Welse locken an die Elbe

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Welse locken an die Elbe
LEBEN & KULTUR
DIENSTAG, 13. SEPTEMBER 2016
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Welse locken an die Elbe
Auswärtige nehmen zum Fischen lange Anreisen in Kauf
Die Zahl der Welse in unseren Gewässern steigt. Und somit auch die Anzahl derer, die solch ein Prachtexemplar gern mal am Haken haben möchten.
TORGAU. Hartmut Hengst kennt sich aus
mit dem Angeln und beobachtet natürlich genau die Entwicklung der Hobbyfischerei vor Ort, von der offenbar Jung
und Alt fasziniert sind. Und der Torgauer erzählt schmunzelnd gleich eine Episode aus DDR-Zeiten: „Ich habe damals
in der Elbe mal einen schönen Barsch gefangen. Meine Frau hatte ihn extra für
die Katze entgrätet und zubereitet. Doch
das Tier hat den Fisch nicht mal angerührt, weil er offenbar stank, was wir
selbst aber nicht riechen konnten“, erinnert sich der 64-Jährige. „Heute ist die
Elbe ein derart sauberes Gewässer, dass
die Leute aus vielen Bundesländern anreisen, um hier zu angeln. Ich habe zuletzt in der Nähe von Repitz mit Bayern
und Hessen gesprochen. Sie kommen
immer wieder, weil es hier so schön ist,
erklären mir diese Menschen“, sagt
Hengst, Inhaber der ANGEL-WELT in
der Torgauer Breiten Straße 8.
Schein allein reicht nicht
Allerdings reicht es für die Auswärtigen
nicht, wenn sie in Besitz des sogenannten Fischereischeins sind. Dieser gilt
zwar für ganz Deutschland. Doch wer in
der Elbe angeln möchte und nicht Mitglied des Anglerverbandes Leipzig ist,
muss sich eine Tages- oder Wochenkarte zum Preis von 10 bzw. 30 Euro kaufen.
Diese kann derjenige in Torgau entweder bei Hengst oder im Elbe-Angel-Center am Schloss erwerben. Dieses Ticket
gilt allerdings nur für die Elbe der Region Torgau. Wer im Torgauer Hafen angeln möchte, muss sich dafür eine extra
Karte kaufen. „Es will eben jeder was
verdienen“, sagt Hengst locker. Er ist
sich sicher, dass es immer mehr auswärtige Petrijünger sind. Aber auch die Zahl
der Einheimischen sei steigend, die hierzulande am Ufer der Elbe ihrem Hobby
nachgehen.
Karl Heinz Fleischmann, Inhaber des Elbe-Angel-Centers, bestätigt die Aussagen des Mitbewerbers. „Die Angler
kommen aus allen Altersgruppen. Auch
Kinder sind schon begeistert. Die meisten Leute fischen an der Elbe, weil es
eine schöne Freizeitbeschäftigung ist. Ihnen ist das Angeln wichtiger als das
Fischessen“, weiß der 64-Jährige, der
fast täglich vom 90 Kilometer entfernten
Freital nach Torgau pendelt. „Ich wundere mich, welch lange Anreise inzwischen zahlreiche Leute auf sich nehmen.
Ich habe schon Angler aus Stuttgart,
Hamburg und Bayern am Fluss oder im
Geschäft kennengelernt.“
schon nichts mehr zu hören. Herrliche
Stille herrscht. Der 52-Jährige wirkt entspannt. Als er mit der Frage konfrontiert
wird, ob er schon einen der großen Welse gefangen hat, lacht er nur. „Davon erzählen die Leute oft im Anglerladen. Und
wenn man nach einem Foto fragt, dass
sie möglicherweise als Beweis auf dem
Handy haben, werden sie verlegen, weil
es diesen super Fang gar nicht gab.“
Erbstößer angelt seit seinem siebten Lebensjahr. Der Torgauer platziert sich stets
an den Buhnen. „Hier gibt es nur wenig
Strömung, sodass sich dort das Futter für
■ ■■KOSTEN
Lernen vor dem Vergnügen Angeln: Hartmut Hengst präsentiert das Lehrmaterial
für den Vorbereitungslehrgang zur Fischereischeinprüfung.
gelrute in der Hand auf der Lauer. Andere, die dieses Teil an einem Stativ befestigt haben, Experten nennen es Rod
Pod, warten dagegen entspannt auf ihren Spezialstühlen.
Einer davon ist Frank Erbstößer. Er sitzt
seit 13 Uhr an „seiner“ Buhne am westlichen Ufer. Von den Fahrzeugen, die gerade die Elbbrücke überqueren, ist hier
Für die Durchführung des Vorbereitungslehrgangs berechnet der Anglerverband Leipzig folgende Entgelte:
• Teilnehmer mit Kauf Lehrmaterial
165,00 Euro
• Teilnehmer ohne Kauf Lehrmaterial
135,00 Euro (nur möglich, wenn
Lehrmaterial schon vorhanden)
• Jugendliche (bis 20 Jahre) mit Kauf
Lehrmaterial 115,00 Euro
• Jugendliche (bis 20 Jahre) ohne
Kauf Lehrmaterial 85,00 Euro
(nur möglich, wenn Lehrmaterial
schon vorhanden)
• Nach bestandener Prüfung wird der
Fischereischein lebenslänglich für
einen Kostenbeitrag von 34,00 Euro
erteilt.
(Quelle: Homepage des
Anglerverbandes Leipzig).
die Fische sammelt. Ich habe an dieser
Stelle schon Karpfen und Hechte gefangen.“ Er fischt gern am späten Abend.
„In dieser Zeit ist es immer ein Erlebnis,
die vielen Lichter der zahlreichen Angler zu sehen.“
Erbstößer bestätigt die Tendenz, dass zunehmend auswärtige Angler in der Region zwischen Torgau und Elsnig ihrem
Hobby nachgehen. Er sei schon mit vielen ins Gespräch gekommen. Manche
reisen allein wegen des Erlebnisses Elbe
an. Auch aus Sicherheitsgründen entscheiden sich zahlreiche Leute aus der
Region Leipzig für Torgau. Hier können
sie ihren Pkw in der Nähe ihres Angler-Standortes parken, haben ihn ständig
im Blick und die Gefahr des Diebstahls
sei in Torgau so wesentlich geringer.
Nur 500 Meter entfernt sitzen Enrico Kasupke und seine Freundin Marika Ohnesorge. Das Paar ist aus der 6000-Einwohner-Gemeinde Neukieritzsch angereist,
die 25 km südlich von Leipzig liegt. Das
sind respektable 90 Kilometer bis Torgau.
„An der Pleiße können wir zwar gut Angeln. Aber hier ist es schöner. Unsere beiden Hunde fühlen sich auch stets wohl
am Wasser und auf den Elbwiesen. Es
könnte nur mal ein Fisch anbeißen“, sagt
der 38-Jährige, der als Metallsäger arbeitet lachend. Seine Marika ist ebenfalls
eine leidenschaftliche Anglerin. „Ich bin
durch Enrico dazu gekommen und inzwischen ist Angeln mein Hobby. Ich kann
damit nach der Arbeit runterfahren vom
täglichen Stress.“ Und sie fügt an: „Die
Fische setzen wir meist zurück in die
Foto: Fotolia/Vladimir Vitek
Karl Heinz Fleischmann zeigt eine Tageskarte für auswärtige Angelfreunde.
Elbe. Wir genießen hier das schöne Umfeld und die Abwechslung. Es kommen
ja auch Schiffe vorbei“, erzählt die junge Frau, die im Leipziger Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie
arbeitet.
Ich esse gar keinen Fisch
Nur 100 Meter vom Repitzer Torbogenhaus angelt Dimitri Ossadze. „Ich esse
gar keinen Fisch, angle sie nur und set-
■ ■■INFO
10 Petrijünger
Was zieht diese Menschen an die Elbe?
Eine „Inspektion“ per Fahrrad an einem
Samstagnachmittag zwischen 15 und 16
Uhr, nicht gerade Hauptkampfzeit für
Angler, unterstreicht die Aussagen der
beiden Geschäftsleute. Vom Steg des
Torgauer Rudervereins an cirka einen Kilometer elbabwärts in Richtung Repitz
warten zehn Petrijünger auf einen Fang,
Frauen und Männer im Alter zwischen
20 bis 67 Jahren. „Eingeborene“ sind nur
zwei darunter. Einige stehen mit der An-
ze sie wieder ins Wasser“, erklärt der
Georgier, der in Leipzig wohnt, in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) arbeitet
und trotz relativ großer Entfernung und
Schichtarbeit regelmäßig nach Torgau
düst. Der 48-Jährige breitet seine Arme
aus. „Schauen Sie, ist das nicht herrlich:
eine wunderbare Landschaft“ und ergänzt im tadellosen Deutsch: „Hier habe
ich meine Ruhe. Wenn ich in Leipzig
angle, stehen oft Leute hinter mir. Viele
sprechen mich sogar an. Das passiert mir
an der Elbe nicht. Hier kann ich meinem
Hobby ungestört nachgehen.“ Sein
Schwiegervater, auch Angel-Fan, dreht
sich um, nickt zustimmend und widmet
sich wieder seiner Angel.
Zahlreiche Petrijünger zieht es an die
Elbe, um Welse zu fangen, die bis zu 2,40
Meter lang werden können. „Die Zahl
der Welse in unseren Gewässern steigt“,
weiß Friedrich Richter, Geschäftsführer
des Anglerverbandes Leipzig, zu dessen
Gebiet die Elbe und weitere Gewässer
zwischen Strehla und Greudnitz gehören. Dieser Verband hat 13 000 Mitglieder, die in 200 Vereinen organisiert sind.
Dem Verband untersteht durch Kauf
bzw. Pachtung von über 350 Gewässern
eine Fläche von 8000 Hektar.
Zurück zu den Welsen. Die Petrijünger
sind nicht nur hinter diesen Fischen wegen deren Größe her. „Es ist ein sehr
schmackhafter und grätenarmer Fisch“,
weiß Matthias Kopp, stellvertretender
Geschäftsführer des Anglerverbandes
Leipzig. „Aber was soll jemand mit solch
einem großen Fang machen, wenn er nur
eine kleine Wohnung mit winziger Küche zur Verfügung hat? Er sollte den
Fisch zurück in die Elbe setzen. Leider
gibt es Leute, die diese Tiere achtlos ins
Gebüsch werfen.“ Schwarzangler gibt
es laut Aussage von Richter und Kopp
wenig. „Wir als Verband kontrollieren
regelmäßig. Wer ohne Fischereischein
erwischt wird, dem droht ein Gerichtsverfahren“, erklärt Richter. Zum Glück
sei das die Ausnahme. Norbert Töpfer
Fürs Angeln an der Elbe bei Torgau sind Enrico Kasupke und Freundin Marika Ohnesorge 90 km mit dem Auto gefahren.
Fotos: Norbert Töpfer
Der Fischereischein bestätigt seinem Inhaber das Vorhandensein der für die Fischereiausübung notwendigen Mindestkenntnisse zum Umgang mit der Kreatur
Fisch und dem ordnungsgemäßen Verhalten in der freien Natur. Im Freistaat
Sachsen ist für jede Art der Fischereiausübung und für den Erwerb von Erlaubnisscheinen ein personengebundener Fischereischein erforderlich. Voraussetzung für die Teilnahme an der Fischereischeinprüfung ist ein Mindestalter von
14 Jahren am Prüfungstag und die vorherige Teilnahme an einem 30-stündigen
Vorbereitungslehrgang. Die Fischereiprüfung umfasst 60 Fragen aus den Themenkomplexen allgemeine Fischkunde,
spezielle Fischkunde, Gewässerkunde,
Gerätekunde und Gesetzeskunde, die
nach dem Antwort-Wahl-Verfahren innerhalb von 90 Minuten zu beantworten
sind. Die Prüfung wird unter Aufsicht in
einem Prüfungskabinett am Computer
durchgeführt.

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