Dem Boycott widerstanden

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Dem Boycott widerstanden
Dem Boycott widerstanden
Barbara Kopples Meisterwerk über die »Dixie Chicks« kommt ins
Kino
Autor: Hans-Günther Dicks
Datum: 09. August 2007
----Filmtitel: The Dixie Chicks - Schut up and sing!
Regie: Barbara Kopple
10. März 2003, London. In der größten Antikriegsdemonstration, die die
Themsestadt je erlebt hat, haben am Nachmittag eine Million Menschen am
Trafalgar Square demonstriert, um in letzter Minute ihr Nein zu den
Kriegsplänen von US-Präsident Bush gegen den Irak in die Welt zu rufen. Etwas
von dieser Stimmung muss am Abend auch in das riesige Auditorium des
Shepherds Bush Empire hinübergeschwappt sein, wo die Dixie Chicks vor
einem begeisterten Publikum das Auftaktkonzert zu ihrer Welttournee geben.
30 Millionen verkaufte Alben haben die drei Girls aus Texas zur erfolgreichsten
Country-Blues-Band aller Zeiten gemacht, und seit sie beim wichtigsten
Sportereignis der USA, dem Super Bowl, ergriffen die US-Hymne vorsingen
durften, scheint ihre Popularität keine Grenzen mehr zu kennen. Und dann
passiert es: Leadsängerin Natalie Maines ruft von der Bühne in den Saal: »Damit
ihr es wisst: Wir wollen diesen Krieg nicht, und wir schämen uns, dass der
Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stammt.«Der Applaus, der ihnen
entgegendröhnt, wird für einige Zeit ihr letzter sein. Denn ihre spontane, kühne
Wortmeldung wird auch in Washington gehört – und hat für die drei ungeahnte
Folgen. Von interessierten Kreisen kräftig geschürt, beginnt sofort eine
beispiellose Hetz- und Boycottkampagne gegen das Trio. Die rechtskonservative
Presse überzieht sie mit Attributen wie »Verräterinnen« und »Saddams Engel«,
die Rundfunksender spielen ihre Songs nicht mehr und rufen die Fans sogar
auf, die CDs der Dixie Chicks abzuliefern, um sie dann medienwirksam
plattwalzen zu lassen. Und der rechte Mob reagiert mit anonymen
Beschimpfungen und sogar konkreten Morddrohungen.Unter dem Druck der
einbrechenden Verkaufszahlen und der besorgten Einflüsterungen ihres
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Managers drohen die zuvor politisch naiven Musikerinnen zu zerbrechen. In
TV-Interviews beginnen sie mit taktischen Rückzugsmanövern, entschuldigen
sich für Natalies Wortwahl, ohne aber ihre prinzipielle Ablehnung von Bushs
Kriegspolitik zu widerrufen. Doch der Mob ist nicht zufrieden. Ein Konzert in
Dallas im Juli 2003 kann wegen der Morddrohung gegen Natalie nur unter
massivem Polizeischutz stattfinden, und auch das neue Dixies-Album wird von
den Sendern boycottiert. Die drei Musikerinnen, inzwischen allesamt junge
Mütter, suchen Ruhe und Halt in ihren Familien – zu Kreuze kriechen wollen
sie dennoch nicht.Die Dokumentaristin und mehrfache Oscar-Gewinnerin
Barbara Kopple (»Harlan County, USA« u.a.) hat gemeinsam mit Co-Regisseurin
Cecilia Peck das Geschehen um das Trio über mehrere Jahre verfolgt und nun
in »The Dixie Chicks – Shut Up and Sing!« zur Chronik eines politischen
Skandals in der ansonsten »unpolitischen« Musikszene verdichtet. Dank ihrer
großen Nähe zu ihren Protagonistinnen ist daraus zugleich das intime Porträt
dreier junger Frauen und ihres politischen Reifungsprozesses geworden. Denn
so beeindruckend auch das Material, das die beiden von den Protestaktionen
und Konzerten der Dixie Chicks zusammengetragen haben, die stärksten
Passagen ihres Films sind doch jene, in denen aus den Gesprächen in ihren
Familien oder mit ihrem Manager Zerbrechlichkeit, aber auch verhaltene
Rebellion aufscheinen. Da werden Spannungen sichtbar, Risse, die durch das
äußerlich so homogen erscheinende Trio gehen, wenn die eine dem Boycott
durch musikalische Umorientierung entkommen will, die andere aber das
Bewährte nicht aufgeben möchte.Dass diese Spannungen das Trio nicht
zerrissen, sondern am Ende nur politisch gefestigt haben, ist wohl auch ein
ungewollter »Erfolg« derer, die mit ihrer verbohrten Hass- und Hetzkampagne
eine politisch nicht genehme Meinung zum Schweigen bringen wollten. Natalie
Maines, Emily Robison und Martie Maguire haben sich die Freiheit genommen,
von der die US-Hymne im »Land of the Free« singt, und sie nehmen sie sich
auch weiter. »Es ist, als hätte man uns zusammengeschlagen und wieder in den
Ring geschubst«, sagt Emily. Und stehen sie am 15. Juni 2006 wieder »im Ring«
in Shepherds Bush in London, am Ort ihres »Verbrechens« – nun als
Wiederholungstäter!
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