Der Artikel steht hier zum bereit

Transcrição

Der Artikel steht hier zum bereit
2O15
4
ISSN 1433-2620 > B 43362 >> 19. Jahrgang >>> www.digitalproduction.com
Deutschland
Österreich
Schweiz
Published by
MAGAZIN FÜR DIGITALE MEDIENPRODUKTION
N
€ 14,95
€ 17,–
sfr 23,–
JUNI | JULI 04:2015
Für Freelancer
Kino-Sommer
Praxis pur
Einstiegshilfen, vertragliche Kniffe
und Alltagstipps für Freie
Avengers: Age of Ultron,
Gone Girl in 6K, Kingsman
Rendermanager, Grooming,
Max-Templates und mehr
FOKUS
FILM & VFX
3D & ANIMATION
INTERACTIVE
DIGITAL ART
SCIENCE & EDUCATION
SERVICE
Erste Schritte
Jeder fängt mal klein an. Aber auch die ersten Schritte in Richtung Freelancertum wollen wohlüberlegt sein. Deswegen
haben wir bei der Mediadesign Hochschule (MD.H) in Berlin nachgefragt. Die MD.H bietet ihren Studenten einen Karrierevon Béla Beier
service an, damit sie die gängigsten Stolpersteine aus dem Weg räumen können.
A
llgemein gehaltene Tipps gibt es
viele. Aber welche davon sind für
angehende VFX-Freelancer sinnvoll?
Dirk Waldhoff und Professor Christian Malterer verrieten uns, auf was man achten soll.
DP: Wie geht man am besten mit mündlichen Abmachungen um?
Dirk Waldhoff: Sie reichen nicht aus. Ich
rate jedem, nach einem persönlichen Gespräch oder einem Telefonat, sprich Briefing, die besprochenen Aspekte schriftlich
zusammenzufassen und noch am selben
Tag per E-Mail an den Gesprächspartner zu
schicken. Man kann schließen
mit: „Ich hoffe, ich habe alles
so wiedergegeben, wie zwischen uns abgestimmt. Bitte
korrigieren Sie mich, falls ich
etwas missverstanden habe.“
Dirk Waldhoff: Ein stetiges Thema ist die
Selbstvermarktung. Auch wenn ich fachlich
noch so talentiert und ambitioniert bin – der
nächste Auftrag muss akquiriert werden.
Dazu gehören neben der Darstellung der Referenzarbeiten auch die Kontaktpflege, das
Aufbauen eines verlässlichen Netzwerks und
ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber potenziellen Auftraggebern, sei es telefonisch
oder persönlich bei einschlägigen Branchenevents. Welche steuerrechtlichen Aspekte
muss ich beachten? Wie bin ich krankenversichert? Unter welchen Bedingungen kann ich
der Künstlersozialkasse beitreten (mehr dazu
»Sicherlich reichen mündliche
Absprachen nicht aus.«
DP: Mit welchen Problemen sind frisch
gebackene Freelancer am häufigsten konfrontiert?
Dirk Waldhoff: Für junge Artists ist es häufig
schwierig, den eigenen Wert realistisch einzuschätzen und damit in Honorarverhandlungen
zu gehen: Was ist ein adäquater Tagessatz?
Wie berechne ich ihn? Wie verhandle ich,
ohne überzogene Forderungen zu stellen und
mich dennoch nicht unter Wert zu verkaufen? Wie viel Zeit brauche ich selbst für bestimmte Arbeiten? Möglicherweise investiert
man anfangs mehr Zeit als veranschlagt. Wie
berechne ich meinen Zeitaufwand für bestimmte Tätigkeiten?
Christian Malterer: Dies ist ausschlaggebend
für die Berechnung eines Stundensatzes im
Abgleich zu den anfallenden eigenen Kosten
bei Soft- und Hardware und Lebenshaltung.
Zeit ist Geld – das ist nicht nur ein relevanter
Spruch für den Auftraggeber.
10
DP: Gibt es aus eurer Sicht große Unterschiede zwischen den Branchen? Was
sollte in den 3D-Kernbereichen Animationsfilm, Commercial, VFX und Game als
„Must-have“ in den Vertrag?
Dirk Waldhoff: Generell, nicht nur bei internationalen Aufträgen, sollte auf jeden Fall die
eigene Verwertbarkeit der Referenzprojekte
geklärt werden (siehe dazu auch DP 03:2014,
Seite 18 ff.). Wann dürfen die Shots, Animationen et cetera auf der eigenen Referenzseite veröffentlicht werden? Für eine eventuelle
Nacherfüllung von Teilaufgaben bei Nichtgefallen sollten ein Zeitlimit sowie ein Maximum fixiert werden, damit ein Auftrag dann
auch tatsächlich abgeschlossen ist.
Dirk Waldhoff
MD.H Karriereservice, Berlin
Christian Malterer: Eine
Auf tragsbestätigung beziehungsweise eine
Bestätigung von eventuellen Nachträgen
zum eigentlichen Auftrag sollten ebenfalls
schriftlich fi xiert werden. Damit lässt sich
zudem explizit auf Konditionen und AGBs
verweisen. Verträge von Firmen sind vielfach vorgefertigt und standardisiert – ähnlich
einem zeitlich befristeten Arbeitsvertrag mit
Tagessätzen, meist wenn man als Freelancer
vor Ort beim „Auftraggeber“ arbeitet.
existieren Regelungen für eine Obergrenze
der Wochenarbeitszeit.
diese Ausgabe, Seite 12 ff.)? Für freiberuflich
tätige Absolventen stellt sich oft die Frage, ob
ein temporärer Arbeitsplatz im Unternehmen
zur Verfügung gestellt und man für einen bestimmten Zeitraum Teil des Teams wird. Oder
ob ich die Aufgaben allein bearbeite und diese dann online zur Verfügung stelle. Für den
zweiten Fall benötigt man entsprechend die
passende Software.
DP: Was muss man beachten, wenn man
in Deutschland einen Auftrag aus dem
europäischen Raum annimmt?
Dirk Waldhoff: Die Frage lautet: Wo bin ich
steuerpflichtig, wenn ich einen Auftrag aus
dem Ausland annehme? Hierbei ist entscheidend, wo ich meinen Aufenthaltsort habe
und wie lange ich vor Ort eingesetzt bin. Die
steuerrechtlichen Fragen hier sind komplex
und sollten mit einem erfahrenen Steuerberater besprochen werden, der sich in der
Kreativbranche auskennt.
Christian Malterer: Vertragsrechtlich ebenso entscheidend ist der Gerichtsort, falls es
zu Streitigkeiten kommen sollte. Im internationalen Fall kann es in einzelnen Punkten
sehr speziell werden. Es ist auf jeden Fall anzuraten, sich an einen Experten zu wenden
– gerade wenn man in dem jeweiligen Land
vor Ort arbeitet. Zum Beispiel sind in England Überstunden, die es dort rechtlich „im
Grunde“ nicht gibt, völlig anders geregelt. Es
Christian Malterer: Auch ein „Freelancer“
kann, je nach Auftrag, zum abgeschlossenen
Vertrag seine eigenen AGBs einbringen und
sich und seine Arbeitsleistung schützen, zum
Beispiel mit der Aufnahme einer Klausel zum
Eigentumsvorbehalt, der Sicherungs- und
Nutzungsrechte.
DP: Sollte man mit seinen Forderungen
eher höher ansetzen, damit ein bisschen
Verhandlungsspielraum bleibt?
Dirk Waldhoff: Um sich nicht von vornherein unter Wert zu verkaufen, sollte grundsätzlich jeder junge Artist – wir sprechen
hier ja nicht über Freelancer mit zehnjähriger
Berufserfahrung, sondern über Berufseinsteiger – seinen eigenen Wert einschätzen
lernen. Der Grat zwischen unrealistisch
überzogenem Tagessatz und „sich weit unter Wert verkaufen“ ist häufig schmal. Mein
Tipp: Seinen Tagessatz oder Preis für eine
bestimmte Leistung klar definieren und damit nach außen treten. Besser etwas über
dem, was man mindestens verdienen muss
(oder will), um dann Verhandlungsspielraum
zu haben. Wenn er zu hoch ist, weiß der
Auftraggeber, dass man seinen Wert kennt.
Auch wenn ein erster Auftrag dabei verloren gehen sollte, stellt man ein Benchmark
auf, der bei der nächsten Anfrage respektiert wird. Ein zu niedriger Preis stärkt nicht
unbedingt die Reputation, die man sich als
junger Freiberufler aufbaut. Trauen Sie sich
zu, selbstbewusst und gleichzeitig kundenund serviceorientiert zu sein.
WWW.DIGITALPRODUCTION.COM
AUSGABE O4:2O15
INTERVIEW | KARRIERESERVICE
Christian Malterer: Um Orientierungshilfen
bei den ersten Aufträgen zu erhalten, ist
der Kontakt zu ehemaligen Kommilitonen in
der Branche und dem Fachbereich sicherlich
sehr nützlich.
gleich mit einem Rechtsbeistand um die Ecke
kommt. Dennoch: Wer langfristig freiberuflich in der Branche tätig sein will und Aufträge mit großen Finanzvolumina abwickelt,
DP: Wann lohnt sich eine
Rechtsschutzversicherung
und wann ist das Einschalten eines spezialisierten
Anwalts angebracht?
Dirk Waldhoff: Klare Abstimmungen im Vorfeld eines Auftrags helfen
häufig, damit es erst gar nicht zu Missverständnissen kommt. Eine schriftliche Dokumentation, unter anderem ein nachvollziehbarer E-Mail-Verkehr (am besten eine
fortlaufende E-Mail), kann sehr hilfreich sein
und unterstützt eine sachliche Auseinandersetzung. Ich rate dazu, bei Problemen nicht
gleich mit dem Anwalt zu „drohen“, sondern
Probleme gemeinsam mit einem Dritten zu
klären. Man trifft sich in der Branche sicherlich wieder und will als der „Experte für XY“
empfohlen werden und nicht als der, der
»Zeit ist Geld gilt nicht nur für
Arbeitgeber.«
Prof. Christian Malterer
Fachbereichsleiter Digital Film Design, MD.H Berlin
für den ist eine Rechtsschutzversicherung
durchaus empfehlenswert. Beim Abschluss
einer Versicherung sollte man darauf achten,
dass sie freiberufliche Tätigkeiten ausdrücklich berücksichtigt und auch internationale
Auseinandersetzungen abdeckt. Möglicherweise muss eine Gewerberechtsschutzversicherung abgeschlossen werden.
DP: Wenn man jetzt nicht das Glück hat,
auf den MD.H-Karriereservice zugreifen
zu können: Wer kann noch bei diesen
Fragen und Problemen weiterhelfen?
Dirk Waldhoff: Die Dozenten der eigenen
Hochschule sind häufig, jedenfalls ist das bei
uns so, auch nach dem Studienabschluss für
die Ehemaligen da und beantworten gerne
Fragen. Wenn die Dozenten aus der Praxis
kommen, wissen sie oft mit gutem Rat zu
helfen. Außerdem rate ich allen dazu, sich
schon während des Studiums mit früheren
Jahrgängen zu vernetzen, um beim Berufsstart auf Erfahrungen Älterer zurückgreifen
zu können. Das ist ein Geben und Nehmen
und zahlt sich mehrfach aus.
Christian Malterer: Anwälte und Steuerberater, die auf Medienrecht beziehungsweise
steuerrechtliche Fragestellungen in diesen
Bereichen spezialisiert sind, behandeln die
Thematik häufig in den entsprechenden Seminaren an der Hochschule. Ich empfehle
diese gerne weiter. Der Karriereservice kann
natürlich nicht auf alle speziellen Fragen
eine Antwort parat haben. Aber wir haben
ein großes Netzwerk und wissen, an welche
vertrauensvollen Experten wir unsere Studierenden und Alumni vermitteln können. › ei
Anzeige

Documentos relacionados