsenmitglieder unterstehen hingegen der Aufsicht ihrer Heimatländer. Die Schweizer Effektenhändler, die zu „Remote Members“ der virt-x wurden, unterstehen damit weiterhin der EBK. Ihre Handelstätigkeit wird dagegen von der britischen Börsen1113 Art. 82 KR. 1114 Art. 82 Abs. 2 KR. 1115 Tradepoint Financial Networks, ein Konsortium von international tätigen Investmentbanken und Finanzdienstleistungsunternehmen (Tradepoint Group), z.B. Warburg Dillon Read, Credit Suisse First Boston, Deutsche Bank, J.P. Morgan, Merill Lynch, Morgen Stanley, ABN Amro, Dresdner Kleinwort Benson etc. 1116 Die virt-x soll eine paneuropäische Börse werden, an der 600 europäische Blue Chips gehandelt werden. Ob es so weit kommt, ist nach heutigem Stand der Dinge eher zu bezweifeln. Bis jetzt hat sich lediglich die Schweiz verpflichtet, ihre Blue Chips ausschliesslich an der virt-x in London zu handeln. 1117 29 der grossen Schweizer Titel werden in London gehandelt. Damit sind 70 Prozent des Handelsvolumens der Schweizer Börse SWX nach London abgewandert; vgl. HENCKEL, Emittenten (2001) S. 21; NOBEL, Finanzmarktrecht (2001) § 10 N 205f ff.; Jahresbericht EBK (2002) S. 77 f. 1118 Auch wenn die Computer in Zürich stehen, ist für die Überwachung die Financial Services Authority (FSA; http://www.fsa.gov.uk) zuständig. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 211 aufsicht FSA überwacht. 1119 Allerdings ist für die Beaufsichtigung eine intensive Kooperation mit der SWX unbedingt notwendig. 6.2. Kotierungsvoraussetzungen 6.2.1. Grundsatz Als Voraussetzungen für die Zulassung zum Handel an der virt-x genügen die Erfüllung der Kotierungsbestimmungen des Hauptsegments der SWX und deren Aufrechterhaltung. 1120 Die schweizerischen Titel bleiben damit an der SWX kotiert, deren Handel in der Schweiz wird aber eingestellt. Die Zulassungs- beziehungsweise Kotierungsregeln für die Emittenten werden vom virt-x-Konzept überhaupt nicht berührt, 1121 und auch die aus dem Kotierungsverhältnis hergeleiteten Rechte und Pflichten beurteilen sich nach schweizerischem Recht. 1122 Zuständig für die Durchsetzung der Kotierungsregeln gegenüber den Emittenten bleibt damit auch weiterhin die SWX. Für den Handel an der virt-x qualifizieren sich Effekten, die ein internationales Investorenpublikum ansprechen und für den grenzüberschreitenden Handel geeignet sind.1123 Die virt-x legt im Rahmen ihres Zieles selbstständig die Voraussetzungen fest, von deren Erfüllung die Handelszulassung abhängig gemacht wird.1124 Seit der Betriebsaufnahme werden die Beteiligungsrechte, die in den bedeutenden europäischen Indices enthalten sind, für den Handel an der virt-x zugelassen. 1125 Der Erfolg der virt-x ist heute noch nicht gesichert. So blieben bisher die Umsätze im paneuropäischen Handel an der virt-x unter den Erwartungen. Vordergründig verant- 1119 Diese verfügt über ein grosses Know-how und wirkungsvollere Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten als die EBK, so dass sich der Anlegerschutz tendenziell verbessern dürfte; hierzu MALACRIDA (2001) S. 802 ff. 1120 Vgl. Regulatorische Rahmenbedingungen – Handel von SWX-kotierten Effekten auf der Börsenplattform virt-x (nachfolgend: Rahmenbedingungen virt-x); insb. Rz 15 Rahmenbedingungen virt-x. 1121 Hierzu HENCKEL, Emittenten (2001) S. 22 ff. 1122 D.h. Übernahmerecht, Offenlegungspflicht von Beteiligungen, Ad-hoc-Publizität, Suspendierung des Handels vor börsenrelevanten Mitteilungen oder Dekotierung bzw. andere Sanktionen bei Zuwiderhandlungen beurteilen sich nach schweizerischem Recht. 1123 „Blue Chips“ nationaler Indices. 1124 Die jeweils gültigen Zulassungskriterien werden auf der Website der virt-x publiziert (http://www.virt-x.com). 1125 SMI; DJ Stoxx 50; DJ Euro Stoxx 50; FTSE Eurotop 300; MSCI Euro Index; MSCI Pan Euro Index; Dax 30; CAC 40; MIB 30. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 212 wortlich hierfür ist die immer noch beschränkte Liquidität. 1126 Da die Konsolidierung von Europas Wertpapiermärkten weiter voran schreitet, bleibt daher auch die Zukunft des Schweizer Blue Chips-Handels ungewiss. 6.2.2. Aufnahme im SMI An der virt-x werden lediglich solche schweizerischen Titel gehandelt, welche Bestandteil des SMI bilden. Damit hat eine Gesellschaft nach ihrer Kotierung keinen primären Anspruch, an der virt-x gehandelt zu werden. Um in den SMI aufgenommen zu werden, muss eine Gesellschaft kumulativ mehrere Voraussetzungen erfüllen. Grundbedingung ist zunächst ein Gesellschaftssitz in der Schweiz oder in Liechtenstein sowie eine Kotierung an der SWX. Gemäss SMI-Reglement darf die maximale Anzahl Aktien im Index höchstens 30 betragen. 1127 Als eine weitere Voraussetzung hat ein SMI-Kandidat eine mit dem Free Float multiplizierte Börsenkapitalisierung von mindestens 0,45% des Schweizer Gesamtmarktindex (SPI) 1128 aufzuweisen. 1129 Schliesslich ist eine gewisse Liquidität des Titels und eine minimale Untergrenze von 20% Free Float erforderlich. 1130 Erfüllt die Publikumsgesellschaft all diese Anforderungen, so hat sie grundsätzlich Anspruch auf die Aufnahme im SMI und damit auf den Handel an der virt-x. 1131 Eine Publikumsgesellschaft kann allerdings nicht direkt nach ihrem IPO in den SMI aufgenommen werden. Selbst wenn sie die Voraussetzungen – insbesondere die notwendige Börsenkapitalisierung – erfüllt, sind hierfür aber zwei Schritte notwendig. Folglich stellt die virt-x kein primäres Segment für ein IPO dar. 1126 Es ist zu beachten, dass die Händler stark auf die Differenz zwischen den Geld- und Briefkursen (Spread) schauen, ohne dabei jedoch auf die Gesamtkosten der Transaktion zu achten. Auch ist es möglich, dass die Vorteile der virt-x hinsichtlich Effizienz und Sicherheit wegen mangelhafter interner Anreizstrukturen in den Banken nicht voll zum Tragen kommen; vgl. NZZ Nr. 136 vom 15./16. Juni 2002 S. 27. 1127 Rz 3.3.4 SMI-Reglement. 1128 Hierzu SPI-Reglement. 1129 Die Börsenkapitalisierung berechnet sich aus den frei handelbaren Aktien (Freefloat) auf der Basis der sich theoretisch im Umlauf befindenden Aktien; Rz 1.4 f. und 3.3.2. SMI-Reglement. 1130 Rz 3.3.3 und 1.5.4 SMI-Reglement. 1131 Davon ausgenommen sind z.B. Investmentgesellschaften, welche dem entsprechenden Zusatzreglement unterstehen und in einem separaten Index zusammengefasst werden, weil sich deren Aktiven zum grössten Teil aus Finanzanlagen in andere SMI- & SPI-Valoren zusammensetzen und eine indirekte Doppelzählung vermieden werden soll; vgl. Rz 3.3.1 SMI-Reglement. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 7. 213 Fazit Mittels detaillierten und strengen Regeln, insbesondere im Bereich der Publizität, sorgt das Kotierungsreglement der SWX dafür, dass den Anlegern diejenigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, die sie benötigen, um die Eigenschaften der Effekten und die Qualität des Emittenten beurteilen zu können, und erfüllt damit die Anforderungen des BEHG. Die Regeln des Hauptsegments der SWX können in einigen Bereichen als grosszügig, in anderen, insbesondere im Hinblick auf die Publiziätspflichten, als streng bezeichnet werden und erweisen sich damit im Grossen und Ganzen als ausreichend. In Bezug auf den Kotierungsprospekt hat die SWX den künftigen Publikumsgesellschaften detaillierte Schemata bereitgestellt, womit die Erstellung erleichtert und die Vergleichbarkeit erhöht wird. Für Kleinanleger erweist sich der Kotierungsprospekt häufig als zu detailliert und damit als unübersichtlich, weshalb er bei diesen vielfach nur wenig Beachtung findet. Dem könnte die Publikation einer kurzen Zusammenfassung des Prospekts abhelfen. Um die künftigen Publikumsgesellschaften zur Erstellung einer Zusammenfassung zu verpflichten, wäre allerdings eine Erweiterung des Kotierungsreglements (beziehungsweise des Aktienrechts) erforderlich. Alsdann trägt das Kotierungsreglement den internationalen Standards im Bereich des Finanzmarktrechts Rechnung. So hat die SWX ihre Anforderungen und Bestimmungen bezüglich der Kotierung in den meisten Bereichen den internationalen Standards und insbesondere denjenigen der Europäischen Union angepasst. Solche kongruenten Bestimmungen erleichtern (beziehungsweise ermöglichen erst) die internationale Vergleichbarkeit der Angebote und begünstigen Sekundärkotierungen, was schliesslich den Wettbewerb unter den Gesellschaften und zwischen den verschiedenen Börsen erhöht. Hinsichtlich des Prospekts ist jedoch der SWX zu empfehlen, entsprechend den Vorschlägen der internationalen Organisationen und der EU, die Zweiteilung der für ein IPO relevanten Unterlagen in ein Rahmendokument und ein Emissionsdokument zu ermöglichen. Im Bereich der Rechnungslegung zeigt sich die SWX liberal. Für die Kotierung lässt sie für das Hauptsegment neben den internationalen Standards bis in das Jahr 2005 den eigenen Standard (FER) zu. Danach sind die FER nur noch für die Segmente SWX Local Caps, Immobiliengesellschaften und Investmentgesellschaften zugelassen. Immerhin stellt die SWX es den Gesellschaften auch nach 2005 frei, sich für die IAS/IFRS oder US-GAAP zu entscheiden. Damit haben die am Hauptsegment kotierten Unternehmen 214 3. TEIL MARKTSEGMENTE die Möglichkeit, ihre Rechnung nach demjenigen internationalen Standard zu legen, der ihnen bzw. ihrem Tätigkeitsfeld am ehesten entspricht. Um einen liquiden Handel zu ermöglichen, setzt die SWX bei den Publikumsgesellschaften neben minimalem Eigenkapital und Alter insbesondere einen bestimmten FreeFloat der Titel voraus. Die Liquidität der Titel sollte denn auch das wichtigste Erfordernis für die Börsenkotierung sein. Hingegen sind die Bonität des Unternehmens und das Ausweisen eines bestimmten Gewinns oder Cash Flows keine Zulassungskriterien für die Kotierung. Es ist nicht Aufgabe der Börse, verschiedene Qualitätssegmente zu erzeugen, welche die Anleger in falscher Sicherheit wiegen und den Wettbewerb verzerren könnten. So beschränkt sich die SWX darauf, dafür zu sorgen, dass die gegenwärtigen und künftigen Investoren von den Publikumsgesellschaften ausreichend und gleichmässig mit Informationen versorgt werden. Die Zulassungsstelle der SWX nimmt keine materielle Prüfung der Kotierungsgesuche vor, sondern beschränkt sich auf deren formelle Prüfung. Die Investoren müssen sich auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen selbst ein Bild über das Unternehmen machen. Eine materielle Prospektkontrolle durch die Zulassungsstelle wäre mit Blick auf die Vorteile für die Anleger und insbesondere auf die internationale Verbreitung denkbar. Effizienter als eine materielle Kontrolle der Kotierungsgesuche und des Kotierungsprospekts ist jedoch eine ausgedehnte und strenge Prospekthaftung. Heute bilden Haftungsklagen aufgrund mangelhafter Dokumente oder falscher Informationen allerdings noch die Ausnahme. Ein Grund hierfür ist das grosse finanzielle und beweislasttechnische Risiko, das allfällige Kläger damit eingehen. Deshalb wäre eine Erleichterung von Prospekthaftungsklagen für geschädigte Anleger und insbesondere eine Beschränkung des Prozess(kosten)risikos sinnvoll. Die Zulassungsstelle beschränkt sich bei ihrer (formellen) Prüfung auf den Kotierungsprospekt und das Kotierungsinserat. Vielfach sind weitere Publizitätsmittel wie Werbespots oder sonstige Informationsbroschüren für die Investition der Anleger ebenso relevant wie der Prospekt, weshalb eine minimale Regelung dieser Werbemittel im Kotierungsreglement ebenfalls wünschenswert wäre. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 215 B. New Market 1. Anwendungsbereich und Zukunftsaussichten Bis Ende der 90er-Jahre galten in der Schweiz nur Unternehmen als börsenfähig, die Umsätze in mehrstelliger Millionenhöhe und entsprechende Gewinne erzielten. Beim IPO wurden infolgedessen kleinere Gesellschaften oft (zu) niedrig bewertet. Dies lag daran, dass über die kleineren Aktiengesellschaften nur wenige Informationen zur Verfügung standen und solche Werte eine mangelhafte Liquidität aufwiesen. Um dem entgegen zu wirken, wurde im Sommer 1999 der New Market ins Leben gerufen. 1132 Der SWX New Market sollte folglich der Kotierung von Unternehmen dienen, welche sich durch die Erschliessung neuer Absatzmärkte, die Anwendung innovativer Verfahren oder die Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen auszeichnen, wobei namentlich jungen Unternehmen der Zutritt zur Börse erleichtert werden sollte. 1133 Der New Market bietet ein anderes Chance-Risiko-Verhältnis als das Hauptsegment. Danach sind die Chancen auf eine gute Performance am New Market grösser, allerdings sind auch die Risiken höher. So konnte der SNMI im Jahr 2000 eine Performance von rund 30 Prozent vermelden. Im darauffolgenden Jahr verlor dieser seine Gewinne wieder, so dass bis heute eine Mehrheit der Titel unter dem Emissionspreis gehandelt wird. Ein Nachteil des New Markets liegt, insbesondere bei einem schlechten Börsenumfeld, in der teilweise geringen Marktliquidität, welche eine Mehrheit der in diesem Segment kotierten Titel aufweist. Die schlechte Stimmung im letzten Jahr sorgte denn auch dafür, dass dieses Segment für IPOs an Attraktivität verlor und der New Market seit Herbst 2000 keinen Börsengang mehr verzeichnen konnte.1134 Mittelfristig ist weder mit einer Erholung im SWX New Market noch mit Neuzugängen zu rechnen. Die für ein eigenständiges Segment notwendige Grösse kann daher auf absehbare Zeit hin kaum erreicht 1132 Vgl. hierzu FISCHER, neue Märkte (1999) S. 63 ff.; SCHANZ (2000) § 11 Rz 41 ff. Bis Herbst 2000 wurden im Rahmen der IPOs CHF 2,6 Mia. im Publikum platziert, wovon CHF 1,6 Mia. als neues Kapital direkt in die Unternehmen floss. 1133 Art. 1 ZR-NM. Hierbei fokussiert(e) der SWX New Market auf die Sektoren Life science, Informationstechnologie und Mikrotechnologie; vgl. SWX Geschäftsbericht 1999 S. 15. 1134 Zahlreiche Kandidaten aus der Schweiz, Kanada, den USA, Israel und aus verschiedenen europäischen Ländern, mit welchen die SWX in Kontakt stand, haben den Börsengang verschoben bzw. aufgegeben. Als Beispiel hierfür sei der Börsengang von Surgical Instrument Systems genannt, der wegen dem ungünstigen Marktumfeld verschoben werden musste; vgl. NZZ Nr. 160 vom Freitag 13. Juli 2001 S. 29. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 216 werden. Die Geschäftsleitung der SWX hat deshalb im Sommer 2002 beschlossen, die Kommunikations- und Marketingtätigkeiten unter dem Branding SWX New Market einzustellen. 1135 Die regulatorischen Rahmenbedingungen und Eintrittshürden sollen aber weitgehend aufrechterhalten werden. Für die zurzeit am SWX New Market gehandelten Unternehmen bleiben Kotierung und Handel sowie alle damit verbundenen Informationspflichten (Finanzberichterstattung, Ad-hoc-Publizität und Meldepflichten im Sinne der anwendbaren Reglemente) bestehen. Neue Kandidaten haben zudem weiterhin Anspruch auf eine Kotierung an der SWX, wenn sie die Voraussetzungen gemäss dem Zusatzreglement SWX New Market erfüllen. Um neue Gesellschaften für ein IPO zu gewinnen, ist es allerdings notwendig, dass der SWX New Market das Vertrauen der Anleger wiedererlangt. Da nun die bis anhin am SWX New Market kotierten Gesellschaften vielmehr beginnen, das Segment zu wechseln, 1136 ist eine Erholung des SWX New Markets eher unwahrscheinlich. Noch schlechter zeigt sich die Zukunft des deutschen Neuen Marktes. So hat die DBAG beschlossen, dieses Segment bis spätestens Ende 2003 gänzlich aufzulösen. 1137 Trotz dieser unglücklichen Voraussetzungen ist es sinnvoll, kurz die Kotierungsvoraussetzungen des SWX New Market aufzuzeigen. So ist einerseits ein Aufleben dieses Segments bei einer Besserung des Marktumfeldes dennoch möglich (wenn auch eher unwahrscheinlich), andererseits sind die Kotierungsvoraussetzungen auch für die anderen Segmente von gewisser Relevanz. 2. Kotierungsvoraussetzungen 2.1. Grundsatz Die Kotierungsbedingungen des SWX New Market stimmen weitgehend mit denjenigen der übrigen europäischen Wachstumsmärkte überein. So stehen den im Vergleich zum Hauptsegment der SWX tieferen quantitativen Anforderungen betreffend Eigenkapital höhere Publizitätsvorschriften gegenüber. Für die Kotierung am SWX New Market wurde zwar ein eigenes Reglement geschaffen; wie der Name „Zusatzreglement“ aber schon andeutet, lehnt es sich in etlichen Bereichen an das Kotierungsreglement des Hauptsegments an. Das Zusatzreglement für die Kotierung von Effekten im SWX New Market regelt damit lediglich die Abweichungen vom Kotierungsreglement des Hauptsegments 1135 Mitteilung der SWX Nr. 58/2002. 1136 Vgl. hierzu Mitteilungen der SWX Nr. 64/2002, 78/2002, 91/2002. 1137 Vgl. NZZ Nr. 255 vom 28./29. September 2002 S. 33. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 217 und verweist für die übrigen Bestimmungen jeweils auf das KR.1138 Deshalb wird an dieser Stelle nur verkürzt auf die Besonderheiten dieses Segments eingegangen. 2.2. Zutrittshürden Junge Gesellschaften können wesensgemäss nur eine kurze Unternehmensgeschichte und wenige Erfahrungszahlen ausweisen. Eine Verpflichtung zur Erbringung eines Nachweises über eine mehrjährige Geschäftstätigkeit würde solchen Unternehmen ein IPO verunmöglichen.1139 Zudem lässt sich die Zukunft von Gesellschaften der New Economy nicht ohne weiteres aus einer Beurteilung der Vergangenheit herleiten. Auch ist es fragwürdig, ob sich eine längere Dauer der Existenz des Emittenten für einen Investor in jedem Fall als risikomindernd erweist. 1140 Aus diesen Gründen wurde das Erfordernis des dreijährigen Bestehens für die Kotierung am New Market verkürzt. Gemäss Art. 4 ZR-NM hat der Emittent lediglich über mindestens ein volles Geschäftsjahr Rechenschaft abzulegen. Entsprechend dem Zweck des SWX New Markets, jungen Gesellschaften ein IPO zu ermöglichen, sind die Voraussetzungen an die Eigenkapitalausstattung eher bescheiden. In diesem Sinne muss das zum Zeitpunkt der Kotierung ausgewiesene Eigenkapital lediglich CHF 2,5 Mio. betragen. 1141 An die Höhe der Mindestkapitalisierung werden vom New Market ebenfalls geringere Anforderungen gestellt. So müssen die Beteiligungsrechte, die im Publikum gestreut oder platziert werden, eine voraussichtliche Mindestkapitalisierung von CHF 8 Mio. aufweisen.1142 Im Gegensatz zum Hauptsegment fordert der New Market eine bestimmte Mindeststückzahl der anlässlich des IPOs dem Publikum angebotenen Beteiligungsrechte. Diese be1138 Bspw. die Stellung und Kompetenzen der Zulassungsstelle (Art. 2 ZR-NM), die Grundsätze der Kotierungsvoraussetzungen betreffend Emittenten (Art. 3 ZR-NM), das Kotierungsverfahren (Art. 14 ZR-NM), die periodische Berichterstattung (Art. 16 ZR-NM), die Gewährung von Ausnahmen (Art. 21 ZR-NM), die Streichung der Kotierung (Art. 22 ZR-NM), die Sanktionen (Art. 23 ZR-NM) und die Rechtsmittel (Art. 24 ZR-NM). 1139 Private Anleger hätten dadurch nicht die Möglichkeit, an den Wachstumschancen solcher junger Gesellschaften direkt und einfach partizipieren zu können. 1140 Vgl. WATTER, Investorenschutz (1997) S. 279. 1141 Art. 5 1. Satz ZR-NM. Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Konzernobergesellschaft, so ist das konsolidiert ausgewiesene Eigenkapital massgebend (Art. 5 2. Satz ZR-NM). 1142 Art. 8 ZR-NM. Demgegenüber beträgt die Mindestkapitalisierung im Hauptsegment gemäss Art. 14 KR CHF 25 Mio.; zum Vergleich: Das Regelwerk des (deutschen) Neuen Marktes (Abschnitt 2 Ziff. 3.7 u. 3.10) spricht von einem Gesamtnennbetrag von mindestens € 250’000.–, von einer Mindeststückzahl von 100’000 Aktien und einem voraussichtlichen Kurswert von mindestens € 5 Mio. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 218 trägt in der Regel 100’000 Stück. 1143 Eine ausreichende Streuung gilt im New Market bereits als erreicht, wenn mindestens 20% des gesamten Aktienkapitals beziehungsweise der Zahl der ausstehenden Beteiligungsrechte des Emittenten im Publikum platziert sind, 1144 wobei für die Berechnung des Streubesitzes Beteiligungen von 5% und mehr der ausstehenden Stimmrechte beziehungsweise des ausstehenden Kapitals ausser Betracht fallen. 1145 2.3. Transparenz 2.3.1. Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung In den Grundzügen richten sich die Publizitätspflichten im Hinblick auf die Kotierung nach dem KR des Hauptsegments. 1146 Der New Market stellt hingegen einige abweichende oder ergänzende Vorschriften bezüglich dem Inhalt des Kotierungsprospektes und der Rechnungslegung auf. Der verkürzten Dauer der Geschäftstätigkeit entsprechend, braucht der Kotierungsprospekt im Minimum einen Jahresabschluss zu enthalten. Existiert der Emittent hingegen schon über einen längeren Zeitraum, so sind die Geschäftsberichte für diesen Zeitraum, längstens jedoch für die letzten drei Jahre beizufügen. 1147 Allerdings verlangt die Zulassungsstelle lediglich die Wiedergabe der vorhergehenden Jahresabschlüsse im Kotierungsprospekt, wenn diese nach den gleichen Rechnungslegungsstandards erstellt worden sind wie der eine erforderliche Jahresabschluss. Sind andere Standards verwendet worden und ist deshalb nur eine beschränkte Vergleichbarkeit gegeben, kann auf deren Abdruck im Prospekt verzichtet werden.1148 Liegt der Stichtag des letzten Jahresabschlusses mehr als fünf, acht beziehungsweise elf Monate zurück, so ist zusätzlich der letzte Quartalsbericht in den Prospekt aufzunehmen. 1149 1143 Art. 9 ZR-NM. 1144 Art. 10 Abs. 1 ZR-NM. Die Regelung der Streuung am deutschen Neuen Markt zeigt sich als sehr viel differenzierter und schwankt je nach Emissionsvolumen zwischen 10 und 25%; vgl. Abschnitt 2 Ziff. 3.10 Regelwerk des (deutschen) Neuen Marktes. 1145 Art. 10 Abs. 2 ZR-NM. 1146 Art. 12 ZR-NM. 1147 Art. 13 Abs. 1 Ziff. 1 ZR-NM. 1148 Hierzu Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 8/1999: SWX New Market Praxis bezüglich Inhalt des Kotierungsprospektes und Veröffentlichung der Quartalsberichte. Wird auf einen Abdruck verzichtet, so sind dennoch diese Berichte dem Kotierungsgesuch beizulegen und auf Wunsch dem interessierten Anlagepublikum abzugeben; vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 8/1999 Kap. 2.1. 1149 Art. 13 Abs. 1 Ziff. 2 ZR-NM. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 219 Da die am New Market kotierten Gesellschaften regelmässig einem höheren Risiko ausgesetzt sind, hat der Prospekt im Interesse einer fairen Information an gut sichtbarer Stelle eine Orientierung über die Risiken dieser Investition zu enthalten. Als Risiken bezeichnet das ZR-KR beispielsweise „ungewöhnliche Wettbewerbsbedingungen, ein bevorstehendes Auslaufen von Patenten oder Lizenzen, die Abhängigkeit von bestimmten Märkten, von bestimmten Grossaktionären, von der Preisentwicklung von Rohstoffen, von Wechselkursschwankungen, von staatlichen Eingriffen, von Branchenzyklen oder von besonderem Fachwissen einzelner Personen der Geschäftsleitung des Emittenten“. 1150 Da der New Market eine internationale Investorenschaft anziehen soll, sind der Kotierungsprospekt und die nachfolgende periodische Berichterstattung grundsätzlich in englischer Sprache zu erstellen. 1151 Die grosse Freiheit bei der Wahl des Rechnungslegungsstandards, wie sie das Hauptsegment heute noch kennt, existiert im New Market nicht. Bereits seit der Schaffung des New Markets schreibt das Zusatzreglement die Rechnungslegung nach den IAS/IFRS oder US-GAAP vor. 1152 Mit diesen strengeren Anforderungen wird es den Investoren auf der einen Seite ermöglicht, die Chancen und Risiken besser zu beurteilen, womit die Nachfrage nach kleineren, wachstumsstarken Aktien gesteigert werden soll. Auf der anderen Seite ist die Umstellung der Rechnungslegung und die erhöhte Publiziät, welche vor dem IPO lediglich den Minimalbestimmungen des OR zu entsprechen hatten, mit grossem Aufwand verbunden. 1150 Art. 13 Abs. 1 Ziff. 4 ZR-NM. 1151 In begründeten Fällen kann auf eine englische Publikation verzichtet werden, namentlich dann, wenn die Beteiligungsrechte des Emittenten bei einem mehrheitlich nicht englischsprachigen Publikum platziert werden; Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 ZR-NM. Dem Emittenten steht es selbstverständlich frei, den Prospekt und die periodische Berichterstattung in weiteren Sprachen zu publizieren. 1152 Art. 20 Abs. 1 ZR-NM. Auf Antrag hat die Zulassungsstelle die Möglichkeit, eine andere nationale Rechnungslegungsnorm zu bewilligen. Eine solche Bewilligung ist indes auf längstens zwei Jahre zu befristen und untersteht der Auflage, dass eine Überleitungsrechnung (sog. „Reconciliation“) nach den IAS oder US-GAAP vorgenommen wird; Art. 20 Abs. 2 ZR-NM. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 220 2.3.2. Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Kotierung Entgegen der im Hauptsegment geforderten halbjährlichen Berichterstattung fordert der New Market eine vierteljährliche Information der Anleger. Um die Anleger kontinuierlich über die Entwicklung der neuen Publikumsgesellschaft zu informieren, müssen nach der Kotierung regelmässig und lückenlos Quartalsberichte veröffentlicht werden. 1153 Um den Anleger neben der periodischen Berichterstattung auf eine andere (objektivere) Weise zu informieren, muss sich die einführende Bank verpflichten, dafür besorgt zu sein, dass der Emittent während den ersten zwei Jahren nach der Kotierung regelmässig (mindestens aber zweimal jährlich) durch Gesellschaftsstudien analysiert wird. 1154 In der Regel wird die Bank selbst solche Berichte erstellen. Damit soll gewährleistet werden, dass neben den offiziellen Berichten der Gesellschaft zusätzlich auch noch unabhängige Analysten die Gesellschaft begutachten und den interessierten Anlegern zusätzliche Informationen zur Verfügung stehen. Man kann sich allerdings die Frage stellen, ob die Leadbank über die notwendige Distanz verfügt, die für die Erstellung eines solchen Berichts notwendig ist. 1155 2.4. Kapitalerhöhung Eine Kotierung am New Market ist immer mit einer Kapitalerhöhung zu verbinden. Mindestens die Hälfte des öffentlich zu platzierenden Emissionsvolumens muss gemäss Art. 6 ZR-NM aus einer Kapitalerhöhung mittels Bareinlage stammen. Am New Market ist folglich zwingend ein Primary Offering erforderlich, dessen Höhe mindestens der von den Altaktionären angebotenen Titel (Secondary Offering) entspricht. 2.5. Veräusserungsverbot Das ZR-NM verpflichtet den Emittenten einschliesslich der Mitglieder der Geschäftsleitung und dessen (Gross-)Aktionäre, sich ein Veräusserungsverbot aufzuerlegen. 1156 Da1153 Art. 17 ff. ZR-NM. Die Berichte müssen gemäss Art. 18 Abs. 3 ZR-NM beim Emittenten bezogen werden können. 1154 Art. 15 ZR-NM. 1155 Vgl. 2.Teil/III/E/2.3. 1156 Art. 7 ZR-NM Veräusserungsverbot: „1. Der Gesuchsteller hat anlässlich der Einreichung des Kotierungsgesuches den Nachweis zu erbringen, dass sich der Emittent selbst sowie seine Aktionäre, einschliesslich der Mitglieder der Geschäftsleitung, die unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Plazierung der Beteiligungsrechte über mehr als zwei Prozent des ausstehenden Kapitals oder der ausstehenden Stimmrechte verfügen, einzeln und in rechtsverbindlicher Weise verpflichtet haben, innerhalb eines Zeitraumes von mindestens 6 Monaten ab dem Datum der erstmaligen Kotierung keine 3. TEIL MARKTSEGMENTE 221 mit soll es diesen Personen untersagt werden, während einer gewissen Frist ihre Papiere zu veräussern beziehungsweise eine entsprechende Absicht publik zu machen. Der im ZR-NM aufgestellte Grundsatz und insbesondere das formelle Verfahren werden in einer speziellen Richtlinie der Zulassungsstelle erläutert und präzisiert. 1157 2.5.1. Inhalt und Anwendungsbereich Mit der Lock-up-Abrede hat sich einerseits die künftige Publikumsgesellschaft während mindestens sechs Monaten ab dem Datum des ersten Handelstages zu verpflichten, keine eigenen Beteiligungsrechte zu veräussern und auch im Rahmen einer Kapitalerhöhung keine neuen Beteiligungsrechte zu schaffen. 1158 Ebenso müssen sich Altaktionäre, die vor dem Zeitpunkt der Platzierung über mehr als 2% des ausstehenden Kapitals oder der ausstehenden Stimmrechte verfügten, für mindestens sechs Monate einem Veräusserungsverbot unterwerfen. 1159 Die betroffenen Aktionäre haben es auch zu unterlassen, Bekanntmachungen einer Veräusserungsabsicht sowie alle Massnahmen, welche wirtschaftlich direkt oder indirekt einer Veräusserung gleichkommen, vorzunehmen. 1160 Handeln die Altaktionäre in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, so haben sie sich je einzeln dem Verbot zu unterziehen, selbst wenn sie den Schwellenwert nur gemeinsam überschreiten. 1161 Dem Veräusse- Beteiligungsrechte zu veräussern. 2. Der Veräusserung im Sinne von Abs. 1 gleichgestellt sind die Bekanntmachung einer Veräusserungsabsicht sowie alle Massnahmen, welche direkt oder indirekt einer Veräusserung wirtschaftlich gleichkommen.“; vgl. 2.Teil/II/C. 1157 Richtlinie betr. Veräusserungsverbote (Lock-up-Agreements) vom 23. November 2000 (nachfolgend „Lock-up-RL“); vgl. auch Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 15/2000. 1158 Rz 5, 16 Lock-up-RL. 1159 Als Berechnungsbasis für diese 2%-Schwelle gilt der Eintrag ins Handelsregister (oder einem vergleichbaren ausländischen Register) zum Zeitpunkt des Beginns der Platzierungs- oder Zeichnungsfrist (Art. 7 Abs. 3 ZR-NM; Rz 7 f. Lock-up-RL). Die anlässlich der Platzierung öffentlich angebotenen neuen Beteiligungsrechte, welche im Rahmen der vorgeschriebenen Kapitalerhöhung (Art. 6 ZR-NM) gegen Bareinlage ausgegeben werden, sind somit bei der Bestimmung der Berechnungsbasis nicht zu berücksichtigen (vgl. Rz 8 Lock-up-RL). Je nach Streuung der Titel vor dem IPO kann damit eine grössere Gruppe von Aktionären keiner gesetzlichen Sperrfrist unterliegen. Die 2%Schwelle wurde deswegen in der Praxis bereits vielfach als zu niedrig betrachtet; vgl. KÄLIN (2000) S. 17. 1160 Art. 7 Abs. 2 ZR-NM; Rz 14 ff. Lock-up-RL. 1161 Rz 11 Lock-up-RL. Bei der Auslegung dieser Regeln ist die Praxis bezüglich der Bestimmungen der Offenlegung von Beteiligungen (Art. 20 BEHG und Art. 9 ff. BEHV-EBK, vgl. vorne 2.Teil/II/B/2) sinngemäss anwendbar. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 222 rungsverbot unterliegen schliesslich ebenfalls die Beteiligungspapiere, welche im Rahmen des IPOs von den betroffenen Personen neu erworben werden. 1162 Nicht dem Veräusserungsverbot unterliegt der Verkauf der Papiere anlässlich des IPOs und die damit zusammenhängende Veräusserung im Rahmen einer Mehrzuteilungsoption 1163 . Auch werden gewisse interne Transaktionen vom Verbot nicht erfasst, sofern sie dem Federführer und der SWX ohne Verzug angezeigt werden und sich die Rechtsnachfolger vorbehaltlos dem Veräusserungsverbot unterwerfen. 1164 Grundsätzlich ist es nicht möglich, vertraglich definierte Ausnahmen vom Veräusserungsverbot während der Dauer der reglementarisch vorgesehenen Frist von sechs Monaten zu erlassen. Damit verunmöglicht die Lock-up-Klausel einer jungen Publikumsgesellschaft, neue Beteiligungsrechte – beispielsweise für eine Akquisition – auszugeben, selbst wenn es sich dabei um genehmigtes Kapital handeln würde. Die Zulassungsstelle kann jedoch auf Antrag der Leadbank eine vertraglich definierte Ausnahme zu Gunsten des Emittenten im Voraus genehmigen. 1165 Zudem ist es der federführenden Bank möglich, aus wichtigen Gründen Ausnahmen vom Veräusserungsverbot zu gewähren, welche hingegen ebenfalls der Zustimmung der Zulassungsstelle der SWX bedürfen. 1166 1162 Rz 13 Lock-up-RL. 1163 „Over-Allotment-Option“ oder „Greenshoe“; hierzu 2.Teil/I/C/5; vgl. Rz 9 Lock-up-RL. 1164 Rz 17 ff. Lock-up-RL: Güterrechtliche Auseinandersetzung; Schenkung an unmittelbare Familienmitglieder (beschränkt auf direkte Nachkommen, Ehegatten, Eltern, Geschwister sowie Nichten und Neffen); Einbringen in eine private Holdinggesellschaft, deren Aktionärskreis sich auf den Altaktionär selbst und dessen unmittelbare Familienmitglieder beschränkt; Einbringen in einen Trust oder eine Stiftung, deren Begünstigte entweder der Altaktionär selbst oder unmittelbare Familienmitglieder sind; Veräusserung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung; die konzerninterne Übertragung von Beteiligungsrechten, falls sich damit an den zugrundeliegenden Beherrschungsverhältnissen nichts ändert; die Emission von Aktien oder Optionen im Zusammenhang mit Mitarbeiter-Beteiligungsplänen, die im Emissionsprospekt offen gelegt worden sind (die Bedingungen des MitarbeiterBeteiligungsplans haben diesfalls vorzusehen, dass die ausgegebenen Aktien oder Optionen ihrerseits während der 6-Monatsfrist nicht veräussert werden dürfen). Eine nachträgliche Verpfändung der Beteiligungsrechte, welche dem Veräusserungsverbot unterliegen, ist nur dann zulässig, wenn sich der Pfandgläubiger zum Voraus dem Veräusserungsverbot für den Fall unterwirft, dass die Zwangsverwertung eintritt. 1165 Solche Ausnahmen sind bereits im Kotierungsprospekt einzeln offen zu legen; vgl. Rz 26 Lock-upRL. 1166 Rz 27 Lock-up-RL. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 223 2.5.2. Publizität und Verfahren Gemäss Art. 7 ZR-NM liegt es am Gesuchsteller (und nicht etwa an der Zulassungsstelle), für die Vereinbarung und die Einhaltung des Veräusserungsverbots besorgt zu sein. Da als Gesuchstellerin regelmässig die Leadbank auftritt, werden diesbezügliche Verpflichtungen zusammen mit dem Übernahmevertrag vereinbart. 1167 Die Entwürfe der Lock-up-Vereinbarung sind infolgedessen zusammen mit dem Kotierungsgesuch bei der Zulassungsstelle einzureichen.1168 Im Kotierungsprospekt sind insbesondere die Namen der verpflichteten Personen und deren Lock-up-Fristen offen zu legen.1169 Zudem ist auch die Zahl der Altaktionäre, die keinem Veräusserungsverbot unterliegen, inklusive die von ihnen gehaltene Gesamtbeteiligung aufzuführen. 1170 Im Weiteren stellt die Lock-up-Richtlinie bestimmte Publikationspflichten im Zusammenhang mit allfälligen Ausnahmebewilligungen auf. 1171 Zur Absicherung der Verpflichtung sind die gesperrten Titel bei der SIS unter einer separaten Valorennummer zu führen. 1172 Beteiligungsrechte mit einer separaten Valorennummer gelten zwar als kotiert, sie können aber bis zum Ablauf des Veräusserungsverbots nicht gehandelt werden. Stellt die Leadbank trotz dieser Vorkehrungen eine Verletzung der Veräusserungspflicht fest, so hat sie diese unverzüglich der SWX zu melden, welche daraufhin die Öffentlichkeit informiert. 1173 2.6. Market Making Die Titel der am New Market kotierten Gesellschaften weisen vielfach eine geringe Liquidität auf. Zu deren Förderung hat sich ein Mitglied der SWX nach dem IPO zu ver- 1167 Vgl. DAENIKER, Underwriting Agreement (2002) S. 191. 1168 Rz 36 Lock-up-RL. 1169 Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 ZR-NM; Rz 29 Lock-up-RL; diese Angaben müssen übersichtlich in einer Tabelle gemäss Anh. I der Lock-up-RL im Kotierungsprospekt aufgeführt sein. 1170 Rz 30 Lock-up-RL. 1171 Rz 32 Lock-up-RL; vgl. vorne Rz 0. 1172 Nach Rz 38 Lock-up-RL hat der Gesuchsteller anlässlich der Einreichung des Kotierungsgesuches eine Bestätigung abzugeben, dass sämtliche Beteiligungsrechte der kotierten Kategorie, welche dem Veräusserungsverbot unterliegen, bis zum Ablauf der vorgesehenen Frist(en) von der SIS unter einer separaten Valorennummer geführt werden; vgl. auch Merkblatt der SIS betr. Veräusserungsverbote; hierzu 2.Teil/II/C/4.2. 1173 Rz 33 ff. und 43 Lock-up-RL. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 224 pflichten, für einen ausreichenden Markt der Papiere zu sorgen.1174 Ohne Market Making würden diese Titel, aufgrund der relativ geringen Mindeststückzahl und Mindestkapitalisierung, welche vom ZR-NM vorgeschrieben werden, eine unerwünscht hohe Volatilität aufweisen. Die künftige Publikumsgesellschaft beziehungsweise der Gesuchsteller muss zum Zeitpunkt des Börsenganges gewährleisten, dass ein SWX-Teilnehmer, in der Regel die Leadbank, während zweier Jahre ab Börsengang die Funktion eines Market Makers übernimmt. 1175 Da lediglich Mitglieder der SWX diese Verpflichtung übernehmen können, unterstehen die Market Maker den AGB und damit den Weisungen der SWX.1176 Somit kann die SWX für eine einheitliche Handhabung des Market Makings sorgen. Mit der Übernahme der Market Making-Verpflichtung hat der Market Maker sicherzustellen, dass für die Beteiligungspapiere während der Handelszeit eine maximale Geld-BriefSpanne (sog. „Spread“) eingehalten wird. Gemäss den Bestimmungen am SWX New Market muss die Bank, welche sich zum Market Making verpflichtet hat, während mindestens 80% der offiziellen Handelszeit einen maximalen Spread der Titel von 3% gewährleisten. 1177 In der Realität zeigte sich allerdings ein anderes Bild. So zeigten etliche Banken grosse Mühe, diese Bestimmungen einzuhalten. Durch die dünnen Handelsvolumina kam es immer wieder zu Situationen, in denen der vorgeschriebene Spread nicht eingehalten werden konnte. 1178 3. Fazit Kleine, regional verankerte Start-up-Gesellschaften entwickeln sich in der Regel besser mit einer lokalen Investorenschaft. Deshalb hoffte man, dass der SWX New Market positive Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft 1179 haben werde. Dieses Ziel hat der 1174 Art. 11 ZR-NM. Dieser im ZR-NM aufgestellte Grundsatz wird durch die Richtlinie der Zulassungsstelle betr. Market Making im SWX New Market vom 23. November 2000 (nachfolgend „Market Making-RL) konkretisiert; vgl. auch Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 16/2000. 1175 Rz 6 Market Making-RL. 1176 Rz 5 Market Making-RL; vgl. auch Ziff. 4.47 AGB-SWX. 1177 Die Höhe dieses Maximalspread richtete sich nach den AGB (Ziff. 4.47) und den Weisungen der SWX (Rz 2 Weisung SWX Nr. 18, Market Maker Verpflichtungen); vgl. auch Rz 9 f. Market Making-RL. 1178 Dass faire Kurse ein Problem des New Markets darstellen, zeigt bereits die Tatsache, dass diesbezüglich Regeln aufgestellt werden mussten. Wäre die Liquidität genügend gross, regulierten sich die Preise durch Angebot und Nachfrage der Marktteilnehmer von selbst. 1179 V.a. die Schaffung neuer Arbeitsplätze. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 225 New Market allerdings nicht erreicht. 1180 Aufgrund der wenigen kotierten Titel erweist sich der New Market als zu eng und zu wenig liquide. Zudem leidet er unter Imageproblemen. So haben Konkurse, die zeitweise existenzbedrohende Lage und die Abwanderung mehrerer wichtiger Unternehmen dem Ruf des New Markets stark geschadet. Die Kursstürze einzelner am New Market kotierter Unternehmen haben auch gezeigt, dass es neben den Produkten, den Wachstumsaussichten und dem Management der Gesellschaften heutzutage wieder überaus wesentlich ist, dass diese möglichst bald Gewinne ausweisen können. Ebenfalls muss eine Start-up-Gesellschaft die Kosten des IPOs und der nachfolgenden Kotierung im Auge behalten. Bei einem verhältnismässig kleinen Emissionsvolumen erweisen sich die Kosten des IPOs als sehr hoch. Wichtig ist deshalb, dass vor dem IPO auch mögliche Alternativen geprüft werden. So brauchen Investitionen in Start-up-Gesellschaften Ausdauer und echtes Engagement. Vielfach ist es allerdings die eher kurzfristige Optik der Börsen, die diese entscheidenden Voraussetzungen unterhöhlt. Es muss deshalb die Frage gestellt werden, ob es unter Umständen nicht notwendig wäre, die Zuteilung der finanziellen Mittel an einzelne Start-up-Unternehmen direkter und professioneller zu kontrollieren 1181 als dies mit der Ausgabe neuer Papiere über die Börse möglich ist. Für das Überleben des SWX New Market ist es notwendig, neue Kotierungen von qualitativ hochstehenden Unternehmen zu gewinnen. Da sich dies momentan als äusserst schwierig erweist und die SWX zudem ihre diesbezüglichen Marketingaktivitäten eingestellt hat, sieht die Zukunft dieses Segments nicht gerade rosig aus. So hat denn auch die Deutsche Börse angekündigt, bis Ende 2003 ihren Neuen Markt aufzulösen. 1182 Es ist deshalb zu erwarten, dass die am New Market kotierten Unternehmen in das Hauptsegment oder das Segment der Local Caps wechseln werden und der Handel am New Market gänzlich eingestellt wird. Dennoch erweist sich das ZR-NM grundsätzlich als ausgewogen. Der tiefe Fall des SWX New Markets ist deshalb nicht auf eine ungenügende Regelung zurückzuführen, sondern 1180 Vgl. VONTOBEL, Werner: Ausser Spesen nichts gewesen – Die Kapitalbeschaffung am New Market nützt den Banken viel mehr als der realen Wirtschaft, in: Cash Nr. 16 vom 20. April 2001 S 6 ff. 1181 Eine Lösung hierzu stellten spezialisierte (selbst wiederum kotierte) Investmentgesellschaften dar. Es wäre auch zu überlegen, ob nicht die alten Mischkonzerne, anstatt ihre Liquiditätsüberschüsse den Aktionären zurückzugeben oder sich selbst am Kapitalmarkt zu beteiligen, sich vermehrt wieder direkt an jungen Unternehmen beteiligen sollten. 1182 Die Märkte werden in zwei Hauptbereiche aufgeteilt: in ein Segment mit strengen Zulassungsvoraussetzungen mit dem Namen „Prime Standard“ und in ein weniger anspruchsvolles Segment mit dem Namen „Domestic Standard“. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 226 lässt sich im Nachhinein vor allem mit der IPO-Euphorie erklären, in welcher sich die Investmentbanken, aber auch die Anleger zu wenig kritisch zeigten. Nur so konnten beispielsweise derart übertrieben positive Zukunftsaussichten von Unternehmen der New Technology in die Emissionsprospekte einfliessen und als Grundlage für das Pricing dieser Titel dienen. Erst die in der Folge eingetretene Enttäuschung vieler Anleger führte zum heutigen schlechten Image des New Markets und bei vielen Anlegern zur Ablehnung dieses Segments. C. SWX Local Caps 1. Anwendungsbereich Das Segment SWX Local Caps 1183 dient der Kotierung von Beteiligungsrechten börsenreifer Unternehmen, welche aufgrund ihrer Investorenbasis, Unternehmensgeschichte, Kapitalisierung oder Streuung sich nicht (oder noch nicht) für eine Kotierung an einem anderen Börsensegment qualifizieren. Angesprochen sind namentlich Unternehmen mit lokaler Bedeutung oder engem Investorenkreis wie insbesondere Familienunternehmen. 1184 Viele institutionelle Anleger durften aufgrund ihrer Anlagerichtlinien nicht in Titel aus dem ehemaligen Nebensegment investieren, und auch Private machten oft einen grossen Bogen um diese „zweite Börsenliga“. Die Skepsis vieler Marktteilnehmer war durchaus begründet, denn die Latte für eine Zulassung zum Nebensegment der SWX war keineswegs hoch gelegt. So verlangte das Kotierungsreglement von börsenwilligen Unternehmen weder einen ausführlichen Kotierungsprospekt noch die Einhaltung von einigermassen akzeptablen Rechnungslegungsvorschriften. Diese Mängel wurden durch die Revision vom 24. Mai 2000 behoben. 1185 1183 Ehemals Nebensegment. 1184 Art. 1 Zusatzreglement für die Kotierung im Segment SWX Local Caps vom 24. Mai 2000 (nachfolgend ZR-LC); vgl. auch Reglement betreffend die Zulassung zum Nebensegment der Schweizer Börse vom 1. September 1996; dazu NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 10 N 93. 1185 Die bisher im Nebensegment kotierten Gesellschaften blieben weiterhin kotiert, sind jedoch verpflichtet, die Bestimmungen des Zusatzreglements einzuhalten; Art. 14 und 16 f. ZR-LC. Von den 31 am bisherigen Nebensegment gelisteten Gesellschaften vollzogen deren 27 den Wechsel, zwei wechselten ins Hauptsegment (bzw. Segment für Investmentgesellschaften) und lediglich zwei liessen sich dekotieren; vgl. Mitteilung Zulassungsstelle Nr. 3/2001. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 2. 227 Kotierungsvoraussetzungen Wie die übrigen Zusatzreglemente orientiert sich jenes der Local Caps in weiten Bereichen ebenfalls am Kotierungsreglement des Hauptsegments. 1186 Hingegen unterscheiden sich die Kotierungsvoraussetzungen des Segments der Local Caps bezüglich der Existenzdauer, des erforderlichen Kapitals und der Streuung der Papiere von jenen des Hauptsegments. Ein Unternehmen, das für seine Kotierung das Segment des Local Caps wählt, muss mindestens zwei volle Geschäftsjahre bestanden und für diese Zeit seine Jahresabschlüsse erstellt haben.1187 Zudem muss die Gesellschaft nach dem IPO konsolidierte Eigenmittel von über CHF 2,5 Mio.1188 und eine voraussichtliche Kapitalisierung von mindestens CHF 10 Mio. 1189 ausweisen. Im Gegensatz zum Hauptsegment ist bei den Local Caps eine ausreichende Streuung der Titel bereits erreicht, wenn die ausstehenden Beteiligungsrechte des Emittenten zu mindestens 15% in Publikumsbesitz sind. 1190 Die Anforderungen an die Publizität wurden mit der Schaffung des neuen Zusatzreglements massiv erhöht und entsprechen heute grundsätzlich jenen des Hauptsegments. Danach ist eine Local Caps-kotierte Gesellschaft verpflichtet, einen Kotierungsprospekt zu erstellen und ein Kotierungsinserat gemäss den Vorschriften des Kotierungsreglements 1191 zu veröffentlichen. Einziger Unterschied bildet dabei die oben bereits angedeutete Bestimmung, dass der Prospekt in Abweichung zu Art. 35 KR lediglich zwei Jahresabschlüsse enthalten muss. 1192 Auch im Bereich der Folgepublizität sind die Anforderungen an eine am Segment der Local Caps kotierte Gesellschaft mit einer am Hauptsegment kotierten identisch. Somit werden auch Lokalgesellschaften verpflichtet, Jahres- und Halbjahresberichte zu veröf1186 Insb. Stellung und Kompetenzen der Zulassungsstelle (Art. 2 ZR-LC), Grundsätze der Voraussetzungen der Kotierung ( Art. 3 ZR-LC), Grundzüge der Streuung (Art. 17 ZR-LC), Publizitätspflichten (Art. 8 f. ZR-LC), der Aufrechterhaltung der Kotierung (Art. 10 ZR-LC) sowie die gesamte Verfahrensordnung (Art. 2 ZR-LC). 1187 Art. 4 ZR-LC. 1188 Art. 5 ZR-LC. Nach dem ehemaligen Reglement betreffend die Zulassung zum Nebensegment der Schweizer Börse vom 1. September 1996 (§ 3.3) betrug das geforderte Mindesteigenkapital noch CHF 5 Mio. 1189 Art. 6 ZR-LC. Diese Summe entspricht der im ehemaligen Reglement betreffend die Zulassung zum Nebensegment (§ 4.1) geforderten Höhe. 1190 Art. 7 ZR-LC; vgl. Art. 17 Abs. 2 KR. 1191 Art. 32 ff. KR. 1192 Art. 9 ZR-LC. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 228 fentlichen. Die Rechnungslegung der Gesellschaft hat sich hingegen auch in Zukunft grundsätzlich an die Fachempfehlungen zur Rechnungslegung zu halten, 1193 wobei auch andere Normen von der Zulassungsstelle anerkannt werden können. 1194 Eine weitere grundlegende Neuerung zum ehemaligen Reglement betreffend die Zulassung zum Nebensegment ist die Übernahme der Bekanntgabeverpflichtung kursrelevanter Tatsachen (Ad-hoc-Publizität). 1195 3. Fazit Mit den oben aufgezeigten Neuerungen ist das Nebensegment stark aufgewertet worden. Damit ist es nicht mehr möglich, dass sich die im Nebensegment gehandelten Unternehmen weiterhin gegen die Transparenz wehren und ihre Publizitätspflichten lediglich anhand der im OR geforderten Bestimmungen erfüllen. Die neuen Regelungen verpflichten die Gesellschaften zu einer Publizität, die einer kotierten Gesellschaft würdig ist. Beim Segment der Local Caps wird es sich zwar weiterhin um die zweite Liga handeln, doch hat diese sich durch die Revision ebenfalls zu einer Profiliga gemausert, die sich mit dem Hauptsegment in den meisten Bereichen messen kann. Folglich ist auch dieses Segment bei der Planung eines IPOs in Betracht zu ziehen. Je nachdem, ob die SWX den New Market auflöst, kann das Segment der Local Caps zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Ein zusätzlicher Wachstumsschub des Segments der Local Caps ist schliesslich auch aufgrund der geplanten Verschärfung der Rechnungslegungsvorschriften des Hauptsegments zu erwarten. 1196 1193 Art. 9 ZR-LC i.V.m. Art. 64 KR und Art. 66 ff. KR. 1194 Art. 70 KR; vgl. vorne Kap. II/A/2.2.2/a. 1195 Art. 72 KR, vgl. 2.Teil/II/A/7.2. 1196 Vgl. 2.Teil/II/A/3.3. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 229 III. INTERNET-IPOS Neue Aktien müssen nicht zwingend unter Mithilfe von etablierten Investmentbanken an die Anleger gebracht werden. In jüngster Zeit haben insbesondere öffentliche Platzierungen über die neuen elektronischen Medien an Bedeutung gewonnen. Werden neue Aktien über das Internet verkauft, bezeichnet man diesen Vorgang als Internet-IPO oder EPO (Electronic Public Offering). 1197 Ebenso muss heutzutage ein IPO nicht immer mit einer Kotierung an einer traditionellen Börse verbunden sein. In Frage kommen auch vermehrt neue elektronische Handelsplattformen. Damit bewirkt die Informationstechnologie eine Veränderung der Geschäftspraktiken bei IPOs und ebnet den Weg für eine neue Generation von Dienstleistern. Diese neuen Möglichkeiten, die Anleger beim IPO selbst gezielt und kostengünstig anzusprechen, den gesamten Zeichnungsvorgang im Netz abwickeln zu können und auch nach der Emission laufend über das Unternehmen schnell und kostengünstig informieren zu können, verschafft den Kapital suchenden Unternehmen völlig neue Perspektiven, aber auch neue (rechtliche) Probleme. A. Problematik In vielen Bereichen entspricht ein Internet-IPO einem klassischen Going Public. Hauptunterschied zu diesem ist, dass beim Internet-IPO das Internet als Kommunikationsmedium eingesetzt wird, um Informationen über eine Börseneinführung an Investoren rascher und kostengünstiger zu verbreiten. Insofern kann grundsätzlich auf die vorausgegangenen Ausführungen verwiesen werden. Bezüglich Eigen- und Fremdemissionen, der virtuellen Emissionshäuser, der neuen Sekundärmarktsegmente und des anwendbaren Rechts bei den Offerings sind hingegen gewisse Erläuterungen angebracht. Wie bei allen über das Internet abgewickelten Geschäften stellt sich auch bei einem Internet-IPO in einem ersten Schritt die Frage des anwendbaren Rechts. In der Schweiz besteht – im Gegensatz beispielsweise zu den USA – noch keine rechtliche Basis für öffentliche Angebote über das Internet. Darin ist auch der Grund zu sehen, weshalb für Emittenten und Investoren momentan erhebliche rechtliche Risiken bestehen. In erster Linie ist dabei an die gesetzlich unzureichende Regulierung bezüglich der öffentlichen Angebote zu denken. 1198 Zahlreiche Fragen wirft sodann die angemessene rechtliche Be1197 LETTMAYER (1999) S. 435 ff. 1198 Insb. der Emissionsprospekt (Art. 652a OR); vgl. hierzu bereits 2.Teil/II/A/1.1. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 230 handlung der neuen Handelssysteme auf. So müssen beispielsweise die Nutzer solcher Systeme geschützt und die Systeme selbst besser in das gesamte internationale Umfeld des Wertpapierhandels eingebunden werden. Rechtlich ebenfalls nicht erfasst ist die (vertragsrechtliche) Abwicklung der gesamten Transaktion. So bestehen beispielsweise keine Regeln, wie die Zeichnung (bspw. via Internetmaske) zu erfolgen hat. Ein weiterer Schwachpunkt von Internet-IPOs liegt schliesslich in der Liberierung und der Lieferung der Wertpapiere gegen Zahlung des Erwerbspreises. 1199 Auf diese letztgenannten technischen Belange kann im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht eingegangen werden.1200 B. Vor- und Nachteile von Internet-IPOs 1. Vorteile Internet-IPOs dienen gegenwärtig in erster Linie der Kapitalbeschaffung junger, wachstumsorientierter und auf Innovationsmärkten tätiger Unternehmen, denen anderweitige Finanzierungsquellen nur beschränkt zur Verfügung stehen. 1201 Bislang wurde das für das Wachstum solcher Unternehmen benötigte Eigenkapital in begrenztem Masse durch den Venture Capital-Markt zur Verfügung gestellt, was hingegen für die Gründer gewöhnlich mit einer hohen Abgabe von Stimmrechten und mit einer starken Einflussnahme seitens der Venture Capital-Gesellschaften verbunden war. Mit dem Internet haben die Unternehmen nun die Möglichkeit, die Finanzierung mittels Venture Capital zu umgehen und damit wesentlich früher an die Öffentlichkeit zu gelangen. 1202 Im Vergleich zu den traditionellen Emissionsverfahren weisen Internet-IPOs eher geringe Emissions- und Transaktionskosten auf. Beim „gewöhnlichen“ IPO sind die Kosten für die konventionellen Kommunikations- und Publizitätsmedien sehr viel höher. Deshalb eignen sich Internet-IPOs insbesondere für kleinere Gesellschaften, für welche die traditionellen Verfahren zu kostspielig sind. 1203 Namentlich bei den Investor-Relations1199 Zahlreiche Emittenten sollen zwar Wertpapiere ausgeliefert, aber niemals den Kaufpreis gesehen haben; vgl. hierzu ASSMANN (1999) S. 19. 1200 Vgl. die Ansätze bei WEBER/JÖHRI (2000) S. 39 ff.; SPAHR (2000) S. 31 ff.; ARTER/JÖRG/GNOS (1999) S. 277 ff. 1201 ASSMANN (1999) S. 21; WEBER, E-Commerce (2001) S. 605. 1202 Damit ermöglichen Internet-IPOs den Privatanlegern eine direkte Teilnahme am Venture CapitalMarkt. 1203 ARKEBAUER/SCHULTZ (1998) S. 299; WEBER, E-Commerce (2001) S. 605 f.; LETTMAYER (1999) S. 435; HENCKEL/WEBER (2002) S. 46. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 231 Massnahmen können mittels Internet enorme Kosten gespart 1204 und die Qualität sogar verbessert 1205 werden. Durch die geringeren Kosten, welche die Betreuung der Aktionäre mittels Internet und E-Mails verursacht, reduzieren sich schliesslich auch die Nachteile eines grossen Aktionärskreises. Mit den neuen Technologien stehen dem Anbieter zudem günstigere und auch fairere Zuteilungsverfahren zur Verfügung. Dies ermöglicht es, im Gegensatz zu den konventionellen IPOs, die von vielen Kleinanlegern als unfair empfundene Zuteilungspraxis gerechter zu gestalten. 1206 Virtuelle Emissionshäuser haben zudem die Möglichkeit zu bankenübergreifenden Platzierungen, womit der Retailkundschaft die Zeichnung von Aktien unabhängig von bestehenden Kontoverbindungen ermöglicht wird. Schliesslich erleichtert das Internet, spezifische Affinity-Groups anzusprechen, denn vielfach weisen Anleger, die sich an Internet-IPOs beteiligen, ein für die künftige Publikumsgesellschaft positiveres Adressatenprofil auf. 1207 2. Nachteile Hauptschwachpunkte von Internet-IPOs sind neben den hohen Risiken die derzeit noch unsicheren rechtlichen Rahmenbedingungen und der mangelnde (oder mangelhafte) 1208 Sekundärmarkt. Das Fehlen einer renommierten Investmentbank als Begleiterin eines DPOs birgt für den Investor zusätzliche Gefahren. Da ein Emissionshaus für die Qualität der Gesellschaft einsteht, wählen diese in der Regel die zu betreuenden Gesellschaften 1204 Druck von Kotierungsprospekten inkl. deren postalischer Versand, Road Shows, Provisionen der begleitenden Bank; vgl. ASSMANN (1999) S. 20; LETTMAYER (1999) S. 438 f.; SCHANZ (2000) § 10 Rz 9 ff.; KRAMER (1999) S. 309; MALACRIDA/WATTER, Corporate Finance (2001) S. 74; IOSCO, Internet II (2001) S. 10 f. 1205 Bereits die OECD Principles of Corporate Governance (2000 [Kap. IV/D]) besagen, dass die von den Unternehmen benutzten Kommunikationswege einen fairen, rechtzeitigen und kostengünstigen Zugang der Nutzer zu den einschlägigen Informationen gewährleisten sollten, was mittels Internet besonders einfach erreicht werden kann. 1206 Online-Anbieter werben speziell mit der fairen Zuteilung. So versprechen diese beispielsweise die Loszuteilung unter Berücksichtigung weiterer Kriterien; vgl. LETTMAYER (1999) S. 439; ASSMANN (1999) S. 46. 1207 Solche Investoren zeichnen sich grundsätzlich durch eine eher positive Einstellung zu Innovationen und durch eine grössere Risikobereitschaft aus, wodurch mittels Internet-IPO ein Aktionärskreis entsteht, der den Vorstellungen der Unternehmensgründer unter Umständen besser entspricht; vgl. ASSMANN (1999) S. 20 f.; LETTMAYER (1999) S. 439. 1208 Durch die mangelhafte Liquidität des Marktes (dies insb. bei Fehlen eines Market Makers) erweisen sich solche Aktien als äusserst volatil; vgl. KRAMER (1999) S. 311. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 232 sehr sorgfältig aus. 1209 Fehlt ein neutraler Emissionsbegleiter, so sind die von der Gesellschaft stammenden Daten häufig die einzig verfügbaren Informationen. 1210 Zudem können viele virtuelle Emissionshäuser für sich selbst ebenfalls nur einen bescheidenen „track-record“ vorweisen. 1211 Da diese folglich nur einen geringen Reputationsverlust befürchten müssen, sind deren Serviceleistungen bezüglich Prospekterstellung, Due Diligence, Bewertung etc. nicht immer gewährleistet. Damit bleibt es bei Internet-IPOs vielfach alleinig den Anlegern überlassen, sich über die Solidität, Seriosität und Qualität der künftigen Publikumsgesellschaft ein Bild zu machen. C. Eigen- oder Fremdemission 1. Direct Public Offering (DPO) Ein Direct Public Offering oder kurz DPO ist eine Selbstemission, bei der ein Emittent die gesamte Emission ohne Mithilfe eines Emissionshauses in eigenem Namen und auf eigene Rechnung durchführt. 1212 Im Gegensatz zu einem „gewöhnlichen“ IPO, bei dem ein Emissionshaus den Kontakt zum Markt und zu den Investoren pflegt, übernimmt beim DPO die kapitalsuchende Gesellschaft diese Aufgabe selbst. Die Umgehung etablierter Intermediäre (z.B. Investmentbanken) ermöglicht mitunter, dass die Kapitalaufnahme- und Transaktionskosten der Emittenten vergleichsweise tief gehalten werden können. Eine Hauptvoraussetzung für ein erfolgreiches DPO ist, dass der Emittent einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist oder bekannt gemacht wird. Vor dem Internet-Zeitalter war es für den Emittenten bei DPOs nur schwer möglich, ein genügend grosses Publikum zu erreichen. Wegen der hohen Kosten waren solche Angebote meist nur an ein zahlenmässig beschränktes Publikum gerichtet, weshalb vielmehr von einer Privatplatzierung gesprochen werden musste. 1213 Bei einem Internet-DPO handelt es sich indes 1209 Bei einem gewöhnlichen IPO bürgt das Emissionshaus zu einem gewissen Grad, dass die aufgenommenen Mittel gemäss eines sinnvollen Businessplans eingesetzt werden. Bei einem DPO dagegen können die (Klein-)Anleger nie ganz sicher sein, wie ihr Geld verwendet wird. Teilweise werden diese verwendet, um Löcher in der Betriebskasse zu stopfen oder, noch schlimmer, um die Taschen des Managements zu füllen. 1210 ASSMANN (1999) S. 21. 1211 Meist handelt es sich bei den Betreibern derartiger Handelsplattformen selbst um Start-upGesellschaften; vgl. LETTMAYER (1999) S. 439. 1212 Hierzu bereits 1.Teil/III/A/2.1. 1213 Vgl. BEHR/KRESTA (1999) S. 20; KUNZ M. (2002) S. 75. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 233 nicht um eine Privatplatzierung, da durch das Internet eine breite Öffentlichkeit und damit eine unbeschränkte Zahl von Investoren angesprochen wird. 1214 Als meistzitiertes Beispiel für ein Internet-DPO gilt die New Yorker Spring Street Brewery Company. Mittels Internet-Homepage beschaffte sich das Kleinstunternehmen bei über 3’500 Kapitalgebern etwa 1,6 Mio. US-Dollar, ohne irgend einem Emissionshaus dafür Kommissionen bezahlt zu haben. Der überraschende Erfolg und das enorme Medienecho waren Anlass zur Gründung der Wit Capital Corp., dem ersten virtuellen Emissionshaus der Welt. 1215 Bei Beteiligungen von Gesellschaften, die ihr IPO mittels Internet abwickeln, handelt es sich in der Regel um hochriskante Kapitalanlagen. 1216 Beispielsweise birgt das gänzliche Fehlen einer Investmentbank für den Anleger zusätzliche Risiken. Mangels einer sorgfältigen Due Diligenceprüfung durch einen neutralen Intermediär wird denn auch vielfach das Vertrauen der Investoren fehlen und eine Kapitalaufnahme de facto nicht einfach sein. Da im Regelfall bei einem DPO keine „gewöhnliche“ Börsenkotierung beantragt wird, kann nach der hier verwendeten Definition nicht von einem eigentlichen IPO gesprochen werden. Allerdings kommen in jüngster Zeit vermehrt alternative Handelssysteme auf, an denen die Gesellschaften ihre Papiere leicht registrieren lassen können. Da darin das Erfordernis der Börsenzulassung gesehen werden kann, ist es angebracht, Internet-DPOs im Zusammenhang mit Internet-IPOs zu betrachten. 1217 1214 Bspw. „Swissinvest.com“ war eine Schweizer Internetseite, die sich auf Finanzinformationen spezialisiert hatte. Eine Zuteilung der Papiere an die „Affinity-Group“ war in diesem Fall sehr gut möglich, da die Besucher dieser Seite speziell an Finanzanlagen interessiert waren. 1215 LETTMAYER (1999) S. 436, 438; ASSMANN (1999) S. 15 f. Da für viele Anleger ein funktionierender Sekundärmarkt Voraussetzung für die Zeichnung von Papieren ist, organisierte die Gesellschaft in der Folge auch das „WIT-Trade-System“ – eine Art Internetbörse für den Handel der eigenen Papiere; s. http://www.witcapital.com. 1216 Insb. das Bonitäts- und Preisrisiko ist grösser als bei einem gewöhnlichen IPO; LETTMAYER (1999) S. 440. 1217 In der Literatur wird deshalb der Begriff Internet-IPO auch als Oberbegriff für jede Art Aktienplatzierung über das Internet verstanden (d.h. Internet-IPO mit nachfolgender Börsenkotierung, Internet Initial Private Placement und Direkt Public Offering); vgl. LETTMAYER (1999) S. 436 ff.; WEILER, IPO (2001) S. 172; KRAMER (1999) S. 308. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 234 2. Fremdemission Bei einer Fremdemission bedient sich die Gesellschaft der Hilfe eines auf Internet-IPOs spezialisierten (virtuellen) Finanzintermediärs. Wie bei den herkömmlichen IPOs können hier die verschiedensten Vereinbarungen bezüglich der zu erbringenden Leistung getroffen werden, wobei das Spektrum auch bei Internet-IPOs von einer nicht einmal kommissionsweisen Vermittlung bis zu einer Festübernahme aller Papiere reichen kann.1218 D. Virtuelle Emissionshäuser Unter virtuellen Emissionshäusern versteht man im Internet agierende Emissionsbegleiter, die mit geringem Sach- und Personalaufwand Aktienplatzierungen über das Internet durchführen. 1219 Neben diesen Emissionshäusern haben sich in der letzten Zeit auch eine ganze Reihe periphärer Serviceanbieter etabliert, deren Tätigkeiten von InvestorRelations-Massnahmen bis zur Schaffung eines Sekundärmarkts reichen. 1220 Aufgrund der Erfolge einiger virtueller Emissionshäuser, allen voran der „Wit Capital Corporation“, begannen auch traditionelle Investmentbanken die Möglichkeit zu nutzen, Tranchen von Neuemissionen mittels Emissionsplattformen über das Internet zu platzieren. Gründe hierfür waren das bis Mitte 2000 stark wachsende Emissionsgeschäft, die Schwierigkeit von noch sehr kleinen Wachstumsunternehmen, mit Unterstützung von renommierten Investmentbanken Eigenmittel über den Kapitalmarkt aufzunehmen, und die traditionelle Benachteiligung von Privatinvestoren bei der Zuteilung von interessanten Aktienemissionen.1221 Wegen des bisher eher ungünstigen Images von Internet-IPOs liegt es vorwiegend an den Emissionsbegleitern, durch eine Qualitätskontrolle und streng gefasste Reglemente das Bild der Internet-IPOs zu verbessern. Dem Kotierungsreglement der SWX entsprechend sind deshalb einige virtuelle Emissionsbegleiter dazu übergegangen, eigene Emissionsreglemente zu erstellen. 1222 1218 Vgl. bereits 1.Teil/II/A/2.2. 1219 Vgl. COCCA, Emissionsbanken (1999) S. 39 ff.; im Weiteren WIDMER/BÄHLER (1997) S. 184 f. 1220 ASSMANN (1999) S. 17; SCHANZ (2000) § 10 Rz 10. 1221 LETTMAYER (1999) S. 436. 1222 Vgl. hierzu z.B. Emissionsreglement (http://www.capital-info.net). für Firmenzulassungen der Capital-Info.Net 3. TEIL MARKTSEGMENTE 235 Emissionshäuser mit Sitz in der Schweiz unterstehen dem BEHG, wenn sie ihre Finanzhandelstätigkeit öffentlich anbieten. 1223 Dabei kann das Dienstleistungsangebot auch über elektronische Medien verbreitet werden. 1224 Ein virtueller Emissionsbegleiter unterliegt damit der börsenrechtlichen Bewilligungspflicht, wenn er selbstständig Papiere der Öffentlichkeit anbietet. 1225 Ohne Bewilligung dürfen im Internet lediglich Werbung für die Zeichnung betrieben und Aktien vermittelt werden, sofern sich der Vermittler darauf beschränkt, dem Dritten Informationen zugänglich zu machen und Zeichnungsscheine an den Emittenten weiterzuleiten. Bei weitergehenden Dienstleistungen für den Emittenten ist dagegen im Einzelfall zu prüfen, ob der Vermittler als Emissionshaus und damit als bewilligungspflichtiger Effektenhändler gilt. Die Abgrenzung, ob ein Emissionsbegleiter Anbieter von Wertpapieren ist oder bloss Informationen über Wertpapiere zur Verfügung stellt, kann sich im Einzelfall allerdings als äusserst schwierig erweisen. 1226 Mit der Qualifikation als Effektenhändler hat ein virtuelles Emissionshaus mit Sitz in der Schweiz unter anderem ein bestimmtes Eigenkapital aufzuweisen, 1227 Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit zu bieten 1228 und die börsenrechtlichen Verhaltensregeln zu beachten. 1229 Nur so erhält ein Emissionshaus die erforderliche Bewilligung. 1230 Virtuelle Emissionshäuser ohne Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz dürfen ihre Dienstleistungen in der Regel ohne Bewilligung grenzüberschreitend in die Schweiz 1223 Nach Art. 2 lit. d BEHG sind Effektenhändler „natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die gewerbsmässig für eigene Rechnung zum kurzfristigen Wiederverkauf oder für Rechnung Dritter Effekten (...) auf dem Primärmarkt öffentlich anbieten (...)“. „Öffentlich“ bedeutet, dass der Finanzintermediär sein Angebot an eine unbestimmte Anzahl von Kunden (mindestens aber 20) richtet; vgl. analog Art. 2 lit. a, 3a Abs. 2 BankV; BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (1999) Art. 2d N 15 f. 1224 EBK-RS 98/2 Rz 14; Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 2d N 18. 1225 Art. 10 Abs. 1 BEHG; Art. 3 Abs. 2 BEHV; Art. 2 lit. d BEHG. 1226 In Anwendung der oben erwähnten Grundsätze hat die EBK im Falle von „Capital-Info.net“ die Erfüllung der Voraussetzungen eines Effektenhändlers verneint. „(...) Gestützt auf die uns vorliegenden Informationen können wir somit feststellen, dass sich die CIN AG nicht als Emissionshaus qualifiziert. (...) Das Betreiben einer Plattform, auf der ausschliesslich Titel aus Erstemissionen angeboten bzw. vermittelt werden, ist somit zulässig.“; Schreiben der EBK vom 23. Dezember 1999; vgl. auch BAWe, Jahresbericht (2000) S. 16. 1227 Art. 12 Abs. 1 BEHG; Art. 17 ff. BEHV. 1228 Art. 10 Abs. 2 lit. d BEHG. 1229 Art. 11 BEHG. 1230 Art. 10 Abs. 1 BEHG. Übt ein Effektenhändler dagegen seine Tätigkeit ohne Bewilligung aus, so droht diesem eine Busse nach Art. 40 lit. b BEHG. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 236 hinein erbringen. 1231 Wird ein ausländischer Effektenhändler hingegen tatsächlich in der Schweiz geleitet oder wickelt er seine Geschäfte ausschliesslich oder überwiegend in oder von der Schweiz aus ab, so muss er sich nach schweizerischem Recht organisieren und untersteht den Bestimmungen über die inländischen Effektenhändler. 1232 E. Angebot beziehungsweise Offering 1. Anwendbares Recht Das Medium Internet kann sich einer geografischen Zuordnung leicht entziehen, was die Unterstellung unter eine staatliche Regulierungsbehörde erschwert. 1233 Anleger gelangen im Internet bewusst oder unbewusst auf Seiten von Anbietern, die ihren Sitz ausserhalb der Schweiz haben, wobei die Identität des Anbieters nicht immer leicht zu erkennen ist. Die Veröffentlichung eines Angebots im Internet kann an verschiedenen Orten stattfinden – am Ort, wo der betreffende Inhalt ins Netz eingespiesen und an den Server übermittelt wird, am Ort, wo dieser Server steht oder schliesslich auch überall dort, wo der Inhalt von den Internet-Benutzern zur Kenntnis genommen wird. Eine bisher ungelöste Frage ist jene des anwendbaren Rechts und der Zuständigkeit für die Aufsicht über solche Transaktionen. Die über das Internet verbreiteten Angebote können von jedermann auf der ganzen Welt zur Kenntnis genommen werden. Würde jeder Staat seine eigene Regelung für Offerings im Internet schaffen, sähe sich ein Anbieter nicht nur mit einer Vielzahl von anwendbaren Sachnormen, sondern auch ebenso vielen nationalen Kollisionsnormen konfrontiert. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Anbieter die aufsichts- und transaktionsrechtlichen Vorschriften sämtlicher Staaten zu berücksichtigen hat, in denen das Angebot zugänglich ist. Diese Frage muss zwangsläufig verneint werden, da sonst die Nutzung des Internets angesichts der Vielfältigkeit der Regulierungen ausgeschlossen wäre. Eine Eingrenzung der anwendbaren Rechtsordnungen ist deshalb notwendig. Eine Lösung für dieses Problem ist entweder in einer weltweit ratifizierten Konvention oder wenigstens 1231 Art. 10 Abs. 4 BEHG; Art. 39 BEHV; vgl. Kommentar BEHG-ROTH (2000) Art. 11 N 48; WATTER/MALACRIDA (1996) S. 146 f. Allerdings hat die EBK die Möglichkeit, „ausländische Effektenhändler vollständig den Bestimmungen für inländische Effektenhändler zu unterstellen, sofern das Recht am Ort des Hauptsitzes des ausländischen Effektenhändlers den schweizerischen Effektenhändlern keine gleichwertigen Erleichterungen gewährt und kein Staatsvertrag entgegensteht“; Art. 40 Abs. 2 BEHV. 1232 Art. 38 Abs. 2 BEHV. 1233 ARTER/JÖRG/GNOS (2000) S. 277 ff. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 237 in einer einheitlich praktizierten Übung zu suchen. 1234 Eine Konvention ist zur Zeit nicht in Sicht, doch zeichnet sich ab, dass sich der US-amerikanische Ansatz zu einem weltweiten Standard entwickeln könnte. 1235 Danach ist das amerikanische Kapitalmarktrecht 1236 auf Internetangebote immer dann anzuwenden, wenn nicht aufgrund unmissverständlicher Erklärungen deutlich gemacht wird, dass sich das Angebot nicht an US-Personen wendet und darüber hinaus durch geeignete Massnahmen sichergestellt wird, dass die angebotenen Papiere nicht an amerikanische Anleger verkauft und/oder die offerierten Dienstleistungen nicht gegenüber Amerikanern erbracht werden können. 1237 Auch in den Berichten der IOSCO betreffend „Securities Activitiy on the Internet“ finden sich Überlegungen, die diesen Ansatz unterstützen. 1238 Anknüpfungskriterium für die Anwendung des nationalen Aufsichtsrechts ist deshalb in den meisten Staaten der Tatbestand des Angebots von Kapitalanlagen auf den jeweiligen (nationalen) Märkten. Um nicht den komplizierten Zulassungsverfahren dieser Länder zu unterstehen, ist es ratsam, vor dem Internet-IPO eine Auswahl zu treffen, welche Länder abgedeckt werden sollen. 2. Schweizer Recht Das schweizerische Recht sollte dem US-amerikanischen Modell folgen, d.h. es muss anwendbar sein, wenn Anleger in der Schweiz zielgerichtet angesprochen (bzw. vom Angebot nicht ausdrücklich ausgeschlossen) werden und für den Anleger in der Schweiz eine konkrete Zeichnungsmöglichkeit besteht. Damit ein Angebot sich nicht an Schweizer richtet und die Schweiz nicht als Ausgabeort der Papiere gilt, braucht es diesbezüg- 1234 ASSMANN (1999) S. 23 f. 1235 Ebenso BAWe, Jahresbericht (2000) S. 16; WEBER, E-Commerce (2001) S. 607; ARTER/JÖRG/GNOS (2000) S. 280 ff. Den USA kommt im Bereich des Internets und auch der Internet-IPOs unbestrittenermassen eine Vorreiterrolle zu; vgl. vorne Kap. C/1. 1236 Insb. Securities Act von 1933, Investment Company Act von 1940 und Investment Adviser Act von 1940 und spezifische SEC-Normen; vgl. hierzu BEHR/KRESTA (1999) S. 21. 1237 Dasselbe gilt für den Fall, dass der Anbieter sein Angebot auf der Internet-Seite eines Dritten platziert. Weitere Vorkehrungen zur Vermeidung von Abschlüssen mit US-Personen verlangt die SEC für den Fall, dass es sich bei einer solchen Seite eines Dritten um eine Seite handelt, die investmentorientiert ist und von einer Firma betrieben wird, die einen erheblichen US-Kundenstamm aufweist, oder wenn sich auf solchen Seiten direkte oder indirekte Links auf die Internetseite des Anbieters befinden; vgl. Interpretative Release vom 23. März 1998 der SEC; vgl. ASSMANN (1999) S. 26; HENCKEL/WEBER (2002) S. 47; s. auch IPRG-WATTER (1996) Art. 156 N 37. 1238 IOSCO, Internet I (1998) u. Internet II (2001); vgl. ASSMANN (1999) S. 27; WEBER, E-Commerce (2001) S. 607. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 238 lich eine ernsthafte und unmissverständliche Erklärung.1239 Zudem muss das InternetUnternehmen auch effektive Kontrollmassnahmen vornehmen, damit kein Schweizer an einem solchen IPO teilnehmen kann.1240 Bei öffentlichen Platzierungen von Aktien einer schweizerischen Gesellschaft über das Internet müssen heute in erster Linie die aktienrechtlichen Anforderungen erfüllt sein. Da bei einem Primary Offering neue Titel geschaffen werden, handelt es sich um eine prospektpflichtige Emission, wodurch die Anforderungen von Art. 652a OR eingehalten werden müssen. Diese Bestimmung ist indessen auf Secondary Offerings, öffentliche Angebote von anderen Gesellschaftsformen oder von Unternehmen mit Sitz im Ausland primär nicht anwendbar. Allerdings ist nach der hier vertretenen Auffassung die Prospektpflicht von Art. 652a OR weit auszulegen und gilt daher auch für Secondary Offerings schweizerischer Gesellschaften via Internet. 1241 Alsdann bietet das IPRG, ungeachtet des faktischen oder virtuellen Sitzes des Anbieters, aufgrund von Art. 151 Abs. 3 und Art. 156 die Möglichkeit, bei der öffentlichen Ausgabe von Beteiligungspapieren an schweizerischen Gerichten zu klagen und schweizerisches Kapitalmarktrecht anzuwenden. 1242 Richtet sich ein Internet-IPO an in der Schweiz domizilierte Personen oder werden Schweizer nicht explizit vom IPO ausgeschlossen, so kann als Ausgabeort der Papiere die Schweiz betrachtet werden, was dazu führt, dass neben der Propektpflicht auch die Prospekthaftung von Art. 752 OR zur Anwendung gelangen kann. Da die Anforderungen von Art. 652a OR an den Prospekt im internationalen Vergleich mehr als nur bescheiden sind und der Anlegerschutz diesbezüglich minimal ist, sind die Hürden für ein öffentliches Angebot einer schweizerischen Aktiengesellschaft via Internet nicht besonderes hoch. Allerdings ist umstritten, ob nach schweizerischem Recht die Prospekte in gedruckter Form vorliegen müssen 1243 oder ob es ausreicht, dass der Prospekt ausschliesslich im Internet zum „Downloaden“ zur Verfügung gestellt wird. M.E. muss den Anlegern zumindest auf Anfrage eine kostenlose Papierversion zur Verfügung 1239 Eine solche Eingrenzung kann sowohl positiv, d.h. durch Benennung des Adressatenkreises, des Angebotes, als auch negativ, d.h. durch die Benennung des ausgeschlossenen Adressatenkreis erfolgen. 1240 Vgl. ASSMANN (1999) S. 30. 1241 Hierzu 2.Teil/II/A/1.1. 1242 Ebenso WEBER, E-Commerce (2001) S. 606; HENCKEL/WEBER (2002) S. 47; dazu bereits vorne 2.Teil/II/A/5.2.1. 1243 Art. 652a OR; für Papierform BEHR/KRESTA (1999) S. 21 (dies sei mitunter auch der Grund, weshalb in der Schweiz nur wenige DPOs über das Internet abgewickelt werden); dagegen WEBER, ECommerce (2001) S. 611; vgl. auch Art. 33 Abs. 2 KR. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 239 gestellt werden. 1244 Daneben kann der Prospekt selbstverständlich auch im Internet veröffentlicht werden, was den Investoren einen zusätzlichen Zugriff auf die Informationen ermöglicht. Im Weiteren unterstehen öffentliche Emissionen in der Schweiz, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, keiner Bewilligungspflicht einer nationalen Behörde. Dies gilt sowohl für das DPO als auch für die Vermittlung von Aktien durch einen Emissionshelfer. 1245 Um die Gefahren für die Anleger zu minimieren und einem Missbrauch vorzubeugen, ist hingegen auch in der Schweiz die Einführung einer Bewilligungs- oder zumindest einer Meldepflicht für Wertpapierangebote (IPO oder DPO) im Internet zu prüfen. 1246 F. Sekundärmärkte Als Hauptkritikpunkt der DPOs und Internet-IPOs gilt gegenwärtig der mangelnde Sekundärmarkt. Damit ein Handel der Papiere gewährleistet werden kann, müssen diese in vielen Fällen vorläufig immer noch an den traditionellen Börsen kotiert werden. Mit dem Aufkommen der Internet-IPOs sind allerdings auch neue Systeme entstanden, die einen direkten Handel solcher Titel ermöglichen. 1. Electronic Communication Networks und Alternative Trading Systems Börsenähnliche elektronische Handelssysteme (ECN oder ATS) 1247 bilden die logische Ergänzung zu den Emissionsplattformen im Internet. Heute stellen ECN oder ATS ein Marktsegment unterhalb der regulären Börse dar.1248 An diesen Systemen findet zum Nutzen des Investors eine Bewertung „vorbörslich“ ausgegebener Papiere statt, womit Transparenz auf bislang unübersichtlichen Teilmärkten erzeugt wird. Alsdann wird damit für die Titel eine gewisse Liquidität geschaffen und dem Anleger die Möglichkeit ei1244 Ebenso Art. 14 Abs. 6 gV EU-Prospekt-RL; für das deutsche Recht vgl. BAWe, Jahresbericht 2000 S. 17. 1245 Vgl. KUNZ M. (2002) S. 73 f.; DAENIKER, Grenzüberschreitende Aktienplazierungen (2000) S. 81. 1246 Vgl. KUNZ M. (2002) S. 75. 1247 Electronic Communication Networks (ECN) oder Alternative Trading Systems (ATS) sind elektronische Systeme, welche wie im börslichen Handel Angebot und Nachfrage nach Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Derivaten nach einheitlichen Regeln mit dem Ziel des Vertragsabschlusses zusammenführen; vgl. hierzu HENCKEL, ECN und ATS (2000) S. 260 ff. 1248 Wegleitung der Eidgenössischen Bankenkommission für die Bewilligung als Börse (oder börsenähnliche Einrichtung) im Sinne des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) vom März 1997; hierzu SPINDLER (2002) S. 925 f.; HENCKEL/WEBER (2002) S. 43 ff. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 240 nes Ausstiegs zu fairen Bedingungen gegeben. Für deren Errichtung sind allerdings hohe technische und regulatorische Anforderungen zu erfüllen.1249 Im Unterschied zu den USA konnten die ECN in Europa bis anhin nur wenige Geschäfte von den traditionellen Börsen abziehen. Ein Grund hierfür liegt darin, dass Europas Aktienmärkte, anders als die amerikanischen, schon früh den „à-la-crié“-Parketthandel durch elektronische Handelssysteme zu ersetzen begonnen haben und sich damit bezüglich Kosten als äusserst konkurrenzfähig erweisen. 1.1. Anwendbares Recht Eine nationale Beaufsichtigung von Internetbörsen und virtuellen Emissionshäusern durch staatliche Behörden ist vor allem problematisch, da sich diese durch eine grosse geografische Flexibilität auszeichnen. Deshalb fällt es ihnen beispielsweise leicht, auf eine strenge nationale Regulierung mit einer Sitzverlegung zu reagieren. 1250 Somit brächte eine supranationale Aufsichtsbehörde für die Anleger sicherlich Vorteile. 1251 Allerdings ist für die Einsetzung einer einheitlichen Aufsichtsbehörde und für die Einführung solcher Standards ein weltweiter Konsens erforderlich, welcher momentan nur schwer zu erreichen sein dürfte. 1252 Immerhin haben sich einige internationale Gremien daran gemacht, für diesen Bereich Berichte zu verfassen und einheitliche Standards zu entwickeln. Zu beachten sind unter anderem der „Report on Securities Activity on the 1249 Vgl. z.B. Handelssysteme YOUMEX (von Capital-Info.net [http://www.Capital-Info.net]), oder die deutsche WebStock AG Go4equity.com (http://www.Go4equity.com) (http://www.webstock.de), die allerdings momentan unter der schlechten Börsenstimmung leiden; vgl. auch IOSCO, Internet II (2001) S. 11 f. 1250 Vgl. WEBER, E-Commerce (2001) S. 606; COCCA, Cyber-Finanzmarkt (1998) S. 59; HENCKEL, ECN und ATS (2000) S. 266. Andererseits könnte die Sitzverlegung in ein Land mit anlegerfreundlicher Regulierung auch als Qualitätsausweis und somit als Wettbewerbsvorteil gelten; vgl. auch SCHÄFER/OTT (2000) S. 605 ff. 1251 Einheitliche Regeln verhindern Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher, regulatorischer Rahmenbedingungen. Damit unterlägen weltweit alle Anleger aufgrund identischer Standards demselben Schutzniveau. 1252 Zudem wäre eine weltweite Regulierung nur so stark wie das schwächste Glied. Solange nicht alle Länder in einem solchen supranationalen Aufsichtsnetz integriert sind, existieren immer Möglichkeiten, diese Regeln zu umgehen. Organisationen oder Institutionen, die eine weltweite Regulierungs- und Aufsichtsfunktion wahrnehmen könnten, wären bspw. die IOSCO, die FIBV oder die ISMA; hierzu COCCA, Cyber-Finanzmarkt (1998) S. 60. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 241 Internet II“ der IOSCO 1253 oder die „Standards for Alternative Trading Systems“ des CESR 1254 . 1255 Der Nachteil, dass sich überstaatliche Regulierungen in der Regel als wenig flexibel erweisen 1256 und tendenziell zu einer Überregulierung führen, könnte durch eine Selbstregulierung mindestens teilweise abgeschwächt werden. Die Aufsichtsbehörde verzichtet in diesem Fall auf den Erlass von detaillierten Vorschriften und legt einzig Mindestvorschriften fest. Den einzelnen Börsen und Effektenhändlern bliebe es dabei freigestellt, auf welchem Weg sie diese Mindestvorschriften erfüllen. Hauptaufsichtsinstrument wäre hierbei eine Bewilligungspflicht. 1257 Ein anderer Ansatz zur Regulierung der Börsenaufsicht wäre der vollständige Verzicht auf staatliche Eingriffe. Hierbei müsste der Markt selber für eine effiziente Regulierung der Börse sorgen. Um die Gunst der Anleger zu gewinnen, wäre es durchaus denkbar, dass sich die einzelnen Börsen selbst gewisse (anlegerschützende) Regeln auferlegen. 1258 Andererseits kann argumentiert werden, dass die Börsen ein Interesse haben, möglichst viele Emittenten anzulocken, weshalb die Schutz- und Sanktionsbestimmungen nicht allzu hoch ausfallen dürfen. Aus wettbewerbstechnischen Gründen wird deshalb eine Börse immer zwischen Schutz und Freiheit abwägen müssen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass es zur Einführung einer strengen Selbstregulierungsordnung eines gewissen Drucks von aussen bedarf. Da ein solcher aber heute im Internet fehlt, verspricht eine überstaatliche Regulierung am meisten Erfolg. 1.2. Schweizer Recht Mangels eines internationalen Standards für die Beaufsichtigung alternativer Handelssysteme liegt es momentan noch an der EBK, Internet-Börsen und virtuelle Emissionshäuser, die ihren Sitz in der Schweiz haben, nach schweizerischem (Börsen-)Recht zu beaufsichtigen. 1259 1253 Report der IOSCO vom Juni 2001. 1254 CESR, Alternative Trading Systems (2002). 1255 Vgl. HENCKEL/WEBER (2002) S. 58 ff. 1256 Da sie mit der rasanten technischen Entwicklung nicht immer Schritt halten und damit die Entwicklung von alternativen Handelsplätzen behindern oder hemmen können. 1257 Die Aufnahme der Tätigkeit einer Internet-Börse könnte erst mit einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde erfolgen; vgl. COCCA, Cyber-Finanzmarkt (1998) S. 60. 1258 COCCA, Cyber-Finanzmarkt (1998) S. 61. 1259 Anknüpfungspunkt ist der Ort, an welchem die technischen Einrichtungen für die Durchführung der Aufgaben physisch stehen; hierzu HENCKEL/WEBER (2002) S. 48; vgl. auch HUNGER, Patrick: Auf- 3. TEIL MARKTSEGMENTE 242 Das schweizerische Börsengesetz definiert Börsen als „Einrichtungen des Effektenhandels, die den gleichzeitigen Austausch von Angeboten unter mehreren Effektenhändlern sowie den Vertragsabschluss bezwecken“. 1260 Da bei einer Internetbörse die Anleger direkt, d.h. ohne Zwischenschaltung von Effektenhändlern, den Vertragsabschluss tätigen, 1261 ist nach der (engen) Definition des BEHG eine Internetbörse keine Börse, welche dem Gesetz untersteht. 1262 Damit sind die Bestimmungen des BEHG und die darauf basierenden Ausführungserlasse 1263 nicht direkt auf solche Einrichtungen anwendbar. Durch die Nichtanwendbarkeit des BEHG wäre die Errichtung einer Internetbörse von keiner Bewilligung abhängig. Bei alternativen Handelssystemen ist der Schutz der Anleger allerdings besonders wichtig. Auch führt eine unterschiedliche aufsichtsrechtliche Behandlung von traditionellen Börsen und Internet-Märkten zu unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen, da die neuen elektronischen Märkte zunehmend in direkter Konkurrenz zu den traditionellen Börsen stehen. 1264 Immerhin verleiht das Börsengesetz der EBK die Möglichkeit, gewisse börsenähnliche Einrichtungen ganz oder teilweise dem BEHG zu unterstellen.1265 Alternative Handelssysteme und Internetbörsen können damit unter den unbestimmten Rechtsbegriff der „börsenähnlichen Einrichtung“ subsumiert werden. 1266 Im Gegensatz dazu gelten elektronische Plattformen, die lediglich öffentlichen Emissionen dienen, grundsätzlich nicht sichtsprobleme beim Electronic Banking – Mögliche Privilegierung ausländischer InternetAngebote, in: NZZ Nr. 251 vom 29. Oktober 2002 S. 27. 1260 Art. 2 Abs. 1 lit. b BEHG; zum Börsenbegriff NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 9 N 7 ff.; Kommentar BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER(2000) Art. 2b N 26 ff. 1261 Sog. „Point-to-Point-Handel“. 1262 WEBER, E-Commerce (2001) S. 614. 1263 Insb. Art. 6 ff. BEHV. 1264 Vgl. Bessere Aufsicht für elektronische Märkte, in: NZZ Nr. 225 vom 27. September 2000 S. 31. 1265 Art. 3 Abs. 4 BEHG; Art. 16 BEHV; vgl. auch Art 15 Abs. 4 BEHG; hierzu Botschaft BEHG S. 1399. 1266 Die EBK prüft deshalb gemäss eigenen Aussagen im Einzelfall, ob ECN bzw. ATS als Börsen oder börsenähnliche Unternehmen gelten; vgl. hierzu Kommentar BEHG-ZOBL (2000) Einleitung N 94; Kommentar BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER(2000) Art. 2b N 50; RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 16 f.; BEHG-DAENIKER (1999) Art. 2 lit. a-c N 25; HENCKEL, ECN und ATS (2000) S. 274 f.; WEBER, E-Commerce (2001) S. 614; HENCKEL/WEBER (2002) S. 50 ff.; NOBEL, Finanzmarktrecht (1997) § 8 N 57b ff. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 243 als Einrichtungen des Effektenhandels und stellen dementsprechend keine Börse dar. 1267 Hingegen benötigen sie regelmässig eine Bewilligung als Effektenhändler. 1268 Eine Unterstellung alternativer Handelssysteme unter das BEHG und damit unter die Zuständigkeit der EBK ist durchaus zu begrüssen und im Sinne des Anleger- und Funktionsschutzes notwendig. 1269 Mit dieser Unterstellung unterliegen alternative Handelssysteme denselben Auflagen wie die SWX. Für die Erteilung einer Börsenbewilligung sind sowohl organisatorische wie personelle Voraussetzungen zu erfüllen, welche dauernd eingehalten werden müssen.1270 Insbesondere muss ein solcher Handelsplatz ein Reglement erlassen, das den Anforderungen des Börsengesetzes entspricht. 1271 In diesen strengen Voraussetzungen ist letztlich auch ein weiterer Grund zu sehen, weshalb sich solche Märkte bis anhin in der Schweiz noch nicht etablieren konnten. 2. Kotierung an der SWX Mangels etablierten virtuellen Börsen besteht auch die Möglichkeit, dass die Emission zwar mittels Internet vorgenommen wird, die Papiere hingegen danach an einem bestehenden, konventionellen Sekundärmarkt kotiert werden. Damit können die Vorteile des Internets als günstiges Emissionsmedium genutzt werden, ohne auf einen etablierten Sekundärmarkt verzichten zu müssen.1272 Bei einer solchen, nachträglichen Kotierung müssen allerdings alle Voraussetzungen des jeweiligen Börsensegments erfüllt sein. Das revidierte Kotierungsreglement der SWX kommt den neuen elektronischen Kommunikationsmitteln insoweit entgegen, als die Zulassungsstelle die Veröffentlichung des Kotierungsprospekts und des -inserats in elektronischer Form bewilligen kann, wenn sie der Auffassung ist, dass diese Verbreitung den Informations- und Schutzbedürfnissen der Investoren gerecht wird. 1273 Ebenso kann vom Erfordernis der Veröffentlichung eines 1267 Vgl. Kommentar BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER(2000) Art. 2b N 30; WEBER, E-Commerce (2001) S. 609. 1268 Art. 10 i.V.m. Art. 2 lit. d BEHG; vgl. vorne Kap. D. 1269 Vgl. Kommentar BEHG-HERTIG/SCHUPPISSER (2000) Art. 2b N 23; zur Anwendung der übrigen börsengesetzlichen Bestimmungen (insb. Offenlegungspflicht) auf solchen neuartigen Märkten s. Kommentar BEHG-MEIER-SCHATZ (2000) Art. 20 N 21. 1270 Art. 3 ff. BEHG; Art. 6 ff. BEHV; vgl. auch Botschaft BEHG S. 1398; hierzu RUFFNER, Selbstregulierung (1996) S. 17 ff.; HENCKEL/WEBER (2002) S. 52. 1271 Art. 8 BEHG; Rz 3 EBK-Börsenwegleitung; vgl. HENCKEL, ECN und ATS (2000) S. 279; hierzu vorne Kap. I. 1272 Vgl. WEILER, IPO (2001) S. 174 f. 1273 Vgl. Art. 33 Abs. 3 u. Art. 46 Abs. 2 KR. Die Einzelheiten dazu werden in einer Richtlinie zu regeln sein; vgl. Mitteilung der Zulassungsstelle Nr. 6/1999. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 244 neuen Prospekts unter bestimmten Umständen gänzlich Abstand genommen werden, nämlich dann, wenn bereits bei der Ausgabe (über das Internet) ein Prospekt erstellt wurde, der dem Kotierungsprospekt der SWX entspricht, und dessen Veröffentlichung nicht mehr als drei Monate zurück liegt. 1274 Obwohl auch die Zulassungsstelle der Schweizer Börse selber ausdrücklich festhält, dass eine Kotierung an der SWX kein Werturteil über die Qualität des Emittenten und die mit dem Kauf seiner Effekten verbundenen Risiken sei, 1275 bewirkt eine Kotierung an einer „offiziellen“ Börse dennoch eine gewisse Selektion.1276 Damit wird eine Kotierung an der SWX auch noch auf längere Zeit ein höheres Ansehen geniessen als die Zulassung an einem ATS. G. Fazit Emissionen, bei denen zumindest ein Teil des Volumens über das Internet platziert wird, werden in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen. Bei der momentanen Börsenschwäche sind es allerdings die neuen Emissions- und Handelssysteme, die besonders stark unter dem Konkurrenzkampf leiden. Die oben beschriebenen Gefahren und Nachteile von Internet-IPOs führen dazu, dass es in Zeiten mit einem schwierigen Börsenumfeld den virtuellen Emissionshäusern nicht gelingt, interessante Unternehmen für ihr IPO zu gewinnen, weshalb sich die Anleger bei solchen Investitionen noch stärker zurückhalten. Qualitativ hochstehende Gesellschaften, welche die strengen Kriterien der traditionellen Investmentbanken und Börsen erfüllen, wählen in der Regel immer noch den konventionellen Weg.1277 Da der Wettbewerb um die besten Gesellschaften immer intensiver wird, laufen die neuen Emissions- und Handelsplattformen Gefahr, nur zweitklassige Kandidaten zu finden. Damit bleibt die Qualität von Internet-IPOs vorläufig eher fragwürdig. Bis anhin stiessen Internet-IPOs auf eher laues Interesse, nicht zuletzt, weil heute die Investoren gegenüber Engagements in Jungunternehmen der New Eco- 1274 Art. 38 Abs. 1 Ziff. 1 KR. 1275 Art. 59 Abs. 3 KR. 1276 „Das Zulassungsverfahren und die dabei geltenden Anforderungen haben die Funktion von Marktzutrittsschranken. Je höhere Anforderungen an die Zulassung zu einem bestimmten geregelten Markt gestellt werden, desto ausgeprägter ist dies ein Qualitätszeichen, ein Gütesiegel.“; VON DER CRONE, Emission (1996) S. 96 ff. 1277 Ein Internet-IPO werden vor allem diejenigen Gesellschaften in Angriff nehmen, denen die Zutrittshürden der traditionellen Börsen zu hoch erscheinen oder die keinen entsprechenden Emissionsbegleiter finden. 3. TEIL MARKTSEGMENTE 245 nomy vorsichtiger geworden sind. Bei einem erneuten Aufschwung ist hingegen zu erwarten, dass diese neuen Anbieter ein gewisses Wachstum verzeichnen werden. In Anbetracht des Anlegerschutzes sowie der fortschreitenden Verbreitung des Internets ist eine umfassendere Regelung der DPOs und Internet-IPOs wünschenswert. Es zeigt sich, dass die Anleger bei einem öffentlichen Angebot über das Internet des gleichen Schutzes bedürfen wie Investoren am Sekundärmarkt. Damit sollten die Anforderungen an die Prospekte bei öffentlichen Angeboten – entsprechend der europäischen Regelung – grundsätzlich denjenigen der Börsennotierungen angepasst werden. Hierzu wäre eine Erweiterung der aktienrechtlichen Anforderungen an den Emissionsprospekt und damit eine Revision von Art. 652a OR notwendig. Denkbar wäre schliesslich auch die Einführung einer Melde- oder Bewilligungspflicht für Internet-IPOs. Mit der Qualifikation der Internetbörsen als börsenähnliche Einrichtungen und der damit verbundenen Anwendbarkeit des BEHG wird ein ausreichender Anlegerschutz gewährleistet. Dasselbe gilt für die virtuellen Emissionshäuser mit Sitz in der Schweiz, welche die börsenrechtlichen Voraussetzungen für Effektenhändler erfüllen müssen. Hingegen ist die rechtliche Situation von ausländischen Internetbörsen und Effektenhändlern, die ihre Tätigkeiten über die Grenzen in die Schweiz hinein anbieten, heute noch nicht geregelt. Aufgrund der geografischen Flexibilität solche Systeme wäre eine internationale Regelung mittels einheitlichen Standards wünschenswert. 246 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG Gründe für ein IPO gibt es viele. Die rechtliche Ordnung soll dabei die Unternehmen in ihrem Vorhaben unterstützen, ohne die Investoren zu benachteiligen. Anleger zeigen sich eher bereit, in Märkte und Unternehmen zu investieren, die ihnen ein Mindestmass an Informationen bieten. Daher müssen Publikumsgesellschaften mittels gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet werden, den Investoren genügend Informationen zur Verfügung zu stellen, so dass sich diese selber ein Bild über die Unternehmung und über das Risiko ihrer Investition machen können. Dabei gilt es zu beachten, dass die Befolgung jeglicher Regeln für eine Gesellschaft immer mit Kosten verbunden ist und vor allem junge Unternehmen eine gewisse Kostenaversion aufweisen. Da die den Gesellschaften neu zufliessenden Mittel in erster Linie für weitere Expansionen und nicht übermässig für Kosten des IPOs verwendet werden sollen, ist dem Kostenaspekt freilich Rechnung zu tragen. Ein gewisser Aufwand für die Information der Investoren ist allerdings erforderlich, um die bestehende Informationsasymmetrie zwischen Unternehmung und Anleger zu vermindern. Im Hinblick auf das IPO wird eine Gesellschaft sowohl durch das Aktienrecht als auch durch die Kotierungsreglemente verpflichtet, einen Prospekt zu publizieren. Dabei besteht für schweizerische Gesellschaften die Prospektpflicht aus Art. 652a OR, unabhängig der börsenrechtlichen Regeln, sowohl beim Primary als auch beim Secondary Offering. Allerdings erweisen sich die bestehenden aktienrechtlichen Anforderungen an einen Prospekt als ungenügend. Für die korrekte Erstellung des Prospekts und dessen materielle Richtigkeit haben der Verwaltungsrat der künftigen Publikumsgesellschaft, deren Revisionsstelle und vor allem die das IPO betreuenden Banken zu sorgen. Zur Vermeidung einer allfälligen Haftung werden diese vor dem IPO unter anderem eine gründliche Due Diligence-Prüfung durchführen. Hierbei ist zu beachten, dass der Prospekthaftung von Art. 752 OR nicht nur Primary, sondern auch Secondary Offerings schweizerischer Gesellschaften unterliegen. Ebenfalls von der Prospekthaftung erfasst sind diejenigen Angaben, die über den in Art. 652a OR geforderten Inhalt hinausgehen. Daher unterliegt beim IPO auch der gesamte börsenrechtliche Kotierungsprospekt der aktienrechtlichen Prospekthaftung. Die Haftungsgefahr ist für die am IPO Beteiligten allerdings gering. Die präventive Wirkung der Prospekthaftung für die Einhaltung der Vorschriften könnte vergrössert werden, wenn die Prozesskostenrisiken für allfällige Kläger verringert würden und dadurch für 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 247 die involvierten Personen eine realistische Gefahr einer Haftung bestünde. Alsdann können falsche Angaben im Prospekt auch einer strafrechtlichen Sanktionierung unterliegen. Im Weiteren sorgen für die Einhaltung der Publizitätsbestimmungen die Zulassungsstellen der einzelnen Börsen. Allerdings beschränkt sich die Zulassungsstelle der SWX auf die formelle Prüfung der Kotierungsprospekte. Mit der Börsenkotierung verändert sich das rechtliche Umfeld einer Gesellschaft in grundlegender Art und Weise. Zwar ist den wirtschaftlichen Überlegungen in diesem Bereich Vorrang einzuräumen, hingegen muss auch die neue Rechtslage in die Planung des IPOs mit einbezogen werden. Viele künftige Konfliktpotentiale können bereits vor dem IPO beseitigt werden. Da die erforderlichen Quoren bei wenigen Gründungsaktionären in der Regel leichter zu erreichen sind, lassen sich die Statuten einer Gesellschaft vor dem IPO aufgrund des weitaus kleineren Aktionärskreises einfacher aktualisieren und an die Erfordernisse einer Publikumsgesellschaft anpassen als danach. Zudem ist es gegenüber den neuen Publikumsaktionären auch ein Ausdruck der Fairness, wenn sie bereits im Zeitpunkt der Zeichnung die genaue Struktur der Statuten kennen und diese nicht kurz nach dem IPO abgeändert werden. Zu beachten sind beispielsweise ein allfälliges Opting-up beziehungsweise Opting-out 1278 oder statuarische Bestimmungen, mit denen die ehemaligen Gesellschafter versuchen, ihren Einfluss auf die Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Um den künftigen Publikumsaktionären entgegenzukommen und damit einen möglichst hohen Emissionspreis erzielen zu können, empfiehlt es sich schliesslich, die Unternehmung vor deren IPO nach den Gesichtspunkten einer optimalen Corporate Governance zu organisieren und zu führen. Im Weiteren verändert sich mit dem IPO die Rechtslage für die bisherigen Aktionäre. So stellt das IPO in der Regel einen wichtigen Grund dar, der beim Primary Offering einen Ausschluss des Bezugsrechts im Sinne von Art. 652b Abs. 2 OR rechtfertigt. Alsdann haben Altaktionäre neben den börsenrechtlichen Angebotspflichten 1279 unter anderem Offenlegungspflichten von Beteiligungen 1280 und allfällige Lock-up-Verpflichtungen zu beachten. Beim IPO wird die Meldepflicht von bedeutenden Beteiligungen der Altaktionäre bereits mittels Publikation im Prospekt erfüllt, weshalb diese in der Regel keine grossen Probleme bereitet. Da es sich bei einer Missachtung der Lock-up- 1278 Solche Bestimmungen lassen sich zwar auch nach dem IPO in die Statuten aufnehmen (Art. 22 Abs. 3 BEHG), doch sprechen die einfachere Regelung und die Fairness dafür, diese bereits vor dem IPO einzuführen. 1279 Art. 22 ff. BEHG. 1280 Art. 20 BEHG. 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 248 Verpflichtungen als äusserst schwierig erweist, den Verletzer für einen allfälligen Schaden zu belangen, ist den Emissionshäusern zu empfehlen, solche Verpflichtungen, neben einer separaten Valorennummer der gebundenen Papiere, zusätzlich durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe abzusichern. Diesen neuen Pflichten steht für die bisherigen Aktionäre die erleichterte Möglichkeit des Ausstiegs aus dem Investment gegenüber. Für die neuen Publikumsaktionäre und zur Schaffung von Transparenz wäre im Weiteren hilfreich, wenn die bedeutenden Altaktionäre und die Mitglieder des Verwaltungsrates verpflichtet würden, nach Ablauf der Lock-up-Frist nicht nur die Über- oder Unterschreitung gewisser Schwellen, sondern jede Veränderungen ihrer Beteiligungsquote zu melden. Hierfür wäre jedoch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung mit den betroffenen Personen oder eine spezielle Regelung im BEHG 1281 erforderlich. Mit Hilfe der neuen Medien ist es heutzutage für eine Unternehmung möglich, ihr Going Public alleine, in Form eines Direkt Public Offerings, vorzunehmen. Es sprechen allerdings noch immer verschiedene wirtschaftliche und rechtliche Gründe dafür, sich der Hilfe eines spezialisierten Emissionshauses zu bedienen. So haben die Emissionsbanken trotz Internet einen besseren Kontakt zu den Investoren und bürgen aufgrund ihrer Mithaftung bis zu einem gewissen Grad für die Qualität des IPO. Zudem unterstützen sie die künftigen Publikumsgesellschaften bei der Einreichung des Kotierungsgesuches, der Festlegung des Ausgabepreises (beispielsweise mittels Bookbuilding) und der nachfolgenden Kurspflege. Wird eine Emissionsbank beigezogen, so wird die Freiheit der künftigen Publikumsgesellschaft indirekt in der Weise eingeschränkt, dass Effektenhändler Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten müssen und bei IPOs die Verhaltensregeln von Art. 11 BEHG zu beachten haben. Diesen strengen Bestimmungen unterliegt ein Emittent indes nicht, wenn er das IPO alleine durchführt. Eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Investoren in den Finanzmarkt und dessen Funktionsfähigkeit ist die Gewähr von Transparenz und Gleichbehandlung der Anleger. Die Schaffung von Transparenz und Gleichbehandlung ist folglich auch ein Ziel des schweizerischen Börsengesetzes. 1282 Da die börsenrechtlichen Bestimmungen und insbesondere die Verhaltenspflichten auch von Emissionshäusern beachtet werden müssen,1283 haben diese bei einem IPO ihre Kunden gleich zu behandeln. Das bedeutet, dass die Emissionsbanken all ihre Kunden im Vorfeld des IPOs mit denselben Informationen zu 1281 Z.B. analog Art. 31 BEHG. 1282 Art. 1 BEHG. 1283 Art. 11 i.V.m. 2 lit. d BEHG. 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 249 versorgen haben und nicht einzelne Anleger privilegieren dürfen. Für diese Gleichbehandlung sorgen die Bestimmungen des BEHG und in erster Linie der Emissions- beziehungsweise Kotierungsprospekt. Daher bleibt den Emissionshäusern grundsätzlich nur wenig Raum für Sonderinformationen, weshalb sich die Gleichbehandlungspflicht bezüglich Informationen im Vorfeld des IPOs als weniger problematisch erweist als danach. Die börsenrechtlichen Verhaltensregeln für Effektenhändler verpflichten die Emissionshäuser im Weiteren, ihre Kunden bei der Zuteilung der neuen Titel gleichmässig zu berücksichtigen. Eine diesbezügliche Gleichbehandlungspflicht ist indes nicht absolut zu sehen. In Absprache mit der künftigen Publikumsgesellschaft muss den Emissionshäusern eine gewisse Freiheit bei der Titelzuteilung zugestanden werden. Die Bevorzugung einzelner Gruppen von Investoren bleibt damit möglich. Eine allfällige Abkehr von der Gleichbehandlung ist bereits vor dem IPO – beispielsweise im Prospekt – zu veröffentlichen. Hierbei haben sich die Emissionshäuser an objektive Zuteilungskriterien zu halten und dürfen die Zuteilung nicht für eigene Interessen, wie beispielsweise eine willkürliche Zuteilung an nahestehende Kunden oder die Vereinbarung von Profit-sharing-Deals, missbrauchen. Die Anwendung bestimmter Zuteilungsverfahren wird hingegen durch das BEHG nicht vorgeschrieben. Hinsichtlich der Fairness und der Gleichbehandlung müsste jedoch dem Losverfahren oder der Quotierung Vorzug gegeben werden. Da die börsenrechtlichen Verhaltensregeln lediglich die das IPO begleitenden Emissionshäuser binden, wäre ein Ausbau der gesetzlichen Regeln in der Weise zu überlegen, dass die künftigen Publikumsgesellschaften im Falle eines IPOs mittels DPO ebenfalls zu einer Zuteilung nach objektiven Kriterien verpflichtet wären. Bei einer Verletzung der börsenrechtlichen Verhaltenspflichten können die Emissionshäuser einer vertraglichen wie einer ausservertraglichen Haftung unterliegen. Hierbei haben die geschädigten Anleger das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen zu beweisen, was besonders im Fall einer Nichtzuteilung bei einem überzeichneten IPO bezüglich des Kausalzusammenhangs zwischen der Nichtzuteilung und der Verletzung der Verhaltenspflichten grosse Schwierigkeiten mit sich bringt. Da die geschädigten Investoren mit einer allfälligen Klage ein grosses Kosten- und Prozessrisiko eingehen, sind diesbezügliche Klagen allerdings äusserst selten. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn der Gesetzgeber diese Risiken mittels besonderer Regelung abschwächen würde. Aufgrund der geringen Zahl der Klagen ist es im Hinblick auf die Durchsetzung der Verhaltenspflichten umso wichtiger, dass die EBK eine strenge Überwachung der Institute wahrnimmt. 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 250 Die Globalisierung ist im Bereich der Finanzmärkte am Weitesten vorgedrungen. Für die Schweiz ist es infolgedessen nicht mehr zweckmässig, sich der internationalen Entwicklung zu verschliessen. Um möglichst viele ausländische Gesellschaften anzuziehen, ist es sinnvoll und für die Börsen sogar überlebensnotwendig, sich diesen Entwicklungen anzupassen. Der Weg der Selbstregulierung, den die schweizerische Börsengesetzgebung gewählt hat, weist vor allem den Vorteil der Flexibilität auf. Dadurch ist es möglich, die an Publikumsgesellschaften gestellten Anforderungen rasch den veränderten globalen Verhältnissen anzupassen. Die in Art. 1 BEHG aufgestellte Transparenzpflicht wird in Art. 8 Abs. 2 BEHG nochmals speziell für die Zulassung von Effekten aufgenommen. Darauf fussen die börsenrechtlichen Kotierungsvorschriften. Die Börsen sehen sich einer immer stärker werdenden Konkurrenz bezüglich der Gewinnung neuer Emittenten ausgesetzt. Aufgrund dieses Drucks sind die Schweizer Börsen gezwungen, ihre Kotierungsvorschriften laufend den (internationalen) Markterfordernissen anzupassen. 1284 Da der Heimmarkt der Schweizer Börsen für ein Überleben zu klein ist, liegt es in ihrem eigenen Interesse, die Kotierungsvoraussetzungen möglichst offen zu halten, um so auch ausländische Emittenten für eine Kotierung zu gewinnen. Folglich ist die schweizerische Börsengesetzgebung offen und liberal ausgestaltet. Trotzdem sind gewisse Vorschriften zum Schutz der Anleger notwendig. Im Wissen, dass Anleger nur zu Investitionen bereit sind, wenn von den kotierten Unternehmen ein Mindestmass an Vorschriften erfüllt wird, sind die Gesellschaften auch bereit, die entsprechenden Pflichten zu erfüllen. So konnten sich einige Anforderungen an Publikumsgesellschaften den Marktbedürfnissen anpassen, wofür eine Gesetzesrevision Jahre beanspruchen würde. Aufgrund der flexiblen Regelung der Börsengesetzgebung war es der SWX beispielsweise möglich, dem Druck des Marktes nachzugeben und im Bereich der Publizität bezüglich der Corporate Governance international konforme Bestimmungen zu erlassen. Auf diese Weise entsteht in der Schweiz kontinuierlich ein neues Recht für Publikumsgesellschaften. Art. 8 BEHG entsprechend hat die SWX für ihr Hauptsegment ein umfassendes Kotierungsreglement erlassen, welches Vorschriften über die Handelbarkeit der Effekten enthält und den Publikumsgesellschaften die Pflicht auferlegt, alle Informationen zu veröffentlichen, die für die Beurteilung der Eigenschaften der Papiere und der Qualität der künftigen Publikumsgesellschaft durch die Anleger nötig sind. Damit kennt die SWX Kotierungsbestimmungen, die für eine ausreichende Information der Anleger sorgen und sich stark an den internationalen Standards orientieren. 1284 Vgl. Art. 8 Abs. 3 BEHG. 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG 251 Mit der virt-x versuchte die SWX einen Schritt nach vorne zu machen, um sich als Global Player auf dem internationalen Markt zu etablieren. Bis anhin erwies es sich als äusserst schwierig, den Handel von Titeln von den etablierten Märkten abzuziehen. Wie sich die virt-x entwickelt und ob sie die hoch gesteckten Ziele erreichen wird, muss die Zukunft zeigen. Der New Market hat die in ihn gesteckten Erwartungen nicht erfüllt. Durch die Einstellung der Marketing-Aktivitäten, das schlechte Image und die Abwanderung einiger Unternehmen sieht die Zukunft dieses Segments nicht allzu gut aus. Die Überlebenschancen des SWX New Markets haben sich noch weiter verschlechtert, seit die DBAG angekündigt hat, ihren Neuen Markt aufzulösen. Hinsichtlich der Regelung des New Markets kann der SWX hingegen kein Vorwurf gemacht werden. So sind die Anforderungen, welche die SWX an die kotierten Gesellschaften stellt, relativ streng und anlegerfreundlich. Allerdings war es den Unternehmen nicht möglich, die grossen, in sie gesteckten (indes vielfach auch selbst geschürten) Erwartungen zu erfüllen. Somit sind die Neuen Märkte ihrem anfänglich zu grossen Erfolg zum Opfer gefallen und weisen heute ein derart schlechtes Image auf, dass die Anleger nicht mehr gewillt sind, dort zu investieren. Es ist durchaus möglich, dass aufgrund des Misserfolgs des New Markets das Segment der Local Caps an Bedeutung gewinnen wird. Allerdings weist sich letzteres Segment nicht durch strengere und anlegerfreundlichere Kotierungsbestimmungen aus. Die neuen elektronischen Emissions- und Handelsplattformen verzeichneten in der Phase der Börseneuphorie ein gewisses Wachstum. Ihr Tätigkeitsbereich liegt allerdings in einem schwierigen Umfeld. So ist die Konkurrenz durch etablierter Börsen gross. Noch stärker als beim New Market halten sich die Anleger momentan mit ihren Investitionen in Internet-Märkte zurück. Auch der Vorteil der Kostenersparnis ist heutzutage eher gering, da die etablierten Börsen ebenfalls elektronische Handelssysteme besitzen, die es erlauben, die Kosten niedrig zu halten. Solche Plattformen agieren damit in einem engen Markt. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, qualitativ herausragende Emittenten zu finden und sich das Vertrauen der Anleger zu sichern, was sich bei der momentanen Marktsituation als äusserst schwieriges Unterfangen erweist. Bezüglich des rechtlichen Umfelds fallen Emissions- und Handelssysteme mit Sitz in der Schweiz unter die schweizerische Börsengesetzgebung und damit unter die Aufsicht der EBK. Ein Offering ist nach schweizerischem Recht zu beurteilen, wenn die künftige Publikumsgesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat oder wenn Schweizer Anleger angesprochen werden und so die Schweiz als Ausgabeort im Sinn von Art. 151 Abs. 3 und Art. 156 IPRG betrachtet werden kann. Die aktienrechtlichen Publizitätsanforderungen 252 4. TEIL SCHLUSSBETRACHTUNG erweisen sich allerdings als ungenügend, weshalb eine Unterstellung unter das schweizerische Recht für die Anleger in der Regel keine grossen Vorteile mit sich bringt. Daher wäre ein Ausbau der Regeln bezüglich Inhalt und Pflicht zur Erstellung eines Prospekts zu begrüssen. Immerhin kann mit der Qualifikation der Schweiz als Ausgabeort des Offerings die Prospekthaftung von Art. 752 OR zur Anwendung gelangen. Aus alledem geht hervor, dass der Finanzplatz Schweiz für IPOs mit einzelnen Ausnahmen eine umfassende Regelung kennt, wobei ein bedeutender Bereich in Form der Selbstregulierung erlassen worden ist. Auf diese Weise wurde eine flexible Lösung geschaffen, die es erlaubt, die Rechtsordnung den internationalen Gegebenheiten und Anforderungen schnell und einfach anzupassen. Damit das IPO letztlich für die künftige Publikumsgesellschaft, deren Angestellte, die Investoren und die Emissionsbegleiter zu einem Erfolg wird, ist es unerlässlich, dass bei der Planung und Durchführung des IPOs vorliegend aufgezeigte Rechtslage möglichst frühzeitig berücksichtigt wird. LEBENSLAUF Daniel Zbinden Geboren am 4. Mai 1973 in Basel 1989 – 1992 Gymnasium Münchenstein (BL), Maturität Typus E 1993 – 1998 Universität St. Gallen (HSG) 1996 – 1997 Universität Neuchâtel Okt. 1998 Lizentiat der Rechtswissenschaft der Universität St. Gallen (HSG) 1998 – 2001 Assistent am Institut für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht der Universität St. Gallen bei Prof. Dr. Chr. J. Meier-Schatz 1999 – 2000 Doktorandenstudium an der Universität St. Gallen (HSG) 2001 – 2002 Auditor am Bezirksgericht Rorschach (SG) Juni 2003 Anwaltspatent, St. Gallen Seit Juni 2003 Tätig als Anwalt in St. Gallen