Vortrag "175 Jahre Regierung von Mittelfranken in Ansbach" am

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Vortrag "175 Jahre Regierung von Mittelfranken in Ansbach" am
Vortrag "175 Jahre Regierung von Mittelfranken in Ansbach" am 19.11.2012
(Herbert Schott)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
"175 Jahre Regierung von Mittelfranken in Ansbach": Diese Formulierung verbindet drei
Aspekte, die nur zusammen eine Einheit ergeben und den Grund, warum wir heute hier im
Ansbacher Schloss zusammengekommen sind. Geschichte verläuft nicht immer geradlinig
und folgerichtig, manche Entwicklungen brauchen Zeit, andere uns selbstverständlich
erscheinenden Ergebnisse historischen Wirkens, Planens und Entscheidens hätten auch ganz
anders kommen können. Lassen Sie uns deshalb einen kurzen Blick auf drei Stränge werfen:
die Entstehung und Geschichte der Bezirksregierungen, die Genese des heutigen
Mittelfranken einschließlich der Namensgebung und last but not least die Frage, warum
Ansbach und nicht Nürnberg der Regierungssitz dieses Regierungsbezirkes ist.
Wenden wir den Blick etwa 220 Jahre zurück, d.h. ins Jahr 1792. Damals gab es hier in
unserem Raum keine Regierung im heutigen Sinne, der Name Mittelfranken war noch
unbekannt und Ansbach hatte gerade seinen Status als Residenzstadt des Fürsten von
Brandenburg-Ansbach verloren. Wenn man dazu noch bedenkt, in welch schlechtem
Zustand die Reichsstadt Nürnberg stand, in ihrem Besitzstand bedrängt von Preußen und
Bayern, das Stadtregiment umstritten und die Stadt quasi pleite, dann kann man ermessen,
dass unsere Region eher ein Krisengebiet war.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und hier v.a. Franken war am Ende des 18.
Jahrhunderts ein Fleckerlteppich von relativ unabhängigen Territorien. Im heutigen
Mittelfranken waren dies v.a. die Reichsstadt Nürnberg mit ihrem Landgebiet, die
Reichsstädte Windsheim, Weißenburg, Rothenburg o.d.T. und Dinkelsbühl, außerdem die
Fürstentümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth, das Hochstift Eichstätt, die
Herrschaft Pappenheim, die gefürstete Grafschaft Schwarzenberg und der Deutsche Orden.
Die Aufzählung ließe sich noch um einiges fortsetzen. 1792 war das revolutionäre
Frankreich im Krieg mit den alten Mächten, es propagierte nicht nur Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, sondern erließ auch eine Verfassung und schuf eine moderne Verwaltung.
Das Königreich Preußen, in Franken vertreten durch seinen Minister Hardenberg,
reformierte und modernisierte die Verwaltung seiner fränkischen Gebiete. Seit 1797/98 gab
es eine Kriegs- und Domänenkammer, diese war für die Verwaltung zuständig, die als
"Regierung" bezeichnete Stelle war dagegen die oberste Justizstelle im Fürstentum. Bayern,
seit dem Neujahrstag 1806 Königreich, brauchte eine neue, moderne Verwaltung, um die
vielen hinzugewonnenen Territorien mit ihren Sonderrechten und unterschiedlichsten
Traditionen zu vereinheitlichen. Franken unterstand vorerst einem Generallandeskommissär,
dessen Sitz 1806 von Bamberg nach Nürnberg verlegt wurde.
Als Napoleon im Rheinbund einheitliche Strukturen schaffen wollte, erließ man in Bayern
1808 eine sog. Konstitution und sie begleitende Edikte, die etwa die Einteilung Bayerns in
sog. Kreise, die Vorläufer der heutigen Regierungsbezirke, vorsahen. Die Kriegs- und
Domänenkammer in Ansbach wurde aufgelöst, das Amt des Generallandeskommissärs
aufgehoben, dafür wurden in jedem Kreis der Vorläufer einer Regierung eingesetzt, nämlich
sogenannte Generalkreiskommissariate. Diese 1808 geschaffenen Einrichtungen, aus denen
sich die heutigen Regierungen entwickelten, waren Behörden der Inneren Verwaltung, nicht
wie ihr Vorläufer die Regierung in Ansbach ein Justizorgan. Der Generalkreiskommissär
und seine Mitarbeiter waren für den Vollzug der Weisungen des Außen- und des
Innenministeriums zuständig. Außerdem sollte er die Tätigkeit der Außenämter überwachen.
Für die Finanzverwaltung gab es eine eigene Behörde, die Finanzdirektion des Kreises. Sie
stand als eigene Behörde neben dem Generalkreiskommissariat.
Nach dem Sturz des mächtigen Ministers Montgelas 1817 wurde die Verwaltung neu
strukturiert: In der Verordnung "Die Formation, den Wirkungskreis, und den Geschäftsgang
der obersten Verwaltungs-Stellen in den Kreisen betreffend" vom 27. März 1817 wurde
festgelegt: "Die oberste VerwaltungsStelle in jedem Kreise theilt sich in zwei Kamern; die
Kamer des Innern, und die Kamer der Finanzen, welche zusammen die Regierung des
Kreises bilden." D.h. man sprach jetzt von der Regierung des Rezatkreises, Kammer des
Innern, und der Regierung des Rezatkreises, Kammer der Finanzen. Weiter heißt es in der
Verordnung: "Der erste Vorstand im Kreise ist der GeneralKommissär, zugleich Präsident
der Regierung, welchem nach Umständen für dermal in einigen Kreisen auch ein
Vicepräsident zugegeben wird."1 Beide Kammern waren Kollegialbehörden, d.h. es gab
keinen alleinigen Behördenleiter. Diese Funktion übernahm der Regierungspräsident, der
über beiden Kammern stand. Beide Kammern und der Regierungspräsident des Rezatkreises
hatten ihren Sitz im Ansbacher Schloss.
Doch was war die Aufgabe der Regierung des Rezatkreises, Kammer des Innern? In der
Verordnung wird ihr Wirkungskreis so beschrieben: staatsrechtliche und militärische
Angelegenheiten, soweit die Zivilbehörden zuständig sind; Religion und Kultus; öffentliche
Erziehung, Bildung, Unterricht und öffentliche Sitten, Medizinalwesen, Landespolizei,
Kommunal- und Stiftungswesen, allgemeine Statistik. Die Kammer des Innern bestand aus
einem Direktor, sechs Räten, zwei Assessoren, einem Kreisschulrat, einem Kreismedizinalrat
und einem protestantischen Kirchenrat in den Kreisen, deren oberste Verwaltungsstellen auch
protestantische Generaldekanate waren, u.a. in Ansbach. Mit so wenig Personal wären die
vielfältigen Aufgaben der heutigen Bezirksregierung von Mittelfranken nicht im Ansatz zu
bewältigen.
Der preußische Gesandte in München schrieb seinem König im März 1817, der
Generalkommissär sei "eigentlich nur ein Organ des Innenministeriums" gewesen, der über
die Unterbehörden, die anderen Ministerien unterstanden, nur eine allgemeine Aufsicht hatte.
Durch die Zuordnung von zwei Kollegien, den Kammern des Innern und der Finanzen, trete so der Gesandte - statt einer Art französischem Präfekten "eine mehr der preußischen
nahekommende Provinzial-Verwaltung".2 Diese Einteilung blieb bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts. Die Forstverwaltung wurde 1818 nach Auflösung der
Generalforstadministration, die noch für ganz Bayern zuständig gewesen war, an die Kammer
der Finanzen verwiesen. 1885 wurde die Forstabteilung eine quasi selbständige Abteilung
innerhalb der Kammer der Finanzen, 1908 schließlich wurde eine eigene Kammer der Forsten
gegründet, so dass die Regierung unter dem Regierungspräsidenten jetzt aus drei Kammern
bestand.
Sitz des Generalkreiskommissariats und des für die Justiz im Rezatkreis zuständigen
Appellationsgerichts war Ansbach - das für den Pegnitzkreis um Nürnberg zuständige
Appellationsgericht saß in Amberg. Nach Auflösung des Pegnitzkreises 1810 unterstand quasi
1
Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1817, Sp. 233 - 296, hier: Verordnung "Die Formation, den
Wirkungskreis, und den Geschäftsgang der obersten Verwaltungs-Stellen in den Kreisen betreffend" vom
27.3.1817; Zitate Sp. 233 und 234.
2
Bericht des v. Küster d.Ä. an König Friedrich Wilhelm III., 21.3.1817, in: Chroust, Anton (bearb.):
Gesandtschaftsberichte aus München 1814 - 1848. Abt. III: Die Berichte der preußischen Gesandten. Band I
(1814 bis 1825). München 1959 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 39); hier S. 136.
ganz Mittelfranken dem Appellationsgericht in Ansbach. Das Gericht wurde, wie in anderen
Kreisen üblich, schließlich in eine andere Stadt verlegt: 1838 nach Eichstätt, schließlich 1871
nach Nürnberg. Aus dem Appellationsgericht des Rezatkreises wurde schließlich das
Oberlandesgericht Nürnberg.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Regierung nach und nach auf die innere Verwaltung
beschränkt. War im Wilhelminischen Reich das Reich noch Kostgänger der Länder, so drehte
die Weimarer Republik quasi den Spieß um, die Länder wurden jetzt zu Kostgängern des
Reichs. Eine Kammer der Finanzen war überflüssig geworden. In Bayern wurden 1920 drei
Landesfinanzämter eingeführt, das in Nürnberg war für Ober- und Mittelfranken und die
Oberpfalz zuständig. Wichtig ist, dass das Landesfinanzamt Nürnberg eine Reichsbehörde
war, die Finanzverwaltung war also aus der Regierung von Mittelfranken ausgegliedert
worden. Es gab also nur noch eine Kammer des Innern und eine Kammer der Forsten.
In der NS-Zeit wurden etliche Bereiche der Staatsverwaltung "verreichlicht", u.a. die Justiz.
1935 wurde auch die Betreuung der Wälder verreichlicht, es wurden Oberforstdirektionen
geschaffen. Auch als nach Kriegsende diese Verreichlichung rückgängig gemacht wurde, gab
es kein Zurück für die Forstverwaltung unter das Dach der Regierungen. Auch die Regierung
von Mittelfranken blieb wie seit 1935 eingeführt allein für die innere Verwaltung zuständig.
Auch wenn die Regierung heute auf die innere Verwaltung im weitesten Sinne beschränkt ist,
sind ihre Aufgaben doch in den letzten 200 Jahren in erheblichstem Umfang gewachsen.
Auch wenn sie keine staatliche Finanzverwaltung der Mittelbehörde mehr umfasst, ist sie für
die Verteilung von Geldern und insbesondere Zuschüssen jeglicher Art eine zentrale Stelle.
Ohne die Bezirksregierungen hätte man das Konjunkturpaket II, das die Folgen der
internationalen Finanzkrise mildern sollte, kaum so schnell umsetzen können.
Lassen Sie uns jetzt zum zweiten Aspekt übergehen: wie kam es zu einem Regierungsbezirk
mit dem Namen Mittelfranken?
Das Gebiet des heutigen Mittelfranken bestand aus diversen Territorien des Alten Reiches.
Seit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 hatte Bayern immer neue Gebiete hinzu
gewonnen. Zwischen Ende 1802, als bayerische Truppen Rothenburg o.d.T. besetzten, und
1810, als das Fürstentum Bayreuth mit Erlangen und Neustadt a.d.Aisch an Bayern fielen,
wurde das Gebiet des heutigen Mittelfranken bayerisch, auch wenn man 1810 Teile des
Rothenburger Landgebiets und des Fürstentums Ansbach an Württemberg abtreten musste.
Während Bayern anfangs noch eher traditionell seine Gebiete nach Provinzen gliederte, z.B.
die Provinz Franken mit einem Generallandeskommissär an der Spitze, modernisierte es seine
Verwaltung nach dem Ende des Alten Reiches 1806 und der Konstitution 1808 völlig neu.
Ein wichtiger Aspekt war dabei, Bayern in möglichst gleich große Einheiten zu teilen und
gleichförmig verwalten zu lassen, losgelöst von historischen Territorien und Provinzen. Dies
bedeutete nicht, dass Bayern ein Flächenstaat wurde, noch Jahrzehnte gab es Sonderrechte,
die etwa auch hier in Franken galten. Zumindest die alten historischen Stände wurden völlig
ausgeschaltet, der Adel wurde weitgehend mediatisiert, die Kirche rechtlich eingebunden. Auf
der Ebene des Gesamtstaates wurden zentrale Behörden geschaffen, Fachministerien mit
Fachbeamten, das alte Sportelsystem oder gar der Verkauf von Stellungen und damit
verbunden v.a. von Einnahmen wurden abgeschafft. Die Kommunen wurden zwangsweise in
den neuen Staat integriert, auch eine Stadt wie die altehrwürdige und früher mächtige
Reichsstadt Nürnberg verlor jegliche Selbstverwaltung.
Bayern wurde durch das Edikt "die Territorial-Eintheilung des Königreichs Baiern
betreffend" 1808 in 15 sog. Kreise, die Vorläufer der heutigen Regierungsbezirke, geteilt. In
der Vorrede der Verordnung heißt es, man wolle ohne Rücksicht auf die bisherige Einteilung
in Provinzen das Königreich in möglichst gleiche Kreise mit Rücksicht auf die natürlichen
Grenzen einteilen. Es sei Absicht, die Teile des Königreiches "mit dem wohlthätigen Bande
eines gemeinschaftlichen Vaterlandes zu umfassen", man habe "dahin getrachtet, ihnen die
Vortheile näher gelegener unmittelbarer Administrations-Behörden zu verschaffen, und
diejenigen Bezirke, welche durch gleichere Sitten und die Gewohnheit langer Jahre, oder
durch die von der Natur selbst bezeichnete Lage näher mit einander verbunden sind, in ihrer
engeren Vereinigung zu belassen".3 Das Gebiet des heutigen Mittelfranken war weitgehend
auf zwei Kreise verteilt: den Pegnitzkreis um Nürnberg und den Rezatkreis um Ansbach. Die
Namen der Kreise wählte man in Anlehnung an die damalige Weltmacht Frankreich, die in
allem das Vorbild auch für Bayern war, nach Flussnamen - die französischen Departements
heißen heute noch nach Flüssen. Mit Verordnung vom 17. Juli 1808 wurde für jeden Kreis
eine Verwaltungsstelle mit der Benennung „General-Commissariat“ geschaffen. Der
Pegnitzkreis war der kleinste bayerische Kreis, er umfasste auch heute oberfränkische Gebiete
wie Forchheim oder Pottenstein. Der Rezatkreis war zwar größer, aber doch kein großer
Kreis. Eine auch nur annähernde Vergleichbarkeit der einzelnen Kreise in Bayern war trotz
der Vorgaben nicht gegeben. Wenn man sich die Kreise ansieht, muss man konstatieren, dass
sie relativ willkürlich zugeschnitten worden waren. Einerseits war dies angesichts der im
Alten Reich herrschenden chaotischen Territorialverhältnisse nicht anders möglich, wenn man
zusammenhängende Gebiete als einen Kreis erreichen wollte. Andererseits wurde kein
Gedanke daran verschwendet, historische Zusammenhänge erhalten zu wollen.
Nach diversen Grenzveränderungen wollte die Regierung in München 1810 eine
Neueinteilung Bayerns bei gleichzeitiger Verringerung der Zahl der Kreise. Man diskutierte
Varianten mit zwischen neun und fünfzehn Kreisen. Je nachdem sollte es weiterhin einen
Rezat- und einen Pegnitzkreis geben oder nur einen Rezatkreis mit der Hauptstadt Ansbach.
In einem Aktenstück heißt es bezüglich der Diskussionen um den Zuschnitt der Kreise dann
lapidar, dass die Bestimmungen über Bamberg, Ansbach, Nürnberg und Bayreuth „eigentlich
die diffizilsten“ seien, zwei Kreise von diesen vieren könnten eingezogen werden.4 In der
Verordnung des Königs vom 23. September 1810 wurden die jetzt lediglich neun Kreise
beschrieben. Der Rezatkreis umfasste den bisherigen gleichnamigen Kreis mit Ausnahme der
an das Königreich Württemberg bzw. das Großherzogtum Würzburg abgetretenen Gebiete, er
hatte aber zusätzlich das Würzburger Amt Schlüsselfeld erhalten, vom Mainkreis das
Landgericht Höchstadt, außerdem das Fürstentum Bayreuth unterhalb Gebirgs und den
ehemaligen Pegnitzkreis (ohne das Landgericht Pottenstein).
Aber auch diese Einteilung musste schon nach wenigen Jahren den neuen Grenzen angepasst
werden. Während Bayern im Süden und Südosten Gebiete abtreten musste (v.a. Tirol und
Salzburg), gewann es das heutige Unterfranken und die linksrheinische Pfalz hinzu. Aber
auch in den anderen Teilen des Königreichs wurden die Grenzen der Kreise, also der heutigen
Regierungsbezirke, verändert. Durch die Verordnung „die Bildung und Einrichtung der
obersten Stellen des Staats betreffend“ vom 2. Februar 18175 wurde das Königreich Bayern
einschließlich der linksrheinischen Gebiete (Pfalz) in acht Kreise eingeteilt, jedem Kreis sollte
ein Generalkommissär vorstehen. Noch im gleichen Monat wurde eine Verordnung erlassen,
in der der Umfang der Kreise beschrieben wurde: es gab den Isarkreis (Sitz München),
3
Verordnung vom 21.6.1808; Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1808, Sp. 1481 - 1502; Zitat Sp. 1481.
BayHStA (= Bayer. Hauptstaatsarchiv), MInn 65515, hier: "Votum über die neuen Kreiseintheilungen", Zitat S.
7.
5
Regierungsblatt 1817, Sp. 49 - 56.
4
Unterdonaukreis (Straubing), Regenkreis (Amberg), Oberdonaukreis (Augsburg), Rezatkreis
(Ansbach), Obermainkreis (Bamberg), Untermainkreis (Würzburg) und Rheinkreis (Speyer).
Der Umfang des Rezatkreises wurde teils erheblich geändert. 1817 wurden die Gerichte
Forchheim, Gräfenberg und Höchstadt an den Obermainkreis, heute Oberfranken, abgetreten,
dafür konnte sich der Rezatkreis nach Süden ausdehnen, u.a. kamen Nördlingen, Weißenburg,
Ellingen, Pappenheim dazu. Der Rezatkreis blieb ein Konglomerat von Territorien, er reichte
weit in das heute als Schwaben bezeichnete Gebiet hinein.
Im Zuge der restauratorischen und integrativen Politik König Ludwigs I., Sohn und
Nachfolger Max’ I., erfolgte mit Verordnung vom 29. November 18376 eine vierte
Kreisreform. In der Verordnung heißt es: "In der Absicht, die Erinnerung an diese erhebende
Vergangenheit mit der Gegenwart durch fortlebende Bande enger zu verknüpfen, die alten,
geschichtlich geheiligten Marken der U n s untergebenen Lande möglichst wieder
herzustellen, die Eintheilung U n s e r e s Reiches und die Benennung der einzelnen HauptLandestheile auf die ehrwürdige Grundlage der Geschichte zurückzuführen," u.s.w. Die
Anzahl der Kreise blieb gleich, aber es kam zu einigen Gebietsveränderungen: mit Eichstätt,
Beilngries und Kipfenberg wurden historisch eindeutig als fränkisch ausgewiesene Gebiete
mittelfränkisch, die Gebiete im Ries um Nördlingen, Wemding, Harburg und Oettingen
wurden nicht zu Unrecht an Schwaben abgetreten. Entscheidend war die Umbenennung der
Kreise, die nicht mehr nach Flüssen benannt wurden, sondern "historische" Namen bekamen.
Sie sollten die historischen Namen der in Bayern „vereinigten teutschen Volksstämme“
erhalten: in Franken wurde der Rezatkreis zu Mittelfranken (Sitz Ansbach), der
Obermainkreis zu Oberfranken und der Untermainkreis zu Unterfranken und Aschaffenburg.
Während die Bezeichnungen "Unterfranken" und "Oberfranken" für die Gebiete um
Würzburg bzw. Bamberg bereits im 18. Jahrhundert ab und an verwendet wurden, ist der
Begriff "Mittelfranken" eine völlige Neuschöpfung des Königs bzw. seiner Berater und
vermutlich ein Analogieschluss zu den Namen Ober- und Unterfranken. Wilhelm Volkert,
lange Jahre in Regensburg Professor für Landesgeschichte, schrieb 1988: „Die Dreiteilung
Frankens ist neu; Oberfranken und Unterfranken orientieren sich am Flußlauf des Mains. Die
Bezeichnung Mittelfranken wirkt künstlich; denn es liegt mehr in der Mitte von Bayern, als
zwischen den beiden anderen fränkischen Kreisen.“7 Die ganze Verordnung hatte der König
an seinem Kabinett vorbei erlassen, sie beruhte allein auf seinen Vorstellungen. Leider sind
keine Aussagen bekannt, wie er zu diesen Namen kam, wobei eigentlich nur "Mittelfranken"
eine völlige Neuschöpfung war.
Johann Andreas Schmeller, der das Bayerische Wörterbuch herausgab, schrieb in einem
Tagebucheintrag: „Statt lauter Bayern, wie seit 30 Jahren, gibt es, wie wir heute nicht ohne
Überraschung vernehmen, wieder Ober- und Niederbayern, Pfälzer, Oberpfälzer, Mittel- und
Unterfranken und Schwaben.“8 König Ludwig I. wollte die relativ moderne Einteilung
Bayerns beibehalten, aber er dachte historisch, er hatte ja auch die historischen Vereine
initiiert, die Erinnerung an die Geschichte war ihm wichtig und sollte helfen, aus einem
Konglomerat von Territorien ein einiges Bayern zu schaffen. Die Stämme waren für König
Ludwig I. "sprachlich-kulturell geformte Relikte der Territorienwelt des Alten Reiches und
seiner Reichskreise vor deren Eingliederung in den modernen bayerischen Staat". Er wollte
das Präfektursystem französischer Prägung, das er für "unteutsch" hielt, vergessen machen.
Ein Jahr später schrieb er in einer Verordnung, dass die Korrektur der Kreisgrenzen "die alten
6
Regierungsblatt 1837, Sp. 793 - 800.
Volkert, Wilhelm: "Die bayerischen Kreise. Namen und Einteilung zwischen 1808 und 1838". In: Seibt,
Ferdinand (hrsg.): Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag. Band II. München
1988, 308 - 323; Zitat S. 320.
8
Zitiert bei Volkert, "Kreise", S. 319.
7
geschichtlich geheiligten "Marken" der "Uns untergebenen Lande" möglichst wieder
herstellen" wolle, die Landesteile sollten nach seinem Willen auf die ehrwürdigen Grundlagen
der Geschichte zurückgeführt werden.9 Im achten Jahresbericht des historischen Vereins in
Mittelfranken, der 1838 erschien - der Verein hatte seinen Namen dem des Kreises gleich
angepasst -, heißt es über die Neueinteilung der Kreise wörtlich: "Aus der neuen
Landeseintheilung leuchtet wieder der hohe Sinn des Monarchen für die geschichtlichen
Grundlagen, und für die Bewahrung des Andenkens an die Völkerstämme, aus welchen das
Königreich sich gebildet hat, hervor, und die historischen Vereine des Reichs können darin
nur eine erfreuliche Beförderung ihrer eigenen Interessen erkennen."10 Die Bedeutung dieser
Umbenennung kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Was wäre denn gewesen, wenn
unser Regierungsbezirk heute noch "Rezatkreis" heißen würde? Die Umbenennung war für
die Bildung eines fränkischen Bewusstseins in einem Königreich, jetzt Freistaat Bayern,
sicherlich von zentraler Bedeutung, es erleichterte den Franken, sich in Bayern einzuleben.
Wie sehr noch heute die Erinnerung an das Alte Reich präsent ist zeigt der jährlich zur
Gründung des Fränkischen Reichskreises vor über 500 Jahren abgehaltene "Tag der Franken"
oder die Diskussion um das Hissen der fränkischen Fahne auf öffentlichen Gebäuden. Der
frühere Regierungspräsident von Mittelfranken, Heinrich v. Mosch, drückte das vor Jahren
wie folgt aus: "Ohne diese Änderung der Namen der Bezirke würde wie in Hessen und am
Rhein, wo die meisten Franken sitzen, niemand mehr von Franken sprechen".11 Durch die
Abtretung eher schwäbischer Gebiete im Süden konnte man jetzt auch zu Recht von einem
fränkischen Regierungsbezirk Mittelfranken sprechen. Erst durch die Gebietsreform 1972
verlor der Bezirk seinen südlichen Teil an Oberbayern, was historisch gesehen nur schwer
nachzuvollziehen ist. Das Jahr 1837 ist ein entscheidender Einschnitt, denn seit dieser Zeit,
d.h. seit 175 Jahren, gibt es also eine "Regierung von Mittelfranken" - und das in Ansbach,
nicht Nürnberg.
Ob die Regierung hier in Ansbach nur für Mittelfranken zuständig sein sollte, wurde im 20.
Jahrhundert intensiv diskutiert. Tendenzen, Regierungsbezirke zusammenzuschließen oder
gar aufzuteilen, gab es immer wieder. Das bayerische Innenministerium stellte 1917, also
noch während des Ersten Weltkrieges, fest, dass die Grenzen der Regierungs- und
Amtsbezirke nicht mehr den Wünschen der Bevölkerung entsprächen, weshalb man u.a. die
Änderung der Grenzen der Bezirksämter (seit 1939: Landratsämter) und der Kreise
(Regierungsbezirke) andachte. Im Juni 1917 forderte das bayerische Innenministerium das
Regierungspräsidium von Mittelfranken auf, sich über den Plan einer Zuteilung des
Regierungsbezirks Oberpfalz und Regensburg zu äußern und dabei zu ermitteln, was ein
Neubau eines Regierungsgebäudes in Nürnberg kosten würde. Einen Zusammenschluss mit
der Oberpfalz sah der Regierungspräsident von Mittelfranken eher kritisch. Er machte
historische Gründe geltend, dann die Unterschiede in den Konfessionen und im
Wirtschaftsleben. Als Regierungssitz konnte er sich in einem solchen Fall nur Nürnberg
vorstellen.12 Nach dem Ersten Weltkrieg griff man solche Pläne wieder auf, und zwar nur,
weil man sich die Einsparung von Behörden und damit von Geld erhoffte. Die Staatsregierung
in München prüfte unterschiedliche Pläne, am radikalsten wäre eine Einteilung des
rechtsrheinischen Bayern in nur noch zwei Regierungsbezirke, und zwar Nord- und
9
Bosl, Karl: "König Ludwig I. und die Stämme. Bayern ein Stammesstaat?" In: Erichsen, Johannes/Puschner,
Uwe (hrsg.): "Vorwärts, vorwärts sollst du schauen ...". Geschichte, Politik und Kunst unter Ludwig I. München
1986, S. 219 - 234; Zitate S. 225.
10
Achter Jahresbericht des historischen Vereins in Mittelfranken. Für das Jahr 1837. Nürnberg 1838, Zitat S. 5.
11
Mosch, Heinrich von: "Das neue Mittelfranken nach der Gebietsreform". In: Jahrbuch des Historischen
Vereins für Mittelfranken 99(2009), 337 - 347; Zitat S. 346.
12
Vgl. StAN (künftig für Staatsarchiv Nürnberg), Regierung von Mittelfranken, Abg. 1968, Tit. Ib Nr. 297. Im
nächsten Jahrbuch des Historischen Vereins in Mittelfranken wird ein ausführlicher Aufsatz des Verf. zum
Thema der Vereinigung von Oberfranken und Unterfranken erscheinen.
Südbayern, gewesen, auch dies wurde diskutiert, aber etwa von der Regierung von
Mittelfranken 1920 abgelehnt.
1924 wurde wieder ernsthaft über eine Verringerung der Kreisregierungen in Bayern
diskutiert. Jetzt stand eine Zusammenlegung von Oberfranken und Mittelfranken zur Debatte.
Man diskutierte gleichzeitig, das Gebiet um Bamberg an Unterfranken abzugeben, dafür sollte
das vereinigte Mittel- und Oberfranken einige Landkreise der Oberpfalz erhalten. Da der
wirtschaftliche Druck aber immer größer wurde, wurde im Rahmen der sog.
Staatsvereinfachung eine Behörde nach der anderen aufgelöst. Mehrere eigens eingerichtete
Kommissionen zur Staatsvereinfachung tagten. Innenminister Stützel fasste die Stimmung in
der Bevölkerung 1927 wie folgt zusammen: der „größte Teil der Bevölkerung [sei] für die
weitgehende Aufhebung von Behörden mit Ausnahme der Behörden des eigenen Ortes, des
eigenen Bezirkes und des eigenen Berufsstandes“.13 Stützels Konzept aus dem Jahre 1928 sah
vor die „Vereinigung der Regierungen von Niederbayern und der Oberpfalz in Regensburg
und der Regierungen von Oberfranken und Mittelfranken in Nürnberg unter der
Voraussetzung, dass Städte, von denen eine Regierung wegverlegt wird, durch Verlegung
anderer Behörden in diese Städte schadlos gehalten werden und dass die vereinigte Regierung
von Ober- und Mittelfranken ohne sehr erhebliche Belastung der Staatskasse in Nürnberg
untergebracht werden kann.“14 Dr. Kollmann vom Innenministerium legte 1929 eine
umfangreiche Denkschrift vor, in der er sich auch ausführlich über die „Frage der Beseitigung
der Regierungen“ äußerte. Er sprach sich gegen eine Ballung des Verwaltungsapparates in
München aus, außerdem gegen eine Verminderung der Regierungen in Bayern rechts des
Rheins auf zwei oder drei, „und zwar aus verwaltungstechnischen, finanziellen und
staatspolitischen Gründen“. Er schlug eine Verminderung auf vier Regierungen vor, u.a.
wollte er Mittelfranken, Oberfranken und die Oberpfalz vereinigen, Regierungssitz sollte
Nürnberg sein. Eine Alternative sah er darin, fünf Regierungen zu behalten, Mittelfranken
wäre dann nur mit Oberfranken vereinigt worden.15 Innenminister Dr. Stützel stellte im Jahre
1930 im Landtag klar, dass eine „völlige Beseitigung der bayerischen
Verwaltungsmittelstellen, d.h. der Kreisregierungen“, für ihn nicht in Frage komme, das
würden auch andere Länder mit Mittelstellen, z.B. Preußen oder Sachsen, nicht tun.16 Die
Verordnung der Staatsregierung vom 30. Oktober 1931 sah eine Staatsvereinfachung zur
„Sicherung des Vollzugs des Staatshaushalts“ vor. § 46(1) legte fest, dass die Regierungen
von Ober- und Mittelfranken zum 1.1.1933 vereinigt werden, und zwar mit Sitz in Ansbach.17
Nach der NS-Machtergreifung in Bayern wurde ein Dualismus deutlich, der den staatlichen
Bereich überlagerte: die Gaue der NSDAP stimmten nicht mit dem Regierungsbezirk
Oberfranken und Mittelfranken überein. Mittelfranken unterstand als NS-Gau "Franken" dem
berüchtigten Julius Streicher, dagegen Oberfranken zusammen mit der Oberpfalz und
Niederbayern dem Gau "Bayerische Ostmark" unter Hans Schemm bzw. nach dessen Tod
Fritz Wächtler. Im Gespräch war immer wieder, die Gaue und die Regierungsbezirke
räumlich in Übereinstimmung zu bringen. Ministerpräsident Siebert sprach sich etwa 1934 für
eine Aufteilung Bayerns in drei Regierungsbezirke (Nord-, Süd-, Ostbayern) aus, der mit ihm
verfeindete Innenminister Wagner wollte zumindest die Bezeichnung "Franken" für
13
Stützel an den bayerischen Ministerpräsidenten, 8.9.1927; zitiert bei Fürst, Thomas: Karl Stützel. Ein
Lebensweg im Umbruch. Vom königlichen Beamten zum Bayerischen Innenminister der Weimarer Zeit (1924 1933) (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 19). Frankfurt a.M. 2007, Zitat S. 169.
14
Stützel an den Ministerpräsidenten, 13.3.1928; BayHStA, MInn 74029.
15
Die Denkschrift Kollmanns in BayHStA, MInn 74058; das Zitat auf S. 20 der Denkschrift.
16
Stützel in der Sitzung des Bayerischen Landtags vom 10.7.1930, S. 56 des Protokolls; zitiert wurde nach der
Ausgabe in BayHStA, MInn 74029.
17
GVBl. 1931, S. 309 - 318.
Nordbayern - die Oberpfalz wäre ohnehin nur ein Spielball gewesen.18 Im Jahre 1943 wurde
im Innenministerium erneut der Gedanke aufgeworfen, Oberfranken aus dem vereinigten
Regierungsbezirk zu lösen und es mit dem Regierungsbezirk Niederbayern und Oberpfalz zu
vereinigen, also die Gliederung der Parteigaue und der staatlichen Verwaltung wieder in
Einklang zu bringen. Der Regierungspräsident von Oberfranken und Mittelfranken, Dippold,
kam am Ende eines ausführlichen Schriftsatzes zu folgendem Ergebnis: „Für eine Abtrennung
sprechen keine Gründe.“19 Allen weiteren Versuchen, Oberfranken von Mittelfranken zu
trennen, setzte die Reichskanzlei im September 1944 ein Ende, als sie Hitlers Anordnung
weitergab, dass "jedenfalls während des Krieges, grundsätzlich die Regierungen nicht
aufgehoben oder stillgelegt werden sollen".20 Parallel dazu hatte der Gauleiter von
Mainfranken, Otto Hellmuth, mehrfach Ansprüche auf oberfränkische Gebiete, v.a. Bamberg
und Lichtenfels, aber auch auf das mittelfränkische Uffenheim erhoben. Die Grenzen
Mittelfrankens waren also keinesfalls sicher, es drohten Gebietsverluste, eventuell auch
Gebietsgewinne gegen Oberfranken und die Oberpfalz, aber auch eine Vereinnahmung durch
einen großen Regierungsbezirk in Nordbayern. Wäre es dazu gekommen, hätten wir heute
vermutlich keine Regierung in diesem wunderschönen Schloss.
Auch der Name "Mittelfranken" stand kurzzeitig zur Disposition. Regierungspräsident
Hofmann schlug Mitte 1933 vor, den Regierungsbezirk Oberfranken und Mittelfranken in
„Ostfranken“ umzubenennen. Damit wollte er das „Zusammengehörigkeitsgefühl der
Ostfranken“ stärken, bei der Bezeichnung „Oberfranken und Mittelfranken“ könne man
nämlich den Eindruck gewinnen, „als ob es sich nur um eine oberflächliche Zusammenfügung
der früheren beiden Kreise handle“. Hofmann schrieb weiter an das Innenministerium: „Auf
der Linie Ansbach – Bayreuth wohnt von jeher der gleiche Volksstamm, weshalb die
gemeinsame Bezeichnung „Ostfranken“ auch in volksstämmlicher Hinsicht berechtigt
erscheint.“21 Nach Aussage Hofmanns hatte der Kreistag diese Anregung übernommen, ja er
habe auf einer Führertagung mit Hitler gesprochen, der ebenfalls zugestimmt habe. Nach der
von Gauleiter Streicher erzwungenen Abberufung Hofmanns 1934 war dieser Traum einer
Benennung von Ober- und Mittelfranken als „Ostfranken“ ausgeträumt. Der Name wäre
ohnehin historisch gesehen falsch gewesen.
In der Bayerischen Verfassung von 1946 wurde in Art. 185 festgelegt: "Die alten Kreise
(Regierungsbezirke) mit ihren Regierungssitzen werden ehestens wiederhergestellt." Erst jetzt
wurde der Begriff "Kreis" durch den uns geläufigen Namen "Regierungsbezirk" ersetzt. Die
konkrete Umsetzung der Rückgängigmachung der Vereinigung von Regierungsbezirken zog
sich hin, aber schließlich wurde 1948 in Bayreuth wieder eine Regierung für Oberfranken
etabliert.
Aber warum ist die Regierung von Mittelfranken hier in Ansbach und nicht in Nürnberg, der
größten Stadt Nordbayerns?22
Bei der ersten Einteilung Bayerns in Kreise 1808 war Nürnberg Hauptstadt des
Pegnitzkreises. Allerdings wurde dieser 1810 aufgelöst. Da es keinen Stadtrat mehr in
18
Vgl. BayHStA, RSt 179.
Dippold an das bayerische Innenministerium, z.Hd. Ministerialdirektor Mensens, 10.10.1943; StAN,
Regierung von Mittelfranken, Abg. 1978, Nr. 1912.
20
Schreiben der Reichskanzlei an die Reichsverteidigungskommissare, 4.9.1944; BayHStA, RSt 179.
21
Hofmann an das bayerische Innenministerium, 26.7.1933, in StAN, Regierung von Mittelfranken,. Abg. 1978
Nr. 1912.
22
Zur Frage, warum Nürnberg nicht Hauptstadt des Regierungsbezirks wurde, wird der Verf. in den
Mitteilungen des Geschichtsvereins der Stadt Nürnberg Ende 2013 einen umfangreichen Aufsatz, allerdings
vornehmlich aus Nürnberger Sicht, vorlegen.
19
Nürnberg gab - das Königreich Bayern hatte die Kommunen weitgehend entmündigt, schrieb der Vorsteher des Handelsstandes 1810 an den König, die Wegverlegung der
Hauptstadt aus Nürnberg sei - so wörtlich - "beunruhigend", die "Herabsetzung" Nürnbergs
"schmerzlich".23 In der Verordnung des Königs vom 23. September 181024 bezüglich
Kreiseinteilung wurde Ansbach als Sitz des Generalkreiskommissariats und des
Appellationsgerichts des Rezatkreises genannt. Nürnberg erhielt wie Augsburg immerhin
einen Kommissär, der zumindest formell die gleichen Rechte und Pflichten haben sollte wie
der Generalkommissär in Ansbach - allerdings erhielt er deutlich weniger Gehalt.25
Aber warum verlor Nürnberg seine Hauptstadtfunktion? In den Akten gibt es Hinweise, dass
es am schlechten Zustand des Nürnberger Schuldenwesens lag.26 Außerdem hatten sich die
Nürnberger im Krieg Österreichs gegen Napoleon und das mit ihm verbündete Bayern 1809
sehr aufmüpfig erwiesen und seine hohen bayerischen Beamten gedemütigt, als
österreichische Truppen kurzzeitig bis Nürnberg vorgestoßen waren.27 Das hatte München der
Stadt Nürnberg wohl auch nicht verziehen, auch wenn der letzte Beweis dafür fehlt. Das quasi
als Trostpflaster eingerichtete Lokalkommissariat wurde schon 1817 ersatzlos aufgehoben,
Nürnberg wurde ein- für allemal der Regierung in Ansbach unterstellt.
Als man in der Stadt Ansbach 1817 angesichts der bevorstehenden Neueinteilung Bayerns
hörte, dass die Nürnberger eine Deputation nach München schickten, wurde man nervös. Die
Stadtverwaltung ließ der Regierung durch das Polizeikommissariat Ansbach unterbreiten,
wenn die Regierung aus Ansbach wegverlegt werde, werde die Stadt nahrungslos, die
Gebäude verlören massiv an Wert, ja Ansbach würde - so wörtlich - zu einem der "aermsten
Orte des Königreichs" werden.28 Die Angst war wohl unbegründet, Nürnberg hatte keine
realistische Chance, Kreishauptstadt zu werden.
Die Stadt Nürnberg empfand die Nicht-Berücksichtigung als Hauptstadt eines Kreises als eine
"eklatante Benachteiligung“, man sah sich „nicht entsprechend der wirtschaftlichen Zentralität
behandelt“.29 Ansbach wehrte sich vehement gegen Versuche Nürnbergs, ihm den Sitz der
Kreisregierung streitig zu machen. Vertreter der Stadt Ansbach zeigten sich im Frühjahr 1823
beunruhigt über ein Gerücht, das besagte, der König sei „entschlossen, den Sitz der hier
befindlichen Regierung für den Rezatkreis von hier nach Nürnberg zu verlegen“, angeblich
sei das der Wunsch der Bewohner Nürnbergs. Generalkommissär Graf v. Drechsel teilte einer
Delegation aus Ansbach mit, dass ihm nichts von einer geplanten Verlegung bekannt sei. Die
Delegation war dadurch aber noch nicht beruhigt, man bat den König, ihnen zuzusichern, dass
die Regierung in Ansbach bleibe, denn die Verlegung würde Ansbach in kurzer Zeit zu
Grunde richten, den Nürnbergern aber nicht viel einbringen, dem Staat viel Geld kosten und
der Mehrheit der Bevölkerung nachteilig sein. Man argumentierte, Ansbach sei arm, keine
Handelsstadt, man lebe vom Hof und den Beamten. Nachdem schon die Fürstentümer
23
Schreiben des Vorstehers des Handelsstandes Nürnberg an den König, 3.9.1810; Stadtarchiv Nürnberg E 8 Nr.
2655.
24
Regierungsblatt 1810, Sp. 809 - 816.
25
Der Kommissär erhielt 4.500 fl., der Generalkreiskommissär 7.000 fl. jährlich. Vgl. Königlich-Baierisches
Regierungsblatt 1810, Sp. 899 - 904 (Verordnung, die Formation der General-Kreis-Kommissariate betreffend,
7.10.1810).
26
Vgl. das "Votum über die neuen Kreiseintheilungen", hier S. 7; BayHStA, MInn 65515.
27
Diese These wird in der Literatur allgemein vertreten, ohne dass sie beweisbar wäre. Vgl. dazu z.B.
Schultheiss, Werner: Kleine Geschichte Nürnbergs. 3. Aufl. Nürnberg 1997, hier S. 112 f.
28
Schreiben des Polizeikommissariats Ansbach an das Generalkreiskommissariat des Rezatkreises, 18.2.1817, in
StAN, Regierung von Mittelfranken, Abg. 1932, Tit. Ib Nr. 152.
29
So schreibt Werner Blessing. Vgl. Blessing, Werner K. (unter Mitarbeit von Steven M. Zahlaus): "Der Schein
der Provinzialität. Nürnberg im 19. Jahrhundert". In: Neuhaus, Helmut (hrsg.): Nürnberg. Eine europäische Stadt
in Mittelalter und Neuzeit (Nürnberger Forschungen 29). Nürnberg 2000, 69 - 103; Zitat S. 74.
Ansbach-Bayreuth bayerisch geworden seien, würde man ihnen jetzt „auch noch die zweite
Nahrungsquelle“ oder zumindest einen Teil davon abgraben, die gänzliche Verarmung der
Menschen in Ansbach wäre unabwendbar und so würde man „bald beinahe nur Bettler in
unseren Mauern sehen“.30 Nürnberg gehe es dagegen wirtschaftlich gut. Außerdem hätte
Ansbach im Gegensatz zu Nürnberg die nötigen Gebäude, man spare sich die Umzugskosten,
auch liege Ansbach in der Mitte des Kreises, Nürnberg am Rande.31 Im späteren 19.
Jahrhundert gab es nur wenige Stimmen in Nürnberg, die die Verlegung der Hauptstadt ins
östliche Mittelfranken forderten.
Als das Innenministerium 1917 vorschlug, die Regierungsbezirke Mittelfranken und
Oberpfalz und Regensburg zu vereinigen, bezeichnete der Regierungspräsident von
Mittelfranken eine „Vereinigung der beiden Kreise unter Belassung des Regierungssitzes in
Ansbach“ schlicht als „unmöglich“, dies lehre schon ein Blick auf die Landkarte und die
Tatsache, dass die schon länger diskutierte Frage einer Verlegung des Regierungssitzes nach
Nürnberg dann endlich gelöst werden müsse.32 Die Diskussion über einen Zusammenschluss
Mittelfrankens mit der Oberpfalz oder mit Oberfranken verängstigte die Stadtspitze in
Ansbach, aber auch die Wirtschaft und die Bürger. Eine Verlegung des Regierungssitzes nach
Nürnberg wäre bei einer Vergrößerung des Regierungsbezirks für die meisten
Sachverständigen logisch gewesen, Nürnberg hatte eine bessere Verkehrsanbindung und lag
insbesondere bei einem Anschluss der Oberpfalz zentraler. In einer offiziellen Eingabe im
Februar 1920 warnte die Stadt Ansbach vor der „schwerste[n] Beeinträchtigung ihres
geistigen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens“, durch den „Bruch
einer historischen Ueberlieferung von mehr als einem Jahrhundert würde sie gleichzeitig
unverdienter Weise um Jahrzehnte in ihrer Entwicklung zurückgeworfen und eine Erholung
von einem solchen Schlag wäre bei den sich noch auf ungemessene Zeit hinaus geltend
machenden Nachwirkungen des Krieges überhaupt nicht abzusehen“.33 Man befürchtete
erhebliche wirtschaftliche Probleme, einen Spareffekt für den Staat biete die
Zusammenlegung von Regierungsbezirken nicht. Während Ansbach benachteiligt werde,
würde Nürnberg, das ohnehin schon bevorzugt werde, weiter protegiert.
Sollte die Regierung nach Nürnberg verlegt werden, dann dachte man an den ehem.
Justizpalast. Dieser war aber zu klein und wies große bauliche Mängel auf.
Regierungspräsident Rohmer wandte sich massiv gegen Nürnberg als möglichen Sitz der
Regierung. Die Nürnberger Stadtverwaltung war seiner Meinung nach „von einem hohen
Selbstgefühl durchdrungen“.34 Wenn man die Regierung nach Nürnberg verlege, brauche man
ein entsprechendes Domizil, dazu fehlte aber das Geld. Außerdem müsste man Wohnungen
für Beamte bauen. Warum also Ansbach die Regierung wegnehmen, man hatte das Schloss
zur Verfügung und auch Wohnungen. Der Stadtrat Ansbach hatte am 9. November 1926 an
den Landtag appelliert, bei einer Verlegung der Regierung nach Nürnberg gehe es „um Sein
oder Nichtsein unserer Stadt“, denn die Industrie in Ansbach sei zu schwach, insbesondere
erinnerte er an die problematische Lage der Automobilindustrie. Wenn man den
Beamtenkörper der Regierung aus Ansbach abziehe, bedeute dies eine „wirtschaftliche
30
Schreiben an den König, unterzeichnet u.a. von etlichen Magistratsmitgliedern, 7.5.1823; StAN, Regierung
von Mittelfranken, Abg. 1968, Tit. Ib Nr. 242.
31
Schreiben des Polizeikommissariats Ansbach an das Generalkreiskommissariat des Rezatkreises, 18.2.1817, in
StAN, Regierung von Mittelfranken, Abg. 1932, Tit. Ib Nr. 152.
32
Präsidium der Regierung von Mittelfranken an das Innenministerium, 25.7.1917, in StAN, Regierung von
Mittelfranken, Abg. 1968, Tit. Ib Nr. 297.
33
Eingabe der Stadt Ansbach, 28.2.1920; StAN, Regierung von Mittelfranken, Abg. 1968, Tit. Ib Nr. 298.
34
Regierungspräsident Rohmer an den bayerischen Innenminister Stützel, 17.11.1928, in StAN, Regierung von
Mittelfranken, Abg. 1968, Tit. Ib Nr. 1343.
Katastrophe schlimmster Art“.35 Neben der Arbeitslosigkeit würden auch der gewerbliche
Mittelstand, Hausbesitz, Handel treibende Schichten schwer geschädigt. Der Ansbacher OB
argumentierte, das Schicksal habe sich gegen Ansbach verschworen, er sprach von der
„Abschnürung des Lebensnerves“, die Wegverlegung der Regierung „wäre ein vernichtender
Hieb an die Wurzeln unserer kommenden Entwicklung“.36 Der OB forderte eine genaue
Prüfung, ob eine Verlegung Geld sparen könne - das war sehr unwahrscheinlich, wie alle
wussten. Die in der Orangerie in Ansbach versammelten Bürger und Geschäftsleute
protestierten gegen die Verlegung.
Auch politische Gründe wurden immer wieder angeführt, so galt Nürnberg als politisch nicht
zuverlässig, während der revolutionären Unruhen nach dem Ersten Weltkrieg war es in
Ansbach friedlich geblieben, anders als in Nürnberg. Hinzu kam ein konfessionelles Motiv.
Um 1930 spielte die Konfessionszugehörigkeit eine noch viel größere Rolle als heute.
Ministerpräsident Held sagte Ende 1932 im Ausschuss für Verfassungsfragen des
Bayerischen Landtages sehr deutlich, dass die Entscheidung bezüglich der Hauptstadtfrage für
den Regierungsbezirk Oberfranken und Mittelfranken auch deshalb gegen Nürnberg gefallen
sei, weil dort viele Katholiken wohnten, man könnte nicht zwei protestantischen Städten,
nämlich Ansbach und Bayreuth, die Regierung wegnehmen und in eine Stadt mit so großem
Katholikenanteil wie Nürnberg geben.37 In Nürnberg lebten damals nach München die
meisten Katholiken.
Die Stadt Nürnberg hatte in den 1920er Jahren kein Interesse daran gezeigt, Sitz der
Kreisregierung zu werden, aber in den 1950er Jahren wollte insbesondere der Nürnberger OB
Bärnreuther den Regierungssitz nach Nürnberg holen. Er setzte sich bereits in seiner
„Jahresschlußansprache“ 1953 für die Verlegung des Regierungssitzes ein. Dies war, so
Bärnreuther, ein Thema, „das nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch weiteste Kreise der
Wirtschaft und der gesamten Einwohner Mittelfrankens berührt. Es ist die in Deutschland
wohl einmalige Tatsache, daß sich eine Kreisregierung nicht in der bedeutendsten Stadt dieses
Verwaltungsgebietes befindet.“ Er sprach insbesondere Verkehrsprobleme und Zeitprobleme
bei der Tätigkeit in Ansbach an. Wörtlich schrieb er: „Eines bin ich jedenfalls gewiß: Es wird
sich bei diesem berechtigten Wunsch Nürnbergs und Mittelfrankens kein Gutachter finden
lassen, der etwa bestätigt, daß dem Herrn Regierungspräsidenten und der Kreisregierung das
„Klima in Nürnberg schaden würde“.“38 Aber die Staatsregierung in München, v.a.
Ministerpräsident Hoegner, war strikt dagegen. Auch nach Bärnreuthers frühem Tod
versuchte es Nürnberg weiter, schließlich lehnte der neue Regierungspräsident Burkhardt eine
solche Verlegung ab, er meinte im Mai 1959, der "Glanz der Perle" und die Wirtschaftskraft
Nürnbergs würden nicht viel gewinnen, wenn die Regierung nach Nürnberg verlegt werde.39
Burkhardt war gebürtiger Ansbacher und lange Jahre OB in Ansbach gewesen, er hätte sich
also sicher gegen eine Verlegung gewehrt. Die Regierung behielt sicherlich auch deshalb
ihren Sitz in Ansbach, weil das westliche Mittelfranken zunehmend als strukturschwache
Region erkannt wurde. Der Regierungspräsident von Mittelfranken, Heinrich von Mosch,
sagte dazu 1967 in einer Podiumsdiskussion, wenn man „im Zeichen der Entballung“ eine so
35
Artikel "Ansbach und die Staatsvereinfachung" in der Fränkischen Zeitung - Ansbacher Morgenblatt,
24.11.1926, S. 1.
36
Vgl. Fränkische Zeitung 7.12.1926, in StAN, Regierung von Mittelfranken, Abg. 1968 Tit. Ib Nr. 1343.
37
Sitzung des Ausschusses für Verfassungsfragen des Bayerischen Landtags vom 12.12.1932; BayHStA, MA
102610.
38
Amtsblatt der Stadt Nürnberg vom 18.12.1953, S. 1.
39
Amtsblatt der Stadt Nürnberg vom 13.5.1959, S. 2.
„wichtige Einrichtung aus dem projektierten Oberzentrum Ansbach abzöge, würde das für die
Region einen außerordentlich schweren Schaden bedeuten“.40
Wie sieht es aber mit der Zukunft der Bezirksregierungen aus? Ende 2010 konnte man in der
Bayerischen Staatszeitung den Vorschlag des innenpolitischen Sprechers der FDPLandtagsfraktion, Andreas Fischer, lesen, dass man die drei fränkischen Regierungsbezirke zu
einem zusammenfasse könne.41 Ob in einem Regierungsbezirk "Franken" Ansbach noch
Hauptstadt und Regierungssitz bleiben könnte, wäre sicher fraglich. Der fränkische
Liedermacher Wolfgang Buck äußerte sich in einem Konzert vor einigen Jahren, bei der
Frage nach einem von ihm abgelehnten Bundesland Franken gäbe es bezüglich der Frage der
Hauptstadt "Krieg", da sich viele Städte dazu berufen sehen würden.42 Ich darf hinzufügen:
mit einem Regierungsbezirk Mittelfranken und einer Hauptstadt Ansbach hat es sich 175
Jahre leben lassen, warum dies ändern. Die Regierung in Ansbach ist und bleibt wichtig für
unsere Region, den Regierungsbezirk Mittelfranken, und selbstverständlich auch für diese
wunderschöne Stadt.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
40
Vgl. Evangelische Akademie Tutzing (Hrsg.): Franken – Bayerns zweite Garnitur? (Tutzinger Studien 3).
Tutzing 1967, hier: Abschlußdiskussion, S. 61 - 74; Zitat S. 62.
41
Artikel von Tobias Lill: "Die Verwaltung muss bluten", in: Bayerische Staatszeitung 3.12.2010, S. 1.
42
Es handelt sich um einen Mitschnitt seines Live-Programms 2006 "wis wedder werd" in Helmbrechts. Die
Bonus-DVD liegt der 2009 erschienenen CD "Asu werd des nix" bei.