Die Katastrophe von Rana Plaza: Reaktionen

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Die Katastrophe von Rana Plaza: Reaktionen
Die Katastrophe von Rana Plaza:
Reaktionen der Verbraucher, Unternehmen und Politik
M1: Aktivisten benennen Mitverantwortliche
Als die Fabrik einstürzte, gingen Partner des CCC (Clean
Clothes Campaign) sofort zum Unglücksort und halfen, die
Opfer zu bergen. Anschließend zogen die Aktivisten Kleidungsstücke aus den Trümmern, sicherten und fotografierten
die Etiketten. „Wir müssen herausfinden welche Zulieferer
betroffen sind“. Gisela Burckhardt (Aktivistin von CCC) weiß,
dass es auf die Namen ankommt, nicht nur für die Journalisten, die wissen wollen, wer in Rana Plaza produzieren ließ.
Sondern auch, um die Frage zu klären, wer verantwortlich
ist. „Wenn die Firmen keine direkten Aufträge platziert haben,
sondern über Zwischenhändler produzieren ließen, dann
streiten sie eine Mitverantwortung ab“, sagt Burckhardt. 29
Unternehmen stehen bald als Auftraggeber von Rana Plaza
auf der Liste der CCC, darunter Benetton, Primark, KiK, C&A,
Adler, das Zara- und Mango-Mutterunternehmen Inditex,
NKD, El Corte Ingles, Bon Marché und Walmart.
(Quelle: www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2013-09/modeindustrie-fairtrade-bangladesch/seite-2, 2013)
M2: Entschädigungsfonds für Verletzte
und betroffene Familien
Das Rana-Plaza-Arrangement ist ein Übereinkommen, das
die Entschädigung der Verletzten und der Opferfamilien des
Fabrikeinsturzes regelt. Das Übereinkommen wurde von der
Clean Clothes Campaign mit initiiert und wird, wie auch das
Sicherheitsabkommen, von der ILO begleitet. Die Regierung
von Bangladesch, lokale sowie internationale Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sowie die Textilfirmen El Corte Ingles, Bonmarché, Primark und Loblaw haben
das Arrangement unterzeichnet und sich damit verpflichtet,
einen Beitrag zur Kompensation der Betroffenen zu leisten.
Die Entschädigungszahlungen laufen über einen von der ILO
verwalteten internationalen Solidaritätsfonds.
(Quelle: www.epo.de/index.php?option=com_content&view=
article&id=10007:1-jahr-nach-rana-plaza-textilfirmen-lassen-opfer-undhinterbliebene-im-stich&catid=99:topnews, 23.4.2014)
Foto: rijans, Wikimedia Commons
Am 24. April 2013 stürzte die Textilfabrik Rana Plaza
in Bangladesch ein, dabei wurden 1127 Menschen
getötet und 2438 verletzt. Der schwerste Fabrikunfall
in der Geschichte des Landes hat weltweit für Betroffenheit gesorgt und eine Welle sofortiger Maßnahmen
auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene in Gang gesetzt. Was ist passiert seit
dem tragischen Ereignis vor zwei Jahren? Wurden
die Opfer entschädigt, die Arbeitsbedingungen und
Sicherheitsvorkehrungen verändert? Wurden Gesetze
erlassen, und hat sich das Verbraucherbewusstsein
über die Produktionsbedingungen in Ländern wie
Bangladesch seitdem gewandelt?
M3: Aktionsplan des Bündnisses
für nachhaltige Textilien
Unglücksfälle wie der Einsturz von Rana Plaza in Bangladesch
im Jahr 2013 haben das Thema sozialer und ökologischer
Standards in der weltweiten Textilproduktion auf tragische
Weise deutlich in unser Bewusstsein gerückt. (...) Deswegen
bündeln Bundesregierung, Textil- und Bekleidungsindustrie,
Handel, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft ihren Sachverstand und ihre Kräfte in einem Textilbündnis. Gemeinsam
wurden im Gründungsprozess bereits für alle Bündnispartner verbindliche soziale, ökologische und ökonomische
Bündnis-Standards für die gesamte Wertschöpfungskette
der Rohstoffgewinnung und der Textil- und Bekleidungsproduktion definiert. Ziel des Textilbündnisses ist es, diese
Standards schnell und flächendeckend zu implementieren.
(...) Jeder Bündnispartner leistet seinen Beitrag zur Umsetzung der Bündnisziele, sei es in der Zusammenarbeit der
Textilwirtschaft mit ihren Zulieferunternehmen, sei es im
entwicklungspolitischen Dialog auf Regierungsebene, sei es
in der internationalen Gewerkschaftsarbeit und den internationalen Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen.
(Quelle: www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/Presse/Textilbuendnis/
Aktionsplan_Buendnis_fuer_nachhaltige_Textilien.pdf)
M4: Nur 5 von 27 Firmen wollten helfen
Nur 5 der 27 jetzt von test befragten Firmen gaben an, Geld
an den Fonds überwiesen zu haben: C & A zahlte 500 000
Euro, Kik 360 000 Euro und Primark 725 000 Euro. Inditex
(Zara) und Mango haben zwar eingezahlt, nennen aber keine
Summe. Adler Modemärkte und Benetton wollen nichts
zahlen, obwohl sie wie C & A, Kik, Mango und Primark einräumen, dass in Rana Plaza für sie gearbeitet wurde. Adler teilte
zudem mit, die Kleidung sei ohne ihr Wissen und ohne ihre
Erlaubnis von einem Subunternehmer dort produziert worden.
Benetton gab an, die Geschäftsbeziehung bereits vor dem
Einsturz beendet zu haben und mit der bangladeschischen
© Stiftung Jugend und Bildung | im Auftrag des BMJV | Stand: März 2015
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Nichtregierungsorganisation BRAC zusammenzuarbeiten,
um den Opfern von Rana Plaza Hilfe zukommen zu lassen.
Die meisten anderen Unternehmen verweigern sich mit dem
Argument, keine Textilien aus Rana Plaza bezogen zu haben.
Acht Firmen haben in der Frist von mindestens neun Tagen
nicht geantwortet, auch nicht in den weiteren Wochen bis
Redaktionsschluss. Darunter: die deutschen Firmen Peek &
Cloppenburg Düsseldorf und NKD sowie die großen JeansMarken Lee, Levi’s und Wrangler.
Quelle: www.test.de/Einsturz-Katastrophe-Bangladesch-DieKonsequenzen-der-Bekleidungsfirmen-4697362-0/
Burckhardt, Vorsitzende der NGO Femnet und langjährige
Aktivistin der Kampagne für saubere Kleidung.
Die Sichtweise des Fabrikbesitzers Ulrich Bornemann ist
– wie zu erwarten – komplett anders. Er spricht von einer
„heftigen Rufmordkampagne“. Der Fall zeigt, wie schwierig
es ist, die Verhältnisse in den Fabriken in Bangladesch zu
beurteilen – und belegt zugleich auch, wie rigoros internationale Textilhändler mittlerweile auf schlechte Nachrichten über
Zulieferer reagieren. Die Firma Beo steht nämlich nach den
Vorfällen vor dem Aus, weil keiner mehr bei ihr bestellt.
(Quelle: http://www.caspar-dohmen.de/beitraege/verlierer-serie;
abgedruckt in der SZ vom 6.3.2015)
M5: Brandschutz-Allianz, Sicherheit und Rechte
der Arbeiter: „Verlierer in Serie“
M6: Niedriglöhne stützen das System
Die Textilindustrie in Bangladesch mit ihren vier Millionen
Beschäftigten steht seit dem Zusammensturz des schlampig gebauten Gebäudekomplexes Rana Plaza im April 2013
unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit. (…) Nach
dem Unfall gab es Bemühungen, die Sicherheitslage in den
Fabriken zu verbessern: So nahmen zwei neue Bündnisse
ihre Arbeit auf, um die Zustände der Fabriken durch unabhängige Experten zu überprüfen. Nichtregierungsorganisationen
(NGOs), Gewerkschaften sowie zahlreiche nationale und
vor allem europäische Textilproduzenten wie H&M, Adidas,
Benetton, Lidl oder Aldi gründeten den sogenannten Bangladesh Accord on Fire and Building Safety, kurz Accord. Dessen
Report listete im Herbst 2014 allein 80 000 Sicherheitsmängel in 1106 untersuchten Fabriken auf, ob Baumängel oder
fehlende Feuerschutzeinrichtungen.
Ein zentraler Bestandteil des Abkommens ist es, dass Arbeiter Missstände in den Fabriken anprangern können, ohne
befürchten zu müssen, dass sie deswegen gleich entlassen
werden. Trotzdem sollen 48 Arbeiter der Firma Beo Apparel
Manufacturing genau deswegen gefeuert worden sein,
kritisiert das Worker Rights Consortium (…). Von einem
„klaren Verstoß gegen das Abkommen“ spricht auch Gisela
Es gibt viele Schuldige am Einsturz des Rana Plaza, doch die
große Zahl der Opfer ist wohl im System fast fashion begründet: kurzfristige Bestellungen, strenge Lieferbedingungen,
große Mengen, kleine Gewinnmargen und kurze Lieferzeiten. (...) Die Erpressbarkeit der NäherInnen hält das System
zusammen. Nur wenn sie jederzeit verfügbar sind, können es
die neuesten Kollektionen innerhalb von Wochen einmal um
den Globus schaffen. (...) Besonders unsystematisch sind
deshalb Kampagnen, die sich ausschließlich auf die Hungerlöhne der Branche konzentrieren. Manche suggerieren
sogar, man könne etwas verändern, wenn man die Kleidung
wenige Cent teurer macht. (...) Würden sie tatsächlich einen
Existenzlohn bekommen, bekämen die NäherInnen dadurch
Handlungsspielraum zurück. Warum Überstunden machen,
wenn man nicht auf sie angewiesen ist? Die verspäteten
Lieferungen wären das Problem anderer, die hohen Strafzahlungen, die Modeketten ihren Lieferanten aufdrücken, auch.
(...) Dadurch würden die Produktionskosten enorm steigen.
Die Kleidung würde nicht nur um wenige Cent, sondern
um ganze Euros teurer werden. Die Modefirmen würden
in andere Länder abwandern – oder die ganze Industrie
müsste sich verändern.
(Quelle: www.taz.de/!141775/)
Aufgaben:
1. Recherchieren Sie Maßnahmen, die nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza getroffen wurden und nennen
Sie Vereinbarungen. (M1, M2, M3, M4)
2. Skizzieren Sie in wenigen Sätzen die Ziele und Strategien der einzelnen Maßnahmen und benennen
Sie die unterschiedlichen Akteure, von denen die Initiativen ausgehen. (M1, M2, M3, M4)
3. Lesen Sie den zu M5 verlinkten Artikel „Verlierer in Serie“ und skizzieren Sie den Konflikt, der trotz der Bündnisse
entstanden ist. Bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Rechte der Arbeiter und bestehende Vorkehrungen zu deren
Schutz und diskutieren Sie Ansätze zur Verbesserung der Situation. (M5)
4. Analysieren Sie folgende Umfrage der Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bangladesch-fuer-qualitaet-gebe-ich-mehr-aus-1.1941765.
Sprechen Sie im Plenum über Ihr Konsumverhalten und reflektieren Sie Ihre Einkaufsgewohnheiten. (M6)
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Nach einer Meldung vom 20.2.2015 zahlt Benetton nun doch für die Opfer von Rana Plaza
© Stiftung Jugend und Bildung | im Auftrag des BMJV | Stand: März 2015
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