HEXEN

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HEXEN
HEXEN
Begriffe
Hexe von: haga (Zaun) zussa (Weib); ahd. = Zaunreiterin
- Druiden = Priesterinnen der Kelten, druid (Hochweise); drud,
druide (Hexe, Weissager, Richter, Heilkundiger)
- Unholde (Hexe, Teufelin) holde (Freundin) mhd.
- hägtese (altsächsich), hag (engl) = kluges Weib
wicca (altengl.) = die weise Frau (witch = Hexe)
Ketzerei und Hexerei sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Ketzer vertreten häretische Ansichten, Hexen und Zauberer
stehen freiwillig im Bund mit dem Bösen und richten Schaden
an. Zur Verwischung beider Bereiche trugen die Inquisitoren
bei, die einerseits ihre Befugnisse immer weiter ausdehnen
wollten, und die Praktiken und Versammlungen von Hexen
häretische Anschauungen unterstellten, und die somit das
Hexenwesen als ihr „Arbeitsfeld“ entdeckten.
Hexenforschung
Fast jeder Hexenhistoriker hat seine eigene Erklärung entwickelt, warum die europäische Gesellschaft so hartnäckig versucht hat, die Zauberei (und die Zauberinnen) auszurotten. Es
sind Ansätze, die entweder die Bedeutung des dörflichen Konflikts oder der sozialen Spannungen im allgemeinen, die soziale Disziplinierung und die damit zusammenhängende Kriminalisierung volkstümlicher Praktiken oder die Politik der im Aufbau begriffenen Territorialstaaten, das gespannte geistige
Klima der Gegenreformation oder die verschärften wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Hunger- und Seuchenjahre betonen. Vor rund zwanzig Jahren konnte der Fachmann
noch einfach antworten, dass die großen Hexenprozesse im
frühen 14. Jh. in Südfrankreich aufgekommen waren, dass sie
danach in der Schweiz und in Norditalien gewütet hatten, bevor der Hexenwahn ganz allgemein nach Tirol und in die anderen deutschen Länder, nach England, Schottland und Skandinavien eindringen konnte.
Seit gut 2 Jahrzehnten weiß man aber, dass für die vermuteten französischen Massenprozesse des 14. Jhs. keine feste
Quellenbasis existiert, und dass sich mancher Forscher von
Fälschungen täuschen ließ. Mit einigen wichtigen Ausnahmen
darf man sagen, dass die größten und schlimmsten Hexenprozesse entweder im deutschen Gebiet oder in den anstoßenden Grenzgebieten von Nachbarländern (wie etwa Polen,
Ostfrankreich und Norditalien) stattgefunden haben.
Titelblatt - Schrift des Hexenverfolgers Peter Binsfeld - 1591
Das Titelblatt enthält alle wesentlichen Elemente des Hexereibegriffs:
Das Paar Zinks steht für den Glaubensabfall (gehörnter Teufelspriester), in der Mitte steckt eine Hexe einen Säugling in einen Zaubertopf,
im Hintergrund verursachen reitende Hexen einen Wetterzauber.
Hintergründe
Der Glaube an Hexen reicht in die vorchristliche Zeit, in die
Antike, zurück. Ursprünglich war die Hexe eine Priesterin der
großen Muttergottheit. Sie war ambivalent, d.h. sowohl helfend
und heilend als auch bedrohend und vernichtend. In den
Mythologien verschiedener Völker spielt die Hexe als große
Magierin eine wichtige Rolle. Man denke nur an Medea, die
große mythische Hexe der Antike, oder an die Zauberin Circe bei
Homer. Im Alten Testament geht Saul zur Hexe von Endor, um
sich von ihr die Zukunft weissagen zu lassen.
Die zauberkundigen Frauen standen in gewisser Weise über den
Göttern und waren daher geachtet und gefürchtet zugleich.
Während der gläubige Mensch im Gebet die Gunst der Götter zu
gewinnen trachtet, zwingt die Magierin durch ihre Zauberformeln
die Götter zum Gehorsam. Sie kennt die Gesetze, denen die
Götter sich unweigerlich beugen müssen.
Zu den wichtigsten Hexenkünsten gehört die Heilkunde. Sie hat
ihre Wurzeln bei den Priesterinnen und den geheimnisvollen
Seherinnen. Bis zum 15. Jahrhundert war die Medizin fast
ausschließlich eine weibliche Domäne. Es waren die Frauen, die
die Heilkräuter und deren richtige Anwendung kannten, die bei
der Geburt eines Kindes beistanden, aber auch über Abtreibung
und Empfängnisverhütung Bescheid wussten. Wie die großen
Muttergottheiten, denen sie dienten, waren die Frauen Herrinnen
über Leben und Tod. Das Wissen um die Kräfte und das Wirken
der Natur sind zutiefst weibliche Eigenschaften. Wachstums- und
Fruchtbarkeitsrituale lagen in den Händen der Frauen.
Zeit der Hexenverfolgung
Im Jahre 785 verkündete die Heilige Synode von Paderborn:
„Wer vom Teufel verleitet nach heidnischem Glauben behauptet,
dass es Hexen gibt und sie auf dem Scheiterhaufen verbrennt,
wird mit dem Tode bestraft.“ Dieses Dekret wurde von Karl dem
Großen bestätigt, seine Anordnung sah vor, dass die Bischöfe
alle aus der christlichen Gemeinschaft ausschließen sollten, die
an teuflische Magie und den nächtlichen Flug der Hexen
glaubten. Ein Grund dafür, dass die Kirche ihre Haltung
gegenüber dem Hexenglauben änderte und seine Existenz
eingestand, war die große Verbreitung häretischer Sekten in
europäischen Ländern zwischen 1000 und 1200.
Erste Verurteilungen von Hexen gab es im 13. Jahrhundert mit
dem Aufkommen der Inquisition, die jedoch ihr Hauptaugenmerk
nicht auf Hexen, sondern auf Häretiker richtete.
Hexerei war für die Kirche kein derart bedrohliches Vergehen wie
die Häresie. Dies wird deutlich in der Anweisung Papst Alexanders IV. vom 20. Januar 1260 an die Inquisitoren, Hexen seien
nicht aktiv zu verfolgen, sondern auf Anzeigen hin festzunehmen.
Die eigentliche europäische Hexenverfolgung fand in der frühen
Neuzeit vor allem in Mitteleuropa statt. Bei der europäischen
Hexenverfolgung von 1450-1750 (Höhepunkt 1550-1650, Österreich 1680) handelte es sich nur zum Teil um eine kirchliche Aktion gegen „Ketzer“; oft stärker waren menschliche Reaktionen in
einem Zeitalter der Angst, das in der Verfolgung der Hexen ein
Ventil fand. Die tatsächliche Verfolgung der Hexen geschah, im
Gegensatz zur Inquisition, durch Gerichte und in sehr vielen Fällen aufgrund von Denunziationen aus der Bevölkerung.
Besonders während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648)
wütete die Hexenverfolgung in Mitteleuropa. Der Krieg und die
sogenannte kleine Eiszeit hatten die Felder verwüstet, die Häuser zerstört, die Bevölkerung dezimiert; Hunger und Seuchen
forderten ihre Todesopfer. Gerade in dieser verdächtigten viele
Leute angebliche „Hexen“ und lieferten sie an die Gerichte aus.
Die letzte überlieferte Hinrichtung einer Hexe in Mitteleuropa fand
1793 im Großherzogtum Posen statt.
Bulle „Summis desiderantes affectibus“
Innozenz, Bischof Diener der Diener Gottes, zum
immerwährenden Gedächtnis der Sache.
Überaus groß ist unser Verlangen - wie es der Seelsorge
entspricht -, dass der katholische Glaube gerade zu unseren
Zeiten sich festigt und erstarke und dass jede Art von Häresie
weit von den Gläubigen ferngehalten werde. Zu diesem Zweck
müssen, in Wahrnehmung unseres Amtes, wie durch die
Hacke eines umsichtigen Landarbeiters alle Irrtümer ausgerottet werden. Nun haben wir vor kurzem - zu unserem größten
Bedauern - vernommen, dass in einigen Teilen
Süddeutschlands wie auch im Gebiet von Mainz, Köln, Trier,
Salzburg und Bremen, in Provinzen, Städten, Ländern, Orten
und Diözesen zahlreiche Personen beiderlei Geschlechts,
ohne Rücksicht auf ihr Seelenheil und abweichend vom
katholischen Glauben, mit Dämonen männlicher und
weiblicher Gestalt sich eingelassen haben. Mit Zauberformeln,
Gesängen und Beschwörungen und anderen ruchlosen
abergläubischen Praktiken, durch Verbrechen und Untaten
lassen sie die Säuglinge, den Nachwuchs der Tiere, die
Feldfrüchte, Weintrauben und Baumfrüchte, Männer und
Frauen, Zugtiere, Vieh und Kleintiere und andere Arten von
Lebewesen, auch Weinberge, Obstgärten, Wiesen, Weiden,
Getreide und Gemüse zugrunde
gehen, ersticken und
verschwinden. Sie bewirken,
dass Männer, Frauen, Vieh,
Kleintiere und andere
Lebewesen von grausamen
inneren und äußeren Schmerzen
und Qualen befallen und
gepeinigt werden, dass Männer
nicht zeugen, Frauen nicht
empfangen können, dass
Ehegatten ihren Frauen, Frauen
ihren Männern die eheliche
Erfüllung nicht zu geben
vermögen. Sie scheuen sich
„Hexenschuss“
nicht, den Glauben, den sie
durch die Taufe empfangen haben, mit frevelhaften Worten zu
leugnen und andere zahlreiche ruchlose Ausschreitungen zu
begehen und zu vollenden, zur Gefahr für ihre Seelen, zur
Beleidigung der göttlichen Majestät, zum verderblichen
Beispiel und zum Ärgernis vieler Menschen. Der Feind des
Menschengeschlechts leitet sie dazu an.
Wir haben unseren geliebten Sohn Heinrich Institoris wie auch
Jakob Sprenger -beide sind Theologieprofessoren aus dem
Dominikanerorden - durch apostolische Schreiben zur Untersuchung dieser häretischen Verderbtheit beauftragt. Dennoch
sind einige Kleriker und Laien dieser Gebiete so unverschämt,
den besagten Inquisitoren ihre Tätigkeit in den genannten Gebieten nicht zu gestatten und die Bestrafung der erwähnten
Ausschreitungen und Verbrechen sowie die Verhaftung und
Züchtigung der betreffenden Personen nicht zuzulassen.
Damit es nicht geschieht, dass Provinzen, Städte, Diözesen,
Länder des nötigen Dienstes der Inquisition entbehren, stellen
wir kraft dieses Schreibens mit apostolischer Autorität fest,
dass den Inquisitoren dort die Wahrnehmung der Inquisition
zusteht. Ihnen ist die Möglichkeit zu geben, bei den angegebenen Exzessen und Verbrechen die Maßregelung,
Verhaftung und Bestrafung der Personen vorzunehmen.
Sie dürfen besagte Personen, falls sie diese in den angegebenen Sachen für schuldig finden, zurechtweisen, verhaften,
bestrafen und ihnen Bußen auferlegen; desgleichen dürfen sie
in den Pfarrkirchen der einzelnen Provinzen, so oft es
zweckmäßig ist und es ihnen gut scheint, dem gläubigen Volk
das Wort Gottes darlegen und predigen. Sie haben die volle
Freiheit und Erlaubnis, in allem und jedem das zu tun und
sinngemäß durchzuführen, was ihnen in den genannten
Angelegenheiten als notwendig und günstig erscheint.
Keinem Menschen also darf es erlaubt sein, unsere Erklärung,
den Bereich, den sie betrifft, die Rechte und den Auftrag, den
sie verleiht, zu beeinträchtigen oder verwegen zuwiderzuhandeln. Wer sich jedoch anmaßt, dies zu versuchen, soll wissen,
dass er sich den Zorn des allmächtigen Gottes und der seligen
Apostel Petrus und Paulus zuzieht. Gegeben zu Rom bei St. Peter,
im Jahre 1484 der Menschwerdung unseres Herrn, am 9. Dezember, im
ersten Jahr Unseres Pontifikates.
HEXENPROZESS
Anklage
(Land - Inquisitionsgericht,
Verdächtigung, Anzeige, Gefängnis)
Vorwürfe
(Teufelspakt, Gotteslästerung, Teufelsbuhlschaft,
Ehebruch, Hexensabbat, Hexenflug, Schadenszauber)
Hexenproben
(Hexenmal, „gütliche Vernehmung",
Wasserprobe, Hexenwaage)
Folter ("peinliches Verhör")
(Schreckung, Daumen- und Beinschrauben, Streckung durch
Aufziehen, Auspeitschen, Folterstuhl)
Geständnis /Urteil
(Angabe von Mitschuldigen, öffentliche Gerichtsverhandlung;
Todesurteil)
Hinrichtung:
(Zeremonie, Erdrosselung, Verbrennen)
Das Gottesurteil
Im Volk war der Glaube verbreitet, dass Gott zu Gunsten des
Unschuldigen ein Zeichen gebe. Aus dieser Überzeugung
heraus entstanden Eisen-, Feuer- und Wasserproben und
andere, die unter dem Namen „Gottesurteil“ bekannt sind. Der
Gedanke, dass der Unschuldige unterliegen und der
Schuldige mit Hilfe teuflischen Machwerks siegen könnte,
steht mit dem Glauben an das Gottesurteil in engem
Zusammenhang.
Bei der Wasserprobe wurde das Opfer zunächst mit den
Daumen an die gegenüberliegenden Zehen gebunden und in
einen Fluss oder Teich getaucht. Schwamm der Körper, so
war die Hexerei erwiesen, sank er, so galt die Angeklagte als
unschuldig (in der Regel ertrank sie dann aber). Da Hexen ja
leichter sein mussten, um fliegen zu können, galt dies als
Indiz.
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Rechtswidrigkeiten und
Mängel im Gerichtsverfahren
Denunziation (Verdächtigung)
Folter, Erzwungene Geständnisse, Beweise
Verbindung weltlicher und kirchlicher Gesetzgebung
schriftliches Gerichtsverfahren für Analphabeten
Wehrlosigkeit gegen anonyme Gerüchte
Keine Verteidigung des Angeklagten
Sexualfeindliche und frauenfeindliche Affekte
Keine Milde und Humanität, Todesstrafe das übliche Urteil
Schnelle Belastungszeugen, keine Entlastungszeugen
Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Juristen und Theologen erliegen dem Aberglauben
Der Hexenhammer
(Malleus maleficarum)
Der ,,Hexenhammer“, so die Übersetzung des Titels, gilt als
das verhängnisvollste Werk in der Geschichte des
Hexenglaubens und als die wichtigste Basis der
Hexenverfolgungen. Erstmalig im Jahr 1487 erschienen und
von den beiden dominikanischen Inquisitoren Heinrich
Institoris und Jakob Sprenger (wobei dessen Mitverfassserschaft in letzter Zeit von Historikern in Frage gestellt wird)
zusammengestellt und herausgegeben, stellte es zunächst
unter Berufung auf kirchliche Autoritäten „Beweise" für
Mitwirkung des Satans an der Hexerei zusammen, beschrieb
dann die „Untaten der Hexen“ und bot praktische
Anweisungen für kirchliche und weltliche Hexenjäger im
Inquisitionsprozess.
Der Hexenhammer
Die Frau im „Hexenhammer“ oder: Die Diffamierung der
Frau bekommt „wissenschaftliche“ Form
Die fast ausschließliche Verbindung des Begriffes „Hexe“ mit
dem weiblichen Geschlecht erfolgt nachweislich erst im
„Hexenhammer“. Die Verfasser des „Hexenhammers“ sprechen das Hexenwesen eindeutig dem schädigenden Charakter der Frau zu. Für die Einengung des bislang auch die männlichen Hexer einschließenden Hexenbegriffs auf die weibliche
„Hexe“ liefern die Verfasser eine systematische und zusammenhängende Begründung im 6. Kapitel des ersten Teils:
Auf nahezu 17 Seiten werden zur Beantwortung der Frage,
„warum bei dem gebrechlichen Geschlechte diese Art der
Verruchtheit mehr sich findet als bei Männern", alle Argumente
der frauenfeindlichen mittelalterlichen Theologen in geballter
und bissigster Form zusammengetragen. „Bezüglich des
ersten Punktes, warum sich in dem gebrechlichen
Geschlechte der Weiber eine größere Menge Hexen findet als
unter Männern, frommt es nicht, Argumente für das Gegenteil
herzuleiten, da außer den Zeugnissen der Schriften und
glaubwürdiger (Männer) die Erfahrung selbst solches
glaubwürdig macht." Zunächst gehen die Verfasser ausführlich
auf die ,,Haupteigenschaften der Weiber“ ein. Sie reihen Zitate
aus dem AT und NT von Cicero, Seneca, Thomas von Aquin
und zahllosen Autoren der mittelalterlichen kirchlichen und
profanen Literatur aneinander, um so die generelle „Bosheit...
der Weiber" zu beweisen. „Was ist das Weib anders als die
Feindin der Freundschaft, eine unentrinnbare Strafe, ein
notwendiges Übel, eine häusliche Gfahr; ein ergötzlicher
Schade, ein Mangel der Natur mit schöner Farbe gemalt?...
Entweder liebt oder hasst das Weib; es gibt kein Drittes. Dass
ein Weib weint, ist trügerisch. Zwei Arten von Tränen sind in
den Augen der Weiber die einen für wahren Schmerz, die
andern für Hinterlist; sinnt das Weib allein, dann sinnt es
Böses." Frauen sind habgierig, nichtsnutzig und maßlos eitel,
ungeduldig und tobsüchtig vor Zorn, geschwätzig,
ruhestörend, nörgelnd und zänkisch, gehässig und
eifersüchtig, trügerisch und hinterlistig, unvernünftig und
leichten Verstandes, fast wie Knaben, die Quelle der
Verführung und Sünde und der Ruin fast aller Reiche der
Erde.
Das schlimmste aller Frauenlaster ist jedoch die unersättliche
Sinneslust des weiblichen Geschlechts. Aufgrund dieser
„fleischlichen Begierde, die bei ihnen unersättlich ist", und
ihrem angeborenen Interesse an sexuellen Ausschweifungen
neigen Frauen eher zur Hexerei und zum Teufelskult.
„Dreierlei ist unersättlich (etc.) und das vierte, das niemals
spricht es ist genug, nämlich die Öffnung der Gebärmutter.
Darum haben sie auch mit den Dämonen zu schaffen, um
ihre Begierde zu stillen."
Die besondere Gefährlichkeit der Frau und ihre Anfälligkeit
zur Hexerei liegen, nach Institoris und Sprenger, in der
Tatsache, dass die Frauen von Natur aus leichtgläubiger und
beeinflussbarer sind als Männer: ,,also schlecht ist das Weib
von Natur; da es schneller am Glauben zweifelt, auch
schneller den Glauben ableugnet was die Grundlage für die
Hexerei ist". Diese Behauptung unterstreichen die Autoren
des ,,Hexenhammer" durch eine pseudowissenschaftliche
Herleitung des Wortes femina: ,,das Wort femina nämlich
kommt von fe und minus (fe fides, Glaube; minus = weniger
also femina = die weniger Glauben hat)."
Die Schöpfungsgeschichte wird in der Argumentationskette in geradezu grotesker Weise uminterpretiert: die
paradiesische Verführung Adams durch Eva wird darauf
zurückgeführt, dass die Frau als Teufelswerkzeug zur
Verführung des Mannes geschaffen worden sei. „Ich fand das
Weib bitterer als den Tod; sie ist eine Schlinge des Jägers;
ein Netz ist ihr Herz; Fesseln sind ihre Hände; wer Gott
gefällt, wird sie fliehen; wer aber ein Sünder ist, wird von ihr
gefangen werden. Die Tatsache, dass Eva „aus einer
krummen Rippe geformt wurde, d. h. aus einer Brustrippe,
die gekrümmt und gleichsam dem Mann entgegen geneigt
ist", beweist den beiden Dominikanern, dass ,,das Weib nur
ein unvollkommenes Tier ist", welches „in allen Kräften der
Seele wie des Leibes mangelhaft" ist.
Zahlen
Für Europa hat der Däne Gustav Henningsen, der schon mit
Zahlen zur Spanischen Inquisition hervorgetreten ist, auch bei
den Hexen-Verfolgungen die Gesamtzahlen vorgelegt:
Die bis in die Gegenwart hinein wiederholte, im 18. Jahrhundert auf abenteuerliche Weise errechnete Zahl von 9 Millionen
Opfern lebt von Polemik, ist fern aller Realität.
Der Anteil der Frauen lag bei 75 bis 80 Prozent.
Land
Einwohner
(um 1600)
Hinrichtungen
Portugal
1.000.000
7(?)
Spanien
8.100.000
300 (?)
Italien
13.100.000
1.000 (?)
Niederlande
1.500.000
200
Frankreich
20.000.000
4.000 (?)
England/Schottland
6.500.000
1.500
Ungarn
3.000.000
800
Belgien/Luxemburg
1.300.000
500
Schweden / Finnland
800.000 /350.000 356 / 115
Tschechien/Slowakei
200.000
1.000
Österreich
200.000
1.000 (?)
Dänemark/Norwegen
970.000
1.350 (?)
Deutschland
16.000.000
25.000
Polen/Litauen
3.400.000
10.000 (?)
Schweiz
1.000.000
4.000
Liechtenstein/Slowenien
3.000 / ??
300/ 100
Estland/Lettland/Russland
165
Total
78.473.000
51.692
Verfolgungen in der Steiermark: 1546-1649: 144 Angeklagte, 66 Verfahren / 1650-1699: 621 Angeklagte, 129 Verfahren,
1700-1746: 55 Angeklagte, 25 Verfahren
Friedrich von Spee: Warum Hexen
nicht verfolgt werden sollten
Die herausragendste Persönlichkeit auf katholischer Seite im
Kampf gegen den Hexenwahn ist ein Jesuit namens Friedrich
von Spee (1591-1635) mit seinem Werk „Cautio criminalis“,
erstmals 1631 anonym erschienen. Kühn, energisch und
radikal geht dieser Jesuit mit den Hexenprozessen ins
Gericht. Pater Friedrich Spee ist der Meinung, die Inquisition
und die Ausrottung der Verbrecher müssten ein für allemal
unterbleiben:
„Im Neuen Testament gebietet es so unser Meister Christus
ausdrücklich im Gleichnis vom Unkraut im Weizenacker (Mt
13). Dort fragen die Knechte des Hausvaters: „Willst du, dass
wir hingehen und es aufsammeln?“ und er antwortet: „Nein!
Damit ihr nicht etwa, wenn ihr es aufsammelt zugleich auch
den Weizen ausreißet.“ Dabei ist zu beachten, dass er nicht
nur sagt: „Damit ihr nicht ausreißet“, sondern noch ein
Wörtchen hinzusetzt: „damit ihr nicht etwa ... ausreißet“, um
deutlich zu machen, dass er zweierlei lehren will. In erster
Linie natürlich, dass man das Unkraut nicht ausjäten soll,
wenn dazu auch der Weizen mit ausgerissen werden muss;
das wollen die Worte „auf dass ihr nicht ausreißet“ sagen.
Hernach aber, dass man das Unkraut auch dann nicht
ausjäten soll, wenn nur schon eine Gefahr besteht, dass
zugleich der Weizen mit ausgerissen werden könnte; das will
das hinzugesetzte Wörtchen „damit ihr nicht etwa ...
ausreißet“ besagen. Hier macht jedoch der Heiland keinen
Unterschied, ob diese Gefahr auf einem Verschulden der
Knechte, die das Unkraut vertilgen wollen, beruht oder nicht,
sondern er sagt ganz einfach und unbedingt, man dürfe
wegen dieser Gefahr das Unkraut nicht ausjäten.
Man kann nicht alles Ärgernis aus der Welt schaffen, man
muss vieles geschehen lassen, was sich nicht gut ändern
lässt. Es ist besser dreißig und noch mehr Schuldige laufen
zu lassen, als auch nur einen Unschuldigen zu bestrafen.
Es muss auch als unangebrachter Eifer bezeichnet werden,
dass man allenthalben zetert, die Magie sei ein ganz
verborgenes Verbrechen ... Gott hat wohl befohlen, die
Verbrechen zu bestrafen, doch nur sofern sie nicht ganz
verborgen sind; soweit die Unschuldigen gut von den
Schuldigen zu unterscheiden sind. Sonst aber ist schon vom
Unkraut gesagt, das zwischen dem Weizen aufgegangen ist.
„Lasset beides zusammen bis zur Ernte“.
Ich wiederhole also, wenn die Fürsten solche fanatischen
Eiferer voll ungezügelter Leidenschaft um sich dulden, dann
ist mit Recht zu fürchten, dass sie (wie so häufig geschieht)
von der Leidenschaft berauscht, viele Dinge nicht bedenken
und verhindern, die den unschuldigen Bürgern gefährlich
werden müssen, wenn die Prozesse erst einmal in Gang
gekommen sind. So gerät dann zugleich auch der Weizen in
Gefahr. Damit das nicht eintritt, wird man den Fürsten raten
müssen, nicht nur die Prozesse so vorsichtig wie möglich
führen zu lassen, sondern ganz einfach überhaupt keine
Hexenprozesse führen zu lassen.
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Friedrich Spee fordert folgende Maßnahmen:
Ablehnung der Denunziation Mitschuldiger, Gerüchte,
Ende der Folter; sie bringt Unschuldige in Gefahr,
eine neue Gesetzgebung, Carolina ist veraltet,
feste Besoldung der Beamten, Prüfung der Eignung,
Der Gefangene muss Rechtsbeistand erhalten,
Indizien sind von juristischen Fakultäten zu prüfen,
Hexenmal soll nicht als Indiz gelten,
Aufklären der Bevölkrung über Aberglaube und Neid.
Kirche oder Staat?
Die aufklärerisch-liberale Interpretation der Hexen-Verfolgung
lautete, wie die Aufarbeitung der Hexerei-Geschichtsschreibung inzwischen ergeben hat: „mehrere Millionen Opfer, mittelalterliches Phänomen und ausschließliche Schuld bei der katholischen Kirche bzw. der Inquisition"(Gustav Henningsen).
Das Gegenteil ist inzwischen herausgearbeitet: weder Millionen Opfer, noch mittelalterliches Phänomen, sogar Ablehnung
seitens der Päpste und der Inquisition. Bedeutet das nun, dass
die Kirche bzw. die Kirchen gar nicht beteiligt waren, also mit
Hexen-Verfolgung wenig zu tun hatten?
Zauberei galt schon in
der Antike als obrigkeitlich zu verfolgendes
Vergehen, und so auch
in Mittelalter und Neuzeit. Die christliche
Erklärung des Zauberschadens unterstellte
einen Teufelspakt, bei
Verzicht allerdings auf physische Eliminierung. Im spätmittelalterlichen Reformbemühen kam das Postulat der strikten Verfolgung auf, sogar - wie bei Häretikern - mit Tötung. Überraschenderweise aber lehnte die zur Häretiker-Verfolgung bestellte Inquisition Hexen-Tötung ab, wie ebenso - noch wichtiger - die Päpste. Wohl galten Schadenszauber und damit auch
Hexerei wie bei den kirchlichen so bei den weltlichen Instanzen als wirklich existent und strafbar. Darum verfolgte die weltliche Justiz den durch Hexerei angerichteten Schaden als
justiziables Verbrechen. Die kirchliche Vorgehensweise wollte
allerdings nur geistliche Bestrafung, bei Verzicht auf Körperstrafen. Da jedoch kirchlicherseits bei den Ketzern die Todesstrafe möglich geworden war, musste allen Hexern und Hexen
wegen ihres häretischen Teufelspaktes ebenfalls der Tod drohen. Aber die Kirchengerichte wie besonders auch die Inquisition hielten sich zurück, ja lehnten ab. So ist am Ende festzustellen: Zauberei galt allgemein als teuflisch, wegen des Teufelspaktes als Glaubensaufkündigung, wurde aber kirchenoffiziell nicht mit dem Tode geahndet, allerdings nicht deswegen,
weil man die Todesstrafe grundsätzlich für bedenklich gehalten
hätte, sondern weil man bei Hexerei den erforderlichen juristischen Erweis für unmöglich hielt. Bemerkenswert ist, wie der
Zeitgenosse Friedrich Spee die Verantwortlichkeiten verteilte.
Er stellte folgende Abfolge auf: „1. die Fürsten, 2. die Ratgeber
der Fürsten, 3. die Hexenrichter, 4. die Hexenbeichtväter, 5.
das Volk, 6. die Hexenliteratur, 7. die Prediger.
(Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt, S.317; Münster 2007)
Was können wir lernen aus
der Zeit der Hexenverfolgung?
 Sich objektiv informieren.
 Wie ist das Unrecht zustande gekommen?
Völker, Gruppen, Einzelgänger, Familie.
 Bei Unrecht nicht wegsehen.
 Persönliche Anteilnahme
 Parteizwänge, Gruppenmeinung, Systemtreue beachten.
 Wo werden Frauen ausgebeutet?
Werbung, Beruf.
 Wird die Justiz missbraucht von Mächtigen?
 Gesetz und Moral für das eigene Leben hinterfragen.
 An wem werden gefahrlos Aggressionen abreagiert? Wo
werden Gruppen verteufelt?
 Gibt es in meiner Umgebung schuldlose Sündenböcke?

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