Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945 Sonderausstellung der

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Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945 Sonderausstellung der
Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945
Sonderausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz,
Mai 2000 – Januar 2006
Der Golf- und Landclub Berlin-Wannsee
Mitglieder des britischen und amerikanischen diplomatischen Korps gründeten 1895 in Berlin-Westend
den "Berlin Golf Club", ab 1914 "Golf Club Berlin". Mit
Verlegung des Hauptstandortes nach Wannsee erhielt
der Club 1924 seinen heutigen Namen: "Golf- und
Land-Club Berlin-Wannsee". In der Kaiserzeit spielten
auch Mitglieder des britischen und deutschen
Herrscherhauses im Club. Nach der Inflation wurde
mit der Einführung der Rentenmark wieder eine
stabile Währung geschaffen, die es dem Golfclub
ermöglichte, den schon lange anvisierten Grunderwerb des Terrains und Neubau in Wannsee zu
realisieren. Insbesondere das Engagement des
Bankiers Herbert Gutmann brachte den Umzug nach
Wannsee auf den Weg.
Einweihung 1926
Um die Finanzierung der 2 mal 18-Lochanlage, des
Clubhauses und des Platzes zu ermöglichen, mussten
neue, wirtschaftlich potente Mitglieder geworben
werden: die Aufnahmegebühr betrug 1.000 RM - 1925
eine beträchtliche Summe -, der Jahresmitgliedsbeitrag 300 RM. Um den Neubau zu ermöglichen,
konnte Gutmann die Mitglieder überreden, zinslose
Darlehen von je 10.000 Mark zur Verfügung zu
stellen. Gutmann erinnerte sich "dass es Zeiten gab,
wo man mir im großen Bogen auswich, aus Angst,
von mir angepumpt zu werden." Etliche Bewohner der
Villenkolonie in Wannsee und deren Freunde waren
Mitglieder des Golfclubs, so z. B. Paul Huldschinsky,
Alfred Breslauer, Bankier Richter, von Flotow, Bankier
von der Heydt.
Das Clubhaus stand auf einer sanften Anhöhe in der
märkischen Landschaft mit breiten Terrassen, die sich
fast über 114 m Länge erstreckten. Zur Seite ein
mächtiger Uhrturm, der zum Wahrzeichen der imposanten Anlage wurde. Über eine Freitreppe gelangten
die Besucher des Clubhauses in eine große Halle, aus
der sie rückwärts blickend ein wunderschönes
Panorama bis zum Griebnitzsee und dem Park von
Babelsberg genießen konnten. Die Innenausstattung
war hochmodern. Im Mai 1926 versammelte sich
alles, was damals in Berlin Rang und Namen hatte zur
Einweihungsfeier. Herbert Gutmann, Rudolf Ullstein
und Oberbürgermeister Böß hielten Ansprachen,
bevor die Clubfahne in Grün und Weiß gehisst wurde.
Der Neubau des Clubhauses wurde von der damaligen Presse in höchsten Tönen gelobt.
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Eduard von der Heydt wählte das Gelände zu
seiner Berliner Adresse. Das Blockhaus, 1927 von
Karl Hoffmann errichtet, zunächst "Weekend-Haus Nr.
4", diente erst Gästen des Golfclubs zur Übernachtung. 1929 ließ von der Heydt das Holzhaus
vergrößern und vom Bauhaus-Meister Marcel Breuer
ausgestalten. Seine Einrichtung war geprägt vom
Zusammenspiel maßgefertigter Einbaumöbel und frei
im Raum placierter Sitzgruppen. Reizvoll war die
Kontrastierung verschiedener Oberflächen: chromgefasste Bücherschränke mit dunklen, polierten
Oberflächen, Tisch und Stühle aus Stahlrohr als
Gegensatz zu naturbelassenen Strohmatten als
Fußbodenbelag.
Innenansicht des Clubhauses
Individuelle Qualität erhielt der Raum - wie Breuer
postulierte - durch die Bewohner. Von der Heydt
dekorierte verschiedene Räume mit ostasiatischen
Plastiken aus seinen Sammlungen. Die Mitgliederzahl
des Clubs wuchs beständig in erster Linie aus
gesellschaftlichen, weniger aus sportlichen Motiven.
Gutmann und das Präsidium wollten Wannsee zum
Mittelpunkt des Golfsports in Deutschland ausbauen.
Die Clubleitung engagierte den renommierten
englischen Golflehrer Percy AlIis, wovon die
deutschen Golfer nachweislich profitierten. Durch ihn
wurde Wannsee zum internationalen Treffpunkt der
Golfwelt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war
Wannsee zwölfmal Austragungsort deutscher
Titelkämpfe. Zwischen 1928 und 1932 stand Herbert
Gutmann an der Spitze des Deutschen GolfVerbandes. Ständig war die Presse präsent, nie
wurde so ausführlich über den Golfsport berichtet wie
zur damaligen Zeit.
Siegerehrung durch Gutmann: Internationale
Herrenmeisterschaft 1928,
hinter Gutmann der Freiherr von Senckendorf,
vor der Laterne links mit Hut Lissy Tag
Lissy Tag gehörte zu den erfolgreichsten aktiven
Sportlerinnen. 1929 übertraf sie sogar die führende
deutsche Golferin, Erika Sellschopp. Lissy Tag war
die beste Golferin, die der Club in Wannsee
hervorgebracht hat, war aber nie Mitglied der
Nationalmannschaft, da erst ab 1934 DamenLänderkämpfe ausgetragen wurden.
1933 wurde der Club gleichgeschaltet, das "Führerprinzip" durchgesetzt. Etliche renommierte Mitglieder
mussten den Club und Deutschland verlassen,
darunter Lissy Tag und Herbert Gutmann und seine
Familie. Sportliche Erfolge hielten zunächst bis zur
Olympiade von 1936 an, die auf dem Gelände in
Wannsee ausgetragen wurde. Dort nahm auch der
"beste Golfer aller Zeiten, Bobby Jones" teil. Durch
Einberufungen war ein rasanter Mitgliederschwund zu
verzeichnen. Die begehrten Wohn-räume im Clubhaus
waren allerdings bis Kriegsende immer ausgebucht.
Im Krieg wurden Teile des Platzes mit Flugabwehrbatterien besetzt, 1942 wurde ein Teil des Clubhauses
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durch eine militärische Formation in Anspruch
genommen.
Ende 1944 baute die Wehrmacht unweit des Clubhauses einen Tiefbunker auf dem Gelände, der bis
zuletzt von der Bevölkerung benutzt wurde. Im April
1945 fanden Panzerübungen für Volkssturmleute auf
dem Gelände statt. Ende April rückten sowjetische
Kampfeinheiten vor, hoben Schützengräben aus und
brachten Artillerie in Stellung. Bei den schweren
Kämpfen in den letzten Kriegstagen wurden das
Clubhaus und die meisten Bungalows durch
Granattreffer stark beschädigt. Unter den vielen
Gefallenen befanden sich auch die Club-sekretärin
Mita Kribben und der Garderobier Schumann. 1947
zog der Club in ein kleines Ersatzquartier nach BerlinKladow um, 1950 bekam er einen kleinen Teil des
alten Geländes am Stölpchenweg in Berlin-Wannsee
von den Amerikanern zurück. Ein neues Clubhaus
wurde 1953 errichtet.
1989 wurde beschlossen, die seit 1945 getrennten
Plätze des "Berlin Golf Club" der Amerikaner und des
Golf'- und Land-Clubs Berlin-Wannsee wieder
zusammen-zulegen. Die Amerikaner hatten nach
1945 mit viel Sachverstand und Aufwand die Anlage
wieder herge-richtet und ein neues, funktionelles
Clubhaus gebaut. Die Rückgabe erfolgte mit dem
Abzug der amerikanischen Einheiten aus Berlin 1994.
© Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin 2012
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