Der Standard `Ein Pantheon ohne Fassade`

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Der Standard `Ein Pantheon ohne Fassade`
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MART - Museo di arte
moderna e contemporanea
di Trento e Rovereto
Rovereto, Italien
'Ein Pantheon ohne Fassade'
SAMMLUNG
Das Trentino eröffnete am vergangenen Wochenende sein neues von Mario Botta
gestaltetes Kunstmuseum - das "Museo di arte moderna e contemporanea di Trento
e Rovereto" ("MART") ist in Italien die wichtigste einschlägige Neugründung der
letzten Jahrzehnte.
ARCHITEKTIN
von Gerhard Mumelter
AUSFÜHRUNG
Rovereto - Für Gabriella Belli ist es schlicht "das Ende eines schwierigen, geradlinigen
Wegs". Natürlich weiß sie, dass Museumsdirektoren in aller Welt sie um ihren Neubau
beneiden. Doch eine Frau großer Worte war Belli nie. 20 Jahre lang bereitete sie beharrlich
ihr Lebenswerk vor, das an diesem Wochenende eröffnet wurde: das 50 Millionen Euro
teure Museum für moderne Kunst in Rovereto.
In jahrelanger Kleinarbeit überzeugte Belli Landes- und Kommunalpolitiker, richtete im
historischen "Palazzo delle Albere" in Trient eine erste Sammlung moderner Kunst ein,
bemühte sich um Ankäufe und Leihgaben und rückte mit über 100 Ausstellungen die
kulturbeflissene Kleinstadt Rovereto südlich von Trient in den Blickpunkt internationaler
Aufmerksamkeit.
Wenn Gabriella Belli von der "kulturellen Berufung" der Stadt spricht, meint sie damit nicht
Mozarts erstes italienisches Konzert im Winter 1769 oder Goethes Aufenthalt im Jahre
1784. Sie denkt etwa daran, dass die Stadt 1784 für ihre 6000 Einwohner ein Theater
errichtete, das so groß war wie jenes von Petersburg. Sie denkt an die 1750 gegründete
"Accademia degli Agiati". Vor allem aber denkt sie an den aus Rovereto stammenden
Pionier des Futurismus, Fortunato Depero, der die Bürger der Stadt mit Kunstaktionen
provozierte.
Allein von Depero hat Belli 3000 Arbeiten gesammelt - von der Skulptur bis zum
Theaterplakat. Mit 80.000 Dokumenten hat sie das weltweit größte Archiv des Futurismus
zusammengetragen. Was ihr bisher fehlte, war nur ein geeignetes Gebäude für die
Sammlungen.
Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten auf dem 29.000 Quadratmeter großen Areal. Erste
Skizzen von Mario Botta reichen ins Jahr 1988 zurück. Die Aufgabe des Tessiner
Architekten war wegen des historischen Kontexts verzwickt. Denn der Bauplatz liegt hinter
zwei Palazzi aus dem 18. Jahrhundert - an der historischen Via Bettini mit ihren
vornehmen Bürgerhäusern. So ent-stand ein Bau, den Botta als "Pantheon ohne Fassade"
bezeichnet - wegen der mächtigen Glaskuppel, deren Durch-messer mit 40 Meter dem des
Pantheons entspricht.
http://www.nextroom.at/building.php?id=389&sid=1805, 21.01.2017
Der Standard
Mario Botta
FUNKTION
Museen und Ausstellungsgebäude
1997 - 2002
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MART - Museo di arte moderna e
contemporanea di Trento e Rovereto
"Ausdruckswelten"
Von dieser lichtdurchfluteten, zentralen "Agora" aus erreicht der Besucher
Ausstellungsräume, Bibliothek, Auditorium und Restaurant. Die Hälfte der 12.000
Quadratmeter des Neubaus sind Ausstellungsflächen, die andere Hälfte ist der Forschung
und Zweckräumen wie Museumsshop und Cafeteria vorbehalten. Die Agora, die 1200
Personen Platz bietet, erschließt sich über zwei Wendeltreppen: "Das erinnert ein wenig an
das Guggenheim-Museum", meint Botta. Der erste Stock ist für wechselnde Ausstellungen
konzipiert, im zweiten zeigt das Museum einen Teil seiner ständigen Sammlung. Die
umfasst über 7000 Arbeiten - von Mario Merz bis Joseph Beuys, von Tony Cragg bis
Anselm Kiefer.
"Räume der Kunst" nennt sich die Eröffnungsausstellung, mit der sich das Museo di arte
moderna e contemporanea di Trento e Rovereto (MART) seinen Besuchern präsentiert.
"Es ist ein Rundgang durch die Ausdruckswelten des 20. Jahrhunderts", so Belli. Vom
Trentiner Giovanni Segantini bis zur Visual Art. 100 Leihgaben aus aller Welt ergänzen die
eigenen Exponate. Belli will damit "Beziehungen, Bruchlinien, Wechselwirkungen und
Affinitäten" aufzeigen - vom Kubismus über den Futurismus bis zur Konkreten Kunst, von
der Po-Art über den Wiener Aktionismus bis zur Performance-Art von Marina Abramovic.
Zum MART gehören auch das Museum moderner Kunst in Trient, das dem 19.
Jahrhundert vorbehalten ist, und das Wohnhaus des Futuristen Depero in Rovereto, das
zurzeit restauriert wird. Für die autonome Provinz Trient ist Italiens wichtigster
Museumsneubau seit einem halben Jahrhundert ein Prestigeobjekt. Großzügig wird er von
der Landesregierung unterstützt. Die Museumsdirektorin ist also nicht von finanziellen
Sorgen geplagt. Während sie hinaufblickt in die 25 Meter hohe Glaskuppel, lässt sich
Gabriella Belli kurz von der Emotion überwältigen: "Das ist die Verwirklichung eines großen
Traumes."
Der Standard, 16.12.2002
WEITERE TEXTE
Der Kunst eine Gasse, Hubertus Adam, Neue Zürcher Zeitung, 26.02.2003
Kunst in Rovereto, Neue Zürcher Zeitung, 18.12.2002
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