Klinischer Einsatz von MRT und CT in der Herzdiagnostik

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Klinischer Einsatz von MRT und CT in der Herzdiagnostik
M E D I Z I N
Klinischer Einsatz von MRT
und CT in der Herzdiagnostik
Jörn Sandstede1, Karl-Friedrich Kreitner2,
Dietmar Kivelitz3, Stephan Miller4, Bernd Wintersperger5,
Matthias Gutberlet6, Christoph Becker5, Meinrad Beer1,
Thomas Pabst1, Andreas Kopp4, Dietbert Hahn1
Zusammenfassung
Aufgrund der raschen technischen und wissenschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre werden Magnetresonanztomographie (MRT) und
Computertomographie (CT) des Herzens jetzt
zunehmend in der klinischen Routine eingesetzt. Zuvor waren MRT und CT in der Herzdiagnostik der Untersuchung von kongenitalen Vitien und Herztumoren vorbehalten. Aktuell ermöglichen MRT und CT die Messung von regionaler und globaler Herzfunktion, die Quantifizierung von Klappenvitien und Shuntvitien und
die Untersuchung von Kardiomyopathien. Bei
ischämischen Herzerkrankungen gelingen die
Primärdiagnose der koronaren Herzerkrankung
sowie die Infarktgrößenmessung und der Nach-
B
is vor wenigen Jahren beschränkten sich die Indikationen für
eine Untersuchung des Herzens
mit der Magnetresonanztomographie
(MRT) oder der Computertomographie (CT) ausschließlich auf die Darstellung von Anatomie und Morphologie. Anerkannte Einsatzgebiete waren
kongenitale Herzerkrankungen, kardiale Raumforderungen und Erkrankungen der thorakalen Aorta. Durch
die im vorangegangenen Beitrag (Dtsch
Arztebl 2002; 99: A 1836–1840 [Heft
26]) (25) beschriebenen technischen
Fortschritte haben sich neue Indikationen für die Magnetresonanztomographie und die Computertomographie ergeben. Beide Verfahren finden
neben der Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen jetzt zunehmend Anwendung in der klinischen Routine.
Ziel dieses Beitrags ist es, eine
Übersicht über die aktuell akzeptierten Indikationen und Untersuchungsstrategien der Magnetresonanztomographie und der Computertomographie im heutigen klinischen Einsatz in
der Herzdiagnostik zu geben.
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weis der myokardialen Vitalität. Mit der nichtinvasiven Koronarangiographie können koronararterielle Anomalien und die Durchgängigkeit
von Bypassgefäßen nachgewiesen werden.
Schlüsselwörter: Magnetresonanztomographie,
Computertomographie, kardiale Bildgebung,
koronare Herzerkrankung, Myokardinfarkt
Summary
Clinical Applications of MRI and CT
in Cardiac Diagnosis
Magnetic resonance imaging (MRI) and computed tomography (CT) of the heart are now used in
clinical practice due to the rapid technical and
Kongenitale
Herzerkrankungen
Aufgrund der häufig sehr komplexen
Anatomie und zahlreicher möglicher
Begleitfehlbildungen wurde die MRT,
vor allem aufgrund der freien Wahl
der Schichtebene, schon früh in der
Diagnostik von angeborenen Herzfehlern eingesetzt. Mit der Einführung
der EKG-gekoppelten MultischichtCT (MSCT) mit anschließender multiplanarer Reformatierung (MPR) ist
eine identische morphologische Bildgebung heute auch mit der Computer-
1 Institut für Röntgendiagnostik (Direktor: Prof. Dr. med.
Dietbert Hahn), Universität Würzburg
2 Klinik und Poliklinik für Radiologie (Direktor: Prof. Dr. med.
Manfred Thelen), Universität Mainz
3 Institut für Radiologie (Direktor: Prof. Dr. med. Bernd
Hamm), Universitätsklinikum Charité, Campus Mitte, Berlin
4 Abteilung für Radiologische Diagnostik (Direktor: Prof. Dr.
med. Claus D. Claussen), Radiologische Universitätsklinik,
Tübingen
5 Institut für Klinische Radiologie (Direktor: Prof. Dr. med.
Maximilian Reiser), Universität München-Großhadern
6 Klinik für Strahlenheilkunde (Direktor: Prof. Dr. med. Roland Felix), Charité, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
scientific progress in the last decade. Initially,
cardiac MRI and CT were only performed to image congenital heart disease or heart tumours.
At present, cardiac MRI and CT can be applied for
evaluation of global and regional cardiac function, quantification of valvular heart disease and
cardiac shunts, and examination of cardiomyopathies. In ischemic heart disease, primary diagnosis of coronary artery disease and detection
of myocardial infarction and viability is possible.
Furthermore, non-invasive coronary angiography
allows for the detection of coronary anomalies
and of bypass graft patency.
Key words: magnetic resonance imaging, computed tomography, cardiac imaging, coronary
artery disease, myocardial infarction
tomographie möglich. Da im Neugeborenen- und Säuglingsalter die Diagnose einer kongenitalen Herzerkrankung in der Regel ohne Probleme
mithilfe der transthorakalen DopplerEchokardiographie (16) gestellt werden kann, werden MRT und CT vor
allem in der postoperativen Verlaufskontrolle beziehungsweise bei Patienten mit eingeschränktem Schallfenster
komplementär zur Echokardiographie eingesetzt. Hier stellen Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern eine zunehmende diagnostische Problemgruppe dar. Bei allen Patienten
sollten jeweils in Abhängigkeit von
der Erkrankung funktionelle Untersuchungen erfolgen, die sonst nur mit invasiven Verfahren möglich sind (30).
Insbesondere bei der Ermittlung der
Ventrikelfunktion und Muskelmasse
des rechten Ventrikels (31) und der
Ermittlung von Klappeninsuffizienzen, wie sie postoperativ bei der Fallotschen Tetralogie (Abbildung 1)
häufig auftreten, stellt die MRT den
Goldstandard dar (8, 22). Bei häufig
begleitenden Fehlbildungen der groDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 27½ 5. Juli 2002
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Abbildung 1: Cine-Gradientenechobild in der Enddiastole und frühen Systole im Kurzachsenschnitt bei einem Patienten 40 Jahre nach vollständiger Korrektur einer Fallotschen
Tetralogie mit Dilatation des rechten Ventrikels (RV) und der Pulmonalarterie aufgrund
einer hochgradigen Pulmonalklappeninsuffizienz. Zusätzliche Turbulenzen in der Pulmonalaterie (Pfeil).
ßen Gefäße sollte zur Beurteilung der
peripheren Abschnitte eine kontrastmittelgestützte MR- oder CT-Angiographie mit anschließender 3D-Rekonstruktion erfolgen, um unter anderem
dem Herzchirurgen eine bessere räumliche Vorstellung der komplexen Anatomie zu ermöglichen. Zusätzlich kann
zum Beispiel bei der Aortenisthmusstenose (Abbildung 2) der Druckgradient
der Stenose durch die Flussquantifizierung in Phasenkontrasttechnik abgeschätzt werden. Die Darstellung der
MR- oder CT-Koronarangiographie ist
für die klinisch wichtige Detektion begleitender Abgangsanomalien bei angeborenen Herzfehlern oder postoperativen Stenosen im Bereich der reinserierten Koronarien ausreichend genau, wobei sich für Kinder unter zehn Jahren
vor allem die Darstellung mit der MRT
in Navigatortechnik anbietet.
stützte First-pass-Perfusionsmessung in
Ruhe und unter pharmakologischer Belastung die Methode der Wahl. Als
Stressmedikamente werden hierfür Dipyridamol oder Adenosin eingesetzt,
die zu einer Erweiterung der nicht betroffenen Koronararterien und damit
durch den Steal-Effekt zu einer Verstärkung der Minderperfusion im Versorgungsgebiet einer stenosierten Koronararterie führen. Eine zweite Methode
ist die Induktion von Wandbewegungsstörungen im Versorgungsgebiet einer
hämodynamisch relevant stenosierten
Koronararterie durch hochdosierten
Dobutaminstress in verschiedenen Belastungsstufen (19).
Koronarverkalkungen sind Ausdruck eines fortgeschrittenen Stadiums
der koronaren Atherosklerose. Während andere nichtinvasive Untersuchungstechniken meist nur bei Patienten mit signifikanter Koronarstenose zu positiven Testergebnissen führen,
ermöglicht die Computertomographie
mit dem Nachweis von koronaren Verkalkungen frühzeitig die Diagnose einer koronaren Atherosklerose meist
lange vor dem Auftreten einer klinisch
symptomatischen koronaren Herzerkrankung (KHK). Andererseits kann
bei Patienten mit atypischem Thoraxschmerz und unspezifischen EKG-Veränderungen ohne Nachweis koronarer
Verkalkungen eine koronare Herzkrankheit mit einem negativen Vorhersagewert von ✞ 95 Prozent ausgeschlossen werden (9, 15). Beim Nachweis von
ausgeprägten Verkalkungen bei symptomatischen Patienten ist die Häufigkeit signifikanter Koronarstenosen
zwar erhöht, eine eindeutige Korrelation zwischen Stenosegrad und Ausmaß
der Koronarverkalkungen lässt sich allerdings nicht nachweisen. Die Konsensuskonferenz des American College of
Cardiology und der American Heart
Association empfiehlt deshalb nicht
den Einsatz zur Abklärung des Verdachts auf eine obstruktive koronare
Herzkrankheit, da die Koronarkalkmessung sich anderen nichtinvasiven
Diagnosemethoden bisher nicht als
überlegen gezeigt hat (21). Der zusätzliche Wert für die Risikostratifizierung
Koronare Herzerkrankung
Die magnetresonanztomographische
Diagnostik der koronaren Herzkrankheiten basiert auf dem Nachweis pharmakologisch induzierter Durchblutungs- oder Wandbewegungsstörungen
(33). Zur Beurteilung der Myokardperfusion ist derzeit die kontrastmittelge-
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Abbildung 2: Parasagittal gewinkelte Turbospinecho-Aufnahmen durch den Aortenbogen
bei einer 14-jährigen Patientin mit hochgradiger filiformer Aortenisthmusstenose (Pfeil)
vor (a) und nach Ballondilatation (b).
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asymptomatischer Patienten ist noch
umstritten, weshalb die Methode nicht
ohne ärztliche Zuweisung als Screeningmethode eingesetzt werden sollte.
Als Indikation zur CT-Koronarkalkmessung sind daher die Abklärung von
Patienten mit atypischem Thoraxschmerz und die Risikostratifizierung
von in ärztlicher Betreuung stehenden
asymptomatischen Patienten mit deutlich erhöhtem Risikoprofil anzusehen
(3). Mit der CT-Koronarangiographie
(CTA) können darüber hinaus nicht
verkalkte Plaques dargestellt und Koronarstenosen diagnostiziert werden (4).
Die CTA weist einen über die Quantifizierung des Koronarkalks hinausgehenden negativen prädiktiven Wert zum
Auschluss einer KHK auf (1). Obwohl
bisher keine eindeutigen Richtlinien
zur Indikationsstellung vorliegen und
sich die Methode in der wissenschaftlichen Evaluierung befindet, ist der Ausschluss einer klinischen koronaren
Herzkrankheit ein möglicher zukünftiger Einsatz. Bei Patienten mit ausgeprägten Koronarverkalkungen ist die
Beurteilbarkeit einer CTA soweit eingeschränkt, dass bei diesen Patienten
auf die Durchführung der CTA verzichtet werden kann.
Während eine direkte, für die Stenosendiagnostik ausreichende Darstellung der Koronararterien in der Primärdiagnostik derzeit weder mit der MRT
noch mit der CT möglich ist, kann eine
Therapiekontrolle nach Intervention
beziehungsweise koronarer Bypassoperation bereits heute erfolgen. Ein
Jahr nach der Operation sind 15 bis 20
Prozent der venösen Bypassgefäße
nach einem aortokoronaren Venenbypass (ACVB) verschlossen, die Verschlussrate nach zehn Jahren liegt etwa
bei 40 bis 50 Prozent bei einem venösen
und 5 bis 15 Prozent bei einem arteriellen Bypass. Die nicht verschlossenen
venösen Bypassgefäße entwickeln nach
fünf Jahren in 38 Prozent und nach zehn
Jahren in 75 Prozent eine Graftsklerose,
die in etwa der Hälfte der Fälle mit einer mehr als 50-prozentigen Lumenreduktion einhergeht. Mit der kontrastmittelverstärkten MR-Angiographie
kann die Offenheit koronarer Bypassgefäße mit einer 95-prozentigen Treffsicherheit nachgewiesen werden. Allerdings ist der Nachweis von hämodynaDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 27½ 5. Juli 2002
tertomographie ermöglicht ebenfalls eine zuverlässige Diagnostik der Offenheit koronarer Bypassgefäße mit einer
Treffsicherheit von 80 bis 100 Prozent,
wobei jedoch eine Beurteilung der Bypassfunktion derzeit nicht möglich ist.
Hierbei ist aufgrund des Gefäßkalibers
die Beurteilung venöser Bypassgefäße
einfacher als die von arteriellen Bypassgefäßen (5).
Myokardinfarkt
Abbildung 3: Hyperintense Signalveränderungen (STIR-Technik) als Ausdruck des myokardialen Ödems bei Hinterwandinfarkt
Abbildung 4: Spätes Enhancement der Hinterwand als Darstellung der Nekrosezone
nach Myokardinfarkt
misch relevanten Bypass-Stenosen mit
dieser Untersuchungstechnik für klinische Belange nicht in ausreichendem
Maße möglich (10, 32). Mithilfe der
MR-Phasenkontrasttechnik als funktioneller Methode zur Erstellung von
Flussprofilen in den koronaren Bypassgefäßen kann diese diagnostische Lücke
gefüllt werden.
Eine Durchführung dieser Messung
ohne und mit medikamentös induzierter Vasodilatation erlaubt die Bestimmung der Flussreserve, wobei eine unzureichende Zunahme von Blutfluss
und Flussgeschwindigkeit die stenosierten von unauffälligen Bypassgrafts
unterscheidet (14, 24). Damit wird im
postoperativen Verlauf nach Bypassoperation der MRT unter Verwendung
morphologischer und funktioneller Untersuchungstechniken eine wichtige Bedeutung zukommen (18). Die Compu-
Der akute Myokardinfarkt stellt eine
kardiologische Notfallsituation dar, der
eine rasche Diagnose und Therapie erfordert. In dieser Situation ist eine Untersuchung des Patienten im MRT in
aller Regel nicht indiziert. In der subakuten Phase nach Stabilisierung des
Patienten erlaubt die MRT jedoch die
Beurteilung von Wandmorphologie,
Wandbewegung und Perfusion, den
Nachweis eines Ödems und die Beurteilung der Myokardvitalität (24). Mit der
Cine-MRT ist eine sehr genaue Beurteilung regionaler Wandbewegungsstörungen sowie eine exakte globale biventrikuläre Funktionsanalyse möglich
(28). Etwa 30 Minuten nach Einsetzen
der myokardialen Ischämie ist das myokardiale Ödem mit stark T2-gewichteten Aufnahmen nachweisbar, wobei
diese Signalsteigerung nicht spezifisch
für einen Infarkt ist (Abbildung 3). Die
First-pass-Perfusionsmessung erlaubt
die Abschätzung des Ausmaßes der
Ischämie und kann zur Beurteilung des
Erfolges einer Reperfusionstherapie
eingesetzt werden, wobei eine abschließende Bewertung dieser Technik
derzeit noch nicht erfolgt ist.
Folge des Herzinfarkts sind regionale Wandbewegungsstörungen. Ursache ist entweder Narbengewebe, das
heißt avitales Myokard oder vitales,
jedoch aktuell nicht kontrahierendes
Myokard. Hierfür können zwei verschiedene Mechanismen verantwortlich sein: Zum einen kann der vitale,
bewegungsgestörte Herzmuskel chronisch minderperfundiert sein, sodass
die Zellen zwar nicht absterben, jedoch nicht zur Kontraktion fähig sind
(hibernation). Zum anderen können
sich die Zellen auch nach suffizienter
Reperfusion bis zu vier Wochen im
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verlängerten
„Betäubungszustand“
befinden (stunning). Eine Revaskularisierung durch Koronardilatation
oder Bypassoperation führt nur dann
zu einer Verbesserung der regionalen
und damit auch der globalen linksventrikulären Funktion, wenn das revaskularisierte Gewebe vital ist. Mit der
MRT werden zwei unterschiedliche
Ansätze für die Vitalitätsdiagnostik
verfolgt, die niedrigdosierte Dobutamin-Stress-MRT und die Beurteilung
des Signalverhaltens in Spätaufnahmen nach Kontrastmittelgabe.
Die niedrigdosierte DobutaminStress-MRT basiert auf der Beobachtung, dass kontraktilitätsgestörtes,
jedoch vitales Myokard unter pharmakologischer Stimulation kurzzeitig
wieder eine verbesserte Kontraktilität
zeigt. Die Kontraktionserholung nach
Revaskularisierung kann mit einer
Sensitivität von 77 bis 89 Prozent und
einer Spezifität von 94 bis 100 Prozent
vorhergesagt werden (2, 26). Limitiert
ist der Einsatz der Methode jedoch bei
deutlich reduzierter Ejektionsfraktion
(<35 Prozent) mit großen Akinesien
verbunden (7). Ein weiterer Ansatz
zur myokardialen Vitalitätsdiagnostik
ist die Beurteilung des Signalverhaltens wandbewegungsgestörter Areale
nach der Kontrastmittelgabe (Abbildung 4). Ein spätes Enhancement
(Kontrasterhöhung) im Vergleich mit
anliegendem, gesunden Myokard zeigt
Narbengewebe, während eine Isointensität ein Zeichen für vitales Myokard ist (27). In jüngster Zeit konnte
sogar die transmurale Ausdehnung
der Kontrastmittelaufnahme und damit der Narbenzone differenziert werden. Die Wahrscheinlichkeit der Funktionserholung nach Revaskularisierung ist umgekehrt proportional zum
transmuralen Ausmaß des späten Enhancements (11).
Erworbene
Herzklappenerkrankungen
Für die Beurteilung der Herzklappenfunktion stehen in der MRT verschiedene methodische Ansätze zur Verfügung: Mittels der Cine-Bildgebung können Insuffizienz- und Stenosejets sichtbar gemacht und damit die Klappen-
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Abbildung 5: Polytope Kontrastmittelaufnahme (Pfeile) im Bereich granulomatöser Entzündungsherde bei Sarkoidose
mung der maximalen Flussgeschwindigkeit im Stenosejet über die modifizierte Bernoulli-Gleichung auf den
Druckgradienten geschlossen werden:
DP=4 ⫻ Vmax2. Neue Sequenzen werden
in naher Zukunft eine subtile morphologische Beurteilung der Herzklappen
wie auch eine Bestimmung der Klappenöffnungsfläche erlauben. Dies dürfte auch die Diagnostik von Endokarditiden mit der MRT entscheidend verbessern. Paravalvuläre Abszesse und
ihre topographische Beziehung zu benachbarten kardialen Strukturen können bereits jetzt in der MRT und der CT
dargestellt werden.
Kardiomyopathien und
entzündliche
Herzerkrankungen
Abbildung 6: Frischer Thrombus der Herzspitze bei ausgedehntem Vorderwandinfarkt
fehlfunktion nachgewiesen werden. Die
Analyse der Jets ermöglicht lediglich eine semiquantitative Abschätzung der
Klappenfehlfunktion. Die Quantifizierung einer Klappeninsuffizienz kann
durch Cine-MRT über die Bestimmung
der rechts- und linksventrikulären
Schlagvolumina (SV) erfolgen. Dies ist
nur dann möglich, wenn keine weitere
Klappe eine Fehlfunktion aufweist. Das
Regurgitationsvolumen beträgt dann:
RV=|SVLV–SVRV|, die Regurgitationsfraktion ist: RF[%]=RV/ SV ⫻ 100. Mittels der Flussmessung können für jede
Herzklappe sehr genau ein antegrader
und retrograder Blutfluss pro Herzzyklus bestimmt werden, sodass aus diesem Verhältnis bei Klappeninsuffizienzen direkt die Regurgitationsfraktion
bestimmt werden kann (17). Bei Klappenstenosen kann durch die Bestim-
Als primäre Kardiomyopathien werden eine heterogene Gruppe von
Herzerkrankungen mit unterschiedlichen morphologischen Veränderungen
bezeichnet. Sie umfassen dilatative
(DCM), hypertrophische (HCM) und
restriktive Veränderungen (RCM), als
Sonderform wird die arrhythmogene
rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD)
hinzugezählt. Bei der DCM führt die
zunehmende globale Dilatation zu einer Einschränkung der Pumpfunktion,
die mit der Cine-MRT sehr exakt auch
bei geringen Änderungen während der
Therapie dargestellt werden kann (12).
Bei der HCM steht dagegen entweder
eine globale oder regionale Hypertrophie im Vordergrund, wobei die subvalvuläre Form auch zu einer funktionellen Aortenstenose führen kann.
Hier ermöglicht die Cine-MRT neben
der Funktionsanalyse auch die Darstellung regionaler Wandverdickungen
und eventueller Stenosejets. Die bei
der RCM auftretende Versteifung des
Myokards führt zu einer diastolischen
Dysfunktion, die allerdings mit der
Cine-MRT nur eingeschränkt nachgewiesen werden kann. Eine wichtige
Differenzialdiagnose ist die Pericarditis constrictiva, die sich durch eine Perikardverdickung gegebenenfalls
mit Kalkeinlagerungen auszeichnet.
Während die primäre Detektion kleinerer Verkalkungen eine Domäne der
CT ist, kann die MRT die PerikardDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 27½ 5. Juli 2002
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dicke beurteilen sowie die Restdicke
des Myokards bestimmen und ein
Einwachsen der Kalkspangen in die
Herzmuskulatur nachweisen. Bei der
rechtsventrikulären Dysplasie können dysplastische Veränderungen des
Myokards die Ursache für Arrhythmien sein. Diese werden als Fetteinlagerungen und/oder Fibrosierungen in nativen T1-, fettunterdrückten T2- oder
fettselektiven Gradientenecho-Aufnahmen nachgewiesen (29), zusätzlich
können mit der Cine-MRT regionale
rechtsventrikuläre Wandbewegungsstörungen nachweisbar sein. Die Beurteilung metabolischer Veränderungen
bei den Kardiomyopathien mittels der
MR-Spektroskopie (MRS) ist derzeit
noch Gegenstand der Forschung. Es ist
allerdings bereits jetzt möglich, mit der
Beurteilung des kardialen Energiestoffwechsels mittels der 31P-MRS prognostische Aussagen für die dilatative
Kardiomyopathie zu treffen (20). Auch
bei sekundären Kardiomyopathien erfolgt die MR-Diagnostik als Kombination von morphologischer und funktioneller Bildgebung und sollte in unklaren Fällen frühzeitig eingesetzt werden. Morphologische Veränderungen
im Rahmen entzündlicher Herzerkrankungen wie Perikarderguss, Perikardverdickung, Thromben und regionale Wandveränderungen können mit
der MRT zuverlässig – insbesondere
auch im Bereich des rechten Ventrikels
– nachgewiesen werden. Anhand T2gewichteter und kontrastangehobener
T1-gewichteter Aufnahmen ist eine
Darstellung entzündlicher Foci wie
zum Beispiel bei der Sarkoidose möglich (Abbildung 5).
Raumforderungen
Die häufigsten intrakardialen Raumforderungen sind Thromben, die bei
Patienten mit Mitralklappenfehlern
oder Vorhofflimmern meist im linken
Vorhof lokalisiert sind. Nach einem
Myokardinfarkt finden sich bei etwa
20 Prozent der Patienten wandständige Thromben, die bei ausgedehnten
Vorderwandinfarkten eine Inzidenz
von bis zu 60 Prozent erreichen (Abbildung 6). Eine Differenzierung von
Herztumoren ist am besten mit GradiDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 27½ 5. Juli 2002
entenecho-Sequenzen oder nach intravenöser Kontrastmittelgabe möglich,
da Thromben in aller Regel keine Kontrastmittelanreicherung zeigen. Insgesamt sind primäre Herztumoren deutlich seltener als Herzmetastasen. Etwa
75 Prozent aller primären Herztumoren sind benigne, von denen Myxome
mit 46 Prozent im Erwachsenenalter
gefolgt von Lipomen (21 Prozent) am
häufigsten sind. Im Kindesalter dominieren Rhabdomyome mit 46 bis 65
Prozent. In der Vielzahl der Fälle ermöglicht die Echokardiographie eine
ausreichende Information über die
Größe, Lokalisation und Mobilität des
Tumors. In einigen Fällen ist die MRT
in Bezug auf die Detektion und Abgrenzbarkeit eines Tumors überlegen
und kann Aussagen über die Gewebezusammensetzung erlauben (6, 23).
Auch mit der EKG-gesteuerten CT
können Raumforderungen abgegrenzt
werden, eine Kontrastmittelapplikation
ist hierbei obligat. Aufgrund des geringeren Weichteilkontrastes ist die CT
der MRT in der Differenzialdiagnostik
der Tumoren unterlegen, in der Erkennung von Tumorverkalkungen jedoch
überlegen. Beide Verfahren, MRT und
CT, ergänzen die Echokardiographie
bei der Beurteilung intramuraler
Raumforderungen und der extrakardialen Ausdehnung von Tumoren.
Schlussfolgerung
Sowohl die MRT als auch die CT konnten sich in den letzten Jahren in der klinischen Herzdiagnostik etablieren. Die
MRT ist derzeit das einzige Verfahren,
das eine Beurteilung von Funktion, Perfusion und Vitalität in einem Untersuchungsgang ermöglicht. Zusätzlich gelingen auch die Darstellung von Anatomie, Morphologie, Fehlbildungen der
Koronararterien, die Quantifizierung
von Vitien, die Untersuchung entzündlicher Myokarderkrankungen, die Detektion und Charakterisierung von
Raumforderungen und eine Beurteilung des Herzstoffwechsels. Die Computertomographie hat ihr größtes diagnostisches Potenzial in der Koronarkalkquantifizierung und der Untersuchung der Koronararterien, zusätzlich
wird die CT bei der Diagnostik konge-
nitaler Vitien und kardialer Raumforderungen eingesetzt.
Der rasche technische Fortschritt
und die zunehmende Verbreitung dieser Untersuchungsverfahren erfordern
jedoch Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Hierfür wurden von der Deutschen Röntgengesellschaft „Leitlinien
für den Einsatz von MRT und CT in der
Herzdiagnostik“ erarbeitet, welche auf
der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (www.awmfonline.de) oder der Deutschen Röntgengesellschaft (www.drg.de) abzurufen sind. Die Leitlinien umfassen neben
den technischen Voraussetzungen und
einer ausführlichen Darstellung der
Untersuchungstechniken eine klinische
Bewertung der Untersuchungsverfahren und die Darstellung der verschiedenen Indikationen. Für einen effizienten
Einsatz der neuen Verfahren in der Magnetresonanztomographie und Computertomographie ist eine enge Kooperation zwischen Kardiologen und Radiologen anzustreben. Nur durch eine konstruktive interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachdisziplinen kann eine
patientenorientierte Versorgung im Bereich der nichtinvasiven Herzdiagnostik gewährleistet werden.
Manuskript eingereicht: 27. 11. 2001, revidierte Fassung
angenommen: 14. 2. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1892–1897 [Heft 27]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Jörn Sandstede
Institut für Röntgendiagnostik
Universität Würzburg
Klinikstraße 8, 97070 Würzburg
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen im Internet:
awmf-online.de
oder www.drg.de
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