historische und literarische studiën zum dritten teil des

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historische und literarische studiën zum dritten teil des
HISTORISCHE U N D
LITERARISCHE
STUDIËN Z U M DRITTEN
DES K U D R U N E P O S
L. PBBTERS
TEIL
PROMOTOR: PROF. DR. J. A. H U I S M A N
HISTORISCHE U N D LITERARISCHE
STUDIËN Z U M DRITTEN
DES
TEIL
KUDRUNEPOS
PROEFSCHRIFT
TER VERKRIJGING VAN DE GRAAD VAN DOCTOR IN DE LETTEREN
AAN DE RIJKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT, OP GEZAG VAN DE
RECTOR MAGNIFICUS, PROF. DR. J . LANJOUW, VOLGENS BESLUIT
VAN DE SENAAT IN HET OPENBAAR T E VERDEDIGEN OP VRIJDAG
18 OKTOBER 1968
DES NAMIDDAGS TE 3.15
UUR
DOOR
LEOPOLD PEETERS
GEBOREN OP 14 FEBRUARI 1925
TE HEPPEN (BELGIË)
J. A. BOOM E N ZOON, UITGEVERS T E MEPPEL
INHALT
Vorwort
VII
Einleitung
1
Erstes Kapitel/Kudrun und die Normandie
Zweites Kapitel/Kudrun und der Nordseeraum
13
.
.
.
.
55
Drittes Kapitel/Gudruns Leidenszeit
104
Viertes Kapitel/Die Seefahrt nach Ormanie
129
Schlusswort
157
Anmerkungen
175
Register
241
Wort- und Sachverzeichnis
241
Autorenverzeichnis
250
Stellenverzeichnis
251
VORWORT
Part de l'authentique; part de l'imaginaire: toute tentative
d'interprétation qui manquerait a rendre compte, avec u n e
égale plenitude, de l'un et l'autre é l é m e n t serait par \k m ê m e
condamnée.
M A R C BLOCH,
La société féodale. Paris 1 9 3 9 , S. 150:
Première Partie, Livre II, Chap, iii, 2: L'épopée.
Obigem Leitsatz, den ich dem berühmten Werk Marc Blochs entnahm,
brauche ich nur wenig hinzuzufügen. Der gleiche Gedankengang hat
Anlage und Plan dieser Arbeit bestimmt. Sie stellt sich die Aufgabe,
eine durchaus problemreiche epische Dichtung des Mittelalters zu
behandeln und sie in ihrer Entstehung und Entfaltung begreiflich zu
machen, und im besonderen das eigentümliche Wesen dieser Dichtung
aus der Art ihres geschichtlichen und literarischen Werdens zu erklaren.
Fiir die Kudrundichtung lasst sich nachweisen, dass sich die Faden
zwischen Heldendichtung und Geschichte hin und her spinnen. In
diesem Zusammenhang ist es mir eine angenehme Pflicht dem Inhaber
des Utrechter Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte, Herrn Professor Dr. F. W . N . Hugenholtz, grössten Dank auszusprechen. Er hat
bereitwilligst seine Zeit und Aufmerksamkeit dem Lesen des Manuskripts gewidmet.
Weiterhin möchte ich Herrn Professor Dr. T. A. Rompelman danken
für die Anregungen und Hinweise, die ich von ihm erhielt, und das
Interesse, das er meinen Forschungen zuteil werden liess.
Ich bin mir bewusst, wie sehr mein Wissen um die germanischen
Sprachen und Literaturen von meinem Doktorvater, Herrn Professor
Dr. J. A. Huisman, erweitert und vertieft worden ist. Er hat an Entstehung und Fortgang meiner Untersuchung regen Anteil genommen;
dafür sei ihm an dieser Stelle herzlichst gedankt.
Zum Schluss sei mir noch gestattet, den Bibliothekaren und den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Institute und Bibliotheken, die mir
mit grosser Liberalitat Zeitschriften und Bücher zur Verfiigung gestellt
haben, den nötigen Dank auszusprechen. Es seien hier besonders genannt: das "Instituut voor Germaanse Taal- en Letterkunde" der Rijks­
universiteit Utrecht, die Utrechter und Amsterdamer Universitatsbibliotheken, die "Koninklijke Bibliotheek" im Haag.
Herrn drs. P. A. Fretz, der das Manuskript gelesen hat, verdanke ich
manchen Wink, der der Lesbarkeit meiner Arbeit zugute gekommen ist.
EINLEITUNG
Die unter dem Namen Kudrun bekannte, dem Mittelalter angehórende deutsche Dichtung ist uns nur in einer einzigen, spaten Hand­
schrift erhalten. Sie wird in der Nationalbibliothek in Wien als Hs. 73
aufbewahrt. Nach ihrem früheren Aufbewahrungsorte, dem Schlosse
Ambras bei Innsbruck, heisst die Handschrift die "Ambraser Hand­
schrift", auch wohl "Ambraser Heldenbuch". Das Kudrunepos wurde
mit anderen Helden- und höfischen Epen von 1502 bis 1515 durch
den Zolleinnehmer Hans Ried in Bozen für Kaiser Maximilian abgeschrieben und in die damals iibliche Sprachform umgesetzt. Aus dieser
Handschrift des 16. Jahrhunderts ist zuerst im Jahre 1835 von Adolf
Ziemann der mittelhochdeutsche Text hergestellt worden. In den folgenden hundertfünfundzwanzig Jahren ist der Kudruntext wiederholt
von verdienten Forschern herausgegeben worden. Neben Ziemann traten Al. J. Vollmer, Karl Bartsch, Ernst Martin und B. Symons als
kritische und bedachtsame Betreuer des überkommenen Erbes.
Auf die Frage wann und wo das Kudrunepos entstanden ist, gibt es
keine verbindliche Antwort. Die stilistischen Merkmale, die Geschichte
der Kudrunstrophe, die Art der Erzahlung, ja sogar der unverkennbare
Einfluss des Nibelungenliedes in seiner jiingsten Fassung, haben die
Forscher dazu gezwungen eine förmliche Abhangigkeit der letzten
Kudrunbearbeitung vom Nihelungenlied anzunehmen. Der Einfluss
des Nibelungenliedes
auf die spatere Heldendichtung ist übermachtig gewesen, besonders auf die Kudrun. Jozef Körner nimmt sogar an,
"dass die mündlichen Überlieferungen von Etzel und Dietrich, Hilde
und Kudrun, Ortnit und Wolfdietrich erst unter seiner Nachwirkung
und nach seinem Vorbild zu den umfanglichen Leseepen des 13. Jahr­
hunderts ausgestaltet worden sind; vornehmlich die "Kudrun" ist mit
massenhaften sachlichen und sprachlichen Entlehnungen aus dem
Nihelungenlied
durchsetzt". Diese Abhangigkeit vom Nibelungen1
liede und die gesellschaftlich-politischen Vorstellungen in der Kudrun
bilden die guten Gründe, "uns auf die Zeitangabe urn 1240' zu einigen,
wobei berücksichtigt sein will, dass eine solche Dichtung nicht in
wenigen Wochen entsteht".
2
Die neuere Forschung, und dies im Gegensatz zu der alteren, scheut
sich die Kudrun in einem Atemzuge mit dem Nibelungenlied zu nennen und sie als dichterische Leistung neben ihr Vorbild zu stellen. Die
Kudrun ist ein ausgesprochener Spatling in der Heldendichtung. Das
Handschriftenverhaltnis spricht eine beredte Sprache: 35 Handschriften
des Nïbélungenliedes
stehen nur einer einzigen spaten der Kudrun
gegeniiber. Die Sonderstellung und auch ihre besondere Bedeutung
gewinnt die Kudrun namentlich dadurch, dass sie uns Völker- und
Lebensverhaltnisse darstellt, welche den übrigen deutschen Heldendichtungen weniger bekannt sind: die Nordsee und die Normandie
bilden die wichtigsten geographischen und historischen Hintergriinde
der Sagendichtung. Schon der Inhalt der Kudrun, der hier in gedrangter Form wiedergegeben sei, macht das deutlich. Die dreiteilige Handlung gibt die Schicksale dreier Generationen einer Herrscherfamilie
wieder:
3
D e r Hagenteil
(Str. 1-203, A v . 1-4): A l s König Sigeband von Irland e i n
grosses Fest an seinem H o f i n Baljan veranstaltet, wird sein S ö h n c h e n H a g e n
v o n e i n e m Greif geraubt u n d auf e i n e f e m e Insel entführt. Aber dieser
entkommt glücklicherweise der j u n g e n Brut des Raubvogels, i n d e m i h n e i n
junger Greif aus d e m N e s t fallen lasst. I n einer Felsenhöhle am M e e r trifft
er drei schone Königstöchter, die der Greif friiher ebenfalls geraubt hatte.
D i e Prinzessinnen stammen aus I n d i e n , Portugal u n d Iserland. H a g e n wird
anfangs v o n i h n e n auferzogen, bis er sich schliesslich der R ü s t u n g u n d der
Waffen
eines tot a n g e s c h w e m m t e n Schiffbriichigen,
eines Kreuzfahrers,
bemachtigt. E s gelingt i h m die Greifen z u erschlagen. I n einem Robinsonadedasein ist er der e i g e n e Erzieher, er wird z u m vollendeten Ritter u n d H e l d e n .
I n d e m er das B l u t eines erlegten Gabiluns trinkt wird er iibermenschlich
stark. Er begleitet die Prinzessinnen auf ihren W u n s c h a n das Meeresufer,
w o sie ein Schiff erblicken. E s ist e i n Pilgerschiff, dessen Herr der Graf
v o n Garadê, der Feind seines Vaters, ist. Er erzwingt, dass der Graf i h n
u n d die M a d c h e n nach Irland fahrt. Er versöhnt d e n Grafen mit seinem
Vater. D i e ehemaligen Feinde bleiben vierzehn T a g e i n Baljan. H a g e n
heiratet H i l d e v o n I n d i e n , eines der W i l d n i s m a d c h e n , u n d übernimmt die
Herrschaft des Landes. Sie haben eine Tochter, die auch H i l d e heisst. I m
zwölften Lebensjahr wird sie v o n vielen fremden Fiirsten, u.a. e i n e m aus
Wêleis, umworben. Hagen, vdlant aller künige, lasst die Boten der Werber
aufhangen und will die Tochter nur einem Mann geben, der starker ist
als er.
Der Hildeteil (Str. 204-562, Av. 5-8): Hetel, König der Hegelingen, herrscht
über ein küstennahes Reich, wozu Ortlant (Nortlant), Niflant, Tenelant
(Tenemarke, Teneriche), Stürmen, Dietmers, Friesen und Waleis gehöien.
Man rühmt dem unverheiraten König die schone Hilde, Hagens Tochter.
Er entsendet seine Leute, die ihm verwandt oder lehenspflichtig sind: den
alten Wate von Stürmen, den liederkundigen Horant, der in Tenemarke
zu Hause ist, und den weisen Frute von Tenemarke. Zu ihnen gesellen
sich Morung von Niflant und Irolt von Ortlant. Sie bereiten sich ihrem
Herrn die Braut zu gewinnen. Sie fahren als reiche Kaufleute nach Iiland,
wahrend in ihren Schiffen sich bewaffnete Krieger unter Deck versteekt
halten. Als angebliche Flüchtlinge, die behaupten von König Hetel vertrieben zu sein, erregen sie das Mitleid des Königs und der Königin von Baljan und die Vertriebenen gewinnen durch kostbare Geschenke deren Gunst.
Die junge Hilde wünscht die Gaste zu sehen. Darauf entbietet Hagen die
Fremden zum Hofe. Ihr Gebaren, ihre glanzende Kleidung erregen Bewundering. Man veranstaltet Kampfspiele. Wate stellt sich, als hatte er nie
solches Fechten gesehen, doch gegenüber Hagen erweist er sich als Meister.
Besonderes Ansehen erlangt Horant mit seinem wunderbaren Sang. Die
Vogel verstummen, die Tiere im Walde, die kriechenden Tiere im Gras, die
Fische im Wasser lassen von ihren gewohnten Tatigkeiten ab. Den Trauernden schwindet das Leid, Kranke mussen genesen. Die Königstochter bescheidet den Sanger heimlich zu sich; er singt ihr die verführerische Weise
von Amilê. Er bringt ihr die Werbung seines Herrn vor und versichert,
sein Herr habe zwölf Sanger, die weit schoner als er sangen; am schönsten
aber singe der König selbst. Als Lohn erbittet er eine Gabe: einen Gürtel
für Hetel. Die Hegelingen geben vor, ihr Herr, Hetel, habe nach ihnen
gesandt und Sühne geboten und sie rusten zur Abfahrt. Hagen, mit Frau
und Tochter, geleitet sie zu den Schiffen, Die junge Hilde geht, wie mit
Horant besprochen, mit ihren Jungfrauen auf das Schiff, wo sie Frutes
Kram schauen wollen. Plötzlich werden die Anker gelost, die Segel aufgezogen und die Bewaffneten springen hervor. Hagen und seine Mannen
werden ins Wasser geworfen und die Gaste fahren mit der Braut dahin. Sie
schicken ihrem Herrn eine Botschaft. Die Hegelingen landen das Schiff in
WMeis, doch Hagen ist den Entführern seiner Tochter wutschnaubend nachgefahren. Bei dem unentschiedenen Kampf wird sowohl Hetel wie auch
Hagen verletzt. Schliesslich gelingt es der jungen Hilde mit Hetels Hilfe
das kampfende Paar Hagen—Wate zu trennen. Zufrieden mit der Vermahlung seiner Tochter mit dem Hegelingenkönig kehrt Hagen nach Baljan
in Irland zurück.
Der Kudrunteil (Str. 563-1705, Av. 9-32): Der Ehe Hetels und Hildes entstammen zwei Kinder: Ortwin und seine Schwester Gudrun. Als sie herangewachsen ist, wird sie ebenfalls von vielen Freiern umworben. Alle werden
abgewiesen, darunter Sivrit von Mórlant, der drohend abzieht. Auch Hartmuot, der Sohn des Königs Ludewic von Ormanie, der besonders auf das
Betreiben seiner Mutter Gerhnt um die HegeHngentochter freit, erhalt eine
abschlagige Antwort. Er gilt als unebenbürtig, hatte doch sein Vater als er
damals in Frideschotten war, ein Lehn ze Garadine von Hagen empfangen.
Auch Herwig von Sêlant wirbt um Gudrun, wird aber ebenfalls abgewiesen. Hartmuot versucht es ein zweites Mal, unerkannt, die Gunst Gudruns
zu gewinnen, doch es wird ihm geraten, den Hof unmittelbar zu verlassen.
Entschlossen, Gudrun mit Gewalt zu erwerben, kehrt er nach Ormanie
zurück. Schliesslich wird sie Herwig von Sêlant, obwohl er sein Uhtez kunne
nicht verschweigt, nach einem kecken Kampf anverlobt. Kudrun soil noch
ein Jahr bei den Eltern bleiben, bevor die Hochzeit stattfindet.
Der eifersüchtige Sivrit von Mórlant fallt jetzt in Sêlant ein. Herwig lasst
es Gudrun melden, die ihren Vater veranlasst, ihm zu Hilfe zu eilen. Mit
Hetels Hilfe werden die Feinde in eine Befestigung an einem grossen Fluss
gedrangt, wo sie eine Zeitlang belagert werden. Hartmut und Ludwig nutzen
die Abwesenheit Hetels und erscheinen von Ormanie aus vor Hetels Burg
Matetóne im Hegelingenland. Sie überfallen das ungeschützte Gebiet, man
brennt und raubt. Gudrun samt ihren Jungfrauen, darunter die getreue Hildeburg, werden von den Normannen übers Meer nach Ormanie entführt.
Hildes Boten berichten Hetel und Herwig das Geschehene. Auf Wates Rat
beginnt der Kampf mit den Mohren am anderen Morgen, dann bietet man
ihnen einen ehrenvollen Frieden an. Sivrit zeigt sich zur Hilfeleistung im
Kampf gegen die Normannen bereit.
Die Hegelingen bemachtigen sich der Schiffe einer Pilgerschar, die gerade
am Strande gelagert war. Sie fahren den Raubern nach. Sie erreichen sie
auch wirklich auf dem Wülpensande (Wülpenwerte) und greifen sie an.
Ein grimmiger Kampf wahrt vom frühen Morgen bis zur einbrechenden
Nacht. König Ludwig, der sich Wate entziehen kann, erschlagt Gudruns
Vater Hetel. Die Normannen benutzen die Dunkelheit der Nacht, um sich
heimlich einzuschiffen. Sie fahren mit den gefangenen Frauen davon. Die
Hegelingen hingegen fühlen sich durch die Schlacht so geschwacht, dass
sie die Verfolgung aufgeben. Sie grimden auf dem Wülpensande ein Kloster
zum Heile der Erschlagenen und fahren heim. Dort warten sie, bis die
Knaben herangewachsen und waffentüchtig geworden sind.
Inzwischen ist Gudrun dazu verurteilt im Normannenlande, von der ehrgeizigen und grausamen Gerhnt, Hartmuts Mutter, gepeinigt, niedrige
Magddienste zu verrichten, den Ofen zu heizen, Flachs zu hecheln, Garn
zu winden und Wasser zu tragen, da sie sich widerspenstig weigert, Hartmuts
Frau zu werden. Als im achten Jahre ein neuer Versuch der Überredung
misslingt, wird Gudrun zur Wascherin bestimmt, die am Meere, sogar bei
eisiger Winterkalte, mit Hildeburg am Strande die Wasche zu reinigen hat.
Dreizehn Jahre nach der Entführung fahren die Hegelingen zu Gudruns
Befreiung nach der Normandie unter Führung derselben Manner ab, welche
ihre Mutter aus Irland raubten. Ihnen schliessen sich an ihr Verlobter Herwig, Ortwin, ihr Bruder und Sivrit, der König von Mörlant. Der Wülpensand mit seinem Kloster ist der Sammelplatz der verschiedenen Kontingente.
Nach ihrer Abfahrt von dort werden sie aber von Südwinden Richtung
Givers getrieben, wo Magnetsteine im Meer ihre Schiffe festhalten. Obgleich
die Hegelingen der Vorsicht wegen Anker aus Glockenspeise mit sich führen,
so ist die Anziehungskraft der Magneten so gross, dass sie nicht fortkommen
können. Ausserdem halt sie die Windstille für mehrere Tage fest, bis ein
überaus starker Wind sie erlöst und sie nach einem lebensgefahrlichen Seegang willkommene Ruhe finden. Waffen und Pferde werden ans Land
gebracht. Das milde Klima gestattet ihnen, nachts auf dem Strande auszuruhen.
Am anderen Morgen machen Herwig und Ortwin sich auf, nach Gudrun
zu forschen und das Land zu erkunden. Dort treffen die Manner Gudrun
und ihre treue Begleiterin Hildeburg barfuss, mit wehenden Haaren und zitternd vor Kalte am Strande bei der Wasche. Tiefer Schnee und unbarmheizige Kalte haben die Madchen zur Verzweiflung gebracht, obwohl ein
Vogel als Himmelsbote am Tage vorher die nahe Befreiung prophezeit
hatte. Es folgt eine riihrende Erkennungsszene, obwohl Gudrun und Hilde­
burg anfangs in ihrer erbarmlichen Lage und bei der unpassenden Kleidung
am liebsten davon gelaufen waren. Herwig will beide Madchen sogleich
mitnehmen, aber Ortwin drangt auf Trennung, weil eine heimhche Ent­
führung ehrenrührig ware. Der Angriff wird für die nachste Frühe angekündigt. Voll ingrimmigen Stolzes wirft Gudrun die Wasche ins Meer. Als
Gudrun zur Burg zurückkommt, will Gerlint sie mit Domen züchtigen,
doch Gudrun erklart in doppeldeutiger Rede, sie wolle dem ihre Hand
reichen, den sie dereinst verschmaht habe. Freudig eilt Hartmut herbei, die
gefangenen Madchen werden jetzt gut bewirtet. Um die Kampfkracht der
Burgleute Ludwigs zu schwachen, rat Gudrun Hartmut, Boten auszusenden,
die Gaste zum Hochzeitsfést zu laden. Den geraubten Madchen teilt sie
mit, was bevorsteht.
Wate, der bei den Hegelingen führt, zieht das Heer in der Nacht vor
Kassiane, Ludwigs Burg, zusammen. Eines von Gudruns Madchen, erblickt
die anrückenden Scharen und weckt Gudrun. Ludwigs Wachter verkündet
dem schlafenden Hof wiederholt die Nahe der Feinde, allein Ludwig zeigt
sich unüberzeugt und zögernd. Gerlint, seine Frau, rat, man solle es auf eine
Belagerung ankommen lassen und keinen Ausfall machen, doch Hartmut
will nichts von einem solchen Rat wissen. Wate blast sein Horn und die
Schlacht fangt an. Hartmut zeichnet sich aus im Kampf, Ortwin und Horant
werden von ihm verwundet. Herwig erschlagt den König Ludwig. Der Kampf
Wate—Hartmut vor dem Tore steht in der Waage. Gerlint will Gudrun
toten lassen, doch Hartmut vertreibt den Mörder durch drohenden Zuruf.
Auf Bitten Ortruns, der Schwester Hartmuts, veranlasst Gudrun ihren Verlobten, Wate und Hartmut zu scheiden. Hartmut und achtzig Bitter mit ihm
werden gefangen. Wate erstürmt die Burg Kassiane und schont auch die
Kinder in der Wiege nicht, damit sie nicht zum Schaden der Hegelingen
aufwachsen können. Gerhnt, die sich zu Gudrun flüchtet, reisst er hinweg
und schlagt ihr das Haupt ab. So auch wird die junge ungetreue Hergart,
die einen Schenken an Ludwigs Hof geheiratet hat, von Wate getötet. Wei­
ter wird das übrige Land verheert und die Burgen gebrochen. Nach der Vergeltung schiffen sich die Hegelingen wieder mit Gudrun und grosser Beute
ein. Hartmut und seine Schwester werden gefangen mitgeführt. Horant
und Morunc bleiben in Ormanielant.
Hilde empfangt die Heimkehrenden. Auf Zureden Kudruns nimmt sie
Ortrun, die freundliche Schwester Hartmuts, auf. Auch Hartmut wird
schliesslich durch Hilde freigelassen, nachdem Gudrun gemahnt hat, dass
niemand Böses mit Hass vergelten solle. Gudrun rat Ortwin, sich mit Ortrun
zu vermahlen. Hartmut bekommt Hildeburg zur Frau. Sivrit von Mórlant
erklart sich bereit, die Ehe mit Herwigs Schwester zu schliessen. Die Krönung
Gudruns durch Herwig wird nebenbei erwahnt. Nach den glanzenden
Festen, nehmen Hartmut und Hildeburg Abschied und kehren, von Irolt
begleitet, nach Ormanie zurück. Horant verlasst darauf Kassi&ne, um sich
nach Danemark zu begeben. Sivrit kehrt mit Herwigs Schwester heim. Auch
Gudrun verabschiedet sich von ihrer Mutter. Ortwin und Herwig schliessen
ein Schutz- und Trutzbündnis miteinander und Ziehen, jeder mit seiner
Frau, in ihr Land. Und damit endet die Kudrun.
Die Dreigliedrigkeit des Werkes und die genealogisch-sagengeschichtliche Verknüpfung der Teile betrachtet man als das Bauprinzip des
letzten Bearbeiters und Umdichters, wobei man gem auf die Analogie
der damaligen Ritterromane von Parzival und Tristan hinweist, wo auch
die Schicksale der Voreltern vorangeschickt werden. Der ungleiche
dichterische Wert dürfte ein Hinweis sein, dass die drei Teile ursprünglich nicht zueinander gehort haben.
In unserem Epos liegt das Hauptgewicht eindeutig auf Gudruns
Entführungsgeschichte. Ihr ist die vorliegende Untersuchung gewidmet. Obgleich Kudrün
die schoene von Hegelingelant
erst im letzten
Teil des Epos erscheint, ist sie die Titelheldin. Zwei Drittel des Epos
handeln von ihrem Schicksal. Der Stoff bildet eine ausgesprochene
Meersage, deren örtlicher Hintergund dem Oberdeutschen wahrscheinlich nicht bekannt war. Sogar die Thidrekssaga,
die auf niederdeutsche
Quellen zurückgeht und die das ganze Gebiet der deutschen Helden-
sage umfasst, erwahnt die Hilde-Gudrunfabel nicht. Man fragt sich, ob
die Kudrun ihre Unbekanntheit und ihre Sonderstellung ihrem Hintergrund verdankt, den Überfallen der Normannen, den Gefahren des
Seekrieges, ihrem Schauplatz und ihren Helden. Andrerseits hat man
Zweifel ausgesprochen, ob der Schriftsteller um 1240 überhaupt schon
eine Sage von einer standhaften Heldin, die in Feindesland Magddienste verrichtet, angetroffen hat, oder ist diese Heldin seine eigene
Schöpfung?
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Die mittelalterlichen spielmannischen Brautfahrten, zu denen man
die Kudrun hat stellen wollen, können ihren eigenartigen Inhalt nicht
erklaren, da das Epos nach Stoff und Stimmung zu weit abliegt.
Gudruns Entführung leitet eine Leidensgeschichte ein, und Aufgabe
des Dichters ist die Schilderung der "Kudrun im Elend". Auch wenn
man geneigt ist, das Geschehen im Kudrunteil "als im Gegenzug zur
Hildegeschichte entworfen" zu denken, so ist es doch klar, dass "die
Kudrunfabel ein von der Hildefabel im Innersten verschiedenes Gebilde
ist". Gewiss, "der Gudrunteil ist nicht einfach als Fortführung oder
Abwandlung des Hildeteils aufzufassen". Doch diese Schlussfolgerung
lasst unverzüglich die alte Streitfrage wieder auftauchen, ob es vor dem
Kudrunepos eine Gudrunsage bzw. eine Gudrundichtung gegeben hat,
oder ob der Gudrunteil "eine Erfindung des hochmittelalterlichen Dich­
ters ist". Dieses Dilemma kennzeichnet den Stand der sagengeschichtlichen Forschung, der vornehmlich durch die gegensatzlichen Positionen
Schneiders uind Heuslers bestimmt ist. Heusler nimmt an, dass die
Sage aus den Niederlanden kam wie die Hildesage und dass die genea­
logische Verbindung schon dort erfolgt ist. In Sivrit von Mörlant soil
sich ein Normannenführer von 882 fortsetzen und sogar eine Herwigsage ware "etwa als Episode in einem Wikinglebenslaufe fassbar".
Schneider vertritt den entgegengesetzten Standpunkt: "Ein altheroisches
Kudrunlied aus Völkerwanderungs- oder Wikingszeit ist eine stoff- und
stilgeschichtliche Unmöglichkeit." In sehr bestimmter Weise urteilt
er: "Auf alle Falie ist es nicht am Platz, der Kudrun eine lange dichterische Vorgeschichte zuzuschreiben — der Heldin und dem Gedichte.
Die Versuche, deutliche Spuren des Wikingertums und der alteren
Spielmannsdichtung in ihr herauszustellen, sind gescheitert."
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Die Meiningen beider Forscher mussten zwangslaufig verschieden
sein, denn Heusler hatte ausdrücklich die Annahme hervorgehoben,
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dass "unsere Sage einst einen einfacheren und ernsteren Gang hatte".
Schneider hingegen betrachtet die Gudrunsage als "junges Gewachs,
ausgesprochenes 13. Jahrhundert". Die entstehungsgeschichtliche
Frage findet, wie er behauptet, ihre Beantwortung durch die stoffschöpferischen Fahigkeiten des spaten Dichters. Er glaubt nicht daran,
dass eine Vorlage einfach ein rauberische Madchenentruhrung in einem
wikinghaften Überfall geboren haben kann. Meines Erachtens sind
die wikingischen oder sonstigen historischen Grundlagen der Kudrun
einer Untersuchung wert. Ich möchte untersuchen, was aus dem Leben
historischer Personen und aus anderen Ereignissen nachweislich oder
wahrscheinlich in die Heldensage übergegangen ist. Eine ins einzelne
gehende Untersuchung erscheint mir geboten. Diese wird noch erspriesslicher sein, wenn sie die Beziehungen auf das Ganze nicht vernachlassigt. Ohne Frage kann jede Dichtung als Gesamtkomposition aus
sich selbst heraus verstanden und gewürdigt werden. Das bedeutet
jedoch nicht, dass wir uns einen Ausblick auf die Vorgeschichte ver­
sagen sollen. Die Vorgeschichte des Stoffes, deren Erforschung der
Heldensage zugehört, führt zur Kenntnisnahme der alteren Fundamente und Bausteine. Es mangelt nicht an Ausserungen, die gerade bei der
Kudrun darauf hinweisen, dass die Möglichkeiten in dieser Hinsicht
besonders beschrankt sind. Herkunft und Entstehungsverlauf sind vie­
len Forschern gleich problematisch, und Karl Stackmann, der letzte
Herausgeber des Textes, schreibt in seiner Einleitung: "Kaum in
einem einzigen andern Fall ist die Lage so verzweifelt wie bei der
'Kudrun'."
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Wenn die Kudrunsage als eine Heldensage zu werten ist, so darf
man als Ausgangspunkt für ihre methodische Erforschung die Geschichte befragen, denn für das richtige Verstandnis der Heldensage
ist man "genötigt einen historischen Urkern anzunehmen". Doch
man durchmustre die Sekundarliteratur der Kudrun, und man stösst
auf sehr entmutigende Ausserungen: "Bestimmte historische Berichte
dürfen wir nicht als Quellenmaterial erwarten, auch haben wir in
Kudrun selbst schwer einen historischen Namen zu suchen" ; "seine
Entstehung liegt völlig im Dunkel und entbehrt jedes greifbaren his­
torischen Anhalts" ; "aus welchen geschichtlichen Ereignissen die
Kudrun entstanden sein könnte, hat noch niemand entdeckt, auch keiner erraten . . .' ; "die Kriegsfahrten der Wikingen und Normannen
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spielten bei der Gestaltung und bei der Beheimatung gewiss eine
Rolle, aber bestimmte geschichtliche Tatsachen lassen sich nicht als
Quelle nachweisen. Eine Ausnahme bietet vielleicht die Geschichte
Sivrits von Mörland" ; Kudrun können wir "nicht auf ein konkretes
geschichtliches Ereignis zurückführen".
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Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Schneidersche
These sich auf den angeblichen Mangel an "deutlichen Spuren des
Wikingertums", auf die Sonderstellung des spaten und einmaligen
mittelhochdeutschen Kudruntextes und auf die Ahnlichkeit der Geschichten von Hilde und Gudrun stützt: "eine Königstochter wird
entführt, ihr Vater setzt ihr nach, auf dem Wülpensande wird gekampft, der alte König fallt von der Hand des riesigen Begleiters des
Entführers — man sieht, das ist genau die Formel für den Untergang
Hettels; diesen Kern und Wendepunkt der Handlung seines Kudrunteiles fand der Dichter in keiner anderen Quelle als in dem alten
Epos." Wenn man von der Fabel aus urteilt, ist natürlich die Möglichkeit gegeben, die Gudrunerzahlung aus der Entführungsgeschichte
der Hilde heraus zu entwickeln, "durch einen Wechsel in der inneren
Stellung der Frau zum Entführer". Eine Frau, die mit Gewalt entführt wird, ist der Erlösung bedürftig, und es wird Aufgabe der Ihren,
für ihre Rettung zu sorgen. Doch wenn man das Namengut in Betracht
zieht, so fragt man sich, woher Sivrit, Herwig, Ludwig, Gêrlint, Hartmut, Hergart, Ortwin und Ortrun stammen. Und sind die Schlachten
um Mateldne im Lande der Hegelingen und um Kassidne in Ormanie,
die Seefahrten hin und her, der Raub und die Befreiung einer Gruppe
von Jungfrauen Erfindungen des Dichters oder hat er das gangbare
Schema der Verdopplung der S a g e mit Hilfe historischer Stoffe ausgebaut und ausgefüllt? Einige Forscher haben tatsachlich die sogenannte "neue Wendung der Hildesage", "die Geschichte von Hildes Gegenstück Kudrun" einem "Erfinder", einem Dichter im süddeutschen Raum
zugeschrieben. W . Wilmanns hat vorausgesetzt, dass der Dichter, welcher die Kudrunsage zum Gegenstand seiner Bearbeitung gemacht hat,
auch der Erfinder der Sage sei. H. Schneider kommt zu dem Schluss,
dass Inhak und Forschung keine' Fingerzeige zu Alterm bieten.
Diesen Aussagen sind andere Forscher mit Gegenbehauptungen entgegengetreten. So scheint es Alexander Kolisch wahrscheinlich, dass
dem Kudrundichter die Sage vorgelegen habe, und dass sie auf his25
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torischen Tatsachen beruht haben kann, "so dass man von einer unglaublichen Erfindung überhaupt nicht sprechen darf". Eine derartige
Meinung findet man auch in Stackmanns Einleitung: " . . . man kann
den Verlauf der Erzahlung nicht in Bausch und Bogen dem Verfasser
des erhaltenen Textes als neue Erfindung zuschreiben. Er hat altere
Quellen benutzt, aber wir wissen nicht, wie diese Quellen ausgesehen
haben." Dabei taucht nicht nur der alte Problemkomplex auf, ob
die Gudrunsage aus einer Hildesage entwickelt worden ist oder ursprünglich eine selbstandige Sage war, sondern auch, wenn wir von der
erstgemeinten Voraussetzung ausgehen würden, oder ob der Dichter,
der eine Nebenbuhlergeschichte erzahlen wollte, "die Hildensage für
seine Zwecke dienstbar gemacht" h a t oder dass die Hildesage die
Ausgangshandlung ist und "das nebenbuhlermotiv eingewachsen ist".
Die Beantwortung dieser Fragen hangt grossenteils davon ab, ob wir
den Grund erfahren können, warum der Dichter die Entführung der
Jungfrau nicht mehr mit deren Zustimmung, sondern wider ihren Wil­
len durch gewaltsamen Raub geschehen lasst.
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Die süddeutsche Hypothese erklart nicht genügend, wie die verschiedenen geographischen und historischen Einzelheiten aus niederfrankischer Umgebung zur Kenntnis des Kudrundichters gekommen
sein können. Dennoch sind für die Beurteilung der Stoffeinschlage
in unserer Heldensage die Ortsnamen, soweit sie sich als reale Landerund Ortsnamen identifizieren lassen, zusammen mit den möglicherweise wikingischen Zügen, überaus wichtig. Es ist kaum anzunehmen,
dass unsere Dichtung von einem Oberdeutschen nach Quellen, die ihm
aus niederfrankischem Gebiet zugekommen sind, verfasst worden ist.
Vielmehr ist eine dichterische Vorlage, deren Gestalt wir nicht kennen,
vorhanden gewesen. Sie ist und bleibt vorlaufig eine unbekannte
Grosse. Unsicherheit herrscht weiter auch darüber, wie lange gegebenfalls eine Gudrunsage, in selbstandiger Form oder in Anlehnung an
eine Hildedichtung, an der Kuste bestanden habe und wann sie ihre
Wanderung getrennt oder zusammen mit der Hildesage, nach Deutschland angetreten habe.
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Man sieht, "das ratselreichste aller Heldenepen" wirft Fragen über
Fragen auf. Man hat davor gewarnt, der Gudrunsage eine grosse Bedeutung auf sagengeschichtlichem Gebiete beizulegen. Ware es nicht
vorsichtiger zu prüfen, ob und wieweit "im Kudrunteil wirklich eine
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niederfrankische Quelle verwertet ist", ja sogar ob "es eine niederfrankische Vorform des Kudrunteils gegeben hat", die "die verschiedenen
geographischen und historischen Einzelheiten aus niederfrankischer
Umgebung" erklaren helfen. In dieser Weise liesse es sich vielleicht
aufhellen, welches Material der deutsche Dichter kannte.
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Mit einer Gruppe von Forschern nehme ich an, dass es sich in der
Kudrun um Sagenstoffe handelt, deren landschaftlicher Hintergrund
die Nordsee und ihre Kusten sind, deren geschichtliche Llmwelt die
Wikingerziige bilden. Es wird Gegenstand der vorliegenden Arbeit
sein, auf geschichtliche Ereignisse und Personen hinzuweisen, an welche
manche Begebenheiten und Figuren in der Sage anklingen ohne dabei
die literarischen Gestaltungsmittel, die dem Dichter zur Verfügung
gestanden haben konnen, zu iibersehen.
Von grosser Bedeutung scheint mir auch der Blickwinkel des Dich­
ters zu sein. Hetels Danen stehen in günstigem Licht. Man weiss, in
der Wikingerzeit hat sich die Küstenbevölkerung keineswegs immer
den Eindringlingen feindlich gegenübergestellt. Soil man daraus
schliessen, dass in diesen Kreisen Sagenstoffe bestanden haben, die von
den danischen Wikingern zu den Niederfranken und Friesen gebracht
worden sind? Andrerseits fallt es auf, dass die Angreifer aus der Nor­
mandie stammen, und dass die Normandie als ein unabhangiges Land
angeführt wird. Die Forschung lehrt, dass der Name Normandie für
die normannischen Gebiete an der Seinemündung erst um das Jahr
1000 gebrauchlicher wird. Das ist gerade die Zeit, dass die Gefahrlichkeit der Wikingerzüge aufhört. Beweisen diese Überlegungen,
dass "nicht das Zeitalter der normannischen Raubereien (der Dichtung) das entscheidende Geprage gegeben haben" oder dass "von
jenen Einfallen nur noch dammernde Kunde gieng, wo man also die
früheren scandinavischen Nordmannen und die spateren französischen
Normannen wohl verwechseln konnte"? Stehen diese Folgerungen
nicht im Gegensatz zu dem Ergebnis der Kudrunforscherin Ingeborg
Schröbler? Ihre Untersuchung will zeigen, dass Eigenarten der wikingischen Kriegführung spatestens in der zweiten Halfte des 11. Jahrhunderts in eine Gudrundichtung hineingekommen sind.
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Ein weiterer unsicherer Punkt in der Forschung ist, ob Ludwig von
der Normandie, Hartmut, Gerlint und Hildeburg schon in der Quelle
eine Rolle gespielt haben — "sie musste dann ein Gudrunlied gewesen
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sein", meint H. Schneider — oder ob die Namen anderswoher stam­
men. Man hat auf die Namengruppe Ludwig, Hartmut und Hildeburg
in einer Herbortfabel hingewiesen, doch der Name Gerlint für die Frau
Ludwigs ist dort nicht vorhanden. U n d doch ist diese Frau im Kudrunepos die treibende Kraft. Die Personen tragen offensichtlich französische oder frankische N a m e n . Es verwundert, dass sie als die Herrscher
der selbstandigen Normandie, wo doch Wikingernachfahren regierten,
auftreten. Hangt das irgendwie zusammen mit der Tatsache, dass sie
als die Rauber und die endlich Besiegten im Epos betrachtet werden,
wahrend die Hegelingen, die Danen, als die Geschadigten aber letzten
Endes als die Sieger dargestellt werden?
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Es ist meine Absicht, zumindest einen Teil der verschlungenen
Faden zu entwirren. Ich will die historischen und die literarischen
Traditionen befragen, die zur Zeit der Wikinger und Normannen in
den von ihnen beherrschten Gegenden an der Nordsee und am Armelkanal lebten. Ich habe dabei die Worte Karl Goedekes vor Augen, der
zur Kudrun schrieb: "Nur neue Quellen werden über die Geschichte
des Gedichtes sichern Aufschluss geben." Sie wurden im vergangenen
Jahrhundert geschrieben, sie haben jedoch ihre Gültigkeit nicht ver­
loren.
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Die vorliegende Untersuchung wird nach den unterschiedlichen Problemkreisen in vier Abschnitte gegliedert. Zwei Kapitel befassen sich
mit bestimmten geschichtlichen Ereignissen und Persönlichkeiten, und
zwar beziehungsweise in der Normandie und in dem Nordseeraum.
Diese werden in Zusammenhang mit dem Gudrunteil gebracht. Die
zwei abschliessenden Kapitel behandeln in der Hauptsache die litera­
rischen Überlieferungen, die Wates gefahrliche Seefahrt nach Ormanie
und die Leiden der Hauptheldin in diesem Lande beleuchten.
ERSTES KAPITEL
K U D R U N U N D DIE N O R M A N D I E
Bruno Boesch hat in seiner Einfiihrung zur Kudrun, die er der dritten
und der vierten Auflage des Epos vorangeschickt hat, darauf hingewiesen, dass der Dichter des Gudrunteils "dringend auf stoffliche Anleihen
angewiesen war, um dem handlungsarmen Gerippe Fleisch und Blut
zuzuführen". Es sei das erste Anliegen des spielmannischen Dichters
gewesen, "die Kudrungeschichte mit unterhaltendem Stoff anzureichern". Es ist daher die Grundlage vorhanden, die Aventiuren als
"Leseabschnitte und damit (als) zufallige Schnitte einer epischen Konzeption" zu bewerten. Boesch nimmt an, dass eine Reihe von Szenen,
wie z.B. "die Wascherinnen am Strand und die Engelserscheinung, das
Erwachen Ludwigs auf der Burg mit der Schilderung der kampfenden
Schilde, Kudrun, die auf den Zinnen den Kampfauftritten folgt, Wates
fürchterliches Gericht auf der Burg", darauf warten "im lebendigen Auftritt dramatisch neu zu erscheinen".
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Will man die Probleme, die sich in diesem Zusammenhang darbieten,
lösen, so wird man auf die Frage, was vor der Dichtung gelegen haben
konne, Antwort geben mussen. In erster Linie wird zu untersuchen
sein, was der Anlass zur Gestaltung des Gudrunstoffes zu einer Geschichte des Leidens und des Friedenswillens gewesen sei. Weiter
waren die "normannischen" Hintergründe aufzudecken, denn in Lud­
wigs Land, Ormanie, wird Gudrun gefangen gehalten, hier leidet sie,
und wird sie von Wate und seinen Danen befreit. Hat der Dichter
diese Züge als Lesefrüchte aus seinen Quellen gesammelt, um sie als
Leseabschnitte in seinem Epos zu verwenden? Die Forschung ist bisher
die Antwort schuldig geblieben. Es bleibt ungewiss, ob der Dichter einer
hypothetischen früheren Gudrundichtung, etwa aus dem 10. Jahrhundert, normannische oder wikingische Stoffe für wesentliche Teile
der Dichtung verwendet hat.
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Der Zweck des vorliegenden Kapitels ist zum ersten Mal ausführ-
lich auf eine historische Quelle hinzuweisen, die das geschichtliche und
sachliche Verstandnis der Kudrun vertiefen kann. Es ist das Geschichtswerk des Mónches Dudo von St. Quentin, De Moribus et Actis frimorum Normanniae Ducum, das im Jahre 1000 begonnen und wohl erst
nach 1015 vollendet worden ist. Diese Normannengeschichte schildert
die Ansiedlung und die Herrschaft des Wikingers Rollo und seiner
Nachsassen Wilhelm Langschwert und Richard I. Das Werk ist eine
geschichtliche Quelle, die nicht nur Historisches, sondern auch viel
Fabelhaftes und Novellistisches enthalt, das, wie man annimmt, aus
den Volksliedern der Normannen stammt.
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Leider gilt auch heute noch das Wort des Forschers Deutschbein, dass
die lateinischen Autoren der Normandie von den Sagen- und Literaturforschern allzu sehr vernachlassigt worden sind und dass hier fur die
Sagenforschung noch manche Frucht zu pflücken bleibt. Der Historiker Ernst Dümmler sieht in Dudos Werk eine Erzahlung mit dem
epischen Inhak der "normannischen Volksgeschichte". Darin wollte
und konnte Dudo nur wiedergeben, was die normannischen Fürsten sei­
ner Zeit sich von ihren Vorfahren erzahlten. Die am Hofe von Rouen
fortgepflanzte "Haussage" war seine einzige Quelle. Dudos De Moribus hat also den Charakter einer nationalen Sage. Öfters begnügt er
sich, zusammenziehen, was über weitere Raume zerstreut war, auf einzelne Namen zu haufen, was von sehr verschiedenen Führern ausging,
die Tatsachen im Einzelnen auszuschmücken und sie so aufzufassen,
wie es der Nationaleitelkeit am besten entsprach.
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Von grösster Bedeutung ist die Geschichte Richards I., des Enkelkindes des Begründers der Normandie, Rollo. Die Ruhmredigkeit
Dudos tritt darin besonders hervor. Es lasst sich über die ausführliche
Erzahlung der Gefahren, welche Richards Kindheit von seiten Ludwigs
bedrohen, und von dem klaglichen Scheitern der Plane Ludwigs, die
Normandie in die Hande zu bekommen, nur schwer ein sicheres Urteil
gewinnen, weil die Nachrichten anderer Zeitgenossen Dudos nur einen
dürftigen Umriss der Begebenheiten ermöglichen. Ich glaube aber in
diesem Teil der Geschichte Dudos aufschlussreiche Tatsachen für die
Sagengestaltung der Kudrun nachweisen zu können. Dabei ist zu beachten, dass die Suche nach historischen Beziehungen nicht bloss eine
entfernte Ahnlichkeit mit unserer Sage erbringt. Es handelt sich hier
um ein unmittelbares Zeugnis, dass bestimmte Ereignisse aus der Ge-
schichte der Normannen und aus der Sage identisch sind.
Ich bin der Ansicht, dass die mannigfachen Kampfe Richards I.
gegen die letzten Karolinger, Ludwig IV. und seinen Sohn Lothar, wobei Ludwigs Gemahlin, Gerberga, eine grosse Rolle spielte, die histori­
schen Begebenheiten sind, die dem Kudrundichter in irgendeiner Weise
bekannt gewesen sein mussen. Die Forschung nimmt an, dass manches
in der Kudrun historischen Ursprungs sei, dass aber bestimmte histori­
sche Berichte nicht als Quellenmaterial nachzuweisen seien. Martini
schreibt dazu: "Es scheint unmöglich, einen historischen Anhaltspunkt
für die von der Sage berichteten Vorgange zu finden: allerdings ist auch
unsere Kenntnis der frühen Geschichte dieser Gebiete (der Nord- und
Ostsee) bei dem Mangel an Uberlieferungen denkbar gering." Die
Worte Friedrich von der Leyens klingen hoffnungsvoller: Die "Namen
und Orte weisen, soweit sie sicher sind, auf die Danen des neunten
und zehnten Jahrhunderts und ihre Kampfe mit germanischen Vólkern,
mit den Friesen und den Normannen und ausserdem mit den Iren. Die
noch unsicheren Namen widersprechen diesen Zeugnissen nicht."
Er wertet die Kudrun als "ein Geschenk der nördlichen germanischen
Lander", das uns "die seelischen und dichterischen Werte der danischen Heldendichtung" übermittelt hat. Fr. von der Leyen vermutet,
dass eine genauere Kenntnis und eine eindringende Untersuchung der
danischen Heldendichtung noch manches Licht bringen könnte, so
dass wir das Material, das der deutsche Dichter kannte, abgrenzen könnten. In diesem Sinne möchte ich die Ereignisse aus Dudos Geschichte
der "Danen" in der Normandie, bei denen trotz der Ausschmückung
ein historischer Kern anzunehmen ist, heranziehen. In Dudos Werk
hat "die geschichtliche Uberlieferung Schritte auf die Heldensage getan, eh der Dichter kam", wie man das auch anderwarts beobachtet
hat. Wenn jetzt noch "ein eigentlich heroisches Konfliktthema umwandelnd" hinzutritt, so kann man mit einer Mischung aus Heldenund Zeitgedicht rechnen. Daraus ergibt sich, dass ebenso wie die
Nibelungenforschung die Kudrunforschung sich "von neuem auf eine
Auseinandersetzung mit den geschichtlichen Grundlagen ihres Stoffes
verwiesen" sieht. Das ist besonders für unser Epos notwendig, denn
"zu wenig Fühlung mit der allgemeinen Geschichte", sei es, dass man
diese nicht bekommen kann oder sie verliert, "führt zu Unsicherheit in
der Epenforschung".
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U m übrigens ein einigermassen klares Bild der geschichtlichen Vorgange zu gewinnen, ware es angebracht die geschichtlichen Teile von
den fabel- und sagenhaften in De Moribus Dudos zu trennen. In mancher Hinsicht ist dies eine fast unmögliche Aufgabe, die in bezug auf
eine Vergleichung des Fabelhaften und Sagenhaften in der Kudrun
nicht unbedingt gelost werden muss. Es wird sich namlich herausstellen, dass die Befreiung Gudruns in der Normandie sowohl an Geschichtliches als auch an Sagenhaftes in Dudos Normannengeschichte anknüpft. Es geniigt, dass bestimmte Ereignisse und vor allem bestimmte
geschichtliche Persönlichkeiten sich ungesucht darbieten", um eine
Sage als in ihrem Kerne historisch zu erweisen.
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Die Vorgeschichte der Kudrun, besonders des Gudrunteils, bleibt
"auch heute noch weitgehend im Dunkel". Kein Wunder, dass das
Kudrunepos "eines der wissenschaftlich umstrittensten Werke der mittelhochdeutschen Literatur" genannt wird. Dem Epos "fehlt der wichtigste Ausgangspunkt der Untersuchung: die Parallelfassungen". We­
der für die Vorgeschichte des Gudrunteils noch für das Nachleben gibt
es eindwandfreie Zeugnisse. Die grosse Unklarheit, die über das Zu­
standekommen der Kudrun herrscht, hat wiederholt zu Versuchen geführt, die Entwicklung besonders ihres Hauptteils nachzuzeichnen,
ohne dass die in dieser Weise gewonnene hypothetische Vorlage sich
der Zustimmung der Mehrzahl der Forscher erfreuen kann. Wiederholt hat man auch die sparlichen Kenntnisse der Finnsburgsage herangezogen, um die Lage, in der Gudrun sich befindet, und ihre Befreiung
zu erklaren. Symons halt die Zusammenstellung der beiden Sagen
für irrig. Es handle sich in der Finnsburgepisode nicht um die Rückeroberung einer Frau. Der plötzliche Überfall der Feinde in dem angelsachsischen Bruchstück findet in der Nacht statt, nicht "beim ersten
Aufleuchten des Morgens" (Kudrun: Str. 1355 ff.). Ich glaube, hier
kann die Normannengeschichte Dudos mit einer Parallele aushelfen.
Auch können an Hand von Dudos Werk, wie weiter unten im Einzelnen belegt werden wird, weitere Schwierigkeiten in der Kudrun erlautert werden. Man hat sie aus Quellen verschiedener Herkunft deuten wollen. So ist I. Schröbler der Meinung, dass u.a. das plötzliche
Kommen der Hegelingen und das Wecken der schlafenden Normannen
nicht einer Vorstufe des Epos angehört hat. Die Verzögerung des
Kampfes durch das Wecken der Schlafenden scheint Droege wunder68
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lich gesucht. Doch meines Erachtens gibt auch hier Dudo die Lösung.
Bei der Landung stossen die Hegelingen auf frische kalte brunnen
(Kudrun; Str. 1143,3). Panzer, der den Einfluss der Salomosage auf
das Kudrunepos sehr betont hat, hebt hervor, dass die rauschenden
Wasser in keiner Version zu finden sind und dass sie aus einer anderen
Quelle stammen mussen. I. Schröbler weist mit grösster Vorsicht auf
aquae dulces in Aeneis I, 159 ff. hin, wahrend Droege anführt, dass
frische Quellen im Itinerar der Kreuzfahrer erwahnt werden. Wieder
kann Dudo mit einem zusammenhangenden Text herangezogen werden.
Schliesslich wird Meissner gegen andere Forscher recht haben. Er
schreibt, dass man nicht zu viel sagt, "wenn man behauptet, dass die
Schilderung des Angriffes auf die Normannenburg noch charakteristische Züge der Wikingerzeit enthalte". Dieser Kampf führt uns
tatsachlich wieder auf Dudos De Moribus zurück. Diese Punkte sind
nur eine Auswahl von Einzelzügen, die aus einer anderen einzigen
Quelle anscheinend nicht belegbar sind. In Dudos Geschichtswerk fin­
den sie sich eng zusammen. Sie werden unten in einem breiteren Rahmen erörtert. Wenn es sich weiter herausstellt, dass noch mehr geschicht­
liche Einzelheiten und Namen aus Dudos Werk ihre Wiedergabe in
der Kudrun finden, so wird es sich lohnen, die beiden Werke vergleichend nebeneinanderzuhalten.
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Dudo ist als normannischer Geschichtsschreiber parteilich, aber nirgends entstellt er die Ereignisse so weit, dass man nicht in der Lage
ware, die Verhaltnisse einigermassen richtig zu sehen. Nach dem Be­
richt von der Ermordung Wilhelms Langschwert spricht er ausführlich
über die Jugend Richards L. Dieser war der Sohn Wilhelms und Erbe
des Normannenreiches. Nur Dudo verdanken wir den umstandlichen
Bericht, der im wesentlichen als glaubwürdig gelten darf, über den
Aufenthalt Richards am Hofe Ludwigs IV.. Angeblich hat Ludwig IV.
(Ludovicus Ultramarinus, Louis d'Outremer) den jungen Danen — er
lernte die Sprache seines Geschlechts, das Danische, in der Küstengegend von Bayeux — zur Erziehung an seinen Hof geholt, in Wirklichkeit beabsichtigt er ihn unschadlich zu machen. Ludwig hatte vor,
die Normandie wieder dem Besitz der Karolinger einzuverleiben. Die
Normannen durchschauen das Rankespiel des Karolingers; sie erheben
sich. Schliesslich kann Richard sich in listiger Weise von Ludwig und
seiner Gemahlin Gerberga, die ihm nach dem Leben trachten, be-
freien. Dabei ist es sicher, dass die heidnischen Wikinger, die von
aussen durch die in Frankreich angesiedelten Normannen zu Hilfe
gerufen waren, die Entscheidung zugunsten der Normannen — und
damit des jungen Richard — gegen Ludwig IV. herbeigefuhrt haben.
Aus diesem geschichtlichen Überblick erhellt, dass das Volk der
Danen und der Wikinger sich fest entschlossen zeigt, seine bedrangte
Lage in der Normandie zu verbessern. Es kommt zum Kampf gegen
Ludwig und Gerberga. Die entfernten und die unmittelbaren Vorbereitungen, der Verlauf und der Ausgang dieses Kriegsgeschehens sind
in ihren Entwicklungstufen bei Dudo und in der Kudrun, wo der
Kampf der Danen gegen Ludwig und Gêrünt erzahlt wird, so ahnlich,
dass man kaum von der Verwendung zufallig gleicher Schemen und
Schabionen sprechen kann. Es kommt noch hinzu, dass der Sohn der
zu vergleichenden Ehepaare, bzw. Lothar in Dudos Geschichtswerk,
Hartmut in der Kudrun, eine unverkennbar gleiche Rolle spielen.
Betrachten wir zunachst die Vorbereitungen und den Kampf der
Hegelingen und ihrer Verblinderen gegen Ludwig von Ormanie.
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(a) Die entfernten Vorbereitungen —
Es sprechen Wate und Hilde (Str. 945-946):
"von ieclichem lande
heizet ir iu vierzic koeken gewinnen"
Si sprach: "só sal ich würken
heizen bi der fluot
zweinzic veste kiele,
stare unde guot,
und wil die heizen rusten,
— des M n ich guot gedinge —,
daz si mine friunde
mit staten zuo den vienden bringen".
Der Umfang der Arbeiten und Vorbereitungen wird ausführlicher in
Str. 1072-1074 geschildert:
Si héte heizen würken
bl des meres fluot
starker kiele sibene
veste und guot,
zwêne und zweinzic (koeken)
niuwe unde riche.
swaz die haben solten,
des wiren si berihter vlizicliche.
Vierzic galeide
hêt si uf dem mer;
daz was ir ougenweide.
si warte einem her,
daz si senden solte.
dem héte si (riche) splse
erworben sw& si kunde.
si lónte ir helden . . . wol ze prise.
Ez nahent zuo den ziten,
daz si zuo dem sê
niht lenger wolten blten
nach jenen, den vil wê
was in fremeden landen mit staiken arbeiten.
dó hiez diu schoene Hilde mit kleidern ir boten wol bereken.
Nachdem die Truppen aufgeboten sind und das Heer eine gefahrliche
Seefahrt hinter sich hat, wird in Ormanie gelandet (Str. 1142-1143):
Si fuoren vor dem berge an den selben wait.
mit listen muosten werben
dö die recken bait.
ir anker si dó schuzzen
zuo des meres grunde.
si légen in der wilde, daz niemen merken (niht en) kunde.
Durch gemach si fuoren
von schiffen uf den sant.
guoter dinge genuoge hei waz man der da vant!
frische kalte brunnen
die fluzzen in (dem) tanne
nider von dem berge. des freuten sich die wazzermüeden manne.
Man vergleiche dazu Dudo, De Moribus (Migne, Patrologia Latina
Tomus 141, 705): Die herbeigerufenen Danen gehen unter Haigrolds
Führung in der Normandie an Land:
Haigroldus vero rex Daciae magnanimus ob amorem Richardi sui propinqui,
legatos Northmannorum honorifice suscepit; constructisque navibus, hisque
cibariis et militibus repletis, ad littora salinae Corbonis, qua Diva rapido meatu
procelloso mari se infundit, cum incredibili tironum multitudine, citius quam
quivit venit.
Die beiden Quellen (Kudrun und Dudo, De Moribus) haben Folgendes gemeinsam: Die Feinde Ludwigs sehen sich veranlasst, neue Schiffe
zu bauen, um in der Normandie Krieg zu fiihren. Die Schiffe werden
mit Nahrung und Kriegern versehen. Die Flotte fahrt siidwarts und
landet in einer wasserreichen, hügeligen Gegend. Haigrolds Führerrolle stimmt mit dieser Wates überein.
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(b) Die unmittelbaren Vorbereitungen —
Die zugezogenen Truppen nahern sich der Burg Ludwigs (Str. 13541358):
Dó legten sich die müeden
üf den wert ze tal.
si waren da vil nahen vor Ludewiges sal.
(swie) ez bl der naht waere, dan sêhen si doch alle.
die stolzen helde maere lagen dè mit wênigem schalie.
Nu was der morgensterne
höhe uf gegan.
dö kom ein maget schoene
in ein venster stan.
si spehete, wanne ez waere
daz ez tagen solte,
di mite si gróze miete an froun Küdrunen dienen wolte.
Dó kös diu maget edele ein teil des morgens schin,
und gên des wazzers brehene,
als ez solte sin,
sach si liuhten belme
und vil der liehten schilde.
diu burc was besezzen; von gewaefen lühte al daz gevilde.
Dó gienc si hin widere
da si ir frouwen vant.
"wachet, maget edele, allez ditze lant
und disiu burc veste mit vinden ist besezzen.
unser friunt da heime habent unser armen niht vergezzen."
Kudrun diu hêre fiz dem bette spranc.
gach was ir in daz venster.
si sagete der meide danc
dirre botschefte maere; da von wart si riche.
von ir grózen swaere
si goumte nSch ir friunden vlizicliche.
Langsam und zögernd wird Ludwig sich der Gefahr inne (Str. 13601364):
Dó si daz geredete, daz liut noch meisteil slief.
Ludwiges wahtaere
krefticlichen rief:
"wol üf, ir stolzen recken!
wafen, herre, wlfen!
ir küenen von Ormanie, jê waene ich ir ze lange habet geslêfen."
Ditze erhórte Gêrlint,
(daz) Ludewiges wip.
dó hez si ligen slafen
das alten küniges lip.
dó gahte si harte balde
selbe in eine zinne.
dl sach si vil der geste. unmazen leit was dó der tiuvelinne.
Si ilte hin widere
da si den künic vant.
"wachê, herre Ludewic!
din burg und ouch din lant
daz ist umbemüret
von gesten ungehiure.
daz lachen Küdrunen
koufent dine recken hiute tiure."
"Swiget", sprach dó Ludewic, "ich wil si selbe sehen.
wir müezens alles erbiten,
swaz uns nu mac geschehen."
dö gieng er harte snelle in sin palas schouwen,
er héte des tages geste, der er übele mohte getrouwen.
Dó sach er vanen breite vor slner bürge wagen.
dó sprach der künic Ludwic: "jè sul wir ez sagen
minem sune Hartmuote. ez sint lihte pilgerine
und Ugent hie durch koufen
vor der stat und vor der bürge mine."
Dudo, De Moribus (Migne, Patrologia Latina 141, 706) hat:
Constantinenses atque Bajocacenses cum rege Haigroldo ultra Divae fluenta
fixere tentoria. Betnardus primo mane consurgens, venit ad regem Ludovicum
dicens: "Domine rex, velocius surge, et quid agendum sit, secretius cum tuis
rimare. Alterius moris est gens haec quam Francigena, argumentosae calliditatis nimis plena". Tunc quidam recubans intrinsecus, respondit Bernardo,
rege adnuente stanti forinsecus: "Pete dormitum citius, quia non curamus
de talibus". Bernardus vero hujuscemodi verbis exasperatus repetiit castra
Rothomagensia velocius. Aestuante vero sole hora diei tertia, coeperunt Divae
alveum Constantinensium Bajocacensiumque transire agmina. Bernardus
autem intuens, regem iterum expetiit, dicens: "Supra satis rex doimitare
adhuc stude, quia gens Dacigena transgressa Divae flumen stat equestris
in littore, nescio cujus animositatis intentione . . .
Convocansque Bernardum dixit ad eum: "Nescio quid meus praesagit
animus, placida non mihi est quiete contentus. Aut pugnam, aut aliquid
navum exagitat mihi invadere sollicitus".
Wie in der Kudrun schlafen die Danen {gens Dacigena: vgl. Kudrun:
die von Tenemarke, Tenelant, Teneriche) nach der Landung auf dem
Strande. Beim ersten Aufleuchten des Morgens brechen sie zum Kampf
auf. In der Kudrun und in De Moribus werden die Leute Ludwigs
und Ludwig wiederholt aufgefordert aufzustehen. Die Schrecklichkeit der Feinde und die Unschliissigkeit Ludwigs werden betont. Nur
allmahlich wird der König sich der Danengefahr bewusst. Dudo und
der Kudrundichter bringen die falsche Treue des Bernardus (se fidelem
simulans Francorum), bzw. der Gudrun (Str. 1362), zum Ausdruck.
Bemerkenswert ist, dass der Dane Bernardus, der vorgibt Ludwig die
Treue zu halten, sehr geschickt die Heeresmacht Ludwigs schwacht,
indem er die Verblinderen Ludwigs gegeneinander aufwiegelt. Ber­
nardus hat heimliche Beziehungen zu den einfallenden Danen, und
als erster meldet er das "plótzliche" Herannahen der fremden Krieger.
In ahnlicher Weise wissen Gudrun und die Ihrigen, dass ihre Befreier
in der Nahe sind (Str. 1331 ff.). Inzwischen hatte die hinterlistige
Gudrun die Mannschaft Ludwigs geschwacht, indem sie hundert oder
mere (boten) aussenden liess: deste minner was der vinde, do die
Hegelinge suochten Hartmuoten (Str. 1314). Noch bevor die iibrigen
Burgbewohner erwachten, war Kudrun (wie auch Bernardus, der die
Sache Richards vertritt) eifrig dabei nach ihren Befreiern Ausschau zu
halten (Str. 1358).
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(c) Der Kampf —
Gerlint rat vergeblich, man solle sich in der Burg verschanzen (Str.
1381-1386). Dieses Gesprach zwischen Gerlint und Hartmut fangt an
wie folgt:
Dö sprach diu tiuvehnne:
"da mite diente ich dir,
daz ich si wande twingen.
nu solt du volgen mir.
din burg ist só veste, heiz diniu tor besliezen;
só mügen dise geste ir reise harte wênic her geniezen.
Hartmut antwortet ihr (Str. 1386):
Dö sprach in zorne Hartmuot:
"frouwe, nu get hin.
waz miiget ir mir geraten?
zwiu solte mir min sin?
ê man mich beslozzen in dirre bürge vinde,
ê wolte ich ersterben
da üzen bi (dem) Hilden ingesinde".
Der Kampf tobt dann in voller Heftigkeit (Str. 1419):
Do wart ein michel dringen;
gemischet wart der strit.
si sluogen durch die ringe vil manige wunden wit.
dö sach man mit den swerten
geneiget maniges houbet.
der Tot tet dem geliche, daz er diu liute guoter friunde beroubet.
Ludwig wird erschlagen (Str. 1444-1445):
Si sprungen zuo einander
durch strit in daz wal,
dS herte wider herte
in dem sturm ergal.
waz da liute ersturbe,
wer kunde des wizzen aht?
des verlos den sige Ludewic, dó er mit Herwlge vaht.
Der Küdrunen friedel
under helme (über) rant
erreichte Ludewigen
mit ellenthafter hant.
er wundet in só sêre, daz er niht mohte gestriten.
da von muoste Ludewic
des grimmen tödes dk vor im erbiten.
Keiner der Feinde wird geschont (Str. 1501):
In der bürge niemen
deheiner freude gezam.
daz volc von dem lande grózen schaden nam.
dó sluoc man dar inne man unde wip.
der kindel in den wiegen
verlos dê manigez sinen lip.
Dudo, De Moribus (Patrologia halma 141, Sp. 707) erzahlt Ludwigs
Niederlage folgendermassen:
Francigenae . . . insurgunt super eos intrepidi... Sic mortifero per praelium
impulsu congressi, bis novem comités nobilissimi praeoccupantur morte, saeviente Marte dilapsi, ex parte regis Ludovici, nee erat ulla spes vitae, vel
fugae residuis . . . Ipse (Haigroldus) vero capto rege congratulans, ad praelii
campum concitus remeavit, et adbuc armis Francos se tuentes ad internecionem usque prostravit, atque Franciae genus laceros plagis Oreo detrusit.
Folgende Züge sind beiden Quellen gemeinsam: Das Draufgangerische
der Belagerten, viele ihrer vornehmen Krieger fallen, Ludwig wird geschlagen. In De Moribus wird er gefangen genommen, obwohl nec erat
ulla spes vitae, vel fugae; in der Kudrun wird er getötet. Die aussichtslose Lage der Besiegten in die der Danenführer Wate, bzw. Haigroldus,
sie gebracht hat, wird jedesmal hervorgehoben.
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Der Tor, persönlich gefasst, wie es bei mhd. Dichtern nicht selten
vorkommt, und dó sach man mit den swerten geneiget manege houbet
können saeviente Marte und ad internecionem usque prostravit zur
Seite gestellt werden.
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(d) Der Ausgang des Kampjes —
Im Kudrunepos werden Ludwig und Gerlint getötet. Gerlint versucht
sich noch das Leben zu retten, indem sie Gudrun um Vermittlung angeht. Ludwig wird nach dem Bericht in De Moribus gefangen. Seine
Frau Gerberga wendet sich schliesslich an Bernardus und setzt sich für
ihre und die Sache ihres Gemahls und ihres Sohnes ein. Die Kudrun
und De Moribus stimmen insofern überein, dass Ludwig besiegt wird
und dass in beiden Fallen die Ehefrau Gerlint/Gerberga gerade diejenigen Personen um Hilfe angeht, die auf der Burg den Sturz Ludwigs
herbeigeführt haben. In der Kudrun ist diese Person Gudrun selber,
die mit der tatkraftigen Hilfe des Heerführers der Danen und Hege­
lingen, Wate, ihr Ziel erreicht. In De Moribus erfüllt der listige Ber­
nardus diese Rolle. Er und der Wikingerführer Haigroldus haben die
Befreiung Richards sorgfaltig geplant. Mit Hilfe der beiden Heerführer wird Richard als Herrscher über die Normannen eingesetzt.
Im Epos haben die Danen schon in Str. 1530 erreicht, was sie gewollt haben: "die rache ist erfüllt, die burg genommen, Kudrun befreit,
die treuen vermahlten vereinigt: die handlung ist zu e n d e , . . . " schreibt
Müllenhoff und er fiigt hinzu: "hier endigen die echten theile des
gedichtes". Man hat sogar behauptet: "Was nun folgt, ist überflüssig
und zum grossen Teile wertlos." Gerade in den letzten Strophen der
sogenannten echten Teile kommt der Versöhnungsgedanke Gudruns
wiederholt zum Ausdruck (Str. 1482, 1485, 1488, 1490, 1506). Wate
und die Danen widersetzen sich aber den Bestrebungen der Hauptheldin. Die Rachegesinnung der zugezogenen Danen gefahrdet den
Friedenswillen Gudruns. Kudrun, Str. 1491 lautet:
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Wate sprach mit zorne: "her Herwic, nu get hin!
soke ich nu frouwen volgen,
war taete ich minen sin?
solte ich spam die vinde, daz taete ich uf mich selben.
des volge ich iu nimmer.
Hartmuot muoz siner frevele engelden".
Rücksichtslos wird gemordet: daz vole von dem lande ..., man unde
wif ... kindel in den wiegen werden nicht geschont (Str. 1501). Man
leistet griindliche Arbeit nach Wikingerart (Str. 1503) :
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Dö sprach Wate der alte: "du hast kindes muot.
die in der wiegen weinent,
diuhte dich daz guot,
daz ich si leben lieze?
solten die erwahsen,
só woke ich in niht mere
getrouwen danne einem wilden Sahsen".
Wahrend des Kampfes vergisst man das Beutemachen nicht: dó sp-ach
Wate der grimme: "wa sint nu die knechte mit den sechen?" (Str. 1498,
4), genuoge sluogen wunden, die andern wurben vaste nach dem guote
(Str. 1499, 4). Was man zusammenbringt wird auf Schiffe verladen,
wie Kudrun Str. 1500 besagt:
Si fuorten uz der bürge,
só wir hoeren sagen,
daz ez zwêne kiele kunden niht getragen,
von phelle und ouch von siden, von silber und von golde,
der üf tiefer flüete
siniu schef da (mite) laden wolde.
W e n n auch für eine Entführungs- und Rückentführungsgeschichte
die Vereinigung der lang getrennten Geliebten ein deutlicher Abschluss
ist, in der Kudrun wird weiter gekampft. Das kann die Behauptung
bestatigen, dass "die Liebenden als solche nicht im Mittelpunkt
stehen", sondern dass der Kudrundichter besonderes Interesse für den
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Machtkampf in der Normandie zeigt. Seine Schilderungen entsprechen
auch in diesen Teilen weitgehend den Verhandlungen und den Kriegshandlungen, wie sie in De Moribus zu lesen sind.
Die weiteren Kampfe und Raubfahrten sind das Ergebnis einer Beratung der Kriegsführer und ihrer Mannen: Dó wurden ze rate die herren und ir man (Str. 1535, 1). Wate und Fruote tragen zunachst eine
Meinungsverschiedenheit aus, und stimmen schliesslich darin iiberein:
das Hartmuotes erbe sul wir baz mit herverte schouwen (Str. 1537,4).
Man wirft die Leichen der Gefallenen ins Wasser (Str. 1538-1539).
Dorfer und Stadte werden verbrannt (Str. 1545):
Dö schihtens ir reise mit drizic tüsent man.
daz fiur allenthalben
hiez man werfen an.
dö begunde ir erbe
an manigen enden brinnen.
dem edelen Hartmuote
wart êrste leit von alien sinen sinnen.
Eine grosse Anzahl von Burgen wird zerstort (Str. 1547,1-2):
E daz die Hilden friunde
sehs und zweinzic bürge
ir reise kêrten wider,
brachen si d& nider.
Wieder wird geraubt (Str. 1546, 1553, 1560, 1562, 1567), und die
Beute ist überreich: si namen roup den meisten, den iemen mohte bringen (Str. 1546,3); des wir da. hdn geroubet, das bringen wir so vil
(Str. 1567,1).
Diese Schreckenszeit für Hartmuts Land dauert ein Jahr (Str. 1751,
1-2):
Dö si nun komen waren
— daz saget man uns für war —,
dö héte ir herverten
geweret wol ein jar.
Ein Teil der Danen und Hegelingen bleibt in der Normandie (Str.
1551-1552), wahrend die anderen Krieger mit der Beute und den
Gefangenen davonfahren. Hartmut und die Seinen werden gefesselt
mitgeführt: dó wart Hartmuot üf ir schif gefüeret und beslozzen sêre
(Str. 1495,2-3). In Ketten kommen sie nach Hegelingenland (Str.
1598):
Sie weinten algemeine
daz er gevangen saz
in vil starken banden.
ir ougen wurden naz
umbe Hartmuoten,
den künic von Ormandine.
die vil grózen boien
lagen an im und an den sinen.
Der genaue Zeitpunkt des Gefangenentransports wird in Str. 1571,3
genannt: ez was in einem meien, dó si ir gisel brdhten.
In dieser Weise enden die Kriegshandlungen der Hegelingen und
Danen gegen Ludwig, Gerlint und Hartmut. Die Strafe war hart. Es
war Gudrun nicht gelungen, sofort nach ihrer Befreiung die Streitenden
miteinander auszusöhnen.
Es herrscht fast eine communis opinio, den Versöhnungsgedanken
und den Friedenswillen Gudruns als höfisch-christliches Ethos deuten
zu mussen. M. Weege schreibt z.B.: "Dem Kudrundichter liegt daran,
das Zerstörerische der altheldischen Geisteshaltung deutlich zu machen
und ihr gegenüber die Notwendigkeit zu christlich-ethischem Handeln
zu zeigen." Das Altheldische ware dann im Nihelungenlied verkörpert. L. Wolff moge hier stellvertretend für mehrere Forscher zitiert
werden: "Der Schluss (der Kudrun) zeigt sich geradezu als Gegenbild
zum Nihelungenlied, in dem das Gesetz der Rache alles andere zum
Schweigen bringt. Es ist höchst reizvoll, wie der Dichter verschiedene
Zeiten gegeneinander stellt. Er will in seinem Werk darstellen, wie die
Denkweise, die vormals herrschte, von der neuen, jüngeren Haltung
des christlich gesinnten Menschen überwunden werden soil, und wir
werden glauben dürfen, dass schmerzliche Erfahrungen, die sich noch
in seinen eigenen Zeiten boten, inneren Anteil daran hatten." Man
hat sogar schwerwiegende Schlussfolgerungen gezogen, die sich auf
die Entstehungszeit und die Entwicklung der Kudrun beziehen: "1st
aber ein wesentlicher Zug der Heldin, der tief in die innere Form der
Dichtung eingreift, in der gegensatzlichen Haltung zum Nihelungen­
lied (nicht etwa zur Vorstufe, dem alteren Burgunderepos) begründet,
so gewinnt die von vornherein fragwürdige Annahme eines Kudrun­
epos vom Ende des 12. Jahrhunderts nicht an Wahrscheinlichkeit."
Rosenfeld jedoch nimmt an, dass der süddeutsche Kudrundichter im
Jahre 1233 "niederfrankische Gunther-Gudrunlieder" gekannt habe. Es
soli darunter "ein Guntherlied" gewesen sein, "wo Gunthers Schwester
noch die unschuldig leidende, noch nicht die Gattenracherin war". Die
Gudrun aus der Kudrun ware dann die leidende Gegenheldin aus
einem solchen Lied.
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Es ist nicht meine Absicht, den höfischen Einfluss in der Kudrun
zu leugnen oder ein vom Dichter gewolltes "Gegenbild zum Nihelun­
genlied" anzuzweifeln. Die Meinungen der Forscher über das Ent-
stehen der Kudrun — man lese die guten Übersichten bei Schönbach,
Symons, Hoffmann, Stackmann — sind und bleiben jedoch notwendigerweise sehr hypothetischer Art (siehe auch meine Einleitung), da
eine Vorlage oder eine Parallelfassung der Kudrun nicht greifbar wird.
Es fragt sich, ob der Autor nicht umgestaltend nach einer historisch
anmutenden Vorlage gearbeitet hat. I. Schröbler hat m.E. mit Recht
auf altere Bestandteile in Kudrun Str. 1545-1547 hingewiesen: "Einen
Wikingerzug kleineren Formats schildern ganz klar str. 1545-1547"
und an anderer Stelle: "Das ist ein typisch wikingischer Raubzug und
muss ein Überbleibsel der vorspielmannischen Stufe sein".
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Die nachstfolgenden Parallelen in der Normannengeschichte Dudos
und in der Kudrun zeigen, dass Schröbler beizupflichten ist und dass
namentlich die Forschung, die annimmt, dass die Schlussteile der Ku­
drun jüngerer Herkunft sind, kaum recht haben kann. Vielmehr lasst
Dudos Text einen gleichen Ursprung erkennen als für den vorhergehenden Verlauf der Kudrunhandlung, der aus derselben Quelle hergeleitet werden kann. Dudos Erzahlung bietet namlich im Anschluss
an die schon aufgezeigten Parallelen eine Reihe von Übereinstimmungen, die in ihrem Zusammenhang eine sonst kaum zu erwartende Ahnlichkeit mit der Kudrun aufweisen. Es wird sich dabei
ergeben, dass auch der viel besprochene Friedens- und Versöhnungswille in der Kudrun seinem Ursprung nach in eben derselben Quelle
in vollem Umfang und mit allem Nachdruck geschildert wird. Hieran
wird wieder klar, dass das Wissen um die Tradition, in der das Epos
steht, nicht nur die Erklarung etwaiger dunkier Stellen fördert, sondern auch scharfes Licht zu werfen vermag auf die Eigenleistung des
Dichters und die Gestaltung des überkommenen Stoffes.
In dem Kudrunepos ist die fortlaufende Reihe der Ereignisse wie
folgt: Der Versöhnungsgedanke Gudruns steht in krassem Gegensatz zu
den Kriegshandlungen der Danen und Hegelingen. Man kampft wei­
ter und tötet Erwachsene und Kinder. Ein Teil der Bevölkerung der
Normandie wird gefangen, die erbeuteten Schatze werden auf die
Schiffe gebracht. Gudrun hat jetzt über ihre Feinde gesiegt, doch der
Kampf lodert wieder auf. Die Heerführer entschliessen sich in einer
Besprechung, nach einigem Hin und Her, das ganze Land zu verwüsten. Es wird wieder getötet, die Leichen werden ins Wasser geworfen. Die Wohnstatten werden eingeaschert, eine grosse Anzahl von
Burgen wird zerstört. Der Raub wird auf Schiffe verladen. Die Kriegerbande fahrt mit den gefesselten Gefangenen und der Beute ab, nachdem sie ein Jahr ihr Wesen in der Normandie getrieben hat. Das ist im
Monat Mai. Einige Krieger bleiben in der Normandie.
In der Normannengeschichte Dudos wird der letzte Abschnitt des
Kampfes zwischen Lothar und Richard mit dem Bündnis zwischen
dem Karolingergeschlecht, Gerberga und Lothar, und Thetbald von
Blois, der mit Leutgarde, der Tochter des Herbert von Vermandois,
verheiratet ist, eingeleitet. Thetbald fallt, wahrscheinlich im Auftrag
Lothars, in die Normandie ein und bedrangt Rouen. Die Geschichte
erzahlt auch noch, dass Leutgarde, die die Gemahlin des Normannenherzogs Wilhelm gewesen war, ihr Stiefkind Richard nicht leiden
mochte. Sie soil ihren zweiten Gemahl, Thetbald von Blois, gegen
Richard aufgestachelt haben. Das französische Königshaus, das schon
von Anfang an die Normannen hasste, findet in Thetbald und Leut­
garde die willkommenen Bundesgenossen.
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Die Geschichtsschreiber haben den Kampf des franzözischen Königs
Ludwig IV. gegen Richard und den Kampf seines Sohnes Lothar gegen
Richard nicht scharf getrennt gehalten. Jedesmal leisten Wikinger,
mit Haigrold an der Spitze, dem bedrangten Normannenhaus Hilfe.
Die Konsolidierung der Normannenherrschaft in der Normandie durch
den Wikingerführer Haigrold um die Mitte des 10. Jahrhunderts steht
im Mittelpunkt der Ausführungen Dudos. Den Kampf Lothars gegen
Richard schliesst er mit einer langen Rede Richards, die die christlichfriedliche Gesinnung des Redners zeigt, ab. Damit sind wir zu den vergleichbaren Einzelzügen gekommen, die in der Kudrun episiert worden
s i n d und die ich schon hervorgehoben habe.
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— Der Versöhnungsgedanke Richards (De Moribus, Sp. 733):
Judicia justi examinis libramine rectius trutinabat, rixas litesque atque discordias compescens, plebem moderatius regebat.
Weiter heisst es in De Moribus, Sp. 738:
Richardus autem praepotentissimus recognoscens nullum tam Deo acceptabile
holocaustum et sacrificium quam pacis incrementum, diligensque ut vivere,
pacificare Francicum et Northmannicum regnum, . . .
— Die Wikinger im Lande morden, brennen, verheeren, rauben und
bringen die Beute zu den Schiffen (De Moribus, Sp. 737):
Villis rusticorum omnibus devastatis, suburbana incendebant, atque castella
plurima humo tenus prostemebant. Obstantes sibi crudeliter occidebant,
caeteramque manum flebiliter ad naves vexabant. Desolatur regis et Tetboldi comitis omnis terra talibus hostibus nequiter afflicta...
Praesules igitur totius Franciae Northmannorum paganorum saevitiam perpessi convocaverunt sanctam synodum, quid agerent scrutaturi, quia casibus
innumeris quampluribusque incendiis, rapinisque et depraedationibus permaximis vexati, agitabantur Christicolae subjecti periculis . . .
Wilhelm von Jumièges schildert mit grossem Anschauungsvermögen in
knappen Zügen — er fasst Dudos ausgeschmückten Bericht zusammen
—, was sich zugetragen h a t :
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Et ecce repentino tumultu e navibus proruunt, totamque in circuitu patriam
exitialiter comburunt. Dehinc viri cum mulieribus concatenati distrahuntur,
vici depraedantur, urbes desolantur, castella subvertuntur et terra in solitudinem redigitur. Fit luctus omnium in commune, nullo cane per comitatum
Thebaldi latrante.
— Richard schlagt einen dauerhaften Frieden vor (De Moribus, Sp.
739):
Continuae pacis felicitatem habebis, nemo meorum tibi et tuis ultra injurius
et nocuus erit. Ego vero abhinc tuus, sicut tu meus, mutuoque communis
auxilii interventu, fiducialiter vicissim, solemur. Fiat pax opulenta,...
— Doch die Krieger, die Richard von den Gefahren, die ihm durch
Lothar und Thetbald drohten, befreit haben, weigern sich, den Frieden
zu bewahren, sie wollen den Widerstand der Franzosen brechen (De
Moribus, Sp. 742):
Tunc Northmanni, qui et Daci, unanimes intulerunt Richardo duci, dicentes:
"Nequaquam pax continua, neque intercapedine temporum discreta concedetur; verum omnis Francia, exterminatis aut occisis principibus, vi et potestate
tibi acquiretur. Heu! Heu! quid facient, vel quid dicent caeteri Dacigenae
et Northvegigenae, qui, praeparatis et oneratis navibus hujus rei juvamine,
aggredientur nobiscum immani hostilitate?
— Richard beschwört die heidnischen Wikinger in einer langen predigthaften Ansprache, das Kriegswerk einzustellen und sich mit der christlichen Lehre, die Frieden und Versohnung predigt, zu beschaftigen.
Er betont mit allem Nachdruck den Wert der christlichen Bestattung
der Gefallenen, die in scharfem Gegensatz zu den Schlachtgebrauchen
der Heiden steht (De Moribus, Sp. 744-745):
Propterea sepulcris impenditur a Christicolis maxima cura, illisque creduntur corporea non penitus mortua sed summo (leg., somno) data: quia venient
olim saecula in quibus socius ammae calor visitabit ossa, vivoque sanguine
animata gestabit pristina habitacula, videlicet cadavera tumulis putrefacta,
volucresque rapientur in auras priores quas habuerunt animas comitata, quia
interitus hujus mortis reparatio est vitae melioris . . .
Richard hatte in der vorhergehenden grossen Schlacht in dieser Hinsicht seine Pflicht eingehalten (De Moribus, Sp. 736):
Diluculo autem consurgens, campum praelii aggrediens, sexcentos quadraginta mortuos reperiens, funere tantorum pietate condoluit, sepeliri eos jussit, vivos adhuc feretro leniter ad Rotomum deportari et sanari fecit. Praeterea
lucos paludesque exquirere fecit multosque mortuos et plagatos reperit, quibus
eadem pietate obsequium praestitit.
Allenthalben hatte man die Toten gefunden: in den Wiesengriinden
und auf den Ackerfeldern, in den Waldern und in den Gewassern:
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Fervere caede nova silvas camposque patentes,
Corpora functorum pariter, lacerosque jacere,
Rustica gens quos induviis fera dispoliabat.
Atque rubere sacro spumantes sanguine rivos:
Fingere quemque sibi varii discrimina lethi.
Atque super gramen tepidum fumare cruorem,
Den Heiden sind solche Lehren und Taten fremd, sie sind auf Raub
versessen (De Moribus, Sp. 745):
Quae audientes Daci obstupuerunt, imoque trahentes vocem ex pectore
dixerunt: 'Heu nobis omnium bonorum ignaris, scripturasque nescientibus,
neque virtutem Dei, quia nihil differimus belluis, neque avibus coeli! Illae
quo ad praesens vivant quaeritant, nihilque adquisitionis sibi conservant.
Nos vero quo similiter vivamus, rapinando incessanter quaerimus, sed in eo
ab illis distamus, quia quod cibo potuique exuberat, in posterum thesaurizando
reservamus.
— In einer Besprechung der Lage am nachsten Tage, werden die Vorschlage Richards scharf abgelehnt. Die Krieger drangen auf völlige Vernichtung der Franzosen (De Moribus, Sp. 746):
Pax et concordia, cui non acquiescere superflue satagis, inter nos et Francos
nusquam et nunquam erit. Exterminabuntur autem, perimentur, et omnis
natio illorum penitus delebitur . . .
— Nach einem neuen Aufruf Richards: Sinite illos adinvicem feriter
rixari, ... entschliessen sich die kriegerischen und raubsüchtigen
Wikinger Frankreich zu verlassen "volenter nolenter". Die letzten
Worte ihrer Rede schildern wieder einmal ihre Kampfe und Zerstórungen:
Alioquin se agente, Franciam, quam invasimus, contritam bellis incendioque
et rapinis appbcabimus severius nobis.
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Ein Teil der Heiden lasst sich taufen und bleibt in Frankreich. Diejenigen, die Heiden bleiben wollen (De Moribus, Sp. 747: qui oberrare
cwpiebant •paganis ritibus) verlassen das Land. Dudo berichtet, dass sie
nach Spanien fahren, wo sie noch mehr Beute machen. Dieser Einzelzug erscheint nicht in der Kudrun, da die Danen und Hegelingen im
Epos die befreite Gudrun nach Hegelingenland bringen w o l l e n .
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— Der Zeitraum des Aufenthalts der Hegelingen in der Normandie
stimmt wieder zu den historischen Tatsachen bei Dudo. Nach Kudrun
(Str. 1571) verbringen die Befreier ein Jahr in der Normandie und
fahren im Monat Mai wieder ab. Den Aventiuren 27-29 ist zu entnehmen, dass die Befreiung Gudruns sehr bald nach dem Einlaufen
der Flotte stattfindet. Die Raub- und Kriegszüge, die von Str. 1535 an
geschildert werden, mussen ungefahr ein Jahr gedauert haben. Ein
Zeitraum von einem Jahr ist auch in Dudos Normannengeschichte
zwischen dem Friedensvertrag Richards mit Lothar und dem Abzug
der Wikinger anzusetzen. Richard kann im Monat Juni 965 das Friedensabkommen mit dem französischen Feind treffen, der ihn einmal
gefangen gehalten und seine und des Normannenlandes Existenz bedroht hatte. Jetzt ist er aus dieser unangenehmen Lage befreit. Die raub-
gierigen Wikinger sind aber noch bis Mai 966 in der Normandie geblieben, denn im Monat Juni 966 erscheinen sie nach ihrer Abfahrt aus
Frankreich in Spanien.
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In der Kudrun wird nach der Heimfahrt ins Hegelingenland eine
vierfache Heirat veranstaltet, die im Zeichen der Versöhnung steht
(31. Aventiure). Der Krieg wird durch Friedensverhandlungen beendet; "zur Garantie des Friedens heiratet der eine Partner die Tochter
des anderen". Hartmut heiratet Hildeburg, Ortwin vermahlt sich mit
Ortrun. Sivrit erklart sich bereit, die Ehe mit Herwigs Schwester einzugehen. Schliesslich können auch Gudrun und Herwig heiraten.
Gudrun tut den entscheidenden Schritt, die Feindschaft durch die
Bande der Liebe und Ehe zu überwinden. Sie beschwichtigt ihre
Mutter Hilde, daz niemen sol mit übele deheines hazzes lonen (Str.
1595, 3). Dieser Gedanken setzt zich durch: Man sol den haz versüenen,
den wir hdn getragen (Str. 1624,1). Gudrun ist Friedensstifterin und
hat dementsprechend die Züge der Güte und "mitleidender christlicher
Caritas". Auch in dieser Hinsicht passt sie zu ihrem mannlichen
Vorbild aus dem 10. Jahrhundert, dem Normannenherzog Richard I.,
dessen tragisches Leben und dessen Kampfe gegen Ludwig und seine
Sippe einen Gudrundichter zur Bearbeitung angeregt haben. Allem
Anschein nach ist seine epische Gestaltung des Stoffes mit den dramatis personis, die ein wichtiges Stück der normannischen Geschichte
darstellen, der Anfang einer Gudrun-erzahlung, so wie wir diese aus
dem mittelhochdeutschen Epos Kudrun kennen. Wir bleiben vorlaufig
im ungewissen, ob es vorher schon eine Gudrungeschichte gegeben
hat, die dem Benutzer von Dudos Geschichtswerk zur Verfügung gestanden hatte. Unbekannt bleibt auch noch, ob es nur eine Vorstufe
oder mehrere Vorstufen des Epos gegeben hat.
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Das vorlaufige Ergebnis dieser LTntersuchung lasst sich noch weiter
konkretisieren und erharten. Es ist kaum zu verkennen, dass Hartmuts
Vater, Ludewic von Ormanie, und seine Frau Gêrlint mit dem historischen Königspaar Ludwig IV. und siner Frau Gerberga verglichen
werden können. Das gilt für die Namen, das gilt besonders für ihre
Rollen. Ludwig IV., der einzige namhafte französische König Ludwig,
wusste sich nach der Eroberung der Normandie durch Wikinger in
Rouen, der Hauptstadt der Normandie, als König durchzusetzen.
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Der Name Ludewic von Ormanie für Ludwig IV. wird also nicht befremden. Gerberga, die Frau Ludwigs, war "die Seele der Politik
ihres Gemahls". Sie entspricht der Gerlint in der Kudrun, "der überlegenen Frau des bösen Gegenspielers", die "die Klügere und Einsichtigere" i s t . Gerberga, "deren Persönlichkeit den Gang der Geschehnisse in Westfrankreich massgebend beeinfiusste", muss für die nor­
mannischen und die danischen Wikinger im Kampf gegen die Karolinger eine sehr verhasste Person gewesen sein. In der Gestalt der Ger­
berga hat der Kudrundichter wohl die "Wölfin" Gerlint, die "in jeder
Hinsicht die treibende Macht"
ist, geschildert. Ich halte es für
durchaus möglich, dass sie einem vorhöfischen Epos angehört h a t .
Man darf dem Kudrundichter, einem ausgezeichneten Kenner der
Überlieferung, die eigene Erfindung dieser Gestalt nicht ohne weiteres
zusprechen.
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Man vergleiche die Rollen der Gerberga und der Gerlint. Es besteht
eine auffallende Übereinstimmung zwischen dem Verhalten der Ger­
berga, ihrem Sohn Lothar gegenüber, und dem der Gerlint, ihrem Kinde
Hartmut gegenüber. Hartmut ist unselbstandig gedacht. Die Mutter
leitet ihn ganz. Seine Abhangigkeit ist vielen Forschern aufgefallen.
Gerlint will für ihren Sohn die fürstlichste und die schönste Frau, die
Danentochter Gudrun. Sie rat zur Werbung und zur Heirat und sie
weiss sich sogar gegen ihren vorsichtigen Ehegatten zu behaupten.
Die Liebe zum Sohn und der gekrankte Familienstolz lassen sie zur
Teufelin werden, die mit allen Mitteln versucht, Gudrun willfahrig
zu machen. Von dem Jawort der Gudrun hangt sozusagen Hartmuts
Erhebung zum König a b . Gudrun erweist sich stets als widerstrebend.
Gerlint sieht darin nur den angestammten Hochmut ihres Grossvaters
Hagen. — Gerbergas überwaltigender Einfluss auf ihren Sohn Lothar
fallt ebensosehr in die A u g e n . Sie möchte ihrem Kind die Erhebung
zum König sicherstellen. Für Dudo, der die Normannenherzöge in
den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt, handelt es sich besonders
um den Kampf zwischen dem Normannensprössling Richard und
Lothar, dem Sohn Gerbergas. Nach Waces Roman de Rou II, v. 22712272 zieht sich Richard den Hass der missgünstigen Mutter Lothars
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La reine de France pur ses fils le haeit,
Pur ceo qu'il est plus bels et plus gentilz pareit.
Es ist keine Frage, dass hier wirklich Geschichte zugrunde liegt; das
historische Geschehen hat nur scheinbar eine Entpolitisierung erfahren. Es ist fast ein rein privater Vorgang, der mehr im Persönlichen
als im Politischen seine treibende Kraft findet.
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Weitere Übereinstimmungen ergeben sich aus einem Vergleich zwischen Ludwig—Hartmut und Ludwig—Lothar. In der Kudrun wird
Gudrun von Ludwig und Hartmut geraubt, Bei der Befreiung sind
wiederum Vater und Sohn zusammen die Angegriffenen. Die Forschung hat die "selbstandige Stellung des Normannenkönigs Hartmut
neben seinem Vater Ludwig" für einen spaten Zug der Sage gehalt e n . Historiker jedoch haben darauf hingewiesen, dass Ludwig IV.
und Lothar zu gleicher Zeit als Könige in Neustrien lebten. So schreibt
Richer, ein frankischer Geschichtschreiber des 10. Jahrhunderts, über
Ludwig und Lothar: Patre regnante coronam et sceptrum regenturus
accepit (Lotharius). Historisch mag das für Lothar nicht der Wirklichkeit entsprochen haben, doch es genügt darauf hinzuweisen, dass
die Sage diese Vorstellung festgehalten hat. Es kommt noch hinzu,
dass Wilhelm von Jumièges die Kampfe der Karolinger gegen die Normannen und Danen aus dem Jahren 944 und 962 zusammengefügt
h a t . Im Jahre 944 war Ludwig IV. der Herrscher, im Jahre 962 war
es sein Sohn Lothar. Die Verwirrung ermöglicht die Annahme, dass
Ludwig und Lothar zusammen ins Feld gezogen s i n d .
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Die Tüchtigkeit Lothars im Kampf, seine hervorragenden persönlichen Tugenden können denen Hartmuts zur Seite gestellt werden.
Der Dichter bemüht sich, seine imponierende Erscheinung hervorzuheben. "Hartmut ist voll inneren Adels und seelischer Feinheit, wohl
kraftig und zielbewusst, wo es aussere Hindernisse zu überwinden gilt,
aber taktvoll, schüchtern fast, wo das Gefühl spricht." Fr. Hilgers
betont "seine mutige Entschlossenheit", "seine Einsatzbereitschaft und
furchtlose Selbstbehauptung" die ihn als einen ehrgeizigen und leidenschaftlich empfindenden Ritter charakterisieren. Obwohl Hartmut
der Rauber Gudruns ist, erscheint er im günstigen Licht. Der Dichter
lasst ihm in jeder Lage einen gewissen Glanz. — Blieken wir jetzt zu
Lothar, "dem unternehmenden und tatkraftigen König". Dudo, der
normannische Geschichtschreiber, zeigt diesem französischen König
gegenüber keine feindliche Haltung. Im Gegenteil, Dudo schildert
Lothar als einen milden, frommen und gerechten Herrscher. Er schrieb
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für ihn eigens ein Lobgedicht (De Moribus, Pair. Lat. Tom. 141, Sp.
731):
Lothari, rex clemens, pius, Justus, sanctus,
Probus, modestus, nobilis, lux alma orbis.
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Raoul Glaber I, cap. 3 (11. Jahrhundert) nennt Lothar: Agilis corpore
et validus sensu integer. Adalberon von Reims ist voller Lob: gloriosissimus rex Lotharius, Francorum clarissimum sidus. Schliesslich kennen wir noch einen langeren Text eines Chronisten aus dem 11. Jahrhundert: . . . inter hos sane maprum suorum haud inferior Lotharius
enituit, fïlius Ludovici, vir -plane pollens nobilitate simul et próbitate
morum, gloriae avidus, industria admodum sagax, qui féliciter annis
non parvis regnum Francorum gubemavit?^ Wir finden in den lateinischen Texten jeden von Schneider und Hilgers aufgezeichneten Zug
Hartmuts wieder, allein der wirkliche Name von Ludwigs Sohn war
Lothar. Das schönste Bild malt Kudrun Str. 1403:
Dö sach man Hartmuoten
riten vor der schar.
ob er ein keiser waere, só kunde er nimmer gar
vliziclicher werden.
ez lühte gên der sunnen
allez sin gewaete. im was noch hóhes muotes unzerunnen.
In Str. 1011,3-4 zeigt sich nach Martin der heroische Zustand:
unze daz her Hartmuot
üz drin herreisen
was komen heim ze lande.
Offenbar herrscht die Vorstellung in der Kudrun, "dass der König
seine Fahigkeiten als Krieger unter Beweis zu stellen hatte, wenn er
sich seines Amtes würdig erweisen sollte", "der König (geht) aus dem
Kampf gegen die Feinde (hervor)". "Der Gedanke an eine mögliche
Bedrohung des Landes", der in Kudrun Str. 1050, 4 auftaucht, erscheint
"ziemlich unmotiviert". "Er unterbricht die auf das schicksal der
Kudrun gerichtete erzahlung." Der Text lautet: man hazzet mich
só sêre, daz ich an dem schaden ïht voerde erfunden. Dieser Vers passt
jedoch zu Str. 1011, 3-4 und 1023,1, wo Hartmut kom geriten üz strite.
Der Zusammenhang zwischen erwiesener Tüchtigkeit des Fürsten, Vermahlung und Besitzergreifung des vaterlichen Reiches wird aus Str.
1022-1023 deutlich:
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Dö ez dem niunden jare
nahen began
— Hartmuot der was wise —, der helt sich versan,
daz im und sinen friunden
waere gar eine schande,
daz er niht króne trüege
und doch herre hieze ob küniges lande.
Er kom geriten üz strite, er und sine man.
mit vil höhem ellen pris er gewan.
dö wande er (Küdrunen)
die schoenen minnen solte,
die er vor allen meiden
ze einem liebe (gerne) haben wolte.
Solche und ahnliche Züge kann man zu den "politischen" Aspekten
rechnen, die Hugo Kuhn in der Kudrunhandlung mehrfach hervorh e b t . Wenn Hartmuts Liebe zu Gudrun sagengemass durch ihren
Ruf entsteht, so muss es wundernehmen, dass nachher andere Motive
auftauchen (Kudrun, Str. 588, 1): daz riet im sin muoter (siehe oben
und Anm. 120). Derselbe Aspekt ist nicht zu verkennen.
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Je nach dem Standpunkt der Parteien kann man Richard {Roman de
Rou) oder Ludwigs Sohn (Kudrun) als den am meisten gehassten Mann
in der Normandie betrachten. Die Mutter Lothars/Hartmuts spielt dabei eine überaus grosse Rolle. Das schon oben erwahnte Wort, das
unvermittelt in Str. 1050 erscheint: mann hazzet mich só sêre muss aus
dieser Sicht erklart werden. Im Grunde handelt es sich um einen Machtkampf in der Normandie. In der Sage jedoch wird dieser als eine
Befreiung der gefangenen Landesherrin dargestellt. Sie wird damit
"eine Angelegenheit von höchster Bedeutung für die Allgemeinheit".
Dabei ist die Vorstellung der Befreiung einer geraubten Verlobten
und ihre Heimkehr die Ausarbeitung des Dichters, der in den Heimkehrsagen der Spielmannsepen seine Vorbilder gefunden haben mag.
Der Kern der politischen Ereignisse ist das nicht, es ist nur die Enkleidung, die Kudrun zum literarischen Werk macht.
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Der Verlobte Herwig, König von Seeland, der sich selbst als lihtez
kunne Gudrun gegenüber fühlt, scheint nur einer Wikingergeschichte
entnommen zu sein, um den Widerstand der Geraubten tiefer zu
begründen.
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Die Forscher haben wiederholt auf Herwigs Tatenlosigkeit und seine
untergeordnete Rolle hingewiesen. Gudrun steht im Mittelpunkt der
Handlung, doch bei der Schilderung ihrer Schicksale fehlt die Fahrt
nach einer Landesherrin nicht. Das ist eine anscheinend real-politische
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Einkleidung des Stoffes. Die Leiden und die Kampfe in der Normandie bilden den Hauptgegenstand des Gudrunteils. Gudrun versteift sich in zunehmendem Masse darauf, Hartmut und seine Eltern
als zukünftige Verwandte abzulehnen. Die Worte Gerlints besagen
das deutlich (Kudrun, Str. 1015, 3-4):
ich kunde nie gewinnen, gebiten noch verbieten,
daz si dich und dinen vater, dar zuo din mage niht bescholten hiete"
Die Unebenbürtigkeit der Geschlechter und das geschehene Unrecht
werden von Gudrun immer wieder hervorgehoben. Hartmut ist dieser Reden schon langst überdrüssig und sagt (Kudrun, Str. 1048-1049):
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"(min) frou Küdriin,
des fürsten Herwiges,
naemet iu ze friunde.
ich waere wol genóz
den ir für michel êre
ja strafet ir mich dicke al ze sêre.
Woltet ir das lazen,
daz waere uns beiden guot.
mir ist leit unmazen,
swer iu iht leides tuot,
da mite (er) iu beswaeret
daz herze und ouch die sinne.
swie vint ir mir waeret,
ich wolte iuch lazen wesen küniginne."
In Str. 1048 kommt das Motiv des Nebenbuhlers deutlich zum Ausdruck. In der Beurteilung des Zuges geht die Kudrunforschung verschiedene Wege. R. Menéndez Pidal urteilt wohl zu stark, dass die
Rivalitat zwischen Herwig und Hartmut grundsatzlich den Inhak des
Gudrunteils darstellt. Annemarie Laubscher zufolge hat Herwig "nur
eine untergeordnete Stelle im grossen Entwurf".
Wilmanns und
Symons sind der Ansicht, dass die Hildesage sich das Nebenbuhlermotiv assoziiert h a t , wahrend Jellinek meint: "vielmehr hat der Dichter, der eine Nebenbuhlergeschichte erzahlen wollte, die Hildensage
für seine Zwecke dienstbar gemacht". Ich möchte Laubscher und
Jellinek recht geben, denn indem der Dichter die Entführung der Jungfrau nicht mehr mit deren Zustimmung, wie in der Hildesage, sondern
wider ihren Willen geschehen lasst, war zugleich der Anlass gegeben,
einen Werber, zu dem der Entführer in Gegensatz tritt, einzuführen.
"Im Rahmen einer Dichtung von einer vielumworbenen Königstochter
erschien es wohl als selbstverstandlich, dass der Gegner des glücklichen
Brautigams diesem nur deshalb feind werden konnte." An sich könnte
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der Name Herwig aus einer früheren Überlieferung übernommen
worden s e i n , der dann strabreimend zu dem Namen seines Feindes
tritt: Hartmut.
"Das Eigene der Kudrunerzahlung: die Königstochter wird gegen
ihren Willen (von Ludwig und Hartmut) geraubt" kann mit dem
unfreiwilligen Aufenthalt Richards am Hofe des Karolingergeschlechts
verglichen werden. Lothar, Ludwigs und Gerbergas Sohn, war der
"Nebenbuhler" zu den Danen und Wikingern im Kampf um die
Macht in der Normandie. Nach Ansicht der normannischen Geschichtschreiber hatten die ansassigen Danen und die Wikinger ein
Anrecht auf dieses französische Gebiet. Es ist das Verdienst des Dich­
ters, die historische Nebenbuhlerschaft zwischen Karolingern und Nor­
mannen um den Besitz der Normandie auf sagengeschichtlicher Ebene
als eine Nebenbuhlerschaft zwischen dem Wikinger Herwig und Hart­
mut, dem Sohn eines französischen Herrscherpaars, umgebildet und ausgearbeitet zu haben. In der Sage entbrennt der Kampf um die Jungfrau
Gudrun. Sie duldet und leidet als Gefangene in der Normandie. So
wie die Danen und die Wikinger nach langem Kampf die Normandie
zurückbekommen, so gewinnt auch Herwig, ein "saekonungr, ein
Wikingerhauptling"
seine rechtmassige Braut in der Normandie
zurück und er erobert zugleich das Land. Die unheilvolle Lage, in der
die Normandie und ihr Hauptling Richard sich befindet, wird gleichsam in dem Lebensschicksal Gudruns verkörpert. Ich beabsichtige nicht
dem krassen Euhemerismus eines Wilhelm Muller das Wort zu reden,
indem ich die historischen und die sagenhaften Vorgange identifiziere.
Der "historische Mythus" Müllers ist zumindest dem Namen nach verfehlt. Doch muss man annehmen, dass Werbungs- oder Entführungsgeschichten auf Personen der lebendigen Geschichte übertragen werden
können. Die historische Benutzung und Erneuerung der Hildesage
in dem Gudrunteil der Kudrun geht Hand in Hand mit der gleichzeitigen Erwerbung der Jungfrau und des Landes. Das ist in der
Dichtung und in der Wirklichkeit nichts Ungewöhnliches: die Dichtung scheint in diesem Punkte öfters der Wirklichkeit zu entsprechen.
Der Historiker Ferdinand Lot erzahlt uns von zwei Fallen, wo Ahnliches im Frankreich des 10. Jahrhunderts vorkommt: Raoul, Herzog
von Dijon raubt die Tochter Gilberts um sich in dieser Weise an der
Erbschaft zu beteiligen. Ein Vornehmer ergreift Besitz von Beaune,
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indem er Leutgarde, die Frau des Herrschers, raubt und sie heiratet.
Auch die Wikinger in der Normandie zeigen sich politisch so klug,
dass sie am liebsten eine Frankin heiraten; man erfand sogar die
Heirat Giselas, eine Tochter Karls des Einfaltigen, mit dem Begründer
der Normandie, Rollo. Die Historiker haben diese Heirat des Normannenführers in das Reich der Fabel verwiesen. N u n hat Kroes
auch für die Kudrun angenommen, dass die Werbungen nicht zum
ursprünglichen Bestand der Fabel gehort haben, sondern spatere Ausschmückungen s i n d . Diese Annahme lasst zu, dass man den Grundstock der Ereignisse auf einen Machtstreit zurückführt, wobei der
Kampf um die Normandie im Vordergrund steht. Der Hass der Karolinger gegen Danen und Wikinger kann dann die reelle Grundlage
sein, die in der Kudrun episch umgeformt worden ist. Der Dichter
hatte dann durch die schematisch anmutende Nebenbuhlerschaft Hart­
mut—Herwig und die Werbungen einen historischen Stoff zur Sage
gemacht.
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Es liegt auf der Hand, dass ein Dichter in der Nahe der Wikinger
oder ihrer Nachkommen die Hildesage herangezogen hat, um die Entführungs- und Eroberungsfahrten auszugestalten. Da das Geschick
eines Volkes von der Sage unter dem Bilde eines Menschenlebens dargestellt werden k a n n , möchte ich annehmen, dass das Los Richards I.
und des wikingischen Volksteils der Normandie poëtisch nach einer vorhandenen Hildesage gebildet worden ist. Das Schicksal des gefangenen und sich in lebensgefahrlicher Lage befindenden Richard ist in
der Kudrun in der Gestalt der geraubten Hauptheldin des Epos wiedergegeben.
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Ich komme zu folgender vorlaufiger Zusammenfassung: Nicht nur
die Namensahnlichkeit und die Charaktere der Personen, sondern auch
die Ursache des Krieges in der Normandie enthalten in Dudos Geschichtswerk und in der Kudrun eine weitgehende Übereinstimmung.
In der Kudrun soil eine Jungfrau Gudrun, die von Ludwig und Ger­
lint in der Normandie gefangen gehalten wird, befreit werden. In De
Moribus handelt es sich um die Befreiung des jungen Danenführers
Richard aus den Handen des Ludwig Ultramarinus und seiner Frau
Gerberga, die sich als die Herrscher in der Normandie betrachten.
Sagenmassig stimmt die Rolle der geraubten Gudrun zu der des gefangenen Richard. Sowohl Gerberga als auch Gerlint kampfen verbissen
gegen Richard bzw. Gudrun für die Herrscherkrone ihres Sohnes,
Lothar bzw. Hartmut, in der Normandie. Richard und Gudrun sind
beide die Représentanten der Danen und Wikinger.
Nach dieser vorlaufigen Bilanz halte ich es weiter für móglich, einigen ratselhaften Persönlichkeiten im Epos, namlich Otto (Str. 611),
Hergart (Str. 1007, 1093, 1514, 1526), Wate eine geschichtliche Rolle
zuzusprechen. Es wird schliesslich erkennbar, dass die noch immer
dunklen Namen Frideschotten und Garadine, wo einmal Ludwig
Lehen hatte (Str. 610-611), Kassidne, die Burg Ludwigs in Ormanie,
und Baljdn, der Sitz Hagens in Irlant, in einem geschichtlichen Zusammenhang gedeutet werden können, der den Tatsachen des 10. Jahrhunderts in von Wikingern beherrschten Gegenden entspricht. Auch
hier wird Dudos De Moribus sich als nutzbringend erweisen.
Zunachst möchte ich die ratselhafte Gestalt Hergarts in der Kudrun
mit der der Leutgarde in der Normannengeschichte vergleichen. Her­
gart ist die untreue Begleiterin Gudruns, von der wir in der Sagengeschichte "sonst nichts horen". 1st sie wirklich "eine zwecklos eingeschobene Person"? Sie taucht wiederholt im Verlauf der Erzahlung
auf. Kritiker und Forscher finden ihr Auftreten storend oder wundern sich über ihr Erscheinen. Sie ist eine Jungfrau, die mit Gudrun
geraubt wird, aber in Ludwigs Burg wird sie zur Verraterin, da sie
Herzogin werden wollte. Sie pflegt hóhe minne mit einem Schenken
am königlichen Hofe. Diese Tat wird ihr zum Vorwurf gemacht, Wate
bestraft sie mit dem Tode (Str. 1007, 1093, 1094, 1514, 1526-1528).
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Martin und Freytag weisen darauf hin, dass ein königlicher Schenk
nicht gerade eine überaus vornehme Partie für Hergart ist, deren hohe
Abstammung in Str. 1007 besonders betont wird. Diese Behauptung
kann einfach widerlegt werden, indem man die ursprüngliche Würde
der Amtstrager am Königshof im 10. Jahrhundert ins rechte Licht
rückt. Die Herrscher hatten, wie schon von Otto dem Grossen, einem
Zeitgenossen Ludwigs IV., bezeugt ist, berühmte Amtstrager, um an
ihrem Hof Glanz und Ordnung aufrechtzuhalten. Es waren "die Machtigsten und Angesehensten unter den Gefolgsgenossen", die als Mundschenk, Kammerer, Truchsess und Marschall die Person des Fürsten
umgaben und seiner warteten.
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Ein vielerörtertes Problem bieten die Str. 1093-1094:
Die ellenden frouwen
übele bewart
bi Gêrlinde waren, wan frou Heregart
— só hiez ir (einiu) drunder —, diu phlac hóher minne
mit des küniges schenken.
si wolte wesen gewalde herzoginne.
Daz beweinte vil dicke der schoenen Hilden kint.
ouch geschadete ez vil sêre der selben frouwen sint,
daz si da niht tragen wolte mit in die (grózen) swaere.
swaz ir da von geschaehe, daz was Küdrunen . . . unmaere.
Beide Strophen unterbrechen den Zusammenhang mitten unter den
Vorbereitungen zur Fahrt nach Ormanie. Wilmanns und andere Forscher sind der Ansicht, dass sie "nicht für diese stelle bestimmt" sind,
nur K. Droege verteidigt in seinem Kudrunaufsatz den überlieferten
Platz mit folgenden Worten: "Als bewusster kunstübung des dichters,
nicht aus der laune eines bearbeiters entspringt ferner der zusatz der
strophen 1093 f., die den zusammenhang der heerfahrt unterbrechen:
Die ellenden vrouwen übele bewart bi Gêrlinde waren...
In diesem
ganzen teil wechselt der autor mehrfach den schauplatz, und um eine
vereinigung herzustellen unterbricht er die lange schilderung der auf
dem andern schauplatz spielenden handlung an der stelle, wo die sammlung des aufgebotes beschrieben wird, die handlung also grössere ruhe
gewinnt." Diese Verteidigung der Strophen gewinnt an Kraft, wenn
man die Bedeutung Gerlints und Hergarts richtig erkennt. Es hat seine
Gründe, dass Wate die Herausgabe dieser zwei Frauen verlangt und
sie kurzerhand tötet (Str. 1518-1528). Die Wichtigkeit Gerlints durf te
aus der Kudrun und aus den bisherigen Ausführungen ersichtlich sein.
Doch für Hergart sind die Hinweise so versteekt, dass man mit Recht
fragen kann: "Woher weiss Wate so genau, dass Hergart ihrer Herrin
treulos geworden ist?" Die Überlieferung über Hergart ist lückenhaft.
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Im Falie der Gerlint habe ich auf die übergrosse Bedeutung Gerbergas in der Normannengeschichte des 10. Jahrhunderts hingewiesen.
Es fallt auf, dass auch Leutgarde, die Gemahlin des Thetbald von
Blois, in einer überaus wichtigen Rolle im Kampf gegen Richard auftritt. Lothar und Thetbald kampfen zwar zusammen gegen Richard,
doch die treibenden Krafte sind jeweils Gerberga und Leutgarde. Es
erübrigt, da Gerberga/Gerlint
schon behandelt wurden, die Tatigkeit
Leutgardes ins Auge zu fassen und die sparlichen Kenntnisse, die wir
über Hergart besitzen, damit zu vergleichen. Zunachst sei darauf hingewiesen, dass ihre Namen einen Bestandteil gemeinsam haben, wie
dies auch bei Gerberga und Gerlint der Fall ist. Gilt das auch von ihren
Rollen?
Hergart ist edler Abkunft (Str. 1007, 4); Leutgarde ist die Tochter
des Grafen Herbert von Vermandois.
Hergart wird der Danentochter Gudrun untreu. Sie geht ins andere
Lager über, indem sie einen vornehmen Mann, einen Schenken, am
Hofe Ludwigs und Hartsmuts heiratet, in der Absicht, Herzogin zu
werden (Str. 1093, 4). Dieser verraterische Schritt bereitet Gudrun viel
Kummer. — Leutgarde war bereits mit dem Wikingerführer Wilhelm
Langschwert, dem Vater Richards, verheiratet gewesen. Spater heiratet
sie Thetbald von Blois, einen machtigen Bundesgenossen des Karolingers Lothar. Sie stachelt Thetbald auf, ihr Stiefkind Richard zu
bekampfen.
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Das unangenehme Verhaltnis Hergarts zu Gudrun (Str. 1094, 1515),
"die christliche Verzeihung Gudruns" (Str. 1515, l ) ,
nachdem Her­
gart sie um Schutz angegangen hat, und die Tatsache, dass sie vor
Wates Wut doch nicht gerettet werden kann, können verglichen werden
mit Leutgardes unfreundlicher Einstellung Richard gegenüber, mit
dem christlichen Versóhnungswillen Richards, nachdem Thetbald ihn
um Schonung gebeten hat, und Haigrolds Auftreten, wodurch dieser
Thetbalds und des Königs Gebiete in fürchterlicher Weise verwüstet.
Die Ahnlichkeit, die sich mehrmals ergibt, erweckt den Eindruck,
dass ein Gudrundichter, — der manche Personen in den Hauptrollen
seiner Gudrundichtung einer Normannengeschichte entnommen hat —
Hergarts Rolle einer Quelle entnommen hat, warin auch Gerlint/Gerberga eine Funktion hatte. Der Autor hat Gerlint die Hauptschuld
zugeschoben: Gerberga hat als Königin die grösste Verantwortung im
Kampf gegen die Feinde des Königshauses, die Wikinger und die angesiedelten Normannen. Hergart in der Kudrun, wie Leutgarde in
Dudos De Moribus, wird augenscheinlich episodisch erwahnt. Ger­
berga und Leutgarde haben gemeinsam die führenden Manner im
französischen Lager zum Kampf gegen Richard gereizt. Gerlint und
Hergart sind die Verantwortlichen, die Gudrun Unrecht, Schmach
und Schande zufügen. Gerlint beteiligt sich unmittelbar am Krieg (z.B.
in Str. 1381, 1385, 1471). Auch Hergart, die gewaltic herzoginne (Str.
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1093) sein möchte, mag tatig eingegriffen haben.
Die Strophen 1093-1094 lassen drei Probleme auftauchen, die zu
lösen sind: die Stelle der Strophen, die Erwahnung Hergarts, die unsichere Deutung der Strophe 1095. Ich bin der Ansicht, dass die
Strophen 1093-1094 sinngemass in ihren Zusammenhang gehören, wie
die Überlieferung sie uns bietet. Der Dichter will verknüpfend, erklarend und vorausdeutend mitteilen, wem diese Vorbereitungen zum
Krieg gelten. Die Kriegsfahrt geht nach Ormanie, um Ludwigs Sohn,
den Rauber Hartmut, zu überfallen (Str. 1092,4). Seine Mutter und
die Verraterin Hergart haben Gudrun schweres Leid zugefügt (Str.
1093-1094. Der Name Ormanie in Str. 1092 erweckt Erinnerungen an
das tragische Los Gudruns. Das Schicksal Gudruns lasst bei dem Dichter die Gedanken an die N o t und das Leid im Hegelingenland aufkommen, die durch Gudruns Gefangenschaft verursacht worden sind.
Diese Gedankenassoziation führt wieder zu den Vorbereitungen hinüber, denn für die Not und das Leid ist noch keine Vergeltung geübt
worden, obwohl die Hegelingen sich schon sehr eingesetzt haben. Das
ist offenbar der Sinn der Str. 1 0 9 5 :
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Diu liute unmüezic wéren,
als ich iu han geseit,
vil lützel wart gebüezet
doch der arbeit,
der si vil ofte phtègen
in Hegelinge lande.
die helde dö daz rieten,
daz man nSch Küdrunen (bruoder) sande.
Man sieht, Strophen 1093-1094 sind inhaltlich mit der hervorgehenden
und mit der folgenden verbunden. Allein Hergart erscheint unvermittelt in Gesellschaft Gerlints. Kann man mit K. Müllenhoff der Meinung sein, dass sie "eine ganz müssige figur" ist, und "es gar nicht
abzusehen ist", "wo sie einmal, ware sie sagengemass, in die handlung
eingreifen könnte"? Ich meine sagen zu dürfen: Wer bereit ist, die
Normannengeschichte des 10. Jahrhundert als Ausgangspunkt für die
Kudrun anzunehmen, kann mit guten Gründen in den beiden Frauenfiguren die geschichtlichen Gestalten Gerberga und Leutgarde, die Gegnerinnen der Danen und Wikinger in der Normandie, erkennen.
Der Wikingerführer Haigroldus verwüstet die Gebiete der französischen Feinde. Im Kudrunepos verheert Wate mit seinen Kriegern das
Land Gerlints und Hartmuts und die Gebiete ihrer Helfer (Str. 1535,
1546-1547, 1556). Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
Haigrolds Auftreten Wates Rolle in der Kudrun gleichkommt. Das
trifft zu für die schon erorterten, entfernten und unmittelbaren, Vorbereitungen zum Kampf in der Normandie (s.o. S. 18ff.). Es wird in
demselben Lande gegen Feinde mit denselben oder ahnlichen Namen
für dasselbe Ziel gekampft: die Befreiung der Danen. Besonders die
Kampfe um die Normannenhurg Kassidne, in denen Wates Gestalt
"zu der furchtbarkeit emporwachst, die in den berichten der schreckenszeit die Wikinger oft wie damonen der vernichtung erscheinen lasst",
und die fortgesetzten Verheerungen, deren Auftakt Wates Rat ist, obwohl das Ziel erreicht scheint (Str. 1535), lassen Wates geschichtliches
Abbild in Haigrold erkennen (s.o. S. 23ff.). Die Taten eines historisch
bezeugten Wikingerführers spiegeln sich in dichterischer Weise in der
Watehandlung wieder.
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Es ist ferner nicht zu leugnen, dass der Dichter "die Gestalt der bösen
Gerund, . . . nach wikingischen Quellen wirkungsvoll mit dem grimmigen Wate kontrastiert" h a t .
Der Dichter wusste offenbar aus
seinen Quellen, dass Gerlint in Gegensatz zu den herbeigeholten Danen
treten würde. Daher ist Strophe 737, 4 für ihn selbstverstandlich: si
(Gerlint) wiinschte, daz si haken solten beide Waten unde
Fruoten.
"Die persönliche Gegnerschaft" Wates und Gerlints kann nur einen
Forscher wundern, der keine Ahnung hat, wie die Quelle des Dichters
ausgesehen haben m a g . Der Danenführer Haigrold ist Richards Heifer im Kampf gegen Gerberga, die wie gesagt "die Seele der Politik"
ihres Gemahls Ludwig IV. war. Als Representant der D a n e n
sucht
Wate in Gerlint seine Feindin, wie Kudrun Str. 1518, 2 klar besagt:
noch suochte Wate der alte die widerwarten sin, wd er vinden solte die
übelen Gêrlinden. Haigrold und Wate sind an erster Stelle die Heifer
im Kampf gegen Ludwigs Geschlecht, das die Verwandten der Danen
bedrangt. Die Helferrolle im Kampf hat Wate wahrscheinlich einen
Platz in der Kudrunfabel besorgt (siehe nachstes Kapitel). Darin traf
er mit Haigrold zusammen und er hat diesen dem Namen nach durchaus sagengemass in der Sage ersetzt. Wates Helferrolle ist auch ausserhalb der Kudrunsage bezeugt, was allerdings nicht bedeutet, dass sie
ursprünglich gewesen ware. Wate ist in der Kudrun "unbedingt verlasslich und er weiss aus jeder Lage einen Ausweg durch Kampf".
Das lasst sich auch von Haigrold sagen.
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Dem Hinweis auf das gegnerische Paar Haigrold-Gerberga,
das ich
episiert in Wate—Gerlint zu entdecken meine, kann für die Lösung
eines weiteren Problems in der Kudrunforschung einige Bedeutung
beigemessen werden. Der Herausgeber der Kudrun, Bruno Boesch, ist
der Ansicht, dass der Heifer Wate der nordischen Überlieferung unbekannt ist, weil er "wohl ein Zuwachs des wikingischen Liedes an der
Scheldemündung" i s t .
Der Mitherausgeber des Dukas
Horant,
F. Norman, dagegen meint: "Mit den Wikingern hat jedoch Wate,
streng genommen, nichts zu tun, denn er ist in Skandinavien völlig
unbekannt." Dem ist entgegenzuhalten, dass die Wikinger eine rege
Tatigkeit im Süden entfaltet haben, wo uns sagenhafte Einzelheiten
über Wate bekannt sind und sein Name in Ortsbenennungen festgehalten wurde. Allem Anschein nach ist der Name eines Wikingers
(Haigrold) aus der Normandie in Nordwestfrankreich oder in den Niederlanden durch den Namen eines sagenhaften Wate ersetzt worden.
Die Gudrunfabel, die sich organisch auf Grund der historischen Verhaltnisse entwickelt hat, ware durch die Einführung von Namen aus
der Sage, man denke neben Wate an Hetel und Hilde, vollends zu
einer südlichen Wikingersage umgestaltet worden.
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Wie sehr das Epos in der Geschichte des 10. Jahrhunderts verwurzelt
ist, erhellt aus dem Inhalt des Strophen 610-611, aus den Namen Garadine, Frideschotten, Baljdn und vielleicht aus der Deutung des Namens
Kassidne.
Die Strophen 610-611 lauten:
D 6 sprach (diu) frouwe Hilde: "wie laege si im bi?
ez lêch min vater Hagene
hundert unde dri
sinem vater bürge
dê ze Garadine.
diu lêhen naemen übele von Ludewiges hende die mage mine.
Er gesêz in Frideschotten;
dó gediente er daz,
daz im des küniges Otten
bruoder wart gehaz,
der ouch diu lêhen héte von Hagenen minem herren.
der fremedet sich (im) sêre; des muoste im von dem künige harte werren.
Symons und Boesch wissen mit dem angedeuteten Verhaltnis nicht viel
anzufangen.
Panzer will es nicht gelingen die Ausführung des
Kudrundichters zu erhellen. Es kann sich allerdings nicht um eine
ganz zufallige Erweiterung handeln, denn auch Strophe 819, 2-3: wol
weste ich daz im (Hartmuot) lêch dem künige üz Ormanie, Hagene sin
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lont und Strophe 959, 3 lassen die Unebenbürtigkeit Hartmuts durchblicken: im waere ez von dem vater geslokt, daz er mich solten minnen.
Man kann zu den zitierten Strophen Fragen über Fragen stellen: W o
ist ze Garadine, wo ist Frideschotten, wer ist der genannte Otto, wer
ist sein ungenannter Bruder, welche Lehensverhaltnisse bestanden
zwischen Hagen und Ludwig einerzeits, zwischen Hagen und dem
Bruder des Königs Otto anderseits, welche Beziehungen hatte Ludwig
zu Otto? Wir stehen vor neuen Problemen, die ebenfalls durch das
Studium der Ereignisse und der Verhaltnisse im 10. Jahrhundert gemeistert werden können.
In Frankreich hatte sich seit 923 der Gegenkönig Rudolf gegen
Karl III. durchgesetzt, dessen Gemahlin mit ihrem Sohn (dem spateren
Ludwig Ultramarinus, den ich in Ludewic von Ormanie wiederzuerkennen meine) zu ihrem Bruder, dem englischen König Athelstan,
floh. Als König Rudolf 936 starb, riefen die französischen Grossen den
Karolinger Ludwig aus England zurück. Ihnen gegenüber konnte sich
jedoch Ludwig IV. höchstens durch Erfolge nach aussen Macht und
Geltung verschaffen. Die Zerwürfnisse in Deutschland, wo Otto I.
herrschte, schienen ihm gunstig, Lothringen zurückzugewinnen, indem
er den ewig schwankenden Herzog Giselbert bei einem Aufstand gegen
Otto durch einen Einfall ins Elsass unterstützte. Heinrich, Ottos Bruder,
mit der schroffen Innenpolitik des Bruders unzufrieden, verband sich
mit Giselbert von Lothringen und mit Eberhard, Herzog der Franken,
um König Otto zu entthronen. Er selbst gab das Zeichen zur Erhebung,
indem er sich zu Giselbert begab (939), der sich wieder dem westfrankischen König Ludwig IV. unterwarf. Doch die Hoffnungen der
Aufstandischen schlugen fehl. Eberhard fiel im Streit, Giselbert ertrank
im Rhein. Heinrich floh zu dem westfrankischen König Ludwig IV.,
der nun Giselberts Wirwe Gerberga, eine Schwester Ottos, heiratete,
unterwarf sich dann aber seinem königlichem Bruder Otto. Otto versuchte sogar seinen Bruder Heinrich als Herzog über Lothringen einzusetzen. Ludwig verfocht seine Absichten bezüglich Lothringen solange, bis er die Überlegenheit des deutschen Königs im eigenen Lande
zu spüren bekam.
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Diese Ereignisse scheinen mir in Kudrun Str. 610-611 widerspiegelt
zu werden. Heinrich muss sich, weil er mit seinem Bruder Frieden
schloss, mit Ludwig IV. entzweit haben, denn wir wissen, dass Otto den
Karolinger Ludwig IV. noch immer bekampfte. Kudrun Str. 611, 2
bringt das mit folgenden Worten zum Ausdruck: daz im (Ludewic)
des küniges Otten bruoder wart gehaz. Kudrun Str. 611,4: der fremdete sich (im) sêre; des muoste im von dem künige harte wenen. Diese
Zeile ist wie folgt zu verstehen: Der Bruder des Königs (der Bruder ist
Heinrich) entfremdete sich ihm (Ludwig), deshalb entstand ihm (Ludwig) durch den König (Otto) viel Schaden. Wir wissen, dass Otto sich
nicht nur damit begnügte, in Lothringen wieder als König anerkannt
zu werden, sondern auch dass er in Frankreich einrückte.
Es bleiben uns vorlaufig die Lehensverhaltnisse zwischen Hagen und
Ludwig noch völlig ratselhaft. Dem Gebrauch der Zeiten ist zu entnehmen, dass die Belehnung in früherer Zeit stattfand: es lêch min
vater Hagene . . . Er gesaz. Die Ortsnamen ze Garadine, Frideschotten
lassen auf Gegenden ausserhalb der Normandie schliessen. N u n scheint
der Aufenthalt Ludwigs Ultramarinus in England von Bedeutung zu
werden. Ludwig hielt sich bei Athelstan auf, der sich in York gegen
die Schotten und gegen die Wikinger zu behaupten vermochte, und
die aufstandischen Waliser in ein drückendes Abhangigkeitsverhaltnis
z w a n g . Der frankische Geschichtschreiber Richer von Reims weiss
zu berichten, dass Ludwig Ultramarinus aus England zurückgerufen
wurde, um die Regierung in Frankreich anzutreten, als er sich mit
Athelstan in Nordengland, in dem von den Schotten bedrangten Gebiet,
befand:
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Qui mox digressi Morinorum (Boulogne) devenerunt. Cujus in portu naves
ingiessi, velis tumentibus prosperis ventis, raptim ad terram devexi sunt.
Adeltstanus rex urbem quae dicitur Eurvich (Evervich, Eboracum, York),
regnorum negotia cum nepote Ludovico apud suos disponebat. Hue legati
devenientes, regem adeunt.
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Athelstan, der von Ludwig begleitet wurde, stand mit den Schotten
und ihren Verbündeten im Krieg. Adelstenus, rex totius Britanniae und
dispensator regni totius Albionis, war wegen der Einigung des Reiches
berühmt. Alstemus rex Anglorum pacificus, wie Dudo ihn nennt, zwang
seine Hauptfeinde, die Schotten, zum Frieden. L. Freytag hat den
Namen Frideschotten in dieser Weise zu deuten versucht, namlich als
Scoti pacati}
Der Name Scotia, Scotland bezog sich ursprünglich auf
einen Teil Irlands; erst seit dem 10. Jahrhundert wurde er auch auf den
98
einen Teil von Schottland, der im Süden von dem Firth of Forth, im
Norden von dem Moray Firth begrenzt wird, iibertragen. Erst im
13. Jahrhundert kam der Name für das ganze heutige Schottland in
Gebrauch. Lothian war ein Teil von Northumberland, doch die Schotten übten in dem nördlichsten Teil von England grossen Einfluss aus.
Athelstan gelang es zuerst Northumberland einzuverleiben. Im Jahre
937 gelang es dem englischen König in der Schlacht von Brunanburh
die wikingisch-schottische Koalition endgültig zurückzudrangen. York
war bei der Beherrschung des Nordens von ausserordentlicher Wichtigkeit. Die Deutung des ersten Namenteils Fride- als pacati findet eine
Stütze im altenglischen frid-land: "peace-land", a land with which one
is at peace. Man vergleiche dazu mhd. vriden: in Frieden bringen,
Frieden verschaffen, in Schutz und Schirm nehmen. Die Zusammensetzung Frideschotten lande (Kudrun, Str. 9,3) is daher durchaus verstandlich. Dem Namen der Bewohner wird lant hinzugefügt, wie das
auch der Fall ist in z.B. der Burgunde lant. Das Wort lant kann ausfallen, und der Volksname bezeichnet zugleich das Land: in Frideschotten (Kudrun, Str. 30,1 und 611,1).
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Die Unterwerfung der Waliser durch Athelstan, an dessen Hof Ludwig weilt, mag auch die Aufnahme des Namens ze Garadine in Kudrun,
Str. 610,3 veranlasst haben. Handschriftlich heisst es ze Karadine. Der
Name ist in der Forschung mit Garadê, Garadie, Garadine (Str. 108,
116, 144) und Karadê, Karadie (Str. 702, 719) identifiziert worden.
J. Grimm und viele nach ihm, haben den Namen auf "das heutige Cardigan, einen schmalen, Irlant gegenüberliegenden Landstrich in Wales"
gedeutet. Die geographische Genauigkeit ist auch in Str. 130 vorhanden: Garadie liegt Irland ganz nahe. Wie Irland gehort auch Garadê,
Garadine, Karadine zu Hagens Herrschaft. Ludwig hat die Gegend
aus seinen Handen empfangen (Str. 610). In diesem Zusammenhang
kann auch der Name von Hagens Sitz erklart werden. Er wohnt in
der Burg Baljdn (Str. 288, 293, 441, 559). Es war Ludwig Ettmüller,
der vorsichtig darauf hingewiesen hat, dass "Balidn oder Baljan alienfalls an Ballyghan, eine in Irland nicht seltenen ortsbenennung" erinnert. Ich meine annehmen zu können, dass mit dem Namen Baileatha-cliath (Dublin) gemeint ist. Diese Deutung würde auf einmal den
Zusammenhang mit Frideschotten und Karadine erklaren. Es waren
namlich die Wikinger aus Dublin, die die Kusten der Landschaft Wales
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und Nordenglands beherrschten. Die Lehen Ludwigs liegen also in
Gebieten, die die Kudrunsage dem bekannten Hagen aus einer Wikingerfabel zuschrieb und die von Dublin aus regiert wurden.
Eine Schwierigkeit ist noch zu lösen. Ich habe versucht den Beweis
zu erbringen, dass des küniges Otten bruoder der Deutsche Heinrich ist,
der in die Lothringenfrage verwickelt war. Er soli der Kudrunsage zufolge ein Lehensverhaltnis zu Hagen gehabt haben: der ouch diu lêhen
héte von Hagenen minem herren (Str. 611,3). Anderseits hatte derselbe
Hagen Lehen in England zu verteilen. Man sieht sich genötigt diese
Mitteilungen miteinander in Einklang zu bringen. Das ist möglich,
wenn man die typisch normannische Ansicht eines Dudo teilen kann.
Er beschrankt seinen Horizont auf die Geschichte des normannischen
Stammes. "Hatte sich in der Vergangenheit alles um Rom gruppiert,
so drehte sich nach der Ansicht Dudos in der Gegenwart alles um die
normannischen Herrscher." An die Stelle Roms "trat das Herzogtum
der Normannen, um deren kraftvolle Heldengestalten sich das gesamte
Zeitgeschehen zu drehen schien". Für Dudo standen die sachsischen
Könige nicht auf einer höheren Stufe als der französische König. "Ihre
Rolle als Beschützer des Königtums", die in vielen andern Quellen zum
Ausdruck kommt, "haben eher die Herzöge der Normannen übernommen". Lothringer, Angelsachsen, Schotten und Iren stehen unter der
Kontrolle des normannischen Herzogs (De Moribus, Sp. 727):
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Burgundionibus imperat, Aquitanos arguit et increpat, Britones et Northmannos regit et gubernat, Flandrenses minatur et devastat, Dacos et Lotharienses,
quinetiara Saxones sibi connecn't et conciliat. Angli quoque ei obedienter
subduntur. Scoti et Hibernes ejus patrocinio reguntur. Omnium quippe regnorum omnes gentes ei famulantur et obediunt, . . .
U n d weiter heisst es (De Moribus, Sp. 753):
Pacificabat enim Francigenas et Lotharienses, Burgundiones et Flandrenses,
Anglos et Hibernenses, Northmannos et Britones.
Man sieht, die normannenfreundliche Haltung geht bei Dudo so weit,
dass er dem Normannenherzog "einen übertriebenen Herrschaftsbereich
zugesteht oder zudichtet". Kein Wunder, dass in der Sage und in der
Dichtung, die jedoch historische Momente in sich birgt, der sagenhafte Hagen in Dublin angesiedelt wird. Der Dubliner Hof der Wikin211
212
ger war berühmt und bekannt, er eignete sich ausgezeichnet für den
Sitz Hagens. Diese Vorstellung liegt auch den Strophen 610-611 zugrunde. Die Beziehungen zwischen Baljdn, Karadine und Frideschot­
ten beweisen dies. Die Überlegenheit des Wikingerhofes in Dublin
hat sich offenbar in dem Kudrunepos mit der von Dudo geschilderten
Obergewalt der Herzöge in der Normandie verknüpft: Dem sagen­
haften Hagen wird auch die Lehnsherrschaft für den Bruder des Königs
Otto zugesprochen. Die Sagenbildung kann von Dudos Werk ihren
Ausgang genommen haben, denn wie in der Kudrun (Str. 610-611)
wird in De Moribus (Sp. 669) an derselben Stelle Ludwigs Aufenthalt
in England und sein Verhaltnis zu dem Normannenherzog einerseits
und die machtige Stellung des Herzogs gegenüber dem deutschen
Heinrich anderseits erwahnt. Natürlich steht der Normannenherzog
bei Dudo im Zentrum und die Verdrehungen und Umgestaltungen
der Ereignisse treten klar zu Tage. Als namlich der König der Angelsachsen gehort hat, dass Herzog Wilhelm alle Herrscher der Westfranken an Tugend und Macht übertreffe, bittet er ihn, für seinen
Neffen Ludwig einzutreten. Durch den Einfluss Wilhelms riefen
Hugo von Franzien und die andern Grossen des Landes Ludwig nach
Frankreich zurück und salbten ihn zum König. Die diesbezüglichen
Stellen in De Moribus (Sp. 669) lauten:
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Audiens autem Alstemus rex Anglorum pacificus quod praecellebat Guillelmus virtute et potentia Franciscae nationis omnibus, misit ad eum legates
suos cum donis praemaximis et muneribus, deprecans et Ludovicum nepotem
suum, Caroli capti regis morte jam in captione praeoccupati filium, revocaret
ad Franciae regnum, . . .
Illico consultu Guillelmi ducis Northmannorum. Hugo magnus dux praepotentissimus Francorum atque Heribertus satrapa principuum ascitis episcopis cum consilio metropolitanorum revocarunt festinanter Ludovicum, eumque unxerunt sibi regem populorum Francia Burgundiaque morantium.
Dudo erzahlt nicht, was sich in den nachsten Jahren abspielt. Wir wis­
sen aus anderen Quellen, dass Ludwig bis 942 mit allen Mitteln versuchte Lothringen für sich zu erwerben. Trotz der Hilfe der aufstandischen Verschworenen Heinrich, König Ottos Bruder, Eberhard und
Giselbert, konnte er seine Absichten nicht verwirklichen. Es musste
942 zu Vouziers an der Aisne Frieden schliessen. Wie gesagt, Dudo
lasst über diese Streitigkeiten im einzelnen nichts verlauten. Er fahrt
nach einigen Zeilen fort:
Transacto vero post unctionem regis unius lustri spatio, coeperunt Franci
contra eum litigare, multisque modis eum opprimere, quinetiam conati sunt
a regno extrudere. Videns autem rex se destitui, et pro nihilo a Francigenis
duci, misit legates ad Henricum regem Transrhenanum, requirens ejus adjutorium, insuper et amicitia colligare ilium sibi in perpetuum. Quibus responsum est non se foederari cum rege Francorum, nisi per Guillelmum
ducem Northmannorum.
Die Historiker nehmen an, dass Dudo Heinrich mit Otto verwechselt
hat. Heinrich, der Vater Ottos, regierte 919-936. Im Jahre 942 regierte
sein Sohn Otto der Grosse (936-973). Weiter setzt Dudo ganz neue
Akzente, die sichtlich der hohen Auffassung des Autors über den Normannenherzog entsprechen: Der Herzog ist in seiner Darstellung der
machtige Vermittler zwischen Ludwig und König Heinrich. Man sieht
also, dass dem Normannenführer in der Lothringenfrage eine schiedsrichterliche Obergewalt zugedichtet wird. Der Kudrundichter scheint
diese Machtentfaltung des Normannenherrschers als ein Lehensverhaltnis zu deuten, so wie er auch Ludwigs Aufenthalt in England, das im
Machtbereich der Wikinger lag, als einen Lehensdienst auffasst. Der
Versuch Ottos, seinen Bruder Heinrich als Herzog über Lothringen
einzusetzen oder einfach Heinrichs Aufenthalt in Lothringen ist offenbar vom Kudrundichter so ausgelegt worden, dass der Bruder des
Königs das Gebiet von dem machtigen Wikingerherrscher Hagen zu
Lehen hatte: der ouch diu lêhen héte von Hagenen minem herren. Die
Herrschaft über Lothringen und die britischen Insein, die Dudo dem
Normannenherzog Wilhelm Langschwert zuschrieb, wird im Epos
auf den Helden Hagen übertragen, der seinerseits in der berühmten
Wikingergeschichte der Hildedichtung einen festen Platz hatte.
215
Weiter gibt es noch einen geographischen Anhaltspunkt in dem
Namen der Burg Ludwigs, Kassidne. So heisst die Hauptstadt von
Ormanie. Die Bedeutung des Namens ist nicht einheitlich erklart.
K. Müllenhoff sieht in dem Namen eine spatere Zutat. Er meint, er
sei unecht und dem alten Dichter durchaus unbekannt gewesen.
L. Ettmüller gesteht ganz often: Cassidne hat "meinen forschungen bisher ganzlich widerstanden". Die altere Forschung hat sich dennoch
an mehrere Lösungen gewagt, die von P. Piper folgendermassen zu218
217
sammengefasst: "Cassiane ist verschieden erklart worden". Hofmann
versteht darunter die Nordostspitze Schottlands, die Caithness, norwegisch Catanes, Haupt Gazen, die Hauptstadt der Riesen in Preussen
(d.i. Danzig); gewöhnlich aber denkt man an Cadsant an der Scheldemiindung..
B. Symons erwidert darauf: "Kassiane als name von
Ludwigs burg (zuerst 1534,2) erinnert an Cassand (Cadzand), aber die
lage der Normandie wird die sage wohl nicht vergessen haben".
A. E. Schönbach ist der Ansicht, dass der Name aus einer romanischen
Sprache stammt. Andere Forscher haben versucht andere Lösungen
zu finden. Der Herausgeber der Kudrun, E. Martin, vermutet in dem
Heereszug der Hegelingen nach Ormanie Beziehungen auf den Kreuzzug von 1217. Er sieht in Kassiane eine Station der Kreuzfahrer, namlich Alchaz in Portugal. Panzer und Droege halten diese Gleichungen
für unsicher und haben sie denn auch abgelehnt. In den letzten Jahrzehnten ist eine andere Erklarungsversuch wiederholt gemacht worden.
E. Schroder, W . Jungandreas und H. Rosenfeld bringen den Namen
Cassiane mit dem heiligen Cassian in Zusammenhang. Dieser Heilige
ist der Schutzpatron der altesten Pfarrkirche von Regensburg und man
nimmt an, dass "vermutlich eben in Regensburg . . . unsere Kudrundichtung entstanden" i s t . Die gegensatzlichen Identifizierungen können m.E. kaum das Richtige treffen, zumal sie von der Normandie wegführen. Die von Symons und Schönbach geausserten Ansichten sollten
mehr beachtet werden. Weiter darf man auch nicht die Schilderung
des Angriffes auf die Normannenburg Kassiane ausser acht lassen.
Nach Meissner und Schröbler enthalt sie noch charakterische Züge
aus der Wikingerzeit.
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Der Gedanke an eine Identifizierung von Kassiane mit Rouen, der
wirklichen Hauptstadt der Normandie, drangt sich auf, allein die
Namen scheinen in ihrer Lautgestalt nichts mit einander zu tun zu
haben. Die Niederlage des Ludwig Ultramarinus im Kampf gegen die
Wikinger lasst dennoch eine Beziehung auf Rouen zu. Dudo erzahlt,
dass der König auf einer Insel in der Seine gefangen wurde und nachher nach Rouen abgeführt wurde. Ordericus Vitalis und vielleicht
auch die Brabantsche 1'eesten erwahnen Bayeux als Ort der Gefangennahme. Sowohl Rouen als auch Bayeux waren sehr bekannte Stadte
zur Wikingerzeit. N u n ist es merkwürdig, dass Bayeux als Sitz der
Baiocasses und Rouen als Mittelpunkt im Gebiete der Veliocasses an224
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zusehen ist.
Der Name der Veliocasses (Velocasses, Velliocasses;
griechisch von Ptolemaeus verschrieben Oünéliokasioï) wird spater zu
Casletani abgekürzt. Es hat die Gelehrten befremdet, dass Rotomagus
(Rouen) der Name der Hauptstadt der Veliocasses ist. So schreibt
Charles Wastelain im Jahre 1761: "Les Velocasses habitaient les environs de Rouen . . . Rouen en est la capitale... Elle n'a point pris le
nom de son Peuple, comme l'ont fait plusieurs autres Villes des Gaules". In diesem Zusammenhang scheint mir die Frage berechtigt, ob
Kassiane, Cassiane nicht ein sagenhafter Name ist für Rouen, wie
auch in den mittelniederlandischen Epos Gwidékyn van Sassen die
Hauptstadt der Sassen den Namen Sassine tragt. Kassiane, Cassiane
oder ein ahnlich lautender Name ware auch der zu erwartende Name
für die Hauptstadt der Casletani oder Veliocasses gewesen. Was die
Endung -one betrifft, habe ich den Eindruck, dass der Dichter den
Namen der Königsitze absichtlich die gleiche Silbe angehangt hat:
Hagen wohnt in Baljan, Hetel in Mateldne, Ludwig in Kassiane. Jeder
von diesen Namen setzt eine Gelehrsamkeit voraus, die auf die Bildung
und auf das Bücherwissen des Dichters hinweist.
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Abschliessend können wir, glaube ich, nach der Behandlung grösserer
Partien aus Dudo, De Moribus et Actis primorum Normanniae Ducum
und dem Kudrunepos hinweisen auf die fruchtbringende Tatigkeit
Sage und Geschichte zu vergleichen. Dabei verdienen die Parallelen
zwischen Richards 1. und Gudruns Rollen eine ihnen gebührende Beachtung, besonders in bezug auf die Schicksale dieser Hauptfiguren
und ihren Friedenswillen in den wirren Kampfhandlungen gegen Ludwigs Geschlecht.
Der Dichter des Epos verdankt offenbar dem normannischen Hofschreiber Anregungen und Themen; in manchem Zug und in mancher
Spur gemahnt das Epos an die Normannengeschichte. In Dudos Werk
lasst sich unschwer auf langere Strecken einfach und ungetrübt eine
Reihe von Begebenheiten wiederfinden, die in demselben Zusammenhang ihren Niederschlag in der Kudrun gefunden haben. Das gilt besonders für die Kriegsgründe, die Kampfvorbereitungen, die Kampfweisen und die Kampfhandlungen. Die Namen und/oder die Rollen,
die Machtbereiche sind derart einmalig, dass man die Beziehungen
zwischen der Normannengeschichte und unserem Epos kaum leugnen
kann. Ludwig, Gerberga und ihr Sohn Lotharius, Otto und sein Bruder
Heinrich, Liutgarde und wahrscheinlich ihr Gemahl Thetbald, Haigrold
und seine zu Hilfe eilenden Danen, der alte Normannenherzog finden
ihre Entsprechungen in Ludwig, Gerlint und ihrem Sohn Hartmut,
in Otto und seinem nicht mit Namen genannten Bruder, Hergart und
ihrem Gemahl, in Wate und seinen kampfenden Danen und Hegelin­
gen, in Hagen. Die Ortsnamen, Ormanie und seine Hauptstadt Kassidne, Irlant und Baljdn, Karadine und Frideschotten können auf
historischem Wege mit dem früheren Aufenthalt Ludwigs in England
und seiner spateren Herrschaft in der Normandie in Einklang gebracht
werden.
230
Die danenfreundliche K u d r u n hat die böse Rolle Ludwigs und
Gerlints einer Normannengeschichte, wie sie von Dudo aufgezeichnet
worden ist, entnommen. Das historische Werk und das Epos beziehen
in ihrer Anschauung die gleiche Stellung, die sich den Danen und dem
Geschlecht Ludwigs gegenüber in der Schilderung der Ereignisse und
der Personen zu erkennen gibt.
Dem Werk Dudos kommt als Quelle der Kudrun eine überragende
Bedeutung zu. Die von ihm erzahlten wirklichen und angeblichen
Geschehnisse und Vorfalle gewahren Blicke in die tiefen Beziehungen
der Geschichte und der Sage zu einander. Natürlich hat der Epiker
reicher und ausdruckvoller gestaltet, indem er eine unvergleichlich
lebensvollere Schilderung bietet. Andere Quellen, wovon noch die Rede
sein soil, haben seine Vorstellungen und seine Einbildungskraft auf
das lebhafteste angeregt. Doch wenn nicht alles trügt, hat eingehendere
Vergleichung zur Beobachtung geführt, dass Dudos Darstellung ein
sachliches Verstandnis für die historischen Hintergründe in der Kudrun
zulasst. In dem von Dudo in seinem Werk De Moribus et Actis primorum Normanniae Ducum behandelten Stoff darf man mit aller Wahrscheinlichkeit eine bis jetzt "im Schatten gebliebenen Q u e l l e " der
Kudrun erblicken, die uns als eine Wikingerdichtung überliefert
worden ist.
231
ZWE1TES KAPITEL
K U D R U N U N D DER N O R D S E E R A U M
Im Jahre 1930 war Th. Frings noch zu dem Schluss gekommen: "Über
mögliche niederfrankische Stufen, die das wikingerlied des 9. zum
spielmannsepos des 12. jh.'s gegangen ist, lasst sich nichts sicheres
sagen". B. Symon hatte es schon für wahrscheinlich gehalten, "dass
die Hilde-Kudrunsage im laufe des 11. jahrhunderts in den Niederlanden und am Rhein ihre völlige ausbildung erhielt und gegen das ende
dieses oder zu anfang des 12. jahrhunderts von frankischen spielleuten
nach Oberdeutschland und zwar zunachst nach Baiern, gebracht wur­
de".
Boesch glaubt vier entscheidende Stufungen in der HildeKudrunsage bei ihrer Wanderung aus dem Ostseeraum über die Niederlande und die Rheingegend nach Österreich annehmen zu mussen:
"1) Heldenlied von Hilde aus dem Ostseeraum des 5. Jhs. 2) Wikingisch-niederdeutsches Spielmannslied an der Scheldemündung des
9. Jhs. 3) Niederrheinisches Spielmannsepos des 11./12. Jhs. 4) Österreichisches Heldenepos des 13. Jhs." K. Stackmann ist wesentlich
vorsichtiger als Boesch. Nach seiner Ansicht liefert die Rekonstruktion
"nur eine provisorische Orientierungsmöglichkeit". Er bemerkt zu dem
von Symons und Frings vorgeschlagenen Ausbreitungsweg: "vorausgesetzt, wir dürften die deutsche Hildesage wirklich aus der skandinavischen ableiten, müsste gezeigt werden, wie die in Skandinavien seit
dem frühen 9. Jahrhundert bezeugte Sage an einen oberdeutschen
Dichter des 13. Jahrhunderts kam". Dafür kame "die Vermittlung
durch Anwohner der Nordsee-Küstengebietes" in Frage, wie das Zeug­
nis verschiedener geographischer Namen zu verraten scheint. Man
denke zum Beispiel an Wolfenwert/Wül'penwert,
Hedineze/Hedinsee.
Weiter ware Gustrdte/Golstert
(Str. 1164,3) zu erwahnen.
Am einfachsten lasst sich die Anwesenheit dieser Namen in der mhd.
Kudrun dadurch erklaren, dass Erzahlgut, "das in irgendeiner Zeit von
einem Kenner der niederlandisch-belgischen Küstenbezirke und der süd232
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lichen Nordsee bearbeitet wurde", in die Kudrun aufgenommen worden
i s t . Als Vermittler der Sage an die Niederlander kommen die Wikinger in Betracht. An der Nordseeküste gab es vom 9. Jahrhundert bis
in das 11. Jahrhundert vielfaltige Beriihrungen zwischen der einheimischen Bevölkerung und den Wikingern.
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Die befremdenden Namenspaare Mateldne/Campatille,
Wdleis/
Gdleis wie auch Dietmers, Friesen, Holzdnelant, Holzsaezen, Ortlant/
Nortlant, Sélant, Sêwen, Sturmlant und die vielfache Nennung von
Tenelant, Tenemarke, Teneriche weisen ebenfalls auf Orte und Lander
im Nordseegebiet h i n .
240
An Versuchen, die Ortsnamen in der Kudrun zu identifizieren,
mangelt es nicht. Wie unsicher die Ergebnisse solcher Untersuchungen auch sein mogen, so ist doch Grund genug, sich eingehend mit
den Grundlagen der Sage zu beschaftigen. Der Ausgang von den Stoffgrundlagen hat mehr zu bieten, als eine allzu einseitige Betrachtung,
die sich nur auf den Standpunkt des 13. Jahrhunderts stellt, vermuten
lasst. Im vorigen Kapitel zum Beispiel war es möglich, nicht nur
den Verlauf der Gudrunhandlung, sondern auch deren versöhnlichen
Geist aus weit alteren Quellen herzuleiten, als man im Augenblick
zu tun geneigt scheint. Daraus kann man ersehen, dass das Studium
der Stoffgrundlagen weniger "unzureichend und ungeeignet" oder "irrelevant" ist, eine Aussage über die Dichtung zu wagen, zumindest
über die Wahl des Stoffes, als eine Arbeitsmethode, die sich grundsatzlich oder auch nur aus praktischen Griinden auf das Interpretieren
der hochmittelalterlichen Dichtung beschrankt. In diesem Sinne will
ich die genannten Ortsnamen heranziehen. Im grossen und ganzen stimmen die geographischen Angaben zu den historischen Kriegsfahrten
der Wikinger. Die noch unsicheren oder vielleicht fiktiven Namen
widersprechen diesen Zeugnissen nicht. Die Vermutung, dass eine
Dichtung über geschichtliche Ereignisse raumlich nicht weit von diesen
entstanden ist, drangt sich auf. Die Namen spieken bei der Beheimatung und bei der Gestaltung des Erzahlguts sicherlich eine Rolle, allein
ist man zu keiner einhelligen Überzeugung gelangt, welche geschichtlichen Tatsachen als Quelle(n) nachzuweisen sind. Eine Ausnahme
bietet wohl Sivrit, der König von Mórlant. Man will ihn mit dem
Normannenführer Sigifrid identifizieren, der gemeinsam mit Godofrid
in den Jahren 880-882 über N.W.-Frankreich durch die Niederlande
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zog. Godofrid wurde im Kampf gegen die Friesen ermordet.
Der Klarheit halber ist zuerst festzustellen, warum Sivrit künic von
Mórlant oder von den Moeren genannt wird und welche Rolle der
Name Mórlant spiek.
Hans Naumann halt Sivrit für freie Erfin­
dung und er macht darauf aufmerksam, dass Feirefiz aus Parzival hier
Modell gestanden hat. Er schreibt wörtlich: "Dieser Mohrenkönig Sivrit
ist, glaube ich, aus den rein historischen, normannischen Reminiszenzen, in die er von gelehrter Hand einmal hineingestellt worden ist,
zu erlösen". Naumann hatte doch erwahnen mussen, dass frühere
Forscher nicht nur mit "rein historischen, normannischen Reminiszenzen" gearbeitet haben, um Sivrit als Mohrenkönig zu deuten; haben
sie doch den Einfluss der altfranzösischen Epik, in welcher die heidnischen Wikinger als Sarazenen erscheinen, gekend gemacht. Wei­
ter fragt es sich noch, ob Feirefiz wirklich "das unmittelbare Vorbild"
für Sivrit von Mórlant gewesen ist. Naumann beschreibt ihn als
"schwarzweiss von Farbe des I^eibes" (sic!). 1st er der Mischling, wie
Feirefiz im Parzival} Der Abstammung nach, ja; doch in der Angabe
der Hautfarbe scheint sich der Dichter in Widersprüche zu verwickeln.
In Str. 583,3 ist Sivrit salwer varwe. In Str. 1664,1-2 heisst es:
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Sin vater und sin muoter diu waren niht enein.
sin varwe kristenliche
an dem helde schein.
Die "christliche Farbe" soli nach den Kommentatoren die weisse Haut­
farbe bedeuten.
Von Feirifiz wird eindeutig berichtet: wiz und
swarzer varwe er schein.
Die Buntscheckigheit eines Feirefiz steht
für Sivrit keineswegs fest. Vielleicht verrat Str. 1664,3 wo der Ursprung
des "Mohren" Sivrit zu suchen ist: sin har lag üf dem houhte als ein
golt gesfunnen. N u n war die blonde Haarfarbe, die heller leuchtet als
das Gold, typisch im altfranzösischen Epos. Das würde die obenerwahnte Meinung über den Einfluss der französischen Epik nur noch
bestatigen. Anderseits findet die schwarze Farbe Sivrits (Str. 583,3) im
Gegensatz zu der Geflecktheit des Feirefiz, obwohl beide Mischlinge
sind, ein Gegenstück in der mittelniederlandischen Epik. Dat scone
Bediet von Moriane erzahlt uns, dass Moriaen gewonnen was...
an
ene morinne. Er soli Perchevals (nach einer anderen Fassung Acglavaels) Sohn gewesen sein. Er war pechschwarz. Weiter ist noch
auf ein drittes Zugestandnis dem französischen Geschmack gegenüber
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aufmerksam zu machen. Es pflegt oft der Einfall eines auslandischen
Fiksten — eines "Heiden" — eines "Sarazenen" zu erfolgen, nachdem
der junge Held sich verloht oder geheiratet hat. Der Feind tritt gewöhnlich als Nebenbuhler des Helden auf, dessen Geliebte oder Frau
er zur Gattin verlangt. Es kommt zum Kampf. Ein solcher Kampf ist in
der Kudrun dazu benutzt worden, die Erzahlung zum Typus "Der
heimkehrende Gatte" hinüberzuführen. Der Grundaufbau des heimkehrenden Gatten fangt im allgemeinen damit an, dass der Gatte aus
irgendeinem Grunde gezwungen wird, seine Gattin zu verlassen: meist
zieht er in den Krieg. Es ist Sivrits Rolle, Herwigs (und Hetels)
Abwesenheit zu motivieren. Deshalh fallt er auch in Herwigs Land ein,
wahrend dieser an Hetels Hof verkehrt, — was man immer wieder seltsam gefunden h a t . Sivrits Feindschaft erweist sich wirklich als "das
Wuchern des Werbemotivs". Es ist namlich nicht so, dass in der
Sage ein Krieg vom Zaun gebrochen wird. Es passt in die Erzahlung
des heimkehrenden Gatten oder der heimkehrenden Gattin, dass der
Kriegszug der Gatten einigermassen annehmbar gemacht werden muss.
Die spürbare Absicht des Dichters, "Siegfried und seine Mannen als
Kampfer zu schildern", hat ihn dazu veranlasst Sivrit, als "schrecken
der ganzen Niederlande" weitgehend bekannt ", als "furchtlosen
Streiter, als Schrecken seiner Gegner" einzufiihren, zumal die Handlung der Sage unbestreitbar auf die Wikingerzeit in den Niederlanden
hinweist. Es gilt zunachst, die historischen Anhaltspunkte für die
von der Sage berichteten Vorgange naher zu erlautern.
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Fr. Panzer hat die Vermutung W . Müllers ausgearbeitet, dass eine
Ahnlichkeit zwischen der Belagerung Sivrits von Mórlant durch Herwig und Hetel (Str. 668-724, 826-833) und der Einschliessung der
Wikingerführer Sigifridus und Godofridus durch Karl III. in Asselt
im Jahre 882 besteht. Es soli derselbe Sigifridus sein, der als Sivrit
von Mórlant dem Kudrunepos einverleibt worden ist. Besonders
H. W . J. Kroes hat manchen konkreten Zug angeführt, der die Identifizierung der beiden Gestalten Sigifridus und Sivrit durchblicken
lasst:
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1 Sigifridus und Godofridus fahren im Jahre 881 in die Maas ein. Sie
machen ausgedehnte Raubzüge im Rheingebiet und durch die ostlichen Gegenden der heutigen Niederlande und in Ostbelgien.
2 Die Wikinger werden von der kaiserlichen Scharen angegriffen,
die zu Hilfe herbeigerufen worden sind.
Man kampft zwölf Tage, doch
die Wikinger ziehen sich in ein Lager Ascloa (Asselt) zuriick,
wo sie belagert werden.
Karl der Dicke gewahrt ihnen gunstige Bedingungen,
wenn sie versprechen, ihm gegen andere Wikinger beizustehen;
daraufhin lasst Godofrid sich taufen. Er erhalt die Lander, die einst
Rorik u.a. an der Scheldemündung besessen hatten. Godofrid bekommt ein Jahr spater die Tochter Lothars II. zur Frau. Diese heisst
Gisela.
9 Sigifrid setzt sein Wikingerleben in Westfrankreich fort.
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Kroes bemerkt: "Von einer Werbung um eine germanische Fiirstentochter ist historisch bei Sigifrid nicht die Rede", . . . "die Taufe
fehlt". U m so bemerkenswerter ist, dass die französischen Normannen
Einzelheiten dieser Ereignisse in den Niederlanden auf ihren grossen
Führer Rollo übertragen haben. Es wird erzahlt, dass Karl der Einfaltige, der Vater des Ludwig Ultramarinus (siehe im vorigen Kapitel
Ludewic von Ormanie), dem Normannenführer Rollo das verwüstete
Küstenland, die spatere Normandie, ferner die Hand seiner Tochter
Gisela geboten hat. Dies geschah unter der Bedingung, dass die Wikin­
ger sich fortan friedlich hielten und Rollo die Taufe annahme. Die
Vermittlung übernimmt der Erzbischof Franko von Rouen: man schliesst
Waffenstillstand und es geschieht alles, wie vorhergesehen.
Von den erzahlten Tatsachen hat die Vermahlung Rollos mit der
Prinzessin Gisela Anstoss erregt, davon weiss keine altere Quelle etwas.
Es kommt noch hinzu, dass Gisela in dem Stammbaum der norman­
nischen Herrscher gar keine Stelle einnimmt, sondern ein dürrer Ast
bleibt. Die Verwechslung wurde wohl dadurch erleichtert, dass in
beiden Fallen der Verleiher des Gebietes ein Franke war und Karl
hiess. Weiter ist zu erwahnen, dass in beiden Fallen der vermittlende
Bischof den Namen Franko trug.
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Die Geschichte Rollos ist auch in andrer Hinsicht für unsere Untersuchung wichtig. Die Führerschaft des erwahnten Sigifridus bei der
Belagerung von Paris wird ebenfalls Rollo zugesprochen. Man sieht
also, die Taten der beiden Wikingerführer Godofrid und Sigifrid
konnten auf eine Person zusammenoezosen werden. Was aber der
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Geschichte recht ist, ist der Sage billig; man kommt auch in der Gudrunsage schwerlich ganz "ohne die Annahme von Namen- und Rollenwechseln aus". Im Epos wird eine Reihe von Ereignissen auf Sivrit
konzentriert, aber plötzlich ist noch von zwêne künege die Rede (Str.
702); ebenfalls in Str. 670 und 712 werden künege erwahnt. In der
Kudrun — man beachte die Parallelen zur Überlieferung —
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mordet und brennt Sivrit in Herwigs Land;
die Hilfe der Hegelingen wird gegen ihn angefordert, und
eine zwölftagige Schlacht folgt.
Sivrits Heer zieht sich in eine warte an einem phlüm zurück,
bezieht da ein geligere und wird eingeschlossen;
dann fallt Hartmut ins Hegelingenland ein; die Hegelingen bieten
den Mohren den Frieden an. Die Belagerung wird abgebrochen;
7 Sivrit ist einverstanden, mit den Hegelingen gegen Hartmut ins
Feld zu Ziehen.
8 Er wird Hetels Lehensmann (am Schlusse des Epos erhalt er Herwigs Schwester zur Frau);
9 zuvor aber kampft er gegen die Normannen in der Normandie.
Kroes ist der Meinung, dass die Sivritpartie eigentlich geniigt, um
eine wikingische Grundlage wahrscheinlich zu machen. Eine bessere Kenntnis der Wikingergeschichte würde m.E. noch mehr zu Tage
fordern. So glaube ich zum Beispiel, dass Str. 669-670 auf eine Uneinigkeit bei den Wikingern anspielt, die wirklich stattgefunden hat. Die
genannten Strophen lauten (mit er und künic wird Sivrit gemeint):
268
Zweinzic starke kiele zimbern er do hiez.
ez waen den niht geviele, die erz wizzen liez,
daz er hin ze Sêlande wolte herverten.
gelobet wart diu reise, só sich verendet der winter herte.
Mit ahzic tüsent helden
héte er sich besant.
von liuten wart dó laere ze Alzabê daz lant.
die künige von den Moeren
herverten swuoren.
si beliben sumeliche, die andern nach des küniges willen fuoren.
Die Geschichte erzahlt, dass Sigifrid nach der Belagerung in Asselt
noch reiche Beute gewinnt. Sigifrid und andere Wikingerführer verabreden, küstenwarts zu ziehen. Sie fahren Richtung Flandern, was
sich mit Str. 669,3 daz er hin se Sêlande wolte herverten sehr gut vertragt. Doch mehrere kleinere Gruppen haben ihr Versprechen nicht
gehalten; sie sind zuruckgeblieben.
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Der verheerende Zug in Herwigs Land soil nach Droeges Meinung
"in der vorlage noch nicht ein kriegszug heidnischer scharen, wie im
spateren zeitalter der kreuzzüge" gewesen sein, "sondern der fürst von
Mohrland wird bei den einfachen verhaltnissen der vorstufe der herr
eines benachbarten Landes (gewesen) sein, worauf ja die zusammenhange des namens Mórlant zu deuten scheint". H. de Boor nimmt
an, dass der Dichter Sivrit von Mórlant ursprünglich nach einer flandrischen Landschaft heisst und dass er erst spater "zum wirklichen
Mohren, zum heidnischen Sarazenenfürsten umstilisiert worden ist.
K. E. Freitag denkt z.B. an Moerland, eine Gegend im französischbelgischen Gebiet, nördlich von Boulogne. Auch Bartsch und W . von
Ploennies sind der Ansicht, dass Mórlant ursprünglich eine Lokalitat
an der Nordseeküste bezeichnet. In der Kudrun bedeutet Mórlant
zweifelsohne das Land der Mohren, doch soli "die Vertauschung . . .
nach der Vorliebe der höfischen Zeit für das Phantastische und Fernliegende" geschehen s e i n . Es könnte nützlich sein auf den letzten
Punkt etwas naher einzugehen. Greifen wir zu den Texten:
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274
Str. 673,3: sam si gewalticlichen
der welte ze ende wolten
Str. 731,4: im kom vil wênic helfe,
siniu lant diu lagen von im
gar ze verre. U n d schliesslich Str. 1534,4: daz er von Karadine héte
gehervertet alsó verre.
Aus diesen Stellen kann man ersehen, dass Sivrits Land in grosser
Entfernung gedacht wird. Kann dies aber auch von einem Mórlant
etwa an der flandrischen Kuste gesagt werden: Die Antwort kann
bejahend sein, wenn man gewillt ist, in Mórlant das Land der Morinen
zu erkennen. Das ist wiederholt in der Kudrunforschung geschehen,
wobei man den inneren Zusammenhang zwischen dem flamischen
Moerland und dem Morinerland nicht ausser acht lassen darf. So
schrieb schon Mone: "Morland . . . kann von Moor (Sumpf, palus) herkommen, nicht als Namen der Abstammung, sondern entweder als
Wohnungsnamen, oder angeeignet von Morini, welche ebenfalls an
der Sachsenküste (Flandern) wohnten, also auf dem Schauplatz der
Gudrun". W . von Ploennies hat diesen Gedanken wieder aufgegriffen und tiefer begründet, nachdem er Mórlant mit der Benennung des
1
275
Landes nach der Bezeichnung der Bodengattung (Moer, moms, Sumpf,
Moor) in Verbindung gebracht hatte. Es aussert sich folgendermassen:
"Die alten Moriner sassen im heutigen Boulinois und hatten Teile von
Artois und Flandern. Westliche Nachbarn der Nervier und Menapier,
waren sie die ausserste gallische Völkerschaft gegen Norden, da wo die
kürzeste Überfahrt nach Brittannien, weshalb der schmalste Teil das
fretum gallicum auch fretum morinum hiess . . . nach Casar enthielt ihr
Land Waldungen und Sümpfe".
276
Zwei berufene Kudrunforscher, Müllenhoff und Symons, haben sich
gegen eine solche Deutung des Namens Mórlant ausgesprochen. Der
Dichter habe nur an das Land der Mohren gedacht. Deshalb sei "die
herleitung des Morlandes von irgend einer niederlandischen moorgegend . . . oder gar (von) den alten langst verschollenen gallischen
Morinern in Flandern" "unstatthaft". Doch die historischen Quellen
reden eine andere Sprache. Der Name der Morini blieb das ganze Mittelalter hindurch ein deutlicher Begriff. Der Bischof von Terwaen
(Thérouanne) hiess episcopus Morinorum und 1125 bezeichnet sich
Karl der Gute von Flandern als comes Morinorum. Mit grösster Vorsicht fragt deshalb R. Meissner: "Sollte nicht doch in Mórlant die Erinnerung an den alten Namen der Bewohner Flanderns 'Morini' weiterleben?" Die von Meissner beigebrachten Belege lassen sich noch
vermehren, und zwar aus Quellen, die Kenntnis der Wikingergeschichte
voraussetzen. So liest man in den Willelmi Conquestoris Gesta, wo sie
über den flamischen Grafen handeln: "Nam uti a satrapis Morinorum,
quos moderni Flandros appellant .. . " W . J. L. van Es zitiert eine
Stelle aus dem Geschichtschreiber Richer (10. Jahrhundert), wo der
flamische Graf als Princeps Morinorum bezeichnet wird. Weiter zitiert
Van Es Guillaume de Jumièges: Morini quos moderni Flandros appellent?
Auch Wace sind die Morini in seinem Roman de Rou noch
wohl bekannt. Schliesslich weiss auch Ariosto im Orlando Furioso
(XIV,3) von den Morini sachkundig zu berichten:
277
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80
281
382
quando cedendo Morini e Picardi
l'esercito normando et l'aquitano
(Als schon der Tag Picarden und Morinen,
Normannen, Aquitanier weichen fand...)
Meissner und Schröbler nehmen an, dass es in Flandern eine Über-
lieferung über einen berühmten danische Wikinger namens Siegfried
gegeben hat. Dabei wird die Möglichkeit erwogen, dass ein gewisser
Sifridus Dacus, der in der ersten Halfte des 10. Jahrhunderts von sich
horen liess, mit dem Wikingerführer Sigifridus aus den Jahren 879887 zusammengeworfen worden ist. Doch scheint mir manches einfacher auf den Sigifrid des 9. Jahrhunderts bezogen werden zu können.
Dabei will es mir scheinen, dass die oben zitierten Stellen aus den
Strophen 673, 731 und 1534 unerwarteterweise neu beleuchtet werden,
und dass der Name Mórlant für Sivrits Land ursprünglich sein kann.
Im Jahre 879 hatte Sigifrid bei Fulham auf der Themse gelagert. Im
Sommer desselben Jahres überquerten die Wikinger den Kanal und
landeten im Süden des flamischen Gebietes, wo sie St. Omer und
Terwaen (Thérouanne) verheerten. Im November bezogen sie ein
Winterlager in Gent. Da hielten sie sich auf bis 880. Man sieht, das
von den Wikingern durchstreifte Gebiet wird eine Zeitlang zum festen
Stützpunkt, und, wie schon oben gesagt wurde, nach der Belagerung
in Asselt im Jahre 882 kehrt Sigifrid nach Flandern zurück. Das ist
aber das Gebiet, das wiederholt als Morinerland in den Quellen begegnet. Die Überfahrt von Fulham auf der Themse nach dem Morinerland, dessen Stadt und Bischoftssitz als Hauptstadt galt, geschah über
das fretum morinum?
Das Land der Moriner kann im Epos mit Fug
und Recht ein sehr entferntes Land heissen. Den klassischen Schriftstellern waren die extremi hominum Morini ein Begriff, wie Virgilius
Aeneis VIII,727 beweist. Kein Zweifel also, dass Anlass besteht zu
erwagen, ob nicht im Mórlant unserer Kudrun der Name des Morinerlandes nachlebt. Spatere Zeiten mogen den gern missverstandenen
Namen Mórlant in den Ideenkreis der Kreuzzüge einbezogen haben
und darunter ein Mohrenland verstanden haben. Man kehrte einseitig
die Roheit der Wikinger hervor und sah in diesen schlechthin "wilde
Heiden", weshalb sie spater in Frankreich mit Sarazenen und Mohren
verwechselt worden sind. Das verraten u.a. die Hautfarbe Sivrits
(Str. 583) und seiner Mannen (Str. 1663), die eine wise von Arabê
singen (Str. 1588). Arabê, Arabi, Arabie ist das Land der guten Ankerseile (Str. 266), der kostbaren Kissen (Str. 1326) und der schonen
Kleider (Str. 1616). Weiter werden erwahnt von Agabi der siden die
besten (Str. 267), Edelsteine von Abagi (Str. 1684), anderseits von
Abali der stein (Str. 1248) und von vil guoten siden von Abalie ein
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85
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287
hemede (Str. 864). Ebenfalls orientalisch klingen Abakie, Abakine, wo
Sivrit seine Herrschaft hat (Str. 673, 829), wie auch Alzabê, Wohnsitz
Sivrits (Str, 579, 667, 673, 698, 706, 719, 728, 836, 1696). Es sollen
Namen sein, "die der Dichter lediglich ihres exotischen Klanges wegen
gewahlt hat",
oder die "mit dem Mohrenland wenig zu tun
haben". Gem verweist man dabei auf einigermassen anklingende
Namen in anderen mittelhochdeutschen Dichtungen. Agabi, Abagi,
Abakie, Abalie soil alles derselbe Name s e i n . Martin möchte annehmen, dass der Name Algarbia (an der Südspitze von Portugal) allen
diesen Namen zugrunde liegt, wahrend Panzer und Kroes ihn nicht
erklaren. Der Dichter soil nicht eine bestimmte geographische Anschauung damit verbunden haben. Alzabê soli an Elsabê in Solman
und Morolf 728 erinnern. Ich glaube dennoch, dass Arabê und seine
Varianten, Agabi u.a. und vielleicht Alsabê eine reelle Beziehung zu
orientalischen Ortsnamen haben. Das dürfte von vorn herein für Arabê
wohl einleuchtend sein; Agabi ware möglicherweise von Akaba herzuleiten. Das k wird im Arabischen emphatisch gesprochen, wie viele
andere Konsonanten, deren Umschrift den Europaern Schwierigkeiten
bereitet. (EZ) Akaba war als Stützpunkt für die Schiffahrt wohl
bekannt. Seide und Edelsteine können aus diesem arabischen Hafen
verschifft worden sein. Die Halbinsel Arabien, zumal der südliche
Teil, war bis in das zehnte Jahrhundert ein reiches Goldland. Das
aus der Bibel und der klassischen Literator bekannte Königreich Saba
trug dazu bei, durch sein Gold den Ruhm Arabiens in der abendlandischen Welt zu verbreiten. Der Name Alsabê scheint mir aus dem
arabischen Artikel al-, él- und sabê zusammengesetzt zu sein. Den
arabischen Artikel kann man bei Namen berücksichtigen oder nicht.
Auch die Erzahlungen aus den Tausendundein Nachten schildern die
ungeheuren Schatze in den Landern von Jemen und in dem Lande
von Saba. Besonders gerühmt werden Stoffe, "die aus Gold gewebt und
mit Edelsteinen besetzt waren", wie auch die Kleider, "die aus goldenen
und silbemen Faden gewirkt waren". Dazu vergleiche man Kudrun,
Str. 1683-1684:
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291
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294
285
Wate der gab eine alsó guot gewant,
daz man an küniges libe bezzer nie bevant.
von golde und von gesteine waz ez überhangen
mit einem netze riche. da mite kom der helt ze hove gegangen.
In ieclichem stricke lag ein edelstein.
swie sin name hieze, dS bi wol daz schein,
daz si versliffen waren
ze Abali dem lande.
Waten und sine helde
namen dó die helde bi ir handen.
Solche und ahnliche Schilderungen können einem mittelalterlichen
Dichter auf Umwegen aus den Kreuzzugslandern zugegangen sein. Die
erörterten Ortsnamen, die in diese Schilderungen eingestreut sind, verraten aber einen festgefügten geographischen Zusammenhang, worin
Arabê, Agabi und Alsabê passen. Ich wage es daher zu bezweifeln,
dass der Dichter mit diesen Namen keine bestimmte Vorstellung verbunden h a t t e
oder dass sie aus anderen Epen zusammengesucht
seien. Der niederlandische Dichter Jakob van Maerlant, der um das
Jahr 1257 — also ungefahr zwei Jahrzehnte nach der mhd. Kudrun —
seine Alexanders Geesten schreibt, bereichert sein Werk mit einem
ausführlichen geographischen Bericht, wobei er den Eindruck macht
ziemlich genau über die Mohrenlander informiert zu sein:
298
Daerbi dat lant Arabia;
daerbi die goede stat Sabba,
daer Sibilla was geboren,
die versochte hier te voren
Salomone dien coninc here;
want hi conste wijsheden mere
dan iemen conster verre oft na:
die stat steet in Etyopia.
Nu hoort allegader hierna:
int lant van Arabia
leget een berch heet Sinay,
daer leget ene maget vri
begraven, sente Kateline,
die die ingel groeven sonder pine;
daer ontfine Moyses die wet,
dies moet ons allen sijn te bet.
Daer wonen die Moabiten,
Amoniten, Ydumien ende Madianiten.
Weiter heisst es:
Dus vintmen Etiopien drie:
dat een es, dat sechtmen mie,
boven Egypten dat Etyopen,
daer Nilus uut comt gelopen:
297
die ander staet bat Indien na,
daer staet die stat hiet Sabba,
daer Sibilla vrouwe af was,
alsmen hier te voren las;
dat derde es in Affrike.
In elc vintmen, sekerlike,
swarte More menech een,
dat en es logene engeen.
298
Wir wissen vorlaufig nicht, wann der Gudrunstoff nach Süddeutschland wanderte (siehe jedoch das Schlusswort dieser Arbeit). Kenntnisse
über Kreuzzugslander jedoch sind in Flandern seit dem Anfang der
Kreuzzüge im 11. Jahrhundert vorhanden gewesen, denn gerade die
Flamen sind überaus stark an den Kampfen gegen die Sarazenen beteiligt gewesen.
Es ist also durchaus möglich, dass an der Nordsee
Einzelheiten aus dem Orient einem zum Mohren gestempelten heidnischen Wikinger angehaftet wurden. Dass es gerade Sigifridus war,
darf nicht wundernehmen. Er war in den Niederlanden und in der
Normandie
eine bekannte und gefürchtete Person gewesen. Als
Anführer heidnischer Wikinger wird er nach dem Mórlant versetzt,
da man den Begriff von den Sarazenen auf alle Heiden übertrug. Das
wird am ehesten dort geschehen sein, wo der Kreuzzugsgedanke, die
französische Epik und die Wikingergeschichte eines Sigifridus tiefen
Eindruck gemacht haben.
299
300
Es würde sich schlecht mit einem wirklichen Mohrenkönig vertragen, dass er Sivrit heisst und dass er in Seeland an der niederlandischen Kuste einfallt. Das sogenannte Mohrenland Karadê, Karadie,
Karadine, das Sivrit unterstellt ist, ist in Wirklichkeit, wie im vorigen
Kapitel besprochen wurde, ein entstellter Name für die britische Landschaft Cardigan, wo die Wikinger aus Irland herrschten. Auf der Befreiungsfahrt nach der Normandie stösst Sivrit, der künic des landes
von Karadie, zu der Flotte Herwigs und Ortwins, die einen Aufenthalt
auf Wülpensand verabredet haben (Str. 1120-1123). Anscheinend war
Sivrit von England aus über die Nordsee gefahren, wie er in den
geschichtlichen Quellen von der Themse aus nach der flandrischen
Kuste herübergekommen war. Sivrits Aufenthalt in England mag den
Dichter dazu veranlasst haben, ihm die Herrschaft in Karadie, Cardigan, zuzusprechen. Der Kudrundichter wusste, dass dieses Gebiet von
Wikingern beherrscht wurde.
301
Die realen Verhaltnisse der niederfrankisch-britischen Gebiete als
Hintergrund und Quelle der Kudrungeschichte sind besonders von
Meissner und Frings herausgearbeitet worden. Symons hat wiederholt betont, dass der Stoff "deutlich das historische und geographische
geprage" dieser Gegenden tragt, und dass "in der Kudrun . . . der
gesichtskreis der wikingerzeit noch deutlich" durchschimmert, "freilich
überdeckt und verdunkelt durch die der eigenen zeit des dichters entnommenen vorstellungen". In der Entwicklung der Kudrun, sogar
im Hinblick auf die Verknüpfung des Hilde- und des Gudrunteils,
kommt Wdleis, dem Markland von Hetels Reich, eine besondere Be­
deutung zu. Wir wollen jetzt den geographischen Zusammenhang
zwischen Wdleis, Irlant, Baljdn, Karadine, Frideschotten, Gustrdte und
Wülpenwert naher betrachten.
302
303
304
305
Hildes Kenntnis der Gegenden Karadine und Frideschotten hangt
sinngemass mit ihrer Herkunft zusammen. Sie wurde von Hetels Man­
nen aus Baljdn in Irland geraubt. Nur in der deutschen Überlieferung
ist Hagens Hof nach Irland verlegt. Das hat noch eine andere Anderung
in der Kudrun veranlasst: Statt auf Wütyenwerde, wie das Alexanderlied sagt, wird in der Kudrun an dem Strande von Wdleis um Hilde
gekampft. Dort haben sich die von Irland kommenden Helden nach
Beendigung ihrer Seefahrt mit Hilde gelagert und dort werden sie
von Hetel begrüsst. Bei Anbruch des nachsten Tages sehen die Hege­
lingen Hagen dem Strande nahen. Nach der Landung beginnt ein
heftiger Kampf, in dem Hagen Hetel verwundet und er selbst von
Wate verwundet wird. Hilde wird vor dem Kampfe mit einer Schutzwache auf ein Schiff gebracht. Das ist für R. Meissner unmöglich einzusehen, "da nichts hindert, sie im innern des landes, etwa in der
Hegelingenburg, in sicherheit zu bringen". Es fahrt fort: "dagegen
ist guter verstand in der massregel, wenn die seefahrt der entführer
noch weiter fortgesetzt werden musste". Diese Stelle in der 8. Aventiure
soli nach Meissner "noch auf eine altere fassung der dichtung hinweisen, in der der kampf auf einer zwischenstation der seefahrt vom
lande Hagens zu dem des entführers stattfand".
306
Die meisten Forscher nehmen an, dass mit Wdleis ursprünglich das
englische Wales gemeint s e i .
Wales passt geographisch schön in
die Nachbarschaft von Irland. So meint R. C. Boer, dass "eine ortsname
wie Waleis . . . damit zusammenhangt, dass Hagen in Irland wohnt".
307
308
Doch derselbe Forscher ist, wie auch Panzer, der Ansicht, dass der
Kudrundichter die Namen den höfischen Dichtungen entlehnt h a b e .
B. Symons halt diese Behauptung für unbeweisbar.
309
310
Im allgemeinen halt man den Hagenteil des Kudrunepos und dementsprechend auch seinen irlandischen Hintergrund für jung. Über
Irland als Schauplatz der Erzahlung schreibt Panzer: "Man hat hierin
alte Überlieferung sehen wollen als Erinnerung an die feindlichen
und freundlichen Beziehungen norwegischer und danischer Wikinger
in Irland. Eine ernsthafte Betrachtung kann diese Annahme gewiss
nicht wahrscheinlich finden. Stünde wirklich dieser geschichtliche
Hintergrund hinter der Lokalisirung der Gud., so müsste sich diese doch
vor allem einmal in den nordischen Zeugnissen finden, die uns ja aus
verschiedenen Jahrhunderten und Gegenden verhaltnismassig zahlreich
erhalten sind; . . . "
Selbstverstandlich führt ein solcher Beweis der
Abwesenheit zu keiner Lösung, zumal Panzer gestehen muss: "In
Str. 611 ist eine nahere Ausführung über das Verhaltnis Ludwigs zu
Hagen enthalten, die aufzuhellen nicht gelingen will". Gerade bei
der Erörterung der Str. 610-611 bin ich im vorigen Kapitel zu dem
Ergebnis gekommen, dass die geschilderten Vorstellungen auf historische Ereignisse zurückgehen, die tatsachlich im Irland des 10. Jahrhunderts und in den diesem Lande untergebenen Gebieten stattfanden.
311
312
Die Hinweise auf Wdleis sind in der Kudrun, und erst recht in der
Forschung, nicht eindeutig. Es gibt jedoch gute Gründe, Wdleis auf
Wales zu beziehen. Wdleis ist die Heimat eines der Freier von Hilde
(Str. 200); Morunc, Herr von Wdleis (Str. 641, 1415), ist der einzige
Gefolgsmann Hetels, der die Jungfrau Hilde üz Irlant kennt (Str. 211212). Diesen Vorstellungen liegt die geographische Nachbarschaft der
beiden Lander zugrunde, und somit muss ebenfalls hier eine südliche
Sonderentwicklung der Sage angenommen werden. Das Zusammengehen von Wdleis und Galeis scheint nicht weniger aufschlussreich
zu sein. In Str. 641 ist die Rede von einem Volk,
daz saz vor einem berge
ze Galeis in dem lande,
die der starke Mórunc ze Wêleis an der marke wol erkande.
In Parzival wird Wdleys ebenfalls mit Norgals (Nordwales) in Verbindung gebracht. Wdleis, Wdleys heisst altfranzösisch Gales, lateinisch Wallia.
M. Wilmotte hat in einem Aufsatz "Waleis(e) = Gal313
814
lois dans Parzivcd" die anglonormannischen Zusammenhange der Frage
beleuchtet. Er kommt zu der Schlussfolgerung: "II n'y a done en dépit
de l'apparence, aucune bonne raison de traduire nulle part Waleys
autrement que par 'Gallois'." Wdleis die marke oder Wdleis in (an)
der marke (Kudrun, Str. 465, 493, 641, 697, 1087) scheint mir "the
March of Wales" (Marchia Wallie) zu sein. Das ist der Name für den
Teil von Wales, der von den französischen Normannen erobert worden
war. Der nicht eroberte Teil hiess jmra Wallia. ™ Es sei an dieser
Stelle daran erinnert, dass mit der schwankenden Bezeichnung Normandie, Ormandte, Ormanie in der Kudrun "Vorstellungen nach dem
anglonormannischen Bereich des 12. und 13. Jahrhunderts" hinzieh e n . Diese Bemerkung ist für das Verstandnis der Kudrun und das
Zustandekommen des Epos sehr wichtig.
315
3
317
Die Aufnahme des Namens Wdleis scheint mit der Verbindung
der Hildesage mit der von der Gudrun zusammenzuhangen. Das muss
wohl nach dem Jahre 1130 geschehen sein. Dieser Zeitpunkt ist für
die Entstehung des Alexanderliedes anzusetzen, in dem der Kampf um
Hilde zwischen Wate und Hagen auf Wülpensande oder Wülpenwert stattfindet. In der Kudrun ist der alte Schauplatz durch einen
sand bei Wdleis ersetzt (Str. 465). Der Wülpenwerder
wird aus dem
Hildeteil ausgeschaltet. Das geschah wohl in dem Augenblick, als Hildeund Gudrunteil mit einander verbunden wurden und als der Wülpenwert mit dem blutigen Inselkampf im letztern Teil einen endgültigen
Platz bekam. Das zwingt uns zur Annahme, dass Wdleis in der
Kudrun nicht ursprünglich ist, sondern junge Erfindung sein muss,
die mit der Ausweitung in Zusammenhang gebracht werden kann.
Man braucht jedoch Müllenhoffs Meinung nicht zu teilen, wenn er
schreibt: "willkürlich wurde 465 der kampf Hetels und Hagens dorthin
(Waleis) vom jungen überarbeiter verlegt". Den Anlass zur Einführung des Namens Wdleis erblicke ich in der Verknüpfung der Ge­
schichte Ludwigs Ultramarinus mit einer Brautrauberzahlung, die der
Dichter in abgewandelter Form auf den Namen der Geraubten, der
Gudrun, taufte.
318
319
Die sagenhaft ausgestattete Jugendgeschichte des französischen
Königs setzt ihn als Lehensmann in Verbindung mit Hildes Vater,
Hagen, der in der irischen Stadt Baljdn lebt.
Hildes Entführung
muss demzufolge in Baljdn stattfinden. Die Seereise mit der entführten
320
Jungfrau nach Hegelingenland muss an Wdleis vorbeiführen. Der
Dichter hat offenbar die Gegenden und Horizonte, die er seiner Sage
einverleibt, gekannt: "Baljan als name der burg Hagens konnte nur
von einem mann gewahlt werden, dem irische ortsnamen bekannt
waren". Weiter wird Karadê, Karadine (wohl das heutige Cardigan) in Wales mit Irland verbunden. Das ist eine bemerkenswerte
historische und "geographische genauigkeit". Wer ware besser in der
Lage, die historischen und geographischen Kenntnisse des Schauplatzes
zu besitzen, als ein Autor, der den Anglonormannen nahestand? Ihm
ist es zuzutrauen, dass er sich über den Bedrücker der angesiedelten
Wikinger in der Normandie, Ludwig Ultramarinus, herabsetzend
ausserte. Er lebte wohl im 12. Jahrhundert oder spater, denn damals
wurden Irland und Wales von den Anglonormannen erobert, was
chronologisch so schön zu der Abwandlung der Hildestelle in Alexanderlied (zirka 1130) passt. Das französisch klingende Wdleis
konnte
im Hildeteil das flamische Wül-penwert ersetzen.
321
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323
Es kann kaum Zufall sein, dass gerade Flamen bei der normannischen
Eroberung von England eine sehr wichtige Rolle gespielt haben und
besonders im 12. Jahrhundert zu Macht und Ansehen gelangt s i n d .
Eine betrachtliche Anzahl von Flamen , die in bestandigem Verkehr mit ihrem Vaterland geblieben s i n d , siedelten sich in Wales an.
Ëmile Vaerenbergh schreibt dazu: "Grace a ces Flamands . . . Henri
Ier parvint a remporter des avantages durables sur les Gallois; places
en face de ces montagnards féroces comme une barrière vivante nos
emigres, devenus agriculteurs, eurent interêt a défendre leurs bien".
Dieser anglonormannische Hintergrund scheint mir die Rekonstruktion
des inhaltlichen Zusammenhanges in Str. 641 zuzulassen:
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326
326
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Herwic der héte
ein vole an sich genomen,
daz saz vor einem berge ze Gèleis in dem lande,
die der starke Mörunc ze Waleis an der marke wol erkande.
Die Gebirgsgegend von Wales kann einem flamischen Dichter bekannt
gewesen sein. Er hat wohl die Berichte und Erzahlungen aus der Wikingerzeit in den Niederlanden, das normannische Geschichtswerk
Dudos, das ihn als Parteifreund der Anglonormannen sicher interessiert haben muss, und die eindrucksvollen Ereignisse aus dem 12. Jahrhundert in Wales sagenhaft verknüpft und diese zu einer ausführlichen
Dichtung verarbeitet. Diese Kombination kann auch die Widerspriiche
in der Erklarung des Namens Wdleis überbrücken. So erscheint Wdleis
als ein Land bi Tenemarke (St. 200). Friesland, Dietmarschen und
Wdleis gehoren zu Hetels Reich (Str. 208). Strophe 799 schildert es
als Nachbarland von Seeland: Hetel und Herwig kampfen dort gegen
Sivrit und seine Mohren.
Es mag sein, dass diese und ahnliche
Vorstellungen auf einer grenzenlosen Verwirrung beruhen,
doch
man darf nicht übersehen, dass Wdleis als Grenzland besonders geeignet ist, in einer Umdichtung Schauplatz solcher Ereignisse zu werden, die sich sonst in der Verknüpfung der Quellen nur schwer harten
einordnen lassen. Eine ahnliche Vertauschung wird recht wahrscheinlich, wenn man weiss, dass Asser, ein britischer Geschichtschreiber aus
Wales (9./10. Jahrhundert), in seiner Historia de rebus gestis Alfredi
regis, zu dem Jahre 882 bemerkt, dass die Wikinger sich in dem Frankenland an der Maas festsetzten. Wir wissen aus anderen Quellen, dass
damit der Aufenthalt der Wikinger Sigifrid und Godofrid in Asselt
gemeint ist. Ethelwerds Chronik hat z.B. et castra metati sint in loco
Escelun, das uns anderwarts als Aschloha oder Ascloha begegnet. Zu
diesem Ortsnamen bemerkt J. A. Giles, dass Ascloha etwa 14 Meilen
vom Rhein entfernt liegt; anderseits wird das Frankenland als Frankreich aufgefasst, womit eindeutig ein welsches Land gemeint i s t .
Auch Seeland liegt in der Nahe der welschen Lander, wie aus Rudolf
von Ems, Weltchronik (2412-2417) hervorgeht:
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tutschir lande get ein ger
ubir Rin: des teiles ker
get ein sit an welschu lant
als Hollant unde Brabant
und Selant, da der selbe strich
von welschin landin scheidet sich.
Die bisher ratselhafte Ortsangabe des Kampfes der Hegelingen gegen
Sivrit und seine Mohren in Strophe 799,4 (ze Waleis bi der marke)
erfahrt durch diese geographischen und historischen Texte des Mittelalters eine überraschende Erklarung. Es muss einem Dichter aus anglonormannischer Zeit selbstverstandlich gewesen sein unter Wdleis oder
welschu lant Wales zu verstehen, zumal er dem Mohrenfürsten Sivrit
das Land Karadê, Karadine (Cardigan) unterstellt. Ein Wdleis irgendwo
bi Tenemarke muss ihm auch möglich erschienen sein, denn Tenemarke ist "als Gesamtname für Hetels Reich" aufzufassen; es ist ein
ausgedehntes Wikingerreich. Die Wikingeherrschaft zu Land und zur
See lasst die Annahme zu, dass Wdleis als eine Mark betrachtet wurde.
Der wirkliche vorhandene Name Marchia Waïlie kann dazu Anlass
gegeben haben. In anglonormannischer Zeit war dieser Name den
Nachfahren der französischen Normannen und ihren Mitkampfern ein
fester Begriff.
332
Die Vermutung liegt nahe, dass zusammen mit Str. 641 auch die
Str. 1164 in eine Gudrunfassung gekommen ist. Beide Strophen bereichern unser Wissen einerseits mit den Namen Galeis (Str. 641) und
anderseits mit der Ortsbenennung ze Gustrdte (Str. 1164). Beide weisen
auf Südengland hin.
In Str. 1164 wird das englische Golstert in flamischer Lautgestalt
genannt. R. Meissner hat zuerst erkannt, welche Bedeutung Golstert,
das heutige Point of Start in der Nahe von Dartmouth, als Orientierungspunkt für Seefahrer aus Holland und Flandern hatte.
Th.
Frings erblickt in Meissners Ausführungen über Gustrdte den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Kudrun, denn dieser Name verrat die Existenz einer niederlandisch-friesischen Dichtung. Nicht das
von Meissner nachgewiesene niederdeutsche Golstert,
Gholtsterte,
Goldsterte scheint dem Namen Gustrdte in der Kudrun zu Grunde zu
liegen, sondern das niederlandische Goustert, Gouster als Name für
das englische Point of Start. Im Englischen verschwindet der erste Bestandteil des Namens. Aus dem 15. Jahrhundert treten uns Formen
wie the Stert, the Start entgegen. An anderer Stelle hat Frings dargelegt, dass die westflamischen Dialektformen in ihrer phonetischen
Wiedergabe gut und gut, in der Bedeutung Gold, zu Gut in Gutstrdte
gestellt werden können. Das nahe Anklingen von Gustrdte an niederlandisch Goustert, niederdeutsch Goldsterte, Goltstert zeigt Assimilation -dst- oder -rsr- zu -st-. Daher ware Gustrdte m ö g l i c h
das sich
demnach als ndl. Wort in der Bedeutung "Goldstrasse" darbietet, wie
schon Martin zu Parzival 9,2 vermutet hatte. In -strdte erblickt Frings
also eine dichterische Umbildung von -stert-, mit Anlehnung an die
Goldstrasse, die die untergehende Sonne auf dem Wasser bildet.
Auch Martin hat Gustrdte als Goldstrasse (ags. goldstraet, mnl. goldstrate) gedeutet, indem er auch an die Wendung "die Sonne geht zu
333
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338
Golde" erinnert hat. Meissner hat gegen Martins Erklarung Einspruch
erhoben, denn weder die angelsachsische Dichtung, in der die Sonne
gern in Beziehung zum Meer gesetzt wird, noch die nordische gabe
einen Anhalt für diese Auslegung. Nach nordischer Anschauung ist
der grosse Ozean, in dem die Sonne im fernen Westen versinkt, das
"rote" Meer (vgl. Fritzner, Ordbog I 675 s.v. haf).
Meissner aussert
noch ein zweites Bedenken. Zwar kame es vor, dass Berge und Klippen
den Ort des Sonnenunterganges oder -aufganges bezeichnen. "Allein,
dass dabei der Name des Berges genannt worden ware, wie das bei
einem modernen Dichter nicht auffallen würde, dafür wird sich im
Mittelalter kaum ein Beispiel finden."
Das ist aber der Fall in
Kudrun, Str. 1164,2-3:
339
340
ez was nu worden spate,
der sunne schin gelac
verborgen hinder den wolken
ze GustrSte verre.
In welcher Satzverbindung der Name in der Vorlage gebraucht war,
ist, Meissner zufolge, nicht mehr zu erkennen. Frings glaubt, dass ein
Dichter des flamisch-seelandischen Küstengebietes "die sinnlos gewordene ortsbestimmung romantisch-sinnvol etymologisiert und wahrhaft
dichterisch verwertet" h a b e . Von ihm stamme der Kern der Str. 1164,
deren Ortsbestimmung in der flamisch-seelandischen Lautung nach
Deutschland getragen wurde.
341
Zu den Einwendungen, die Meissner vorgebracht hat, ist zunachst
zu sagen, dass sowohl im Altenglischen, wie auch im Altnordischen
Ansatze und Andeutungen vorhanden sind, die den Namen Gustrdte
als Goldstrasse erklaren helfen können. Das ags. merecondel, "Meeresleuchte", als Bezeichnung der Sonne, weist auf den Auf- und Untergang der Sonne im Meere h i n .
Weiter erwagt H. Marquardt die
Möglichkeit, das ags. seglrad, Sonnenweg, im Wortsinne zu verstehen
als den hellen Streifen, den die Sonne, vom Beschauer aus gesehen,
auf das Wasser legt. Das vom Sonnenlicht "rote" Meer scheint mir
ebenfalls den leuchtenden Glanz auf dem Wasser wiederzugeben. Die
ags. Metra des Boethius (13,56-61) unterlassen es nicht, die "meerglanzende" Wirkung der merecondel zu schildern. N u n heisst es
weiter in einer nordischen Kenning in Bjarni Kolbeinssohns Preislied
auf die Jómswikinger zur Bezeichnung einer Frau "Angelfeld-Lichts342
343
844
Eignerin". Das Feld der Angel ist das Meer, dessen Licht das Gold,
dessen Besitzerin die erwahnte Frau ist.
Ein viel vorkommendes
Epitheton des Goldes jedoch war im Mittelalter "rot". Ein heller Sonnenstreifen auf dem Meer kann dem mittelalterlichen Naturbetrachter
als "rot" und "golden" erschienen sein.
346
Es kommt im Mittelalter wirklich vor, dass ein Berg oder eine Klippe
durch die Sonne beschienen, mit einem entsprechenden Namen genannt wird. Der südenglische Ortsname Goldcliff (Goldclive i.e. rupis
aurea (anno 1191)) verdankt sogar diesem Umstand die Benennung.
So deutet Giraldus Cambrensis den Namen der Klippe, die durch Sonnenschein "vergoldet" wird. Es ware nicht verwunderlich, dass in
der Kudrun, in der das Meer den Hintergrund für die wechselnden
Ereignisse bildet, ein Sonnenuntergang in der Nahe von Goustert in
dieser Weise gedeutet werden könnte. Notwendig ist diese Erklarung
allerdings nicht. Gustrdte kann einfach der Ortsname mit hyperkorrekter r-Metathesis sein, gestützt durch volksetymologische Umdeutung,
wie zum Beispiel auch in englischen Namen, deren zweiter Teil eben­
falls -start, -stert, -steort lautet: Houndstreet, Hundesterte,
Houndesterte, Hunstrete, Hundestret; Woodstreet.
Auch ware es möglich,
dass der Name Goustert, Goustart
einem Ortsnamen mit -straat,
-strate im letzten Teil, angepasst worden ist. Es klingt jedenfalls unglaubwürdig, dass ein flamisch-niederlandischer Dichter eine "sinnlos gewordene Ortsbestimmung romantisch-sinnvoll etymologisiert"
haften, denn der Name, der bis weit über das Mittelalter hinaus in der
niederlandischen Küstenlandschaft bekannt blieb,
muss auch
früheren Seefahrern in dieser Gegend vertraut gewesen s e i n .
Der
mhd. Dichter hat in dem Namen sicherlich einen Ortsnamen erkannt,
dafür bürgt die für Ortsnamen übliche lokative Proposition ze. Ein
Niederlander konnte den ihm bekannten Ortsnamen sinnvoll mit der
Naturbeobachtung des Sonnenunterganges ze Gustrdte verre, wo der
sunne schin gelac verborgen hinder wolken in Zusammenhang bringen.
Dass ein Dichter aus dem Küstengebiet für den Inhalt der Str. 1164
verantwortlich zu machen, ist erscheint annehmlich, besonders wenn
man bedenkt, dass das reiche Farbenspiel einer Seelandschaft die Phantasie der mhd. Dichter nicht beschaftigt zu haben scheint.
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Noch ein weiterer Name verrat Seekenntnisse. Es ist ze Givers (hs.
Gyfers) üf den sant in Str. 564. Die Strophe lautet:
W a t e reit zen Stürmen
Mörung in Niflant.
Horant v o n T e n e m a r k e ,
brêhte er sine helde,
si erwerten d è ir selde;
z e Givers ü f d e n sant
w a n si i n da hiezen herre.
m a n erkante ir vogetes n a m e n verte.
Dieses Givers, welches mit dem Str. 1126 genannten Berge gleichen
Namens (worüber spater) nicht identisch zu sein scheint, wird von
Martin als eine danische Landschaft oder Stadt gedacht, die "noch
nicht nachgewiesen" ist. Siegfried Colditz halt Givers für "eine Stadt
am Meer". R. Meissner fasst den Namen als eine Benennung eines
Hafenortes oder einer Küstenlandschaft in Hórants Gebiet auf.
Horant gilt wirklich als herre in Danemark (Str. 206, 263, 1613),
allein es ist auch heute noch nicht gelungen einen danischen Namen
derartiger Gestalt ausfindig zu machen, der sich annaherend mit Givers
vergleichen liesse. Ich glaube ihn in der alten niederlandischen Schreibweise für den danischen Hafenort Gjenner vermuten zu dürfen. An
der Südeinfassung der Halbinsel Ness im Kleinen Belt bildet sich eine
freie Einbuchtung, deren innerster Teil die Gjenner, Gienner, Genner
Bucht heisst. Hier liegt auch Gjenner, das auf alten niederlandischen
Seekarten als Gever eingetragen i s t . Gjenner, Gienner,
Genner
würde sich in der der überlieferten niederlandischen Form Gever
ahnelnden Gyfer einem Kudrundichter dargeboten haben. Ahnliche
dialektische Abweichungen sind aus dem Niederlandischen belegt: man
vergleiche die Wasser- und Ortsnamen: Ee, IJ, Y; Edam, IJdam, Middelie, Crommenye, Krommenie und Zeeland, Syland.
Die Endung
s in Givers, Gyfers dürfte nicht allzu schwer wiegen, wenn man
auch Mateldnes neben Mateldne in der Kudrunhandschrift liest.
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Wenn meine Deutung Gyfers, Givers = niederlandisch Gever —
Gjenner in Süddanemark das Richtige trafe, würden einige verwunderliche Stellen in der Kudrun eine schon lange gesuchte Lösung erfahren.
Die Gebiete der Fürsten scheinen in einander überzugehen. Horant
herrscht in Danemark (siehe oben), wie auch aus den Strophen 10831084, 1180-1183 hervorgeht. " Da ist auch Fruote zu Hause (Str.
219, 242, 292, 382), doch ihm sind auch die Holzsaezen untertan
(Str. 1089, 1415). Offenbar sind die nordalbingischen Grenzlandbewohner an der süddanischen Grenze gemeint. Adam von Bremen
(11. Jahrhundert) unterrichtet uns genau: Transalbianorum
Saxonum
populi sunt tres. Primi ad occeanum sunt Tedmarsgoi ...
Secundi
3
Holcetae, dicti a silvis, quas accolunt ...
dicuntur, eo quod seditionibus ea gens
Dithmarschen {Tedmarsgoi) sind in der
ist ein Land Hetels (Str. 208). Strophe
ein geschlossenes Gebiet anzuspielen:
Tercii et nobiliores Sturmarii
frequens agitur.
Auch die
Kudrun vorhanden: Dietmers
263 scheint ursprünglich auf
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Dó reit mit urloube
Wate in Sturmlant.
Hórant und Fruote
die kêrten si zehant
hin ze Tenemarke,
da si hiezen herren.
si gedahten sich mit dienste dem künic Hetelen (nimmer) geverren.
Auch wenn man annehmen möchte, dass mit der marke ze Stürmen
in der Kudrun nicht der Gau der suebischen Sturmi im nordalbingischen
Gebiet ist, so erinnert der Epenname dennoch an sie. Die Sturmarii,
d.h. die suebischen Sturmi wurden von den Sachsen (die sich nun
Stormarii nannten) in den Stwrrra-Gau um Verden an der Aller abgedrangt. Das Gebiet der Sachsen "erstreckt sich von der untersten
Elbe an, die sie von den Chauken trennt, über den Ansatz der kimbrischen Halbinsel und weiter noch ein gutes Stuck langs der Ostsee
nach Osten bis an einen Fluss namens Xalousos". N u n lesen wir in
dem altenglischen Widsith Vers 22: Wada (weold) Haelsingum. Die
Kudrunforscher urteilen, dass die Anknüpfung der Haelsingas an den
C/iaZwswsfluss richtig sei. Damit ware auch angedeutet, dass Wates
Reich in der Ostseegegend zu suchen s e i . Die Widsithveise 21-22
scheinen einen geographischen Zusammenhang zu bieten:
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Hagena Holmrygum ond Heoden Glommum.
Witta weold Swaefum, Wada Haelsingum,
Die genannten Völker sind von R. Much an der Südküste der Ostsee
nachgewiesen. Nachdem die Hildefabel nach dem Westen abgewandert ist, scheinen auch die Reiche von Hetels Helfern an der westlichen Kuste der Ostsee gesucht werden zu mussen. Wates Gebiet (das
nordalbingische Stormarn nördlich von Hamburg) liegt am südlichsten,
dann folgt Holstein, das Fruote untergeben ist, am nördlichsten lage
Hórants Gebiet mit Givers, Gyfers (ndl. Gever), das den Seefahrenden bekannt war.
Die Widsithveise deuten vielleicht auf Hildestoff, nicht auf eine
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Gudiungeschichte. Die Ansicht, die Hannelore Zahn in ihrer Dissertation (S. 73-74, 98) vertritt, "eine etwa im 12. Jh. im deutsch-danischen
Grenzgebiet entstandene 'Gudrunsaga' müsste im 12. Jh. Grundlage
eines niederdeutschen Epos geworden sein" sollte erst bewiesen werden.
Die schon erörterten und noch zu erórterenden Handels- und Kriegsbeziehungen der Wikinger im Raum Flandern-Friesland lassen anders
denken. Auch wenn man mit Zahn und Gutenbrunner annehmen
möchte, dass für die Kudrun von einem Gattungsschema der Saga auszugehen ist, so dürfte es sehr wichtig sein, dass man in Dudos Geschichtswerk (siehe Kapitel I in dieser Arbeit) schon langst die Einwirkung der Saga erkannt hat. Von sagenhaften Berichten über Wikinger in den Niederlanden wird noch die Rede sein.
Nach Westen weist auch Herwig von Seeland, dem die viel umworbene Gudrun anverlobt wird. Ein abgewiesener Freier, Sivrit von
Mórlant — in dem man, wie gesagt, den danischen Seekönig des 9. Jahrhunderts vermuten darf, der im Bunde mit Godofridus von Asselt aus
die ganze Gegend verheert hat — fallt in Herwigs Land ein. Dadurch
wird, wie es der literarischen Gattung entspricht, Herwigs und Hetels
Abwesenheit von der Hegelingenburg Mateldne erklart. Dann fallen
Ludwig und sein Sohn Hartmut, den Gudrun ebenfalls abgewiesen
hat, ins Hegelingenland ein und entführen sie mit ihren Jungfrauen.
Auch die furchtbare Schlacht auf dem Wülpensande
(Wülpenwert),
in der Hetel von Ludwig getoret wird, kann es nicht verhuren, dass
die Normannen mit ihrer Beute in der Nacht entkommen.
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In einem anderen Gedichte, dem von Biterolf und Dietleib, begegnen wir demselben Namenpaar. Das wird kaum Zufall sein, doch das
Verhaltnis der Kudrun zum Biterolf bleibt in seinen Umrissen allzu
undeutlich. Im Biterolf raubt Herbort, König von Danenland, die
Tochter Hildeburg des Königs Ludwig von Ormanie, dem sein Sohn
Hartmut zur Seite steht. Hartmut und Ludwig setzen ihm mit ihren
Mannen nach; Herbort aber gewinnt, obwohl ihn nur Hildeburg begleitet, die Oberhand, wenn er auch verwundet wird. Hierauf erschlagt er, ebenfalls in Ormanie, einen Riesen, der das Land verödet,
an den sich Ludwig und seine Mannen nicht wagten. — Nach einer
Anspielung im Eckenliede 82 f. heisst dieser Riese Hugobold. Er
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truoc des landes krone und was ein rise unmêzen gróz:
er tete den kristen leide, ez lebt niht sin genöz. —
Herbort erschlagt ebenfalls zwei andere Helden, Goltwart und Sêwart,
über die der Dichter nichts weiter berichtet. Schliesslich gelingt es
Herbort den Helden Dietrich und den alten Hildebrand zu besiegen,
die ihm Hildeburg auf dem Heimweg zum Rhein abjagen wollen.
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Nach der Thidrekssaga cap. 231-239 wirbt Herburt, der Sohn eines
Grafen Herdegn und der Isolde, der Schwester Dietrichs von Bern,
für seinen Oheim Dietrich, um die streng gehütete Tochter Hilde des
Königs Artus von der Bretagne. Er wird von Artus unfreundlich aufgenommen, bleibt aber bei ihm und verschafft sich durch List Zutritt
zu der strengbewachten Königstochter. Herburt, der inzwischen Mundschenk am Hofe des Königs geworden ist, bemerkt an einem hohen
Festtage, wie die Prinzessin sich zur Kirche begibt. Über ihrem Kopf
wird etwas hochgehalten, das zwei Pfauen ahnlich ist, um sie vor der
Sonne zu schützen. In der Kirche weiss Herburt ihre Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken, indem er eine silberne und dann eine goldene
Maus vor ihr vorbeilaufen lasst. Es gelingt ihm, einige Worte mit ihr
hinter der Kirchentür zu wechseln, nachdem sie schon in der Kirche
durch Anlachen eine Bekanntschaft angebahnt haben. Herburt sagt,
er müsse des langeren mit ihr reden, um sich seines Auftrages zu entledigen. Hilde begibt sich zu ihrem Vater und erbittet Herburt als
Dienstmann. Als er seine Werbung bei ihr anbringt, heisst sie ihn
Dietrichs Bild an die Wand malen. Er malt diesen so hasslich, dass
die Königstochter ihn auffordert, sie lieber für sich selbst zu werben.
Er willigt ein und sie fliehen zusammen. Artus schickt ihnen Putter
zur Verfolgung nach. Im Angesicht der Verfolger macht Herburt die
Jungfrau zu seinem Weibe. Die Halfte der Verfolger, u.a. einen Putter
Hermann, erschlagt er, die anderen entfliehen. Hilde verbindet die
Wunden des im Kampfe schwer verwundeten Herburt.
Panzer bemerkt zu diesen zwei Fassungen der Herbortfabel: "Hier
ist gewiss das Ursprüngliche auf Seite des Bit., denn Artus von Bertangaland (d.h. der Bretagne) ist eine sekundare Entstellung nach dem
höfischien Epos, wie solche in der Thids. ziemlich haufig sind, und
gerade von dem Namen der Normandie aus lag es für einen Kenner
der Artusepen nicht fern, dafür die episch berühmtere Halbinsel Galliens zu setzen. Zum Überfluss wird die Normandie als Hildeburgs
Heimath durch die Klage (2215 f.) bestatigt. Wir werden dadurch
von vornherein etwas skeptisch gegen den Hermann, der Herburt ver-
folgt, zumal seine Definition unsicher gegeben wird: tha kallar konungr
til sinn riddara Hermann heisst es sehr merkwürdig C. 239, und erst
sparer horen wir beilaufig, dass er frendi Artus konungs gewesen".
Bruinier und Martin nehmen an, dass die Namen der Thidrekssaga an
die Stelle andrer getreten sind, die uns im Biterolf vorliegen. Von
den Namen des Vaters erscheine Ludwig natürlich besser beglaubigt
als der auslandische Artus. Wer ware dann wohl ein Hermann von
Bertangaland'? Panzer verweist auf einen Hermann von Normandie
(Rabenschlacht 481 ff.). 1st ein solcher auf Seiten Ludwigs bezeugt?
1st dieser Ludwig derselbe, den wir im vorigen Kapitel als Ludwig
Ultramarinus identifiziert haben? Ich glaube, das ist wirklich der Fall,
denn in seiner Nahe lassen sich auch Herbort, Herburt und Hugobold
wiederfinden.
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Im vorigen Kapitel haben wir die geschichtlichen Hintergründe erörtert. Dabei steilte sich heraus, dass Ludwig Ultramarinus, als er nicht
von seiner Lothringenpolitik ablassen wollte, die Überlegenheit des
deutschen Königs Otto im eigenen Land zu spiiren bekam. Bedrangt
durch die von den Sachsen unterstützten französischen Grossen, Hugo
von Paris (von Franzien) und Herbert von Vermandois, wandte sich
Ludwig schliesslich selbst an Otto und schloss mit ihm Frieden unter
Verzicht auf Lothringen. Der treue Herzog Hermann Billung war
ein mit Namen genannter Sprecher in dieser verwickelten Angelegenh e i t . Er gab sich grosse Mühe, die Rechte des französischen Ludwig
zu verteidigen. Steenstrup schreibt dazu zusammenfassend: "il forca le
roi de Germanie (Otto) a céder le pas au roi de France (Louis)". Er
wurde anscheinend deshalb auf Seiten Ludwigs gestellt.
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Einerseits hatte Herbert von Vermandois einen bedeutenden und
gefürchteten Feind in Hugo dem Grossen, anderseits war Ludwig
Ultramarinus gegen Hugo den Grossen fast machtlos. Hugo benutzte
seinen Einfluss dazu, seine ausgedehnten Besitzungen zu vergrössern,
und als Ludwig sich nicht von ihm beherrschen lassen wollte und sich
aus seiner Nahe entfernte, kam es zum Kampf. Er nahm König Ludwig
in Rouen gefangen und nötigte ihn zur Herausgabe der letzten königlichen Feste, Laon. Seine skrupellose Politik erbrachte Hugo im Jahre
948 eine kirchliche Exkommunikation. Richer bemerkt ausdrücklich:
Hugo autem dux episcoporum anathema vüipendus?
Schliesslich war
Herbert von Vermandois der Erzfeind Ludwigs. Wiederholt versuchte
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er Ludwig, dessen Vater wahrend seiner Gefangenschaft bei ihm den
Tod fand, zu beseitigen. Dabei verbündete er sich wiederholt mit
den Danen in der Normandie.
Die im Biterolf 6451-6510 erzahlten Taten des Haupthelden Herburt uz Tenelant, der merkwürdigerweise Beziehungen zum Rheinland
hat, möchte ich in Zusammenhang mit den oben erörterten Wirren in
Frankreich zur Zeit von Ludwig Ultramarinus bringen. Die von Otto
gewahrten Hilfeleistungen an Hugo und Herbert sind wohl die rheinischen Hintergründe. In epischer Weise wird der Kampf Herberts
gegen Ludwig mit einer Brautraubgeschichte wiedergegeben. Der machtige Riese Hugobold, an den Ludewic sich nicht wagte, ware dann die
kraftige Herrschergestalt Hugo der Grosse, magnus dux praefotentissimus. Sein uneingeschrankter Herrscherwille, der sich an eine Exkommunikation nicht störte, mag den Dichter zu seinen Worten
angeregt haben: er tete den kristen leide, ez lebt niht sin genöz. Der
historische Machtkampf, der zwischen Hwgo und Herben von Ver
mandois ausgetragen wurde, fande schliesslich auch seinen Niederschlag
in der Tatsache, dass Herbort den Riesen Hugobold in Ludwigs Land
tötete.
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Eine wirkliche Bereicherung unserer Kenntnisse liegt in der Erwahnung des Ritters Hermann in der Thidekssaga, wo er zusammen mit
Ludwig und Hartmut in Erscheinung tritt. Die nordische Saga sachsischer Herkunft hat es nicht unterlassen den Begründer des sachsischen
Herzogshauses, den getreuen Gehilfen Ottos I., zu erwahnen. Er war
der tapfere Kampfer gegen die Bedroher von Ottos Reich: die Danen
und die unbotmassigen Wendenstamme. Daher rühren auch wohl seine
danischen Sprachkenntnisse, wie sie uns in Dudos Normannengeschichte bezeugt werden: Regibus secretius colloquentïbus, coefit affari Dacisca lingua ducem Willelmum Saxonum dux Herimannus?™ Für die
Sachsen waren die Danen bekannte Feinde. Die Ereignisse im entfernten Frankreich dürften für einen Dichter in Deutschland nach
einiger Zeit am Rande seiner Vorstellungswelt gelegen haben. Vielleicht hat das dazu beigetragen, den französischen Herbert, der immerhin mit Danen in Frankreich verbündet gewesen war, zu einem Danen
umzustempeln.
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Wenn dem Herbort im Biterolf ein Kampf mit Goltwart und Sêwart
zugeschrieben wird, so glaubt Panzer hier sogar die Erinnerung an
beide Normannenfürsten Godofridus und Sigifridus (siehe auch zu
Anfang dieses Kapitels) bewahrt. Die Namen haben für ihn eine gewisse Beweiskraft: ".. der Name Sêwart ist doch wohl nicht zufaTlig
mit dem Namen Sivrit (danisch Sivard!), den Herwigs Gegner tragt,
identisch, und wenn sein Gesell Goltwart heisst, so hat der historische
Sigfrid, den wir als Urbild des Mohrenkönigs der Gud. kennen, einen
Bruder mit Namen Gotfrid besessen . . . " Der früheren Forschung
waren diese Namen dunkel geblieben ; die spatere Forschung hat
sich gegenüber Panzers Meinung zurückhaltend gezeigt. Bruinier bemerkt zu den Namen: "die geschichtlichen Seekönige?" R. Much
aussert sich etwas weitlaufiger: "Ich denke, dass die Vorstellung von
diesen als Heiden immer festgehalten war, und dass man daher den
scheinbar christlich benannten Godofrid einerseits ganz fallen liess, anderseits ihn umtaufte". J. Carles' Ansicht liesse sich diesem Gedankengang anschliessen: "Le meurtre de Goltwart et Sêwart est certainement une allusion transparente pour le public de répoque". Die
Feinde Herborts werden in der Normandie getötet, auch Goltwart und
Sêwart: dó héte ich sprach der wigant Goltwart und Sêwart erslagen
(Biterolf 6490-6491). Doch die historischen Godofridus und Sigifridus
haben sich kaum zusammen als Wikinger in Frankreich bewegt. Nach
ihrer Landung im südflamischen Gebiet sind sie über Flandren, wo
sie sich eine Zeitlang aufhielten, nach Norden und Osten gezogen.
Godofridus ist dort geblieben, nur Sigifridus hat spater Frankreich
heimgesucht. Doch ihre Heerzüge mussen in der Normandie bekannt gewesen sein. W i e schon oben erwahnt wurde, wird Sigifrids
Führerrolle bei der Belagerung von Paris dem Begründer der Normandie, Rollo, zuerkannt. Godofrids Heirat mit Gisela wird ebenfalls
auf Rollo übertragen. Anderseits soli derselbe Rollo nach Dudo (Patrologia Latina 141, Sp. 636) in Flandern und Holland gewesen sein
Man sieht wie nach popularer Überlieferung die unterschiedlichen
Ereignisse ineinander greifen. Noch in der ersten Halfte des 14. Jahrhunderts weiss der südniederlandische Chronikschreiber Jan van Boendale (Jan de Klerk) von diesen Wikingern zu berichten, wenn er schildert Hoe die Normanne véle plaghen deden und man fragt sich, ob
nicht im flamisch-französischen Grenzgebiet, das in Wirklichkeit ein
flamisch-normannisches Grenzgebiet w a r ,
die Namen in die Sage
gekommen sind. Jan de Klerk schreibt:
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Nu soe coemt oec ghescaert
Een coninc, ende hiet Godevaert,
Ende een coninc Zeghefrijt,
Die beide ter selver rijt
Over die Normanne here waren,
Ende quamen met onghetelden scaren.
;
Aus der Übereinstimmung der Kudrun und des Biterolf, zumindest
in den Namen Ludwig und Hartmut, erfahren wir genug um einzusehen, dass Vater und Sohn in einer Brautfabel in nahem Verhaltnis
stehen. Auch der Name des Madchens, Hildeburg, ist beiden Sagen
gemeinsam. Ihre Rolle ist ganz anders: Herbort erstreitet sich Hilde­
burg, die Tochter des Königs Ludwig von der Normandie, die Schwester
Hartmuts, und behauptet sie gegen den Vater und den Bruder. "Dieser
Kern ist alter als die Überlieferung der Kudrun, denn es ist natürlicher,
dass Vater und Sohn gemeinschaftlich die entführte Tochter und
Schwester widerzuerlangen suchen, als dass ein junger Held mit seinem
Vater auszieht, um sich eine Braut zu erkampfen", schreibt K. Droege.
Früheren Forschern schienen die Abweichungen zu gross, als dass der
Biterolf für die Kudrun von Bedeutung sein könnte, zumal der Biterolf
zweifellos jünger i s t . Schon Ettmüller hat versucht aus dem Dilemma
herauszukommen. Er meint, Biterolf sei "entweder Anspielung auf eine
verlorene, von der uns bekannten ganz abweichende, sie mit der Dietrichssage verknüpfende Gestaltung der Gudrunsage, oder es ist auf
ein Gedicht hingedeutet, welches mit unserer Gudrun ausser den Na­
men einiger Helden nichts gemein hat". Neuerdings hat sich besonders Norman für die Existenz einer Herbortfabel, die zum Teil in
den Biterolf eingegangen ist, ausgesprochen, wobei zu beachten sei,
dass "der Biterolf, wo diese Namen (Ormanie, Hildeburg, Ludwig und
Hartmut) aus dem Herbortlied erscheinen, nach der Kudrun gedichtet" s e i . Die Kudrun könne also "Namen und Geschichte nicht aus
dem Biterolf erhalten haben". Es sollte jedoch die Möglichkeit vorhanden sein, dass die Namen aus einem Hertbortlied oder einem Herbortepos stammen, nicht aber aus dem Biterolf. Da das Herbortlied
nur in groben Umrissen zu erschliessen ist, kann über den Umfang der
Entlehnungen aus einem solchen Lied nur annahemd etwas gesagt
werden. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass der Name der Gattin Lud­
wigs, Gerlint, nicht im Herbortlied auftaucht. N u n hat man wieder380
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holt die Auffassung vertreten, dass Gerlint einer anderen Überlieferungssphare angehören könne, ja sogar, dass sie ziemlich spat in die
Sage hineingekommen i s t . Aus den Erörterungen im vorigen Kapitel
geht hervor, dass Ludwigs Gemahlin mit Ludwig und Hartmut eigens
in die Kudrun gehort. Ihre Rolle in der Sage ist nicht nur von der
Geschichte her bedingt, sie ist als das böse Weib und Mutter Hart­
muts die angewiesene Person, Gudrun in dienender Stellung die erniedrigenden Arbeiten aufzubürden.
Von Qualereien und Standhaftigkeit im Leiden scheint in einer Herbortfabel nicht die Rede ge­
wesen zu sein. Ein Lied mit weiblichen Hauptpersonen ist es wohl
nicht gewesen.
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Der Inhak der beiden Sagen, Kudrun und Biterolf, zeigt einen
wesentlichen und tiefgehenden Unterschied: Wahrend Ludwig und
Hartmut in der Kudrun die Rauber sind, treten sie im Biterolf als
Vater und Bruder der entführten Hildeburg auf. Der Grund dieser
Verschiedenheit liegt wohl in der Absicht des jeweiligen Dichters. Es
kommt im Biterolf darauf an, die Heldentaten Herborts herauszustreichen; in der Kudrun ist Gudrun die Hauptheldin, deren Leben
und Ehre von Ludwig, Hartmut und Gerlint bedroht werden. In den
beiden Sagengebilden wird jedesmal die Danenfeindlichkeit Ludwigs
in ein grelles Licht gerückt. In beiden Fallen ist er der Verlierer.
Biterolf und Kudrun erzahlen uns von demselben Ludwig und seiner
Familie, doch es werden verschiedene Kampfe gegen seine mannigfaltigen Feinde geschildert. Einmal sind es die Wikinger in der Nor­
mandie und ihre danischen Heifer, denen er die Vorherrschaft in dem
neu eroberten Gebiet abspricht; zum anderen sind es die einheimischen
Grossen, Hertbert von Vermandois und Hugo von Paris, die allein
oder zusammen mit den Danen ihm das Land streitig machen. Was die
Geschichte betrifft, stehen uns genügend aufgezeichnete Tatsachen zur
Verfügung, die es uns ermöglichen sowohl die Vorgange in der Kudrun
wie auch im Biterolf auf Ludwig Ultramarinus zu beziehen.
Die Erörterungen im vorigen Kapitel, wo aus Dudos Normannen­
geschichte der Verlauf der Kudrunhandlung gedeutet wurde, finden
in Hinsicht auf die Namen auch im Biterolf ihre schönste Bestatigung.
Die dort nachgewiesenen Beziehungen, die Übereinstimmungen in den
Namen und den Rollen der Handlungstrager, die sich im Biterolf nicht
alle auffinden lassen, beweisen, dass der Kudrundichter die Norman-
nengeschichte benutzt hat. Die Vërbindung der Namen Ludwig und
Hartmut — dieser Name deutet offenbar auf Ludwigs Sohn Lothar —,
lasst anderseits vermuten, dass ihm eine Herbortfabel bekannt war, die
ihm auch den Namen Hildeburg geliefert haben kann. Es ist kaum
möglich, dass die drei stabreimenden Namen, Hludwig, (Hlothar)
Hartmut, Hildeburg, ohne irgendeine Beziehung in zwei Sagen auftreten, die geographisch auf die Normandie hinweisen und denselben
Ludwig als eine Hauptperson in der Handlung darstellen. In der
Kudrun bekommt Hildeburg, die wiederholt Geraubte (Str. 119, 485,
804) — sie hatte sich in dieser Rolle schon einen Namen g e m a c h t —
eine neue Aufgabe: ihre riihrende Treue steht im schroffen Gegensatz
zu Hergarts
untriuwe.
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Neben den schon behandelten Abweichungen und Übereinstimmungen in Biterolf und Kudrun, muss man sich bei eingehender Betrachtung die Frage stellen, in welchem Verhaltnis Goltwart und Sêwart zu
Herbort stehen und ob sich irgendeine Beziehung zwischen den zwen
kunigen in der Kudrun (Str. 702), die in Herwigs Land einfallen, aufdecken lasst. Wenn wir, wie Panzer, die Geschichtschreiber zu Rate
ziehen, so ist das Auftreten von Goltwart und Sêwart in Biterolf kaum
ohne Zusammenhang mit dem Erscheinen von Godofridus und Sigifridus in der Welt der Westwikinger. Ihr sagenhafter Ruhm war, wie
schon oben gesagt wurde, auch in der Normandie verbreitet. Man
hat aber in der Forschung die ganze Überlieferung unter einem anderen
Gesichtspunkt betrachten wollen, indem man die Herbortsage mit der
Herwigsage identifizieren w o l l t e und sogar die Namen der Helden
Herbort und Herwig zueinandergestellt hat.
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Hat es eine Herwigsage gegeben? Die meisten modernen Forscher
haben ihre Existenz angezweifelt. Man spricht denn auch lieber von
einer Sivritfabel, einer Sivritepisode oder einer Siegfried-HerwigGeschichte. Wie sehr man die Akzente verlegt hat, erhellt aus dem
Vergleich der Worte Symons, und den Ausserungen von Heusler, Kroes
und Jungandreas. Symons urteilt: "Siegfried, Herwigs gegner, muss
aller wahrscheinlichkeit nach, bereits der Herwigsage in ihrer selbstandigen gestalt angehört haben. Auch in ihm mag, wie man vermutet
hat, die sage und dichtung einen vertreter der epoche der Normannenzüge poëtisch festgehalten haben: den Danenkönig gleichen namens,
der in der zweiten Halfte des IX. jhs. gegen die Franken heerte und
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im kampfe gegen die Friesen das leben verlor". Heuslers Worte sind
weit unbestimmter: " . . . in Sifrit von Mórlant (Str. 580 ff.) setzt sich
ein Normannenfiihrer von 882 fort, der schwerlich erst aus einer Chronik geholt wurde". Zu Herwig bemerkt er: " . . . der angeblichen Herwigsage fehlte das Schwergewicht, die überzeugende Rundung, sie
ware nur etwa als Episode in einem Wikinglebenslaufe fassbar; . . . "
Nach Heuslers Ansichten brauchen die Gestalten Sivrits und Herwigs
nicht zusammenzugehören, obwohl sie aus Wikingerzeit stammen kön­
nen. Demgegenüber steht Jungandreas' Aussprache: " . . . die ganze
Sivritepisode (ist) nur ausserlich in die Gudrungeschichte eingeflochten. In den Rahmen dieser Episode gehort aber auch Herwig, . . . "
Zum verheerenden Kriegszug Sivrits in Herwigs Land bemerkt Kroes:
"Ich lege noch einigen Nachdruck darauf, dass Herwig in Zusammen­
hang von Sivrits Einfall in die Kudrunsage hereingekommen ist und
demnach ursprünglich wohl zur Sivritfabel gehort".
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An dieser Stelle muss man sich nochmals vergegenwartigen, wie die
Sivrit-Herwig-Geschichte in das Ganze der Kudrunsage hineinpasst,
damit wir Herwigs und Sivrits Rolle verstehen können. Nachdem es
Hartmut und Sivrit nicht gelungen ist, Gudrun in der Burg Mateldne
in Hegelingenland zu freien, verlobt sie sich einem dritten, Herwig
mit Namen. Er war verheerend in Hetels Land eingebrochen. Die Verlobung wird gefeiert; aber die Jungfrau soli noch ein Jahr zu Hause
bleiben. Sivrit von Mórlant fallt in Herwigs Land ein. Herwig lasst
es Kudrun melden, die ihren Vater veranlasst, ihm zu Hilfe zu eilen.
Mit Hetels Unterstützung werden die Mohren in eine Feste an einem
grossen Fluss gedrangt, wo sie von ihren Gegnern belagert werden.
Hartmuts Spaher berichten, dass Hetel und Herwig durch Krieg fern
gehalten seien. Ludwig und Hartmut rusten ein machtiges Heer und
fahren nach Hegelingen. Hartmut lasst durch Boten nochmals Gudrun
seine Minne antragen; willige sie nicht ein, so werde er Gewalt anwenden. Die Boten finden in Mateldne, der Burg Hetels, freundliche
Aufnahme. Gudrun erklart aber, sie sei Herwig versprochen und müsse
Hartmut daher abweisen. Darauf greifen Ludwig und Hartmut die
Burg an, die nach tapferer Gegenwehr der Belagerten erobert und
zerstört wird. Die Feinde führen Gudrun und 62 Madchen ihres
Gefolges als Gefangene mit sich. Hilde schaut den Abziehenden
nach.
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Man ist versucht den Raubzug der "Normannen" Ludwig und Hartmut auf ein konkretes geschichtlicb.es Ereignis zurückzuführen, wie das
auch für Sivrits Kriegszug geschehen ist. Dabei dürften die Namen
des Verlobten Herwig (hs. Herwick, Herwigk, Herwig) und der Burg
Mateldne (hs. Motelane, Matdlane, Macelane, Matelanes) von Bedeutung sein. Die Namen der Eltern der Geraubten sind augenscheinlich
aus der Hildesage übernommen worden. Im Mittelpunkt der Sage steht
natiirlich eine Frauenraubsage. Diese kann sich, wie Jiriczek formuliert, "bei einem seeanwohnenden Germanenstamme jederzeit nach
typischen Lebensvorgangen bilden, sobald ein fester Anhaltspunkt in
der Geschichte, dem Leben, oder in poëtischer Schöpfung einer Idealfigur gegeben war". Wenn wir den Raub einer Jungfrau und ihrer
Gefahrtinnen geschichtlichen Personen zuschreiben wollen, so tun wir
gut die wikingischen Grundlagen der Kudrun, das heisst die geschichtlichen Grundlagen, naher zu prüfen. Es können Bilder der Wikingerzeit, veilleicht "Particular-Ereignisse" der Kern eines spatwikingischen
Liedes vom Typ der Brautraubfabeln gewesen sein.
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Aus der Übersicht der Inhalte des Biterolf und der Kudrun ersieht
man, wie Herbort und Herwig als Feinde Ludwigs und Hartmuts, wie
auch Sivrits (und Gotfrieds) genannt werden. Folgt daraus, dass "Herbort mit Herwig gleichgesetzt werden darf", oder dass der Dichter
eine "absichtliche Differenzierung" eingeführt hat, da er "Ludwig
einem Herbort gegenüber nicht ganz die gleiche Rolle spielen lassen"
wollte, "wie gegenüber einem Herwig, dessen Identitat mit Herbort
doch schon vergessen w a r " ?
Die tiefgehenden Abweichungen in dem Verlauf der Erzahlungen,
die unterschiedlichen geographischen Hintergründe, die Normandie
und Hegelingenland, die schliesslich auf verschiedenen historischen Ereignissen beruhen, lassen mich an der Identitat, auch der urspriinglichen, Herhorts und Herwigs zweifeln. Auch an das Auftreten der
Gerlint in der Kudrun, die in der Herbortfabel fehlt, muss gedacht
werden.
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Mit Wilmanns u.a. möchte ich annehmen, dass die alte Sage sich
unter Herwig einen Wikingerhauptmann vorstellt und dass er zu irgendeiner Zeit ein künic von Sêwen, von Seeland, gewesen ist. Seeland ist ungeachtet der Vielheit der Deutungen m.E., das niederlandische Seeland. Doch wer ware dann der Herwig, der als Wikinger
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an den niederlandischen Kusten auftrat? Ein Wikinger mit einem solchen Namen begegnet uns nicht in den Annalen der niederlandischen
Wikingerzeit. Die Personennamen auf -wig, -vicus, -vecus, -veus gehen
auf frankische Namen zurück. So kommt in den Annalen der frankischen Wikingergeschichte mehrere Male der Name Heriveus, der Her­
wig entspricht, vor (W. Vogel, Die Normannen und das frankische
Reich, S. 428). Es scheint mir wahrscheinlich, dass in der Kudrun ein
danisch anklingender Name dem frankischen Namen Herwig angeglichen worden ist. Danische Namensformen werfen namlich ein bezeichnendes Licht auf das Problem. Ein bekannter Wikinger Rorik,
Rorich, Reric, der jahrelang um die Mitte des 9. Jahrhunderts Landesteile an den niederlandischen Flussmiindungen innehatte, ist in der
danischen Geschichtsschreibung als Horic, Horich, Orich, Orwic, Orwich, Orwig bekannt. Zu diesem Namensformen darf man die handschriftlich belegten Namen Herwigs stellen: Herwick, Herwigk, Her­
wig, Herwich, Herewich. Solche Namenvarianten begegnen auch anderwarts in der Sagenforschung (Herding, Harding, Hartnit, Hardnid,
Hernid, Ortnid, Ortnidh), besonders auch im niederlandischen Namenmaterial. Unfestes H- ist in den siidlichen Niederlanden gang und
gabe. F. Norman weist in der Herausgabe des Dukus Horant (S. 107)
auf diese Gegenden hin, um die Wechselformen Etene/Heten, Ortlant/Hortlant zu erklaren. Weiter waren in diesem Zusammenhang zu
erwahnen Ormandine/Hormandine und Irolt/Heriold/Harald (s.u.).
Die Namenelemente Har, Hor, Or, Her wechseln, das gilt auch von
-wie, -wik, -wick, -wyck, -wich, -ic, -ick, -wijc, -wijc.
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4W
Kaiser Lothar sah sich im Jahre 850 genötigt, Rorich mit den von
ihm besetzten Gebieten zu belehnen. Rorich musste sich verpflichten,
das Land gegen die Verheerungen der Wikinger zu schiitzen. Die
Belehnung hat auch tatsachlich eine Weile den Erfolg gehabt, dass die
danischen Wikinger Lothars Landern fernblieben. Mit Zustimmung
Lothars fuhr Rorich 857 mit seiner Flotte nach Danemark, um sich
dort des Thrones zu bemachtigen, ohne jedoch sein Lehen aufzugeben.
Die Abfahrt Rorichs veranlasste alsbald eine danische Piratenflotte,
über die schutzlosen Gebiete herzufallen. Sie scheint durch den Lek
gekommen zu sein, sie hauste schrecklich westlich von Utrecht zwi­
schen der Zuidersee und der Nordsee. "Viele Ortschaften gingen zugrunde, unter anderen das noch aus römischer Zeit stammende Kastel
Voorburg beim Haag und die St.-Adalbertskirche zu Egmond im
Kennemerland; in Noordwijk-Binnen erschlugen die Plunderer den
Priester Jeroe, der spater zum Heiligen erhoben wurde. Das Aufgebot
der Landsassen ward besiegt, die Grafen Thietbold und Gerolf fielen,
und viele Weiber und Kinder gerieten in Gefangenschaft." — Man
vergleiche dazu die Kudrun: Wahrend Herwig, dessen Name und
Rolle dem Namen und den Taten Rorichs, Orwigs, in derselben
Gegend und in derselben Zeit (worüber noch spater) wohl nicht fremd
sind, zum Kampf abgefahren ist, fallen die "Normannen" ein. Sie erschlagen die Manner und entführen die Frauen. Das alles geschieht
in einer Gegend, wo wie in der wirklichen Geschichte Rorich einst als
Wikinger eingefallen war.
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Die Burg der Belagerten, Mateldne, wird erstürmt. Der Name der
Festung, Matelane — einmal wird die Burg überraschend als Campatïlle angedeutet (Str. 235) —, ist ein zweiter wichtiger Name in der
Sivrit-Herwig-Geschichte. Mit Grimm, Schnetz und Stolte bin ich der
Ansicht, dass das Matilone der Peutingerschen Tafel gemeint ist. Derselbe Ort wird beim Geographen von Ravenna als Matellionem überliefert. Es ist die Benennung einer alten Römerstation zwischen Alphen
aan den Rijn und Leiden, gerade wo die Fossa Corbulonis in den Rhein
kam, ungefahr sechseinhalb km. von Praetorium Agrippinae (Valkenburg) entfernt. Jetzt heisst das ursprüngliche Matilone Roomburg,
das aus Rodenburg hergeleitet werden muss. Gelehrtenetymologie hat
bei der Deutung der assimilierten Namensform Roomburg an die Überbleibsel des römischen Baus angeknüpft, die noch in spateren Jahrhunderten als Verteidigungswerke oder Stützpunkte verwendet worden
sind.
J. de Vries und M. Schönfeld weisen auf eine Reihe von
Burgnamen hin, die ihre Namen Befestungen gegen die Normannen
zu verdanken haben: Voorburg, Roomburg, Valkenburg,
Rijnsburg.
Archeologische Ausgrabungen haben beim Castellum Roomburg, Funde
aus römischer wie auch aus Karolinger Zeit, zutage gefördert. Das
kann kein Zufall sein, zumal wir aus der Geschichte wissen, dass Karl
der Grosse, der sich besonders auf die Landmacht stützen musste,
Befestigungen gegen die Danen in Küstennahe errichten liess. Der
Bodenbeschaffenheit wegen konnten diese Festungen nicht am Meeresufer gebaut werden. Die Lage von Mateldne, Matilone, ist landeinwarts, doch unweit des Meeres (Str. 750):
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Wol inner zwelf milen
da kom Hartmuotes her
in den selben wilen
ab dem tiefen mer
ze Hegelinge lande
die maze wol só nahen.
daz si palas unde türne in der schoenen Hilden bürge sahen.
Diese Bauweise aus der Wikingerzeit entspricht auch den Vorstellungen
von Hetels Burg. Ein Bliek auf die Karte genügt, um zu zeigen, dass
Mateldne, Matilone sich gerade in demselben Gebiet befindet, wo die
Danen zu Rorichs Zeiten ihr Wesen getrieben haben. Die in den Quellen enthaltenen Namen lassen keinen Zweifel aufkommen. Sowohl die
sprachliche Seite der Namendeutungen, wie auch der parallele Verlauf
der Ereignisse einschliesslich des Frauenraubs in Sage und Geschichte
und die geographische Lage lassen mir die obigen Gleichsetzungen als
die ungezwungenste und beste Erklarung der historischen Hintergründe dieser Partie der Kudrunhandlung erscheinen.
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Besonders bedeutungsvoll scheint mir die Tatsache zu sein, dass von
Wikingern aus dem Gebiet, das Herwig, Orwig, Rorich untergeben
war, ein grosser Frauenraub bezeugt ist. Ein solcher Raub kann dem
Kudrundichter vor Augen geschwebt haben. Gudrun und ihre 62 Jungfrauen hatten dann traurige Vorbilder aus der wirklichen Geschichte
gehabt. Mit G. L. Klee darf man annehmen, dass die Gestalt der
Gudrun keine "freie schöpfung" des Geistes des Dichters i s t . Woher
kam aber nun der Name Gudrun"? Könnte nicht die Frau Siegfrieds
in der Nïhelunge Not, oder gar Gudrun in den Eddaliedern, die Namengeberin gewesen sein? Es ist den Nibelungenkundigen bekannt, dass
der Name Gudrun im Nibelungenlied durch Kriemhild, den Namen
ihrer Mutter, ersetzt worden ist, die ihrerseits einen besseren Anklang
an Hïldiko, Etzels germanische Frau, bot. Wenn diese Vermutung das
Richtige trifft, so ware die Gudrun des Kudrunliedes auf früher Stufe
zum Gegenbild der nibelungischen Gudrun umgebildet worden. W o
hatte dann diese eingreifende Umanderung stattgefunden? Wenn man
von einem alten niederfrankischen Gudrunlied ausgehen darf, wird
man "den Namen mit den übrigen Spuren einer niederlandisch-flamischen Vorstufe" zusprechen. Die Lautgestalt des Namens Küdrün
— mit Nasalschwund und Ersatzdehnung, der nordische Name Gudrun
hat Kürze des erstens Vokals — geht am wahrscheinlichsten auf eine
Form Güdrün "aus einer küstennahen Mundart des heutigen Belgien
oder der heutigen Niederlande" zurück.
W e n n die nibelungische
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These auf niederlandischem Boden nicht zu den Unmöglichkeiten ge­
hort, so ist es anderseits nicht ausgeschlossen, dass der Name Gudrun
direkt mit dem Bericht über den Sieg der Wikinger über die hollandischen Herrscher Thietbold und Gerolf in Verbindung gebracht werden
kann. Nach hollandischer sagenhafter Geschichtsschreibung war Thietbolds Vater der berühmte Gondébaldus, rex Frisiae. Sein Geschlecht
war das der Leidener Burggrafen. Das bringt uns wieder auf dieselbe
Gegend, wo die Normannen in Herwigs Land raubten und mordeten.
In unmittelbarer Nahe (in 2 km. Entfernung) liegt Matilone, das ich
mit anderen Forschern mit Gudruns Burg Matelane identifiziere. Der
Name der Jungfrau passt vorzüglich zu Gondobaldus oder Gundobaldus. Sein Name taucht in den Niederlanden erst im 13. Jahrhundert
auf. Er ist nicht einheimisch, vielmehr gehort er dem burgundischen
Geschlecht an, das sich nach der Völkerwanderung in Frankreich und
weit über seine Grenzen einen grossen Namen gemacht hatte. Das
führt uns auf dasselbe Geschlecht zurück, das der Nibelungensage die
Namen Gunther, Giselher, Gemot und Gudrun geliefert h a t .
Die
engeren Zusammenhange bleiben vorlaufig unaufgeklart. Das Vorkommen des Namens Gundobald und seine mogliche Beziehung zu unserer
Hauptheldin Gudrun lasst den spaten Jahreszahlen zufolge auch nur
ein spates Gudrungedicht ansetzen.
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In der problemreichen Kudrunforschung stosst man immer wieder
auf die Frage, ob es einen selbstandigen Gudrunstoff gegeben h a t .
Dabei spielt das Alexanderlied Lambrechts eine grosse Rolle. Es ware
doch höchst auffallig, wenn in diesem Werk unmittelbar nach Hagen
— Hilten vater wird er genannt —, Hilde und Wate ein Herewich auftrate, der mit dem Herwig der Kudrunsage nichts zu tun hatte, zumal
auch im Epos die Hildefabel der Fabel der Gudrun, deren Brautigam
Herwig immerhin ist, vorangeschickt worden ist. Es fragt sich, ob
der ratselhafte Held Wolfwin, den Lambrecht in einem Atemzug mit
Herewich nennt, nicht in ein Wikingertreffen in den Niederlanden
gehort. Wir wissen von mehreren Kampfen an der Kuste, die der
Zufall uns nur dunkel überliefert h a t . Betrachten wir jedoch zuerst
die zwei überlieferten Texte des Alexanderliedes, denn die Probleme
die sich an diese Zeilen knüpfen sind mannigfach. Der Vorauer Text
(1321-1338) lautet:
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Man saget von dem sturm der üf Wolfenwerde gescach,
da Hilten vater tót gelach,
zewisken Hagenen unde Waten:
so ne mohter herzö nieth katen.
iedoch ne mohte nechain sin,
noch Herewich noch Wolfwin,
der der ie gevaht volcwich
dem chunige Alexander gelich.
man list von güten chnechten,
die wol getorsten vehten,
in Troiare liede,
ê sich der sturm geschiede,
Achilles unde Hector,
Paris unde Nestor,
die manich tüsint erslügen
und die ouch scarfe gêre trügen:
só moht under in allen
zü Alexander niuht gevallen.
In der jüngeren Strassburger Handschrift lautet die Stelle (1830-1848):
Von einem volcwige hóre wir sagen,
der üf Wulpinwerde gescach,
dar Hilden vater tót lach,
inzwischen Hagenen unde Waten:
der ne mohte sih hi zó niht gegaten.
Herwich unde Wolfwin (hs. Wolfram)
ne mohten ime niwit gelich sin,
noh nehein man ander;
also freislich was Alexander.
man sagit von güten knehten,
die wol getorsten vehten,
in der Troiêre liede,
ê der sturm geschiede,
Achilles unde Hector,
Aiax unde Nestor,
di manie tüsint erslügen
unde ouh scarfe gêre trügen:
iz ne mohte undir in allen
ze Alexandro niht gevallen.
Aus der Anordnung geht nach Wilmanns, Panzer und Symons hervor,
dass Lambrecht drei Gruppen unterscheiden wollte: 1321-1324, 1325-
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1328, 1329-1338, die jede für sich ein Bild darstellen. Demgegenüber hat Boer behauptet, dass der Parallelismus in der Alexanderstelle
eher darfür spricht, zwei Vergleiche anzunehmen. Zuerst sei die Verteilung der Versengruppen besser: Acht Zeilen handeln von dem
Kampfe auf dem Wülpenwert, zehn von den Kampfen vor Troja. Ferner wird beide Male am Schluss Alexander genannt (1328 und 1338).
"Drittens: an beiden stellen wird zuerst von dem kampfe, der mit Alex­
anders kampfen verglichen werden soil, im allgemeinen gehandelt
(1321 fgg.: kampf auf dem Wülpenwerde, wo Hildes vater umkam,
zwischen Hagen und Wate; 1329 fgg.: kampf zwischen tapferen hel­
den in den liedern von den Trojanern); darauf werden einzelne helden
genannt (1325 fgg. Herewich, Wolfwin; 1333 fgg. Achilles, Hector,
Paris, Nestor)."
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Die erste Gruppe der Forscher nimmt an, dass 1321-1324 und 13251328 nicht eng zusammen gehören, und Herewich und Wolfwin auf
dem Wülpenwert nichts zu tun haben. Sie kommen zu der Schlussfolgerung, dass Wülpenwert in dem Gudrunteil der Kudrunsage aus
dem Hildeteil übernommen ist, wohin er nach dem Wortlaut des
Alexanderliedes (1321) gehort. Dem kann man wieder entgegenhalten,
dass Lambrecht als Quelle für den ersten Vergleich die Dichtung vom
Kampf auf dem Wolfenwert (Wülpenwert) angibt, als Quelle für den
zweiten Vergleich das Troidre liet. Man kann tatsachlich mit I. Schröbler fragen: "Wenn er sich nun bei der zwischenstehenden Angabe
(1325-1328) auf eine andere Quelle bezöge, würde er sie nicht eben­
falls angeben?" Obwohl dies natürlich nicht notwendig ware, lasst
die Erwahnung von Herewich und Wolfwin sich auf eine selbstandige
Dichtung beziehen. Lambrechts Alexanderlied 1321-1328 nötigt nicht
zur Annahme, dass Lambrechts Hilde- und Gudrunsage miteinander in
Verbindung kannte, denen die Ordnung der Namen, die deutlich zwei
Gruppen aufweist — hie Hilten vater und Wate, da Herewich und
Wolfwin — und der deutliche Einschnitt nach 1324: so ne mochter
herzó nieth katen** , lassen zwei Vergleiche erkennen. Auch andere
Bemerkungen können diese Feststellungen nicht entkraften. So hat
man z.B. auf zwei Weisen die Rolle Wates ins Feld geführt. Einmal
heisst es, es sei davon auszugehen, dass Wate Hagen tötet, um sich
an ihm für Hetels Tod zu rachen und Herewich habe sicherlich in die
Hildehandlung gehort. Zum anderen herrscht die Meinung, Hagen
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falie von Wates Hand, und nicht durch Hetel. Diese Anderung sei
bedingt durch jene Form der Dichtung, die eine Fortsetzung angefügt
hat. Das war eben eine Gudrungeschichte, worin Herewich eine Rolle
spielte. Welche Helferrolle Wate auch innegehabt haben mag, sein
Auftreten muss ja nicht durchaus mit Rücksicht auf einen schon damals
als Fortsetzung anzuschliesenden Teil eingefügt worden s e i n . Dafür sprechen Herewich und Wolfwin als Gruppe, die kaum "die Neben­
figuren" gewesen sind, wofür Schneider sie halt; nein, Herewich
muss von Hause ein Rolle gehabt haben, die ihn mit Wolfwin zusammenführte. Die Parallele mit dem vorhergehenden Namenpaar
(Hilten vater und Wate) und den folgenden Namen aus der Trojanersage (Achilles unde Hector, Paris unde Nestor) legt es nahe, dass
Wolfwin als Herewichs Gegner gedacht i s t .
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Bei der Kürze seiner Andeutung hat Lambrechts Zeugnis viele
Probleme aufgeworfen. Die Verschiedenheit der Lösungen und die
betonte Ratselhaftigkeit, die dem Gegnerpaar Herewich-Wolfwin
anhaftet, zeigt zur Genüge die weitgehende Unsicherheit bei der Beurteilung der Stelle. Ich glaube aus den formalen Argumenten und dem
Inhalt der Verse entnehmen zu dürfen, dass die Wahrscheinlichkeit
erwogen werden sollte, ob der Kampf zwischen Herewich und Wolf­
win irgendwie mit Wülpenwert in Zusammenhang gebracht werden
kann. Beide Kampferpaare (Hagen und Wate, Herewich und Wolf­
win) scheinen mir zwei verschiedene Kampfe ausgetragen zu haben.
Es ware also die Möglichkeit vorhanden, dass Lambrechts Quelle zwei
Kriegshandlungen zueinander gestellt hat, die anfangs nur geographisch
zueinander passten. Aus historischer und geographischer Sicht ist
Wülpenwert in hervorragender Weise dazu geeignet, der Schauplatz
wiederholter Wikingereinfalle zu sein. Die Scheldemündung "war eine
von den Wikingern immer wieder heimgesuchte Gegend". U n d es
war gerade Rorich, den ich, wie aus den vorigen Zeilen hervorgeht,
als Herwig, Herewich gedeutet habe, der "mehrfach vertrieben" wurde,
doch sich immer wieder "in seinem 'reich' zu behaupten" wusste. Es
hat allen Anschein, dass Wolfwin im Alexanderlied, der Gegner Here­
wichs, "ein Vertreter der rauberischen Normannen war". Fr. Neu­
mann mag recht haben, wenn er behauptet, dass "die Annahme nicht
weit ab(liegt), dass mit Wolfwin der Gegner Herwigs, also der Brautrauber, gemeint sei". Der Kudrundichter hat "die Gestalt Wolfwins
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fallen lassen". Der Grund dürfte einfach sein: "Ludwig und Hartmut
traten ein für Lamprechts Wolfwin, den ursprünglichen Entführer".
Der Einfluss der Hertbortfabel und der Normannengeschichte Dudos
auf die Ausgestaltung einer schon vorhandenen Geschichte Herwigs
wird in dieser Weise handgreiflich. Auf einmal wird deutlich, wie
Könige der französischen Normandie, sogenannte "Normannen", in
einen Raubzug geraten, der sie nach den Niederlanden führt. Da war
namlich Herwigs, Herewichs, d.h. Rorichs Reich, wo Wolfwin mit
ihm gekampft haben mag. Diese Ansicht lost das Ratsel, wie Ludwig
und Hartmut, "die gerade in jener Stelle Lamprechts nicht erscheinen"
— sie sind Lambrecht in diesem Zusammenhang auch wohl
nicht bekannt g e w e s e n — in die Sage oder in die Dichtung gekommen sind. Diese Umschichtung und Abanderung hat Ludwig und
Hartmut aus der Normandie, die aus einer Herbortsage stammen, ihre
Rauberrollen besorgt. Das bedeutet jedoch auch, dass in diesem Augenblick die Rolle der Geraubten in der Normandie, nl. Gudrun, geschaffen worden ist. Über die vermutliche Zeit, da dies geschehen ist, wird
noch zu sprechen sein.
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Wülpensand (die ehemalige Insel Wulpen an der Scheldemündung)
lag auf dem Wege von Mateldne nach der Normandie, doch die
Lokalisierung des Kampfes auf dieser Insel (Str. 847-818) braucht nicht
jüngerer Herkunft zu sein, und sicher nicht "mit der übersiedlung
des entführers nach der Normandie" zusammenhangen. Zuvor hat
es eine Herewich-Wolfwin-Geschichte
gegeben, die zumindest indirekt
eine Vorstufe zu unserem Epos war. Ob es eine Gudrungeschichte
gewesen ist, bleibt ungewiss. Doch eine solche Vorstufe kann die Lage
einer Frau oder mehrerer Frauen geschildert haben, in die "Frauen
besonders zur Zeit der Normannenzüge nicht selten gekommen" s i n d .
Ahnliche geschichtliche Raubzüge habe ich, sowohl für die Gegend
um Wülpenwert als auch in der Nahe von Mateldne nachgewiesen.
Es ist anzunehmen, dass solche Ereignisse aus dem Leben der Wikingerzeit, dem Kudrundichter schon überliefert, nicht von ihm geschaffen
worden s i n d . Er hat diese in die Sage verarbeitet. Mit den Ereignissen kann auch der Ortsname Wülpenwert, Wulpensant ihm bekannt
gewesen sein, wie ich schon oben vermutet habe, obwohl die Möglichkeit offen bleibt, dass er unter Einfluss der Hildedichtung bis zur
letzten Stufe, eben der uns überlieferten Kudrun, festgehalten worden
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ist. Wdleis (Str. 465) ist in dem Hildeteil eine Neuerung für Wülpen­
wert,
und wie ich oben dargelegt habe, hat der Kudrundichter die
Anderung mit Absicht vorgenommen, da er in der genealogischen
Verknüpfung von Hilde- und Gudrunteil Ludwig als Lehensmann
Hagens in die Erzahlung einbezog und somit auf Verhaltnisse in Eng­
land und Irland zu sprechen k a m .
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Schliesslich ist noch die Hildefabel da, wie sie uns im Alexanderlied
vorliegt. Hier kann man nicht leugnen, dass Wülpenwert mit dazu
gehort. Die Verlegung der alten Hedeningenschlacht an die Scheldemündung — man verweist dabei mit Recht auf den Ortsnamen Hedensee, Hedenese, Heidensee in unmittelbarer Nahe von W u l p e n
— ist
wohl im 9. Jahrhundert, das heisst, zur Zeit der Normannenherrschaft
in dieser Gegend, anzusetzen. Das bedeutet, dass Wülpenwert "in
einer unmittelbaren Nachstufe des danischen Hildeliedes und auf
grund lebendiger verhaltnisse der wikingerzeit"
in einer niederfrankichen Stufe vorhanden gedacht werden muss.
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Wülpenwert
als altberühmter Ort eines Kampfes oder mehrerer
mörderischer Kampfe muss dem Dichter aus der Überlieferung bekannt
gewesen sein. Die Genauigkeit der geographischen und historischen
Angaben kann das nur bestatigen. So scheint die Klostergründung auf
dem Wülpenwert, "mit aller rechtlich-realen Anschaulichkeit breit dargestellt" (Str. 909-917), eine Erinnerung zu enthalten, "die auf eine
genaue kenntnis der Swinmündung hindeutet". N u n war schon im
Jahre 1096 auf Wulpen eine Kapelle, doch der Name der Bewohner
des Klosters in der Kudrun: spitdlaere (Str. 916,3) verrat die Existenz
eines Spitals, das merkwürdigerweise auch Kloster genannt wird (Str.
909, 950, 1120). Das Wort spitdl darf man "übrigens . . . durchaus nicht
im modernen Sinne . . . nehmen, es bedeutet eine Pilgerherberge (Xenodochium) in welchem sich allerdings immer eine Abteilung für Kranke
befindet (Infirmarium)". Das Wordt klóster wird niemals von einer
Niederlassung von Johannitern oder eines anderen geistlichen Ritterordens gesagt, es ist hier an eine geistliche Stiftung mit Herberge und
Krankenhaus, eine Klostergemeinschaft, die ein spitdl betreute, zu
denken.
Müllenhoff schreibt einem Überarbeiter das Kloster auf dem Wül­
penwert und auch jene Pilger zu, denen Wate die Schiffe nimmt, damit
er den Raubern Ludwig und Hartmut die geraubte Gudrun abjagen
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kann (Str. 838-844). Das war Unrecht und die böse Tat wird den
Hegelingen zum Verhangnis: ich waene got von himele raeche da
selbe sinen anden (Str. 845,4). Hetel verliert das Leben auf Wülpen­
wert und das Hegelingenheer wird geschlagen. U m das Unrecht wieder
gutzumachen, stiften sie auf der Kampfstatte das Kloster, das sie reich
ausstatten. Es ist ein Suhnekloster. Die Beziehung zu den Kreuzziigen tritt deutlich zu Tage: Pilgerschiffe halten sich in der Nahe auf.
Als diese Schiffe Wülpenwert anlaufen, beunruhigt das die Rauber
der Gudrun, die dort abgestiegen sind, nicht sichtbar. Anscheinend
waren Pilgerschiffe in der Nahe von Wulpensant nichts Besonderes
(Str. 853). Der Dichter hat vielleicht wirklich die Klosterstiftung auf
Wulpen gekannt. Es war das Spital Sancte Marie in Wlpis. das, wie
M. K. E. Gottschalk versichert, "im Gegensatz zu anderen kein Johanniterhaus war". Es ist ziemlich spat bezeugt: im Jahre 1292. Man
fragt sich, ob im Laufe des 12. oder 13. Jahrhunderts ein geistliches
Stift auf der Insel errichtet wurde, das als Spital verwendet wurde.
Ganz im Geiste des 13. Jahrhunderts, vielleicht nach dem Vorbild der
französischen Dichtung der letzten Halfte des 12. und des 13. Jahr­
hunderts, verbindet der Kudrundichter eine alte Kampfstatte, wie
Wülpenwert es wirklich war, mit einer stark hervorgehobenen Kloster­
stiftung: "Für das Seelenheil der im Kampfe gefallenen Krieger wurden
vielfach Kirchen und Klöster, gewöhnlich auf der Begrabnisstatte, gegründet." W i e in der Kudrun (Str. 915), hatten die Insassen der
Klöster, die zum Heil der Verstorbenen gegründet waren, die Pflicht
für diese zu beten.
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In der Episode der Klosterstiftung treten besonders zwei Neben­
gestalten der Sage in den Vordergrund. Es sind Ortwin und holt.
Ortwin, der Bruder Gudruns, ist der König von Ortlant. Er wird sparer
der Gemahl Ortrüns, der Schwester Hartmuts. Der erste Teil der
Namen (Ort-) ist schwerlich zufallig derselbe. Mit Recht hat man darin
jüngere Zutat gesehen, für das Alter der Namen in der Sage beweist
dieser Umstand nichts. Mit dem Auftreten Ortwins "scheint eine veranderung in den verhaltnissen Irolts verbunden zu sein. Als Irolts land
wurde nur an der ersten stelle, wo es vorkam (231), Friesen bezeichnet,
nachher ist es Ortland (481.520.634). hier, wo Ortwin, der herr von
Ortland, als selbstandige person in die dichtung tritt, erscheint Irolt
als landerlos". holt ist also bis zu der Zeit, als Ortwin erwachsen
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ist, mit Ortlant (hs. auch Nortlant, Hortlant) belehnt. holt vertritt
die altere Generation, Ortwin die jüngere.
Einer der vielen Widersprüche in der Kudrun ist das Alter Ortwins.
Es soil wie Str. 909 ausdruckt, Ortwin an den Kampf auf Wülpenwert
teilgenommen haben:
Dó riet der degen Ortwin: "dè sul wir si begraben.
daz sul wir ahten danne,
daz si urkunde haben
mit einem richen kloster
immer nach ir ende
und daz ein teil guotes iegelichez kunne dar zuo sende".
Dass zwischen diesem Kampf und der Rachefahrt nach Ormanie eine
Zeit von 13 oder 14 Jahren vergeht, scheint der Dichter übersehen
zu haben. In Str. 1113 ist Ortwin noch ein zwanzigjahriger Jüngling,
der des Schutzes bedarf:
Ir suit ouch niht vergezzen
des lieben sunes min,
der helt (ist) vil vermezzen; er ist der tage sin
küme in zweinzic j&ren gewahsen ze einem manne.
beginnet sin iemen varen,
só helfet ir im, guote recken, dannen".
Ortwin freut sich sehr, dass er mitfahren darf. Das macht die Annahme
unabweislich, dass die Heerfahrt hier als seine erste Heerfahrt aufgefasst wird: dó was der helt Ortwin in sinen jungen siten unerbolgen
(Str. 1114,4).
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holt zeigt sich für einen Kampfer aus der Wikingerzeit fast weichherzig und man hat ihn "verkünder christlich-ritterlicher Gesinnung"
genannt
Er rat den Hegelingen nach der Schlacht auf Wülpenwert auch die gefallenen Feinde durch ein würdiges Begrabnis zu
ehren (Str. 911). Er ist der einzige Held Hildes, der in der eroberten
Burg Hartmuts inmitten des Rachetaumels Wate und seinen Mannen zuruft, sie sollten die unschuldigen Kinder verschonen (Str. 1502).
Er wird auch hólt der junge genannt (Str. 1416, vgl. Str. 310,1). Dieser Name hat Jungandreas auf den Namen des Danen Herióld mit dem
Beinamen der Jüngere geführt, der im Jahre 826 vor dem Zorn des
danischen Herrschers ins Frankenreich floh.
Er wurde bei König
Ludwig gütig aufgenommen, der ihn ausgedehnte friesische Gebiete,
den wichtigen Handelsplatz Dorestat und Gualacras, das ist Walcheren,
zum Lehen g a b . Auch in der Kudrun ist hólt, der Herr von Ortlant,
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der Gebieter der Friesen (Str. 231, 271) und er stammt üz Tenelande
(Str. 1668). Er musste mit anderen als vertribene liute das Land verlassen, denn ez hdt ein künic riche an uns gerochen sinen grözen
anden (Str. 310-311). Zwei andere Umstande sind noch von wesentlicher
Bedeutung. Es handelt sich hier um denselben Heriold, Harald, der
zusammen mit Rorik, dem Herwig aus der Kudrun (siehe oben), das
Lehen an der frankischen und friesischen Nordseeküste innehatte.
Der Eindruck, dass historische Ereignisse im Hintergrund der Sage
stehen, verdichtet sich dadurch umsomehr. In den historischen Quellen
wird besonders hervorgehoben, dass dieser Harald das Christentum
angenommen hat, wozu ihn Ludwig schon langst gedrangt hatte.
Kein Wunder, dass der Dichter ihn mit den Lebenden und den Toten
auf dem Schlachtfeld so milde verfahren lasst.
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Neben den schon erörterten Namen, bedarf auch die Gruppe Ortlant, Ortwin und Ortrun eigens naherer Behandlung. Der Ortsname
Ortlant hat bei dem Dichter eine gewisse Anschaulichkeit hervorgerufen. Er macht über das Land einige genaue Angaben: Hetel hat
seinen Sitz bei Ortlant (Str. 207,1-2):
Hetele der riche zu Hegelingen saz
nahen bi Ortlande,
Ortlant war ihm botmassig (Str. 204,4):
im diente ouch Ortlant;
jd was er vil gewaltig unde hêre.
Auf ihrer Fahrt von Ormanie nach Mateldne, der Hauptstadt des
Hegelingenreiches, fahren die Normannen an Ortlant vorüber (Str.
749):
Si muosten, swie si mohten,
dar bekomen sint.
des kom in arbeite maniger muoter kint.
]êt truogen si die ünde
neben Ortlande,
ê Hetele (ez) erfünde,
dd si die Hilden bürge wol erkanden.
Aus dieser Strophe haben Müllenhoff und von Ploennies geschlossen,
dass Ortlant südlich oder westlich von Hegelingenlande liegt. Das
Land liegt an einem breiten Fluss (Str. 1096):
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Die boten riten balde gegen Nortlant,
da man üf dem plane den jungen degen vant
bi einem breiten phlüme, der was vogele riche.
mit sinem valkenaere beizte da der künic vil kündicliche.
Von Ploennies bemerkt dazu: "das ganze Land scheint als wasserreiche
Ebne gedacht".
Bei der Einberufung des Heeres führt Ortwin eine betrachtliche
Schar üf des wazzers fluote (Str. 698).
Alle diese Einzelheiten der Schilderung passen ausgezeichnet zu
der Wassergegend, die sich von Holland aus südlich nach Seeland ausbreitet. Ortwin wird als Nachfolger Irolts (Heriolds, Haralds) wohl
sein Reich in demselben Gebiet haben, das Heriold wirklich besessen
hat. Das war wie die Annates Bertiniani verzeichnen Gualacras aliaque
vicina loca. Es wird da noch gesagt, dass Heriold per aliquot annos
Frisiae aliisque christianorum maritimis incommoda . . . invexerat.*
Friesland umfasste nach seinen früheren Umfange ein weit grösseres
Gebiet als heutzutage. So wissen wir von Fresia quae confinis est
Flandriae oder von maritima Fresonum regio als Bezeichnung für die
Insel Schouwen. Bestimmte Teile der ausgedehnten Wasserflachen,
östlich von Sonnemare auf der Insel Schouwen, trugen den Namen
Oertzee, den man mit Ort- zusammenbringt. Gewassernamen sind
in den Niederlanden öfters auch die Namen der naheliegenden Gegend e n . Einer Oertzee, Ortzee kann auch ein Ortlant entsprochen haben;
anderseits hat man an das mittelniederlandische hortlant gedacht, "was
ursprünglich nur Aussendeichsland bedeutet".
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Die Beschreibung von Ortlant in der Kudrun würde der Lage nach
vóllig zu dem in den Quellen belegten Oertzee passen. Eine wasser­
reiche Ebene, ein breiter phlüm, wo man üf des wazzers fluote fahren
kann, sind hier vorhanden. Die Gegend liegt in der Nahe von Hegelingenland, die Normannen mussen an diesem Ortlant vorbeifahren,
wenn sie Hetels Burg Mateldne, die ich mit anderen Forschern und
auf Grund geschichtlicher Vorgange in der Nahe von Leiden mit
Matilone gleichsetze, erreichen wollen. Ausserdem haben diese mari­
tima zu Heriolds (Irolts) Reich gehort, das in der Kudrunsage spater
Gudruns Bruder, Ortwin, zugesprochen wird. Vermutlich sind die Per­
sonennamen Ortwin und Ortrun dem Landernamen nachgebildet, denn
IroZt besass schon vor Ortwin die Gegend Ortlant. Ortrün ist wohl nur
das "geschópf (des Dichters) und nur erfunden, um eine angemessene
frau für Ortwin abzugeben". Ihre Heirat bekraftigt den Friedenswillen der Geschlechter, die sich früher feindselig gegenüherstanden:
Ortwin ist Gudruns Bruder, Ortrün ist Hartmuts Schwester. Die auffallige Parallele verrat die kunstfertige, wenn nicht künstliche, Überlegung des Dichters. Ortwin ist Irolt gewissermassen im Wege, er bekommt als Bruder der heimzuführenden Schwester, die gefangen ge­
halten wird, eine ihm angemessene Rolle, doch er ist nur der Mitbefreier, der sogar bei der persönlichen Begegnung mit der Schwester
im Schatten des Verlobten Herwig steht. Sowohl Ortwin als auch
Ortrün werden mit Recht als "junge Gestaltungen" in der Kudrundichtung betrachtet.
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Versuchen wir auf Grund der erarbeiteten Einzelheiten die Frage zu
beantworten, inwieweit der Dichter historische und geographische Begebenheiren in dem Nordseeraum, besonders in den Niederlanden, bei
seiner Arbeit verwendet hat. Die Grundlagen, welche die Entwicklung
der Sage entscheidend mitbestimmt haben, führen uns zurück in eine
Zeitspanne, die im 9. Jahrhundert ihren Anfang hat und bis in das
12. Jahrhundert hineinreicht. Die Sivrit- und die Herwiggeschichte
liegt in ihren Ursprüngen fest in dem Wikingerleben in den Nieder­
landen des 9. Jahrhunderts verankert. Der Mohrenkönig Sivrit, Her­
wigs Gegner, deutet auf den Danenfürsten, der um das Jahr 880 als
Mittelpunkt seiner Raubzüge Flandern wahlte, das im Mittelalter noch
durchweg als das Morinerland bekannt war.
Der heidnische Wikinger wird spater nach einem orientalischen
Mohrenland versetzt. Das hat nichts Befremdendes an sich. Der Epiker
ist damit einer im Westen öfters bezeugten Tradition gefolgt. Sivrits
Ausseres, seine Stelle im Aufbau des literarischen Werkes sind in unmittelbarer Nahe der französischen Dichtung am besten zu erklaren.
Sivrits Wappen mit dem Mohrenkopf erinnert lebhaft an Deutungen
und Wappen, die unter dem Einfluss der Kreuzzüge schon früh in
Flandern nachzuweisen sind, besonders in bezug auf Familien, die einen
"Mohr"-ahnlichklingenden Namen führen. Fast immer sind die einheimischen Familiennamen von einer Moorgegend, den "Moeren" her-
zuleiten, die lateinisch als "mariscus", "morus" angedeutet wurde.
Der Name der Moriner geht auf dieselben Grundbegriffe zurück. Die
Klangahnlichkeit zwischen Morinerland und Mórlant kann bei der
Benennung Sivrits eine Rolle gespielt haben. Die mhd. Dichtung hat
offensichtlich unter dem Namen Mórlant nur ein orientalisches Land
verstanden. Eine solche Vorstellung kann auch einer spaten niederfrankischen Stufe eigen sein.
Eine spate Stufe ist ohnehin in den Niederlanden anzusetzen. Die
Namen Karadê, Wdleis, Galeis, Irlant, Gustrdte machen anglonormannischen Einfluss erkennbar. Auf ihn ist zuriickzufiihren, dass der
niederlandische Wülpenwert in dem Hildeteil durch das französisch
klingende Wdleis ersetzt worden ist. Diese Abanderung ergab sich aus
kompositorischen Griinden, namentlich durch die Verarbeitung der
historischen Hintergründe, wie diese in Dudos Normannengeschichte
gegeben waren, und deren Anpassung in einem spateren anglonormannischen Rahmen. Die Verlagerung der Kampfstatte nach Wdleis
in der Hildefabel ist geographisch bedingt, denn Hilde wurde in einer
neuen Bearbeitung des Epos (oder des Liedes) aus Baljdn in Irlant
entführt. Ebenfalls aus geographischer Sicht ist in der Gudrunfabel das
Beibehalten, gegebenfalls die Übernahme, von Wülpenwert
zu erklaren.
Als vermutlicher Autor muss ein Dichter in Küstennahe auf dem
Festland angenommen werden. Darauf deutet nicht nur der Name
Gustrdte in niederlandischer Lautgestalt für das englische Start of
Point, sondern auch die Bekanntschaft mit der Lage von Wülpenwert
(Wulpen), weiter die sachkundigen Kenntnisse der Marchia Wallie
(ze Wdleis in der marke) und sein Wissen um die Kampfe, die dort
wahrend der anglonormannischen Eroberung stattfanden. Der Dichter
erweist sich als ein Sachkundiger in der geographischen Lage der Lander, die Wate, Fruote und Horant gehörten: ze Stürmen,
Holzsaezen,
Dietmers, Tenemarke mit Givers. Seine Sympathien für die Wikinger
in der Normandie und ihre Nachfahren, die Anglonormannen, zusammen mit den aufgedeckten geographischen und historischen Hintergründen, legen es nahe dass ein gebildeter Südniederlander — viele
Flamen waren im Dienste der Anglonormannen auf den britischen
Insein — die Gestaltung der unmittelbaren Vorstufe zum Kudrunepos
vorgenommen hat.
Diesem Verfasser haben schon sagenhafte Berichte vorgelegen. Die
Namen Ludwig, Hartmut und Hildeburg sind ihm wohl aus einer
Herbortfabel bekannt gewesen; die Namen Gerlint und Hergart sind
darin nicht vertreten. Die jahrzehntelangen Kampfe im 10. Jahrhun­
dert zwischen Ludwig Ultramarinus und anderen französischen Gros­
sen, unter denen Herbert von Vermandois und Hugo von Paris beson­
ders hervortraten, bilden die Grundlage der Herbortfabel. Die Einmischung der Sachsen ist in den geschichtlichen Quellen und in der
Thidrekssaga bezeugt.
Der umstrittenen Gleichsetzung einer Herbortfabel und einer Herwiggeschichte wird völlig der Boden entzogen, wenn man bedenkt,
dass Herewich ursprünglich, vielleicht auf Wülpenwert, mit einem in
der Herbortfabel unbekannten Wolfwin angefiihrt wird, dass Herwig
in einem Gebiet in der Nahe von Hegelingenland, dessen Hauptburg
Mateldne (Matilone bei Leiden!) ist, zu Hause ist, wahrend die Her­
bortfabel in der Normandie und den angrenzenden Gebieten beheimatet
wird. Der Kampf zwischen Herwig und Sivrit weist auf die Nieder­
lande hin, wo beide als Wikinger im 9. Jahrhundert bezeugt sind. 1st
Herwig doch nach aller Wahrscheinlichkeit das sagengeschichtliche
Ebenbild des Wikingers Rorich, Reric, Orwig, der zusammen mit
Heriold dem Jüngeren im Frankenreich ein Lehen bekommen hatte.
Dieser Heriold begegnet uns in der Kudrun als holt der junge. Zwei
andere Namen, Ortwin und Ortrün, sind offenbar jungerer Herkunft;
der Ortsname Ortlant deutet möglicherweise auf eine wasserreiche
Gegend an der Südgrenze der heutigen Provinz Siidholland.
Die vom Verfasser verwendeten Quellen gehen auf historische Er­
eignisse in den Niederlanden im 9. Jahrhundert zurück. Sie werden
mit Begebenheiten aus dem 12. Jahrhundert verbunden, die anglonormannischen Interessen in England verraten. Die geschilderten Vorfalle sind betont freundlich dargestellt, wenn man sich auf dem Standpunkt der Danen und der Anglonormannen stellt. In dieser Hinsicht
hat der Autor nicht anders verfahren als in der Benutzung von Dudos
Werk De Moribus et Actis primorum Normanniae Ducum, das die
Zwistigkeiten und Kampfe zwischen Danen und Karolingern in der
Normandie schildert. Der Epiker teilt Dudos Feindseligkeit dem fran­
zösischen Königsgeschlecht gegenüber. Dieses Königshaus wird in dem
Epos in einen noch weit schlechteren Ruf gebracht, denn es wird ihm
ein Raubüberfall auf Mateldne — in Wirklichkeit liegt ein Wikingerrauhzug aus dem 9. Jahrhundert in der Nahe von Leiden zugrunde —
aufgebürdet. An Hand der Leidensgeschichte der geraubten Frauen
und mit der Hildefabel vor Augen, hat der Epiker eine Fabel, deren
Ansatze schon vorhanden gewesen sein können, ausgearbeitet. Es war
offenbar seine Absicht, die traurigen Schicksale des Danensprösslings
Richard in den Handen des Karolingers Ludwig Ultramarinus und
seiner eifersiichtigen Frau Gerberga, die ihrem Sohn den bedrohten
Herrscherthron behalten wollte, sagengemass in einer Brautraubergeschichte auszugestalten. Historische Vorfalle aus der Wikingerzeit in
den Niederlanden, die Anlass gaben zu Sagengebilden, haben dem
Dichter dabei wesentlich geholfen.
DMTTES KAPITEL
G U D R U N S LEIDENSZEIT
In dem eigentlichen Gudrunteil der Kudrun heben sich deutlich drei
Abschnitte voneinander ab: Gudruns Entfiihrung durch Hartmut, nachdem er und die Seinen unbemerkt von dem Wülpensande gezogen
und nach ihrem Lande, der Normandie, gefahren sind; Gudruns
standhaft ertragene Leidenszeit, in der sie von Hartmuts Mutter Ger­
lint zu niedrigster Arbeit gezwungen wird: sie muss den Ofen heizen,
mit den Haaren Staub wischen, zuletzt in Wind und Schnee am
Strande Kleider waschen. Schliesslich erscheinen der Bruder und der
Verlobte und befreien Gudrun durch Kampf aus der Knechtschaft.
Vor allem das Waschen der Wasche am Meeresstrande hat die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Einige Forscher glauben, dass der mittelhochdeutsche Dichter die Siideliballade zur Ausgestaltung dieser Szene
benutzt hat. Diese Ballade, die die als Magd wiedergefundene Schwester
zum Thema hat, soil das Waschemotiv und den rettenden Bruder
erklaren. Allein die Anfange der Ballade bleiben uns in Deutschland
nach jahrzehntelanger Forschung verborgen. R. C. Boer halt es dennnoch für durchaus möglich, dass das Südelilied die Quelle gewesen
ist: "Die junge überlieferung (beweise) nicht seinen spateren ursprung".
"Eine treffliche belegstelle für den typus der wiedergefundenen schwesster" finde sich schon bei Gottfried von Monmouth. Auch Frings
mochte annehmen, dass die Rückführung Gudruns nach einer Ballade
von der wiedergefundenen Schwester ausgestattet ist. Hinrich Siefken hat noch in jüngster Zeit den Einfluss für "jedenfalls möglich"
gehalten.
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Andere Forscher haben die Prioritat der Ballade bestritten. A. Heusler
schreibt z.B.: "Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ballade — oder allgemeiner ein erzahlendes Volkslied — einem mittelhochdeutschen Hel­
denepos die Fabel geschenkt habe (etwa das Südelilied der Kudrun)
muss als verschwindend gering gelten, selbst wo die Jahreszahlen keine
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Schwierigkeiten machen". Auch R. Menéndez Pidal kommt zu der
Schlussfolgerung, dass das Epos alter ist als die kurze, vorwiegend lyri­
sche Südeliballade. E. Mudrak betont die inhaltlichen Unterschiede
in Epos und Ballade, die so betrachtlich sind, "das man nicht einfach
über sie hinwegsehen kann, auch dann, wenn man mit Umgestaltungen rechnet": Südeli ist eine Art Findelkind, das nicht zwecks einer
aufgezwungenen Heirat gequalt wird. "Vor allem fehlt in den Südeliliedern der wichtige Zug, dass das Madchen von einem Manne entführt wird, der sie zur Gemahlin haben will, und dass an der Rettung
nicht nur der Bruder, sondern auch der rechte Gatte beteiligt ist."
Damit stehen wir vor der Frage: 1st das Gerippe der alten Kudrundichtung, wie es sich Heusler und Schneider vorstellen: "die Entführte
und Gedemütigte wird nach Jahren von ihrem Bruder aufgefunden,
der also Trager der Vaterrache und der Madchenbefreiung wird" oder
ist eine Nebenbuhlersage das Ursprüngliche? Vertreter der Panzerschen
Auffassung nehmen an, dass die Rolle des Bruders bei der Befreiung
durch den Hinzutritt des Brautigams verdunkelt worden i s t .
Die
verschiedenen Meinungen lassen sich kaum aufeinander abstimmen.
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Einige Tatsachen aus der Sagenforschung scheinen mir eher auf die
primare Rolle des Gatten oder des Verlobten hinzuweisen. Der Helgiund der Pharaildestoff, die beide stark von dem Hildestoff beeinflusst
worden sind, kennen den Gatten und den Nebenbuhler. Anderseits
sind Ortwin, Gudruns Bruder, und seine Namensippe, wie schon im
vorigen Kapitel erörtert worden ist, erst spat in die Sage aufgenommen
worden. Er tritt gewissermassen für den früheren und mit grösster
Wahrscheinlichkeit historisch bezeugten Irold, Heriold, ein. Ortwins
Alter will nicht recht zur Handlung passen (Str. 909, 1096, 1113). In
der eigentlichen Wiedererkennungszene scheint das rechte Verhaltnis
hervorzutreten: "Herwig ist die Hauptperson, Ortwin der Begleiter.
U n d in der tat spielt Ortwin nirgends eine entscheidende rolle: Herwig
erschlagt den mörder von Ortwins vater", schreibt Beer. Es scheint
mir anderseits zu gewagt, mit Adolf Beck eine Vorlage anzunehmen,
wenn diese literarischer Art ist, die "einfach einen rauberischen, wikinghaften Überfall geboten haben" mag, "dem gar nicht notwendig eine
abgewiesene Werbung vorangegangen" sei. "Ein wikinghaft verwegener
Madchenraub allein" ohne Werbung hat wohl der reellen Kriegsführung der Wikingerzeit entsprochen, doch die uns bekannten Fas508
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sungen des Hildestoffes, dessen Einfluss auf Kudrun deutlich zu Tage
tritt, weisen darauf hin, dass sowohl der gewaltsame Tod des Vaters
als auch das Werbungselement eine Rolle gespielt haben. Das alles
bestarkt uns in der Meinung, dass auch dem Gatten und gegebenfalls
dem Nebenbuhler, wie er auch anderwarts in den von der Hildesage
beeinflussten Stoffen vorhanden ist, ein Platz eingeraumt werden muss.
Es scheint mir deshalb nicht notwendig, die Rolle des Bruders für ur­
sprünglich zu halten.
Eine Entscheidung über die Herkunft des Bruders lasst sich wahrscheinlich treffen, wenn wir die Landschaft- und Stammesraume einbeziehen, worin das zur Sage umgebildete Geschehen gespielt hat. Ich
denke besonders an das Halewijn-Ulingerlied,
dessen Alter weniger
problematisch ist als das bei dem Südelilied der Fall ist. Hier begegnet uns der Bruder der Geraubten, die in eine schlimme Lage geraten
und deren Leben gefahrdet ist. Als die Nachricht des Madchenraubs
den Bruder erreicht, befindet er sich auf der Jagd. Das wird ebenfalls
von Ortwin, Gudruns Bruder, erzahlt (Kudrun, Str. 1096):
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D i e b o t e n riten b a l d e
gegen Nortlant,
d a m a n üf d e m p l a n e
den jungen degen vant
bi einem breiten p h l ü m e ,
mit sinem valkenaere
d e r w a s vogele r i c h e .
beizte d& d e r k ü n i c vil k ü n d i c l i c h e .
Hinsichtlich dieser Übereinstimmung ist auf Panzers Feststelling hinzuweisen. Er hat in seinem Hilde-Gudrun Buch die Arbeitsweise des
Kudrundichters beleuchtet, wahrend er nachwies, dass er kleine epische
Lieder öfters wörtlich benutzt hat. Dazu gehort das Lied von HalewijnUlinger.
Wie ein altes Gudrunlied — wenn es je existiert hat — in allen Einzelheiten ausgesehen haben mag, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen.
Fromms These, man habe als Vorform der spatmittelalterlichen Bal­
lade ein hochmittelalterliches "Heldenzeitlied" anzusetzen, wird von
Stackmann als "einleuchtend" betrachtet. Hans Fromm hat die grundverschiedenen Deutungen zu klaren versucht, indem er das Trennende
und das Verbindende von Heldenlied und Volksballade beleuchtet.
Seinen Ausführungen zufolge berühren sich Heldenlied und Volks­
ballade nicht unmittelbar: zum Heldenlied gehort die Tradition; Bal­
lade ist nur Episode. Heldendichtung hort auf, indem ein Lied sich
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des grosseren Sagenganzen nicht mehr bewusst ist. Obwohl der Versuch mit Hilfe der Frommschen Theorie das Problem der Beziehungen
zwischen Kudrun und Heldenzeitlied einerseits, und Ballade ander­
seits, zu klaren, noch aussteht, ist es in Hinblick auf das Alter des Halewijntypus nicht zu gewagt, auf die Rolle des Bruders hinzuweisen,
dessen Schwester das Opfer eines Rauberbrautigams ist. Es ist bemerkenswert für den Erzahltypus der Rauberbraut, dass "das Madchen
von seinem Bruder und niemals von einem Jüngling befreit wird, der
sie nachher heiratet". Ich glaube, dass M. Ziegler z.T. Recht hat,
wenn er in der Sage von Gudrun die fürstliche Sklavin wiederfindet.
Sie gehort in Kriegszeiten, wo Raubfahrten verwegener Piraten, wie es
die Wikinger wirklich waren, einen Erzahltyp gestaltet haben, "der
sich in mancher Hinsicht als Fortsetzung des Unholdmarchens im
Gewande der novellenhaften Erzahlung darstellt". Die Gudrunfabel
ware demzufolge in dieser Hinsicht das Resultat einer Verschmelzung
von einerseits einer Hilde-Erzahlung, die den Gatten bzw. den Verlobten geliefert hat, und anderseits eines Erzahltypes, wie ihn Ziegler
angedeutet hat. Dieser hatte den Bruder der Geraubten in die Ge­
schichte gebracht. Beide Erzahltypen waren nach den Ergebnissen der
Forschung schon in früher Zeit an der Nordseeküste vorhanden.
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Wenn von einem Liede oder von Liedern die Rede sein muss, so
konnte man gegebenenfalls dabei an eine sagengeschichtliche Vorstufe
der Kudrun, oder zumindest des Gudrunteils denken. Bruno Boesch
hat eine solche Vorstufe angenommen. Gerade die Küstenszenerie weise
darauf hin, dass das Bild des Waschens der fürstlichen Gefangenen am
Meer einer Vorstufe angehört haben müsse, noch ehe diese Vorstufe
auf dem deutschen Boden des Binnenlands Eingang gefunden habe.
Boesch ist der Meinung, dass die Szene "zum unlöslichen Bestand
einer Kudrunsage" gehort und nicht "neueste Zutat aus einer hochmittelalterlichen Ballade" bildet. I. Schröbler ist gewissermassen andrer Ansicht. Sie nimmt zwar die Existenz einer Gudrundichtung im
11. Jahrhundert an, doch sie sieht die Ausgestaltung von Gudruns
Leiden als das Werk des letzten Dichters im 13. Jahrhundert. Neuerdings hat H. Rosenfeld zu zeigen versucht, dass die Wascherinszene
kein Nordseemilieu verrat. Nur ein Binnenlander und kein Küstenbewohner habe die Madchen am Meeresstrand waschen lassen können,
denn der Gezeitenwechsel und der hohe Salzgehalt "macht waschen
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im Meer zwecklos und unmöglich". Rosenfeld knüpft an diese auf
den ersten Buck richtig erscheinenden Bemerkungen eine schwerwiegende Folgerung: "Wenn die Kernszene des Gudrunteils und der gesamten Kudrundichtung nicht im Nordseemilieu verwurzelt ist, besteht
kein Anlass, für die Kudrundichtung über die Hildedichting hinaus
eine Nordseevorlage anzunehmen. Der Dichter, der die eindrucksvolle
Wascherinszene konzipiert hat, dürfte auch derjenige sein, der aus der
Hildedichtung die dreiteilige Kudrundichtung entfaltet hat und der im
Wettstreit mit der Nibelungendichung um 1233 die uns vorliegende
Kudrundichtung schuf". Auch Karl Stackmann pflichtet Rosenfeld
bei: "Der Teil der Handlung in Normannenland, der am Strand spielt,
kann in der überlieferten Form nicht aus einer niederfrankischen Vor­
stufe stammen".
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Ich glaube, dass die erwahnten weitgehenden Folgerungen zum guten
Teil irgendwie im Zusammenhang mit der notorisch unklaren sagengeschichtlichen Entwicklung der Kudrun stehen. Die Lösung des Pro­
blems wird wohl nicht gelingen, wenn man sich allzusehr auf eine
Forschung beschrankt, die die inhaltlich-sachlichen Möglichkeiten unter
die Lupe nimmt und die literarische Arbeitsweise nicht genug beachtet.
Schon mehr als hundert Jahre hat man auf die Unstimmigkeiten in
der Kudrun hingewiesen und dem Dichter viele Versaumnisse in Rechnung gestellt. Das Waschen am Meeresstrande hat besonders in letzter
Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Sollte man auch hier nicht
eine bestimmte Arbeitsweise des Autors annehmen, dessen Erzahlung
auf literarische Wirkung hin angelegt ist und der deshalb die ihm zu
Gebote stehenden literarischen Mittel verwendet hat? Man darf weiter
die Hypothesen Schröblers und Carles' nicht unbeachtet lassen: "Die
Gudrundichtung des 11. Jahrhunderts . . . muss ihrem Charakter nach
eine Mischung von Heldendichtung und Zeitgedicht gewesen sein"
(Schröbler), wobei die Heldennamen auf Figuren übertragen worden
sind, die ursprünglich anders heissen (Carles). Einer solchen Dich­
tung mit "etwas grösserem U m f a n g "
kann man wohl nicht "die
Ausgestaltung des Leidens" , wie in der mhd. Kudrun zutrauen,
doch sie kann wesentliche Züge geboten haben, auf die es hier ankommt. Die Ergebnisse der zwei ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit
berechtigen zu der Annahme, dass man ahnliche Hypothesen mit stichhaltigen Argumenten stützen kann.
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Natürlich lasst sich nur kaum mit Sicherheit sagen, "wie diese Dichtung im einzelnen heschaffen w a r " und ob es sie je gegeben hat,
zumindest im 11. Jahrhundert. Doch lassen lateinisch und französisch
verfasste Quellen historischer und literarischer Art wirkliche Anhaltspunkte vermuten. Man lese in den von E. A. Freeman gesammelten
Quellen, wie Wilhelm der Eroberer in sehr grober Weise um die unwillige Mathilde, die Tochter des flamischen Grafen, wirbt. Mathilde
weigert sich Wilhelms Ehefrau zu werden:
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Quo audita, Guillelmus Dux clam apud Brugis, ubi puella morabatur, cum
paucis accelerat, eamque regredientem ab ecclesia pugnis, calcibus, et calcaribus verberat et castigat, sicque ascenso equo eum suis in patriam iemeat...
Auch die Chronique rimée des Philippe Mousket aus Tournai (13. Jahrhundert) hat uns in den Versen 16902 ff. eine Variante dieser Geschichte überliefert. Freeman urteilt: "The remarkable thing about this tale
is that it is evidently a myth which has fastened itself upon William
in several forms, . . . "
S26
Besonders normannische Quellen aus dem 11. Jahrhundert erweisen
sich ausserordentlich detailfreudig. An Hand des von Hugo Andresen
herausgegeben Roman de Rou, kann man in dem stoffgeschichdichen
Kommentar lesen, wie stark neugestaltende Krafte am Werke waren.
Vergleicht man z.B. die Erzahlung von dem Liebesverhaltnis zwischen
dem Herzog Robert, dem Vater Wilhelms, und Harlette bei den Autoren
Wace, Benoit, Wilhelm von Jumièges, so fallen die Einzelheiten und
die naheren Umstande auf, die Wace eingehend schildert. Nicht uninteressant ist für uns, dass Harlette (Arlette) als ein Madchen flandrischer Herkunft gedacht wird, das beim Waschen am Ufer des
Wassers von Robert beobachtet und heimgeführt wird. Sie ist sich
ihrer selbst bewusst, und sie weiss sich am Hofe des Herrschers zu
behaupten. Ganz überraschend im Vergleich mit Gudrun schreibt
P. Andrieu-Guitrancourt über Harlette in seiner Histoire de I'Empire
Normand et sa Civilisation: "Elle ressemble, dans sa juvenile et fiére
attitude, a quelque antique reine que le hasard des combats aurait conduite en esclavage, mais qui conserverait dans son malheur et sa dignité hautaine et sa farouche indépendance". Harlettes Geschichte
bietet auch das Waschemotiv. Dabei ist zu bedenken, dass das Waschen
früher sehr oft an einem Fluss, bei einem Dorfbrunnen geschah. Es ist
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fast ein standiger Zug in der Literatur einer primitiveren Kultur, dass
die jungen Manner sich in der Nahe solcher Stellen aufhalten, um
die jungen Madchen zu sehen und mit diesen Liebschaften anzuknüpfen. In Balladen und Marchen entdeckt der Gatte, der Verlobte, der
Bruder die verschwundene Frau, die Verlobte, die Schwester beim
Waschen oder beim Wasserholen. Öfters ist sie zu dieser Arbeit gezwungen und harrt der Befreiung. Die Begegnung eines Madchens mit
ihrem Geliebten ist "eine sehr haufige Szene der Volkspoesie, auch in
Dichtungen, die vom Kudrun-Epos unabhangig sind".
Dass dies
aber so oft beim Waschen und Wasserholen geschah, ist in vielen Fallen
eine gegebene Selbstverstandlichkeit, denn das war die landesiibliche
Beschaftigung einer Magd und einer Kriegsgefangenen.
Dichter und Epiker greifen das Waschen oder das Wasserholen auf
als Mittel um die Begegnung und eventuell die Befreiung anzubahnen.
Das hat auch der Dichter der Kudrun zielbewusst getan, er spricht es
sogar aus: Die 21. Aventiure (wie Küdrün muoste waschen) fangt mit
Str. 1041 an:
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Dó bót man Küdrunen
bürge unde lant.
dó si des niht wolte, sit muoste si gewant
waschen tegellche von morgen unz an die naht.
des vlós den sige her Ludewic, dó er mit Herwige vaht.
Bartsch erklart das Wort des: weil das Waschen am Strande den ersten
Anlass zu dem Befreiungskampfe g a b . Auch J. Fourquet aussert sich
in diesem Sinne: "Die Befreiung Kudruns ist durch das bekannte Motiv
eingeleitet, dass sie am Strande Kleider waschen muss". Die Verwendung des Motivs ist bewusst planmassig; sie verrat die Arbeitsweise
des Dichters. Diese macht sich in der Entwicklung des Ganzen wie in
der Schilderung der Einzelheiten bemerkbar. So ist dem Dichter daran
gelegen, das Heldische durch Generationsunterschiede in verschiedener
Brechung zu zeigen: das Heidnisch-Reckenhafte - das Christlich-Ritterliche - das Höfisch-Chrisdiche. Zwischendurch werden Motivreime
als kompositorische Klammern zwischen verschiedenen Abschnitten der
Kudrun eingesetzt.
"Einzelziige und Motive der Handlung (im
Gudrunteil) sind dazu da und z.T. erfunden, um die Heldin in ihren
sich steigernden Leiden zu bewahren . . . '
Die Kunst der Gliederung
hat nach A. E. Schönbach etwas Übertriebenes, sie artet in eine gewisse
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,53B
Pedanterie aus: "Dem etwas pedantischen Sinne des Aufbaues der
Kudrundichtung passt es, Kudruns Demütigungen in drei Stufen sich
vollziehen zu lassen (vgl. Beer, PBB 14,562 ff.): erstens, heizen; zweitens, feuern, kehren und mit ihren Haaren Schemel und Banke abwischen; drittens, Wasche spuien im Meer".
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Das Waschen der Wasche erscheint hier als die erniedrigendste aller
Hausarbeiten. Das braucht nicht unbedingt "ein deutliches Licht auf
die Verachtung dieser Thatigkeit wahrend der Kreuzzüge" zu werfen,
wie Schönbach meint. I. Schröbler hat für das Jahr 1000 auf diese
Arbeit für Gefangene hingewiesen. Aus dem Anfang des 11. Jahr­
hunderts ist eine Interpretation einer Bestimmung bekannt, die be­
strafte Kleriker und ihre Kinder Dienste niederer Art leisten lasst. Sie
sollen sich mit Wasser- und Holztragen beschaftigen. Diese erniedrigenden Arbeiten lassen sich mit den andren Strafen Gudruns und
ihrer Jungfrauen vergleichen:
537
538
539
Str. 996,4: du muost eiten minen phiesel
und muost schürn selbe
die brende.
Str. 1009,2: si muoste den oven heizen
mit ir wizen
hant...
Str. 1007,2-3: . . . daz si diu magetin
ze Ortrünen kemendte daz
wazzer tragen
hieze.
Die erniedrigende Handlung des Waschens ist für Gudrun eine
wahre Schande: suln mich die sus hie vinden waschen üf dem grieze,
daz laster kunde ich nimmer überwinden (Str. 1208,3-4, vgl. 1209,3-4;
1252-1253; 1294; 1341-1342; 1519-1521). Das Schamgefühl überwaltigt
die Jungfrauen, als sich die Befreier nahern. Sie fliehen. Die Retter
beschwören sie bei der jungfraulichen Ehre zurückzukehren (Str. 12145i0
15).
Soviel dürfte sicher sein, dass die Strafen, die Gudrun und ihren
Jungfrauen aufgebürdet werden, schon im 11. Jahrhundert in eine
Leidensgeschichte hineingekommen sein können. Von besonderer Bedeutsamkeit will es mir erscheinen, dass in demselben Jahrhundert das
Sichtreffen beim Wasser in der Küstengegend, und zwar in der Nor­
mandie, als literarisches Motiv verwendet und ausgestaltet wurde. Der
Kudrundichter verlegt auch seine Handlung nach derselben französi­
schen Normandie. Der Entwurf der Leidensgeschichte zeigt in Einzelheiten, dass der Dichter vor allem eine literarische Gestaltung des
Stoffes beabsichtigte. Ausserdem weist er durch deutliche Angabe dar541
auf hin, wie er die Wascherinszene literarisch als Einleitung zur Befreiung Gudruns zu benutzen gedenke.
Bevor wir tiefer auf die Meeresszenerie in dieser Episode eingehen,
verfolgen wir noch weiter den literarischen Charakter des Abschnittes,
denn auch aus einer anderen Sicht scheint der Formwille des Dichters
am Werke gewesen zu sein. Innerhalb 48 Stunden werden in derselben
Gegend, ja an demselben Ort, grundverschiedene Naturerscheinungen
aufgezeichnet. Diese schliessen einander geradezu aus, wenn sie nach
der Wirklichkeit geschildert waren. Auffallend ist dabei, dass die Wetterlage und die Umstande für die Hegelingen moglichst verlockend
und gut sind, wahrend die Unbilden der Witterung das Leben des in
der Fremde gefangen gehaltenen Heldin bedrohen. Es handelt sich
um mehr als um Wetterumschlage. In der Nahe der Normandie finden
die Hegelingen einen annehmlichen Aufenthalt. So lautet Str. 1143:
542
Durch gemach si fuoren von schiffen üf den sant.
guoter dinge genuoge hei waz man der di vant!
frische kalte brunnen die fluzzen in (dem) tanne
nider von dem berge. des freuten sich die wazzermüeden manne.
Sie essen riche spise guot (Str. 1150), ruhen sich aus (Str. 1151) und
nach einem sonnigen Tag (Str. 1164) fahren sie am nachsten Tage
(vgl. 1145,4: wir sin in Ormanie morgen wol vor mittes tages ziten)
bis hart an die Burg Ludwigs heran. Die Natur und das Wetter sehen
so verlockend aus, dass sogar der grimme Wate sagt (Str. 1346):
Der luft ist só heiter, sóricheund só breit
der mane schinet hinte: des bin ich gemeit.
nu gahet von dem sande, ir tiurlichen helde,
ê ez morgen tage, daz wir sin ze Ludewiges selde.
Man entschliesst sich sogar in der Nacht unter freiem Himmel auf
dem Strande zu ruhen (Str. 1348 und 1354).
W i e scharf sind die Gegensatze, wenn man der milden Luftbeschaffenheit gegenüber die unwirtlichen Naturbegebenheiten, die Gudrun
zuteil werden, vergleicht: Do was ein snê gevallen (Str. 1196,4), sogar
ein krefticlicher snê (Str. 1202,2). Die Madchen fürchten sich vor dem
Schlimmsten (Str. 1197,3-4):
sul wir hiute waschen, vor abendes stunden,
also barfüeze,
wir werden gar lihte tóte funden.
und dann in Strophe 1199,4:
gên wir dar barfueze,
só müeze wir üf den tót erfriesen.
Gerlint gewahrt den armen Madchen keine Schuhe. In Str. 1204,3
heisst es: mit den barn füezen
si wuoten durch den snê. Voller Rummer schauen die Jungfrauen nach dem Geliebten aus eigenem Lande
aus. Er kann nicht anders als übers Meer kommen, daher heisst es in
Str. 1206 ganz angemessen:
Si tóten harte dicke für sich üf den fluot
senllche blicke,
wa die boten guot
zuo in komen solten,
die von ir . . . lande
diu riche küniginne
dem edelen ingesinde dar sande.
Gudrun und Hildeburg sehen zwei Manner in einem Boot herankommen Str. 1207,1-2):
Dó si gewarten lange,
zwêne in einer barken
1
da sMiens üf dem sê
und ander niemen mê
Es ist in diesem Zusammenhang zu untersuchen, in wieweit der Dichter
die Meeresszene als eine wirkliche Begebenheit am Meeresstrand geschildert hat, oder ob vielmehr hier literarische Einflüsse nachzuweisen
sind. Rosenfelds Erörterungen sind hier zum Teil wegweisend, wenn
er auf die Unzweckmassigkeit des Waschens im Meereswasser hinweist. Doch darf man die unexakte Schilderung dem "Binnenlander"
nicht ohne weiteres zuweisen. K. Stackmann hat mit Recht bemerkt,
dass Rosenfelds Argumente, "den 'Binnenlander' mit dem Dichter der
überlieferten Kudrun (zu) identifizieren", nicht zwingend s i n d .
Es
soil zumindest die Möglichkeit erwogen werden, dass ein Dichter im
Inland durch ungenaue Kenntnisse in Kusten- und Meeresdingen eine
Vorlage nach Vorstellungen aus eigener Umgebung geandert hat. Es
scheint mir sogar möglich, dass ein Küstenbewohner mit literarischem
Geschick aus der Notwendigkeit der Handlung heraus die Wascherinszene an die Meeresküste verlegt h a t .
W i e schon oben bemerkt
wurde, ist es immerhin möglich, die Wascherinszene als Kern einer
Kudrundichtung im Bereich des Meeres zu erklaren. Auch dort war
die Begegnung beim Wasser ein bekannter Topos. Der Epiker hat
543
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gewiss nicht die Wirklichkeit portratiert. Gerade in der Wascherinszene geht er keineswegs situationsgemass vor, sonst hatte er von
Herwig nicht sagen können (Str. 1251):
Er umbeslóz mit armen
die hêrlichen meit.
in was ir beider maere lieb unde leit.
er kuste, ich(n) weiz wie ofte,
die küniginne riche,
si und Hildeburgen
die (ellenden) maget minnicliche.
Er hat die Madchen waschend am Strande wiedergefunden und so
erbarmlich erniedrigt stehen die Jungfrauen barfuss, im nassen Hemde
am Ufer (vgl. Str. 1216). Panzer sagt dazu: " . . . das Epos halt an dem
alten typisierenden Stile fest", das "gattungsmassig Gleiche, das Typische" ist ausschlaggebend, ob es hinein passt oder nicht. W e n n man
aus dieser Sicht die Wascherinszene am Meeresufer in einem breiteren
Rahmen würdigt, so ergibt sich auch hier, dass der typische Zug des
Waschens auf Gudrun übertragen worden ist. Der Verfasser hat die
Handlung ans Meer verlegt, denn von Übersee kamen die Befreier.
Es war für den Verlauf der Handlung in Nachfolge anderer Erzahlungen eine Selbstverstandlichkeit, die Wascherinszene an den Treffpunkt
mit dem Geliebten aus Hegelingenland zu verlegen. Das Waschen
im Meer mag für einen nüchternen Beobachter eine unpraktische Tatigkeit gewesen sein, doch "mehrfach (werden) typische Züge auf Situationen übertragen, zu deren individuellem Gehalt sie nicht passen".
Dem typischen Zug des Waschens am Meer kommt eine erzahltechnische Bedeutung zu. Die Ziele der Handlung, nl. die Suche nach
der Entführten und die Befreiung der Erniedrigten, setzen eine geplante
Gliederung voraus, die den Verlauf der Handlung gewahrleistet. Die
Wascherinszene bildet darin den Kernpunkt, sie wurde somit auch ein
Höhepunkt in der ganzen Handlung.
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547
Es bleiben bei den gewiss lobenswerten sachlichen Untersuchungen
Rosenfelds doch einige wesentliche Eigentümlichkeiten in der Erzahlung allzusehr unbeachtet. Diese Züge haben die Sehnsucht und das
menschliche Gefühl der Handlungstragenden zum Gegenstand: besonders die unfreundlichen Naturverhaltnisse erfüllen eine unmittelbare
Rolle in der Ausgestaltung der Leiden der Hauptheldin. Die Natur ist
für Gudrun geradezu eine Leidensquelle. Diese Szenen von höchster
literarischer Pragnanz tauchen nicht von ungefahr in der Kudrun auf.
Sie haben eine Vorgeschichte. Es scheinen mir gute Griinde vorhanden
zu sein, "die ausführung der seelischen zustande und die schilderung
malerischer situationen" in der Kudrun mit der Veranschaulichung
und der Art und Weise der Empfindung, "die eine Neigung zur Sentimentalitat" verraten, in Zusammenhang zu bringen. Diese Neigung
kommt in literarischen Kleindichtungen elegischen Inhalts zum Ausdruck. Sie sind in den Cambridger Liedern vertreten. Diese sind am
Mittelrhein und Niederrhein entstanden und scheinen "der Stimmung
der Zeit (10. und 11. Jahrhundert) in seiner Gefiihlslage entgegenzukommen". Das ware gerade die Zeit, in der die Quellen des "elegischsentimentalisch" anmutenden Kudrunepos anzusetzen sind und zwar
in einem Kulturgebiet, wo dieses Epos seine Wurzeln h a t .
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Wenn man die Elegie Nam languens aus den Cambridger Liedern
den Wendungen und der Stimmung nach mit den hier hervorgehobenen
Punkten in der Kudrun vergleicht, so fallen die Übereinstimmungen
stark in die Augen. Der Inhalt lautet: "Verkiimmert (schmachtend)
aus Liebe zu dir bin ich aufgestanden bei Anbruch des Tages und
barfuss bin ich durch den Schnee gegangen in der Kalte. Das öde Meer
habe ich abgesucht, ob ich die windgeblahten Segel wahrnehmen
könnte". Die Umstande, die dieses Frauengedicht angeregt haben, sind
uns nicht bekannt, aber es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, dass der
Kudrundichter in seiner Zeit und in einer Gegend, wo eine solche
Elegie zustande kommen konnte, die Geschichte eines solchen Frauenschicksals gekannt hat und dieses nach einem vorhandenen Vorbild
episch gestaltet h a t . Natürlich erfordert die Episierung eine gewisse
Umbildung und eine Aufschwellung, doch die Situationen des Liedes
und des Epos zeigen deutlich Übereinstimmungen. Das kann in den
gegebenen Umstanden kaum zufallig sein; irgendwie drangt sich ein
Zusammenhang auf, der die elegische Züge in der Kudrun erklaren
hilft.
654
Der Text der Elegie lautet:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nam languens amore tuo
consurrexi diluculo
perrexique pedes nuda
pei niues et frigora
atque maria rimabai mesta
si forte uentiuola
7. uela cernerem
8. aut frontem nauis conspicerem.
Zu V.l. vergleiche Kudrun, Str. 1195,3-4:
und sliefen dester minner.
si waen dar an gedaehten,
wanne in diu vogelin guote ritter (dar ze lande) braehten.
Zu V.2.: Kudrun, Str. 1195,2
si erbiten beide küme,
wanne ez wurde tac
Zu V.2.: Kudrun, Str. 1196,1
Dö ez êrste tagete,
an ein venster gie . . .
Zu V.l-2 passen auch Kudrun, Str. 1358, 1 und 4 (Gudrun halt sich
noch eine Nacht in Ludwigs Schloss auf):
Kudrun diu here
von ir grözen swaere
üz dem bette spranc.
si goumte nach ir friunden vllzicliche
Zu V.3.: Kudrun
Str. 1197,4 also barfueze . . . .
1199,4 gên wir dar barfüeze . . . .
1204,3 mit den barn fiiezen si wuoten . . . .
Zu V.4. vergleiche die folgenden Stellen in Kudrun:
Str. 1196,4
1202.2
1204.3
1216.3
1217,1
1217.4
1218,4
1219,1
1232,1
dö was ein snê gevallen
hinte ist gevallen ein krefticlicher snê
si wuoten durch den snê
dó bidemte von dem froste . . . .
Ez was in den ziten
dó der winter sich zerlie
in snêwe und ouch in ise wurden die vil armen weisen funden
ez regente oder ez snite, wê was . . . den vil edelen kinden.
Der sê allenthalben mit dem ise flóz
Dó bidemten vor der kelte
diu schoenen meiden.
Zu V.5. vergleiche man Kudrun:
Str. 1206,1-3 Si taten harte dicke für sich üf den fluot
senliche blicke, w4 die boten guot
zuo in komen solten, . . .
1207,1-2 Dö si gewarten lange, dö sèhens üf dem sê
zwêne in einer barken . . .
Der Gedanke wird noch einmal wiederholt, nachdem Gudrun in die
Burg zurückgekehrt ist:
Str. 1358,4 von ir grözen swaere
si goumte nach ir friunden vlizicliche.
Zu den V.6, 7 und 8, die mit dem Bindewort aut aneinander gegliedert werden, vergleiche man Kudrun:
Str. 1207,1-2 Dö si gewarten lange, do sahens üf dem sê
zwêne in einer barken . . .
Und noch einmal von der Burg aus:
Str. 1359,1 Dö sach si riche segele
wagen üf dem sê
Peter Dronke ordnet die Elegie Nam languens den cantigas marineras
ass Unwiderlegbar hat dieses Gedicht, ebenso wie die Kudrun, sehr
viel, wenn nicht alles, mit der See zu t u n . Es muss hervorgehoben
werden, dass Kudrun, Str. 1216-1219 eine Seelandschaft darstellt.
Diese schildert eindrucksvoll die rauhe Landschaft, wo Kudrun als
Gefangene in der Fremde leben muss. Diese Strophen sind nicht nur
Umrahmung und Umwelt für den Aufenthalt der leidenden Gudrun,
sie malen die unwirtliche Natur als Leidensquelle der Armseligen. Der
elegische Ton ist hier am starksten ausgepragt:
z
u
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Si giengen in ir hemeden,
diu wéren beidiu naz.
den vil edelen frouwen
was ê gewesen baz.
dö bidemte von dem froste
daz arme ingesinde.
si waren in swacher koste; ja wdten die kalten merzischen winde.
Ez was in den ziten, dó der winter sich zerlie,
und daz in widerstrite die vogele wolten hie
singen aber ir wise nèch des merzen stunden.
in snêwe und ouch in ise wurden die vil armen weisen funden.
Mit strubendem hire
sèhen si si gan.
swie in diu houbet waeren
beiden wol getón,
ir vahs was in zerfiieret
von merzischen winden.
ez regente oder ez snite, wê was . . . den vil edelen kinden.
Der sê allenthalben
mit dem ise flöz;
daz héte sich zeiazen. ir sorge diu was gróz.
in schein durch diu hemede
wiz alsam der snê
ir lip der minnicliche. in tet diu unkünde wê.
Die Hegelingen jedoch bemerken nichts von diesem schlechten Wetter. Horant hatte in der Nahe der Normandie behauptet (Str. 1139,3):
der luft schadet hie niemen. Wate hatte sich an demselben Strande,
wo Kudrun in der Kalte waschen musste, wirklich gefreut (Str. 1346,
1-2):
Der luft ist só heiter,
só riche und só breit
der mane schinet hinte: des bin ich gemeit.
Doch eingezwangt zwischen diesen anziehenden Schilderungen des
herrschenden Wetters sehen wir Gudrun in merzischen winden, in
snêwe und ouch in ise. Kein Wunder, dass das arme ingesinde dó
bidemte von dem froste (Str. 1216,3) oder vor der kelte (Str. 1232,1).
Fanden die Hegelingen, die in der Normandie landeten, frische kalte
brunnen die fluzzen in dem tanne nider von dem berge, worüber sie
sich freuen (Str. 1143,3-4), so wird die Lage Gudruns gerade umgekehrt
beschrieben (Str. 1219,1-2):
Der sê allenthalben
daz héte sich zeiazen.
mit dem ise flóz;
ir sorge diu was gróz.
und in Str. 1217,4 lautet der Text:
in snêwe und ouch in ise
wurden die vil armen weisen funden.
Es ist bemerkenswert, dass sich ahnliche Gegensatze in der Luft, auf
dem Wasser und auf dem Festland, also in der Natur in fast stereotyper
Weise in der alteren Literatur der Angelsachen finden. So liest man
in Phönix, V.50-68:
557
I n dem hehren L a n d e ist nicht Hass n o c h Feindschaft,
nicht W e h k l a g e n o c h E l e n d n o c h der W e h z e i c h e n eines,
nicht Schlaf n o c h Sorge
n o c h schweres
Lager,
nicht W i n t e r s Gerwerfe n o c h W e t t e r s T o b e n
heftig unterm H i m m e l , u n d der harte Flost
plagt keinen da m i t kalten Kaltezapfen.
D a fallt nicht H a g e l n o c h Reif vom H i m m e l nieder,
nicht w i n d i g e W o l k e n n o c h Wassergüsse
v o n der Luft gepeitscht, s o n d e m lebende Ströme
entspringen wunderherrlich, wallende Q u e l l e n ,
die mit lieblichen F l u t e n die Fluren lecken,
w o n n s a m e W a s s e r aus des W a l d e s Mitte,
die i n der M o n d e jedem aus des Marklands Boden
brechen brandungskalt u n d durch d e n B a u m h a i n fliessen
herrlich eine W e i l e :
Gilbert Highet bemerkt zu Phönix: "The Anglo-Saxon poet . . . gives
for more detail about nature, both in picturing the rich home of the
phoenix and in contrasting it with the hideous climate of Britain".
Phönix bezieht die geschilderten Wetterlagen auf verschiedene Lander,
Kudrun jedoch auf dieselbe Gegend. Es war dem Kudrundichter daran
gelegen, die Wetterlage abwechslungsweise den Befreiern und den
Bedriickten anzupassen.
558
Es muss ferner noch auf die Ahnlichkeiten zwischen den altenglischen Elegien und der hier erörterten Episode in der Kudrun hingewiesen werden. Dabei sei hier gleich darauf aufmerksam gemacht, dass
nach Andreas Heusler, die altenglischen Elegien kirchliche Bildung
voraussetzen und dass sie Kenntnis der römischen Klassiker in sich
schliessen. Das lasst schon im vornherein vermuten, dass auch die
Gestaltung der Kudrun nicht für eine nach der Wirklichkeit geschilderte Darstellung zu halten i s t , wie Rosenfeld an manchen Stellen
wohl annimmt.
539
560
561
Es ist ein stets wiederkehrender Zug in elegischen Dichtungen, dass
der oder die Heimatlose an einer winterlichen Kuste steht und den
Bliek über fahle Wellen schweifen lasst: "wintertraurig", gequalt von
Schlaflosigkeit und Sorge, blickt das Opfer auf die "reifkalte See".
Reif, Schnee, Eis, eiskalte Wellen, eisige Stürme bilden die Umwelt.
Die Vogel und die erwachende Natur sind die Boten einer aufkeimenden Hoffnung. Sie rufen die Gefühle wach, die den Auftakt einer
kaum geahnten Rettung aus der anscheinend ausweglosen Lage bilden
sollen. Gedanken an die fernen oder die toten Verwandten kommen
auf.
562
Wie vorsichtig man bei der Beurteilung des Wirklichkeitsgehalts
der Naturschilderungen sein muss, hat R. F. Leslie in seiner Ausgabe
des Wanderers klargemacht, wo er die Meinung des Kritikers Charles
W . Kennedy naher betrachtet. Er schreibt:
"One critic, for example, writes approvingly that one root of modernity of
atmosphere which characterises the poem is the faithful depiction of nature.
This realism though selective in detail, derives not from literary convention
but from first-hand and observant contact with the external world'."
Leslies Auffassung ist wesentlich anders:
"The depiction of nature is certainly faithful, but the stereotyped nature
of much of the imagery points rather to inherited literary conventions than
to first-hand observation . . . . Even where many of the sea and storm images
are conventional they are carefully selected to match the bleakness and
desolation of the wanderer himself; . . . The poet makes use of many of the
poetic themes of his age . . . " .
563
Auch in der Kudrun lasst sich schwerlich von "jahen Wetterumschlage(n) mit dauerhaftem, tiefem Schnee nach friihlingshaft milden
Tagen" in einer bestimmten Landschaft sprechen, wenn man von
einem Tage zum anderen den "dauerhaften, tiefen Schnee" und die
Kalte nicht mehr spurt und sogar im Freien iibernachtet. Die Wetterumschlage wirken recht künstlich: Der Reihe nach wird schönes Wetter - schlechtes Wetter - schönes Wetter vorausgesetzt, je nachdem,
wieder der Reihe nach, die Hegelingen - Gudrun - die Hegelingen, in
den Mittelpunkt des Geschehens gerückt werden.
564
Mutatis mutandis muss auch für Rosenfelds Erörterungen geschlossen
werden, dass sie kaum erschöpfend sind, wenn er behauptet, dass der
sê allenthalben mit dem ise vlóz "eben nur von einem Treibeis führenden Binnengewasser gesagt werden kann". W . Jungandreas war hier
weit zurückhaltender: "Der sê allenthalben mit dem ise vlóz, scheint
auf binnendeutscher Anschauung von Eistrieben auf Flüssen oder Seen
zu beruhen". A. E. Schönbach aussert sich folgendermassen: "Den
Angaben der Kudrun über klimatische Verhaltnisse messe ich geringen
Wert für diese Frage (der Heimat des Gedichtes) bei". Jeder Küstenbewohner der Nordsee kann beobachten, wie im Winter schwimmende
Eisschollen im Meer in Richtung der dort vorherrschenden Winde und
Strömungen driften. In Str. 1271-1272 wirft Gudrun die Wasche in
die Fluten und lasst sie vliezen von hinnen. Das braucht nicht unbedingt der Vorstellung des Binnenlanders zu entsprechen, wie Rosenfeld meint. Wie schon oben gezeigt wurde, ist die Verpflanzung ans
Meer auch für den literarisch veranlagten Küstenbewohner durchaus
möglich. Auch in diesem Punkte können Wirklichkeit und literarische
Darstellung kaum völlig mit demselben Masstab gemessen werden.
565
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Gudrun in ihrer tiefsten Erbarmungswürdigkeit muss man als einen
Meisterwurf eines Dichters betrachten, der das "artistische Spiel der
Montage verschiedener Motive" beherrschte. Sie steht vor uns in
einer rauhen Landschaft, zu niederen Diensten, gezwungen, vernachlassigt in Kleidung und Haarpflege. Für diese Schilderung muss man
mit einer alten Uberlieferung rechnen. Diese hat in der Geschichte
der heiligen Radegundis greifbare Formen angenommen. Ihr Schicksal
ist dem der Gudrun nicht unahnlich, ohne dass direkter Einfluss nachzuweisen ware. Vielmehr ist die literarische Gattung als solche von
Interesse.
567
Der Kleriker Venantius Fortunatus lasst Radegunde selbst in dem
Gedicht De excidio Thoringiae den Untergang, der über ihre Heimat
und ihre Familie hereingebrochen war, beklagen. Radegundis war
die Tochter des Thüringerfürsten Berthar. Sie wurde als Kriegsgefangene des Merowingerkönigs Chlothar I. von diesem gezwungen, seine
Gemahlin zu werden. Sie floh vor dem ihr aufgedrangten Gemahl, der
ihre Verwandten hatte toten lassen, und lebte in einem Kloster. "Möglicherweise existierte eine epische Tradition über den Untergang des
Thüringenreiches, aber nicht über ein Königskind das im Kloster zur
Asketin wurde." "Ihr vorbildliches Leben in freiwilliger Niedrigkeit und Dienstbarkeit besorgte ihr den Titel einer Heiligen. Sie
wischt und saubert die Boden des Klosters, tragt das Holz herbei, facht
das Feuer an, zieht das Wasser aus dem Brunnen h e r a u f . . . Der Dich­
ter Venantius Fortunatus spricht deshalb von den vielen ermüdenden
Arbeiten, die Radegundis auf sich nehme. Dass ihr die Hand, in Was568
569
ser und Feuer bald durch Kalte bald durch Hitze leide, wird besonders
hervorgehoben."
Ganz zutreffend bemerkt Fr. Graus zu den Anstrengungen der Hel­
den und Heldinnen in Erzahlungen: "Die Arbeit kennt auch das Marchen und die spatere Heldensage bei ihren Helden; auch hier mussen
die Helden zuweilen arbeiten (sie entschliessen sich dazu nicht freiwillig) und bald steigen sie sozial wieder empor. Anders in der Legende,
wo die Arbeit eine Art freiwillig übernommene Kasteiung ist". Die
Frauenschilderungen der Merowingerzeit, ganz besonders die der Radegundis, bilden die Vorbilder und de Grundlage für die Frauenviten
spaterer Zeiten. Über die Karolingerzeit hinaus kann man bis weit ins
10. Jahrhundert den Einfluss dieser Literatur verzeichnen. Seelenstarke
und Festigkeit bilden das Hauptthema.
5 7 0
571
572
Das elegische Gedicht De excidio Thoringiae bietet zu den zitierten
und den damit zusammenhangenden Strophen der Kudrun reichlich
Vergleichungspunkte.
Einleitend sei darauf hingewiesen, dass Radegundis als matrona revincta cafillis entführt wird (V.21). Das mag auch mit vielen anderen
kriegsgefangenen Frauen der Fall gewesen sein. Römische Darstellungen
gefangener germanischer Frauen auf einer Gemme des Augustus und
auf der Markussaule in Rom zeigen das deutlich. Die Krieger greifen
die Gefangenen an den Haaren. Gudrun ist ebenfalls diese unsanfte
Behandlung nicht erspart geblieben. Nachdem sie sich weigerte Hart­
muts Frau zu werden, ergreift Ludwig im Zorn die Jungfrau bei den
Haaren und schleudert sie über Bord ins Meer. Triefend nass wird sie
von Hartmut aus den Fluten gezogen.
573
574
Das Typische in den Schicksalen Gudruns und Radegundens lasst
sich weiter nicht verkennen:
V. 66-67 Me maris Oceani,. . . t e n e t . . .
Inter amatores totusque interjacet orbis,
Dazu vergleiche man die schon oben zitierten Strophen 1206-1207.
V. 74 Cur mihi nulla tui mittere signa velis.
V. 103 Quod si signa mihi nec terra, nec aequora mittunt,
Prospera vel veniens nuntia ferret avis!
V. 107 Prompta per undifragas transissem puppe procelias
Flatibus hybernis, laeta moverer aquis.
Die Wascherin Gudrun ist bei ihrem Tagewerk; Stuck für Stuck der
grauen Leinwand spült sie mit erstarrenden Fingern in der eiskalten
Flut. Da kommt ihr nach vielen Jahren die erste Nachricht. Ein Vogel
auf dem Wasser berichtet ihr, was in den nachsten Tagen bevorsteht.
Er bringt Kunde über die noch lebenden Verwandten im fernen
Lande (Kudrun, Str. 1166-1185). Diese kommen dann bald. — Rade­
gundis ruft sich verzweifelt nach jahrelangem Aufenthalt im fremden
Lande ihre Verwandten ins Gedachtnis:
V. 47 Vel memor esto, tuis primaevis qualis ab annis,
Hamalefrede, tibi tunc Radegundes eram.
Quantum me quondam dulcis dilexeris infans,
Et de fratre patris, ante benigne, parens.
Quod pater extinctus poterat, quod mater haberi,
Quod soror, aut frater, tu mihi solus eras.
Die Art und Weise, wie Venantius Fortunatus ein Bild des Leidens
und der Sehnsucht, das Radegundens Lage einpragsam vor Augen
führen soli, mit disparaten Motiven und Gedankengangen ausstaffiert,
kann befremden, doch ist das ein Kennzeichen der elegischen Gatt u n g . Es ist ein Alpenland im Winter, das nicht passt zu der Seelandschaft in den Versen 66-67 und 107. Barfüssig macht man sich auf
den W e g durch ein rauhes Gelande in einer feindlichen Gegend, wo
Reif, Schnee und Eis vorherrschen:
575
V. 85 Ut redimat Dominus vernam, saepe ipse per Alpes
Frigore concretas cum nive rumpit aquas:
Intrat in excisis umbratica rupibus antra,
Ferventem affectum nulla pruina vetat,
Et duce cum nullo, pede nudo, currit amator,
Atque suas praedas, hoste vetante, rapit.
Die ergreifende Elegie Thüringens Untergang ist nach dem Muster
der römischen Elegiker des klassischen Zeitalters gedichtet. E. Rey hat
dargetan, wieviel Venantius Fortunatus römischem Schrifttum ver­
dankt. Anderseits hat man die Wirkung der Schriften Fortunats
auch in spateren Jahrhunderten nachgewiesen. Der andauernde Ein576
577
fluss der Werke Fortunats und die sich immer wiederholende Wirkung
der Vita Radegundens sind in doppelter Weise von Bedeutung, da sie
Motivkreise und Themen lebendig erhalten haben, die kaum zufalligerweise in der Kudrun zur Geltung gekommen sind.
An der Kudrunhandlung erweist sich, dass unter vergleichbaren weltlichen Bedingungen das Motiv des Leidens mit Hilfe christlicher und
antiker Vorstellungen zu einem Hochlied der Treue zum Verlobten
und zur Sippe werden kann. Welches Bewandtnis es jedoch auf sagengeschichtlicher Ebene mit dem Verlobten, wie auch mit seinem Nebenbuhler hat, wurde in den vorigen Kapitein erörtert. Mit anderen Forschern glaube ich annehmen zu diirfen, dass die Ausgestaltungen des
Frauenraubzugs, der Verlobungen und Heiraten, spatere Zutaten sind,
die dem dichterischen Drang des Dichters bei der Bearbeitung historischer Gegebenheiten entsprachen. Germanische Heldensage im landlaufigen Sinne dürfte in dem Gudrunteil kaum zu finden sein. Sogar
die Gestalt der Gudrun wird nirgends ausserhalb unseres Epos sichtbar. In keiner Weise ist es bis jetzt gelungen, eine Dichtung, die den
Namen der Hauptheldin führt, auch nur wahrscheinlich zu machen.
Sie scheint eher ein von der Hildesage abhangiges Leben geführt zu
haben, der Gudrunstoff setzt die Bekanntschaft mit Hildestoff voraus.
Eine historische Frauenraubgeschichte in Holland hat den Grundstock
für Gudruns Raub geliefert. Ihr Schicksal und ihre Gestalt werden in
eine christliche Denk- und Gefühlswelt eingebettet. Ihre Standhaf tigkeit im Ausharren und im Dulden lassen sich mit Vorbildern aus den
Acta Sanctorum vergleichen, obwohl eine andere Sinndeutung offenkundig ist.
Martinis Feststellung, die seelische Entfaltung Gudruns im Leiden
beweise den zunehmenden Einfluss des höfischen Romans auf die
Sagendichtung, führt uns zu einem der Leitmotive der höfischen Dich­
tung und der Zeit des Entstehens der Gudrundichtung. Es fragt sich,
ob "die innere Umformung eines ausserhöfischen Stoffes in höfischem
Geist", wie sie Helmut de Boor für das Kudrunepos annimmt, nicht
durch Umdeutung aus der Vielschichtigkeit der christlichen, germanischen und antiken Werte heraus zustande gekommen i s t . Man denke
dabei besonders an die staete, die Festigkeit. Die Frage wird natürlich
zum Problem, doch die erörterten Parallelen lassen sie als berechtigt
erscheinen: Es wurde auf die Seelenstarke und die Festigkeit in den
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Frauenviten hingewiesen, besonders wurde die unwirtliche Natur als
Leidensquelle für die Heldin hervorgehoben. Wenn man sich im Sinne
der gestellten Frage entscheidet, würde man die Gestalt der Gudrun
weitgehend aus den aufgezeichneten (oder ahnlichen) Vorbildern erklaren konnen; denn wenn man diese als Ausgangspunkt betrachtet,
kann man genetisch erklaren, wie Gudrun "zur Verherrlichung der
höfischen Kardinaltugend staete entworfen" worden i s t . Die hófische
Tugend der staete hat sich am konkreten Fall der Gudrun verwirklicht.
Wie es dazu kam, wird durch "die innere Wegrichtung" angegeben,
"die der höfische Roman dem ritterlichen Lebensgefühl und seiner
Lebensverpflichtung absteckt".
Michael Siedlmayer deutet diese
Wegrichtung als "den Vorgang, in dem die Erfahrung der Heiligen
in die Erfahrung des Saecularen umgesetzt wird, bzw. die Analogie,
in die das Innerweltliche damit zum Transzendenten eintritt". Dabei
können die gleichen Motive unterschiedlich behandelt werden und so­
gar verschiedene Funktionen haben, doch die Einzelperioden werden
von den gleichen Topoi bestimmt, wie ich schon in meinem Beitrag
"Kudrun und die Legendendichtung" gezeigt habe.
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Aus dieser Sicht heraus kommen manche Charakterisierungen der
Gudrungestalt besser zur Geltung: Man hat sie (wohl etwas einseitig)
"eine weltliche Martyrerin", "eine weltliche Heilige" genannt. Mit
Recht drückt Hilgers sich vorsichtiger aus. Auch für ihn ist Gudrun
"wie eine Gestalt aus der Heiligenlegende", obwohl wir "die Leidenszeit der Königin nicht unter dem Blickwinkel des christlichen Martyriums sehen" dürfen. Ihr Weltbild ist epenhaft ausgemalt. Nach­
dem ich auf die stoffgeschichdiche Bedeutung der Legende für den
Gudrunteil des Kudrunepos hingewiesen habe, ist auch Werner Hoff­
mann in seinem Kudrunbuch "durchaus geneigt, die Erzahlung von
Kudruns standhaftem Sichwehren gegen die Ehe mit Hartmut und
ihren Leiden quellenmassig auf die Legende zurückzuführen...
Legendare Motive und Züge sind (möglicherweise) in das neue Ganze
der Dichtung eingeschmolzen worden — und empfangen in ihm und
von ihm ihren neuen, unlegendaren Sinn".
In dem Wesen der
Gudrungestalt vereinigt sich "Altüberliefertes und Modernes, Angeborenes und Erworbenes". Wie sie vor uns steht, gehort sie in den
höfischen Kulturkreis. Es ist aber nur bedingt wahr, dass man "zu
tieferen Schichten der Dichtung durchstossen" kann, wenn man "das
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höfische Gewand abstreift". Das Kudrunepos, dessen Ausformung
quellenmassig in Nordfrankreich und in den Niederlanden anzusetzen
ist,
hat die starken Umwalzungen verschiedener Kulturkreise erfahren. In der Kudrun kam es zu einer Einigung zwischen der germanisehen Kriegerkultur einerseits und der kirchlichen Ordnung und
der Überlieferung der lateinischen Kultur anderseits. Mit Gustav
Neckel kann man sagen: "Der Vorgang ist stilgeschichtlich, man kann
auch sagen kostümgeschichtlich sehr interessant; seine stoffgeschichtliche Seite geht eigentlich in der stilgeschichtlichen auf, insofern wir
unter dem Druck stilistischer Bedürfnisse, unter dem Einfluss gleichsam des neuen Bodens und Klimas die verpflanzten Gebilde sich umgestalten sehen. Der Boden und das Klima sind das Wichtige".
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Das Eindringen christlicher und antiker Elemente in die nordische
Tradition bedeutet zwar viel, ist aber nicht das Wichtigste: "Das
Wichtigste ist das neue Lebensgefühl, das diese Literatur beherrscht,
die eigentümliche, wild-ernste Ergriffenheit, womit sie alles vortragt,
die Vorliebe für elegische Stimmungen und für prachtige, ruhende
Bilder mit verschwimmenden Umrissen. In diese Welt würde eine
Kampfschilderung nordischen Stils schlechterdings nicht hineinpassen.
Sie würde zu grell wirken". Wie an Hand der normannischen Geschichtschreibung und der Legende gezeigt wurde, war man im Westen
bestrebt, das Kampferische der Wikingerart und des typischen Hildestoffes abzuschwachen und umzubiegen. Im Grunde genommen ist das
Kudrunepos als Ergebnis dieser Bestrebungen untragisch: Die Kampfe
enden jedesmal mit versöhnlichem Ausgang. Das steht im Gegensatz
zu den nordischen Fassungen des Hildestoffes, woraus die Kudrun zum
Teil hervorgegangen i s t . Der Kampfgeist der Wikinger ist unter dem
Einfluss einer christlicher Atmosphere gemildert. Das geschah in der
Normandie und im Nordseeraum.
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Rückblickend kann man sagen, dass die Kudrunhandlung im Neckelschen Sinne ihren Lauf genommen hat: Die elegischen Bilder gesellen
sich zu den "prachtigen, ruhenden Bildern mit verschwimmenden Um­
rissen". Die Strophen 1165-1235 bringen eine Naturschilderung, die
der "Stimmung" der Haupttragerin der Handlung angepasst ist. Diese
ist die Geschichte der Gudrun, die geraubt wurde, um ihr Leben in
Knechtschaft zu fristen. Es ist die Darstellung eines Schicksals, das
durch die tyrannische Haltung der Mutter des Raubers und durch die
furchtbaren Klimaverhaltnisse bestimmt wird. Der Epiker nahm eine
Tradition als Vorbild zur Gestaltung seines Stoffes. Das beweist die
gleiche Grundthematik: Die Verbundenheit des Menschen mit der
Natur. Sie hat insofern eine Verscharfung erfahren, als die Natur
zum Feind wird, dem Gudrun durch die bose Mutter ausgeliefert wird.
Der Wiederbeginn in Str. 1165 bezeugt eine schöpferische Arbeitsweise, die auf die Haltung des Epikers zu seinen Quellen hinweisen
kann. Die künstlichen Gliederungen und die Gegensatze, die aufgedeckt worden sind, können die Verschiedenheit der Vorlagen verraten. Dass der Epiker sich hier ausschliesslich auf seine eigene Erfindung verlassen habe, klingt nicht wahrscheinlich. Kudrunforscher
sind im allgemeinen bereit anzuerkennen, dass der Schöpfer des Epos
"ohne erwahnenswerte Vor- und Nachgeschichte" reichlich vorhandenes Überlieferungsgut verwendet hat. Es gibt manche Anklange,
"die kaum auf Zufall beruhen dürften". Dabei gelingt es nur streckenweise, die Faden zu entwirren. Die kombinierende Arbeitsweise des
Epikers lasst eine Vielfalt von Quellen durchblicken. Man hat demzufolge in seiner Arbeit eine ganze Reihe von Diskrepanzen und Widersprüche entdecken wollen. Es wurde ihm einerseits "Mangel an Gefiihl
für die Erfordernisse der Gesamtperspektive", "Mangel an künstlerischer Begabung" vorgeworfen, anderseits hat man darauf hingewiesen, "dass sachliche Unstimmigkeiten einem künstlerischen
Zweck dienen können". Wir haben dargetan, dass der Abschnitt in
der Kudrun, der die Situationen schildert, die die Befreiung der Heldin
einleiten, deutlich auf die künstlerische Gestaltung des Stoffes hin­
weisen. Die Wascherinszene am Meeresstrand, die typischen Umstande,
die die Lage der Befreier und der Gefangenen unterschiedlich kennzeichnen: sie alle zeigen, wie gut der Dichter sich in einem weit verzweigten Überlieferungsbereich auskennt. Vieles, was den Epiker unmittelbar zur Schilderung der Situationen angeregt haben dürfte, ist
uns verloren gegangen. Die überlieferten Texte, die hier angeführt wurden, wollen nur auf die möglichen Einflüsse dieser Literatur aufmerksam machen. Sie lassen sichtbar werden, dass faktische Unmöglichkeiten und Gegensatze auf literarischem Wege in das Epos hineinkommen können und sogar als solche bewusst gewollt sein können.
Die unterschiedlichen Elemente, die diese Gegensatze verursacht
haben, sind am wahrscheinlichsten dort in die Kudrun aufgenommen
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worden, wo sie auch bezeugt sind. Es wird kaum Zufall sein, dass die
in Frage kommende Tradition diesseits und jenseits des Armelkanals
und der Nordsee bekannt war. Dort sucht man auch mit Recht die
historischen und geographischen Hintergründe der Kudrun. Die Verwurzelung und die Entwicklung des Epos in der Nahe dieser Seelandschaft ist auch dann noch anzunehmen, wenn die Szenen an Hand
literarischer Realitaten ausgeformt sind. Die Authentizitat des Milieus
in literarischen Werken bedingt nicht immer die Faktizitat der Einzelheiten des Geschehens. Die Literatur hat ihre Eigengesetzlichkeit.
597
Abschliessend kann ich die Frage der Meeresszenerie und die damit
zusammenhangenden Leiden der Gudrun nicht besser als mit den
Worten Jellineks zusammenfassen: "Woher auch immer der Dichter die
Szene hat, er hat sie aufgenommen, weil sie ihm gefiel. Das ist das
Primare, die Schwierigkeiten ergaben sich aus der Notwendigkeit der
Einfügung in den Rahmen der Erzahlung". Der Autor hat den stofflichen Zuwachs planmassig und künstlerisch zu nutzen gewusst, indem
er die Strandszene als Einleitung zur Befreiung der Heldin verwendete. Er hat versucht die ihm überkommene Überlieferung in das Ganze
der Kudrungeschichte einzugliedern, indem er einerseits die Gegensatze zwischen Gudruns trostloser Lage in literarischer und kunstgerechter Weise auspragte, indem er die Schicksale der Jungfrau im Normannenreich mit poëtisch und menschlich ergreifenden Szenen ausstaffierte.
Daraus ersieht man, dass der Epiker die überlieferten Züge nicht mecha­
nisch übernommen hat, sondern dass er sie dem Gefüge des epischen
Werkes angepasst hat. Die Leidenszeit bildet ein organisches Glied im
Handlungsverlauf des Gudrunteiles, denn die Entführung der Jungfrau
von Übersee mündet in eine Rückentführung aus, da die gesteigerten
Leiden, die Gerlint ihr zufügt, schliesslich die Handlung wieder an den
Meeresstrand verlegen, wo die Befreier aus eigenem Lande sie treffen.
Das "Woher" dieser Strandszene hat, wie ich glaube, in den vorhergehenden Seiten eine Antwort gefunden. Die Schwierigkeiten, die sich
"aus der Notwendigkeit der Einfügung in den Rahmen der Erzahlung"
ergaben, sind in einer Weise gelost worden, die besser ist als der Ruf
des Kudrundichters erwarten lasst.
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VIERTES KAPITEL
DIE SEEFAHRT N A C H ORMANIE
In der Kudrun machen sich gewisse Tendenzen zum Wunderbaren,
zum Legendarischen, ja man kann fast sagen zum Marchenhaften
bemerkbar. Ganz besonders tritt diese Neiging bei der Rachefahrt
der Hegelingen nach Ormanie, hervor, wie diese in Str. 1124-1144
erzahlt wird. Die Schiffe werden durch Südwinde in das gefürchtete
vinster mer verschlagen, das alle Eigenschaften des Lebermeeres hat.
Dort wird die Hegelingenflotte vor dem Berg Givers von Magneten
festgehalten. Die Dichtung knüpft an dieses Abenteuer Wates wazzermaere an (Str. 1127-1131). Müllenhoff und Martin erblicken in dieser
Episode Schiffermarchen, wie diese besonders durch die Legende vom
Heiligen Brandan feste Gestalt und Verbreitung gefunden haben.
Panzer hat dann in einzelnen gezeigt, dass der Dichter seine Erzah­
lung nicht nach der Navigatio Sancti Brandani, sondern nach einer
verlorenen deutschen Version der Reise desselben Heiligen festgelegt
habe. Panzer ist der Meinung, dass es vermutlich ein mittelfrankisches
Gedicht aus der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts gewesen sei, aus
dem das erhaltene mitteldeutsche Gedicht Von sente Brandan (13./14.
Jahrhundert), das niederdeutsche Gedicht aus dem 15. Jahrhundert,
das Volksbuch von St. Brandan, das ebenfalls dem 15. Jahrhundert
zugehört, und weiter das mittelniederlandische Gedicht De reis van
Sinte Brandaan hervorgegangen s i n d .
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Es muss hervorgehoben werden, dass gerade in dieser Kudrunepisode
der landschaftliche Gesichtskreis des Mittelmeeres einbezogen worden
ist. Die Forschung hat diesen Zug als einen Beweis für die junge Entstehungszeit der Kudrun aufgefasst. Symons schreibt zum Beispiel:
"In diesen zusammenhang gehort es auch, wenn das irdische paradies
der Brandanlegende in einen berg, den magnetberg, versetzt und dieser
mit dem Aetna {Givers s. zu 1128,4) identifiziert wird; die fahrt der
Hegelingen nach Ormanie gestaltete sich für die phantasie des dichters
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zu einer fahrt nach Sizilien. Die einwirkung der letzten kreuzzüge, insbesonders der kreuzzugs Friedrich II., zeigt sich im kostüm und im
kolorit der Kudrun in unverkennbarer weise." Martin jedoch hat in
seiner Kudrunausgabe aus dem Jahre 1883 glaubhaft machen wollen,
dass nur die Kreuzfahrt aus dem Jahre 1217 wirklich gemeint sein
kann. Unter dem Oberbefehl der Grafen Wilhelm von Holland und
Georg von Wied schifften sich die Kreuzfahrer, unter denen sich
namentlich die Friesen auszeichneten, bei Vlaardingen an der Maas
am 29. Mai 1217 ein. Karl Droege kniipft an Martins Worte an. Er
meint, dass die Erzahlungen von dem festen und dem finstern Meer,
wie sie den Friesen bekannt waren, schon als Vorstufe der Sage vorhanden gewesen sind. Gewisse Züge und Zusammenhange der Kudrun
Str. 1117-1141 lassen sich aus dem Bericht Adams von Bremen in den
Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum IV, 40-41, worauf Droege
im Vorübergehen hingewiesen hat, besser erklaren als aus der Brandanlegende, die Panzer für einen kleineren Teil der Kudrun, namlich
Str. 1125-1134, herangezogen h a t . Panzer hat gewiss recht, dass an
mehreren Stellen der Wortlaut der Legende, wie sie im Mittelhochdeutschen sowohl wie im Mittelniederlandischen oder nur in einer der
beiden Fassungen erhalten ist, wiederkannt werden kann. Die Brandanlegende hat mehrere mittelalterliche Berichte beeinflusst, zumal im
Norden, so z.B. die Nordpolreise des Gormo und Thorkillus, die an­
derseits auch aus dem Bericht Adams über die Nordpolfahrt der Friesen
geschöpft h a t . Auch im-Falie der Kudrun scheint es mir zumindest
wahrscheinlich, dass derselbe Bericht Adams von Bremen unter Benutzung der Brandanlegende der Grundstock für die wunderbare Wasserfahrt Wates gewesen ist. Eine solche Annahme erklart m.E. zum guten
Teil die Unterschiede, die die Kudrundichtung der Brandanlegende
gegenüber hat. Panzer hat übrigens den Kudruntext durch eine öfters
sehr verschlungene Beweisführung und eine förmliche Parallelsuche in
verschiedenen Brandanabenteuern und in mehreren Brandantexten zu
klaren versucht. Aus dem Vergleich, den wir zwischen Adam von
Bremen und der Kudrun anstellen wollen, lasst sich manches auf
weiteren Strecken und auf einfachere Weise erlautern.
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Als die Hegelingenflotte absegelt, erklingt ein Lied der Krieger
(Str. 1117,3-4):
si huoben sich dannen
mit freuden und mit schalie.
dó si zuo den schiffen giengen,
die guoten titter hórte man singen alle.
Hat der Dichter wirklich "an die Kreuzfahrer" gedacht, "die beim
Abfahren ein Kreuzlied anzustimmen pflegten"? Man vergleiche die
Abfahrt der Friesen bei ihrer Erkundigingsfahrt in die nördlichen Gewasser, wo nulla terra occurrit praeter Mud mare, quod Liberse dicitur.
Cuius rei novitate pervestiganda coniurati sodales a littore Vresonem
laeto celeumate progessi sunt. Nansens Übersetzung des letzten Satzes
lautet: "Um diese merkwürdige Erscheinung zu untersuchen, hatten
sie sich eidlich miteinander verbunden, und fuhren unter fröhlichem
Gesang von der Kuste der Friesen ab". Der geleistete Eid der Schiffmannschaft wird öfters bezeugt, auch in der Kudrun Str. 286, wo die
da hi in fuoren, mit gestabeten eiden ze béhaltene si dö alle
swuoren.
Unter Hörants Führung segeln sie ab. Auf dem Wülpensande, wo
die Söhne der Vater Grab besuchen, treffen sie mit Sivrit und seinen
Mannen zusammen. Im Süden wohnt der Feind: si woken der von
Ormanie varen (Str. 1123,4). Südwinde jedoch treiben sie an den Berg
ze Givers: Ze Givers vor dem berge lac daz Widen her (Str. 1126,1), in
dessen Nahe sie durch Magnetsteine angezogen werden: magneten die
steine héten si gezogen (Str. 1126,3). Im Innern des Berges lebt ein
wunderbar reiches Volk. Der Sturm hat die Flotte in das vinster mer
getrieben, wo zeitweilig Windstille, Nebel und eine grauenhafte Starrheit des Meeres die Umwelt der unglücklichen Schiffer bilden (Str.
1126-1134).
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W7
Panzer meint, das Vorkommen des Berges dadurch erklaren zu
können, dass der Dichter den glühenden Berg (in dem im Brandan die
Holle sich befindet) in das sich anschliessende Brandanabenteuer der
Paradiesinsel (die frei und offen im Meer daliegt) einbezogen hat.
Berichte über Artus, der sein Feenreich im Atna hatte, sollen den
Kudrundichter veranlasst haben, das Paradies in den Berg Givers, d.h.
den Atna zu versetzen. Der Dichter soil weiter aus dem mhd. Brandantext V.432-433:
ein nebel der was dicke
vor einem berge glündinc
das genibele in Kudrun Str. 1134,1 hergeleitet haben.
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Die Schilderung in der Kudrun mag "sachlich unklar" s e i n ,
die
Deutung der Einzelheiten, wie diese von Panzer vorgeschlagen wird,
scheint doch ziemlich weit hergeholt zu sein. Das genibele, eine Kollektivbildung zu nebel, erklart sich hinlanglich aus der Beschreibung
des mare caligans. Adam von Bremen IV,40 erzahlt, dass die Friesen
immer nordwarts fahrend plötzlich in der nebeligen Finsternis des
erstarrten Ozeans ankamen, die man kaum mit den Augen durchdringen kann: subito collapsi sunt in illam tenebrosam rigentis oceani caligenem, quae vix oculis penetrari valeret?
Das passt gewiss zum Charakter des finsteren Meeres, das in Kudrun Str. 1126,2; 1128,2 und
1134,2 erwahnt wird.
10
Die Siidwinde — In kómen sunderwinde, die sluogens uf dem sê, daz
edele ingesinde — passen zum Sachverhalt. A. Fr. Falconer, lieutenant/
commander, Royal Naval Reserve, schreibt in seinem Buch Shakespeare
and the Sea: "the south and the south-west winds are . . . associated with
'black vapour' and pestilence . . . the warmer southerly winds can
produce fog if they blow over a land surface that has been cooled. The
south wind thus became associated with fog". In der Wikingerzeit
sind ahnliche Vorstellungen schon bekannt gewesen. Wikinger pliinderten im Jahre 845 die neustrische und flandrische Kuste. An die
Plünderung eines bestimmten Klosters knüpft sich dann eine Geschichte von einer schrecklichen Finsternis (tenebrae), die die iibermütigen Wikinger auf ihrer Heimfahrt traf. Walther Vogel meint zu
diesem vielfach überlieferten Bericht: "Es scheint, dass ein dichter
Nebel die Seefahrer langere Zeit an derselben Stelle festbannte, dass
Mangel an Lebensmitteln dadurch eintrat und dass schliesslich — vielleicht infolge eines abnormen Temperaturwechsels von kalt zu warm —
eine ruhrartige Seuche unter ihnen ausbrach, der ein grosser Teil der
Schiffmannschaft erlag . . . In ihrer Not wandten sie sich an ihre Goiter und warfen das Los, um zu erfahren, ob sie ihnen helfen wollten.
Doch die Lose gaben ungünstigen Bescheid. Ein christlicher Gelangener riet ihnen schliesslich, den Christengott um Hiilfe anzugehen;
und siehe da! die Lose verhiessen Errettung.. . " Unschwer erkennte
man in dieser Schilderung einige stehende Züge, die auch in der
Kudrun anklingen. So sagt Wate in Str. 1131,1: Ezzen wir die spise,
ob uns gelinge wol... Und weiter heisst es in den Strophen 1133-1134:
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Die da kristen hiezen, die gefrumten ir gebet.
dó diu schif di stuonden
vaste an einer stet
vier tage lange, ich waene, und dannoch mere,
daz si nimmer dannen koemen, des vorhrten die Hegelinge sêre.
Daz genibele zóch sich hóher,
als ez got gebót.
dó erwageten ouch die ünde; des kómens üz grózer nöt.
durch die grózen vinster
sahen si die sunnen.
dó kom in ein westerwint;
dó was in ir arbeit gar zerrunnen.
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Die sunderwinde sind Ursache, dass die Hegelingenflotte gegen Norden treibt und in das finstere Meer gelangt (Str. 1128):
. . . hie lit versigelet
unser frouwen her
und wir sin komen só verre üf daz vinster mer:
Wate f ahrt unmittelbar mit dem wazzermaere fort:
ich hórte ie sagen von kinde
für ein wazzermaere,
da ze Givers in dem berge ein witez künicriche erbouwen waere.
Man kann dieses Zauberreich in dem Berg ze Givers ohne die Umwege
Panzers, deren Richtigkeit von Jean Carles angezweifelt worden i s t ,
an Hand von Adam von Bremen IX,41 erklaren, denn die Reiseroute
der Hegelingen verlauft wie die der Friesen im Nordmeer:
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Als sie dem gefahrlichen Dunkel und den kaken Raumen entronnen waren,
landeten sie unverhofft auf einer Insel, die durch hohe Felsen ringsum wie
eine Burg befestigt war. Als sie zur Erkundung an Land gingen, trafen sie
Menschen, die sich zur Mittagszeit in unterirdischen Höhlen verborgen
hielten. Vor ihren Turen lagen unermesslich viele Gefasse aus Gold und
anderen Metallen, die bei den Menschen als selten und kostbar gelten. Die
Ruderer nahmen soviel von den Schatzen, wie sie tragen konnten, und
kehrten schleunigst frohgemut auf die Schiffe zurück. Da sahen sie plötzlich Menschen von erstaunlicher Grosse hinter sich her kommen, die wir
Kyklopen nennen. Vor ihnen liefen Hunde her, die an Grosse gewöhnliche
Tiere weit übertrafen; einen der Gefahrten konnten sie beim Nachsetzen
packen, und schon war er vor ihren Augen zerfleischt. Die anderen aber
erreichten die Schiffe und entrannen der Gefahr, obwohl ihnen die Riesen,
wie sie erzahlten, schreiend bis weit hinaus aufs hohe Meer folgten. So
erreichten die Friesen, vom Glücke geleitet, Bremen, wo sie Bischof Alebrand
alles der Reihe nach schilderten und dem gütigen Christus und seinem
Bekenner Willehad für ihre Rückkehr und Errettung Dankopfer darbrachten.
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Die Fahrt der Hegelingen auf dem finstern Meer, wo ein Wunderland
sich befindet, führt uns nach denselben nördlichen Regionen Europas,
wo die Friesen in das Lebermeer gerieten und wohin Adam von Bremen
das dunkle oder nebelige Meer verlegt hat. Überdies führt uns das Reich
der Kyklopen im Norden auf das unterirdische Reich ze Givers in dem
berge.
Zu diesen Kyklopen in Adams Text hat Nansen bemerkt: "Die
Cyclopen von ungeheurer Grosse, und ebenso die Goldschatze, deren
Hüter sie sind, stammen ursprünglich aus der klassischen Literatur,
obschon Adam sie aus alteren Schrifstellern des Mittelalters entlehnt
haben kann, und nordische Vorstellungen von dem riesenhaften Jotnern im nordischen Jotunheim können auch dazu beigetragen haben, sie
mit dem Schauplatz zu verknüpfen". In einer Notiz erwahnt Nansen
ebenfalls die Riesen als die Hüter grosser Schatze in der Geschichte
von Gormo und Thorkillus, die Saxo uns im neunten Buch seiner dani­
schen Geschichte überliefert hat. Paul Herrmann weist darauf hin, dass
Saxo die Geschichte Adams gekannt h a t .
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Der klassische Ursprüng der Kyklopen steht ausser Zweifel. Diese
Gestalten aus der griechischen Sage, mit ihrem einen Auge auf der
Stirn, wurden als Schmiede des Hephaistos im Atna lokalisiert. Aber
das ist, wie Kudrun es ausdrückt, ze Givers in dem berge, denn Müllenhoff hat nachgewiesen, dass der Name Givers auf Monte Gibello,
mons Gyber, die ursprünglich arabische Benennung des Atna, zuriickzuführen ist. Die Kreuzfahrer, worunter besonders die Friesen eine
hervorragende Rolle gespielt haben, haben den Berg auf ihren Fahrten
im Mittelmeer aus der Nahe kennengelernt.* Der Dichter einer
alteren Gudrunversion, der, wie schon oben gezeigt wurde, am besten
im Nordseeraum zu suchten ist, hat die Kyklopensage im Norden mit
dieser vom bekannten Vulkan im Mittelmeer verknüpft.
Adam von Bremen verdankt seinen Bericht sowohl der gelehrten
Tradition als auch den verschiedenartigen, haufig unter sich nicht übereinstimmenden mündlichen Überlieferungen. Die Erzahlung Wates
von dem wunderbaren Reich im Berge, in dem es Gold und Silber
sowie Edelsteine in Hülle und Fülle gibt, stammt nach Mudrak aus
der Volksüberlieferung, ja sogar nach Wates eigenen Worten aus der
mündlichen (Str. 1128,3-4):
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ich hórte ie sagen von kinde für ein wazzermaere,
da ze Givers in dem berge
ein witez künicriche erbouwen waere.
Und er fahrt fort (Str. 1129-1130,1):
Da leben die liute schóne; só riche si ir lant,
dê diu wazzer vliezen,
dl si silberin der sant:
da (mite) muren si bürge. daz si dl hènt für steine,
daz ist golt daz beste. ja ist ir armuot(.. .)kleine.
Und (hórte) sagen mêre
— got würket manigiu were —:
Diese Einzelheiten scheinen ziemlich zu den Angaben Herodots und
parallelen Quellen zu stimmen. Die einaugigen Arismasper, die spater
den einaugigen Kyklopen gleichgesetzt werden, wohnen im Norden
am Ende der Welt. Der Boden ihres Landes birgt G o l d .
Nun
hat Panzer aus den Brandantexten verschiedene Stellen zusammengetragen und sie neben die Kudruntexte gestellt. Die Ahnlichkeit im
Wortlaut ist öfters verbluffend, doch die Stellen des Brandan stammen
aus mehreren Abenteuern, die keine geschlossene Einheit bilden. Der
Bedenken sind noch mehr. Jean Carles führt die Datierungsschwierigkeiten ins Feld: "Les rapprochements avec l'épopée sont séduisants,
mais un obstacle se dresse, celui de la datation . . . les diverses versions
de la Navigatio Sancti Brandani sont trés postérieures a la composition
de Küdrün et il n'ést prouvé que notre auteur ait connu l'original perdu
qu'on place au X l l e siècle".
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Es entsteht der Eindruck, dass manche Züge des Erzahlgutes, ob
schriftlich oder mündlich überliefert, zu Vortragstücken gehören, die
trotz der Gleichheit des Themas und ihrer Formelhaftigkeit veranderlich waren. Eine Reise in die unbekannte Ferne ist im Laufe der Überlieferung und der Entwicklung mittels eines allgemeinen Themen- und
Formelvorrates geschildert worden. Die in der Odyssee und in der
Aeneis dargestellten Reiseabenteuer haben befruchtend gewirkt. Sowohl Adams Nordpolfahrt der Friesen, als auch Brandan und Herzog
Ernst haben aus dem Schatzhaus des klassischen Altertums die Kyklopensage entlehnt. In wieweit die mittelalterlichen Werke einander beeinflusst haben, ist schwer zu ermitteln, da wir für das 12. und das
13. Jahrhundert nicht mit starren Grossen rechnen können. Neben
der Umfarbung innerhalb der Erzahlung, kann ein Erzahlthema in ver624
schiedene Epen, mit jeweils verschiedener Sphere, eingefügt worden
sein. So zeigt Adams Schilderung Züge einer Raubfahrt, die auch der
Kudrun nicht fremd sind. Man vergleiche Adam IV,41:
Vor ihren Turen lagen unermesslich viele Gefasse aus Gold und anderen
Metallen, die bei den Menschen als selten und kostbar gelten. Die Ruderer
nahmen soviel von den Schatzen, wie sie tragen konnten, und kehrten
schleunigst frohgemut auf die Schiffe zuriick.
und Kudrun Str. 1129,1 und 4:
Da leben die liute schóne; só riche si ir lant,
daz ist golt das beste,
ja ist ir armuot (...) kleine,
und weiter Wates Worte: Kudrun Str. 1131,2-4:
: "só sul wir vazzen vol
unser schif diu guoten
mit edelem gesteine.
kom wir da mite widere,
wir gesitzen froelich noch dè heime".
Brandon, der auch ahnliche Vorfalle schildert, hat eher die modifizierten Elemente einer Legende, und Herzag Ernst lasst deutlich die
Kreuzzugszeit durchblicken. Dieser Reichtum der eingeströmten Traditionsimpulse wird zum Teil auch die Parallelen und die Verschiedenheiten in Kudrun und Brandon erklaren helfen. Der Verlauf der Seefahrt in der Kudrun jedoch ist in seiner Gliederung der Nordpolfahrt
der Friesen am ahnlichsten. Den Hegelingen der Kudrun, für die
man doch friesische oder niederfrankische Beziehungen annehmen
darf, und den Friesen war das Nordmeer der natürliche Horizont.
Das erhellt auch aus der mhd. Dichtung Merigarto, deren Verfasser
von verschiedenen Meeren, insbesondere von dem Lebirmeere berichtet. Gemeint ist das nördliche Eismeer, das ihn zu Mitteilungen über
Island verleitet, wie er sie von einem Utrechter Geistlichen, namens
Reginpreht, vernommen hat. Der Verfasser stützt sich also auf Erfahrungswissen, das er in Utrecht vorfand. Diese Stadt, wo sich friesische
und niederfrankische Kultureinflüsse begegneten, hatte im 12. Jahrhundert "als Abfahrtsort einer Islandreise recht gute Papiere aufzuweisen", hatte doch nicht viel gefehlt, "so ware Utrecht die Hauptstadt
einer niederrheinischen Normandie geworden". Die "friesische Me625
626
tropole" Utrecht war wohl der geeignete Ort, wo man über die nördlichen Meere horen konnte, auch über das Lebermeer, das in die Nahe
der Insel Island versetzt wurde.
Der Berg, der sich in diesem Meere befindet und in dessen Innerem
Leute mit ungekannten Schatzen leben, ist sowhl dem Namen nach
{Givers = Atna), wie auch was seine Bewohner und deren Reichtum
betrifft, ein Abbild einer klassischen Kyklopensage. Adam von Bremen
hat diese gekannt und sie an nördliche Vorstellungen des finstern
Meeres angeknüpft, wozu eine Erkundigungsfahrt friesischer Seefahrenden Anlass gab. Der Verlauf einer solchen Seereise spiegelt sich in
der mühseligen Fahrt der Hegelingen wieder. Der Wortlaut mag in
manchem an gewisse Brandanabenteuer erinnern, es sind aber auch
anderswo ahnliche, stehende Züge zu verzeichnen. Panzer hat das Verdienst, auf die Gleichheiten in diesen Brandantexten und unserer Ku­
drun hingewiesen zu haben, nachdem schon Müllenhoff auf sie aufmerksam gemacht hatte. Seine Erklarung dieses Kudrunabschnittes
krankt jedoch an einem Übermass an Kombinatorik. Adams Friesenfahrt bietet als Parallele aus dem 11. Jahrhundert, also aus einer Zeit
vor dem Brandon, einen besseren Zusammenhang. Das wird nicht wundernehmen, ist doch die Kudrun ein Epos, in dem die Friesen eine auffallende Rolle spielen.
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Wenden wir uns den Magnetsteinen zu, die in der Kudrun mit dem
ungastlichen Meere aufs engste verbunden sind. Man hat gemeint, sie
seien mit der Sage von dem Magnetberg identisch, ohne Zweifel orientalisch und ihre wunderbare Kraft sei diesen Steinen eben zugeschrieben worden, um die Richtung der Magnetnadel zu erklaren. Dabei
ist einiges sehr bemerkenswert. Die Araber, die schon früh grosse Teile
der griechischen Literatur erhalten haben, u.a. die Reisebeschreibungen
Nordeuropas, und ausserdem mit Nordlandern in Verbindung standen,
haben von dem finstern Meer an den aussersten Grenzen im Norden
gewusst. Diese Orientalen, mit ihrem Sinn für das Wunderbare, boten
Darstellungen des Nordens, die ins Sagenhafte reichten.
Dennoch
fallt zweierlei auf. Erstens versetzen die Araber in ihrer Literatur den
Magnetberg nicht in das Lebermeer, wie das im mhd. Herzog Ernst
der Fall ist. — Zum Herzog Ernst kann man übrigens bemerken, dass
in ihm eine Verbindung der typischen nordeuropaischen Vorstellung
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des finstern Meeres mit der orientalischen Sage vom Magnetberg vorliegt. — In Tausendein Nachten sind es zuerst vielmehr die reissenden Strömungen, die das Schiff zum Fusse des Magnetbergs führ e n . Zweitens ist in der Kudrun die Rede von magneten die steine
(Str. 1126,3), oder einfach von magneten (Str. 1130,2), die die Schiffe
der Hegelingen vor dem Berg Givers festhalten. Der Magnetberg, den
viele Forscher in die Kudrun hineininterpretieren, und an dem die
Schiffe im Herzog Ernst und in Tausendein Nachten scheitern,
wird nicht genannt. Wenn man mit Panzer geneigt ist, den Brandantexten einen überwiegenden Einfluss auf die Gestaltung des behandelten Kudruntextes beizumessen, so kann man auf den Comburgischen
Brandantext V.441 Daer ligghen steene in die zee hinweisen. Damit
sind Magnetsteine, kein Magnetberg, gemeint. Im Gegensatz zu Wate
kommen Brandan und seine Gefahrten den Magneten nicht zu nahe.
Eine Stimme wamt sie, und sie verlassen baldigst die Leverzee. Von
einem Berge ist in dieser Brandanpartie nicht die Rede. Die Magnetsteine liegen offenbar auf dem Meeresgrund. Auch in diesem Punkte
scheinen mir Panzers Erklarungen nichts weniger als einleuchtend.
Eine Bemerkung des Kudrunforschers Jean Carles ist weit fruchtbarer. Er schreibt: " . . . ici se croisent et s'associent deux thèmes legendaries", und ferner: "Certes, chacun de ces motifs, pris séparément (er
meint den Magnetberg und das finstere Meer) a connu . . . une certaine fortune". Dennoch bleibt ihm die Geschichte ein Seemansgarn,
dessen Knauel er nicht entwirren kann: "L'éditeur du poème, qui désire
donner a l'episode une précision accrue, ne prend done pas garde qu'il
crée deux contradictions: les ancres, dans ses vers, sont déja accrochées
au fond de la mer quand, dans 1 epopee, Wate donne l'ordre de les
faire descendre; d'autre part, l'opération, possible dans YUr-Kudrun, oü
les marins ne sont pas encore parvenus a la mer ténébreuse, est impossible dans l'épopée, car leurs embarcations y flottent déja". Die
Verwirrung in dieser Kudrunepisode wird fortbestehen solange man
Str. 1126 dahin deutet, dass von dem Magnetberg die Rede ist. In
Wirklichkeit sind ze Givers vor dem herge (Str. 1126,1) und magneten
die steine (Str. 1126,3) nicht dasselbe. Schon lange vor dem Entstehen
der uns bekannten Kudrun wurde in Nordeuropa von diesen wunderbaren Steinen gefabelt. So erzahlt die Geschichte von Branvoen in den
Mabinogion, dass König Matholwch beim Herannahen des Feindes
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schnell die Brücke über den Fluss Llinon zerstören liess, denn zu Schiff
war der Fluss nicht passierbar, weil Magnetsteine darin lagen. Der
Text der Branwen soil um das Jahr 1100 entstanden s e i n . Man sieht
also, dass die Magnetsteine in dem Flussbett eine ahnliche Rolle spielen
wie die auf dem Meeresgrund in der Kudrun und in Brandan. Von
einem Magnetberg ist wieder nicht die Rede. Das kann auch von einer
Bezeichnung auf Walpergers Karte aus dem Jahre 1448, die möglicherweise unter dem Einfluss Adams von Bremen steht, gesagt werden.
Nordwestlich von Norwegen liest man auf dieser Karte in lateinischer
Sprache: "Auf diesem grossen Meere fahrt man nicht, wegen der Magnete". Diese Belegstellen dürften genügen, das Vorhandensein gefahrlicher Magnetsteine in nördlichen Gewassern, zumindest in der
Literatur, zu beweisen, ohne dass die offenbar orientalische Vorstellung
des Magnetberges auftaucht.
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Jean Carles misst dem Einfluss des Herzogs Ernst auf die Kudrun
grosse Bedeutung bei. Auf die orientalischen Tradition in diesem Werk,
besonders in Bezug auf die fragliche Bedeutung des Magnetbergs, den
mehrere Forscher in die Kudrun hineininterpretiert haben, wurde schon
hingewiesen. Der orientalische Ausblick kann auch für Carles nicht
zur Klarung der genannten und anderer Schwierigkeiten führen: Nebst
Magneten werden noch Windstille und Westwinde, Grundlosigkeit
des Meeres und Grundwellen, und schiesslich Anker besonderer Legierung erwahnt. Die bisher unverstandlichen Zusammenhange werden
am besten erlautert, wenn frühere Seemannsgeschichten und altes Seemannswissen geprüft werden. Ausser anderen Zeugen wollen wir wie­
der Adam von Bremen befragen. Sein Werk, das ich dem Inhak nach
zusammen mit anderen Überlieferungen als eine Vorstufe für eine
Kudrunepisode angesetzt habe, wird eine Quelle zur Lösung einiger
Probleme sein. Gerade die Geschichte der Kyklopen, die mit ihren
Schatzen in einem Berge gewohnt haben sollen, liess bei dem Kudrun­
dichter den Gedanken an einen Zusammenhang mit dem Atna (Givers)
aufkommen. Diese Geschichte verknüpft den Berg mit den Schatzen,
wie es auch in der Kudrun der Fall ist. Schon von Anfang an steht fest,
dass dieser Berg kein Magnetberg gewesen sein kann. In der Literatur
des Nordens ist vielmehr ein Berg bekannt, der Schatze birgt, und
daneben ein Gewasser mit Magnetsteinen. Ohne Vorkenntnis dieser
Tatsachen musste die Forschung fast unausbleiblich, besonders wenn
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sie Herzog Ernst als Ausgangs- oder Vergleichungspunkt betrachtete,
auf "unklare Vorstellungen" oder die nicht deutlich genug angegebene
Lage der Helden in der Kudrun stossen.
W . Wilmanns hat schon im Jahre 1873 im wesentlichen eine Lösung
angebahnt. Er unterscheidet örtlich das gefahrliche Meer und den Berg,
allein er fasst diesen als den Magnetberg auf. Die von mir aufgestellte
Verschiedenheit der Bilder findet ihre Stütze in der nördlichen Überlieferung: einerseits das Meer mit den Magnetsteinen, anderseits der
Berg mit Schatzen. Sogar Wate scheint diese Einteilung in seinem
wazzermaere vor Augen zu haben: In Str. 1128,4 und 1129 wird von
Givers in dem berge und dem Reichtum seiner Bewohner erzahlt:
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dé. ze Givers in dem berge
ein witez künicriche erbouwen waere.
Da leben die liute schone; sö riche si ir lant,
dé diu wazzer vliezen,
dêt si silberin der sant:
di (mite) muren si bürge. daz si da hint für steine,
daz ist golt daz beste. ja ist ir armuot... kleine.
Dann scheint er in Str. 1130,1-2 das wazzermaere aus einer anderen
Quelle zu erganzen — jedenfalls kan man die Verse als ein zweites konstitutives Element des maere betrachten:
Und hórte sagen mêre
— got würket manigiu were —:
swen die magneten
bringen für den berc,
daz lant hét die winde, swer ir mag erbiten,
der ist immer riche mit allem sinem kunne nach den ziten.
Die Geschichte der Magneten wurde übrigens schon unabhangig von
dem finstern Meer und von dem Berge in Str. 1109 eingeführt:
Ir anker die waren
von isen niht geslagen,
von glockenspise gozzen, só wir hoeren sagen.
von spdnischen messe wéren si gebunden,
daz den guoten helden
die magneten niht geschaden kunden.
Damit scheint der Dichter sich in dieser Strophe auf zwei neue Erfindungen des 12./13. Jahrhunderts zu beziehen: Die Erfindung des
Glockengusses nach einem moderneren und besseren Verfahren, wobei
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spdnischez messe eine wichtige Rolle spielte und die Anwendung
der Magnetnadel, die kraft der geheimnissvollen Magnetsteine funktionierte. Die Seeleute richteten den Kurs ihrer Schiffe, indem sie den
Leitstern, den Polarstern, die Tramontane, beobachteten. War es aber
finster oder nebelig, und waren Sonne und Sterne nicht zu sehen, so
nahm man seine Zuflucht zu der Magnetnadel, die man mit Magnetsteinen gerieben hatte. Über diese wurde jedoch, wie schon oben gezeigt wurde, viel gefabelt. Diese Züge kehren zum Teil in der Kudrun
wieder, zum Teil sind sie in den Berichterstattungen aus der ersten
Halfte des 13. Jahrhunderts vorhanden, die merkwiirdigerweise den
Friesenkreuzzug aus dem Jahre 1218 beschreiben. So schreibt Jacques
de Vitry zu dieser Zeit, dass die Magnetnadel, "mit dem Magnet beriihrt, zum Nordstern weist, weswegen sie den Schiffen auf dem Meere
ganz unentbehrlich ist". Weiter werden in der Kudrun Nebel und
Finsternis, die Kraft der Magnetsteine erwahnt, wie aus den oben
zitierten Stellen und Str. 1134 hervorgeht:
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Daz genibele zóch sich hoher,
als ez got gebót.
dó erwageten ouch die ünde; des kómens üz grózer not.
durch die grózen vinster
sahen si die sunnen.
Die Berichte aus dem Westen, die Seefahrtkenntnisse verraten, machen
den Unterschied der Vorstellungen orientalischer Herkunft klar. So
kann man nicht übersehen, dass wir in der arabischen Literatur nicht
eher von dem Gebrauch der Magnetnadel auf hoher See horen als um
die Mitte des 13. Jahrhunderts, und dass ausserdem die Araber zur Bezeichnung des Kompasses sich des italienischen Wortes bossolo bedient e n . Herzog Ernst, dessen Geschichte sich im orientalischen Milieu
abspielt, spricht wohl vom Magnetberg, nicht aber von den Magneten
und er kann, wie scho Panzer bemerkt hat, die Finsternis auf hoher
See in der Kudrun nicht erklaren. Ursprünglicheres bieten die Über­
einstimmungen zwischen der Friesenkreuzfahrt in den Jahren 12171218 und der Rachefahrt der Hegelingen, worauf die Forschung wiederholt hingewiesen h a t . Besonders K. Droege hat das Auftauchen der
Friesen in der süddeutschen Fassung der Kudrun beleuchtet. Vielleicht
sind auch die Kenntnisse des Jacques de Vitry über die geheimnisvolle
Kraft der Magneten und der Magnetnadel nicht so verwunderlich,
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wenn man weiss, dass er an demselben Kreuzzug beteiligt war, in dem
die Friesen durch ihre Flotte und ihre Belagerung von Damiette weltberühmt wurden. Der Kudrundichter hat möglicherweise die berühmte
Friesenfahrt Richtung Nordpol, die Adam von Bremen uns überliefert
hat, mit einem nicht weniger beriihmten Kreuzzug desselben seefahrenden Volkes mittels literarischer Ausschmückung verknüpft.
Ein weiterer Zug aus dem wazzermaere kann in einer Vorstufe der
Kudrun aus nördlichen Verhaltnissen erklart werden, nl. Str. 1130,3:
daz lant hat die winde, swer ir mag erbiten und Str. 1134,2: dó erwageten ouch die ünde. Es handelt sich hier um eine gefahrliche Windstille, dit mit Fruotes Worten folgendermassen gekennzeichnet wird
(Str. 1132):
Do sprach von Tenen Fruote: "ê mir diu galinê
und minen vartgenözen
taete hie só wê,
ich swüere tusent eide, daz ich nimmer (guot) gewunne,
daz ich vor disem berge mit guoten winden üz (der nót) entrunne."
Man hat allgemein angenommen, dass das aus dem Griechischen entlehnte Wort galinê eine südliche Windstille bedeutet, wie diese aus
dem Mittelmeergebiet bekannt i s t . Gewiss, die Seemannssprache der
Kreuzfahrer und die Zustande, die diese im Mittelmeer vorfanden,
können nachhaltig auf die Gestaltung eingewirkt haben. Wir werden
aber dennoch nicht fehlgehen, wenn wir behaupten, dass der Epiker
die nördlichen Regionen in seinen Schilderungen nicht ausser acht gelassen hat. Zweifelsohne denkt sich der Kudrundichter das vinster mer
und die Hegelingenflotte in nördlichen Gewassern. Wates Wort daz
lant hat die winde, swer ir mag erbiten und Fruotes sehnsüchtiger
Wunsch mit guoten winden üz der nót (ze) entrinnen entsprechen den
westerwinden (Str. 1139,3), die den gruntwellen vorausgehen, wodurch
die schijwende krachten (Str. 1137,2) und daz mer wil toben unde
wüeten (Str. 1138,4). Diese Wetterlage lasst sich ebenfalls in dem
Lebermeer wiederfinden. Adam berichtet namlich, dass die Schiffe sich
dort ohne die Hilfe kraftiger Winde nicht vorwartsbewegen: vix moveri
•possint naves, nisi tempestatis auxilio.^* In diese unwirtliche Gegend
war auch einmal "der weiterfahrene Norwegerfürst Harald" (Harald
Hardrade) geraten:
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Als er mit seinen Schiften die Weite des nördlichen Ozeans durchfuhr und
schliesslich vor seinen Augen der Raum am Ende der Welt sich verfmsterte,
entkam er, umkehrend, nur mit Mühe unversehrt dem galmenden Schlunde
des Abgrunds.
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Nicht viel besser ergeht es den Friesen auf ihrer Fahrt:
. . . jetzt gerieten sie plötzlich in die schwarze Finsternis des erstarrenden
Ozeans, die sich mit den Augen kaum durchdringen liess. Und schon zog
eine bewegte Strömung des Ozeans die unglücklichen, ganz verzweifelten
Seefahrer, die nur noch den Tod vor Augen sahen, zurück zum geheimnisvollen Anfang seines Urgrunds mit gewaltigem Sog dem Chaos entgegen
(— das soil der Schlund dieses Abgrunds sein; . . . ) .
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Zu diesem Ort des Schreckens bemerkt der Text: Dicitur iste locus eorum
ydyomate Ghimmendegop.
Der Name wird mit dem Ginnungagap
identifiziert. N u n heisst es: "Ginnungagap ward so lau wie windstille
Luft". Die Gefahrlichkeit eines solchen Meeres war im Altnordischen
mit einer Kenning bekannt: vagr vindïauss. Kein Wunder, dass die
Hegelingen heilfroh waren, als die ünde erwageten. Es bedeutet ihre
Rettung: des kómens üz grözer wdt.
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Einige Einzelheiten aus den Nordpolfahrten Haralds und der Friesen
scheinen auf den ersten Bliek nicht zu dem Sachverhalt in der Kudrun
zu stimmen. Die Schiffe werden nach Adams Darstellung anscheinend
in einen galmenden Schlund gesogen:
Und schon zog eine bewegte Strömung des Ozeans die unglücklichen, ganz
verzweifelten Seefahrer, die nur noch den Tod vor Augen sahen, zurück
zum geheimnisvollen Anfang seines Urgrunds mit gewaltigem Sog dem
Chaos entgegen (— das soil der Schlund dieses Abgrunds sein); dieses tiefe
Chaos soil die Meeresströmungen, die offensichtlich verschwinden, einsaugen und wieder ausspeien, was mar. gewöhnlich Flutwirbel nennt. Als sie
nur noch Gott um Erbarmen flehten, er moge ihre Seelen aufnehmen, riss
der zurückflutende Meeressog einige Schiffe der Gefahrten weg, die übrigen
aber trieb die wieder ausgespieene Strömung fern von den anderen rückwarts fort. Nach dieser durch Gottes gnadige Hilfe erfolgten Rettung aus
der drohenden Gefahr, die sie mit Augen gesehen hatten, unterstützten sie
mit allen Kraften die Strömung durch Rudern.
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Die geschilderten Erscheinungen gehören mit zu den Meeresbewegungen in den nördlichen Regionen, wo das lebirmeri oder der liberse, illud
mare quod Libersee dicitur (Adam von Bremen IV,40) zu suchen ist.
Nansen, Much und Koch haben die trefflichste Erklarung für die Natur
des fabelhaften Meeres geliefert. Zusammenfassend kann gesagt wer­
den, dass eine Fahrt im Lebermeer eine im Totwasser (engl. deadwater,
norweg. daudvatn, dan. d^dvand) ist. Dieses bildet sich da, wo eine
Süsswasserschicht, die "durch Schmelzen der nicht salzigen Eisdecke
des arktischen Meeres entstanden ist" . . . über dem Salzwasser lagert,
so dass "das Süsswater vom Fahrzeug mitgeschleppt wird, wobei es über
die schwere Seewasserschicht wie über eine feste Unterlage gleitet".
Nansen bemerkt noch in seinem Buch Durch Nacht und Eis: „Sowie
die Maschine stillstand, wurde das Fahrzeug gleichsam rückwarts ge­
sogen".
Es wird wohl nicht notwendig sein, sich in diese Erörterungen
über das Lebermeer zu begeben, denn der Kudruntext scheint solche
Vorstellungen nicht zu erwahnen. Doch der Schein trügt. Was eine
frühere Periode noch als Strömung oder Sog aufgefasst, hat der Kudrun­
dichter ganz zeitgemass als die Anziehungskraft der Magneten im Meer
umgedeutet:
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Str. 1126,3: magneten die steine héten si gezogen.
Str. 1130,2: swen die magneten bringen für den berc.
Str. 1135,4: Wate mit sime gesinde was den magneten komen al ze n&hen.
Die Walferger Karte, die schon oben erwahnt wurde, stützt diese
Ansicht.
Welcher Natur die Westwinde sind, die die gefahrdeten Schiffe aus
ihrer heiklen Lage erlösen, schildert uns Konungs Skuggsjd (ungefahr
1250). Dazu vergleiche man Kudrun, Str. 1137-1139.
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Wenn der Südwestwind merkt, dass die Freundschaft nach zerrissenem
Bunde erkaltet, da schluchzt er in seinem Schmeiz mit schweren Regenschauern, rollt die Augen über dem tranenfeuchten Bart, füllt seine Backen
unter dem Helm dichter Wolken, blast heftig kalte Regenschauer von sich,
treibt vor sich her schweren Seegang und bruststarke Wogen mit nach
Schiffen gierigen Sturzseen und befiehlt allen Meersstürmen in kampfbegierigem Zorne zu rasen. Sobald der Westwind bemerkt, dass zu ihm von
Osten ein trauriges Blasen und schmerzliches Seufzen kommt, wahrend er
früher gewohnt war, von dorther schimmernde Strahlen als festüche
Freundesgabe zu empfangen, da wird es ihm ganz klar, dass der Bund
zerrissen und aller friedlicher Zusammenhalt aufgesagt ist, er wird traurig in
grossem Kummer über den Unfrieden und fahrt in einen schwarzen Rock
der Trauer und zieht dariiber einen grauen Wolkenmantel und atmet schwer
in schmerzlichem Leid, sitzt da mit schnaufender Nase und zitternden
Lippen. Sobald der leidenschaftliche Nordwest diesen Kummer seiner Nachbam bemerkt und erkennt seinen eigenen Verlust an den Schönheiten des
Abends, die er vorher gewohnt war zu haben, da offenbart er gleich seine
Sinnesart in wildem Zorn, runzelt recht gewaltsam die Brauen, schleudert
heftig rasselnden Hagel von sich, lasst krachende Donnerwetter mit
schreckenden Blitzen entstehen und zeigt von seiner Seite schrecklichen
Zorn ohne alles Mitleid.
Ein solches stürmisches Meer mit überstürzenden Wellen stimmt zu
Kudrun Str. 1134-1139, wo die Lage der Hegelingenschiffe geschildert
wird. Die Angabe des Westwindes in Kudrun Str. 1139,3 ist wohl nicht
nur zufalligerweise richtig, denn es ist beachtenswert, wie der arabische
Geograph Edrisi, dessen Werk aus dem Jahre 1154 stammt, eine Seereise von Lissabon aus schildert. Der Zweck war, die ausseren Grenzen
des Meeres kennenzulernen. Die Seefahrer segelten etwa elf Tage
(gen Westen) und kamen "an ein Meer mit zahen (dicken) Wellen
(das Lebermeer) und abscheulichem Gestank, mit vielen Untiefen und
wenig Licht" . . . Als sie einmal an den Faröer vorbei sind, werden sie
gefangen genommen. Schliesslich bringt ein Westwind sie wieder zurück. Westwinde waren es, die auch den Wikingern, wenn sie vestrviking getrieben hatten, gunstige Gelegenheit zur Heimfahrt boten.
Wie ungeheuer die entfesselten Krafte der Naturelemente sind,
wird uns in Kudrun Str. 1137-1138 gezeigt, wo die gruntweïlen eine
grosse Rolle spielen:
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D 6 huop sich aber schiere
ein iteniuwez klagen,
die schifwende krachten. dó begunden wagen
von den gruntweïlen
ir kiele harte sêre.
dó sprach der degen Ortwin:
"wir müezen tiure koufen unser êre".
Dó ruofte ein marnaere:
"ach, ach dirre nót,
daz wir ze Givers Mgen niht vor dem berge tót!
swes got wil vergezzen, wie sol sich der behüeten?
ir helde vil vermezzen, daz mer wil aber toben unde wüeten".
Es herrscht noch immer grosse Unklarheit in Bezug auf die Bedeutung
des Wortes gruntwelle. Martin erklart es als "Wellen, welche bis auf
den Grund des Meeres dringen und zurückweichend ihn bloss legen,
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den Wellenschlag an Untiefen, die Brandling". J. Koch ist der Sache
auf den Grund gegangen und kommt in seiner Erorterung zu demselben Schluss wie Martin. Er nennt die gruntwellen Brandungswellen.
Die Deutung Schonbachs jedoch wird von Koch abgelehnt. Schönbach
meint, die gruntwellen seien identisch mit den von Hartmann von
Aue erwahnten selfwege. Sie sind, schreibt er, "die Vorboten des
Sturmes, der schon auf dem Meeresgrunde anfangt". Mit recht entgegnet Koch, dass in der Kudrun nach dem Auftreten der gruntwellen
nie von einem kommenden Meeressturm die Rede ist. Koch möchte
schon deshalb an Brandungswellen denken, da sie nur erwahnt werden,
wenn eine Landung bevorsteht. Die gruntwellen werden tatsachlich
in Str. 85,3 in der Nahe des Landes erwahnt, doch sie haben das Heer
auf der Überfahrt gequalt. Die Schilderung der Lage in Str. 261 ist
zu allgemein, als dass man sich über das Wesen der gruntwellen ein
sicheres Urteil bilden kann. Es bleibt noch Str. 1137 übrig. In dem
Kontext (Str. 1135) ist von einem regelrechten Sturm die R e d e , der
den gruntwellen vorangeht. Diese sind also bestimmt nicht "die Vor­
boten des Sturmes". In kurzer Zeit treibt der Westwind die Hegelingenschiffe sechsundzwanzig Meilen von Givers weg (Str. 1135):
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Der treip si in einer wile, ze Givers für den berc
wol sehs und zweinzic mile,
Die Strophen 1137-1138 nennen den Sturm nicht mehr; es sind die
krachenden Schiffswande, die Wogen, die gruntwellen, die die Fahrenden angstigen. Der Westwind, der noch weht, bietet jetzt keine
Gefahren mehr: der luft schadet hie niemen (Str. 1139,3). Eine solche
Situation entspricht den Vorgangen, die im Englischen mit groundswell
bezeichnet werden. Martin setzt diesem Begriff mit Dünung, Deinung gleich. Das ist aber nicht dasselbe wie Brandung (auf englisch:
breakers, broken water, seething of waves, surf); dabei verwechselt er
Ursache und Wirking, wie aus Günter Dietrichs Buch über die Ozeanographie ersichtlich ist: "Sobald der Seegang dem Einfluss des Windes
entzogen ist" . . . bleiben "nur langperiodische Wellen" . . . "als Dünung
übrig, die noch fern von ihrem Ausgangsgebiet an den Kusten schwere
Brandung verursachen kann". Das Wallen des erregten Wassers an
der Kuste hat man gern dem Brennen und Sieden verglichen: das
Wasser brandet an die Felsen. Man denkt dabei an das Zischen einer
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Feuerbrunst. U m eine derartige Erscheinung handelt es sich jedoch in
der Kudrun nicht. Vielmehr ist die Bewegung der Schiffe und der
Wogen auf hoher See ins Auge gefasst (Str. 1137,2-3):
die schifwende krachten. dó begunden wagen
von den gruntwellen
ir kiele harte sêre.
Das Land wird erst sparer gesichtet, aber dann muss Horant in den
Mastkorb steigen und den fernen Horizont absuchen (Str. 1140).
Wie schon angedeutet, kann der Begriff gruntwette nur richtig gedeutet werden, wenn man darunter das Phanomen des heftigen Seeganges nach einem schweren Sturm, der nicht durch den herrschenden
Wind erklarlich ist, versteht. Eine gruntwette kann plötzlich und unerwartet auftauchen (Kudrun, Str. 1137), wie auch die modernen Schiffe
erfahren. Man hat bisher zu wenig die richtige Erklarung in Grimms
Worterbuch beachtet, wo es heisst: "Grundwelle f.l. 'vom Grunde des
Meeres heraufdrangende Welle' von besonderer starke und gefahrlichkeit für die schiffer (vgl. grundsee)". Grimm weist nachdrücklich auf
Kudrun Str. 85,3; 261,4 und 1137,2 hin, "wo es sich nicht um die
'brandung', sondern um wogenberge des offenen meers handelt (vgl.
IBM)".
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In Str. 1139 beruhigt Horant die Fahrenden, er kenne sich gut aus
und der W i n d schade keinem. Darüber freut sich Sivrit ganz besonders:
Dó ruofte von Tenemarke
der küene Horant:
"gehabet iuch wol, ir degene. mir ist wol erkant,
der luft schadet hie niemen, ez sint westenwinde."
dó freute sich der maere der künic von Karadie
und daz gesinde.
Warum gerade Sivrit sich darüber so besonders freut, ist nicht gesagt.
Die Worte haben denn auch Martins und Pipers Befremden erregt.
W i e im zweiten Kapitel dargelegt worden ist, wird Sivrit als ein Mohrenkönig betrachtet, obgleich er ein gefürchteter Wikinger des 9. Jahrhunderts in den Niederlanden war. Manche Züge der Kudrunsage
lassen erkennen, dass ein Dichter des Gudrunstoffes das Mittelmeer
der Kreuzzüge und der Mohren mit einbezogen h a t . In Str. 1139
scheint der Epiker seinen Helden Sivrit, den er zum Mohren werden
liess, aus dem angeblichen Mohrenland Karadie am Mittelmeer in ein
nördliches Seegebiet, wo Stürme und Gefahren des finsteren Meeres
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herrschen, versetzt zu haben. Sivrit zeigt seine Angst, da er sich aus
dem verhaltnismassig ruhigen Mittelmeer auf ein weites Weltmeer mit
unbekannten Gefahren verpflanzt weiss. H. Marquardt hat behauptet, dass die Möglichkeit gegeben sei, dass der Dichter das Werk eines
Vorgangers nach einer alten Quelle der Hildesage "korrigiert" habe,
indem er das Kreuzzugsgewand abgeandert hat und an den ursprünglichen Schauplatz der Sage zurückgekehrt s e i . Eher jedoch hatte man
sich zu fragen, ob nicht der südlich-orientalische Ausblick jüngster Herkunft ist. Der Dichter, der bemüht war, seine Motive zu mehren und
dem "Mohren" eine wesentliche Rolle bei der Entführung zugedacht
hatte, kann eine Wikingergeschichte durch Erweiterung und Verschiebung umgemodelt haben. Ein heidnischer Wikingerkönig war ohnehin
geeignet, als Mohrenkönig umgedeutet zu werden. Wie dem auch sei,
Hörants Worte können den vermeintlichen Mohrenkönig auf dem
"fremden" Meer beruhigen.
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Die unterschiedliche Beurteilung der fabelhaften Seefahrt der Hegelingen nach Ormanie erhellt aus den Erörterungen der Forscher.
I. Schröbler ist geneigt, die Abenteuer auf dem Meer als einen Beweis
für den Einfluss des Spielmannes gelten zu lassen, der sie aus Freude
am bunten Geschehen hier eingefügt hat, ohne dass diese die Handlung förderten, denn sie bilden anscheinend nur eine Verzögerung
und einen Aufschub der Rachefahrt. Martin behauptet, die Seefahrt weiche von der sonstigen ruhig fortschreitenden Erzahlung ab,
"die sie überdies auf unertragliche weise unterbricht". Jean Carles
aussert sich folgendermassen: "L'accident qui retarde les voyageurs dans
leur course vers les cötes normandes nest qu'un artifice pour étoffer
la description de la traversée, sur le thème de laquelle le poète, nous
le savons, manque d'informations". "Quant aux motifs du mont
Givers se dressant au milieu de la mer ténébreuse (et celui de l'oiseau
magique), ils ne jouent qu'un röle secondaire; le premier orne le tableau
du voyage en mer (et le second fournit une articulation a l'intrigue)."
Anderseits fallen Martin (zu Str. 1136) die "frommen Bemerkungen"
auf, ohne diesen besondere Bedeutung beizumessen. Demgegenüber
sollte man in Betracht ziehen, dass der Epiker nicht planlos vorgegangen ist, dass er ein mancherlei Faden knüpfender Dichter ist.
Die Seefahrt hat tiefere Hintergründe als nur die Rache für die
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getöteten Vater auf Wülpenwert
(Str. 1122) und die Befreiung der
gefangenen Gudrun (Str. 1071, 1116). Die sündhafte Grundhaltung
der Hegelingen spielt ein grosse Rolle in der Entwicklung der Vorgange. Die Versöhnung für die Beraubung der Pilger, indem die Toten
ehrenvoll bestattet werden und auf dem Wülpenwert ein Klöster gestiftet wird, wird von dem Dichter bewusst aufgegriffen (Str. 845,
933). Totenbestattung und Klosterstiftung stehen im Zeichen einer
formalen Sühne. Das Bewusstsein, mit den Sünden nicht mehr belastet
zu sein, ist erste Voraussetzung zum Gelingen der Heerfahrt. Die
menschlicherseits gewollte Versöhnung erfahren die Hegelingen als
gottgewollt in der abenteuerlichen Erlösung auf dem Meer, wo Mag­
netsteine, Sturm und Windstille sie an ihrem Leben haben verzweifeln
lassen. Nicht zufallig wird die Abhangigkeit von Gottes Eingreifen
wiederholt betont:
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Str. 1134,1 Daz genibele zóch sich hoher,
als ez got gebót.
Str. 1135,2-3
,da si diu gotes were
und ouch sine helfe
bescheidenlichen sahen.
Str. 1136,2-3 si engulten niht ir sünden.
ja was (in) benomen
ein michel teil ir sorgen; der wolte in got niht gunnen.
Str. 1138,3 swes got will vergezzen, wie sol sich der behüeten?
I. Schröbler hat recht, wenn sie schreibt, dass "die Episode weder zum
Schema der Werbungsgeschichte noch zu der durch die Salomosage
typisch gewordenen Rückentführung" gehore, deren Einfluss Panzer
in den weiteren Strophen der Kudrun betont. Auch kann man nicht
sagen, dass der Seesturm und die erlebten Seeabenteuer ausserlich ein
notwendiges Glied innerhalb der Komposition des Ganzen sind, indem
"sie als Einleitung oder Anlass einer neuen Wendung im Schicksal
des Helden" dienen. In mittelhochdeutschen und altfranzösischen
Epen ist der Seesturm ein Mittel, "den Ort in beliebiger und doch
glaubwürdiger Weise" zu andern, "den was war daran unwahrscheinlich, wenn ein Schiff unversehens an eine fremde Kuste verschlagen
wurde"? In der Kudrun hingegen kann Hórant den Hegelingen
melden (Str. 1140,4): ir müget sanfte erbiten; wir sin Ormanie vil unverre. Die Hegelingenflotte erreicht also doch das Ziel. Der Ort der
Bestimmung wird nicht geandert.
In zweifacher Hinsicht können wir die bestimmte Tendenz erkennen,
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"die höheren Machte in die Darstellung hineinzuziehen". Die Erlebnisse machen es den Hegelingen klar, dass ihr Unternehmen Gottes
Segen bedarf (Str. 1138,3): swes got wil vergezzen, wie sol sich der
behüeten.*" Man fürchtete sich im Mittelalter sehr vor einer Seereise. Die erwahlte Jungfrau stammt meistens aus einem überseeischen
Land oder sie verweilt dort, und nur durch eine Seefahrt kann sie
erworben werden. Mannigfach sehen sich die Schiffmannschaften
auf überseeischen Brautfahrten Gefahren ausgesetzt, denen sie durch
Gebet zu entrinnen versuchen. Doch die geschilderten Gefahren begegnen auch ausserhalb der Brautfahrtgeschichten und auch hier taucht
das Gebetsmotiv und die Furcht vor Gott wiederholt auf. Die verwendeten Formeln und Motivreihen lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass es sich hier um stehende Redensarten oder typologische
Schilderungen handelt, womit die Not der Seefahrenden zum Ausdruck gebracht wird. Selbstverstandlich können sich die Brautfahrtepen
an solchen Vorstellungen bereichert haben. In der Kudrun jedoch sind
solche Szenen an erster Stelle nicht "Ausschmückung, Verzögerung und
Aufschub auf der Rachefahrt" nach Ormanie. Die Erzahlung hat einen
Sinn, der auf einer ganz andren Ebene zu suchen ist als auf der des
ausserlichen Verlaufs der Handlung. Der Sturm und seine Folgen
bilden in der Entwicklung des Geschehens ein konstitutives Moment:
"Sie (die Hegelingen) finden das Gefühl der Reinigung von Sünden
bestatigt, als sie auf der Heerfahrt der gottgewollten Versöhnung inne
werden . . . Dieses von den Helden so empfundene, konkrete Eingreifen
Gottes in die Handlung, das ihrem heldischen Streben Vorschub leistet,
entspricht ihrer vereinfachten Gottesauffassung, . . . " Sie haben am
eigenen Leib zu spüren bekommen, was es bedeutet (Str. 1138,3) swes
got wil vergezzen, wie sol sich der behüeten.*
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Das christliche Ethos dieser Menschen hat etwas Einzigartiges. Auch
Gudrun persönlich verrat eine derartige Gesinnung (Str. 1036,3): sit
min hat got vergezzen. Sie bekommt ebenfalls ein spürbares Zeichen
Gottes, das unmittelbar im Zusammenhang mit der Rachefahrt und der
Erlösung steht. Es ist der gotes engel here (Str. 1167), den der Dichter
vor diu gotes arme (Str. 1171,1) mit folgenden Worten in Erscheinung
treten lasst: ich bin ein bote der dine, wan mich got ze troste dir her
sande. Es will mir scheinen, dass beide konkreten Gotteserfahrungen
sich zu einer höheren Einheit erganzen: Sowoh die Erlösenden als die
zu Erlösenden werden inne, dass Gott sich ihrer erinnert. Die Befreiung
kann mit Gottes Segen vonstatten gehen. Den Sinn und den Ablauf
des Kudrunepos kann man nicht richtig verstehen, wenn man diesem
Aspekt der Dichtung ungenügend Rechnung tragt.
686
Aus der hier geschilderten Sicht sind möglicherweise die bisher unklaren Zeilen über das Fallen der Anker besser zu verstehen. Kudrun
weiss von Ankern, die von glockenspise gozzen sind (Str. 1109). Ursache
dieser Zusammensetzung sind die Magnetsteine, die offenbar alles
Eisen aus den Schiffen ziehen; daher sind auch die zusammenstossenden
Schiffswande mit Messing statt Eisen gebunden. Indessen hilft die
wunderliche Vorsicht nicht, wie aus Str. 1126,2-3 hervorgeht:
swie guot ir anker waeren,
an daz vinster mer
magneten die steine héten si gezogen.
Wate gibt den Rat, die Anker fallen zu lassen (Str. 1127,2-3):
dó sprach Wate der alte: "lat vallen hin ze tal
in die gruntlósen ünde
die unser anker swaere.
Man hat an dieser Stelle viel herumgedeutet. Wilmanns meint, Wate
gebe den Rat die Anker wegzuwerfen. Panzer möchte in Anlehnung
an Brandan an das Kappen der Ankertaue denken. Doch, wie Symons
ausführt: "Allein gegen diese auffassung spricht sowohl der ausdruck
als die tatsache, dass diese massregel erfolglos bliebe". U n d es zeigt
sich weiter, dass die Hegelingen bei Ankunft in der Normandie ihre
Anker noch immer besitzen (Str. 1142,3): ir anker si dó schuzzen zuo
des mer es grunde. Wir sehen also, dass die Herstellung der Anker aus
speziellen Metallen die Hegelingen gegen die Magnetsteine nicht schützen kann, dass sie aber trotzdem ihre Anker beibehalten. Die Sache
hat dennoch Hand und Fuss. Nachdem die Flotte durch einen West­
wind von den Magneten befreit worden ist, sind die Seefahrer sich
besser denn je bewusst, dass Gottes Werk und Gottes Hilfe, also wohl
nicht menschliche Massnahmen, sie geschützt haben (Str. 1135,2-4):
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da si diu gotes were
und ouch sine helfe
bescheidenlichen sahen.
Wate mit sime gesinde was den magneten komen al ze nahen.
Erwahnungswert ist in diesem Zusammenhang, dass der pikardische
Kreuzfahrer Petrus Peregrinus de Maharn curia (um 1269) die Kraft der
Magnetsteine virtu Dei und nutu Dei erklart. Was halfen da menschliche Vorkehrungen!
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Martin behauptet zu Str. 1127,3 (in die gruntlösen ünde die unser
anker swaere), Wates Worte scheinen sinnlos zu sein, denn es hat
keinen Zweck, die Anker fallen zu lassen, da die See grundlos ist. Der
Meeresgrund, worauf die See ruhen soil, scheint nicht vorhanden zu
sein, wie auch aus Str. 1125,3 deutlich wird: da. si mit tüsent seilen
den grunt niht héten funden.™
9
Wenn ich es richtig sehe, hat die Forschung den inneren Zusammen­
hang dieser Strophen mit Wates wazzermaere (Str. 1128-1131) zu wenig
beachtet. Die Grundlosigkeit des finsteren Meeres und das wite künicrich (Str. 1128,4) mit seinen reichen Bewohnern sind aufs engste verknüpft. Der Begriff grundlos hat in den Vorstellungen die Bilder eines
Reiches unter der Erde oder unter dem Wasser hervorgerufen, das auf
ein Totenreich hinweist. Das gilt auch noch in spateren Zeiten, be­
sonders für das Gebiet des Lebermeers: "Die Seelen der Schiffbrüchigen
finden in der Tiefe dieses Lebermeeres Zuflucht und Obdach unter
umgestülpten Töpfen". Das mag merkwürdig klingen, doch wer sich
die Geschichten Adams von Bremen in Erinnerung ruft, die am Anfang
dieses Kapitels erörtert wurden, entdeckt die verschlungenen Wege
einer alteren Überlieferung. Die Bewohner der unterirdischen Höhlen
besitzen "unermesslich viele Gefasse aus Gold und anderen Metallen,
die den sterblichen Menschen (mortalibus) als selten und kostbar gel­
ten". Saxo Grammaticus, der durch Adam von Bremen um "den Schlund
des Abgrundes wusste", hat die Geschichte in die Nordpolreise des
Gormo und Thorkillus hineingearbeitet:
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Da nun seine (Gormos) Neigung vorzugsweise daraufging, fremder Lander
Wunder zu sehen, so beschloss er vor allem, die von Mannern aus Thule
gehorte Mar von den Wohnsitzen eines gewissen Geruthus zu ergründen.
Unglaubliches erzahlten die Islander über die Menge der dort angehauften
Schatze, der Weg dahin aber sollte mit allen möglichen Gefahren besetzt
und für Menschen fast ungangbar sein; denn man müsse das die Erde umschliessende Weltmeer befahren, dann Sonne und Sterne hinter sich lassen,
durch die Unterwelt wandern und zu lichtlosen, in ewiges Dunkel gehüllten
Orten hinüberschreiten, so stand nach der Behauptung der Kundigen
fest".«»2
Man sieht, hier handelt es sich auch um eine mündliche Ausserung,
ein maere, das ein wazzermaere ist, allein der unterweltliche Gedanke
wird besser zum Ausdruck gebracht als in Wates wazzermaere. Gorm
und Thorkel dringen in das Totenreich ein, "und damit verwandelt sich
der Reiseroman in mythisches Erlebnis". Der Kudrundichter beabsichtigt mehr den ungeheuern Reichtum des Wunderreiches zu
schildern, doch der Volksglaube und die Literatur haben die Vor­
stellungen beibehalten, dass grundlose Gewasser und Lebermeer, das
wilde léhermer der gruntlosen werlde * den toeganc totter doet bil­
d e n . Aus diesen Vorstellungen heraus sind die gruntlosen ünde und
Wates wazzermaere in demselben Kontext als ein Ganzes zu betrachten,
dessen Hintergrund ein weitverbreitetes Gedankengut bildet.
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L. Freytag halt Wates Befehl in Str. 1127: lat vallen hin ze tal in die
gruntlosen ünde die unser anker swaere für doppelt sinnlos, "erstens
weil das Meer unergründlich ist, zweitens, weil der Magnetberg die
Schiffe so schon festhalt". Wilmanns meint, wie gesagt, Wate beabsichtige, dass man die Anker wegwerfen solle. Dieses merkwürdige
Verlangen entspringe aus dem Wunsche Wates, den Magnetberg zu
erreichen, wo so viel Reichtum sei: " . . . nach seiner ansicht mussen
also die anker selbst, auch ohne dass sie in dem meeresgrund haften,
eine eigenschaft haben, welche die annaherung an die magneten ver­
hindert". Dazu bemerkt Piper: "Aber das widerspricht der Situation",
solautet 1126,2-3:
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swie guot ir anker waeren,
an daz vinster mer
magneten die steine héten si gezogen.
Auch wird Panzer kaum völlig recht haben, wenn er auf die zinckel
steene in Brandon hinweist. Diese erreichen in wel carter stonde den
Meeresgrund, wonach auch die Anker ausgeworfen werden, diese aber
können nicht mehr gelichtet werden. Brandan kann die Magnetsteine
vermeiden, wo Wate und die Hegelingen wirklich gefahrdet werden.
Die Situation im Brandan und in der Kudrun ist auch darin verschieden, dass Brandan sich veranlasst sieht, das Ankerseil zu kappen, weil
es irgendwie festgehalten wird, wahrend die Hegelingen mit tüsent
seilen den grunt niht héten funden.™
Ich glaube, dass die genannten Forscher dem technischen Verfahren
zu wenig Aufmerksamkeit schenken. In Brandan V.2182 heisst es die
9
steene waren zware. Es handelt sich um die zinckél steene, das heisst
das Senkblei, das Grundblei. Kudrun Str. 1127,3 die unser anker swaere
ist nicht bloss eine formelhafte Redensart. Es ist wohl selbstverstandlich,
dass Wate gerade die "schweren" Anker auswerfen lasst, da die Flotte
sich in einer sehr gefahrlichen Lage befindet. Schwere Anker gehen am
tiefsten, wenn eine starke Strömung geht, und sie halten am besten.
In der aussichtslosen Lage, wie diese in der Kudrun geschildert wird,
würde jeder Seekundige zumindest versuchen, die schweren Anker zu
werfen und das schwimmende Schiff irgendwie zu fixieren. Es mag
verwundern, dennoch ist es sehr bedeutungsvoll, dass der schwere
Anker auf französisch ancre de miséricorde genannt wird. Der Name
wird völlig verstandlich, wenn man bei Adam liest, dass die Friesen in
ihrer grossen Verzweiflung in einer ahnlichen Lage und an demselben
Ort wie die Hegelingen nur Gott anflehen können: Tune illis solam
Dei misericordiam implorantïbus ... Man sieht wiesehr das Seemannsleben auf dem Lebermeer von Gott, dem Allerbarmer, abhangig ist;
menschlich vorsorgliche Anordnungen nützen hier nichts. Nur diu gotes
were und ouch sine helfe (Str. 1135,2-3) bieten Rettung:
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" Die Sorgen hart und schwer
Nahm Gottes Huid erbarmend von den wackren Degen.
Zum Normannenlande war die Flotte nun auf richtigen Wegen.
702
Die Seefahrt nach Ormanie, mit all ihren wunderlichen Begebenheiten,
gehort gewissermassen zum Kern der Gedanken, die der Dichter in
seinem Epos verarbeiten wollte. Sie ist in ihrer Tendenz vorbildlich
für die weitere Entfaltung der Handlung auf menschlicher Ebene,
die nicht ohne Beziehung zum Höheren, zum Transzendenten, ein
gutes Ende findet. In der Seefahrt ist das Transzendente der Ereignisse
am deutlichsten greifbar. Sie zeigt in planmassiger und musterhafter
Weise, dass in der Kudrundichtung "Katastrophe und Leid aufhebbar"
sind "durch Übung des einzig Lesenden: der erbarme" J
03
Bei allen bisherigen Betrachtungen habe ich betont, dass die Handlung
der Kudrun sich im Bereich der nördlichen Meere abspielt. Eine nordwestliche Orientierung ist durch die Hilde-, und nicht zuletzt durch
die Gudrunhandlung gegeben. Nicht viel anders ist es mit Wates
wazzermaere, das in die Erzahlung über die Seefahrt der Hegelingen
nach Ormanie eingebettet ist. Die Darstellung des Dichters steht in
Beziehung zu ahnlichen Schilderungen des gefahrlichen Nordmeers,
wie diese von Adam von Bremen (11. Jahrhundert) und Saxo Gram­
maticus (12./13. Jahrhundert) und alteren Wikingerberichten auf uns
gekommen sind. Derartige Darstellungen sind "auf einige sicher nordische Einzelheiten von den Nordleuten auf den britischen Insein und
in der Normandie bezogen". Das sind gerade die Wikinger, die wir
in den ersten Kapitein ("Kudrun und die Normandie" und "Kudrun
und der Nordseeraum") kennen gelernt haben. Im vierten Kapitel ("Die
Seefahrt nach Ormanie") sahen wir, dass die Kyklopensage im Nordmeer, die schon Adam von Bremen aufgezeichnet und die er selber aus
der Uberlieferung kannte (item nobis retulit...;
ab incolis eius fofuli
dicitur), anscheinend einen Kudrundichter dazu bewogen hat, die ihm
bekannte Kyklopensage des Atna — hier ist besonders an die Mittelmeerfahrten der friesischen Kreuzfahrer aus den Jahren 1217-1218 zu
denken — mit hineinzubeziehen. Die wunderlichen Geschichten sind
dem Dichter auch auf mündlichem Wege zugegangen, wie aus Kudrun
Str. 1128,3 ich hórte ie sagen von hinde für ein wazzermaere und
Str. 1130,1 und (hórte) sagen mere hervorgeht.
704
Insoweit die Brandantexte für die Gestaltung des Kudruntextes
benutzt worden sind — Panzer scheint mir darin entschieden zu weit
gegangen zu sein —, steht die in dieser legendarisch anmutenden Dar­
stellung geschilderte Meereslandschaft nicht ausser Zusammenhang mit
dem bisher Vorgebrachten: Brandan bewegt sich in nördlichen Gewassern. Die Datierung der Brandantexte jedoch, die möglicherweise auf
Kudrun eingewirkt haben, ist ein Problem für sich. Es ist weiter zu
bedenken, dass die Brandanlegende altes Erzahlgut verwendet hat, das
z.B. schon Adam von Bremen gekannt hat, dessen Werk in bezug auf
eine Gudrunversion keine Datierungsschwierigkeiten bietet. Die erörterte Episode IV,40-41 in Adams Bischofsgeschichte der Hamburger
Kirche hat weiter den Vorteil, dass sie in demselben Kontext mit ahn­
lichen Zügen eine friesische Seefahrt auf dem nördlichen Meer schil­
dert, wie in der Kudrun. Das darf nicht wundern, waren doch die
Gebiete der sagenhaften Hegelingen friesisch oder in unmittelbarer
Nahe gelegen. Sagenhafte Berichte in den Niederlanden weisen auf
ein Grafenhaus friesischen Ursprungs bei Matilone/Matildne,
der
Hauptstadt des Hegelingenreiches, hin.
Schliesslich muss noch gesagt werden, dass die Forschung den Ein­
fluss des Herzog Ernst auf das wazzermaere in der Kudrun überbewertet
hat. Die orientalischen Vorstellungen vom Magnetberg wollen nicht
recht zu den Situationen, die sich in der Kudrun an die Magneten,
die Magnetsteine knüpfen, stimmen. Man kann hier vielmehr der Meinung sein, dass heimische Erzahlungen, wie sie im Norden nachgewiesen wurden, dem wazzermaere sein besonderes Geprage gegeben haben.
Die Kraft der Magnetsteine war zur Zeit des erwahnten Friesenkreuzzugs, wie aus den Worten des Zeitgenossen Jacques de Vitry, der selber
an diesem Kreuzzug beteiligt war, hervorgeht, Tagesgesprach. Das
alles schliesst nicht aus, dass ein Gudrundichter zu einer Zeit, wo die
Kreuzzüge die Herzen begeisterten, seine Phantasie in den Orient und
in das Mittelmeer schweifen lasst. So gross das Verdienst der Forschung
auch sein mag, indem sie auf Mittelmeer und Orient hinwies, so kann
ich doch in dieser Hinsicht in der erörterten Kudrunepisode nur sekundare Ausstattung eines bereits im Norden bekannten Stoffes mit fremden Zügen anerkennen.
SCHLUSSWORT
Forschungsthema dieser Arbeit ist die Vorgeschichte und der Werdeprozess der Kudrun, besonders des Gudrunteiles. Es ist nicht meine
Absicht, an dieser Stelle die wesentlichen Entwicklungslinien, wie sie
in den vorangehenden Kapitein gezeichnet worden sind, nochmals der
Reihe nach zusammenzufassen, nachdem ich schon am Schluss jedes
Kapitels die Ideen und Tatsachen, die für die Kudrun quellenmassig
aufschlussreich sind, angegeben habe. Ich halte es vielmehr für angebracht, die erzielten Ergebnisse der Kapitel in einer Gesamtschau
auf einander zu beziehen und in dieser Weise den erreichten Standpunkt zu klaren. Dabei wird der eventuelle Gewinn für die Forschung
besser herausgestellt werden können, um dann die neuen Probleme, die
bei jeder neuen Erkenntnis auftauchen, naher zu bestimmen. Nach
dem Rückblick ist auch ein Ausblick vonnöten.
Die vorliegende Arbeit hat sich zielbewusst auf eine Untersuchung
der historischen und literarischen Aspekte beschrankt. Es schien mir
namlich von vornherein deutlich, dass literarische und ausserliterarische
Bezüge zur Erklarung und Wesensbestimmung des Gudrunteils von
besonderer Bedeutung sein konnten.
Es kann jetzt nach den obigen Ausführungen und Erörterungen als
sehr wahrscheinlich, wenn nicht als sicher gelten, dass dem im Kudrun­
epos wiedergegebenen Geschehen die Normannengeschichte in der
Normandie, die Wikingereinfalle in die Niederlande, wie auch die
normannischen Eroberungen auf den britischen Insein zugrunde liegen.
Besonders Dudos Dc Moribus et Actis frimorum Normanniae Ducum
Libri tres ist sehr wichtig, da in hohem Masse der Verlauf der Kudrunhandlung, einschliesslich des Versöhnungs- und Friedensgedankens der
Hauptgestalt, als organisches Ganze aus diesem Werk zu erklaren ist.
Auf den angedeuteten Raum verweisen mehr als ein Dutzend geographische Namen, sowie Völker- und Personennamen in der Kudrun,
die ohne Mühe als Hintergrund und Trager der Handlungen in der
turbulenten Geschichte der Wikinger und (Anglo-) Normannen einen
Platz haben. Die neu herangezogenen historischen Quellen bieten eine
solide Basis für die Parallelen, die sich in der Kudrun und in den
genannten Quellen aufdrangen. Die gefundene Erklarung kann umsomehr überzeugen, da auch der ratselhafte Herewich in der Hildestelle des mhd. Alexanderepos eine Erklarung findet. Für die Herbortfabel konnte eine historische Grundlage gesichert werden, wodurch auf
einmal ihre Beziehung zur Kudrun — man denke an die gemeinsamen
Namen Ludwig, Hartmut, Hildeburg, Ormanie — gedeutet werden
konnte.
Der geschichtliche Zugang zur Kudrun bot nicht nur einen Leitfaden fur eine Untersuchung über das Verhaltnis einer erschlossenen
niederfrankischen (flamischen!) Gudrunvorstufe zu den aufgedeckten
Quellen historischer Art; diese hat auch auf literarische Motive in derselben historischen Landschaft aufmerksam gemacht, die in erfreulicher
Weise den geschichtlichen Aspekt erganzen. Der Dichter dieser Gudrunversion hat offenbar die historischen und literarischen Traditionen in
dem Nordseeraum sehr gut gekannt. Namentlich die Leidensgeschichte
der Hauptheldin in Ormanie, ihre Entführung und die Befreiungsfahrt der Ihrigen zum Lande der Feinde knüpfen an Motivreihen an,
die in der Meeresgegend gangbar waren. Viele Motive in der Kudrun,
namentlich die der Wascherinszene, des befreienden Bruders, der
lebensgefahrlichen Seefahrt, einschliesslich des finsteren Meeres, der
wechselnden Witterungsumstande, der Schatze im Berg, der Magnet­
steine am Meeresboden, weiter der elegische Ton und die Hilfe Gottes
in der Not, können samtlich auf mündliche und schriftliche Tradi­
tionen an den Meeresküsten zurückgeführt werden. Die literarischen
und historischen Befunde lassen die Annahme als unumganglich erscheinen, dass die aufgezeichneten Quellen im Nordseeraum in eine
Gudrunversion zusammengeflossen sind.
Die Ergebnisse der Quellenuntersuchungen und die offenkundige
Bekanntschaft des Dichters mit normannischen Zustanden auf den
britischen Insein und mit flamischlautenden Ortsnamen diesseits und
jenseits des Meeres lassen es unabweislich erscheinen, dass eine Vor­
stufe des heutigen mittelhochdeutschen Kudrunepos ziemlich spat in
den Südniederlanden zustande gekommen ist. Die genannten Beziehun-
gen konnten wohl eine Dichtung im 12. Jahrhundert wahrscheinlich
machen, doch die besonders auffallende Rolle der Friesen, die man am
wahrscheinlichsten einem spaten Kreuzzug zu verdanken hat, weisen
auf das 13. Jahrhundert. Zu denken ware an die Kreuzfahrt über See
in den Jahren 1217-1218. Das Wissen um die wunderbare Kraft der
Magnetsteine und deren Verwendung auf der Seefahrt bei diesem
Kreuzzug würden gut dazu passen. Die Rolle der Friesen als seekundiges Volk ist weiter in sofern wichtig, dass ihre merkwürdigen Erlebnisse auf dem Nordmeer, die von Adam von Bremen (11. Jahrhundert)
berichtet werden, zusammen mit den Schilderungen des genannten
Kreuzzugs, an der Gudrunfabel mitgestaltet haben. Ein Frauenraubzug der Wikinger im 9. Jahrhundert in einem Gebiet, das stark mit
friesischen Einflüssen in Berührung kam, sogar zu Friesland gerechnet
wurde, hat das Kernstück für den Raub der Gudrun und ihrer Gefahrtinnen in Mateldne abgegeben. Der Kampf derselben Wikinger gegen
die friesischen Grafen in derselben Gegend und sogar an demselben Ort
ist in den Quellen bezeugt. Der wohl sagenhafte Name eines dieser
Grafen, Gundobald, und das Vorhandensein von burgundischem Epenstoff in dieser Gegend, lassen die Folgerung zu, dass sogar der Name
der Hauptheldin, Gudrun, — mit niederfrankischer Lautung — einheimischem Sagenstoff entnommen ist. Über eine Vermutung, die
grosse Wahrscheinlichkeit besitzt, kommen wir jedoch, was den Namen
Gudrun anbelangt, in dem angebenen Zusammenhang nicht hinaus.
Eines dürfte jetzt feststehen: Der Verfasser der niederfrankischen
Vorstufe hat einerseits die normannische Politik, deren historischen
Anhaltspunkte in den Ereignissen des 10. Jahrhunderts bis zum 12. Jahr­
hundert zu finden sind, gebilligt und vertreten; anderseits galt sein
Interesse die merkwürdigen Heldentaten und Erlebnissen der Friesen
im 10. und 13. Jahrhundert, und schliesslich hatte er noch eine lebhaf te
Vorstellung von den Wikingereinfallen in die Niederlande im 9. Jahr­
hundert, namentlich eines Frauenraubes im Jahre 857 und der Raubzüge Siegfrieds in dem letzten Viertel desselben Jahrhunderts.
Es ist kaum anzunehmen, dass einerseits die normannischen Ereig­
nisse (10.-12. Jh.) in eine Hilde-Gudrunversion hineingekommen sind,
ohne dass auch anderseits die Berichte über Wikingerkampfe und Raub
im friesisch-niederfrankischen Gebiet (Matilone-Matelane) zusammen
mit den eben erwahnten Erlebnissen friesischer Seefahrer (10. und
13. Jh.) einem quellenkundigen Gudrundichter im niederfrankischen
Gebiet nicht bekannt gewesen sein sollten. Sein Wissen um diese
unruhigen Zeiten, besonders um die Vorfalle auf der sagenberühmten
Insel Wülpenwert in der Scheldemündung, wohin die Hildefabel verpflanzt wurde und wo möglicherweise auch der Kampf zwischen Here­
wich und Wolfwin stattfand, hat dem Epiker den Aufbau einer Vor­
stufe der Kudrun mit doppelter Entführung an die Hand gegeben. Sachkundig und geografisch gut orientiert, verlegt er, aus anglonormannischer Sicht heraus, die Kampfstatte auf Hildes Entführungsfahrt aus
Baljan in Irlant nach Waleis. Wulpensant, dessen Lage zu der See­
fahrt von Matelane nach Kassiane in Ormanie vorzüglich passt, wurde
für den Kampf um die geraubte Hegelingentochter, Gudrun, aufgespart. Der Herewich, der uns aus dem Alexanderepos bekannt ist,
trat jetzt als Gudruns Verlobter, Herwig, den Raubern aus dem Süden,
Ludwig und Hartmut, entgegen. Den grossen Kenntnissen des Niederfranken auf geschichtlichem und sagenhistorischem Gebiete werden
wir den Gesamtaufbau der niederfrankischen Vorstufe der mittelhochdeutschen Kudrun verdanken mussen.
In der Aufdeckung von historischen Quellen der Kudrun erblicke
ich eine wesentliche Bereicherung für das Verstandnis des Epos. Wir
sollten uns jedoch hüten, die Dichtung mit einer zu weitgehend einseitiger Geschichtsparallelitat oder gar einer Geschichtsideologie zu be­
lasten. Die Schilderung der Kampfe der geschichtlichen Krafte darf
die Darstellung des menschlichen Konfliktes und seiner friedlichen
Lösung im Rahmen des Kudrunepos, d.h. der literarischen Beziehungen,
nicht verdecken. Dieses grosse und motivreiche Epos bietet der vergleichenden Forschung vielfaltiges Material. Im allgemeinen halt man
seinen künstlerischen Wert, besonders wenn man die Komposition ins
Auge fasst, für geringer als den des Nibelungenepos, doch ist die Kudrun
jetzt wohl anders zu beurteilen, da uns klar geworden ist, dass der
Epiker in seiner Gudrunfabel ziemlich getreu den grossen Linien der
Normannengeschichte Dudos gefolgt ist, die er einer Brautraubgeschichte und Brautbefreiung eingefügt hat. Es ist sogar anzunehmen,
dass auch einige wichtige Momente aus einer vielleicht noch nicht
festgefügten Hildefabel eine andere Gewandung bekommen haben,
wodurch eine Fortsetzung, namlich die Gudrunfabel, geschickt motiviert wird. Dudos Schilderungen haben hier wesentlich mitgeholfen.
706
Man denke an die im I. Kapitel erörterten Strophen 610-611. Erwahnenswert ware auch die schaurige Ermordung des Normannenherzogs
Wilhelm Langschwert auf einer Insel der Seine am dunklen Abend,
woraus dann die langwierige Fehde zwischen Franzosen und Normannen entstand, die fast Wilhelms Sohn Richard das Normannenreich
und das Leben kostete. Dazu vergleiche man Hetels Tod auf der
Schlachteninsel in einem Kampf, der bis in die Nacht fortdauert, und
die damit festgeknüpfte unglückliche Lage seiner Tochter Gudrun in
der Normandie. Man sieht, wie in beiden Fallen das Generationsproblem die Einkleidung der Erzahlung bildet. Der Dichter war
Epiker. Den vorgefundenen historischen Stoff hat er im Rahmen zweier
abenteuerlicher Brautwerbungsgeschichten verarbeitet. Unwiderleglich
hat hier eine Hildesage Pate gestanden.
Nach den aufgenommenen historischen Stoffen zu urteilen, kann
von einer Gudrunfabel nur sehr spat die Rede sein. Das wiirde auch
erklaren helfen, dass wir von einem Stoff, der den Namen der Hauptheldin führte, nichts vernehmen. Wohl hat sich der Pharaildis-Stoff
(Frau-Hilde-Stoff) in Flandern als die Leidensgeschichte einer zur Hei­
rat gezwungenen Braut entwickelt. Das geschah in einer Zeit, als die
Wikingerkampfe noch nicht aus dem Gedachtnis der Küstenbewohner
verschwunden waren. Es kann denn auch nicht verwundern, dass der
Pharaildisstoff sogar als Legende noch die Züge seiner heidnischen Herkunft an der Stirn tragt, namlich als nordischer Hildestoff, der christlich gefarbt wurde. Nachdem wir den Gudrundichter als einen guten
Kenner seiner Quellen bei der Arbeit gesehen haben, haben wir keinen
Grund anzunehmen, dass dies in bezug auf den Hildestoff in seiner
eignen Heimat anders gewesen ist. Die von mir aufgedeckten Parallelen
zwischen dem Pharaildisstoff und dem Gudrunstoff, wie er in der
Kudrun auf uns gekommen ist, kann dies nur bestatigen. Eine dem
Dichter willkommene Leidensgeschichte hat schon vorgelegen.
Die Benutzung der aufgezeichneten Quellen, die mit alter Sagenüberlieferung verschmolzen wurden, setzt einen gebildeten und gelehrten Dichter voraus. Er war nach den vorliegenden Momenten zu erteilen ein Südniederlander, der die in seiner Heimat vorhandenen
Erzahlungen und geformte Literatur zusammen mit der geschichtlichen Überlieferung als Basis hatte, worauf er als Epiker weiterbaute.
Die Arbeit an seiner Dichtung bewahrt ein Geheimnis in sich, das zwei706
fellos nicht zuletzt in seiner Persönlichkeit begründet ist. Wer war
dieser Dichter, der wohl aus Traditionsgründen — man vergleiche Otto
Höflers Aufsatz über die Anonymitat des Nibelungenliedes — namenlos blieb? Vielleicht können die Wahl der Quellen, die Zeit des Zu­
standekommens und der eigenartige Ton des epischen Werkes die Per­
sönlichkeit des Dichters noch deutlicher hervortreten lassen. Damit
waren wir schon an den Ausblick angelangt, der uns über die Grenzen
des vorliegenden Forschungsthemas hinausführt.
707
Man fragt sich: Was hat den Niederlander veranlasst, sich in der
Wahl seiner Quellen auf den Standpunkt der (Anglo)Normannen zu
stellen und damit das französische Königsgeschlecht ungünstig zu be­
urteilen? W i e waren die politischen Verhaltnisse in seiner Zeit, etwa
in dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts? Wie sah er die Ereignisse
seiner Zeit? U n d schliesslich: Wie kommt es, dass ausser den Bauelementen, namlich den Quellen, von einer Gudrunversion auf nieder­
frankischen Boden nichts mehr übrig geblieben ist? Einen zweiten
Fragenkomplex könnte man an die mittelhochdeutsche Kudrun knüpfen. Was hat den mittelhochdeutschen Dichter in Süddeutschland angeregt "die ganze Handlung der Kudrun . . . im Bliek auf das Nibelungenlied antitypisch zu deuten"? W i e kam der mittelhochdeutsche
Epiker dazu, Gudrun als Verfechterin des "Rechtes der gerechten
Sache" zu betrachten und sie als Friedensstifterin und Versöhnerin im
Rahmen einer gefahrlichen Werbung im 13. Jahrhundert zu belassen,
was Hugo Kuhn zufolge damals "alles langst passé" war? 1st das "der
Wille eines Aussenseiters", der bei einer "erstaunlichen Dickköpfigkeit" eine "nicht festgefügte Hildefabei' benutzte? W i e sind die Rol­
len verteilt? Was hat der niederfrankische Dichter geleistet, was der
mittelhochdeutsche?
708
Hugo Kuhns These vom Manierismus des Kudrundichters und seiner
Deutung der Kudrungestalt als bewusstes christliches Gegenbild zu
Kriemhild kann ich beipflichten. Es wird wohl jedem nach der Lesung
der obigen Erörterungen klar sein, dass ich jedoch nicht glauben
kann, dass in Hellmut Rosenfelds Thesen der ganze Sachverhalt völlig
klar und richtig enthalten ist. Seine Ausführungen über die Entfaltung
des Gudrunteiles aus dem Hildeteil mit anschwellender Variation der
Motive im bayrischen Raum stehen zu einseitig auf dem süddeutschen
Standpunkt. Daran kann zum grössten Teil der notorische Quellenmangel der Kudrun schuld gewesen sein. Jetzt dürften andere Gesichtspunkte gekend gemacht werden.
Versuch und Wille, geschichtliches Geschehen mit dichterischen Mitteln nachzugestalten und zu deuten, werden besonders in der Helden­
sage bemerkbar. Heldensage nimmt ihren Ursprung in dem Bericht
über das Geschehene. Zu ihrer Entfaltung bedarf sie eines stofflichen
Anreizes und Anstosses von aussen her, wobei die Persönlichkeit des
Dichters nicht nur als Künstler, sondern auch als Deuter und Interpret
der Geschehnisse eine überaus wichtige Rolle spielt. Sogar die Benutzung von historischen oder/und sagenhaften Stoffen, die einem Dichter
im niederfrankischen Gebiet bekannt gewesen sind, kann in einer
bestimmten historischen Situation unter dem Aspekt einer bestimmten
Interpretation geschehen sein. So glaubt S. Beyschlag, dass in dem
Nibelungen-Epos über ein wesentliches Stück Wirklichkeit . . . im
Gewand der Vorzeitdichtung zu Gericht gesessen" wird: "über die des
rücksichtslosen staatlichen Machtkampfes, dessen erschütterndes Ende
bei aller bewunderswerten Grosse unabweislich Tod, Mord und Unter­
gang sind". Er weist darauf hin, "welch hemenenden Anteil — nun
einmal ganz modern gesprochen — staatspolitische Momente am Gefüge
des Epos haben". Es geht darum, das "für die Zeitgenossen erregende
Moment" herauszufinden. Ich glaube, dass wie im Nihelungenlied
in der Gudrundichtung "die höchste Aktualitat in ihrer Zeit" darin
liegt, dass "die Dichtung das Geschehen innerhalb der menschlichen
Gemeinschaft, das sie in parallelen Vorgangen nachvollzieht, vor dem
Hintergrund der überlieferten Fabel transparent" macht. Zur eigentlichen Erschliessung der Dichtung ware dann nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der zeitgenössischen Geschichte die "para­
digmatische Geltung" der Sage zu verdeutlichen. Das alles heisst das
Werk nicht nur aus seiner Zeit, sondern auch aus der vergangenen
Zeit verstehen, insofern diese Zeit in die Dichtung eingegangen ist.
Was die Hilde-Gudrunfabel unter diesem Aspekt auszeichnet, ist der
unbestechliche Bliek auf das Ganze der (anglo)normannischen Vergangenheit und, wie ich glaube, der politischen Gegenwart des Dichters
nach der Schlacht von Bouvines, südöstlich von Lille, am 27. Juni
1214. Diese Schlacht hat "welthistorische Bedeutung". Der Staufer
Friedrich II. und König Philipp II. August von Frankreich besiegten
709
710
711
712
713
714
damals den Welfenkaiser Otto IV., der mit England verbiindet war.
Die Übereinstimmungen auf politischer und kriegerischer Ebene
werden einem flamischen Dichter genug Anlass gegeben haben, die
bekannte Hildesage mit den historischen Ereignissen aus dem 9. bis
zum 13. Jahrhundert zu verbinden. Im Jahre 1213 entwickelten sich in
Flandern mehrere Kampfe. Es gelang den Englandern, die bei Damme
zur Überfahrt gesammelte franzosische Flotte grösstenteils zu pliindern und zu verbrennen. Durch diese Schlacht bei Damme an dem
Swinfluss musste Philipp von Frankreich einsehen, dass die Eroberung
des gewerbereichen Flanderns gescheitert war. Man könnte sich hier
die Schlacht auf dem Wülpenwert (die Insel Wulpen lag in der Nahe
von Damme) ins Gedachtnis rufen. Auch in der Sage können die
Rauber aus dem Süden nach Zurücklassung von Toten und mit Ver­
lust vieler Schiffe mit knapper Not entwischen (Kudrun, 17. und 18.
Aventiure). Im Jahre 1213 konnte der geplante Strafvollzug an dem
Grafen Ferrand von Flandern, einem Portugiesen, (der die flamische
Johanna, die Tochter Baldwins IX. geheiratet hatte), der immer im
heimlichen Einverstandnis mit England dem König von Frankreich
die Vasallenpflicht der Kriegsnachfolge verweigert hatte, nicht statt
finden. Der Englander Johann hatte mit seinen Bundesgenossen, den
Grafen von Flandern, Holland und Boulogne, sowie anderen nieder­
landischen Herren, den Franzosen Philipp geschlagen. Doch erst 1214
fiel die Entscheidung in der Schlacht bei Bouvines, die eine weittragende Wendung der europaischen Lage mit sich brachte.
Der Staufer Friedrich II. war der Nutzniesser des Kampfes, dem die
Schlacht die endgültige Niederwerfung seines Gegners, Otto IV., ermöglichte und damit den W e g zum Kaisertum bahnte. Das Erreichte war
auch für den französischen König von grosser Bedeutung: "Die Domane
war in Umfang und Wert verdoppelt, die reiche Normandie und die
grosse Handelsstadt Tours gehörten jetzt dem König. Der Sieg des
Königtums über die Fürsten war entschieden. Philipp hatte nicht nur
den grossen Kronvasallen, sondern auch andere Lehnsfürsten tief gedemütigt. In Flandern hatte er seit 1202 die Lehnsvormundschaft ausgeübt, die Erbin der Grafschaft mit Ferrand von Portugal 1212 vermahlt und den bei Bouvines gefangenen Ferrand seinen Abfall in langjahriger Haft (bis 1227) bussen lassen.. . " — Wir sehen, wie die
Normandie und Flandern beide eine Beute der Franzosen werden.
n 5
Die Eroberungssucht Ludwigs IV. (siehe das erste Kapitel dieser Arbeit)
hatte im 10. Jahrhundert dem Normannenspross Richard I. fast Leben
und Land gekostet, jetzt im 13. Jahrhundert war es so weit, dass die
Normandie Frankreich verfiel. Wir haben in Gudruns Los in der Nor­
mandie das Schicksal Richards wiedergefunden. Zu ihr gesellte sich
Hildeburg von Portugal. Man fragt sich, warum von Portugal, da wir
doch wissen, dass im Biterolf ihre Heimat Ormanie war, hiess sie doch
Hildeburc von Ormanie, die zusammen mit Ludewic und Hartmuot
unwiderleglich in die Gudrunfabel übernommen wurde (siehe zweites
Kapitel)! Ware hier nicht an die klagliche Gefangenschaft des Ferrand
von Portugal zu denken, die dreizehn Jahre dauerte? Auch Gudrun
und Hildeburg werden im dreizehnten Jahre aus ihrer Gefangenschaft
befreit.
Der niederfrankische Gudrundichter hat wie jeder Dichter den
Willen zu einer Sinnaussage gehabt. Besonders in den ersten zwei
Kapitein dieser Arbeit sahen wir, dass die Dichtung eine geschichtliche
Dimension hat, die bis jetzt die ihrer Bedeutung entsprechende Beachtung noch nicht fand. Das Werk des Flamen dürfte in letzter Instanz doch kaum anders als eine in ihrer Zeit ruhende Dichtung zu
werten sein. W e n n das der Fall ist, und ich sehe nicht ein, warum
das nicht so ware, dann sollten wir in seiner Dichtung die jüngste
Vergangenheit nicht ausklammern. Im Gegenteil, ein Vergleich von
Geschichte und Dichtung ist dann für die Interpretation des Kunstwerks aufschlussreich, fruchtbar und notwendig. Es drangt sich die
Folgerung auf, dass der Niederfranke die Geschehnisse in dem zweiten
Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts in Flandern und in der Normandie
im Zeichen der (anglo)normannischen, geschichtlichen Tradition, der
der Dichter sich verbunden wusste, epenhaft gestaltet hat. Seine Dich­
tung betont ein für ihn wichtiges Thema, namlich die Darstellung
seiner geschichtlichen und politischen Idee, die sich gegen die Bedrückung von seiten der Franzosen zu behaupten und ihre Substanz
zu wahren hatte. Ich glaube in diesem Zusammenhang die Worte
von P. B. Wessels wiederholen zu dürfen: " . . . die Auswahl, die der
Dichter aus dem breiten Strom des Geschichtlichen trifft, die Art, wie
er an den historischen Fakten weiterdichtet, wie er sie erklart, verrat
bereits etwas über die geheimsten Absichten des betreffenden Werks
und über dessen poëtische Ökonomie". Eine historisch eingestellte
716
Forschungsrichtung kann auch für die Kudrun in dem Weiterdichten
an den historisch verbürgten Fakten manchen Aufschluss bringen. Ein
Heldenepos, das in unmittelbarer Nahe dieser Fakten zustande kommt,
kann nicht nur aus der Freude an bildreichen, bewegten Handlungen
geboren werden. In einem solchen Fall muss der eigentliche Gegenstand der Epenforschung sein, den geschichtlichen Zusammenhang der
historisch bedeutsamen Elemente des Epos zu untersuchen. Das darf
nicht zu einem kompromisslosen Verfahren führen, ein geschichtlicher
Zugang zu dem Heldenepos darf auf die sagenhistorische und literari­
sche Forschung nicht verzichten. U m die Eigenart der Kudrun zu er­
kennen, empfiehlt es sich, die geschichtliche Quellenforschung nicht
von der Motivforschung zu trennen, die besonders dazu mithelfen kann,
die mittelalterliche Dichtung als Gesamtschöpfung zu begreifen.
Von dem Dichter der niederfrankischen Vorstufe der Kudrun kann
man sagen, dass er in hohem Masse durch Stoff und Haltung seiner
Quellen beeinflusst, vielleicht sogar stark beeindruckt war; er hat diese
Quellen jedoch im Hinblick auf die eigene Zeit und die Sinnaussage,
die er vermitteln wollte, wohl bewusst gewahlt. Wie kommt es, dass
von seinem Werk in den Niederlanden nichts mehr übriggeblieben
ist? Es sei hier gleich bemerkt, dass auch die unmittelbaren Vorstufen
des überaus bekannten Nibelungenliedes nicht mehr vorhanden sind.
Man hat daran gedacht, dass die letzte Fassung die vorherigen völlig
verdrangt h a b e . Für die Kudrun könnte Ahnliches zutreffen, doch ist
es wahrscheinlich, dass die niederfrankische Hilde-Gudrunversion, die
aus Anlass der tiefgreifenden Anderungen im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts in Flandern entstand, kaum eine Chance haben
konnte. Der französische Einfluss wurde in Flandern, wie auch in der
Normandie, übermachtig. Es gab Herde des Wiederstandes im flami­
schen Volke, doch erst im Jahre 1302 konnte der französische Einfluss
in Flandern gebrochen werden. Eine Hilde-Gudrunfabel, die nach der
Wahl ihrer Quellen eindeutig gegen Frankreich den Standpunkt der
besiegten Parteien vertritt, muss eine politische Brisanz in diesen Zeiten
der Unruhe gehabt haben. In dem besiegten Flandern konnte sie wohl
kaum Fuss fassen, zumal besonders nach der Schlacht von Bouvines
germanische Stoffe in Flandern verdrangt wurden. Damit waren auch
die Kreise angedeutet, wo wir den Dichter zu suchen haben. Sein Werk
stand von vornherein unter einem ungünstigen Stern; die 1227 statt717
718
gefundene Befreiung des flamischen Grafen Ferrand von Portugal aus
französischer Gefangenschaft brachte auch nach dreizehn Jahren dem
flamischen Volk nicht die ersehnte Freiheit und den Frieden. In diesen Umstanden konnte der Grund zu finden sein, dass die Dichtung
in Flandern nicht bekannt wurde und nur in einer mittelhochdeutschen
Fassung auf uns gekommen ist. Man würde sich nicht wundern, wenn
der Oberdeutsche den Niederlander, der nach Jungandreas ein Rezitator des Gudrunepos w a r , in Deutschland kennen gelernt hatte.
718
Die hier ausgesprochenen Hinweise und Vermutungen sollten in
einer tiefschiirfenden Untersuchung weiter ausgebaut werden. Zum
Teil geschieht das noch in den folgenden Erörterungen, doch es sei
gleich betont, dass die mhd. Kudrun in mehr als einer Weise eine
Fremde auf deutschem Boden ist. Nicht nur passt der historische und
geographische Hintergrund schlecht zu der deutschen Landschaft, son­
dern war damals (um das Jahr 1240!) auch die gefahrliche Werbung
"langst passé" wie Hugo Kuhn wohl mit Recht meint. Ich frage, war
das auch im wirklichen Leben so? — Die Entstehungszeit des Nibelungenliedes, das übrigens eine ganz andere Atmosphere hat, lag schon
über dreissig Jahre zurück. Die grosse Anzahl von Handschriften dieses
Liedes verrat überdeutlich seine Bekanntheit. Kein Wunder, dass die
maniëristisch aufgeputzte Fremde als Antityp — die Tendenz ist andersgeartet — des berühmten und vielfach überlieferten Liedes keinen
grossen Erfolg erzielen konnte. Was hat denn eigentlich den mittel­
hochdeutschen Dichter veranlasst, eine niederfrankische Hilde-Gudrunversion aufzugreifen und sie in die geistige Welt der nachnibelungischen
Stauferzeit einzubetten? Besonders der Kudrunteil, der dem Epos den
Namen gegeben hat und altertümlicher und realistischer aussieht als
der Hildeteil, sollte befragt werden. Welche Sinnaussage hat diese
Dichtung für den mittelhochdeutschen Epiker gehabt? 1st sie für ihn
Vorbild und Weisung gewesen, hat sie Richtung und Haltung angegeben?
720
In der Forschung sind mehrere Interpretationsansatze zu finden. Man
hat auf die Gegensatze zwischen individuellen und generationsgebundenen Auffassungen des Sittlichen der Personen in der Kudrun hingewiesen. Anderseits hat Friedrich Neumann die Kudrun als "sentimen­
talen Heldenroman" bezeichnet, um "schon in der Benennung den
inneren Abstand vom eigentlichen Heldengedicht, dem Nibelungen-
721
lied, anzudeuten". Diese Deutungen sind nicht so erschopfend, dass
nicht auch für andere Interpretationen Raum bliebe. Für das Verstand­
nis der vorliegenden Dichtung scheint es mir nicht belanglos zu wissen,
warum der Süddeutsche die stoff- und motivgeschichtlich ausgefallene
Gudrunfabel in der spaten Stauferzeit herangezogen hat. Der Grund
des aufnehmenden Deutschen dürfte zum Teil doch anders gewesen
sein als der des schaffenden Niederfranken, der unmittelbar an Sage
und Geschichte im Nordseeraum anknüpft. Der mittelhochdeutschen
Fassung des Stoffes, die in Nachfolge des Nibelungenliedes und als
Antityp desselben entstand, muss im süddeutschen Raum eine andere
Interpretation als der der niederfrankischen Vorstufe beigemessen wer­
den. Das ist nur ein Kennzeichen der Überzeitlichkeit der mittelalterlichen Ependichtung, die auf gewissen Gemeinsamkeiten beruht. Hier
nun kann sich der springende Punkt befinden, wodurch der Süddeut­
sche die Gudrunfabel als echte Sage empfand, d.h. als gerichtet "auf
ein Geschehen, das für gelebtes Leben beispielhaft ist".
722
Über das W o und Wann der mittelhochdeutschen Kudrun sagt Friedrich Neumann, "dass die gesellschaftlich-politischen Vorstellungen bereits eine ausgebildete Fürstenmacht voraussetzen, die ihren Sitz in
Stadtburgen hat. Das gehort für das Reichsgebiet zu einer Entwicklung, die im Jahre 1231 durch das vom Staufer Friedrich II. erlassene
Statutum in favorem principum rechtlich wird. Nicht zufallig berufen
sich in der letzten Strophe der Kudrun Ortwein und Herwig auf ihr
'Fürstenamt'. Wir sind daher mit guten Gründen dabei, uns auf die
Zeitangabe 'um 1240' zu einigen, wobei berücksichtigt sein will, dass
eine solche Dichtung nicht in wenigen Wochen entsteht."
Neu­
manns Worte sind in so weit zu erganzen, dass dieses Statutum nur
eines von manchen Symptomen ist, die in der Peripetie des staufischen
Schicksalsdramas zu finden sind. Friedrich II. hat den geistlichen Fürsten schon viele Hoheitsrechte in der Confoederatio cum principibus
ecclesiasticis (1220) zugestanden. U m sich in Italien freie Hand zu ver­
schaffen, musste er weiter den Fürsten das genannte Statutum, das
723
1231 von seinem Sohn Heinrich VIL ins Leben gerufen war, im Jahre
1232 bestatigen. Die dauernde Behinderung in dem letzten Kampf
mit der Kurie, den man mit dem titanischen Ringen der Nibelungen
verglichen h a t , leitete in dieser Weise das Scheitern des staufischen
Werkes ein. Man sah eine Entwicklung von der Monarchie zur Fürsten724
723
aristokratie, von der Reichseinheit zur foderalistischen Zersplitterung.
Die Vorteile, die Friedrich II. nach der Schlacht von Bouvines gefunden
hatte, wurden weitgehend aufgehoben. U m sich den Rücken für seine
Italienpolitik freizuhalten, "tilgte er auch den letzten Rest staufischwelfischer Feindschaft, indem er 1235 die welfischen Erbgüter um
Braunschweig und Lüneburg zum Herzogtum erhob für Heinrichs des
Löwen Enkel Otto, den Stammvater aller spateren Welfen. Zugleich
überbrückte er durch seine dritte Ehe mit der Schwester des englischen
Königs Heinrich III. den alten Gegensatz zwischen den nach England
gerichteten norddeutsch-niederrheinischen Interessen und der süddeutsch-staufischen Italienpolitik, ohne das Bündnis mit Frankreich
darüber zerbrechen zu lassen." Der Friedenswille Friedrichs war
gross, die alten Feinde nördlich der Alpen wollte er versöhnen, er heiratete sogar die englische Isabella, die durch Herzog Heinrich von
Brabant aus Londen über Antwerpen zunachst nach Köln geleitet wurde
und dort mit unerhörter Pracht empfangen wurde. Der Englander
Roger Wendower berichtet mit aller Ausführlichkeit die Reise, die
Meerfahrt, den Empfang in Köln, die Schiffsreise den Rhein hinauf
bis Worms. In dieser Stadt rüstete man das kommende Vermahlungsfest, das am 15. Juli 1235 mit aller Pracht gefeiert wurde. Deutsche
und fremde Fürsten wetteiferten in Ehrenerweisungen und Geschenken
für das Kaiserpaar; Sanger, Seiltanzer und Kunstreiter belustigten die
Menge.
726
Der Bericht Rogers von Wendower ist in doppelter Weise wichtig.
Er schildert den Empfang der englischen Braut in Antwerpen und ihre
Begleitung durch niederfrankische Sanger und Künstler nach Deutschland. Die Gefahrlichkeit der Brautwerbung wird betont, denn es wur­
den Geruchte in Umlauf gesetzt, dass der französische König die adlige
Braut rauben wollte. Mag die Gattung der gefahrlichen Brautwerbung
in Deutschland "passé" gewesen sein, die Kaiserheirat im Jahre 1235
steht in den Niederlanden noch in ihrem Zeichen:
". . . apud Anevers applicuerunt, in terra scilicet viri imperiali subiecta.
Quibus applicantibus, occurrit innumera multitudo nobliliura armatorum
ad custodiam imperatricis ab imperatore transmissa, que diebus ac noctibus
circa corpus eius diligentes excubias celebraret. Erant enim quidam ex
hostibus imperatoris regi Francorum confederati, ut dicebatur, qui imperatricem rapere moliebantur, ut matrimomiam impedirent. Occurrunt etiam
presbiteri omnes et clerici ex regionibus circumpositis cum processione sollempni campanas pulsantes et cantica letite modulantes; inter quos siquidem
convenerunt omnes artifices et magistri cuiusque generis musice arris cum
instrumentis, qui omni letitia nuptiali per viam quinque dierum imperatricem
apud Coloniam conduxerunt."
727
Ein Historiker schreibt zu den Feierlichkeiten in Worms: "Seit den
Pfingsttagen des Jahres 1184, dem Feste der Wehrhaftmachung der
Söhne Barbarossas, hatten die Weinberge des Rheinthals nicht von
solchem Jubel widergehallt, waren nicht von solchem Lichterglanz erhellt worden". Beim Lesen der historischen Fakten überraschen den
Kenner der Kudrun und des Nibelungenliedes mehrere Dinge.
K. Droege hat namlich in Hartmut, den man sich in der Kudrun als
eine glanzende Gestalt vorzustellen hat, ein Abbild des Kaisers Frie­
drich II. um 1235 gesehen. Hilgers meint, sein Portrat mute an wie
"ein Idealbild staufischen Rittertums". Bemerkenswerter als dieser
Zug ist m.E. die Heirat Friedrichs mit Isabella von England im Jahre
1235. Zwei Parteien, die seit der denkwürdigen Schlacht von Bouvines
verfeindet waren, verbanden sich jetzt in der Ehe. Die Jungfrau von
Übersee reicht dem ehemaligen Feind ihres Vaters die Hand, damit
wieder Friede herrsche, wie auch Hartmut im Geiste der Versöhnung
die ehemals nach Ormanie verschleppte Hildeburc von Portugal,
Gudruns intimste Leidensgefahrtin, heiratet. Hier wie dort, in der
Kudrun und der Geschichte Friedrichs, finden in derselben Periode des
13. Jahrhunderts, die Feindseligkeiten in aufsehenerregenden Heiratsfeiern ein glückliches Ende. Liegt hier nicht der Schlüssel zum Geheim­
nis, wie die Gudrungeschichte aus dem niederfrankischen Raum "um
1240" oder etwas früher in Deutschland eine neue Heimat fand? Doch
es gibt noch mehr, worüber man überrascht sein kann.
728
729
Die Kudrun ist ein "ungewöhnlich eindruckvolles Zeugnis für die
pragende Kraft des Nibelungenliedes" ; man hat den mittelhochdeut­
schen Kudrundichter sogar als einen Rizitator des Nibelungenliedes
angesehen. Es muss ihm jedenfalls überdeutlich gewesen sein, dass Frie­
drichs Heirat in Worms auf ureigenstem Nibelungenboden stattfand.
In dieser Stadt wurde nach dem Nibelungenlied die fatale Doppelhochzeit gefeiert (Sivrit—Kriemhilde; Gunther—Brunhilde), die den Keim
des ganzen schicksalhaften Verlaufs des Epos in sich birgt. Kriemhildens Rolle ist überbekannt. Die Kudrunforschung nun hat schon langst
730
in Gudrun das Gegenbild der Kriemhilde erkannt. Damit muss man sich
wohl nicht zufrieden geben; wenn meine Ausfuhrungen das Richtige
treffen, können Nibelungenstoff und Gudrungeschichte in den Gedanken des zum Bearbeiter und Umdichter des Gudrunstoffes gewordenen Nibelungenkenners einen Vergleich veranlasst haben, der die
antitypischen Merkmale beider Dichtungen herausstellen liess. Die Hei­
rat Friedrichs II. mit Isabella in Worms ist eine Heirat des Friedens
und der Versöhnung zwischen den ehemaligen feindlichen Parteien.
Sie muss dem Kudrundichter, einem guten Nibelungenkenner, als die
Antithese der Heirat Kriemhildens im Nibelungenlied erschienen
sein.™ Die Kudrun als Antityp des Nibelungenliedes ware in dieser
Sicht und nach dieser Auffassung der Dinge aus den sagengeschichtlichen und historischen Heiraten in der typischen Nibelungenstadt zu
begreifen und zu beurteilen. Das weitere Verhaltnis von Kudrun und
Nibelungenlied, wie dies schon öfters in der Forschung erörtert worden
ist, hatte damit eine geschichtliche Basis.
732
Noch in anderer Hinsicht scheint mir das Verhaltnis der beiden
Heldenepen bemerkenswert. Entstand das Nibelungenlied als hochmittelalterliche Dichtung zu Anfang von Friedrichs Regierung, und trat
es einen weiten W e g in dem bewegten Leben des grossen Staufers an,
wie uns die Handschriften beweisen, so erhalt das Kudrunepos auf
deutschem Boden seine letzte Sinnaussage nach dem letzten Deutschlandbesuch desselben Herrschers. Beyschlag hat auf das Nibelungen­
lied als aktuelle Dichtung seiner Zeit hingewiesen. Jetzt wird man
sagen können, dass auch das zweitwichtigste deutsche Heldenepos, die
Kudrun, Aktualitatswert hat. Die zwei grossen Heldenepen der deutschen Literatur sind als zwei Meilensteine dichterischer Art, die erlebte
Sage innerhalb eines Herrscherlebens darstellen, zu betrachten.
Ich glaube, man tut der Kudrun Unrecht, wenn man sie allzusehr
im Lichtschatten des Nibelungenliedes betrachtet oder sie als ein Zwischending zwischen Heldendichtung (deren Tragik ihr abgeht!) und
Spielmannsdichtung (deren Leichtigkeit ihr fehlt) halt. Ihr eigenes
Leben wird dadurch verdunkelt. Als Heldendichtung will die Dich­
tung, die Kudrun heisst, zum guten Teil aus den Quellen und aus
ihrer Zeit verstanden werden. K. Droege mag recht haben, wenn er
"zeitgeschichtliche beziehungen" annimmt zwischen dem Epos und den
Ereignissen im 13. Jahrhundert. Er hat überdeutlich auf die Überein-
stirnmungen zwischen dem "Normannen'-Spross Hartmut und dem
"Normannenerben" in Italien, Friedrich II., hingewiesen. Seine Gedanken lassen sich prazisieren und berichtigen. Die Periode, die mit der
Schlacht von Bouvines anfangt und mit Friedrichs II. Heirat endet,
steht im Mittelpunkt der Entwicklung des Epos. Aus dieser Zeit heraus
können die mittelhochdeutschen Kudrun und die verlorene Gudrundichtung in dem niederlandischen Raum, wohin sie geschichtlich, geographisch und quellenmassig gehort, gedeutet werden. Meine Untersuchungen dürften L. Wolff recht geben. Er nimmt an, dass der Ausbau, den wir kennen, jung sein muss, und dass es "schwerlich viel
gewesen" ist, "was schon das 12. Jahrhundert dem Dichter hat bieten
können". Er fügt hinzu: "Wir mussen damit rechnen, wie ja auch
schon die Verwertung der Wülpenwertschlacht aus der Hildedichtung
zeigt, dass er den Kudrunteil mit hoher Selbstandigkeit gestaltet hat,
so, wie es die Gedanken forderten, die ihm am Herzen lagen". Diese
Worte möchte ich besonders auch auf den Dichter im Nordseeraum
beziehen, wie meine obigen Untersuchungen verraten, hoffe ich.
733
Es dürfte nicht abwegig sein, darüber nachzudenken, wann und
wie der Gudrunstoff von den Niederlanden nach den Oberlanden
gekommen ist. Vielleicht ist der flamische Gudrunrezitator dem deutschen Aufnehmenden gelegentlich der grossen Festlichkeiten in Worms
im Jahre 1235 begegnet. Der Bericht Rogers von Wendower, dass San­
ger und andere Leute sich in Antwerpen der Englanderin zugesellten
und mit ihr nach Deutschland zogen, und die Meinung von Jungandreas, dass die Dichtung auf mündlichem Wege von einem Niederlander auf einen Deutschen gekommen ist, liessen sich so bequem in
Einklang bringen, ohne dass wir jedoch absolute Sicherheit erreicht
hatten.
Die Gudrunfabel, die sich in der Nahe der Scheldemündung an die
Hildefabel angesetzt hat, erweist sich nach mehr als einem Jahrhundert
der Forschung als ein besonders gunstiger Fall, wo Ursprung und letzte
Redaktion im innigen Zusammenhang stehen. An eine umfangreiche
Sagen- oder Epenentwicklung, die langere Zeit für sich in Anspruch
genommen hatte, vermag ich nicht recht zu glauben: Die Wahl des
Standortes des Südniederlanders ist, nach der Verwendung der Quellen
aus dem 9. bis zum ersten Drittel des 13. Jahrhunderts zu erteilen, zu
eindeutig an eine Persönlichkeit gebunden, als dass mehrere Dichter
für die Hilde-Gudrunfabel im Nordseeraum, wie sie aus der mittel­
hochdeutschen Kudrun erkennbar wird, anzusetzen waren.
Die Aufgabe, das Epos so unmittelbar wie möglich zu befragen, was
es seiner Zeit in dem niederfrankischen Raum, beziehungsweise in
dem oberdeutschen Lande zu sagen hatte, dürfte durch das Quellenstudium mindestens zum Teil gelost worden sein. Dieses Wissen um
die Quellen und die erschlossene Vorlage, worauf die mittelhochdeut­
sche Dichtung aufgebaut worden ist, bietet wesentliche Hilfe für das
Verstandnis des Epos. Gerade an der Kudrun, wo die Forschung, was
die Quellen anbelangt, am aussichtslosesten schien, wird deutlich, dass
historisches und literarisches Quellenstudium das Verstehen des zeitbedingten und zugleich des überzeitlichen Eigenwerts des Werkes überaus fördert. Ein solches Studium wirft ein scharfes Licht auf die Gestaltung des Stoffes und die Eigenleistung der Dichter in den verschiedenen
Landschaften.
Wiewohl manches Einzelne, wie aus den letzten Seiten hervorgeht,
noch einer Lösung harrt, könnten unsere Betrachtungen und Erörte­
rungen hier ein vorlaufiges Ende finden. Das Ausgeführte wird, wie
ich hoffe, den Sinn und den Inhak der eingangs aufgeworfenen Fragen
gezeigt haben. Die Worte des Kudrunmanuskripts Hie hdt Chautrum
ein ende kann ich noch nicht nachsprechen. Das Fragen und Forschen
um das Epos ist gerade in den letzten Jahren wieder in Fluss gekommen. Es wird eine Zukunftsaufgabe sein, die Differenz der Stellungnahmen zu beurteilen. Das würde Ansatze zur Formulierung neuer
Zusammenhange und Fragestellungen vermitteln, durch welche weiterführende Überlegungen und Untersuchungen möglich würden.
ANMERKUNGEN
ANMERKUNGEN ZUR EINLEITUNG
1
Josef Körner, Das Nihelungenlied. Leipzig und Berlin 1921, S. 121.
Friedrich Neumann, Kudrun (Gudrun). Karl Simrocks Übersetzung, eingeleitet und iiberarbeitet. Stuttgart 1958, S. 14. Vgl. Ludwig Wolff, Das Kudrunlied. Nach einem Vortrag. Wirkendes Wort. Sammelband: Altere deutsche
Sprache und Literatur. Düsseldorf 1962, S. 166-176, bes. S. 166.
Meine Zusammenfassung hebt einige Punkte im Gudrunteil hervor, die
für die unterstehenden Erörterungen von Bedeutung sind. Sonst findet man gute
Zusammenfassungen in der Bartschen Ausgabe der Kudrun (5. Aufl. von K. Stackmann); in Fritz Martini, Germanische Heldensage. Entstehung, Entwicklung und
Wesen der deutschen Heldendichtung. Berlin 1935, S. 258-268; in Edmund
Mudrak, Die deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 251-269; in Wolfgang Jungandreas. Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden. Eine Vorgeschichte
des Epos. Göttingen 1948, S. 10-35. - Als Quelle und Beleg für die Zitate wurde
die Kudrun-Ausgabe von K. Bartsch und K. Stackmann. Wiesbaden 1965, be
nutzt.
Andreas Heusler, Nibelungensage und Nihelungenlied. Eine Stoffgeschichte
des deutschen Heldenepos. Dortmund 1965 (6. Aufl.), S. 112.
Andreas Heusler in Johannes Hoops, Reallexikon der germanischen Altertumskunde. 3. Bd. Strassburg 1915-1916, s. v. Kudrun, S. 113.
Helmut de Boor und Richard Newald, Geschichte der deutschen Literatur
von den Anfangen bis zur Gegenwart. 2. Bd. München 1957 (3. Aufl.), S. 204.
Fr. Neumann, Kudrun (Gudrun), Stuttgart 1958, S. 9: vgl. Hendrik Becker,
Warnlieder. 2. Bd.: Hildebrand-Dietrich-Kudrun. Leipzig 1953, S. 316. In diesem
Zusammenhang sei auch auf Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des
Mittelalters. Darmstadt 1957 (2. Aufl.), S. 210 verwiesen. Er meint, es ware dann
wohl wichtig, "die ihm (dem Dichter) vorliegende Form der alten Hildesage zu
kennen". Vgl. auch Hannelore Zahn. Zur Kudrun. Epische Schichten und litera­
rische Stufen. (Inaugural-Diss. Freiburg i.Br.) Augsburg 1964, S. 23.
A. Heusler, Hoops Reallexikon, 3. Bd., S. 113. — Mann konnte sich daher
fragen, ob der Hildeteil wohl wirklich "den Kern des Werkes" bildet, wie man
das bei Elisabeth Frenzel, Stoffe der Welditeratur. Stuttgart 1962, S. 223 und
bei M.O'C. Walshe, Medieval German Literature. London 1962, S. 241 ausgeführt wird. Über das Eigenleben einer Gudrunfabel, siehe E. A. Philippson,
Journal of English and Germanic Philology, 65 (1966), S. 763-764.
2
3
4
5
6
7
8
9
Werner Hoffmann, Die Hauptproblemen der neueren "Kudrun"-Forschung.
Wirkendes Wort 14 (1964), S. 183-196, 233-243, bes. 188.
W. Hoffmann, Wirkendes Wort 14 (1964), S. 188; vgl. H. W. J. Kroes,
Kudrunprobleme. Neophilologus 38 (1954), S. 11-23, bes. S. 11 und H. W. J.
Kroes, Die Hildestelle im Lamprechts Alexanderlied und die Kudrunsage. Neo­
philologus 39 (1955), S. 258-261, bes. 258; Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun. Eine
sagen- und literaturgeschichtliche Untersuchung. Halle/Saale 1901, S. 346.
A. Heusler, Hoops Reallexikon, 3. Bd., S. 113.
Hermann Schneider, Heldendichtung, Geistlichendichtung, Ritterdichtung.
Heidelberg 1925, S. 506.
Hermann Schneider, Heldendichtung, Geisdichendichtung, Ritterdichtung.
Neugestaltete und vermehrte Ausgabe. Heidelberg 1943, S. 395-396. Vgl. dazu
H. Zahn, Zur Kudrun, S. 71-72.
A. Heusler, Hoops Reallexikon, 3. Bd., S. 113.
H. Schneider, Heldendichtung (1925), S. 30; vgl. Hermann Schneider
Germanische Heldensage. 1. Bd. Zweite durch einen Anhang erweiterte sonst
unveranderte Auflage. Berlin 1962, S. 377. — Wie die Forscher sich zu diesem
Problemkreis verhalten, siehe Kroes, Neophilogus 39 (1955), S. 258; Adolf Beck,
Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 329-332; W. Hoffmann, Wirkendes
Wort 14 (1964), S. 187-194.
L. Wolff, Wirkendes Wort. Sammelband II, S. 166; vgl. Bruno Boesch,
Kudrun, hrsg. von B. Symons. 4. Aufl., bearbeitet von Bruno Boesch, Tubingen
1964, Zur Einführung, S. XV.
H. Schneider, Germanische Heldensage. 1. Bd., S. 361; Anton E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, S. 156:
" . . . ungleich viel schwieriger als das Problem der Nibelungen ist die Frage nach
der Entstehung der Kudrun zu lösen"; Fritz Martini, Germanische Heldensage,
S. 279; "Viele Ratsel gibt nun die Kudrunsage auf: ihr ist der Hauptteil unseres
Epos gewidmet"; Wolfgang Jungandreas, Das Gudrunepos, S. 9: "Anders steht
es mit der Gudrun, dem ratselreichsten aller Heldenepen".
Karl Stackmann, Kudrun, hrsg. von Karl Bartsch. 5. Aufl., überarbeitet
und eingeleitet von Karl Stackmann. Wiesbaden 1965, S. VII.
Jan de Vries, Betrachtungen zum Marchen, besonders in seinem Verhaltnis
zu Heldensage und Mythos. Helsinki 1954, S. 76; vgl. B. Symons, Germanische
Heldensage. Der zweiten verbesserten Auflage zweiter Druck. Sonderdruck aus
der zweiten Auflage von Pauls Grundriss der germanischen Philologie. Strassburg
1905, S. 8-9 (613-614).
Kudrun, bearbeitet von Paul Piper. Stuttgart (1895), S. XXXVI.
Fritz Martini, Germanische Heldensage, S. 257.
Severin Rüttgers, Deutsche Heldensagen. Leipzig o.J., S. 603.
E. Mudrak, Die deutsche Heldensage, S. 282.
Peter Wapnewski, Deutsche Literatur des Mittelalters. Ein Abriss. Göttingen 1960, S. 74.
H. Schneider, Heldendichtung (1943), S. 396. Anderseits spricht H. Zahn,
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2 5
Zur Kudrun, S. 70-98 von einer "Gudrunsaga".
H. Schneider, Heldendichtung (1943), S. 395.
E. Mudrak, Die deutsche Heldensage, S. 277.
Vgl. dazu: Th. Frings, Die Entstehung der deutschen Spiehnannsepen.
Zi.d. Geisteswissenschaften 2 (1939/40), S. 306-321: M. Curschmann, Der
Münchener Oswald und die deutsche spielmannische Epik. Miinchen 1964,
S. 127-137; M. Curschmann, „Spielmannsepik". Wege und Ergehnisse der
Forschung von 1907-1965 (II. Teil). Deutsche Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 40 (1966), S. 597-647, bes. 603-604.
H. Becker, Warnlieder, 2. Bd., S. 195-198; A. E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, S. 199 ff. halt die Steiermark für Heimat der Kudrun. Er meint, dass "gar keine Spur einer Anschauung
der (niederdeutschen) Gegenden vorhanden" ist, "in denen die erzahlten Ereig­
nisse vor sich gehen". Über Rosenfelds Folgerung. ZfdPh. 81 (1962), S. 298 es
bestehe "kein Anlass, für die Kudrundichtung über die Hildedichtung hinaus
eine Nordseevorlage anzunehmen" wird noch zu sprechen sein.
Alexander Kolisch, Die Kudrun-Dichtung nach Wilmanns' Kritik. Programm der Stadtischen Real-Lehreranstalt zu Stettin. Stettin 1879, S. 16.
H. Schneider, Heldendichtung (1943), S. 296.
K. Stackmann, Kudrun, Einleitung, S. XXII, vgl. VIII, LXXVIII.
Max H. Jellinek, Kudrun. Festgabe für Samuel Singer. Tubingen 1930,
S. 20-28, bes. S. 26.
Ludwig Beer, Zur Hildensage. Beitrage zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur 14 (1889), S. 552-572, bes. S. 558.
Siegfried Colditz, Kudrun. Ein Heldenepos. Eingeleitet, übersetzt und mit
Anmerkungen versehen von Siegfried Colditz. Leipzig 1961, S. 17; K. Stack­
mann, Kudrun, Einleitung, S. LXXVIII.
Albert Schott, Güdrün, hrsg. von Al. J. Vollmer. Mit einer Einleitung von
Albert Schott. Leipizg 1845, S. LXIIJ.
Paul Piper, Kudrun, Einleitung, S. XLIII; K. Stackmann, Kudrun, Ein­
leitung, S. LXXVIII.
J. W. Bruinier, Die germanische Heldensage. Leipzig und Berlin 1915,
S. 52.
Karl Stackmann, Kudrun, S. LXXVIII-LXXIX.
Gustav Neckel, Vom Germanentum. Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage
von Gustav Neckel. Zusammengesetzt von W. Heydenreich und H. M. Neckel.
Leipzig 1944, S. 322; Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen bij de Zee.
Haarlem 1923, S. 197: Die Friesen plündern mit den Wikingen; Werner Reese,
Die Niederlande und das Deutsche Reich. Berlin 1941, S. 31: "Franken und
Sachsen waren den Wikingern rücksichtslose Feinde"; S. 32: „Die aussersten
Grenzlande der Franken und Sachsen gegen den Niederrhein hin traten unter
dem Zwang der Ereignisse in innige Beziehungen. Gemeinsam war die politische
Aufgabe. Sie galt zunachst den Wikingern . . . Sie richtete sich in ihren Anfangen notwendig auch gegen die friesischen Freunde der Nordmanner,...".
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Vgl. auch einen Text in Dudonis S. Quintini De Gestis Normanniae
Lïbri Tres. Patrologia Latina, Tomus
et Franci et altrinsecus Northmanni..
Ducum
141, Sp. 719: " . . . stabant hinc Saxones
.". Kudrun, str. 366, 4 hat: "sam einem
wilden Saksen oder Franken". Diese Worte scheinen mir zu den geschichtlichen
Tatsachen zu passen, oder sollten wir darin in der Kudrun nur formelhaft iiberlieferte Redewendungen erblicken? Vgl. hierzu Ernst Martin, Kudrun. 2. verbesserte Auflage. Halle a.S. 1902, zu str. 366.
S. Colditz, Kudrun, Einleitung, S. 10-11; K. Stackmann, Kudrun, Einleitung, S. LXXVIII.
H. W. J. Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 16 (mit einem Hinweis auf
Hoops Reallexikon s.v.Wikinger).
Jan de Vries, De Wikingen, S. 345: "1014 is het jaar, waarin wij de lange
periode van doelloos, rusteloos omzwerven en plunderen afgesloten zien voor
goed,...".
A. Heusler, Hoops Reallexikon, 2. Bd. s.v.Hetel und Hilde, S. 521.
A. Schott, Gudrun, hrsg. von Al. J. Vollmer, Einleitung, S. LXJJ; vgl.
Ludwig Beer, Zur Hildensage, Beitrage zur Gesch. d.dt. Sprache und Lit. 14
(1889), S. 552-572, bes. 558: „der norwegische viking (ist) ein heerender Normanne geworden".
Ingeborg Schröbler, Wikingische und spielmannische Elemente im zweiten
Teil des Gudrunliedes. Halle (Saaie) 1934, S. XXII und S. 102.
H. Schneider, Heldendichtung (1925), S. 506.
Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun, S. 430; Gotthold Ludwig Klee, Zur Hildesage. Inauguraldissertation. Leipzig 1873, S. 54: "die namen Ludwig und Hartmut
sind frankisch und können allerdings einer frank, sage entnommen sein".
Karl Goedeke. Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den
Quellen. 2. ganz neu bearbeitete Auflage. 1. Bd.: Das Mittelalter. Dresden 1884,
S. 197.
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ANMERKUNGEN ZUM I. KAPITEL
5 0
Bruno Boesch, Kudrun, hrsg. von B. Symons. 3. Auflage von Bruno Boesch.
Tubingen 1954 (4. Auflage, 1964), S. XLVII.
Boesch, Kudrun, S. LVJI.
Friedrich Neumann, Kudrun (Gudrun). Karl Simrocks Übersetzung, eingeleitet und überarbeitet von Friedrich Neumann. Stuttgart 1958, Einführung,
S. 18: "Annehmen darf man, dass eine Chudrunfabel erst neben einer Hildefabel
entwickelt werden konnte, als die Phantasie freier mit alter Sagenwelt spielte.
Das ist mindestens im 10. Jahrhundert möglich gewesen". — Über den mündlichen Charakter dieser Dichtungen: J. Rychner, Le Chanson de geste: Essai sur
l'art épique des jongleurs. Genève 1955, S. 158; Albert B. Lord, The Singer of
Tales. London 1960; C. M. Bowra, Heroic Poetry. London 1961. Die beiden
letzten Werke sind auch ins Deutsche übertragen. Vgl. M. Curschmann, "Spiel5 1
5 2
mannsepik". Wege und Ergebnisse der Forschung von 1907-1965 (II. Teil).
Deutsche Vierteljahrschrift für Literaturwissenschaft und Geistegeschichte 40
(1966), S. 597-647, bes. S. 610-611.
G. Waitz, Notitia Historica in Migne, PfltroZogia Latina, Tomus 141,
Sp. 605-608; Jules Lair, Dudonis Sancti Quintini, De Moribus et Actis Primorum
Normanniae Ducum. Nouvelle Edition par M. Jules Lair, Caen 1865, S. 26-30;
Henri Prentout, Essai sur les origines et la fondation du duché de Normandie.
Paris 1911, S. 215-216; Jules Lair, Étude sur la vie et l'oeuvre de Guillaume
Langue-Epée. Paris 1893, S. 37.
Max Deutschbein, Studiën zur Sagengeschichte Englands, Teil L: Die
Wikingersagen. Cöthen 1906, S. VI; Ernst Robert Curtius, Europaische Literatur
und Lateinisches Mittelalter. 4. Auflage. Bern und München 1963, S. 170.
Ernst Dümmler, Zur Kritik Dudos von St. Quentin. Forschungen zur
deutschen Geschichte. 6. Bd. Göttingen 1866, S. 363-366. Das hat sich auch in
anderen Untersuchungen herausgestellt: Jessie Crosland, Outlaws in Fact and
Fiction. London 1959, S. 7. Vgl. auch Edward A. Freeman, History of the
Norman Conquest of England. 6. Bde. Oxford 1867-1877. 1. Bd., S. 235. Dom
Bouquet wollte nicht einmal Dudos Normannengeschichte in seine Sammlung
französischer Quellen aufnehmen," weil er sie als unhistorische Erfindung ablehnte". Siehe darüber Gian Andri Bezzola, Das Ottonische Kaisertum in der
französischen Geschichtsschreibung des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts.
Graz-Köln 1956, S. 177.
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5 5
5 6
Paul Piper, Kudrun. Stuttgart 1895, S. XXXVI; Edmund Mudrak, Die
deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 282. - Anderseits hat San Marte ((A. Schulz),
Gudrun, Nordseesage. Nebst Abhandlung über das mittelhochdeutsche Gedicht
Gudrun und den Nordseesagenkreis. Berlin, Posen und Bromberg 1836, S. 260
(vgl. auch K. Bartsch, Kudrun. Leipzig 1880, Str. 611)) auf historische Verhalt­
nisse hingewiesen. Das hat mich veranlasst mich eingehender mit den historischen
und sagenhaften Quellen über die Nonnandie zu befassen.
Fritz Martini, Germanische Heldensage. Entstehung, Entwicklung und
Wesen der deutschen Heldendichtung. Berlin 1935, S. 268, 257, 271.
Friedrich von der Leyen, Die deutschen Heldensagen. München 1912,
S. 263-264.
Friedrich von der Leyen, Deutsche Dichtung des Mittelalters. Frankfurt
am Main 1962, S. 1023.
Fr. von der Leyen, Die deutschen Heldensagen, S. 270.
Hans Kuhn, Heldensage vor und ausserhalb der Dichtung (in) Edda,
Skalden, Saga. Festschrift zum 70. Geburtstag von Felix Genzmer, hrsg. von
Hermann Schneider. Heidelberg 1952, S. 274. Dass dies auch für Dudos Werk
zutrifft, erhellt aus Prentout, Étude critique sur Dudon de Saint-Quentin et son
Histoire des premiers Dues Normands. Paris 1916. Vgl. auch Werner Betz, Die
deutsche Heldensage. Deutsche Philologie im Aufriss. 2. überarbeitete Auflage.
Berlin 1962, 3. Bd., Sp. 1873.
Heinrich Hempel, Niederdeutsche Heldensage (in) Die Nachbarn. Jahr5 7
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6 0
6 1
6 2
buch für vergleichende Volkskunde. 3. Bd. hersg. von Will-Erich Peuckert.
Göttingen 1962, S. 7-30, bes. S. 28.
Ingeborg Schröbler, Wikingische und spielmannische Elemente im zweiten
Teile des Gudrunliedes. Halle (Saale) 1934, S. 102-103; Karl Stackmann, Kudrun.
5. Auflage überarbeitet und neu eingeleitet von Karl Stackmann. Wiesbaden
1965, S. LXXX. Auch Karl Droege, Zur Geschichte der Kudrun. ZfdA. 54 (1913),
S. 165 nimmt an, dass "für frühere stufen würkliche vorgange oder nach der
würklichkeit gedichtete erzahlungen als grundlage wahrscheinlich sind".
Karl Friedrich Stroheker, Germanentum und Spatantike. Zurich 1965,
S. 274.
Ernst Robert Curtius, Gesammelte Aufsatze. München 1960, S. 115.
H. Prentout, Essai sur les origines et la fondation du duché de Normandie.
Caen 1865, S. 215-238, 266, 274-275; H. Prentout, Étude critique, S. 426-431;
Gustav Gröber, Übersicht über die lateinische Litteratur von der Mitte des VI.
Jahrhunderts bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts. Neue Ausgabe. München
1963, S. 306. Ernst Robert Curtius, Europaische Literatur und Lateinisches
Mittelalter. 4. Auflage. Bern und München 1963, S. 170.
B. Symons, Germanische Heldensage. 2. verbesserte Auflage 2. Abdruck.
Sonderabdruck aus der zweiten Auflage von Pauls Grundriss der germanischen
Philologie. Strassburg 1905, S. 705.
Dukus Horant, hrsg. von P. F. Ganz, F. Norman, W. Schwarz mit einem
Exkurs von S. A. Birnbaum. Tubingen 1964, S. 1; vgl. Werner Hoffmann, Die
Hauptproblemen der neueren "Kudrun"-Forschung I. Wirkendes Wort 14 (1964),
S. 183-196, bes. 188; Adolf Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 306.
Siegfried Colditz, Kudrun. Ein Heldenepos. Eingeleitet, übersetzt und mit
Anmerkungen versehen von Siegfried Colditz. Leipzig 1961, S. 3. Vgl. auch
Bruno Boesch, Kudrun. 4. Auflage, S. XIII, XLVIII, XXVII.
Fritz Martini, Germanische Heldensage. S. 257.
Die Olimpia-Episode in Ludovico Ariosto, Orlando Furioso, Canto 9-11 wird
von mehreren Forschern ohne Einstimmigkeit mit der Kudrun verglichen. Den
Entsprechungen kann man keinen vollgültigen Beweiswert zuerkennen: Karl
Stackmann, Kudrun, S. LXXX-LXXXII. Man beachte Neophilologus, wo ich
demnachst das eigene Forschungsergebnis vorlegen werde.
H. Schneider - R. Wisniewski, Deutsche Heldensagen. Berlin 1964, S.
125-126.
Max Hermann Jellinek, Zur Kudrun. Beitrage zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur 40 (1915), S. 446-467, bes. S. 446; Hertha Marquardt, Die
Hilde-Gudrunsage in ihrer Beziehung zu den germanischen Brautraubsagen und
den mhd. Brautfahrtepen, ZfdA. 70 (1933), S. 1-23, bes. S. 1.
Hermann Möller, Das altenglische Volksepos in der ursprünglichen strophischen Form. Kiel 1883, bes. S. 70-73; Rudolf Much ,zu "Friedrich Panzer, HildeGudrun", Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen 108
(1902), S. 395-416, bes. S. 406; C. Muller, Altergermanische Meeresherrschaft.
Gotha 1914, S. 417; Fr. von der Leyen, Deutsche Dichtung des Mittelalters,
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S. 1021; R. Wisniewski, Kudrun. Stuttgart 1963, S. 21-23, 33-35, 56.
B. Symons, Kudrun hrsg. von B. Symons. Halle a.S. 1914, S. L.; Fr. Klaeber,
Beowulf and the Fight at Finnsburg. Boston 1950, S. 231-234 und R. W.
Chambers, Beowulf. Cambridge 1959, S. 254-255 zeigen sich auch sehr vorsichtig. J. Carles, Études Geimaniques 20 (1965), S. 385 bemerkt: "la permanence
du nom de l'héroïne, Hildeburc, dans plusieurs témoignages littéraires, mérite
un examen approfondi". Eric Gerald Stanley, Contributions and Beginnings.
Studies in Old English Literature. London and Edinburg 1966, S. 133 betrachtet
Hildeburg als "the locus classicus of a queen's suffering in intestine strife".
I. Schröbler, Wikingische, S. 87, 89, 104; W. Wilmanns, Die Entwicklung
der Kudrundichtung. Halle a.S. 1873 war auch schon dieser Meinung.
Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 155-156.
Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun. Eine sagen- und literargeschichtliche
Untersuchung. Halle a.S. 1901, S. 370. - Der Einfluss der Salomosage ist nach
B. Symons, Kudrun, S. LXVII überschatzt. Teilweise aus anderen Grimden,
wovon noch die Rede sein wird, halt auch R. Meissner, Gustrate. ZfdA. 60 (1923),
S. 129-147. bes. S. 139-140 Panzers Ausführungen in diesem Punkte für "künstliche construction".
I. Schröbler, Wikingische, S. 81-82; Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 124.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 140.
Ferdinand Lot, Les derniers Carolingiens: Lothaire, Louis V, Charles de
Lorraine (954-991). Paris 1891, S. 4-5; Th. Licquet, Histoire de Normandie,
depuis les temps les plus reculés jusqu'a la conquête de l'Angleterre. Rouen 1835.
Tome premier, S. 143; Dietrich Stichtenoth, Die Entstehung der normannischen
Herzogsgewalt im 10. Jahrhundert. Diss. Hamburg 1938, S. 20.
Zu Anfang dieses Kapitels wurde bereits in einer Auswahl von Schwierigkeiten in der Kudrunforschung auf diese Züge hingewiesen. Siehe Fussnote 78
und 79. I. Schröbler, Wikingische, S. 81-82 weist auf eine Übereinstimmung mit
Aeneis I, 159 ff. hin, fur die sie "keine Erklarung weiss, weil nicht ersichtlich ist,
wie Verbindungslinien laufen sollten". — Ware die Antwort nicht ganz einfach:
Die Verbindungslinien können über Dudos Werk gelaufen haben. Über den
Einfluss Virgils auf Dudo, siehe Dudo, De Moribus, Edition Jules Lair, S. 130133, 136-137, 142 und bes. S. 147: "Dudon, qui parait avoir possédé assez bien
son Énéide n'a jamais manqué d'aller y prendre quelques expressions, lorsqu'il a
eu a raconter des évènements plus ou moins analogues a ceux qu'a chantés Virgile".
Es sei noch hingewiesen auf H. Prentout, Étude, S. 46, 111, 160, 426.
Vgl. Fussnote 75.
Vgl. Fussnote 76 und 77. H. Andresen, Wace, Roman de ROM. 2. Bd., S. 637
bemerkt, dass Wace diese Episode nicht bringt.
Es gibt mehrere Versionen über die Gefangennahme Ludwigs: H. Prentout,
Étude, S. 350; Andresen, Wace, Roman de ROM, 2. Bd., S. 638. Edward A. Freeman, The History of the Norman Conquest of England. Oxford 1877, Vol. I.,
S. 218; Onslow, The Dukes of Normandy, S. 78: "King Louis had to ride for
his life and was taken prisoner".
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Die lateinischen Ausdriicke saeviente Marte, Oreo werden sowohl von Dudo
als auch von Saxo Grammaticus verwendet. Saxo scheint in der Anlage seines
Werkes dem Dudo von St. Quentin gefolgt zu sein. Siehe G. Gröber, Übersicht
über die lateinische Litteratur, S. 300. Paul Herrmann, Die Heldensagen des Saxo
Grammaticus. 2. Teil. Leipzig 1922, S. 192 bemerkt: "Saxo setzt für das 'harte
Spiel der Hild' die 'bitteren Kampfe des Mars' ein, vertauscht also die germ.
Walkure mit dem röm. Kriegsgott" und S. 551: "Saxos Ausdriicke 'Unterwelt'
(ad inferos) und 'Pluto, der Herrscher im Orkus' mogen einer Übersetzung von
Walhall und Walvater sein". Ob Dudo als Geschichtschreiber der Normannen
auf germanische Begriffe anspielt, lasse ich hier ausser Betracht. Es muss jedoch
bemerkt werden, dass Dudo, De Moribus, Patrologia Latina 141, Sp. 744-745 die
heidnischen Vorstellungen der Wikinger über Kampf und Tod mit der christlichen
Lehre bekampft.
8 7
Karl Müllenhoff, Kudrun. Die echten Theile des Gedichtes mit einer
kritischen Einleitung. Kiel 1845, S. 36; Ernst Martin, Kudrun. 2. verbess. Auf­
lage. Halle a.S. 1902, zu str. 1530; I. Schröbler, Wikingische, S. 111.
L. Freytag. Gudrun, übersetzt und mit erlauternden Anmerkungen versehen. Berlin 1888, S. 323.
Ludwig Wolff, Das Kudrunhed. Nach einem Vortrag. Wirkendes Wort.
Sammelband II: Altere deutsche Sprache und Literatur. Düsseldorf 1962, S. 166176, bes. S. 174; Magdalena Weege, Das Kudrunepos. Eine Dichtung des Hochmittelalters. Diss. Mainz. Lemgo 1953, S. 13, 49, 53; Julius Schwietering, Die
deutsche Dichtung des Mittelalters. 2. unveranderte Auflage. Darmstadt 1957,
S. 211; Andre Moret, Kudrun. Edition partielle avec introduction, notes et glossaire. Paris 1955, S. 24 und 30.
Über das Toten von Kindern durch Wikinger, siehe Martin, Kudrun,
zu str. 1501; K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 146 und 158.Ein Wikinger, der
sich weigerte die Kinder zu toten, wurde spöttisch barnakarl genannt. Siehe
Richard Cleasby - Gudbrand Vigfusson, Am Icelandic-English Dictionary. Second
edition. Oxford 1947, s.v.barn. Vgl. Wates Worte: du hast kindes muot. Wates
grausame Vorgehen gegen die Frauen Gerhnt und Hergart (str. 1522-1528) lasst
auch seine urspriingliche Art erkennen.
Vgl. Fussnote 131.
J. Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters, S. 210. Vgl. auch
H. Zahn, Zur Kudrun, S. 166: Sie spricht von "einem durch und durch höfischen
Friedens- und Versöhnungswillen".
M. Weege, Das Kudrunepos, S. 63.
L. Wolff, Wirkendes Wort, Sammelband II, S. 174.
J. Schwietering, Die Deutsche Dichtung des Mittelalters, S. 210.
Hellmut Rosenfeld, Die Namen der Heldendichtung, insbesondere Nibelung, Hagen, Wate, Hetel, Horand, Gudrun. Beitrage zur Namenforschung.
Neue Folge 1 (1966), S. 231-265, bes. S. 259.
I. Schröbler, Wikingische, S. 13, 90, vgl. S. 104.
Dudo, De Moribus. Edition Jules Lair, S. 273, Fussnote a; F. Lot, Les
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demiers Carolingiens, S. 33-34; J. Steenstrup, Normandiets Historie, S. 136-139.
Th. Licquet, Histoire de Normandie, Tome I, S. 144; F. Lot, Les derniers
Carolingiens, S. 33-34, 347; J. Steenstrup, Normandiets Historie, S. 134-135, 297,
300; Onslow, The Dukes of Normandy, S. 53, 61, 73-74, 80.
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 352; Th. Licquet, Histoire de Normandie, Tome I, S. 144.
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Die Texte Dudos sind De Moribus, Patrologia Latina, Tomus
141, Sp.
733-747 entnommen. — Dudo ist in dieser Episode besonders erfinderisch, oder
hat er die typisch normannische Version benutzt? F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 346 schreibt: "La guerre que firent le comte Thibaud de Chartres et
le roi Lothaire è Richard Ier, due de Normandie, ne nous est rapportée que par
Dudon de Saint Quentin. Son récit présente un mélange de fables, d'invraisemblances, d'exagérations de toutes sortes; . . . Le ton de la narration est romanesque
. . . II ne foudrait pas néanmoins pousser les critiques a l'excès. Selon nous, Dudon
a embelli et modifié certains détails de sa narration plutót qu'il ne les a inventés".
Vgl. H. Prentout, Études, S. 383-386; Th. Licquet, Histoire de Normandie,
Tome I, S. 147.
*» H. Prentout, Études, S. 387.
103 Willehni Calculi Gemmeticensis Monachi Historiae Northmannorum Libri
Octo, Patrologia Latina, Tomus 149, Sp. 779-914, bes. Sp. 820.
1 0 4
M. Weege, Das Kudrunepos, S. 49: "Dass sie (Hegelingen und Danen)
Tausende von Leichen ins Meer werfen, gilt dem Mittelalter als besonderer Frevel:
daz -was ein ungendde (Str. 1538, 2)". Martin, Kudrun zu Str. 1538: "Die pflicht
der totenbestattung, die schon das heidentum anerkannte, ward durch das christentum besonders eingescharft". — Richards chrisdiche Ansprache ist in dieser
Hinsicht nicht nur ein Musterbeispiel, sondern sie passt genau in die Reihenfolge
der Züge, die auch in der Kudrun vorhanden sind.
Das Kudrunepos fasst den Aufenthalt Horants und Moruncs als eine Statthalterschaft auf. Siehe Wilhelm von Ploennis, Kudrun. Übersetzung und Urtext
mit erklarenden Abhandlungen, Leipzig 1853, S. 358. Horant bleibt in der
starken Burg Kassiane, der Hauptstadt Ormaniens, zurück. Die burc ... vil veste,
wit unde guot wird gespart, sie soil das Land beherrschen, die Gegend Hartmuts
wird verheert (Str. 1535-1542) — Richard herrscht in Rouen, der befestigten
Hauptstadt der Normandie. Nach der Schlacht bleibt es in seinem Gebiet ruhig,
1 0 5
das Gebiet der Franzosen wird verheert: Libera manet a paganorum mpinis tellus
Norihmannica, Vrancia vero nullo obsistente distrahitur captiva, schreibt Wilhelm
von Jumièges (Patrologia Latina, Tomus 149, Sp. 820), Dudos Bericht (Patrologia
Latina, Tomus 141, Sp. 737) zusammenfassend.
1 0 6
Der Dichter hat den Raub Gudruns nach Wikingerereignissen in den
Niederlanden geschildert (siehe folgendes Kapitel); in einer Heimkehrsage soli sie
dahin auch zurückkehren. Vgl. auch W. von Ploennies, Kudrun, S. 359: "Schon
Hildens ausharrende Sehnsucht verlangt notwendig ihre Befriedigung; . . . " .
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 56; J. Steenstrup, Normandiets Historie, S. 139-143; H. Prentout, Étude, S. 388 und 447-451.
1 0 7
108 Victor Ludieke, Zur Quellenfrage von Rudolfs Willehalm von Orlens.
Diss. Heidelberg. Halle a.S. 1910, S. 71 und 81.
Ludwig Wolff, Wirkendes Wort, Sammelband II, S. 175-176; M. Weege,
Das Kudrunepos, S. 51-55; Hugo Rapp, Das Problem des Tragischen in der
Gudrunliteratur. Inaugural-Diss. Köln. Borna-Leipzig 1928, S. 73-75; A. Moret,
Kudrun. Edition partielle avec introduction, notes et glossaire. Paris 1955, S. 29-30.
L. Wolff, Wirkendes Wort, Sammelband II, S. 176; H. Rapp, Das Problem,
S. 74.
The Earl of Onslow, The Dukes of Normandy and their Origin. London
(1945), S. 65-75. — Ludwig ist zumindest dem Namen nach als französischer
König zu betrachten: Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 430; man vergleiche die Ausserungen über diesen Ludwig französicher Herkunft: Wilhelm Muller, Mythologie der deutschen Heldensage. Heilbronn 1886, S. 237; Gotthold Ludwig Klee,
Zur Hildesage. Diss. Leipzig 1873, S. 54; Ernst Martin, Kudrun. Halle a.S. 1902,
S. 137 zu Str. 588. Karl Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde. IV. Bd. Berlin
1920, S. 682 (686) halt Ludwig für einen Karolinger. — Nach Ludwig IV. gab es
nur noch einen Ludwig aus dem Karolingergeschlecht. Er regierte nur ein Jahr.
Seine unbedeutende Rolle brachte ihm den Namen Louis Faineant ein. Siehe
Fedor Schneider, Mittelalter bis zur Mitte Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Nachdruck. Darmstadt 1963, S. 201; Otto Kaemmel, Geschichte des Mittelalters.
Leipzig o.J., 1. Bd., S. 557.
Mit Recht bemerkt Friedrich Neumann in der Einführung zu seiner
Kudrunübersetzung (Stuttgart 1958), S. 13: "Doch geht es schon zu weit, wenn
man von Hartmut einen Normannen macht". Am einfachsten ist anzunehmen,
dass mit der Eroberung der Normandie durch die wikingischen Normannen auch
die dort herrschenden Könige, d.h. die Karolinger, in sagenhafter Überlieferung
zu 'Normannen' werden konnten. Auch die Eruler werden nach der Eroberung
durch die Danen als Danen anerkannt. In den Niederlanden wird der Friesenfürst
Redbald zum 'König von Danemark', nachdem danische Wikinger festen Fuss
im Lande bekommen hatten. Siehe darüber Wolfgang Lauer, ZfdA. 85 (1954/55),
S. 111 und 113. — Ob der Name Louis d'Outremer, Ludovicus Ultramarinus für
Ludwig IV. ihn zum Normannen stempelte scheint mir eher unwahrscheinlich,
obwohl Franz Joseph Mone, Lïntersuchungen zur Geschichte der teutschen
Heldensage. Quedlinburg und Leipzig 1836, S. 2253 den Namen "Outre-marins"
für die Danen und die Skandinavier schlechthin nachweist. Ludwig IV. verdankt
den Namen Ultramarinus seinem Aufenthalt in England am Hofe Athelstans. —
In der alteren Forschung hat man wiederholt an die Verwechslung von skandinavischen Nordmannen und spateren französischen Normannen gedacht: Albert
Schott (in) Güdrün hrsg. von Al. J. Vollmer, mit einer Einleitung von Albert
Schott. Leipzig 1845, S. LXII; Albert Fécamp, Le Poème de Gudrun, ses Origines,
sa Formation et son Histoire. These Paris 1892, S. 93. Vgl. aber auch Droege,
ZfdA. 54 (1913), S. 132-133 und 143, der den spateren sizilianischen Normannen
eine überwiegende Rolle in der Kudrun zuspricht. Ich möchte den Einfluss aus
spateren Zeiten in der Kudrun nicht leugnen, doch Henri Pirenne, Geschichte
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1 1 1
1 1 2
Europas von der Völkerwanderung bis zur Reformation. Frankfurt a.M. 1961,
S. 112 weist darauf hin, dass die Normannen, die Sizilien und England eroberten,
als "französische Eroberer" auftraten. Das schliesst nicht aus, dass diese Eroberer
sich ihrer nordmannischen oder normannischen Abtammung bei passender
Gelegenheit bewusst waren. — Vgl. Neustria, quae nunc est Normannia.
1 1 3
August Heil, Die politischen Beziehungen zwischen Otto dem Grossen und
Ludwig von Frankreich (936-954). Berlin 1914, S. 52.
Helmut de Boor - Richard Newald, Geschichte der deutschen Literatur.
2. Bd.: Die höfische Literatur. München 1957, S. 200; M. J. Hartsen, Die Bausteine des Gundrunepos. Amsterdam 1941, S. 42: "Die Königin Gerlind beherrschte offenbar schon zu Lebzeiten ihres Gatten Ludwig alle Persönlichkeiten
ihrer Umgebung".
Marie-Louise Portmann, Die Darstellung der Frau in der Geschichtschreibung des früheren Mittelalters. Inaugural-Diss. Basel 1958, S. 116.
116 Wilhelm Scherer, Geschichte der deutschen Literatur. 5. Aufl. Berlin
1905, S. 140.
H. de Boor, Geschichte der dt. Literatur, 2. Bd., S. 202; Friedrich Hilgers,
Die Menschendarstellung in dem Kudrunepos. Diss. Köln 1959, S. 62. — Das
verschollene Lied Chanson de Guïllelme steht in engem Zusammenhang mit
Dudos Normannengeschichte: Ph. Aug. Becker, Vom Kurzlied zum Epos (Sonderdruck aus Zs. f. fr. Spr. und Lit.) Jena und Leipzig 1940, S. 94-97.
Edmund Mudrak, Die deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 279. - Die
Ausgestaltung einer bösen Frauengestalt ist im Mittelalter gewiss typologisch gewesen. Lehrreich in dieser Hinsicht ist F. W. M. Hugenholtz, Albertus Mettensis
als „biograaf". Tijdschrift voor Geschiedenis 79 (1966), S. 249-259.
W. Scherer, Geschichte der dt. Lit., S. 138-139; Fr. Hilgers, Die Menschendarstellung, S. 32 und 62; Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters. 2. unveranderte Auflage. Darmstadt 1957, S. 210; Hugo Rapp, Das Problem
des Tragischen in der Gudrunliteratur. Inaugural-Diss. Köln. Borna-Leipzig 1928,
S. 62.
Kudrun, Str. 987, 990, 1022, 1026, 1031, 1040, 1042. - H. Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München 1967, S. 80:
"Die zur Werbung ratende Mutter wird zur 'Urheberin des Unheils'". Über die
Umsicht und Zahigkeit Gerbergas als Beraterin ihrer Kinder, siehe S. Hellmann,
Die Heiraten der Karolinger (in) Ausgewahlte Abhandlungen zur Historiographie
und Geistesgeschichte des Mittelalters. Darmstadt 1961, S. 390-391.
121 Th. Licquet, Histoire de Normandie, Tome I, S. 142; F. Lot, Les derniers
Carolingiens, S. 62; Onslow, The Dukes of Normandy, S. 85; Johannes Steenstrup, Normandiets Historie under de syv f0rste Hertuger. K^benhavn 1925,
S. 136; Gian Andri Bezzola, Das Ottonische Kaisertum in der französischen
Geschichtsschreibung des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts. Graz-Köln 1956,
S. 41-44, 60, 128.
M. L. Portmann, Die Darstellung, S. 115-116.
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1 2 3
Dudo, De Moribus, Patrologia Latina, Tomus 141, Sp. 727-753; Edition
Lair, S. 265-294.
Hugo Andresen, Wace, Roman de ROM, éd. Andresen. Heilbronn 18771879, 2. Vol. 2. Bd., S. 663 über den naiven Grund des Hasses der Königin.
Vgl. auch Adolf Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 318 über "den
elementaren Hass der Mutter".
Über das Unpolitische und das Persönliche in der Heldensage, siehe
A. Heusler, Geschichtliches und Mythisches in der germanischen Heldensage.
Sitzungsberichte der. Kon. Preuss. Akadem. der Wiss., Phil.-Hist. Classe 37
(1909), S. 920-945, bes. 924, 934. - Es muss betont werden, dass Politisches und
Persönliches sehr miteinander verknüpft waren.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 136 und 162; Wolfgang Jungandreas, Die
Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden. Eine Vorgeschichte des Epos.
Göttingen 1948, S. 51, 56, 87.
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 318 und 451; Onslow, The Dukes
of Normandy, S. 84.
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 352.
Onslow, The Dukes of Normanddy, S. 74-78; Th. Licquet, Histoire de
Normandie, Tome 1, S. 146; F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 352.
Hermann Schneider, Heldendichtung, Geistlichendichtung, Ritterdich­
tung. Neugestaltete und vermehrte Auflage. Heidelberg 1943, S. 394.
Fr. Hilgers, Die Menschendarstellung, S. 33-36.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 115.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 184.
Diese Auswahl von Texten bei F. Lot, Les derniers des Carolingiens, S. 168.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 126 und 182 gibt Beispiele
aus dem 10. Jahrhundert und lasst diese Vorstellung für das ganze Mittelalter
geiten.
Karl Stackmann, Kudrun, zu str. 1050.
Ernst Martin, Kudrun. Halle a.S. 1902, zu str. 1050.
Hugo Kuhn, Kudrun (in) Münchener Universitats-Woche an der Sorbonne
zu Paris, hrsg. von J. Sarrailh und A. Marchionini. München 1956, S. 135-143,
bes. 139-143.
K. Stackmann, Kudrun, S. XLI.
140
Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, untersucht von
Wilmanns. Halle a.S. 1873, S. 223; B. Symons, Kudrun. Halle a.S. 1914, S. LIV.
— Vorliegende Arbeit wird sich damit im nachsten Kapitel befassen. — Für
H. Zahn, Zur Kudrun, S. 155 ist Herwig "ein kontnrenloser Funktionstrager".
Werner Hoffmann, Die Hautprobleme der neueren "Kudrun"-Forschung
II. Wirkendes Wort 14 (1964), S. 233-243, bes. 236, Fussnote 47.
K. Stackmann, Kudrun, S. XLI.
Kudrun, Str. 957, 959, 989, 991, 1015, 1016, 1027-1034, 1047.
R. Menéndez Pidal, Das Fortleben des Kudrungedichtes. Jahrbuch für
Volksliedforschung 5 (1936), S. 85-122, bes. S. 93; Fr. von der Leyen, Die deutschen Heldensagen. München 1912, S. 269: "Im Grunde wahlt sie zwischen
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Hartmut und Herwig".
Annemarie Laubscher, Die Entwicklung des Frauenbildes im mittelhochdeutschen Heldenepos. Diss. Wiirzburg (Masch.-Schr.) zitiert nach W. Hoffmann, Wirkendes Wort 14 (1964), S. 236.
146
VVilmanns, Die Entwicklung, S. 224; B. Symons, Kudrun (1914),
S. XXXI und LIV-LV.
Max Hermann Jellinek, Kudrun. Festgabe für Samuel Singer. Tubingen
1930, S. 20-28, bes. S. 26.
148 Wolfgang Jungandreas, Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden,
S. 181.
Man hat an den Herewich im Alexanderlied, v. 1326 (Vorauer Hs.) gedacht, der einige Zeilen nach Wolfenwerde und Hilten vater genannt wird.
H. Schneider, Heldendichtung, S. 356; H. W. J. Kroes, Die Hildestelle im Lamprechts Alexanderlied und die Kudrunsage. Neophilologus 39 (1955), S. 258-261.
150 ] ) R b < J Braut im Hegelingenlande hat m.E. einen wirklichen Vorfall
zum Vorbild gehabt. Der Name Herwig kann dabei eine Rolle gespielt haben.
Davon soli im folgenden Kapitel die Rede sein. — Es wird weiter noch zu priifen
sein, ob der Herbortstoff die Namen Ludewic, Hartmuot und Hildeburc dem
Kudrunstoff weitergegeben hat, oder umgekehrt.
Georg Baesecke, Der Münchener "Oswald". Breslau 1907, S. 275.
152 w . Wilmanns, Die Entwicklung, S. 223.
153 Wilhelm Muller, Mythologie der deutschen Heldensage. Heilbronn 1886,
S. 215-240; B. Symons, Kudrun (1914), S. XLIV; A. Fécamp, Le poème de
Gudrun, S. VIII-IX. - W. Muller, Mythologie, S. 233 behauptet, dass "die
Entführung und Wiedergewinning einer Braut auf den Verlust und die Wiedereroberung von Landern" führt; vgl. Muller, S. 221: "die entführte Frau . . . vertritt das eroberte oder in Besitz genommene Land". Dazu bemerkt J. Bruinier,
Die germanische Heldensage. Berlin 1915, S. 7: Muller sucht überall Menschen
und Ereignisse in der Sage "als solche Sinnbilder geschichtlicher Völker und
Kriege zu erklaren, was ihm in dieser Verallgemeinerung keiner glauben konnte,
wenn auch gelegentlich solche Verkörperungen anzunehmen sind". — Diese
Ansichten finden einigermassen eine Stütze in dem Text der Eddica Minora
(hrsg von A. Heusler und W. Ranisch, Dortmund 1903): man erwartet Hildr in
dem Lande, wohin die Kriegsfahrt geht. Siehe Hermann Patzig, Zum Text der
Eddica Minora, ZfdA. (61 (1924), S. 13-16, bes. S. 15. Weiter kann man auf
Vorstellungen in historischen Quellen hinweisen: Fritz Behrend, Höxter-Corvey
in Geschichte, Sage und Dichtung (in) Westfalische Studiën. Beitrage zur Geschichte der Wissenschaft, Kunst und Literatur in Westfalen. Alois Börner zum
60. Geburtstag gewidmet. Leipzig 1928, S. 277-286, bes. S. 278: "Damals (836)
ruft der vortreffliche Widukind in seiner Sachsenchronik, wurde die sachsische
Nation aus einer Sklavin eine Freie, aus einer Tributpflichtigen zur Herrin vieler
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Völker: Vito adveniente Saxonia gens ex serva facta est libera et ex tributuaria
multarum gentium domina; Wilhelm von Jumièges schreibt in seiner Normannengeschichte (Patrologia Latina, Tomus 149, sp. 820): Libera manet a paganorum
rapinis tellus Northmannica,
Francia veto nullo obsistente distrdhitur
captiva.
Aus der Buchmalerei des 10. Jahrhunderts sind uns Roma, Gallia, Germania und
Sclavinia bekannt, die in Frauengestalt dem Kaiser Otto III. huldigen. Siehe
Propylaengeschichte 3. Bd.: Das Mittelalter bis zum Ausgang der Staufer. Berlin
1932, S. 230 (Berlin 1940, S. 206) und Eberhard Orthbandt, Bildbuch deutscher
Geschichte. Baden-Baden 1955/61, S. 87.
Theodor Frings, Hilde. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und
Literatur 54 (1930), S. 391-418, bes. 394; Andreas Heusler, Geschichtliches und
Mythisches der germanischen Heldensage. Sitzungsberichte der Kön. Preuss.
Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Classe 37 (1909), S. 931 gibt zu, "dass jüngere Ausstaffierung da und dort dazu geführt hat, die geschichtliche Haltung der Sagen
zu verstarken". Über die Verschmelzung von historischen Tatsachen mit literarischem Entführungsstoff, siehe G. Baesecke, Der Münchener Oswald. Breslau
1907, S. 300; G. Ehrismann, ZfdPh. 37 (1905), S. 520 und H. Zahn, Zur Kudrun,
S. 109, 123.
Otto Söchtig, Zur Technik altenglischer Spielmannsepen. Inaugural-Diss.
Leipzig 1903, S. 29.
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 24. Drei andere Brautraube in der
flamischen Gegend zu dieser Zeit erwahnt J. van Mierlo, Geschiedenis van de
Letterkunde der Nederlanden. Brussel 1939,1. Deel, S. 43.
Dietrich Stichtenoth, Die Entstehung der normannischen Herzogsgewalt.
Diss. Hamburg 1938, S. 56.
Henri Prentout, Essai sur les Origines et la Fondation du Duché de Normandie. Paris 1911, S. 165, 187-189; Henri Prentout, Etude critique sur Dudon
de Saint-Quentin et son Histoire des premiers dues Normands. Paris 1916, S. 197,
S. 206-207; A. Heil, Die politischen Beziehungen, S. 25 betont den politischen
Aspekt der Heiraten: "Solange schon Völker in Beziehungen zu einander stehen,
ist die Ehe zwischen Fürsten und Furstenkindern ein Instrument der Politik ge­
wesen". Sehr bekannt sind in dieser Hinsicht die Verheiratungen englischer
Prinzessinnen nach dem Kontinent im 10. Jahrhundert. In sagenhaften Quellen
sind die wirklichen und die vermeintlichen Heiraten schwer zu unterscheiden:
Edward A. Freeman, Historical Essays. London 1896, S. 36.
D. Stichtenoth, Die Entstehung der normannischen Herzogsgewalt im
10. Jahrhundert, S. 56 schreibt zu dem Bericht über Giselas Heirat: "Seine
Ausschmückung dieser Angabe, der Eifersucht der Normannen auf die vornehme
Fürstin, mag immerhin als typisch für die Situation und die allgemeinen Verhaltnisse geiten". Die Vorzüge der Braut Gisela lassen sich mit denen der Jungfrauen
in den Epen vergleichen, so zum Beispiel mit Kudrun, str. 575-590: Dudo schreibt
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über Gisela: Filia quam tibi spondet, utriusque progeniei semine regulariter exorta,
staturae proceritate congrua, forma, ut audivimus, elegantissima, virgo integerrima,
consilio provida, forensium return negotio cauta, conversatione facillima, colloquio
affabilissima, manuutn labore peritissima, quin etiam virginibus cunctis praecellentissima, decet ut copuletur tibi connubiali amicitiae: Dudo, De Moribus,
Patrologia Latina 141, Sp. 648 oder Edition Jules Lair, S. 166-167.
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H. W. J. Kroes, Kudrunprobleme. Neophilologus 38 (1954), S. 11-23,
bes. 15-19; I. Schröbler, Wikingsche, S. 107: "Die Liebenden als solche stehen
nicht im Mittelpunkte. Die Schilderung der Erwerbung Gudruns durch Herwig
diente nur als Einleitung zu dieser Handlung".
Fritz Martini, Germanische Heldensage, S. 282: "Es scheint, dass das
Kudrungedicht das alte Hildelied gekannt und benutzt hat, . . . (Man vermutet),
der Dichter des Epos (habe) neben dem spielmannischen Hildegedicht noch eine
alte Fassung derselben Sage gehabt". H. Marquardt, Die Hilde-Gudrunsage in
ihrer Beziehung zu den germanischen Brautraubsagen und den mhd. Brautfahrtepen. ZfdA. 70 (1933), S. 1-23, bes. S. 9-14, 17; K. Droege, Zur Geschichte
der Kudrun. ZfdA. 54 (1913), S. 159. Ich habe in Leuvense Bijdragen 50 (1961),
59-85 (Kudrun und die Legendendichtung) betont, dass der Hildeteil und der
Gudrunteil eine getrennte Vorgeschichte gehabt haben; der Gudrunteil könne
eine Hildefabel benutzt haben, die bedeutend umgestaltet worden sei. Vgl. auch
W. Hoffmann, Wirkendes Wort 14 (1964), S. 187-193; K. Stackmann, Kudrun,
S. LXXVII-LXXIX.
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D j germanische Heldensage, Berlin 1915, S. 7; Gustav
Neckel, Vom Germanentum. Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage von Gustav
Neckel, zusammengestellt von D. W. Heydenreich und H. M. Neckel. Leipzig
1944, S. 383-387: Eine Grundeigenschaft der spateren Heldendichtung haben
gewiss schon die frühesten Zeitgedichte besessen: das Haften des Interesses am
Persönlichen, an Leidenschaften und Schicksalen der einzelnen. Vgl. J. W.
Bruinier, Die germanische Heldensage, S. 50 über Widsid: "die Völker werden
dem Hörer anschaulich gemacht, indem die am besten bekannten ihrer Fürsten
hinzugenannt werden, wobei viele sagenhafte Namen mit unterlaufen" und Jean
Beraud Villars, Les Normands en Méditerranée. Paris 1951, S. 347: "il ne faut
pas oublier que le moyen 4ge a été le temps des personnalités et non celui des
masses, alors plus encore que maintenant faciles k asservir et a berner". — In der
Hildestelle des Alexanderliedes ist von einem sturm, einem vólcwich die Rede,
obwohl nur das Kampferpaar Hagen — Wate erwahnt wird.
Der Hinweis auf die Pharaildis-Legende zeigt, dass die Hildefabel zu einer
Leidensgeschichte werden konnte, worin schon das Nebenbuhlermotiv eine Rolle
spielte. Die Motivik bekommt in der Legende selbstverstandlich eine ihr angepasste Funktion, wie man in Frantisek Graus, Volk, Herrscher und Heiliger
im Reich der Merowinger. Studiën zur Hagiographie der Merowingerzeit. Praha
1965, S. 27, 73, 131-132, 171 ff., 272 lesen kann. Mit diesem Hinweis möchte
ich W. Hoffmann und M. Curschmann antworten: W. Hoffmann, Wirkendes
Wort 14 (1964), S. 236, Fussnote 45; Michael Curschmann, Der Münchener
Oswald und die deutsche spielmannische Epik, mit einem Exkurs zur Kultgeschichte und Dichtungstradition. München 1964, S. 79. Besonders lehrreich
ist in dieser Hinsicht: Max Wehrli, Roman und Legende im deutschen Hochmittelalter (in) Worte und Werte. Bruno Markwardt zum 60. Geburtstag. Berlin
1961, S. 428-443, bes. S. 429-439.
Die Verwechslung eines gefangenen Jünglings und einer gefangenen Jung1 6 1
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frau darf man einem Erzahler zutrauen. So wird das traurige Schicksal Manfreds,
Sohn des Kaisers Friedrich II., als das eines gefangenen Madchens dichterisch
umgestaltet. Siehe darüber Reinhold Kohier, Germania 3 (1858), S. 208-209.
In beiden Fallen, Richards und Manfreds, kann man mit Edward A. Freeman,
Historical Essays. London 1896, S. 245 sagen: "in Norman hands the tale swells
into a magnificent legend". — Helga Reuschel, Saga und Wikinglied. Deitrage
zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 56 (1932), S. 321-345, bes.
S. 342-345 macht es wahrscheinlich, dass die italienischen Normannen noch altnordische Stoffe gekannt haben und diese ihrer neuen Umgebung angepasst
haben. A fortiori haben ihre Vorfahren in Frankreich, die noch unmittelbaren
Kontakt mit dem Norden hatten, dies in der Normandie tun können.
Paul Piper, Kudrun. Stuttgart 1895, S. XL.
L. Freytag, Gudrun. Übersetzt und mit erlauternden Anmerkungen versehen. Berlin 1888, S. 316.
Ernst Martin, Kudrun, zu Str. 1007, 1093-1094; B. Symons-Boesch,
Kudrun, zu Str. 1093-1094; Jean Carles, Le poème de Kudrun. Étude de sa
matière. Paris 1963, S. 61.
Paul Piper, Kudrun, S. XL; Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 120.
E. Martin, Kudrun, zu Str. 1093-1094; L. Freytag, Kudrun, S. 310.
Fr. L. Ganshof, Charlemagne et les Institutions de la Monarchie franque
(in) Karl der Grosse, hrsg. von W. Braunfels. Düsseldorf 1965, Bd. I, 306-362;
Wilhelm von Giesebrecht, Deutsches Kaisertum im Mittelalter. Berlin o.J., S. 38;
Wolfram von Steinen, Der Kosmos des Mittelalters. Von Karl dem Grossen zu
Bernhard von Clairvaux. Bern-Miinchen 1959, S. 67; R. H. C. Davies, A History
of Medieval Europe. From Constantine to Saint Louis. London 1958, S. 216. —
In der Kudrun wird Fruote zum Schenken ernannt (Str. 1612); vor ihm war es
Horant gewesen (Str. 1613).
B. Symons, Kudrun, zu Str. 1093-1094.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 148.
E. Martin, Kudrun, zu Str. 1526; L. Freytag, Gudrun, S. 323.
F. Lot, Les derniers Carolingiens, S. 33-34, 347; H. Prentout, Étude,
S. 303, 379; Th. Licquet, Histoire de Normandie, Tome I., S. 144; Onslow,
The Dukes of Normandy, S. 73-74; vgl. J. Steenstrup, Normandiets Historie,
S. 134-136, 300.
E. Martin, Kudrun. Halle a. S. 1883, S. XIX.
Thetbald und Leutgarde werden als ein hinterlistiges Ehepaar dargestellt.
Literatur darüber in Fussnote 174, weiter siehe Onslow, The Dukes of Normandy,
S. 73-74: "(Thibaut le Tricheur), Tricky Theobald was without doubt the worst
ruffian in France . . . Liutgard, a jealous, spiteful cat of a woman"; S. 80: "Tricky
Theobald and his spiteful, ill-natured wife had nothing from their intrigues". —
Man konnte geneigt "das unheroische Wesen" Hergarts (R. Wisnieuwski,
Kudrun. Stuttgart 1963, S. 59) mit den Charaktereigenschaften Leutgardes zu
vergleichen.
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In hohem Masse auffallig erscheint mir auch die Übereinstimmung zwischen
Gerbergas und Gerlints Verhalten: Nach dem Tode Ludwigs IV. sagt Gerberga,
durch Normannengefahr bedroht, zu Thetbald: " . . . precamur ut motus pietate
in hoc negotio, clementer succurras nobis". Thetbald zeigt sich bereit gegen
Richard vorzugehen: Thetboldus vero comes cupiens perdere dolo penitus Richardum tantae probitatis patricium, subintulit reginae hoc consilium (Dudo, De
Moribus, Patrologia Latina 141, Sp. 727). Es kommt zum Krieg, Thetbald bedroht
Richard, wird aber geschlagen. — In der Kudrun, Str. 1471-1477 hat Gerlint die
Absicht Gudrun zu toten, denn sie will den Tod Ludwigs nicht so hingehen
lassen. Da kommt ein ungetriuwer (Str. 1472, 1), ein zager boeser (Str. 1476, 1),
der Gudrun ermorden will, doch Hartmut vermag das Schlimmste abzuwenden.
Die Strophen 1471-1477 sind von den Forschern öfters als "verdachtig", "anstössig" und "ausserordentlich verkehrt" verschrien: W. Wilmanns, Die Ent­
wicklung der Kudrundichtung. Halle a.S. 1873, S. 202; K. Müllenhoff, Kudrun.
Kiel 1845, S. 35; E. Martin, Kudrun, zu Str. 1477; R. Symons, Kudrun, zu
Str. 1471. — Ebenso wie der Schenke, den Hergart heiratet, bleibt auch der
ungetriuwe ungenannt. Die Ahnlichkeiten zwischen Gerberga/Gerlint und Leutgarde/Hergart wiirden darauf hinweisen, dass der Ungenannte Thetbald sein
konnte, doch der Kudrundichter ist hier so schweigsam, dass man — trotz der
Übereinstimmungen — nur auf Vermutungen angewiesen ist. Der Ruf Thetbalds
konnte immerhin zu dem Mörder in der Kudrun passen; Onslow, The Dukes
of Normandy, S. 51: "This individual (Tricky Theobald) had an unenviable
reputation and seems to have been called in when any particularly unpleasant
piece of rascality was attempted . . . Theobald was certainly a competent assassin".
ITT Viele Übersetzer beachten das Wort gewaltic nicht, sie lassen es einfach
aus. Schon wahrend der Gefangenschaft hatte Hergart das Amt einer Aufseherin
(Str. 1007). E. Martin, Kudrun, zu Str. 1007 schreibt: "Es kam dem interpolator
nur darauf an, die von ihm mehrfach, stets storend angebrachte Hergart einzuführen". K. Müllenhoff, Kudrun, S. 81 sagt m.E. mit Recht: "Freilich hat es
das ansehen, dass Hergart... doch aus der sage herausgenommen ward und keine
neue erfindung ist".
Kudrun, Str. 1093-1094 führen also nicht "plötzlich" nach der Ormanie
hinüber, wie Martin zu Str. 1093 behauptet. „Der mangel jedes zusammenhangs
dieser strophen mit ihrer umgebung" (Wilmanns, Die Entwicklung, S. 180) ist
mehreren Forschern aufgefallen, da sie den Gedanken des Dichters, der sich wie
ein roter Faden durch Str. 1092-1095 hindurchzieht, nicht entdecken konnten.
Die Übersetzungen, über die ich verfüge (Simrock, Junghans, Keller,
Lemmermayer, Freytag, Colditz, Neumann) sind nur mechanisch wortgetreu. Der
Ausdruck der arbeit phlegen wird ungenau übertragen. — Für das richtige Ver­
standnis der Strophen siehe man die Kudrunausgaben von Martin, Piper, Moret,
Stackmann. Wichtig ist auch Curschmanns Feststellung ("Spielmannsepik", Dte.
Vierteljahrschrift 40 (1966), S. 612-613: "die Zeit ist nicht als Kontinuum be­
handelt; die zeitliche Folge kann vielmehr durch "Rückgriffe" unterbrochen
werden, . . ."Werner Matz. Der Vorgang im Epos. Hamburg 1947, bes. 82: der
Bliek wird hin und her geführt... die wechselnde zeitliche Wirklichkeitsebene . . .
1 7 8
1 7 9
die wechselnde Emphase.
1 8 0
R. Meissner, ZfdA. 6 0 (1923), S. 140.
1 8 1
Karl Brinkmann, Althochdeutsche und mittelhochdeutsche Literatur.
Hollfeld/Obfr. o.J., S. 4 9 .
E. Martin, Kudrun Str. 7 3 7 bemerkt: "warum trifft gerade diese der zorn
der Gerlind?" L. Freytag, Gudrun, S. 314: "Weshalb Gerlind gerade gegen Frute
und Wate solche Erbitterung hegt, bleibt unklar;..."
Vgl. E. Martin, Kudrun zu str. 1518. A. Beck, Germ-Rom. Monatschrift 37.
(1956), S. 3 1 4 bemerkt zu str. 737: "Warum Gerlind nach dieser Strophe, ihren
Hass gerade auf Wate und Frute wirft, ist aus der Dichtung, wie sie uns vorliegt,
nicht ersichtlich; man muss sich wohl mit der Erklarung zufrieden geben, dass
sie die beiden als die massgebenden Berater Hetels, auch in der Frage der
Werbung, ansehe".
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 129.
1 8 2
1 8 3
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1 8 5
Dudo, De Moribus, Patrologia Latina 1 4 1 , Sp. 7 0 5 : " . . . Northmannorum
optimates miserunt ad Haigwldum regent Daciae nobilioris et ditioris potentiae
milites, ut Richardo Willelmi magni ducis filio consanguineo succurrere festinaret,.. .". Wilhelm von Jumièges, Patrologia Latina 149, Sp. 820: " . . . Heraldo
Danorum regi legatos dirigit, et mandat ut ocius illi succurrat,...".
Kudrun,
Str. 1 0 9 1 : Wate ouch wol geddhte, der helt üz Sturmlant; sine hélfe er brokte.
Über Wates Verwandtschaft, siehe E. Martin, Kudrun zu str. 2 0 5 und 206.
186 R •yy Chambers, Widsiih. A study in old english heroic legend. New
York 1965, S. 100. Über die Helferrolle Wates in der Kudrun, siehe Albert
Fecamp, Le Poème de Gudrun, ses Origines, sa Formation et son Histoire. These
Paris 1892, S. 232; M. Weege, Das Kudrunepos, S. 16; Br. Boesch, Kudrun
(4. Aufl.), S. XL. — Die Deutungen des Namens Wate (siehe u.a. H. Zahn, Zur
Kudrun, S. 137 und H. Rosenfeld, Die Namen der Heldendichtung, insbesondere Nibelung, Hagen, Wate, Hetel, Horand, Gudrun. Beitrage zur Namenforschung N.F. (1 (1966), S. 251-252) lasse ich hier ausser Betracht.
Hermann Schneider, Germanische Heldensage. I. Bd. I. Buch: Deutsche
Heldensage. Zweite, durch einen Anhang erweiterte sonst unveranderte Auflage.
Berlin 1962, S. 3 7 0 und schon B. Symons, Kudrun (1914), S. XXXVII.
188 M Weege, Das Kudrunepos, S. 16; Über die Gestalt Wates siehe man
auch Karl P. Wentersdorf, Chaucer and the lost Tale of Wade. Journal of English
1 8 7
and Germanic Philology 6 5 (1966), S. 274-286.
1 8 9
Br. Boesch, Kudrun (4. Aufl.), S. XL.
Dukus Horant, hrsg. von P. F. Ganz, F. Norman, W. Schwarz. Mit einem
Exkurs von S. A. Birnbaum. Tubingen 1964, S. 120.
I M Wolfgang Jungandreas, Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden.
Eine Vorgeschichte des Epos. Göttingen 1948, S. 103; R. W. Chambers, Widsith,
S. 9 8 ; Br. Boesch, Kudrun, S. XL. Vgl. A. H. Smith, English Place-Names
Elements. Cambridge 1956, Part II, S. 2 3 4 und Eilert Ekwall, The Concise
Oxford Dictionary of English Place-Names, Oxford 1960 (fourth edition), S. 4 9 0 .
Unsicher bleibt, ob der Wada im Widsith schon mit der Hildesage ver1 9 0
1 9 2
bunden ist: B. Symons, Kudrun (1914), S. XXVI; F. Norman, Dukus Horant,
S. 123; K. Stackmann, Kudrun, S. LXXI.
Die Kudrunausgaben von Symons und Boesch, zu Str. 610.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 129.
Die Neue Propylaen-Weltgeschichte, hrsg. von Willy Andreas, Bd. II:
Der Aufstieg des Germanentums und die Welt des Mittelalters. Berlin 1940,
Herbert Grundmann, Das hohe Mittelalter und die deutsche Kaiserzeit, S. 186;
Fedor Schneider, Mittelalter bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Darm­
stadt 1963, S. 172-173; J. Steenstrup, Normandiets Historie, S. 68 Ophold
i England; S. 90-92 Hjemkaldelse.
Otto Kaemmel, Geschichte des Mittelalters. Leipzig o.J., I. Bd., S. 414. —
Die knappe Formulierung dieses alteren Werkes veranlasste mich, Kaemmel
heranzuziehen. Weitere Literatur siehe Anm. (199-200).
1 9 3
1 9 4
1 9 5
1 9 6
1 9 7
Richeri S. Remigii Monachi, Historiarum
Latina, Tomus 138, Sp. 51.
1 9 8
Libri
Quatuor.
Patrologia
L. Freytag, Gudrun, S. 299.
Über die Schottenfeldzüge, Athelstans, siehe F. M. Stenton, Anglo-Saxon
England. Oxford 1955, S. 337-343; Charles Oman, England before the Conquest.
London 1949, S. 517-518. Vgl. Charles Plummer - John Earle, Two of the Saxon
Chronicles. Oxford (reprint) 1952. Vol. II, S. 138: (anno 938); Her for Aeihelstan... Scotland (Scodand used in the modern sense).
F. M. Stenton, Anglo-Saxon England, S. 337-339; P. H. Blair, AngloSaxon England. Cambridge 1956, S. 87; Dorothy Whitelock, The Anglo-Saxons.
Studies presented to . . . Bruce Dickens, edited by Peter Clemoes. London 1959,
S. 71.
Charles Plummer - John Earle, Two of the Saxon Chronicles. Oxford
(reprint) 1952, Vol. I., S. 337 und S. 107 (anno 926) über die Einverleibung
Northumbriens und den Kampf gegen Schotten und Waliser: mid aihum fryd
gefaestnodon (They established a covenant of peace with pledges and oaths).
J. Dieffenbacher, Deutsches Leben im 12. und 13. Jahrhundert. Realkommentar zu den Volks- und Kunstepen und zum Minnesang. I. Bd.: Öffentliches Leben. Berlin und Leipzig 1919, S. 12-13.
Br. Boesch, Kudrun zu str. 1120; Paul Piper, Kudrun, S. XXXVII; W. Wil­
manns, Die Entwicklung, S. 244.
J. Grimm, ZfdA. 1 (1841), S. 8.
K. Müllenhoff, Kudrun, S. 105; Vgl. William Rees, An Historical Atlas
of Wales from Early to Modern Times. London 1959, S. 19: "Norsemen, from
their setdements in Ireland, raided our western coast, . . . they made trading settle­
ments in Wales." A. H. Williams, An Introduction to the History of Wales.
Cardiff 1949, Vol. I, S. 146-158: The Norsemen and Wales, c. 850-1063; Sir
Cyril Fox, The Personality of Britain, its influence on inhabitant and invader
in prehistoric and early Historic Times. Cardiff 1938, S. 41: "the kings of Dublin
exercised intermittant control over the coastlands of the Irish Sea and Northumbria,
holding Court at York".
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2 0 5
2 0 6
Ludwig Ettmüller, Güdrünlieder. Leipzig 1847, S. IX.
Plummer-Earle, Two of the Saxon Chronicles. Vol. II, S. 135; Elliott van
Kirk Dobbie, The Anglo-Saxon Minor Poems: The Anglo-Saxon Poetic Records.
New York 1942, Vol. VI, S. XXXVII.
Gian Andri Bezzola, Das Ottonische Kaisertum in der französischen Geschichtsschreibung des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts. Graz-Köln 1956,
S. 195-196.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 190.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 189.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 182.
Vgl. B. Symons, Kudrun (1914), S. LXX über "das historische und geographische geprage der gegenden, in denen er (der Kudrunstoff) seine ausbildung
erhielt". Sogar H. Schneider, Germ. Heldensage, I. Bd., S. 372, der die Ormanie
der Kudrun als das süditalische Normannenland sieht, muss annehmen, dass die
französische Normandie sich einmischt, "wenn der Normannenkönig als Lehenstrager der Iren Sinn und Verstand haben soli"; Wilhelm von Ploennies, Kudrun.
Leipzig 1853, S. 305 billigt Irland und der Normandie "einen festen Platz in
der Sage" zu.
G. B. Depping, Histoires des expeditions maritimes des Normands.
Bruxelles 1844, S. 377: "C'est è Dublin que résidait le principal chef ou roi
normand"; Lucien Musset, Les Peuples Scandinaves au Moyen Age. Paris 1951,
S. 59: "La cour de Dublin impressionna les Norvégiens par sa richesse comme par
son haut niveau intellectuel". — David Blamires, The geography of "Kudrun".
Modern Language Review 61 (1966), S. 436-445, bes. S. 438 führt aus, dass
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die Entfernung Irlands: tüsent mile (Str. 285-288) und die siben fürsten lant
(Str. 2) den mittelalterlichen geographischen Kenntnissen über Irland entsprechen.
Auch Baljdn wird von Blamires auf einen irischen Ortsnamen bezogen.
G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 184.
Zu der Verwechslung Heinrich-Otto bemerkt H. Prentout, Étude critique
sur Dudon de Saint-Quentin. Paris 1916, S. 307: "A vrai dire, un frère d'Otton,
Henri, lui suscita des difficultés au début de son règne, mais il n'y a aucune
preuve que ce prince ait jamais eu le moindre rapport avec Guillaume". Meine
Deutung der Kudrunstrophe 611 liesse allerdings eine solche Erklarung zu. Es ist
bemerkenswert, dass mündliche Überlieferung gerade an dieser Stelle bei Dudo
wahrscheinlich ist: G. A. Bezzola, Das Ottonische Kaisertum, S. 185. Es besteht
die Möglichkeit, dass die gemutmasste mündliche Überlieferung und die episierte
Version der (angeblichen!) Ereignisse in der Kudrun irgendwie zusammenhangen.
H. Prentout, Étude, S. 431 karakterisiert Dudo als "un homme de lettres",.. ."qui
élabore un roman historique avec des matériaux empruntés è l'histoire et des
matériaux empruntés a la légende". . . ."Dudo a utilise les données des chansons
de geste, des traditions épiques de Ia Saga; mais le fond de l'oeuvre est emprunté
aux Annales, et c'est sur cette trame qu'il a brode les légendes". Andrerseits hat
Siegfried Gutenbrunner (Schleswig-Holsteins alteste Literatur. Von der Kimbernzeit bis zur Gudrundichtung. Kiel 1949, S. 85-90) die Saga in die Entwicklung
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2 1 5
der Kudrun einbezogen: S. 85: "Der Vorzeitsaga bleibt die Gudrun so nahe,
und zwar fortlaufend so nahe, dass sie wie eine in Verse gegossene Vorzeitsaga
wirkt". Zusammenfassend weist er auf "eine in Prosa erzahlte Saga-Stufe" hin,
die sich "in den Weg vom Lied zum Epos" eingeschaltet habe. Auf dieser SagaStufe soil "durch niederdeutsche Zwischenglieder unser erhaltenes Gudrunepos"
beruhen. Siehe auch besonders H. Zahn, Zur Kudrun, S. 70-89.
K. Müllenhoff, Kudrun, S. 38, 75.
L. Ettmüller, Güdrunlieder, S. IX.
Paul Piper, Kudrun, S. XII.
B. Symons, Kudrun, S. LX.
E. A. Schönbach, Das Christentum, S. 183.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 198; K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 121;
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 290 lehnt Martins Ansichten ab.
E. Schroder, Zur Überlieferung und Textkritik der Kudrun. Nachr. v.d.
kön. Ges. d. Wiss. zu Göttingen Phil.-Hist. Klasse 1920, S. 306: W. Jungandreas,
ZfdPh. 68 (1943), S. 19, 24; H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 305. Vgl.
I. Schröbler, Wikingische, S. 46-47. Br. Boesch, der Herausgeber der Kudrun
(1954 und 1964) versicherte mir 1963 mündlich, dass er die Erinnerung an den
H. Cassian für sehr unwahrscheinlich halt. — Jean Carles, Le poème de Kudrun,
S. 126 weist in bezug auf den Namen Kassiane auf die Freiheit hin, die der
Dichter sich erlaubt. W. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 103-105 stellt die
Identifizierung von Kassidne als von untergeordneter Bedeutung hin.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 140, 146; I. Schröbler,Wikingische,
S. 90.
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2 2 4
Dudo, De Moribus, Patrologia Latina, Tomus
149, Sp. 707-709; Vgl.
Onslow, The Dukes of Normandy, S. 78; Th. Licquet, Histoire de Normandie,
Tome I, S. 131.
2 2 5
A. Duchesne, Historiae Normannorum Scriptorum antiqui. Lutetia Parisio-
rum 1619, S. 365. Brabantsche Yeesten...
publ. par J. F. Willems, Bruxelles
1839, V. 5572. Die Brabantsche Yeesten werden in modernen Handbüchern der
niederlandischen Literaturgeschichte Jan van Boendale zugeschrieben.
Zu den Veliocasses, siehe die Kommentare zu Caesar,De Béllo Gallico
II, 9; VII 75,3 und die einschlagigen Reallexika s.v. Velliocasses.
Charles Wastelain, Description de la Gaule- Belgique. Lille 1761, S. 462;
Ch. J. Philips, Les Noms des Chefs-Lieux des départements et des arrondissements de France. Diss. Amsterdam. Goes 1952, S. 63: "Les noms qui nous rappellent le souvenir des peuplades dont la ville fut autrefois le chef-lieu..."; S. 66:
" . . . des toponymes derives d'un nom de peuples . . . les chefs-lieux des peuplades
gauloises...".
Gerard Knuvelder, Handboek tot de geschiedenis der Nederlandse Letterkunde. I. Deel. 's-Hertogenbosch 1957, S. 43.
Vgl. David Blamires, The geography of "Kudrun". Modern Language
Review 61 (1966), S. 436-445. bes. S. 463. Blamires' Folgerungen stützen sich
hauptsachlich auf die uns vorliegende Version der Kudrun. Da er fast nicht auf
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2 2 9
die Vorgeschichte, deren Erforschung der Heldensage zugehört, eingeht, kommt
er zu dem unsicheren Schluss (S. 445): "I do not think it possible at least with
the present evidence available — to establish with certainty the "original" location
of the story, if indeed there ever was one". — Über Mateldne siehe folgendes
Kapitel.
B. Symons, Kudrun (1914), S. XXXIX, XLV, XCV; Fr. von der Leyen,
Die deutschen Heldensagen. München 1912, S. 263-264.
An eine solche Quelle hat Adolf Beck gedacht: Beck, Germ .-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 338.
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A N M E R K U N G E N Z U M II.
2 3 2
KAPITEL
Th. Frings, Hilde. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und
Literatur 54 (1930), S. 391-418, bes. S. 409.
B. Symons, Kudrun. Halle a.S. 1914, S. LXIX, CI.
Br. Boesch, Kudrun. Tubingen 1954, S. XV; 1964, S. XX-XXI, XXX.
K. Stackmann, Kudrun. Wiesbaden 1965, S. LXII-LXIII.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXII; Th. Frings, Zur Geographie der Kudrun.
I. Wulpen und Hedinsee. ZfdA. 61 (1924), S. 192-195. - Die Pharaildislegende
in Flandern beweist, dass die Hildefabel eigene Wege gegangen ist: L. Peeters,
Kudrun und die Legende. Leuvense Bijdragen 50 (1961), S. 59-85.
R. Meissner, Gustrate. ZfdA. 60 (1923), S. 129-147; Th. Frings, Zur
Geographic der Kudrun. ZfdA. 61 (1924), S. 195-196; Th. Frings, Hilde. Bei­
trage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 54 (1930), S. 414.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXII.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXII, LXXVIII. Grundlegend zu diesem
Problem: I. Schröbler, Wikingische und spielmannische Elemente im zweiten
Teile des Gudrunliedes. Halle a.S. 1934, Hermann Schneiders Bedenken zu der
Schröblerschen Arbeit verraten seine grundverschiedene Einstellung zur Über­
lieferung aus der Wikingerzeit. Darauf wird naher einzugehen sein. Vgl. auch
R. Wisniewski, Kudrun. Stuttgart 1963, S. 37. — Die Quellen der Wikingerzeit
in den Niederlanden sind von Bolhuis, Jan de Vries, Gosses, Ganshof erörtert
worden (s.u.). Sie erganzen eine wichtige Quelle der Kudrun, nl. Dudos Nor­
mannengeschichte, auch hinsichtlich der historischen Hintergründe der Kudrun.
Th. Frings, Hilde, Beitrage 54 (1930), S. 393-394, 411-417.
Hellmut Rosenfeld, Die Kudrun: Nordseedichtung oder Donaudichtung?
ZfdPh. 81 (1962), S. 289-314; J. W. Vorrink, Die Urgudrun. Levende Talen
1963, S. 603-645; Roswitha Wisniewski, Kudrun 1963, bes. S. 41-51.
H. Bruch, De Hollandse graven en het Gudrunepos. Levende Talen 1964,
S. 231-239; Discussie over het artikel van de heer J. W. Vorrink: Die Urgudrun,
Handelingen van het 28.ste Nederlands Filologencongres. Groningen 1964,
S. 145-146; K. Stackmann, Kudrun, S. LXIII; W. Hoffmann, Kudrun. Ein
Beitrag zur Deutung der nachnibelungischen Heldendichtung. Stuttgart 1967,
S. 99-100.
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W. Hoffmann, Kudrun, besonders S. 1-24: Einleitung: Methodische und
sachliche Praliminarien.
244 w. Hoffmann, Kudrun, und Magdalena Weege, Das Kudrunepos, eine
Dichtung des Hochmittelalters (Diss. Mainz). Lemgo 1953 seien hier genannt,
obwohl ihre Arbeiten unterschiedliche Verdienste aufzuweisen haben. Hierhin
passt die Bemerkung S. J. Lenselinks, De nieuwe Taalgids 60 (1967), S. 274 zu
einem alteren niederlandischen Werk geschrieben: "dat het zoeken naar een
'bron' tot verrassende resultaten kan leiden; dat het opsporen van de Vorlage vaak
zelfs gebiedende eis is: in de meeste gevallen toch berust de keuze van de bron
op welbewuste overwegingen".
Friedrich von der Leyen, Die deutschen Heldensagen. München 1912,
S. 263-264.
Siehe die bei K. Stackmann, Kudrun, S. LXXVIII verzeichnete Literatur.
R. Wisniewski, Kudrun, S. 37: " . . . die Bezeichnung von Mórlant bleibt
unerklart..."; K. Stackmann, Kudrun, S. LXXIX: "Sicherlich spielt der Name
Mórlant dabei eine Rolle, aber man weiss nicht, welche".
H. Naumann, Die jüngeren Erfindungen im Heldenroman. Zs. für
Deutschkunde 1 (1926), S. 22-34. bes. S. 27-29.
B. Symons, Kudrun (1914), S. LXI; E. Martin, Kudrun, S. LVT; Max H.
Jellinek. Festgabe Samuel Singer. Tubingen 1930, S. 20-28, bes. S. 27; Siegfried
Stein, Die Unglaubigen in der mittelhochdeutschen Literatur von 1050 bis 1250.
Sonderausgabe Darmstadt o.J. (Diss. Heidelberg 1932), S. 87. Vgl. auch Otto
Söchtig, Zur Technik altenglischer Spielmannsepen (Inaugural-Diss. Leipzig).
Lucka 1903, S. 31: "Diese Gegner (die Feinde des Helden) sind unter der Einwirkung der Kreuzzüge und durch die Erinnerung an die nordischen Seerauber
haufig Heiden" und Gustav Neckel, Die altnordische Literatur. Sonderausgabe
Darmstadt o.J. (Leipzig und Berlin 1923), S. 39 (über die Wikingerzüge): "Die
wehklagenden Berichte der heimgesuchten Mönche kehren einseitig und sicher
oft stark übertreibend nur die Roheit der Wikinge hervor und sehen in diesen
schlechthin "wilde Heiden", weshalb sie spater in Frankreich und Süddeutschland zuweilen mit Sarazenen und Mohren verwechselt worden sind".
E. Martin, Kudrun, zu Str. 1664 hat schon vor Naumann auf Feirefiz
hingewiesen. Siegfried Colditz, Kudrun. Ein Heldenepos. Leipzig 1961, übersetzt
varwe kristenliche mit hellem Schein; Fr. Neumann, Kudrun (Gudrun). Stutt­
gart 1958, mit christlichem Schein. H. Rosenfeld, Die Kudrun: Nordseedichtung
oder Donaudichtung. ZfdPh. 81 (1962), S. 302: der Dichter betont," dass Sifrit
selbst blond und christenfarbig sei (Str. 1664)". Vgl. auch W. Hoffmann,
Kudrun, S. 103-104 und 227-228.
Wolfram von Eschenbach, Parzival zu 57,22, vgl. 758,17; 782,3 793,27;
805,29. Siehe dazu Parzival von Wolfram von Eschenbach. Neu bearbeitet von
Wilhelm Hertz. Stuttgart 1898, S. 475-476.
Max Remppis, Die Vorstellungen von Deutschland im altfranzösischen
Heldenepos und Roman und ihre Quellen. Halle a.S. 1911, S. 30.
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Jan te Winkel, Roman van Moriaen. Groningen 1878, S. 34. Dat scone
Bediet von Moriane, met inleiding, aantekeningen en bibliografie van A. T. W .
Bellemans. Antwerpen 1942, Vers. 5-7, 18-19, 490, 763-772, 850; Vgl. W . Hertz,
Parzival, S. 476.
Zu diesem Problemkomplex, siehe Max Deutschbein, Studiën zur Sagengeschichte Englands. I. Teil, Die Wikingersagen. Hornsage, Haveloksage, Tristansage. Boevesage, Guy of Warwicksage. Cöthen 1906, S, 36-37, 41; O. Söchtig,
Zur Technik altenglischer Spielmannsepen, S. 30-31 (siehe auch Fussnote (249).
Vel. B. Symons, Kudrun (1914), S. LXII über "die traditionelle nebenbuhlerschaft
eines heidnischen fürsten in den spielmannsepen". Deutschbein weist mehrere
auffallende Parallelen zu Kudrun in der Hornsage auf. Mit einigem Nachdruck
hat auch Th. Frings, Die Entstehung der deutschen Spielmannsepen. Zs. für
deutsche Geisteswissenschaft 2 (1939), S. 306-321 auf die Hornsage und die
Kudrunsage hingewiesen. — Zu den "Heimkehrsagen" und Kudrun siehe auch
Hinrich Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos.
München 1967, S. 134-135, 152.
2 5 4
2 5 5
L. Beer, Zur Hildensage, Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache
und Literatur 14 (1899), S. 555 und 562; Panzer, Hilde-Gudrun, S. 344, 558,
566: Otto Grüters, Das Mare von der getreuen Braut. Germanisch-Romanische
Monatschrift 3 (1911), S. 138-151, bes. S. 145; H. Marquardt, Die Hilde-Gudrunsage in ihrer Beziehung zu den germanischen Brautraubsagen und den mittel­
hochdeutschen Brautfahrtepen. ZfdA. 70 (1933), S. 1-23, bes. S. 12; vgl. Jellinek,
Festgabe Singer, S. 24.
256 Jellinek, Festgabe Singer, S. 24; vgl. H. W. J. Kroes, Kudrunprobleme.
Neophilologus 38 (1954), S. 11-23, bes. S. 15.
Albert Schott, (in) Gudrun, hrsg. von Al. J. Vollmer. Leipzig 1845,
S. XLVI-XLVII: "Der Gedanke der gewaltsamen Werbung wurzelt in unserer
S a g e . . . : um der Jungfrau willen beginnt einer Krieg, Sigfrid gegen Herwig";
L. Beer, Beitrage 14 (1889), S. 556: "Gegenstand des gedichtes ist der kampf
um eine jungfrau: darum ist Herwigs werbung um die jungfrau ein kampf und
Sigfrids kampf eine folge seiner werbung um die jungfrau".
F. Hilgers, Die Menschendarstellung in dem Kudrunepos. Diss. Köln
1959, S. 38.
5 8 B. Symons, Kudrun (1914), S. LXI.
F. Hilgers, Die Menschendarstellung, S. 38.
W. Muller, Mythologie der deutschen Heldensage. Heilbronn 1886, S. 235;
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 346 ff.. Mit Recht bemerkt Johannes A. Huisman,
Utrecht im Merigarto. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Lite­
ratur 87 (Tubingen 1965), S. 379-389, bes. S. 387: "Obwohl die archaologische
(Holwerda) und namenkundliche Forschung seit Jahrzehnten erkannt hat, dass
mit Ascloa nicht Elsloo bei Maastricht, sondern die frankische Pfalz Asselt bei
Roermond gemeint ist, behauptet Elsloo sich noch immer in der Kudrurditeratur".
Vgl. M. Schönfeld, Nagelaten Opstellen. Studies op naamkundig gebied, verzorgd
door D. P. Blok met een levensbericht door Mr. S. J. Fockema Andreae. Amster­
dam 1959, S. 15.
2 8 7
2 5 8
2
2 8 0
2 6 1
2 6 2
Vgl. H. W. J. Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 15.
Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen bij de zee. Haarlem 1923,
S. 238-248; Otto Scheel, Die Wikinger. Aufbruch des Nordens. Stuttgart 1938,
S. 182-183; Walther Vogel, Die Normannen und das frankische Reich. Heidelberg 1906, S. 288-305. F. L. Ganshof (in) Alg. Gesch. der Nederlanden. I. DL.
Utrecht 1949, S.369.
Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 15.
H. Prentout, Étude critique sur Dudon de Saint-Quentin. Paris 1916,
S. 165-166, 252.
H. Prentout, Étude critique, S. 174-175.
W. Hoffmann, Kudrun, S. 249.
Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 15. Im vorigen Kapitel habe ich, wie
ich hoffe, nachgewiesen, dass der Verlauf des Kriegszugs in Ormanie in der
Kudrun auf normandische Quellen zuruckgeht. Vgl. auch R. Meissner, ZfdA. 60
(1923), S. 140-141 über die "alten erinnerungen an die Zeit der Wikingerzüge"
und "das sichere zeugnis dafür": . . ."die strophen 668-729 und 821-834". Jean
Carles, Le poème de Kudrun. Paris 1963, S. 175, 248-286 erwahnt ebenfalls
"des analogies incontestables" zu Sivrits Geschichte (S. 285). Seinen Erörterungen
über den Mohrenkönig und die Mori in Ariost, Orlando Vurioso kann ich jedoch
nicht beipflichten. Siehe darüber meinen Beitrag, der demnachst in Neophilologus
erscheinen wird.
Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen, S. 244: "Volgens afspraak
gaat het gedeelte, dat onder bevel van Sigfrid en andere aanvoerders stond, uit
het Oostfrankische gebied weg en weet voorlopig niet beter te doen dan naar
het veelgeplaagde Vlaanderen terug te keeren; in October slaan ze hun kamp
op te Condé. Verschillende kleinere troepen schijnen zich echter niet aan de
belofte gehouden te hebben; . . ."— Auch Panzer, Hilde-Gudrun, S. 347 glaubt
in der Asselt-Episode (er spricht immer von Elsloh (sic!)) neben den schon aufgezeichneten Parallelen andere Einzelheiten aus der Kudrun herauslesen zu
können, auf welche in den geschichtlichen Quellen angespielt wird.
K. Droege, Zur Geschichte der Kudrun, ZfdA. 54 (1913), S. 121-167,
bes. S. 151; vgl. Fr. J. Mone, Untersuchungen zur Geschichte der teutschen
Heldensage. Quedlinburg und Leipzig 1836, S. 46: "Mórlant und Wulpensant
lagen . . . nahe beisammen". W. Hoffmanns Bemerkung, Kudrun, S. 99-100,
wo er auch über Mórlant spricht: "Auch wenn nur ein Teil der Namen in der
'Kudrun' rein fiktiv ist, verbindet sich doch mit vielen von ihnen für den Dichter
eben keine bestimmte Vorstellung mehr" kann man vielleicht gutheissen. Welche
Kenntnisse können wir dem Dichter zutrauen, welche nicht? Man darf die
Bedeutung des Stoffes, wie ihn der Dichter übernimmt, für die Interpretation
seines Werkes nicht verkennen. Vgl. auch Fussnote 244.
Helmut de Boor, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen
bis zur Gegenwart. 2. Bd. München 1957, S. 205. — R. Much hat in seiner
Besprechung von Panzer, Hilde-Gudrun: Archiv 108 (1902), S. 402 auf den
Zusammenhang von Sêwen in Kudrun und Morini d.i. "marini" hingewiesen.
2 6 3
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2 7 0
2 7 1
2 7 2
K. E. Freytag, Wulpen und Mórlant. Neophilologus 11 (1926), S. 256-264,
bes. S. 262 ff. denkt an Moerland, eine Gegend im französisch-belgischen Küstengebiet (d.h. im französischen Flandern).
K. Dartsch, Kudrun, S. 355 s.v. Mórlant.
K. Bartsch, Kudrun, S. 356.
Fr. J. Mone, Untersuchungen, S. 50.
276
ploennies, Kudrun, S. 308. Man siehe auch Ch. Verlinden, Les
mots "mariscus" et "morus" dans les chartres flamandes antérieures è 1200.
Mémoires du Ier Congres Intern, de Géographie historique. Bruxelles 1931, II,
S. 304-310. Weiter ist interessant, dass es schon im 13. Jahrhundert in Flandern
den Familiennamen de Moor gab. Von dieser Familie ist bezeugt, dass sie den
Mohrenkopf als Wappen führt: La Noblesse Beige. Annuaire de 1902. Première
Partie. Bruxelles 1892, S. 156. Der Mohrenkopf im Wappen kommt überaus
haufig vor: Theodore de Renesse, Dictionnaire des Figures héraldiques. Bruxelles
1895, S. 171-180. Nicht nur Familien, deren Namen an "Mohr-" anklingen,
sondern auch solche wie Brunet, Bruni, Brunuard führen das Wappen. Man
vergleiche auch Kudrun, str. 1368:
2 7 3
2 7 4
2 7 5
v o n
Ez ist ein brüner phelle
da her von Karadê.
ê daz sich der geneige, da bi wirt helden wê.
dar inne swebet ein houbet,
daz ist von rótem golde.
alsó küener geste ich hie ze lande gerne enbern wolde.
A. E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz
1897, S. 201 schreibt: "Dass irün geschrieben wird, zeigt, dass sich der Bearbeiter
unter Morland ein Negerreich dachte". H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 300302 weist auf bayerische Wappenbezüge hin: der Casarenkopf der Pappenheimer
wurde 1293 zum Mohrenkopf gewandelt. Das ist nach dem Entstehen der Kudrun.
K. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde. IV. Bd. Berlin 1920, S. 682
(686); Symons, Kudrun (1914), S. LXI und Panzer, Hilde-Gudrun, S. 105, 345.
R. Meissner, ZfdA 60 (1923), S. 138. Vgl. H. Hempel, Niederdeutsche
Heldensage. Die Nachbarn. Jahrbuch für vergleichende Volkskunde 3 (1962),
S. 27: "In Morland konnte das 'Morinerland' stecken".
2 7 7
2 7 8
2 7 9
Patrologia Latina, Tomus 149, Sp. 1225.
280 w_ J. L. van Es, De Ondergang van het Dietsch in Frankrijk na de
Saksisch-Frankisch-Friesche Nederzetting. Vermeerderde Overdruk uit De Nieuwe
Gids van Juli en Augustus 1940, S. 45. Es ist mir nicht gelungen die von Van Es
zitierte Stelle in Richer aufzufinden, doch die Morini werden von Richer in
Patrologia Latina, Tomus 138, Sp. 51 genannt. — Weitere Belege aus dem klassischen Altertum und dem Mittelalter bei Kaspar Zeuss, Die Deutschen und
die Nachbarstamme. Heidelberg 1925, S. 209-212.
H. Andresen, Wace, Roman de Rou, 2. Bd., S. 30 v. 28.
Zu Ariosts Zeit sind es besonders die Humanisten, die die Morini den
Flamen gleichsetzen, so u.a. Johannes Cochlaeus, Brevis Germanie Descriptio
(1512). Darmstadt 1960, S. 66.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 138; I. Schröbler, Wikingische, S. 40-43.
2 8 1
2 8 2
2 8 3
2 8 4
Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen bij de zee. Haarlem 1923,
S. 221-222, 248-249.
M. A. Hermand, Notice historique sur Watten. Mémoires de la Société
des Antiquaires de la Morinie. Tome 4 (1837-1838), S. 53-205, bes. S. 66: „Dans
les invasions normandes des années 879 a 882, la Morinie et Ménapie furent les
principaux théêtres des exploits de ces peuples dévasteurs". W. Jungandreas, Die
Gudrunsage, S. 172: "lm Sommer 879 überquerten diese Wikinger (die Schar
der Normannen bei Fulham) den Kanal bei Calais. Sie bildeten den Kern des
'Grossen Heeres', das 14 Jahre lang im Frankenreich hauste". — J. S. P. Tatlock,
The Legendary History of Britain: Geoffrey of Monmouth's Historia Regum
Britanniae and its early versions. University of California Press 1950, S. 93-94
erwahnt zu den Moriani, die Morini (i.e. Flemings). Vgl. auch den Namen
Moridunum in Siidengland, den man als "Hill of the Morini" (?) zu deuten
versucht: Six Old English Chronicles edited by J. A. Giles. London 1896, S. 498.
286
j-j p j
Dissertation sur cette expression de Virgile Extremi hominum
Morini. Aeneid Lib. VII. Mémoires de la Société des Antiquaires de Morinie.
Tome Ier. Année 1833, S. 352-368; Heinrich Meusel, C. Iulii Caesaris Commentarii De Bello Gallico. Dritter Band. Berlin 1960, S. 152; W. Sprey, P. Cornelius Tacitus, De Opstand der Bataven met aantekeningen. Groningen 1954,
S. 96.
Vgl. Anmerkung 249.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 345.
Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 14.
E. Martin, Kudrun zu Str. 267; vgl. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 345.
Über die Verballhornungen der arabischen Namen und ihre europaischen
Formen, siehe Sigrid Hunke, Allahs Sonne über dem Abendland. Frankfurt a.M.
1965, S. 352 und die Übertragung von Enno Littmann, Die Erzahlungen aus
den Tausendundein Nachten. Wiesbaden 1953, 6. Bd., S. 739.
Richard Hennig, Abhandlungen zur Geschichte der Schiffahrt. Jena 1928,
S. 56. Akaba war zur Zeit der Kreuzzüge ein wichtiger Ort: Steven Runciman,
A History of the Crusades. Harmondsworth 1965, Vol. II, S. 97-98, 230, 390,
432, 436.
Die Erzahlungen aus den Tausendein Nachten . . . übertragen von Enno
Littmann. Wiesbaden 1953, 6. Bd., S. 739; Sigrid Hunke, Allahs Sonne über
dem Abendland, S. 352. — Der Reichtum und die Macht der Araber (Sabaas)
war auch Horaz, Oden i. Buch, 29 und Jesaja 60, 6 bekannt.
Die Erzahlungen aus den Tausendundein Nachten: 277-279. Nachte,
3. Bd., S. 108-114.
Man vgl. auch Kudrun, Str. 1326,4. Die in Str. 1326-1327 geschilderten
Betten sind in ihrer Beschreibung vielleicht zwei Stellen in dem Nihelungenlied nachgebildet: Str. 362-363, 1825-1826.
Panzer, Hilde-Gudrun, S. 345. — Auch die wise von Amilê, die Horant
üf dem wilden vluote gehort haben soli (Kudrun, Str. 397) kann sehr gut ein
„saracenenlied" gewesen sein, wie K. Müllenhoff, Kudrun. Kiel 1845, S. 90
2 8 5
e r S )
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2 8 8
2 8 8
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2 9 3
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2 9 5
2 9 6
meint. Müllenhoff denkt dabei an eine wise von Araben, wie in Str. 1588, 4 steht.
Martins Behauptung in seiner Kudrunausgabe, zu Str. 397, "dass der orient
wegen seiner musik und sangeskunst besonders berühmt gewesen sei, ist zweifelhaft", kann kaum aufrechtgehalten werden. Siehe über Araber und "Mohren"
in der Musik: Otto Glastra van Loon, Mozaïek der Muziekgeschiedenis. Baarn
1966, S. 106-111. Zu dem angeschnittenen Problem, siehe auch W. Hoffmann,
Kudrun, S. 66 und 224-225. Strophen 397 ff., wo von der wise von Amilê und
ihrem be- oder verzaubernden Einfluss die Rede ist, bleiben noch unaufgehellt.
Der Name und die offenbare Beziehung zum Orient (doch siehe die wagemutige
Deutung in Siegfried Gutenbrunner, Schleswig-Holsteins alteste Literatur. Von
der Kimbernzeit bis zur Gudrundichtung. Kiel 1949, S. 91-96) sind ratselhaft.
Zunachst möchte ich mit Gutenbrunner von der „Benennung der Liedweise"
ausgehen: eine wise diu was von Amilê, die ich mit Schönbach und Hoffmann
als "etwas Seltsames, Orientalisches" verstehe. Die Weise ist süeze, was "nicht
allein das Liebliche, Angenehme, Schone" (bezeichnet), "sondern . . . ausgesprochen das Reizende, Verlockende, Verführerische zum Ausdruck bringen"
kann: W. Hoffmann, Kudrun, S. 66. Wenn wir uns im Orient umschauen, so
fallt auf, dass der Gesang der orientalischen Almeen (Singular: Almèh; Plural:
Awalim; ebenfalls Al'meh, A'limeh, Aulimeh buchstabiert) diesen Merkmalen
entsprechen. Die Almeen bilden eine Zunft von gelernten Sangerinnen und
Tanzerinnen. Sie werden dargestellt "as famed supercourtesans and dancing
girls, the aulimehs were mistresses of diabolic temptation": Allen Edwardes,
The Jewel in the Lotus. A historical survey of the sexual culture of the East.
New York 1965, S. 125; vgl. E. W. Lane, An Account of the Manners and
Customs of the Modern Egyptians, written in Egypt during the years 1833-1835.
London 1895, S. 365; Aly Mazhéri, So lebten die Muselmannen im Mittelalter.
Stuttgart 1957, S. 186. Ein solcher Gesang des Orients entsprache dem in der
Kudrun geschilderten Zusammenhang: Horant singt einen verführischen Zaubergesang, womit er Hilde für seinen Herrn wirbt. Sie gibt ihm Ring und Gürtel
und sie versichert ihm (Str. 401,3): ich bin im durch din liebe holt vil sicher-
lichen". Die unwiderstehliche Macht des Hjarranda-hljód ist auch im Norden
bekannt, sie betört die Heiratsgaste in Herrauds saga ok Bósa. Der mhd. Name
Amilê für Almeh, Alimeh darf nicht wundernehmen, denn die mittelalterlichen
Schreiber hessen orientalischen Namen mannigfache Missbildungen angedeihen:
A. E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz
1897, S. 184. Vgl. auch Fussnote 291. Ich kann hier nur andeuten; Horants
Gesang im Hildeteil müsste eigens behandelt werden. Das wurde jedoch den
Rahmen meiner Untersuchungen über den Gudrunteil des Epos sprengen.
2 9 T
Ich zitiere nach W. J. A. Jonckbloet, Geschiedenis der middelnederlandsche Dichtkunst. Amsterdam 1852, 2. deel, S. 458.
2»s W. J. A. Jonckbloet, Geschiedenis 2. deel, S. 472-473.
H. Hardenberg, De Nederlanden en de kruistochten. Amsterdam 1944,
passim.
Siehe voriges Kapitel und Anfang dieses Kapitels.
2 9 9
3 0 0
3 0 1
Siehe voriges Kapitel.
K. Müllenhoff, Zeugnisse und Excurse zur deutschen Heldensage. ZfdA.
12 (1865), S. 263 bemerkt: " . . . die Saracenen d.i. heiden der spateren englischen sage sind bekanntlich Danen und Nordmannen; so tritt auch in unserer
Kudrun ein Sivrit von Morlant auf . ..". A. E. Schönbach, Das Christentum,
S. 186 meint zu diesen Kudrunstrophen: "Dass ein heidnischer Mohrenkönig
Bundesgenosse christlicher Fürsten wird 874ff., 1120ff. und sich einer christlichen Königstochter vermahlt, das ist wol erst unter Einwirkung der Kreuzzüge
denkbar;...".
B. Symons, Kudrun (1914), S. LXX.
B. Symons, Kudrun, S. XLIV; vgl. K. Müllenhoff, Kudrun. Kiel 1845,
S. 76, 85, 105, 109, 111; Th. Frings, Hilde, Beitrage 54 (1930), S. 394, 411.
Zum Teil ist das für die ersteren Namen schon im vorigen Kapitel ge­
schehen.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 136.
P. Piper, Kudrun, S. XXVI erwahnt Wales, de Waal, Walcheren.
» R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 205.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 435.
B. Symons, Kudrun (1914), S. XLIV.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 435. Doch Th. Frings, Beitrage 54 (1930),
S. 411 schreibt: "Den geographischen umriss Irland, Scheldeinseln (Wulpen).
Friesland, Danemark halte ich mit Symons s. XLIV für alt."
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 239.
Vgl. Karl Bartsch, Wolfram von Eschenbach Parzival und Titurel. 4. Aufl.
Leipzig 1932, zu 103,7; 128,7; 494,7; 803,5.
Parzival von Wolfram von Eschenbach. Neu bearbeitet von Wilhelm
Hertz. Stuttgart 1898, S. 477 und 493.
M. Wilmotte, Waleis(e) = Gallois dans Parzival. Mélanges de Philologie
offerts a Jean-Jacques Salverda de Grave. Groningen 1933, S. 399-405, bes. 405.
J. G. Edwards, The Normans and the Welsh March. Proceedings of the
British Academy. Vol. XLII (1956), S. 155-177, bes. 156: "The parts of Wales
so conquered by the Normans came to be known collectively as „the March of
Wales" (Marchia Wallie) to distinguish them from the unconquered parts, which
were known collectively either as just Wales „Wallia" or sometimes as „Wales
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3 1 3
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3 1 6
proper" (pura Wallia)".
3 1 7
Fr. Neumann, Kudrun, S. 13.
Br. Boesch, Kudrun (1964), S. XLV. Vgl. K. Droege, ZfdA. 54 (1913),
S. 150; H. Schneider, Germanische Heldensage, I. Bd., S. 364. — Die Jahreszahl
1130 geht aus der Quellenlage des Alexanderliedes hervor. Es ware möglich, dass
Lambrecht eine jüngere Version auf niederfrankischem Boden noch nicht kannte.
Wesendich ist der spate anglo-normannische Hintergrund. Siehe unten.
K. Müllenhoff, Kudrun, S. 76, vgl. 53.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 135.
K. Müllenhoff, Kudrun, S. 105.
3 1 8
3 1 9
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3 2 1
3 2 2
Vgl. die Erörterungen zu Str. 610-611 im vorangehenden Kapitel. Siehe
auch E. Martin, Kudrun (1883), S. XXVIII.
P. Piper, Kudrun, S. XXVI: "Wales lautet französisch"; E. Martin,
Kudrun zu Str. 200: "ein französierter name"; A. E. Schönbach, Das Christentum, S. 183: "aus den romanischen Sprachen".
Archibald R. Lewis, The Northern Seas. Shipping and Commerce on
Northern-Europe A.D. 300-1100. Princeton 1958, S. 477-478. Frank Barlow,
William and the Norman Conquest. London 1965, S. 15, 175; David C. Douglas,
(in) The Norman Conquest, its Setting and Impact. Edited by C. T. Chevalier.
London 1966, S. 61: "the Flemish alliance was to persist until after the Norman
conquest of England which it helped to make possible".
F. M. Stenton, Anglo-Saxon England. Oxford 1955, S. 621; H. W. C.
David, England under the Normans and the Angevins. London 1957, S. 152, 201;
David D. Douglas, William the Conqueror. The Norman Impact upon England.
Berkeley and Los Angeles 1964, S. 267.
Ferdinand von Hellwald - L. Schneider, Geschichte der niederlandischen
Literatur. Leipzig (1887), S. 43-44.
Émile Vaerenbergh, Histoire des Relations diplomatiques entre Ie Comté
de Flandre et l'Angleterre au Moyen Age. Bruxelles 1874, S. 69.
Otto Grüters, Das Mare der getreuen Braut. Germanisch-Romanische
Monatschrift 3 (1911), S. 138-151. bes. S. 144.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 104. R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 135.
Six old English Chronicles, edited with illustrative notes by J. A. Giles.
London 1896, S. 32, 64.
David Blamires, The geography of "Kudrun". Modern Language Review
61 (1966), S. 436-445, bes. S. 443.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 103. W. Jungandreas, Die Gudrunsage,
S. 100 deutet Tenemarke als "das der französischen Epik gelaufige Dan(e)marche,
Denemarche bei Calais und St. Omer". Wdleis, Galeis, Calais werden von Jung­
andreas gleichgesetzt, was immerhin gewagt sein dürfte. R. Meissner, ZfdA.
60 (1923), S. 141: "Tenemarke, -lant (erscheint) als Gesamntname für Hetels
reich, daneben aber (bezeichnet es) einen teil seiner herrschaft,...".
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 146; I. Schröbler, Wikingische, S. 45,
88-89; K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXVIII.
Th. Frings, ZfdA. 61 (1924), S. 196; Th. Frings, Beitrage 54 (1930),
S. 394.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 144-146; Eilert Ekwall, The Concise
Oxford Dictionary of English Place-Names. Oxford 1960, S. 439 s.v. Start
Point. — David Blamires, The geography of "Kudrun". Modern Language Review
61 (1966), S. 436-445 kommt mit seiner Untersuchung nicht recht zu Rande. Es
ist unmöglich ohne ein griindliches Quellenstudium und nur mit der uns vorliegenden Kudrun die Namen zu deuten und diese mit der "original geography
of the story "in Zusammenhang zu bringen. Blamires Vermutung Gustrdte sei
ein italienischer Ortsname, der zu dem mittelmeerischen Ausblick der Kudrun
3 2 3
3 2 4
3 2 5
3 2 6
3 2 7
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3 3 2
3 3 3
3 3 4
3 3 5
passe, wird nicht bewiesen. — Wisniewskis Behauptung (Kudrun, S. 42), dass
Goustert von der Normandie östlich liegt und daher niemals von den in der
Normandie befindlichen Hegelingen als Ort des Sonnenunterganges gesehen
werden kann, wie es die Str. 1164 nahelegt, beruht auf ungenauem Studium
der Atlanten.
Th. Frings, ZfdA. 61 (1924), S. 196. - Het Zeeboek. Handschrift van de
Stedelijke Boekerij te Antwerpen (Nr. B. 291666) uitgegeven en beschreven door
J. Denucé en D. Gernez. Antwerpen 1936, hat S. 16 (Karten, S. 18-19): "dit is
die hoeck van goutstart" für Goustert, Start Point.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 131.
Th. Frings, ZfdA. 61 (1924), S. 196; vgl. auch die dichterische Wertung
Meissners, ZfdA. 60 (1923), S. 130: "diese durch den sonnenuntergang bezeichnete ruhepause ist künsterlisch wol erwogen: sie bezeichnet die peripetie des III.
teils. der nachste tag verandert mit einem male Kudruns und ihrer frauen lage,
verwandelt ihre hoffnungslosigkeit in sichere erwartung der befreiung". Anderseits scheint es auch den Schiffern eine Freude gewesen zu sein den (gefahrlichen) Armelkanal verlassen zu können. Der niederlandische Dichter Mattheus
van den Broecke schreibt noch im 17. Jahrhundert, indem er die englischen Vorgebirge aufzahlt, worunter auch Goustart:
't Landt van Dov'ren leyt an Ly,
Singels wy met lust passeeren,
Bevesier en Wight voor-by;
Poorts-landts hoeck kan ons niet deeren,
Goustart, Lesert, Sorles lest,
Daer meed'zeylen wy Zuyd-west,
En Zuyden dat is best.
Diese Strophe steht bei D. F. Scheurleer, Van varen en van vechten. 's-Gravenhage 1914, 2. deel, S. 335. — Ahnliche Lieder werden noch auf der Insel Ter­
schelling gesungen: A. Doornbosch, Op zoek naar het levende lied. Mededelingen
van de centrale Commissie voor onderzoek van het Nederlandse volkseigen
18 (1966), S. 14-17.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 131 - Man braucht nur den Sonnen­
untergang an der Kuste zu beobachten. Das Meer schimmert rot-golden. Nun
ist rot, red, rood im Mittelalter die Farbe des Goldes.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 147.
Th. Frings, ZfdA. 61 (1924), S. 196.
Hertha Marquardt, Die altenglischen Kenningar. Ein Beitrag zur Stilkunde
altgermanischer Dichtung. Halle (Saaie) 1938, S. 184; vgl. Bosworth and Toller,
An Anglo-Saxon Dictionary, s.v. mere-candel.
Hertha Marquardt, Die altenglischen Kenningar, S. 172.
George Philip Krapp, The Anglo-Saxon Poetic Records V: The Paris
Psalter and the Meters of Boethius. New York 1932, S. 172.
Die Geschichten von den Orkaden, Danemark und der Jomsburg, übertragen von Walter Baetke. Jena 1924, S. 439.
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3 4 6
E. Ekwall, The Concise Dictionary of English Place-Names. Oxford 1960,
S. 200 s.v. Goldcliff.
3 4 7
E. Ekwall, The Concise Dictionary of English Place-Names, S. 441 s.v.
steort und S. 253 s.v. Houndstone; A. H. Smith, English Place-Name Elements.
Cambridge 1956, Part I, S. 268 s.v. hund; Part II, S. 151 s.v. steort.
Namenformen bei Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 145; GoMStort stammt
aus dem in Fussnote 338 zitierten niederlandischen Gedicht.
349 w. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 94.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 145; K. Droege. ZfdA. 54 (1913),
S. 121 ff. wie auch Meissner weisen auf die Wichtigkeit des Hafens Dartmouth
fur die niederlandischen und niederrheinischen Kreuzziige hin. Dartmouth lag
etwas nördlich von Start Point. Ernie Bradford, Wall of England. The Channel's
2000 years of history. London 1966, S. 33: "Dartmouth was the port of embarka­
tion for nearly all the English crusaders".
C. B. Damsteegt, Nieuwe Spiegel der Zeevaart. Nederlandse Namen op
zeekaarten uit de 16e en 17e eeuw. Amsterdam (Diss.) 1942, S. 71-72 erwahnt
das hohe Alter solcher Entlehnungen fremder Namen: " . . . zodra er scheepvaart
was op vreemde kusten. Dat was reeds heel vroeg... Vele namen zullen dus
reeds zeer oud zijn".
Joseph Koch, Das Meer in der mittelhochdeutschen Epik. (Diss). Munster
i.W., s.d., S. 17. Vgl. P. B. Wessels, Die Landschaft im jüngeren Minnesang
(Diss. Nijmegen). Maastricht 1945, S. 57: "Schon bei Veldeke erfreute sich ja
der Wechsel der Witterung einer besonderen Aufmerksamkeit, und in der Malerei
waren es niederlandische Meister, welche die LuftperspektiVe zuerst erforschten
und zur vollendeten Ausgestaltung brachten".
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 136.
B. D. Damsteegt, Nieuwe Spiegel der Zeevaart, S. 128.
P. H. Witkamp, Beschrijving van Oost-Noord-Europa. Amsterdam 1847,
S. 1575: Gienner.
A. van Loey, Schönfelds Historische Grammatica van het Nederlands.
Klankleer, Vormleer, Woordvorming. Zevende druk. Zutphen (1964), S. 31-32.;
H. J. Moerman, Nederlandse Plaatsnamen. Leiden 1956, S. 21, 111-112; Johan­
nes Franck, Mittelniederlandische Grammatik. Arnhem 1967, S. 3-4, 59, 71-73;
J. Dirks, De Vrije Fries 2 (1842), S. 319: Zeeland: Syland.
Karl Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde 4. Bd., Berlin 1920, S. 689
(685).
Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte, hrsg. von Bernhard
Schmeidler. Hannover und Leipzig 1917, S. 72-73: Lib. II, Cap. XVII; vgl.
Kaspar Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstamme. Heidelberg 1925,
S. 395-397.
F. Norman, Dukus Horant. Tubingen 1964, S. 115; Panzer, Hilde-Gudrun,
S. 436; Symons, Kudrun (1914), S. XXXV-XXXVIII.
360 R. w. Chambers, Widsith. A Study in old English Heroic Legend. New
York 1965, S. 193-194; Kemp Malone, Widsith. Copenhagen 1962, S. 158,
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206-207; Kaspar Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstamme, S. 150, 154-155.
Die meisten Forscher glauben, dass die Haelsingas in der Nahe des Trave-Flusses
(Chalusus ?)! gesucht werden mussen.
R. Much, Der germanische Osten in der Heldensage. ZfdA. 57 (1920),
S. 145-176.
Panzer, Hilde-Gudrun, S. 433 ff.; R. Much, Besprechung von Panzers
Hilde-Gudrun, Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen
108 (1902), S. 395-416.
Symons, Kudrun (1914), S. XXXV "ze Stürmen in der Kudrun (d.i. das
nordalbingische Stormarn)"; vgl. R. Much (in) Joh. Hoops, Reallexikon der ger­
manischen Altertumskunde. 4. Bd. Strassburg 1918-1919, S. 61 s.v. Sachsen. —
Der schillernde Begriff des Danenreiches lasst eine solche Auffassung zu: Panzer,
Hilde-Gudrun, S. 432: "Als Gesamtname für Hetels Reich steht daneben (d.i.
Hegelingen) Tenemarke, -lant, Tenen, worunter der Dichter nichts anderes als
eben Danemark verstanden hat". Vgl. Fussnote 332, wo Meissners und Jungandreas' Ansichten zu beachten sind. — Hat nur die Schlacht bei Bornhöved
(1227) die Aufmerksamkeit auf den Norden gelenkt? Oder kann auch gedacht
werden an den Kreuzzug gegen die Stedinger (1234), woran sich besonders die
Niederlander beteiligten, die anderseits eine wichtige Rolle in den Kreuzzügen
von 1217/1218 und 1227 und in der Schlacht von Bouvines (1214) spielen?
Über Bouvines siehe auch das Schlusswort. Schliesslich soli nicht ausser Acht
bleiben, dass Bremer und Lübecker Burger eine grosse Rolle gespielt haben bei
dem Zustandekommen des Deutschordens. Der Orden des teutschen Hauses
Unsrer Lieben Frau zu Jerusalem hatte nebst den Bethausern Spitaler, wie wir
auch in der Kudrun auf Wulpensant ein Klöster mit Spital finden werden.
Daselbst hiess das Spital "Sancte Marie in Wlpis". Der Marienkult der Mitglieder
des Deutschordens, die in den Niederlanden den Namen "Hospitaliers, oft
Ridderen des Gasthuys van S. Marie in Jerusalem" trugen, ist wohl kennzeichnend. Über Wulpensant und sein Spital mit Klöster, siehe unten. — Etwas mehr
abliegend, aber doch erwahnenswert ist die Freigebigkeit ze Swdben (Str. 744).
Friedrich von Schwaben erwarb sich grossen Ruhm durch seine Hilfe, wodurch
der Deutschorden allgemein anerkannt wurde. Vgl. auch Martin, Kudrun (1902),
zu Str. 744.
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3 6 4
Jellinek, Festgabe S. Singer, S. 24: " . . . wenn die Normannen gegen Hetels
gesamte Macht in seinem eigenen Land Erfolg hatten, so waren die Hegelinge
vernichtet, und Kudrun konnte nicht von ihnen befreit werden." Boesch, Kudrun
(1964), S. LXX: "In Abwesenheit des Vaters raubt Hartmut dessen Tochter
Kudrun, entsprechend dem Entwurf des Hildeliedes". Vgl. auch L. Beer, Beitrage
14 (1889), S. 558, 567.
F. Norman, Dukus Horant, S. 102.
«ö Boesch, Kudrun (1964), S. LIV.
Panzer, Hilde-Gudrun, S. 416; G. Klee, Zur Hildesage (Inauguraldiss.)
Leipzig 1873, S. 54.
aas j , w_ Bruinier, Die germanische Heldensage. Leipzig und Berlin 1915,
3 6 5
3
3 6 7
S. 57; E. Martin, Kudrun, S. M I ; Klee, Zur Hildesage, S. 54; Symons, Kudrun
(1914), S. LVI hingegen behauptet: "Von den beiden fassungen scheint die der
saga die verhaltnismassig urspriinglichste,...". Vgl. auch S. CXV.
Die Neue Propylaen-Weltgeschichte, hrsg. von Willy Andreas. Berlin
1940, 2. Bd., S. 186; H. Prentout, Étude critique, S. 310.
Dudo, Patrologia Latina Tomus 141, Sp. 673; Ernst Dümmler, Zur Kritik
Dudos von St. Quentin. Forschungen zur deutschen Geschichte 6 (1886), S. 381382; H. Prentout, Étude critique, S. 321; Jules Lair, Dudonis Sancti Quintini
3 6 9
3 7 0
De Moribus, S. 198.
3 7 1
J. C. H. R. Steenstrup, Normandiets Historie under de syv forste Hertuger.
K0benhavn 1925, S. 111 nach Lauer, Louis IV verweisend.
August Heil, Die politischen Beziehungen zwischen Otto dem Grossen und
Ludwig IV. von Frankreich (936-954). Berlin 1904, S. 23; Augustin Fliche, La
Chrétienté Médiévale (395-1254). Paris 1929, S. 217; Onslow, The Dukes of
Normandy, S. 57-58.
A. Heil, Die politischen Beziehungen, S. 74; Onslow, The Dukes of Normandy, S. 72, 78.
J. Bédier, Les Légendes épiques. Paris 1908-1913, 4. Bd., S. 387. Vgl.
Onslow, The Dukes of Normandy, S. 43, 48, 49, 57, 62; H. Prentout, Étude
critique, S. 308-310.
J. Bédier, Le légendes épiques, 4. Bd., S. 272: "En 940, les grands vassaux,
Hugues, Herbert de Vermandois, Guillaume Langue-Épee s'étaient ligués contre
Louis comptant sur l'aide d'Oton, roi de Germanie". — Es wird kaum Zufall
sein, dass am Ende des 10. Jahrhunderts die Verbindung der Namen Otto-HugoHerbert sich im Rheinland wieder begegnet, nl. wahrend der Regierung Ottos III.
Heribert (Herbert), Kanzier des Reiches und Kölner Bischof (1075 heilig gesprochen) war der Sohn des Kammerers Graf Hugo von Worms.
A. Heil, Die politischen Beziehungen, S. 68; A. Fliche, La Chrétienté
Médiévale, S. 217: " . . . il ne dédaigne aucun moyen, ne craint pas de s'abaisser
a des combinaisons mesquines et a des intrigues parfois douteuses".
Klee und Panzer urteilen m.E. voreilig. Klee, Zur Hildesage, S. 54: "der
gleichgiltige, sein erscheinen durch nichts rechtfertigende ritter Hermann . . . " .
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 416: "Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir in
diesem Hermann den Hartmut des Biterolf wiederfinden, der dort gemeinsam mit
dem Vater den Entführer verfolgt". Vgl. A. Fécamp, Le poème de Gudrun.
Paris 1892, S. 176.
Dudo, Patrologia Latina Tomus 141, Sp. 672-673; Lair, Dudonis Sancti
Quintini De Moribus, S. 198; Vgl. Edward A. Freeman, The History of the
Norman Conquest of England. Oxford 1877, Vol. I, S. 617-620 Notices of
language in the tenth century: S. 620: Hermann.
3 7 9 Walther Vogel, Die Normannen und das frankische Reich bis zur
Gründung der Normandie (799-911). Heidelberg 1906, passim; Johannes
Bronsted, The Vikings. Harmondsworth 1960, S. 25-27, 145, 155-161.
E. Martin, Kudrun, S. LIII und Fr. Panzer, Hilde-Gudrun glauben an die
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Identitat der Herbort- und Herwigsage. Zu Herbort von dem Rine schreibt
Panzer, S. 441: "Vielleicht ist seine Verweisung nach Danemark nur das Ergebnis
einer fruhen Verbindung der Herwigsage mit der Hildesage, deren Held freilich
in Danemark heimatberechtigt ist". Doch es sei darauf hingewiesen, dass die Sage
den Schauplatz der Ereignisse nicht klar zeichnet. So vergleiche man, wie Saxo
den Wikingerhelden Regnerus Lothbrogg (Ragnar Lodbrókr) Karl dem Grossen
eine grosse Niederlage an der Seine beibringen lasst. Dazu bemerkt Paul Herrmann, Die Heldensagen des Saxo Grammaticus. Leipzig 1922, 2. Teil, S. 640:
"Sachsen und Seine liegen denn doch etwas weit auseinander". Es genügt uns,
dass es in der Sage möglich war, die Schauplatze in Frankreich und an der
danischen Grenze gegeneinander auszutauschen. — Konnte nicht das litus
Saxonicum in Frankreich dazu Anlass gegeben haben? Zum litus Saxonicum,
siehe E. Janssens, Histoire de la Mer du Nord. Rruxelles 1949, S. 67-68; Gudmund Schutte, Our Forefathers. The Gothonic Nations. Cambridge 1933, Vol. II,
S. 248-258. Anderseits darf nicht übersehen werden, dass Sêwart (siehe unten)
mit unserem Sivrit identisch sein kann. Sigifrid aber hat auch an der Grenze
zwischen Sachsen und Danen eingegriffen: Vogel, Die Normannen, S. 247-248.
i Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 428.
Albert Schott (in) Gudrun, hrsg. von Al. J. Vollmer, Leipzig 1845, S. XXII.
383 j w. Bruinier, Die germanische Heldensage, S. 56.
R. Much, Archiv 108 (1902), S. 403.
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 266.
Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen, S. 221-243. A. Bugge (in)
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 4. Bd., s.v. Wikinger, S. 539.
H. Prentout, Étude critique, S. 165-166, 174-175, 185, 207, 252, 261, 432.
Vgl. Jan de Vries, De Wikingen, S. 217.
H. Hardenberg, De Nederlanden en de Kruistochten. Amsterdam 1944,
S. 52: "Terwijl de Normandisch-Fransche invloeden langs de Schelde onbelemmerd Vlaanderen binnendringen, Hepen zij langs de Maas op de Rijnlandsche
invloeden vast". — Das zwischen Flandern und der Normandie gelegene
Montreuil-sur-Mer war der Zankapfel beider Parteien: H. Prentout, Étude critique,
S. 334.
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Jan de Klerk, Brabantsche Yeesten,
of Rijmkroniek
van Braband.
Les
Gestes des Dues de Brabant par Jan de Klerk d'Anvers, publ. par J. W. Willems.
Bruxelles 1839, S. 249, Verse 5118-5123 (In der niederlandischen Literaturgeschichte ist Jan de Klerk als Jan van Boendale bekannt). Zu dem zitierten
Text stelle man Chronicon abbatiae sancti Trudonis: "Godefridus et Sigefridus,
reges Normannorum, cum unestimabili multitudine suorum juxta Mosam, in
loca dicto Hasnon considentes". Zu diesem Ort siehe die Literatur in Fussnote 261.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 162.
Ludwig Etrmüller, Güdrunlieder. Leipzig 1847, S.V. Vgl. K. Müllenhoff, ZfdA. 30 (1886), S. 234-235; L. Beer, Beitrage 14 (1889), S. 541; R. C.
Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 313; B. Symons, Kudrun (1914), S. LVIII.
W. Jungandreas, ZfdPh. 68 (1943/44), S. 131; Rosenfeld, ZfdPh. 81
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(1962), S. 312-314; W. Hoffmann, Wirk. Wort 14 (1964), S. 240; Br. Boesch,
Kudrun (1964), S. XVII; W. Hoffmann, Kudrun, S. 251.
L. Ettmiiller, Güdrünlieder, S.V.
F. Normann, Dukus Horant, S. 102; Hermann Schneider, Germanische
Heldensage. Berlin 1962, 1. Bd., S. 328, 375-376. - Hilde(burg) ist in der
Herbortfabel Hartmuts Schwester. Sie wird von Herbort geraubt In der Kudrun
wird sie wiederholt geraubt (aus Galitzenlant, Baljdn, Mateldnej. Dadurch wird
sie besonders geignet ihre Hauptrolle zu erfiillen. A. Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 27 (1956), S. 324 kennzeichnet ihre Aufgabe: "Hildeburgs Mideiden ist
notwendige Voraussetzung für Kudruns versöhnende Haltung in der Katastrophe
des Normannenhauses".
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXII; vgl. auch A. Fécamp, Le poème de
Gudrun, S. XXIII-XXIV.
R. Menéndez Pidal, Das Fordeben des Kudrungedichtes, Jahrbuch für
Volksliedforschung 5 (1936), S. 85-122, bes. 92; Über die gemutmasste Herkunft
der Peinigerin, siehe Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 134-135, 355-357; R. C. Boer,
ZfdPh. 40 (1908), S. 301, 317; R. Much, Archiv 108 (1902), S. 405; Jellinek,
Festgabe Singer, S. 24; B. Symons, Kudrun (1914), S. LXIV; I. Schröbler,
Wikingische, S. 89; Kroes, Neopbilologus 38 (1954), S. 17.
Jellinek, Festgabe Singer, S. 24; R. Much, Archiv 108 (1902), S. 405.
H. Schneider, Germ. Heldensage, 1. Bd., S. 438.
A. Fécamp, Le poème de Gudrun, S. XVIII, XXIII.
Siehe Anmerkung (75). Zum Verhaltnis der germanischen und romanischen
Formen des Namenteils *Hlütha>Clodo, vgl. Hennig Kaufmann, Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen. München 1965, S. 221 ff.. Über das
spate Beibehalten von HI- in Königsnamen: Werner Kalbow, Die germanischen
Personennamen des altfranzösischen Heldenepos. Halle a.S. 1915, S. 34. Siehe
weiter Edward Schroder, Deutsche Namenkunde. Göttingen 1944, S. 73. Der
Name Hlotarius unterlag schon früh Schwankungen: Schroder, S. 72-73; Kalbow,
S. 91, 146. Veranlasste dieser Umstand den Namen Hartmut für Lothar auf
Grund des Stabreims?
Hinrich Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München 1967, S. 113.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 524; E. Martin, Kudrun, S. LUI; Gustav
Ehrismann, Besprechung: Fr. Panzer, Hilde-Gudrun. ZfdPh. 37 (1905), S. 516.
R. Wisniewski, Kudrun, S. 36.
A. Heusler (in) Hoops Reallexikon, 3. Bd., s.v. Kudrun, S. 113; H. Schneider, Germanische Heldensage, 1. Bd., S. 375; H. Marquardt, ZfdA. 70 (1933),
S. 10.
B. Symons, Kudrun (1883), S. 27.
« Heusler (in) Hoops Reallexikon, 3. Bd., S. 113.
W. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 181.
Kroes, Neophilologus 38 (1954), S. 15.
Die Behauptung von H. Prentout, Essai sur les origines et la fondation
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du duché de Normandie. Caen 1911, S. 203-204 ist in diesem Zusammenhang
erwahnenswert: "La jeune fille est demandée au père par le fiancé, trés souvent
par l'intermédiaire d'un personnage de choix, d'un orateur. Si sa demande est
repoussée, il s'expatrie pour les expeditions de Vikings, afin de s'acquérir une
renommee. Ces Vikings qui ont ravage notre pays n'étaient peut-être que des
fiances qui faisaient un stage, ou des amoureux éconduits".
Siehe die Zusammenfassungen am Anfang der Aventiuren 12-15 in den
Kudrunausgaben von Bartsch und Stackmann.
Otto L. Jiriczek, Die deutsche Heldensage. Berlin und Leipzig 1919, S. 200.
W. Hoffmann, Wirk. Wort 14 (1964), S. 191; A. Schott in Gudrun,
hrsg. von Al. J. Vollmer. Leipzig 1845, S. LXI-LXII.
Fr. J. Mone, Quellen und Forschungen zur Geschichte der teutschen
Literatur und Sprache. Berlin und Leipzig 1830, S. 100, 106; vgl. R. Much,
Archiv 108 (1902), S. 405; Paul Hankamer, Deutsche Literaturgeschichte. Bonn
1930, S. 64.
H. de Boor, Geschichte der deutschen Literatur. 2. Bd., S. 201.
E. Martin, Kudrun, S. LUI.
Much, Archiv 108 (1902), S. 403, 404.
417 -w. Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung. Halle 1873, S. 223.
B. Symons, Kudrun (1914), S. LIX-LX; vgl. K. Müllenhoff, Deutsche
Altertumskunde, 4. Bd., S. 680 (684); Martin, Kudrun zu Str. 669; O. Grüters,
Das Mare von der getreuen Braut. Germ.-Rom. Monatschrift 3 (1911) ,S. 143;
R. Much, Archiv 108 (1902), S. 402. Wozu besonders D. Blamires: siehe oben
Anmerkung (331).
Helmut de Boor, Zur Germanisch-deutschen Heldensage. Darmstadt 1961,
S. 38.
Gustav Storm, Kritiske Bidrag til Vikingetidens Historie. Kopenhagen
1878, S. 79, 82.
K. Müllenhoff, ZfdA. 12 (1865), S. 382-383; E. Vroomen, Essai d'anthroponyme beige. Dictionnaire étymologique des noms de familie de Belgique.
Bruxelles o.J., S. 198. — Man vergleiche auch Horant, Herrant, Heorrenda,
Hjarranda als Namensformen für dieselbe Person.
H. J. Moerman, Nederlandse Plaatsnamen. Leiden 1956, S. 276-277 s.v.
wijk.
Walther Vogel, Die Normannen, S. 158-159; J. H. van Bolhuis, De
Noormannen in Nederland. Utrecht 1834, S. 112-113; Jan de Vries, De Wikingen
in de Lage Landen bij de Zee. Haarlem 1923, S. 160-179. Die Texte der Quellen
findet man beisammen in Gerard van Loon, Aloude Hollandsche Historie.
's-Graavenhaage 1734, II, 64-66.
J. Grimm, Allerhand zur Gudrun. ZfdA. 2 (1842), S. 1-5. bes. S. 3.;
J. Schnetz, Zusatz der Schriftleitung (zu W. Jungandreas, Namen der Hildesage
in westflamischen Ortsnamen, S. 18-23). Zs. für Ortsnamenforschung 8 (1932),
S. 23-25; B. H. Stolte, De Nederlandse plaatsnamen uit de Romeinse tijd. Mededelingen van de Vereniging voor Naamkunde 39 (1963), S. 86 (Matilone4 1 0
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4 1 2
4 1 3
4 1 4
4 1 5
4 1 6
4 1 8
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4 2 2
4 2 3
4 2 4
Roomburg). — Über die Namenformen, siehe Martin, Kudrun zu Str. 760 und
Symons, Kudrun (1914), S. LX: Mateldne: Maceldne(s). Schnetz, S. 24 führt
das c auf eine Verlesung von t zurück. Das ist auch mit Matïlo: Macilo (Roomburg) geschehen: H. Hettema, De Nederlandse Wateren en plaatsen in de
Romeinse tijd. 's-Gravenhage 1951, S. 263.
I. H. Gosses, Verspreide Geschriften. Groningen 1946, S. 283. Schon
Gerard van Loon, Aloude Hollandsche Historie. 's-Graavenhaage 1734, II, S. 158
behauptete sogar, dass die Danen "op de grondslagen van het oude Matilo
. . . bevel gevoerd hebbende"... den Leydschen burg . . . de hoofdsterkte des gewests" gegründet haben. Heute sind wir vorsichtiger geworden in der Identifizierung der beiden Orte: Hettema, S. 225-226.
Jan de Vries, De Wikingen, S. 325; M. Schönfeld, Nagelaten Opstellen,
S. 17-24; Schnetz, Zs. f. Ortsnamenforschung 8 (1932), S. 24-25 erklart Campatille (Str. 235) für Hetels Burg als Campmatille: Camp-Matille. Er vergleicht in
formeller Hinsicht Mochinga: Feldmochinga (Feldmoching bei München). In
den Niederlanden ware dann auch auf Driel: Velddriel; Hoek: Veldhoek; Huizen:
Veldhuizen hinzuweisen. — Ich frage mich, ob Campatille nicht eine "Neubenennung oder Doppelbenennung" (Schnetz, S. 25) ist für Rodanburg, das schon
im 9. Jahrhundert bezeugt ist. Vielleicht ware von altniederl. rodan (mnl. roden:
ein Stuck Land urbar machen) auszugehen. Ein solches Stuck Land heisst kamp,
wenn es eingehegt ist, z.B. durch einen Graben. Oder soli man umgekehrt von
Campus (Exerzierplatz des Römerkastells) ausgehen? Matilo war Römerkastell.
Die nachklassische Bedeutung von campus ist „eingehegtes Stuck Feld". Matilo
war von Wasser umgeben. Eine Brücke soli die Festung mit dem Festland verbunden haben. Nun heisst eine solche Brücke öfters -Tïlle, -Til in Zusammensetzung, wie z.B. in Steentilla, Enumatil, Fraamtil, Kingmatille, Hoptille, Doodstil. In ahnlicher Weise erklaren Gerard van Loon, Aloude Hollandsche Historie.
's-Graavenhaage 1734,1, S. 175-176 und Vander Aa, Aardrijkskundig Wdb. der
Nederlanden, -tilo in Matilo. Diese Erklarung ware auch für Campa-tille zu
treffend.
J. H. Holwerda, Oudheidkundige Mededeelingen uit 's Rijks Museum van
Oudheden te Leiden. Nieuwe Reeks 8 (1927), S. 60-64; G. N. Honig, De vroege
Middeleeuwen in Holland. Amsterdam 1947, S. 17, 60. — Möglicherweise hatten
die Danen sich in den Burgen an der Nordseeküste angesiedelt (siehe Schönfeld).
Der überaus belesene Gerard van Loon, II, S. 158 würde dan recht behalten,
wenn er behauptet (ohne die Gudrungeschichte zu kennen), dass Matilo wohl
die wichtigste Festung der Danen war. Anderseits fragt man sich, ob der Name
Etzelinus aus der hollandischen Divisiekroniek (1517), der mit der alten Burg
Aurindulius (prope Voorburch) in Zusammenhang gebracht wird, nicht auch mit
den Wikingern etwas zu tun hat. Siehe J. W. Muller, Sporen van Oudgermaansche en andere overleveringen in middeleeuwsch-Nederlandsche geschriften.
Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde 30 (1911), S. 61-64. Ware
hier nicht zu denken an Hettel, Ettel: Etzel (staat Attila: Etzel) mit friesischer
Assibilisation, wie auch in Ate, Atte, Atse, Atzema; Ete, Ette, Etsen, Edzo;
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Bote, Botte, Botse; Tete, Tette, Tetse; Hate, Hatte, Hatse; Witte, Wietse, Wietze,
Wytse; Wate, Watte, Watse? Siehe J. van der Schaar, Woordenboek van Voornamen. Utrecht-Antwerpen 1964, s.v.
Siehe ausführlicher darüber Anmerkung (556), wo besonders auf O. Scheel,
Die Wikinger, S. 200 und Verhulst, Historische Geografie, S. 6 verwiesen wird.
Matilo lag wirklich landeinwarts: H. Hettema, De Nederlandse Wateren en
plaatsen in de Romeinse Tijd. 's-Gravenhage 1951, S. 225, 306 und Karten 1
und 3. Kudrun, Str. 750 sagt von Matelane: Wol inner zwelf milen . .. daz si
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palas unde tiirne in der schoenen Hilde hürge sahen. — Die Parzellierung zeigt,
dass der Rhein in nordwestlicher Richtung floss.
Siehe auch B. Symons, Kudrun (1914), S. LXX; Frings, ZfdA. 61 (1924),
S. 195; Frings, Beitrage 54 (1930), S. 411-414.
Siehe auch Krakumal, Str. 10: König Freyr wird von Ragnar im Lande
der Flamen getötet, die Schlachtwölfe bekommen die Atzung, manche Jungfrau
weint. Vergl. Kudrun, Str. 881, 901 und 911, wo der Tod des Königs, die
weinenden Jungfrauen und die Atzung der Wölfe wiederkehrt. Ragnar suchte
wahrscheinlich ein flamisches Gebiet heim, das von Wikingern besetzt worden
war: Jan de Vries, De Wikingen, S. 155-156; O. Scheel, Die Wikinger, S. 146155; J. H. van Bolhuis, De Noormannen, S. 92-94.
Klee, Zur Hildesage, S. 56; Much, Archiv 108 (1902), S. 395-416; Auch
H. Zahn, Zur Kudrun, S. 96 legt dem Dichter "lebendiges Geschichtsinteresse"
nahe, wobei die Saga vermittelnd gewirkt haben soli.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXVIII-LXXIX; W. Jungandreas, Die
Gudrunsage, S. 90 meint sogar: "Die Namen sind nach dem Gehor von einem
Oberdeutschen, der sie im Munde eines Niederlanders hörte, niedergeschrieben.
Dieser Niederlander wird ein Rezitator des Gudrunepos gewesen sein". A. E.
Schönbach, Das Christentum, S. 157 und R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 338
und 345 lassen die Möglichkeit offen, ob nicht der Name aus einer nordischen
Fassung der Nibelungensage stammt, die südwarts gewandert ist. B. Symons,
Kudrun (1914), S. LXIX hingegen sagt: "Immerhin deutet das vorkommen der
personennamen Cutrun, Chutrun, Chuterun in bairischen urkunden des 12. jahrhunderts — die alteren belege sind zweifelhaft — am wahrscheinlichsten auf die
Kudrun der Hilde-Kudrundichtung".
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXVIII; vgl. Jean Carles, Le poème de
Kudrun, S. 277; H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 310-312; H. Rosenfeld,
Beitrage zur Namenforschung N. Folge 1 (1966), S. 259 weist auch auf niederfrankische Gunther-Gudrunlieder hin. Diese sollen in Bayern bekannt gewesen
sein. Das Haus van Loos im belgischen Limburg soli möglicherweise dabei eine
vermitdende Rolle gespielt haben.
Über Gondéhald, siehe A. G. Jongkees, Gondebald, Koning van Friesland.
Tijdschrift voor Geschiedenis 74 (1961), S. 309-329 und J. Bolhuis van Zeeburgh,
Kritiek der Friesche Geschiedschrijving. 's-Gravenhage 1873, S. 86-90. Siehe in
Bolhuis' Buch auch über Thietbold und Gerolf (S. 85-86). Die grosse Frage ist,
ob über Gondebald schon frühe Überlieferungen bestanden haben oder ob sie
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nur aus dem Pseudo-Turpin (aus den Jahren 1140-1150) herzuleiten sind. Die
südlichen Niederlande kannten Gondebald schon im 13. Jahrhundert, die nördlichen Niederlande verbreiteten seinen Ruhm erst zwei Jahrhunderte spater.
Darüber bei Jongkees. — Andererseits ist zu erwahnen, dass die Vita Pharaildis
als Schwestern der Heihgen Reinhilde und Gudula (Raineldam et Gudilam)
aufführt. Zwar enthalt die Vita genealogische Irrtümer, doch die Übereinstimmungen zwischen den Motivreihen in der Vita und in der Kudrun (siehe meinen
Aufsatz in Leuv. Bijdr. 50 (1961), S. 59-85) und die Deutung von Gudula als
Koseform für Gudrun (!) gibt zu denken. Das Zusammengehen von Hild- und
Gud- Namen fallt auf.
Heinrich Hempel, Niederdeutsche Heldensage (in) Die Nachbarn. Jahrbuch für vergleichende Volkskunde 3 (1962), S. 7-30, bes. S. 19 meint: "Vermutlich steekt in seiner Sage (gemeint ist die Sage Siegfrieds aus dem Nibelungenlied) ein verschollenes Stuck altester niederfrankischer Geschichte" — Jacob van
Maerlant nennt Alexanders Geesten I, Vers 55 Ettel mit seinem Sagennamen;
Heinrich van Veldeke, St. Servaes weiss von Attila und seinen Hunnen. Seine
Vorstellungen enthalten Parallelen mit dem spateren(!) Nibelungenliede, die
keine dritte Quelle aufweist: siehe J. A. N. Knuttel, Onze Letteren in de Middeleeuwen. Antwerpen 1958, S. 19. Altere Verfasser der niederlandischen Literaturgeschichte (W. J. A. Jonckbloet, Jan te Winkel) gehen ausführlich auf Nibelungen
und Kudrun ein. Modernere Literaturgeschichtsschreibung (Gerard Knuvelder)
nimmt eine epische Ausformung der Stoffe auf niederlandischem Boden an.
Foïkir joculator wird im Jahre 1130 in Flandern mit Namen genannt: J. van
Mierlo, Geschiedenis van de Letterkunde der Nederlanden. Deel I. 's-Hertogenbosch-Brussel 1939, S. 95.
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Siehe die Einleitung. Zuletzt W. Hoffmann, Kudrun, S. 293-299. Hinrich
Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München
1967, S. 7-8.
Das wird kaum Zufall sein: siehe K. Stackmann, Kudrun, S. LV; H.
Schneider, Germanische Heldensage 1. Bd., S. 364; R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908),
S. 294-295.
So schon Wilhelm Muller, Mythologie der deutschen Heldensage. Heilbronn 1886, S. 230, 233.
Jan de Vries, Die Wikingersaga. Germ.-Rom. Monatschrift 15 (1927),
S. 81-100, bes. S. 88.
W. Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung. Halles 1873,
S. 234-235; Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 185; B. Symons, Kudrun (1914),
S. XLII; J. Carles, Le poème de Küdrün, S. 231; W. Hoffmann, Kudrun,
S. 293-295.
R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 295.
I. Schröbler, Wikingische, S. 93.
B. Symons, Kudrun (1914), S. XLII; H. W. J. Kroes, Neophilologus 39
(1955), S. 259; W. Hoffmann, Kudrun, S. 294. - Ob Lambrecht schon von
Gudrun gewusst hat, bleibt unsicher.
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H. W. J. Kroes, Neophilologus 39 (1955), S. 259; R. C. Boer, ZfdPh.
40 (1908), S. 295.
H. Schneider, Germanische Heldensage, 1. Bd., S. 364, 383; H. Marquardt,
ZfdA. 70 (1933), S. 8-13; vgl. auch A. Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956),
S. 308-310.
Br. Boesch, Kudrun (1964), S. XXXIX; Kroes, Neophilologus 39 (1955),
S. 260; A. Heusler (in) Hoops Reallexikon, 2. Bd., S. 520; vgl. A. Beck, Germ.Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 310.
Vgl. C. Soeteman, Besprechung von Br. Boesch, Kudrun (1954), Neophilologus 39 (1955), S. 233.
H. Schneider, Germanische Heldensage, 1. Bd., S. 383. — Doch siehe
auch R. Much, Archiv 108 (1902), S. 413: " . . . die Rolle Herwigs (musste) eine
viel starker hervortretende sein"; Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 231: "une
tradition . . . attachée a un guerrier de classe ,nommé Herewich".
Br. Boesch, Kudrun (1964), S. XXXIX.
B. Symons, Kudrun (1914), S. XLII; H. Schneider, Germanische Heldensage, 1. Bd., S. 364; Fr. Neumann, Kudrun (1958), S. 17. Zu Kroes', Neophilologus 39 (1955), S. 259, Versuch Herewich und Wolfwin zu trennen und
für jeden Helden einen anderen Kampf anzusetzen, da der Vorauer Text noch
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Herewich noch Wolfwin
. .. ie gevacht volcwlch hat, kann man auf den Strass-
burger Text verweisen: Herwich unde Wolfwin (hs. Wolfram). Siehe übrigens
W. Hoffmann, Kudrun, S. 294.
A. Fécamp, Le poème de Gudrun, S. XVIII: "La seule conclusion plausible
qui puisse en résulter, c'est qu'a l'époque oü vivait Lamprecht la légende d'HerwigGudrun était aussi répandue que celle d'Hilde dans les contrées du Bas-Rhin.
Les deux légendes circulaient dans les mêmes milieux; rien d'étonnant sans doute
a ce que leur fusion n'ait pas tardé a s'opérer, . . ."; J. Carles, Le poème de
Kudrun, S. 231: "Nous devons done nous contenter d'admettre, au Xlle siècle,
dans la region du Rhin inférieur, l'existence, k cöté d'une légende de Hilde aux
contours nettement définis et la location precise, d'une tradition beaucoup plus
vague, attachée a un guerrier de classe, nommé Herewich. Rien ne nous autorise
a supposer, malgré leur voisinage dans la Chanson d'Alexandre, une union entre
ces deux traditions". L. Beer möchte sogar den Namen Wolfwin in Anlehnung
an Wolfenwert erklaren: Beitrage 14 (1889), S. 559.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 142-143; K. Droege, ZfdA. 54 (1913),
S. 163.
R . Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 142.
W. Muller, Mythologie der deutschen Heldensage, S. 233.
Fr. Neumann, Kudrun (1958), S. 17. W. Hoffmanns Behauptung, Kudrun,
S. 294, Herewich und Wolfwin seien "die Exponenten der einen Seite . . .als
Gatte bzw. Verlobter und Bruder Kudruns" kann mich aus den angeführten
Griinden nicht überzeugen. Die alte Hypothese, es sei "mit einem Namenwechsel Wolfwin zu Ortwin zu rechnen" (so auch Hoffmann, S. 295) kann man
nicht erharten: Siehe Fr. Neumann, Verfasserlexikon 2. Bd., S. 976. Ich kann
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auch Hoffmanns Vermutung nicht heipflichten, wenn er sagt, der Namenwechsel
sei vom Kudrundichter "bewusst vorgenommen worden . . . um in seine Dichtung
keine Gestalt einzufuhren, die im nibelungischen Sagenkreis bzw. in dem um
Dietrich von Bern ihren Platz gefunden hatte". Der Kudrundichter scheut sich
nicht mehrere Personen desselben Namens einzufuhren (Hilde), auch vermeidet
er die Namen Hagen, Siegfried und Hildeburg, die auch aus anderen Sagen
bekannt waren, nicht.
Kroes, Neophilologus 39 (1955), S. 259; Hans Kuhn, Heldensage vor und
ausserhalb der Dichtung. Festschrift Felix Genzmer. Heidelberg 1952, S. 262-278,
bes. S. 268: "Die altesten bewahrten Heldenlieder fordern Bekanntschaft mit
ihren Helden und grossen Teilen der Sage. Stoff, den sie nicht brauchen, lassen
sie draussen".
Frings, Herbort. Studiën zur Thidrekssaga I. Leipzig 1943, S. 37, so auch
G. Baesecke, Der Münchener Oswald, S. 280, 287.
Klee, Zur Hildesage, S. 54; W. Hoffmann, Kudrun, S. 296: "Der Urnstand, dass Lamprecht auch nicht analog zu Wate und Hagen etwa Herewich
und Hartmut oder Wolfwin und Hartmut als Exponenten der beiden Heere
nennt, kann weiterhin zu dem Schlusse führen, dass auf normannischer Seite
noch keine Rolle eines irgendwie hervortretenden Gegenspielers ausgebildet war".
W. Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, S. 235.
J. Schnetz, Zs. für Orstnamenforschung 8 (1932), S. 24.
R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 306, 336.
R. Much, Archiv 108 (1902), S. 405.
R. Much, Archiv 108 (1902), S. 406.
R. C. Boer, ZfdPh. 40 (1908), S. 205, 215; Fr. Neumann, Kudrun (1958),
S. 16. Vgl. auch K. Müllenhoff, ZfdA. 30 (1886), S. 233; W. Hoffmann, Kudrun,
S. 293. Siehe zu diesem Problemkomplex das vorige Kapitel dieser Arbeit.
Siehe voriges Kapitel.
B . Symons, Kudrun (1914), S. XLIII; Th. Frings, ZfdA. 61 (1924), S. 194195; K. Stackmann, Kudrun, S. LXII.
Th. Frings, Beitrage 54 (1930), S. 411.
Th. Frings, Beitrage 54 (1930), S. 394, 411; K. Stackmann, Kudrun,
S. LXXVIX.
H. de Boor, Geschichte der deutschen Literatur, 2. Bd., S. 205.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 138.
A. E. Verhulst, De Sint-Baafsabdij te Gent en haar grondbezit (VlIe-XIVe
eeuw). Brussel 1958, S. 477, ook passim S. 467-477; vgl. ebenfalls M. K. Gottschalk, Historische Geografie van westelijk Zeeuws-Vlaanderen tot de St. Eliza­
beth vloed van 1404. (Diss.) Utrecht 1955, S. 18, 28, 53; A. E. Verhulst, Histo­
rische Geografie van de Vlaamse Kustvlakte tot omstreeks 1200. Bijdragen voor
de Geschiedenis der Nederlanden 14 (1960), S. 1-37, bes. 19, 22, 29-30. Weiter
K. E. Freitag, Wulpen und Mórlant. Neophilologus 11 (1926), S. 256-264.
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A. E. Schönbach, Das Christentum, S. 154.
R. Meissner, ZfdA. 60 (1923), S. 138; K. Stackmann, Kudrun zu Str. 916.
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L. Wolff, Das Kudrunlied. Wirk. Wort: Sammelband II, S. 173-174;
M. Weege, Das Kudrunepos. Eine Dichtung des Hochmittelalters (Diss. Mainz)
Lemgo 1953, S. 30; Fr. Hilgers, Die Menschendarstellung in dem Kudrunepos.
(Diss.) Köln 1959, S. 50; L. Beer, Beitr. 14 (1889), S. 555; W. Hoffmann,
Kudrun, S. 214-220.
M. K. E. Gottschalk, Historische Geografie van westelijk Zeeuws-Vlaanderen, S. 52. Vgl. auch Anmerkung 363.
Gustav Albrecht, Vorbereitung auf den Tod, Totengebrauche und Totenbestattung in der altfranzösischen Dichtung. (Inaugural-Dissertation Halle-Wittenberg). Halle a.S. 1892, S. 99; W. von Ploennies, Kudrun, S. 307: "Wulpen
selbst scheint urspriinglich Kloster gewesen zu sein, die Erinnerung einer blutigen
Schlacht mochte an seiner Gründung haften und einem belesenen Interpolator
zur Einschiebung der bekannten Kloster-Geschichte willkommenen Anlass gegeben haben". Allerdings gab es in der frühen Wikingerzeit noch keine Kloster
in dieser Gegend: R. C. H. Romer, Geschiedkundig Overzigt van de kloosters
en abdijen in de voormalige Graafschappen van Holland en Zeeland. Leiden
1854, S. 22: "Noormannen in de 9e eeuw vonden geen kloosters langs de Schelde,
de Maas en de Rijn". Ich glaube daher mit Albert Schott, Gudrun (hrsg. von
J. Vollmer), S. LXIV, dass "spatere Hand" dem Sagenbild "die stark hervorgehobene Klostergründung auf dem Wülpensand" eingezeichnet hat. Über solche
Kloster, Kirchen und Kapellen die nachher mit einer Schlacht in Zusammenhang
gebracht wurden, siehe W. Vogel, Die Normannen, S. 276; Hermann Lübbing,
Stedinger, Friesen, Dithmarschen. Jena 1929, S. 20. Siehe auch Otto Söchtig,
Zur Technik altenglischer Spielmannsepen (Inaugural-Diss. Leipzig) Lucka 1903,
S. 17. E. Martin verweist in seiner Kudrunausgabe zu Str. 913 auf Strickers
Karl und zu Str. 916 auf Titurel 5852, wo an einer Begrabnisstatte ein Kloster
und ein Spital gestiftet werden.
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G. Albrecht, Vorbereitung auf den Tod, Totengebrauche und Totenbestattung, S. 99. — über die karitative Betatigung Hildes bei der Klosterstiftung
auf Wülpensand, siehe Gisela Gerhard (geb. Goebels), Das Bild der Witwe in
der deutschen Literatur des Mittelalters (Diss.) Bonn 1962, S. 131-132. Üeber
die driu hundert huobe (Kudrun Str. 916-917), siehe A. E. Schönbach, Das
Christentum, S. 201: er denkt an Stiftungen in Steiermark. Doch auch die adligen
Familien in den Niederlanden unterstützten die Kloster kraftig: R. C. Romer,
Geschiedkundig Overzigt, S. 23, 28-29, 41, 58-59, 60, 62, 77, 80-81, 84-85, auch
mit hoeven und hevenen: S. 29 und 60.
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E. Martin, Kudrun zu Str. 574; W. Wilmanns, Die Entwicklung, S. 232;
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 313; Br. Boesch, Kudrun (1964), S. LI;
A. Fécamp, Le poème de Gudrun, S. XXV.
479 w. Wilmanns, Die Entwicklung, S. 151; C. Martinius, Das Land der
Hegelinge wiedergefunden im ostfriesischen Harlingerlande. Norden 1880, S. 23;
K. Bartsch, Kudrun 1880, S. 356.
480 w. Wilmanns, Die Entwicklung, S. 114; K. Stackmann, Kudrun zu
Str. 1114; vgl. auch E. Martin, Kudrun zu Str. 1096.
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Fr. Hilgers, Die Menschendarstellung in dem Kudrunepos, S. 60.
W. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 105. Schon Fr. J. Mone, Quellen
und Forschungen zur Geschichte der teutschen Literatur und Sprache. Aachen
und Leipzig 1830, S. 106 schrieb: "Irolt von Friesen statt Harald oder Heriold".
Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen, S. 127-140; Otto Scheel,
Die Wikinger, S. 147.
I. H. Gosses, Verspreide Geschriften. Groningen 1946, S. 135-137.
W. Vogel, Die Normannen, S. 59; Jan de Vries, De Wikingen in de Lage
Landen, S. 116-117.
Siehe im vorigen Kapitel die Gegensatze in der Kriegsführung und der
Totenbestattung der Gefallenen zwischen den heidnischen Wikingern und den
Christen. Der Dichter kannte die Problematik aus den Quellen; dadurch ist m.E.
dieser typische Zug der Kudrun (siehe W. Hoffmann, Kudrun, S. 214-215) zu
erklaren. — Es ware zu untersuchen, in wieweit "die christliche Totenehrung, die
Entdamonisierung der Kampfweberin Hilde, die in der nordischen Sage zauberkundig die Gefallenen zum ewigen Streit immer wieder weckt" (P. Hankamer,
Deutsche Literaturgeschichte, S. 64) in Zusammenhang stehen. Das hier sicher
manches "legendenartig umgebildet" (K. Müllenhoff, Kudrun, S. 110) worden
ist und zwar in nachster Nahe von Wulpensant, beweist die Pharaildislegende,
worüber ich in Leuvense Bijdragen 50 (1961), S. 59-85 gesprochen habe.
A. Fécamp, Le poème de Gudrun, S. 214 meint "le zèle intemperant d'un clerc"
zu bespüren. Ich behalte mir vor, spater darauf zurückzukommen.
K. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde IV. Bd., S. 684 (688); W. von
Ploennies, Kudrun, S. 310.
W. von Ploennies, Kudrun, S. 310.
I. H. Gosses, Verspreide Geschriften, S. 136; Jan de Vries, De Wikingen
in de Lage Landen, S. 139-141; J. Huizinga, Scaldimariland. Mededeelingen der
Kon. Akad. van Wetenschappen. Afdeeling Letterkunde. Deel 84, Serie B. No. 2
(1937), S. 85-105, bes. S.103.
Ernst Voigt, Ysengrimus. Halle a.S. 1884, S. XCIX.
J. Huizinga, Scaldimariland, S. 94, 104.
J. Huizinga, Scaldimariland, S. 102.
Vgl. M. Schönfeld, Nederlandse Waternamen. Brussel 1955, z.B. s.v. Vlie
(Flevo), Mare, Maas: H. J. Moerman, Nederlandse Plaatsnamen. Leiden 1956,
S. 140-141.
J. W. Vorrink, Die Urgudrun. Levende Talen (1963), S. 603-645, bes.
S. 614. Vorrinks Hortlant-Horlant-Hollant oder Hordant-Holdant-Hollant haben
jedoch Bedenken hervorgerufen: H. Bruch, De Hollandse Graven en het Gudrunepos, Levende Talen (1964), S. 231-239, bes. S. 232. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 94 meint, dass "ein mittelniederlandisches Hol(t)lant im Munde des
Niederlanders von einem Oberdeutschen als Hor(t)lant aufgefasst werden konnte".
H. Hempel, Niederdeutsche Heldensage. Jahrbuch für vergleichende Volkskunde 3 (1962), S. 27 schreibt: ". . . Hortland ist vielleicht Holland, was 'niedriges
Land' bedeutet". Diese Deutung muss angezweifelt werden: H. J. Moerman,
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Nederlandse Plaatsnamen, S. 102 s.v. holt.
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Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, S. 232; P. Piper,
Kudrun, S. XL.
E. Martin, Kudrun zu Str. 1096. Ortwin, Gudruns Bruder, ist gerade bei
der Falkenbeize, als er aufgefordert wird, die Schwester mitzubefreien. Das
erinnert an das Halewijn-Ulingerlied: Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 303 ff.. Zunachst gilt es zu klaren, ob hier nicht die Herkunft des Bruders zu suchen sei.
Ihn aus dem Südelilied herzuleiten scheint mehreren Forschern nicht statthaft.
Siehe unten.
L. Beer, Beitrage 14 (1889), S. 563; W. Hoffmann .Kudrun, S. 138-143.
Br. Boesch, Kudrun (1964), S. LI; H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 313.
— Wie schon oben erörtert wurde, vermag ich nicht den Wolfwin aus Lambrechts
Alexanderlied mit der viel jüngeren Gestalt Ortwin der Kudrun in Zusammen­
hang zu bringen.
4 9 6
4 9 7
4 9 8
A N M E R K U N G E N Z U M III.
4 8 9
KAPITEL
Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun. Halle a.S. 1901, S. 399-411. Hermann
Schneider, Ursprüng und Alter der deutschen Volksballade (in) Vom Werden
des deutschen Geistes. Festgabe Gustav Ehrismann. Berlin 1925, S. 112-124
(wieder abgedruckt (in) Hermann Schneider, Kleinere Schriften zur germanischen
Heldensage und Literatur des Mittelalters. Berlin 1962, S. 96-106); Hermann
Schneider, Heldendichtung, Geisthchendichtung, Ritterdichtung. Heidelberg
1925, S. 356 und 506 (Heidelberg 1943, S. 395 und 567). Vgl. Adolf Beck, Die
Rache als Motiv und Problem in der "Kudrun". Germ.-Rom. Monatschrift 37
(1956), S. 305-338, bes. S. 329-330. Hinrich Siefken, Überindividuelle Formen
und der Aufbau des Kudrunepos. München 1967, S. 93, 109, 112, 167.
500 Friedrich Ranke (in) Annalen der deutschen Literatur. Geschichte der
deutschen Literatur von den Anfangen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Heinz
Otto Burger. Stuttgart 1952 (2. Aufl. 1961), I. Bd., S. 182. Vgl. Werner Hoff­
mann, Die Hauptprobleme der neueren "Kudrun'-Forschung. Wirkendes Wort
14 (1964), S. 183-196 und 233-243, bes. S. 194-196; Karl Stackmann, Kudrun.
Wiesbaden 1965, S. LXXXIV-LXXXVII und die dort verzeichnete Literatur.
R. C. Boer, TJntersuchungen über die Hildesage. Zeitschrift für deutsche
Philologie 40 (1908), S. 1-66. 184-218 und 292-346, besonders S. 319-320.
502 Theodor Frings, Die Entstehung der deutschen Spielmannsepen. Zeitschrift
für deutsche Geisteswissenschaft 2 (1939/40), S. 306-321, bes. S. 313.
H. Siefken, Überindividuelle Formen, S. 109.
Andreas Heusler, Über die Balladendichtung des Spatmittelalters. Germ.Rom. Monatschrift 10 (1922), S. 20 und Otto Grüters, Kudrun, Südeli und
Jasmin. Germ.-Rom. Monatschrift 28 (1940), S. 161-178, bes. S. 178.
Ramon Menéndez Pidal, Das Fordeben des Kudrungedichtes. Jahrbuch
für Volksliedforschung 5 (1936), S. 85-122, bes. S. 88, 91-97, 106. Vgl. K. Stack5 0 1
5 0 3
5 0 4
5 0 5
mann, Kudrun, S. LXXXVI. Vgl. Lagos Vargyas, Researches into the Mediaeval
History of Folk Ballad. Boedapest 1967, S. 157 und 261.
Edmund Mudrak, Die deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 277-279.
Vgl. auch Deutsche Volkslieder-Balladen, hrsg. von Erich Seemann und Walter
Wiora. Berlin 1959, 4. Teil, S. 20: Die wiedergefundene Schwester: Züge, die
an das Kudrunepos erinnern, weisen auf Beriihrungen hin, die "eher auf der gemeinsamen Ebene typischer Spiehnannsmotive" hegen.
A. Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 330.
Ludwig Beer, Zur Hildensage. Beitrage zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur 14 (1889), S. 522-572, bes. S. 563.
A. Beck, Germ.-Rom. Monatschrift 37 (1956), S. 333-335. Vgl. auch schon
Th. Frings, Hilde. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
54 (1930), S. 391-418, bes. S. 397 und H. W. J. Kroes, Kudrunprobleme. Neo­
philologus 38 (1954), S. 11-23, bes. S. 15, 17, 19.
H. O. Nygard, The Ballad of Heer Halewijn. Its Form and Variations in
Western Europe. A Study of the History and the Nature of a Ballad Tradition.
F.F.C. Nr. 169. Helsinki 1958, S. 61-62, 65-66, 320-322. Über das Erscheinen
des Bruders: S. 81: Das weibliche Familienglied stand unter der Schutzgewalt
ihres nachsten mannlichen Verwandten. Vgl. darüber auch S. F. Genzmer (in)
Hermann Schneider, Germanische Altertumskunde. München 1951, S. 135.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 303; Fr. Panzer, Das altdeutsche Volks­
epos. Halle a.S. 1903, S. 26.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXVI.
Hans Fromm, Das Heldenzeitlied des deutschen Hochmittellalters. Neuphilologische Mitteilungen 62 (1961), S. 94-108, bes. S. 98 und 108.
Matthes Ziegler, Die Frau im Marchen. Eine Untersuchung deutscher
und nordischer Marchen. Inaugural-Dissertation Greifswald. Leipzig 1937, S. 124.
M. Ziegler, Die Frau im Marchen, S. 27-28.
Bruno Boesch, Kudrunepos und Ursprung der deutschen Ballade. Germ.Rom. Monatschrift 28 (1940), S. 259-269, bes. S. 265.
Ingeborg Schröbler, Wikingische und spielmannische Elemente im zweiten
Teil des Gudrunliedes. Halle (Saale) 1934, S. 106-111: die Existenz einer Vor­
stufe im 11. Jahrhundert. — Wie aus dem 2. Kapitel dieser Arbeit hervorgeht,
bin ich geneigt eine unmittelbare Vorstufe der Kudrun im 12. oder am Anfang
des 13. Jahrhunderts in den Niederlanden anzusetzen.
Helmut Rosenfeld, Die Kudrun: Nordseedichtung oder Donaudichtung?
Zeitschrift fur deutsche Philologie 81 (1962), S. 289-314, bes. S. 296. Vgl. Stack­
mann, Kudrun, S. LXXXIV.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 298. Vgl. jedoch Stackmann, Kudrun,
S. LXXXIV, der die Identifizierung des "Binnenlanders" mit dem Dichter der
überlieferten Kudrun "als nicht zwingend" betrachtet. Siehe auch Werner Hoff­
mann, Wirkendes Wort 14 (1964), S. 185-186.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXIV.
I. Schröbler, Wikingische, S. 102-103; vgl. Stackmann, Kudrun, S. LXXX.
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3 2 9
6 2 1
— Carles, Le poème de Kudrun, S. 244; Stackmann, Kudrun, S. LXXI. Vgl. auch
Ehrismann, ZfdPh. 37 (1905), S. 520; Frings, Beitrage 54 (1930), S. 394 über
die Übertragung der Namen "auf personen der heldensage oder auch der lebendigen geschichte".
I. Schröbler, Wikingische, S. 102.
I. Schröbler, Wikingische, S. 109.
I. Schröbler, Wikingische, S. 103 und 106.
E. A. Freeman, The History of the Norman Conquest, Vol. Ill, S. 661;
Sagenhafte und literarische Züge in historischen Quellen verdienen eine breitere
Beachtung als das bisher von Seiten der Historiker geschehen ist.
Hugo Andresen: Maistre Wace's Roman de Rou et des Dues de Normandie.
Heilbronn 1877-1879.
P. Andrieu-Guitrancourt, Histoire de l'Empire Normand et sa Civilisation.
Paris 1952, S. 185. Vgl. Kudrun, Str. 1222,1 ir möhtet krone tragen. Wozu
M. H. Jellinek, Bemerkungen zur Textkritik und Erklarung der Kudrun. ZfdA.
72 (1935), S. 200-206, bes. S. 203. - Zu Andrieu-Guitrancourts Worten, vergleiche
Hans Wolters, Ordericus Vitalis. Ein Beitrag zur kluniazensischen Geschichtsschreibung. Wiesbaden 1955, S. 166, Anmerkung 119.
Ernst Martin, Kudrun. Holle a.S. 1902, S. LX; E. S. Hartland, The
Science of Fairy Tales. London 1891, S. 250 (vgl. 235); Wilhelm von Ploennies,
Kudrun. Übersetzungen und Urtext mit erklarenden Abhandlungen. Leipzig
1853, S. 211.
Jan de Vries, Die Brautwerbungssagen. Germ.-Rom. Monatschrift 9 (1921),
S. 330-341 und 10 (1922), S. 31-44, bes. S. 35. Siehe auch Fred Bertrich, Kulturgeschichte des Waschens. Düsseldorf 1966, S. 80-89.
I. Schröbler, Wikingische, S. 110.
Karl Bartsch, Kudrun. Leipzig 1880, zu Str. 1041,4; vgl. Str. 1165, 2-3
5 2 2
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5 3 0
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wie den daz mac gezemen, daz si müezen waschen in den fremeden landen.
5 3 2
J. Fourquet, Zum Aufbau des Nibelungenliedes und des Gudrunliedes.
ZfdA. 85 (1954), S. 137-149, bes. S. 146. - Herwig erfreut sich etwas voreilig
darüber, dass die Fahrt ins Normannenland so glatt von statten gegangen ist und
dass man keinen schöneren Erfolg gehabt haben konnte, den schon auf der ersten
Erkundigungsfahrt haben Herwig und Ortwin Gudrun getroffen: Str. 1255.
Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters. Darmstadt
1957, S. 210-211. Franz Saran, Kudrun. Halle (Saaie) 1922, S. 12-17, 20, 43, 50,
69-70, 92 ff.
K. Stackmann, Kudrun, S. XXII-XXIII. Vgl. auch W. Scherer, Geschichte
der deutschen Litteratur. 10. Aufl. Berlin 1905, S. 93, 109 und 134-138.
J. Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters, S. 211.
A. E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Dichtung. Graz
1897; Kudrun, S. 109-208, bes. 186-187. - Die Heiligenvitae bezeugen wiederholt körperliche Züchtigungen für unwillige Braute. Siehe Leon van der Essen,
Études critique et littéraire sur les Vitae des Saints merovingiens de l'Ancienne
Belgique. Louvain-Paris 1907, S. 225, 230. Zu dieser Frage siehe besonders
5 3 3
5 3 4
5 3 5
5 3 6
meinen Aufsatz: Kudrun und die Legendendichtung. Leuvense Bijdragen 50
(1961), S. 59-85, bes. 77-79. Siehe auch Werner Hoffmann, Kudrun. Ein Beitrag
zur Deutung der nachnibelungischen Heldendichtung. Stuttgart 1967, S. 190.
Roswitha Wisniewski, Kudrun. Stuttgart 1963, S. 61-64; Hinrich Siefken,
Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München 1967,
S. 132.
A. E. Schönbach, Das Christentum, S. 187.
I. Schröbler, Wikingische, S. 110. Ahnliche Arbeiten nahm die H. Radegundis, die geraubte thüringische Königstochter, frei willig auf sich. Darüber
unten.
Karl Jordan, Die Entstehung der römischen Kurie. Ein Versuch mit Nach­
trag 1963. Darmstadt 1962, S. 22.
Über ahnliche niedrige und erniedrigende Arbeiten im Mittelalter, siehe
F. Lulofs, Beatrijs. Zwolle 1963, S. 99.
Siehe besonders das 1. Kapitel dieser Arbeit.
Hinrich Siefken, Überindividuelle Formen, S. 133 und 136.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 296-299.
K. Stackmann, Kudrun, S. XI und LXXXIV. Rosenfeld hat versucht die
Bayern-Hypothese erheblich auszubauen. Manche Einzelheit, die Rosenfeld anführt, dürfte für die letzte Fassung der Kudrun zutreffen. Die Tendenz seines
Aufsatz verkennt allzusehr die reelle Möglichkeit einer (oder mehrerer) Vor­
stufe^).
Es ist jedoch zu beachten, dass in den bildenden Kunsten "Wascherinnen
am Meer" möglich sind: Fred Bertrich, Kulturgeschichte des Waschens. Düsseldorf 1966, S. 134: Kolorierter Kupferstich von G. J. Gatine (1773-1824) nach
einer Zeichnung von Louis Marie Lanté. — Zu Nausikaa (Odyssee, 6, 89-95),
worüber Bertrich, S. 57, siehe auch Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 297.
Nausikaa befindet sich offensichtlich "an dem Gestade des silberwirbelnden
Stromes", wo sie Kleider wascht (V. 89), doch das Meer ist ganz nah (V. 93-95):
Als sie ihr Zeug nun gewaschen und alle Flecken gereinigt,
Breiteten sie's in Reihen am warmen Ufer des Meeres,
Wo die Woge den Strand mit glatten Kieseln bespület.
Die Szene der waschenden Gudrun wird bei Bertrich, Kulturgeschichte des
Waschens, S. 89 besprochen.
Über die "poëtische" Ausgestaltung von Gudruns Leidensgeschichte siehe be­
sonders auch Symons, Kudrun (1914), S. LXVI und H. Siefken, Überindividuelle
Formen, S. 110-123.
Friedrich Panzer, Das altdeutsche Epos. Halle a.S. 1903, S. 11-13. Vgl.
A. E. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz
1897, S. 124-131. — Über die übernommenen "überindividuellen Formen als
mögliche Gliederung für einen gewahlten Stoff" ist das Buch von Hinrich
Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München
1967 von Interesse.
Fr. Panzer, Das altdeutsche Epos, S. 15. Vgl. Gustav Ehrismann; Be5 3 7
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5 4 7
sprechung: Friedrich Panzer, Hilde-Gudrun. ZfdPh. 37 (1905), S. 523. Auch
Frantisek Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Stu­
diën zur Hagiographie der Merowingerzeit. Praha 1965, S. 62, 73-78, 92, 138
behandelt das Problem.
Karl Müllenhoff, Kudrun. Kiel 1845, S. 123.
Hennig Brinkmann, Geschichte der lateinischen Liebesdichtung im Mittel­
alter. Halle 1925, S. 73-74.
H. Brinkmann, Geschichte der lateinischen Liebesdichtung, S. 73-77;
Karl Strecker, Die Cambridger Lieder. Berlin 1926, S. IX und S. 60, 116-119.
Kurt Herbert Halbach, Epik des Mittelalters. Deutsche Philologie im
Aufriss. 2. überarbeitete Auflage. 2. Bd. Berlin 1966, Sp. 630.
Jan van Dam, Der Einfluss der niederlandischen Literatur auf die deutsche.
Deutsche Philologie im Aufriss. 2. überarbeitete Auflage. 3. Bd. Berlin 1967,
Sp. 420: Die Hildesage. — Zum Kulturgebiet, siehe Christopher Dawson, Die
Gestaltung des Abendlandes. Frankfurt a.M. 1961 (Übertragung aus dem Eng­
lischen), S. 186: " . . . die kulturelle Fuhrung . . . in Nordfrankreich, Lothringen
und Burgund, in Flandern und Rheinland. Kulturell wegweisend war vor allem
die Normandie, wo die nordischen und lateinischen Elemente zuerst in scharfstem
Gegensatz und bald in innigster Berührung standen". Siehe auch Anmerkungen
82 und 589.
Text: Karl Strecker, Die Cambridger Lieder. Berlin 1926, S. 42; Walther
Bulst, Carmina Cantabrigiensia. Heidelberg 1950, S. 34; Peter Dronke, Medieval
Latin and the Rise of European Love-Lyric. Oxford 1965. Vol. I, S. 275-276.
P. Dronke, Medieval Latin, Vol. I, S. 276 rat zum Beispiel auf "Yseult
watching for Tristan". — Ahnliche Motive klingen auch in Vergil, Aeneis,
4. Gesang an. Auch die Erzahlung von Phyllis und Demophon ware heranzuziehen.
P. Dronke, Medieval Latin, Vol. I, S. 276.
Gudrun wascht in der Nahe der normannischen Burg. Je nachdem es dem
Epiker passt, kann dieselbe Burg anscheinend nah am Meer oder mehr land­
einwarts liegen. Vgl. K. Stackmann, Kudrun, S. XVIII; Panzer, Hilde-Gudrun,
5. 101-110. K. Müllenhoff, Kudrun. Kiel 1845, S. 64, 72-73, 77 verlegt die
Burgen ans Meer. Vgl. auch P. Piper. Kudrun. Stuttgart 1895, zu Str. 728.
Wilhelm von Ploennies, Kudrun. Leipzig 1853, S. 306, 312-314, 332-334, 340341, 374-375 hat mit Recht gegen Müllenhoffs willkürliches Verfahren Einspruch erhoben. — Sogenannte "Seeburgen" lagen in der Wikingerzeit "nicht
an der ungeschützten, offenen Kuste, sondern landeinwarts an einer schiffbaren
Au", wie Otto Scheel, Die Wikinger. Aufbruch des Nordens. 2. Auflage. Stutt­
gart 1938, S. 199-200 schreibt. Wie Scheel an einem konkreten Fall zeigt, konnte
eine "Seeburg" meilenweit landeinwarts liegen. Manchmal hat auch die Bodenbeschaffenheit es nicht erlaubt die Burg nah ans Meer zu bauen: W. von Ploen­
nies, Kudrun, S. 306; Jan de Vries, De Wikingen in de Lage Landen bij de Zee.
Haarlem 1923, S. 325; A. Verhulst, Historische geografie van de Vlaamse kust­
vlakte tot omstreeks 1200. Bijdragen voor de geschiedenis der Nederlanden 14
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5 4 9
5 5 0
5 5 1
5 5 2
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5 5 6
(1960), S. 1-37, bes. S. 6.
Man fragt sich, ob eine Wascherinszene am "Seeufer" gegebenfalls doch etwas
von der Wirklichkeit wiederspiegeln kann. Diese eigenartige Vorstellung von
"Seeufer" oder "Meeresstrand" konnte in seiner erweiterten Bedeutung verwendet
worden sein. Notwendig ist das jedenfalls nicht. Ein seekundiger Erzahler kann
als Literator eine Situation schildern, die eigentlich der Wirklichkeit entspricht,
wahrend er ein literarisches Motiv in seine Erzahlung einbezieht, das zum Verlauf der Handlung passt. So z.B. auch in der keltischen Erzahlung von Branwen:
Proinsias Mac Cara, Branwan. Daughter of Llyr. Cardiff 1958, S. 119. In diesem
Sinne möchte ich, wie aus der weiteren Darlegung hervorgeht, die Wascherinszene
am Meeresstrand als ein Produkt literarischer Tradition betrachten.
C. W. M. Grein, Dichtungen der Angelsachsen. Heidelberg 1930, I.Bd.,
S. 200. Urtext: George Philip Krapp and Elliott van Kirk Dobbie, The Exeter
Book. New York 1936, S. 95-96.
Gilbert Highet, Greek and Latin Influences on Western Literature.
Oxford 1951, S. 32. Man vergleiche die altengl. und lat. Texte (in) Roger Fowler,
Old English Prose and Verse. London 1966, S. 115-121.
Andreas Heusler, Die altgermanische Dichtung. Potsdam 1941, S. 150;
Gerhard Dietrich, Ursprünge des Elegischen in der altenglischen Literatur. Fest­
schrift Friedrich Schubel. Frankfurt/M. 1966.
I. Schröbler, Wikingische und spielmannische Elemente im zweiten Teile des
Gudrunliedes. Halle (Saale) 1934, S. 81-82 hat auf Übereinstimmungen zwischen
Kudrun, Str. 1137-1144 und Aeneis I, 159 ff. hingewiesen, fur die, wie sie
schreibt, "ich keine Erklarung weiss'. Ich habe im 1. Kapitel dieser Arbeit die
Lösung gegeben. Siehe Anmerkung 79 und 136.
Vgl. I. Schröbler, Wikingische, S. 83-84.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 297 ff. - Ich verweise noch auf Jacob
van Maerlant (13. Jahrh.), Heimlicheit der Heimlicheden, v. 1060 ff.
Die winden vliegen hare vlucht,
Die sne verdoyet altemale,
Beken lopen in den dale,
Die fonteinen worden ghehier.
Man lese auch die Vita Karls des Guten (11. Jahrh.) Schnee und Eis herrschen
bis Ende Marz vor, böige Winde zerstören die Saatfelder und die knospenden
Baume. Die Schilderung verrat literarische Einflüsse. Siehe auch Anmerkung 562.
R. Fowler, Old English Prose and Verse. London 1966, S. 160 zu V. 101105: "For the association of winter landscape with the mood of sorrow": siehe
auch V. 5, 24, 57, 76-77; Seefarer V. 8-10, 14-17, etc. - Man vergleiche auch
R. F. Leslie, The Wanderer. Manchester 1966, S. 66 und zu V. 4, 24, 46, 48,
77, 102; I. L. Gordon, The Seafarer. London 1960, S. 33-37; R. F. Leslie, Three
Old English Elegies. Manchester 1961: The Wife's Lament, V 48-49. Weiter
sind noch zu erwahnen das altengl. Gedicht Andreas, V. 1249-1265 und Phoenix,
V. 14b-18.
Die Verwandten werden genannt in: The Wanderer, V. 21-29 und 51; Seafarer,
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5 5 8
5 5 9
5 6 0
5 6 1
5 6 2
V. 16, 80-90, 98. Vgl. auch I. L. Gordon, The Seafarer, S. 24-25, wo er auf den
kirchlichen Einfluss hinweist. Weiter lese man: Michael Alexander, The Earliest
English Poems, Penguin Books 1966, S. 69. — Zum Wanderer, vgl. R. F. Leslie,
The Wanderer, S. 69-71 und 78. Über De excidio Thoringiae, V. 47-52 wird
weiter unten die Rede sein.
Die Friihlingszeit war die Zeit der Ausfahrt der Schiffe (auch fur die Wikinger).
Vogel und erwachende Natur lassen diese Zeit erkennen: Seafarer, V. 48-54. The
Husband's Message, V. 23. Wozu I. L. Gordon, The Seafarer, S. 17 und R. F.
Leslie, Three Old English Elegies, S. 61. — Man vergleiche in der Kudrun
Str. 1195,3-4:
und sliefen dester minner,
si waen dar gedaehten
wanne in diu vogelin
guote ritter (dar ze lande) braehten.
Kudrun, Str. 1217,1-3:
Ez was in den ziten,
dö der winter sich zerlie,
und daz in widerstrite
diu vogele wolten hie
singen aber ir wise
nach des merzen stunden.
The Wanderer, V.55 und Kudrun 1220 waren auch zu vergleichen: Kudrun
Str. 1220,4 "guoten morgen, guoten abent" was den minniclichen (meiden) tiure
— Wanderer, V.55 cudra cwidegiedda: Vgl. dazu Ch. W. Kennedy, An Antho­
logy of Old English Poetry. New York 1960, S. 6: With no word of greeting und
R. F. Leslie, Three Old English Elegies, S. 79.
Schliesslich sei noch auf L. Ariosto, Rasender Roland, 12. Gesang, Str. 72
hingewiesen. Bekanndich war Ariosto sehr belesen in der alteren Literatur. Er
lasst den König das Heer aufbieten
Jetzt, da das rege Bachlein aufzutauen
In laue Flut sein kaltes Eis beginnt,
Mit frischem Gras sich überziehn die Auen
Und das Gebüsch sein zartes Laub gewinnt.
(Deutsch von J. D. Gries).
R. F. Leslie, Three Old English Elegies, S. 31-38.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 299.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 297; W. Jungandreas, Gudrunstudien
I und II, ZfdPh. 68 (1943), S. 4-24 und 113-155, bes. 12-13; A. E. Schönbach,
Das Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, S. 200.
H. Rosenfeld, ZfdPh. 81 (1962), S. 298 und Jungandreas, ZfdPh. 68 (1943),
S. 12-13. Doch M. H. Jellinek, Bemerkungen zur Textkritik und Erklarung der
Kudrun. ZfdA. 72 (1935), S. 206 sagt zu dem Zug, dass Kudrun die Wasche ins
Meer wirft: "aufgenommen hat ihn der Dichter, weil er ihm gefallen hat". Mit
Recht betont Jellinek, S. 205, dass "Widerspriiche und Unwahrscheinlichkeiten,
die man in der Kudrun finden wollte, zum guten Teil innig mit dem Plan des
Dichters zusammenhangen" und dass er "hatürhch Überliefertes benutzte, aber
keineswegs als Sklave seiner Quellen". Vgl. auch Gustav Neckel, Vom Germanentum. Leipzig 1944, S. 211: "Was bei einseitiger Parallelenjagd 'nur aus
dem Vorbilde erklarbar' scheint, erklart sich unter Umstanden einfacher aus dem
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5 6 4
5 8 5
5 8 8
Plan des Dichters". Über das Planmassige in der Kudrun, siehe besonders Hinrich
Siefken, Überindividuelle Formen und der Aufbau des Kudrunepos. München
1967. — Wenn schon von einer Realitat die Rede sein sollte, konnte man noch
an die Strömungen der Gezeiten denken.
H. Siefken, Überindividuelle Formen, S. 63, 97, 113.
De excidio Thoringiae: Venantii Fortuntii Carmina ed. Fr. Leo (1881).
Mon. Germ. Hist.: Auctores Antiquissimi IV, 1 App. I, p. 271.
Frantisek Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger.
Studiën zur Hagiographie der Merowingerzeit. Praha 1965, S. 409.
Marie-Louise Portmann, Die Darstellung der Frau in der Geschichtschreibung des früheren Mittelalters (Inaugural-Diss.) Basel 1958, S. 37 und 44.
Vgl. Kudrun, Str. 1009,2:
si muoste den oven heizen
mit ir wizen hant
und Kudrun Str. 1343,2-3:
só suit ir nach der wize
diu kleider machen rót,
diu da habent gewaschen
ir vil wize hende.
Die weissen Hande der Wascherin bilden in Volksliedern einen standigen
Zug: Fred Bertrich, Kulturgeschichte des Waschens. Düsseldorf 1966, S. 80; doch
ist für Kudrun "das kalte Meer kein Marchenfluss, in dem zu waschen der reine
Spass ist" bemerkt Jellinek, ZfdA. 72 (1935), S. 204.
Fr. Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Werowinger, S. 295.
Heiligenlegende und Heldensage verwenden dabei gelegendich das AschenputtelMotiv: Graus, S. 251, Anmerkung 348 (mit Literatur); B. Symons, Kudrun (1914),
S. LXIV: "Ein Marchenmotiv, der Aschenbrödeltypus spielt hinein, wenn die
edle jungfrau den ofen heizen, kehren, mit den haaren schemel und banke
wischen muss". Siehe auch H. Siefken, Überindividuelle Formen, S. 109. — Wie
ich in meinem Kudrunaufsatz, Leuv. Bijdr. 50 (1961) nachgewiesen habe, muss
eine Leidensgestalt in der Legende nicht die Passivitat der Martyrin besitzen.
Auch Kudrun ist davon entfernt, wie u.a. H. Schneider, Germanische Helden­
sage, I. Bd., S. 335 betont. Vgl. in dieser Arbeit Anmerkung 584.
Die Ansatze zum Aschenbródel-Komplex sind in Gudrun deutlich vorhanden:
das Gefühl, verstossen und unterdrückt zu werden; die Neigung, das Verhalten
der Umwelt in diesem Sinne zu beurteilen, und die Neigung, sich dafür schadlos
zu halten und Ersatz zu suchen. Schliesslich die Neigung des Selbstgenusses
solchen Leidens. Gudrun fühlt sich verstossen und unterdrückt: Str. 1036,1209.
Einerseits fühlt sie sich als die adlige Herein: Str. 1268,1271, 1279,1284, ander­
seits zeigt sie sich demütig und untertanig: Str. 997,1020-1024,1036, 1053-1057,
1190. Der Genuss des Leidens kommt in Str. 1055-1060 zum Ausdruck. Ihr
Missgeschick verleidet ihr die Umwelt: Str. 1015, 1027-1028,1047. Sie sucht
Ersatz: Str. 1024,1270,1517 und sie verwendet Listen: Str. 1284-1285, 1312-1320.
Marie-Louise Portmann, Die Darstellung der Frau in der Geschichtschreibung des früheren Mittelalters, S. 51-59; Leon van der Essen, Étude critique
et littéraire sur les Vitae des Saints mérovingiens, S. 435.
5 7 3 Wolfgang Schultz, Altgermanische Kultur in Wort und Bild. 5. Aufl.
5 6 7
5 6 8
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5 7 0
5 7 1
5 7 2
Berlin 1941, Tafel 35 und 37; Wilhelm Capelle, Das alte Germanien. Die Nachrichten der griechischen und römischen Schriftsteller. Jena 1929, S. 112-113 und
S. 240-241.
Man vergleiche die Behandlung, die Ingilde, der Tochter Brunhildens,
am Merowingerhof zuteil wurde. Man tritt sie mit Fiissen und taucht sie in
einen Fischteich, um sie gefügig zu machen: Marie Louise Portmann, Die Darstellung, S. 35. — Die in Betracht kommende Stelle in Kudrun Str. 960,2 lautet:
er vienc si bi dem here,
er warf (si) üf den sê.
5 7 4
Vgl. auch Kudrun 135,3 er holte hi dem hdre wol drizig in die unde; weiter
Str. 1523,3: er vienc si bi dem hdre. Dazu H. Siefken, Überindividuelle Formen,
S. 115.
Gero von Wilpert, Sachwörtebuch der Literatur. 4. Aufl. Stuttgart 1964,
S. 156 s.v. Elegie: "Kennzeichnend ist die Vielheit der Motive und die subjektive
Fügung der Gedankenfolge".
E. Rey: De l'authenticité des deux poèmes de Fortunat. Revue de Philologie 30 (1906), S. 124-140, bes. S. 129 zu V. 85-89: "Les vers 85-89 ne sont
que des lieux communs et du remplissage"; S. 128 zu V. 21; S. 126-128 zu 66-67;
S. 130 zu V. 107.
Mauriz Schuster, Venantius Fortunatus (in) Paulys Realencyclopadie der
classischen Altertumswissenschaft. 2. Reihe, 15. Halbband. Stuttgart 1955, Sp.
677-695; Portmann, Die Darstellung, S. 52.
Fritz Martini, Deutsche Literaturgeschichte von den Anfangen bis zur
Gegenwart. 8. Auflage. Stuttgart 1957, S. 83.
Helmut de Boor, Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen
bis zur Gegenwart. 2. Bd. 5. Aufl. München 1957, S. 202; Vgl. K. Stackmann,
Kudrun, S. XXXVIII-XL: Kudrun als höfischer Roman.
Helmut de Boor, Geschichte der dt. Lit., 2. Bd., S. 17.
K. Stackmann, Kudrun, S. XLII; H. Siefken, Überindividuelle Formen,
S. 122.
5 8 2 Michael Siedlmayer (in) Handbuch der deutschen Geschichte. Neu herausgegeben von Prof. Dr. Leo Just. Konstanz 1947, 1. Bd. Sechster Abschnitt,
S. 47. — Siehe J. Huizinga, Herbst des Mittelalters. S. 310 über die Neigung des
mittelalterlichen Menschen, seine Erkenntnis der Realitaten durch eine "Hilfslinie" mit dem Transzendenten zu verknüpfen.
Franz Saran, Kudrun. Halle a.S. 1922, S. 60, 69.
Friedrich Hilgers, Die Menschendarstellung in dem Kudrunepos. Diss.
Köln 1959, S. 15-16. Vgl. auch Fritz Martini, Germanische Heldensage,
Entstehung, Entwicklung und Wesen der deutschen Heldendichtung. Berlin
1935, S. 285; H. de Boor, Geschichte der deutschen Literatur, 2. Bd., S. 203-204;
W. Jungandreas, Die Gudrunsage, S. 80; I. Schröbler, Wikingische, S. 78;
Valdemar Vedel, Heldenleben (Mittelalterliche Kulturideale, 1. Bd.) Leipzig
1911, S. 81; Roswitha Wisniewski, Kudrun. Stuttgart 1963, S. 61-64; W. Hoffmann, Wirk. Wort 14 (1964), S. 236. Vgl. Anmerkung 571.
585 Werner Hoffmann, Kudrun. Ein Beitrag zur Deutung der nach5 7 5
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nibelungischen Heldendichtung. Stuttgart 1967, S. 190; H. Siefken, Über­
individuelle Formen, S. 132.
Fr. Saran, Kudrun, S. 69.
Fr. Martini, Germanische Heldensage, S. 285.
Die Verdienste des mhd. Dichters sollen natürlich nicht verkleinen wer­
den, doch vorerst haben "aus Gründen der Darstellung die Kenntnisnahme der
alteren Fundamente und Bauteile den Vorrang". Siehe Bruno Boesch, Kudrun
(1964), S. XV. Vgl. auch Anmerkung 544.
Gustav Neckel, Vom Germanentum, S. 210. Über das Kulturgebiet, das
für die Entstehung der Gudrunhandlung in Frage kommt, siehe 1. und 2. Kapitel
dieser Arbeit und Anmerkung 552.
Gustav Neckel, Vom Germanentum, S. 252 schreibt weiter: "Dass die
heidnische Mythologie durch die jüdische und christliche ersetzt ist, bedeutet
zwar viel, ist aber nicht das Wichtigste". Vgl. Albert B. Lord, Der Sanger erzahlt.
Wie ein Epos entsteht. München 1965, S. 290: "Vielleicht ist die Formulierung
treffender, dass die heidnischen Mythen dem jüdisch-christlichen Mythus Platz
gemacht hatten oder in seinem Sinne neuinterpretiert worden waren". — In
diesem Sinne: L. Peeters, Kudrun und die Legendendichtung. Leuvense Bijdra­
gen 50 (1961), S. 59-85.
H. Rapp, Das Problem des Tragischen in der Gudrunliteratur. Diss. Köln.
Borna-Leipzig 1928; Katharina Böllinger, Das Tragische im höfischen Epos.
Diss. Würzburg. Würzburg 1939, S. 19-23. K. Stackmann, Kudrun, S. XXXXXXI. J. K. Bostock, The Message of the "Nihelungenlied". Modern Language
Review 55( 1960), S. 200-212, bes. S. 212. - Zu diesem Aspekt, siehe auch
A. Moret, Kudrun. Edition partielle. Paris 1955, S. 17-18; Fr. Hilgers, Die
Menschendarstellung, S. 71; W. Hoffmann, Wirk. Wort 14 (1964), S. 233-235.
Vgl. C. H. Bowra, Heroic Poetry. London 1961, S. 299-329: Some
Peculiarities of Composition. Dazu auch Müllenhoffs Bemerkung in seiner
Kudrun. Kiel 1845, S. 12: "leicht gestaltete sich das ganze in kleinere fast für
sich bestehende romanzen". Die neuere Forschung sieht ein, dass ahnliche Feststellungen nicht "die echten theile des gedichtes" im Müllenhoff'schen Sinne
entdecken lassen.
K. Stackmann, Kudrun, S. LXXXVII.
Edmund Mudrak, Die deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 279.
K. Stackmann, Kudrun, S. XVIII.
K. Stackmann, Kudrun, S. XXX mit einem Hinweis auf M. H. Jellinek,
Kudrun (in) Festgabe für Samuel Singer. Tubingen 1930, S. 20-28.
Siehe K. Stackmann, Kudrun, S. LXII-LXIII und besonders in dieser
Arbeit das 1. und 2. Kapitel.
M. H. Jellinek, Bemerkungen zur Textkritik und Erklarung der Kudrun.
ZfdA. 72 (1935), S. 205.
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A N M E R K U N G E N Z U M IV. K A P I T E L
5 9 9
K. Müllenhoff und W. Scherer, Denkmaler deutscher Poesie und Prosa
aus dem 8.-12. Jahrhundert. 3. Ausgabe v. E. Steinmeyer. Berlin 1892, II. Bd.,
S. 190 ff.; K. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde. IV. Bd. besorgt durch Max
Roediger. Berlin 1920, S. 684 (680). E. Martin, Kudrun. Halle. a.S. 1883,
S. XX und E. Martin, Kudrun. Halle a.S. 1902, S. XLII.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 361; Fr. Panzer, ZfdPh. 35 (1903), S. 44.
K. Müllenhoff, ZfdA. 12 (1865), S. 317: E. A. Schönbach, Das Christen­
tum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, S. 114, 137, 145, 182;
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 121-167.
B. Symons, Kudrun (1914), S. XCVI-XCVII.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 159; Fr. Panzer, Hilde-Gudrun ,S. 362-368.
Paul Herrmann, Erlauterungen zu den ersten neun Büchern der danischen
Geschichte des Saxo Grammaticus. Zweiter Teil: Kommentar. Leipzig 1922,
S. 594-595.
605 p p i p Martin, Stackmann in ihren Kudrunausgaben, zu Str. 1117.
Fridtjof Nansen, Nebelheim. Entdeckung und Erforschung der nörd­
lichen Lander und Meere. 2. Bd. Leipzig 1911: 1. Bd., S. 210; vgl. 2. Bd.,
S. 92-97. Zu celeuma, siehe B. Schmeidler, Adam von Bremen, Hamburgische
Kirchengeschichte. Hannover und Leipzig 1917, S. 277; die Übersetzungen von
Francis J. Tschang, New York 1959, S. 220 und W. Trilhnich, Darmstadt 1961,
S. 491; E. Habel und F. Gröbel, Mittellateinisches Glossar. Paderborn 1959,
6 0 9
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er>
8 0 6
s.v. celeuma.
6 0 7
J. G. Kohl, Die erste deutsche, von der Weser aus um das Jahr 1040
veranstaltete Entdeckungsreise zum Nordpol. Petermanns Mittheilungen 15 (1869),
S. 11-19, bes. S. 13; Richard Hennig, Terrae Incognitae. 4. Bde. Leiden 19441956: 2. Bd., S. 358; Wilhelm Frahm, Das Meer und die Seefahrt in der alt­
französischen Literatur. (Diss.) Göttingen 1914, S. 129: "Vor der Abfahrt wurde
ihnen (den Seeleuten) ein besonderer Treueid abgenommen"; Gustav Freytag,
Bilder der deutschen Vergangenheit. Berlin o.J., I. Bd., S. 23: "Überall wo ein
gefahrliches Unternehmen zu bestehen war, vor der Meerfahrt. . . ahnlich bei
Pilgerreisen. . ." wurde ein Eid geleistet. Vgl. auch A. E. Schönbach, Das
Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, S. 193.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 361-368.
K. Stackmann, Kudrun, zu Str. 1125-1134.
Nebel und Finsternis sind stehende Züge, die die Gefahrlichkeit des
Nordmeers schildern. Siehe Anmerkung 679.
Alexander Frederick Falconer, Shakespeare and the Sea. London 1964,
S. 142-144; E. G. R. Taylor, The Haven-Finding Art. A. History of Navigation
from Odysseus to Captain Cook. London 1956, S. 83 (aus dem altnordischen
Konungs Skuggsjd (13. Jh.): "The south wind puts on a cloudlined mantle and
blows vigorously,...".
W. Vogel, Die Normannen, S. 110-112.
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8 1 2
6 1 3 Westwinde waren dem Seefahrenden auf dem Nordmeer ein gutes Omen:
Peter F. Anson, Fisher Folk-Lore. London 1965, S. 107; E. G. R. Taylor, The
Haven-Finding Art, S. 18: " . . . with the confident expectation that even more
frequent, and blowing more strongly, will be the westerly and south-westerly
winds that bring him home". Vgl. Anmerkung 658.
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 274.
Irgendein Zusammenhang mit De Reis van Sinte Brandaan, VV. 700-744
und 855-893 drangt sich auf. Siehe auch Anmerkung 604.
Paul Herrmann, Die Heldensagen, II. Heil, S. 595. Fr. Nansen, Nebelheim,
2. Bd., S. 92-93; vgl. auch Gustav Storm, Ginnungagap i Mythologien og i
Geografi. Arkiv för Nordisk Filologi 8 (1890), S. 340-350. besonders S. 344:
Cykloper - Jotner; Vincent H. Dep. Cassidy, The Location of Ginnunga-gap.
Scandinavian Studies. Essays presented to Dr. Henry Goddard Leach on the
occasion of his eighty-fifth Birthday. Edited by Carl F. Bayerschmidt and Erik J.
Friis. University of Washington Press Seattle 1965, S. 27-38.
Hans Lamer, Wörterbuch der Antike. Stuttgart 1956, s.v. Kyklopen.
K. Müllenhoff, ZfdA. 12 (1865), S. 317.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 123, 133, 159.
Hermann Krabbo, Nordeuropa in der Vorstellung Adams von Bremen.
Hans. Geschichtsbl. 15 (1909), S. 38-51, besonders S. 44: "zeitgenössische Überlieferung"; Wolfgang Schlüter, Adams von Bremen geographische Vorstellungen
vom Norden. Hans. Geschichtsbl. 16 (1910), bes. S. 556: "Insel der Cyclopen"
und S. 558: "gelehrte Traditionen ...mündliche Berichte"; J. G. Kohl, Petermanns Mittheilungen 15 (1869), S. 15: "aus dem Alterthum entlehnte und zur
Zeit Adam's jedem Kundigen gelaufige Anschauungsweisen".
Edmund Mudrak, Die deutsche Heldensage. Berlin 1939, S. 280.
622 YV. W. How and J. Wells, A Commentary on Herodotus with introduction
and Appendixes. Two Volumes. Oxford 1957. Vol. I., S. 307 zu IV, 13, vgl.
dazu III, 102. Von Interesse ist auch das klassische Erzahlgut in Herzog Ernst
(Ausgabe K. Bartsch), VV. 4335-4505: Gustav Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. 2. Teil, 2. Abschnitt, 1. Halfte.
München 1927, S. 44-46: Hulda Braches, Jenseitsmotive und ihre Verritterlichung in der deutschen Dichtung des Mittelalters. Assen 1961, S. 60-64. Auch
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6 1 6
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das Annolied XXII, 18 kennt den "Ciclaps in Sicilia".
6 2 3
Jean Carles, Le poème de Küdrün, S. 274.
M. Curschmann, Oral Poetry in Mediaeval English, French, and German
Literature. Some Notes on recent research. Speculum 42 (1967), S. 36-52; Hertha
Reuschei, Untersuchungen über Staff und Stil der Fornaldarsaga. Brühl 1933,
S. I l l : "Die Fahrt in das unheimliche Land wird verschiedenen Helden zugeschrieben . . . man hat eigentlich keinen festgeformten Erzahlungstyp vor sich,
der einfach übertragen werden konnte . . . Doch sind einzelne Züge typisch und
kehren in vielen Geschichten wieder. . . Mit einem Zauberwetter oder einem
Seesturm überhaupt beginnt das Abenteuer . . . Im allgemeinen steht es fest, dass
man nur zur See ins Unholdland . . . gelangt". H. Reuschel erblickt auch Bezie6 2 4
hungen zwischen Fornaldarsage und Spielmannsepen, vgl. auch Th. Frings,
Hilde. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 54 (1930),
S. 391-418. Über den Gudrunstoff und seine Beziehung zur Vorzeitsaga, siehe
auch Siegfried Gutenbrunner, Schleswig-Holsteins alteste Literatur. Von der
Kimbernzeit zur Gudrundichtung. Kiel 1949, S. 82-90.
Zu Brandan und Herzog Ernst, siehe Maartje Draak, De Reis van Sinte
Brandaan. Amsterdam 1948, S. 208, 217-218. Niitzlich ist auch Georg Schreiber,
Irland im deutschen und abendlandischen Sakralraum. Arbeitsgemeinschaft für
Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswissenschaften. Heft 9. Köln
und Opladen 1956, bes. S. 63-75: St. Brandans Meerfahrt (mit der einschlagigen
Literatur).
Zu dem Einfluss der klassischen Literatur, siehe Fr. Nansen, Nebelheim. 1. Bd.,
S. 390-393; Hulda Braches, Jenseitsmotive und ihre Verritterlichung in der deutschen Dichtung des Hochmittelalters. Assen 1961, S. 63; Ian Cameron, Lodestone
and Evening Star. The saga of exploration by sea. London 1965, S. 78.
So Heusler, Frings, Symons, Kroes. Siehe auch das Kapitel "Kudrun und
der Nordseeraum".
Johannes A. Huisman, Utrecht im Merigarto. Beitrage zur Geschichte der
deutschen Sprache und Literatur 87 (1965), S. 379-389, bes. S. 387-389.
Gustav Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang
des Mittelalters, München 1922, 2. Teil, 1., S. 232. Vgl. auch Fr. Nansen,
Nebelheim, 1. Bd., s. 195-197; Marie Simon Thomas, Onze IJslandvaarders in
de 17de en 18de eeuw. Bijdrage tot de Geschiedenis van de Nederlandsche Handel
en Visscherij. (Diss. Utrecht). Amsterdam 1935, S. 3.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 121-125.
E. Martin, Kudrun, zu Str. 1126; R. Hennig, Tenae Incognitae. 3. Bd.,
S. 320.
Fr. Nansen, Nebelheim, I. Bd., S. 389-390, 464-468; 2. Bd., S. 143 ff.
Joseph Koch, Das Meer in der mhd. Epik. (Diss. Munster i.W.) o.J., S. 84;
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 146, 273.
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6 3 2
Die Erzahlungen aus den Tausendundein
Nachten. Vollstandige deutsche
Ausgabe in sechs Banden zum ersten Mai nach dem arabischen Urtext der
Calcutter Ausgabe aus dem Jahre 1839 übertragen von Enno Littmann. Wiesbaden 1960,1. Bd., S. 163.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 361-369.
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 62, 146, 120.
Proinsias Mac Cana, Branwen daughter of Llyr. Cardiff 1958, S. 34,
117, 121.
Proinsias Mac Cana, Branwen, S. 174-182.
Fr. Nansen, Nebelheim, 2. Bd., S. 234-235. Man beachte die Mehrzahl
"Magnetsteine". Die Mehrzahl findet sich auch in der Kudrun, Branwen,
Brandan. Hulda Braches, Jenseitsmotive, S. 60-61 verwendet die textkritische
Ausgabe Draaks (Hulthemmer Hs. V. 424 "steen"), doch die Cromburger Hs.
V. 441 hat "ligghen steene". Vgl. auch G. Kalff, Het Lied in de Middeleeuwen.
6 3 3
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6 3 6
6 3 7
Arnhem 1966 (onveranderde nadruk), S. 110: "Aen deze zee zyn steenen groot. . ."
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 274, vgl. S. 148, 120.
K. Stackmann, Kudrun, zu Str. 1126; B. Symons, Kudrun (1914), zu
Str. 1127; Jean Carles, Le poème de Küdrün, S. 63.
«40 w . Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, S. 106; vgl. P. Piper,
Kudrun, zu Str. 1127. Vgl. auch R. Hennig, Terrae Incognitae, 2. Bd., S. 427
und 541.
Franz M. Feldhaus, Die Technik der Antike und des Mittelalters. Potsdam
8 3 8
6 3 9
6 4 1
1931, S. 277; G. Eis, Zu Kudrun, Str. 1109 glockensvise und spdnischez messe.
Studia Neophilologica 30 (1958), S. 27-29.
Franz M. Feldhaus, Die Technik der Antike und des Mittelalters, S. 275
und 287. R. Hennig, Terrae Incognitae, 3. Bd., S. 315-323; E. G. R. Taylor,
The Haven-Finding Art, S. 94.
E. G. R. Taylor, The Haven-Finding Art. S. 96; vgl. W. Vogel (in)
J. Hoops Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Strassburg 1911-1919
s.v. Kompass; R. Hennig, Terrae Incognitae, 3. Bd., S. 320: "Die nord- und
europaischen Völker scheinen unabhangig vom Orient die Richtweisung der
Magnetnadel spatestens im 12. Jh. — jedoch auch nicht sehr viel früher — entdeckt zu haben".
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 361.
K. Droege, Zur Geschichte der Kudrun. ZfdA. 54 (1913), S. 121-167;
R. Schutzeichel, Zu Kudrun 5, 3. Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache
und Literatur. 82 (1960), S. 116-119.. K. Stackmann, Kudrun, S. IX-X mit
Literatur.
A. E. Schönbach, Das Christentum, S. 195-196; Martin, Piper, Symons,
Stackmann zu Str. 1132.
Vgl. Martin, Stackmann zu der Gtversepisode.
Magistri Adam Bremensis Gesta Hammdburgensis, IV, Scholion 150.
Schon der Karthager Himilko (500 vor Christo) erzahlt, dass es im Nordmeer
"an treibenden Winden fehle und kein Lufthauch vom Himmel dem Schiffe
vorwartshelfe. Ferner weil Dunkelheit . . . und weil Nebel stets das Meer verdecke": Nansen, Nebelheim, I. Bd., S. 44.
Adam, IV, 39.
Adam, IV, 40.
6 5 1 Wolfgang Golther, Handbuch der germanischen Mythologie. Leipzig 1895,
S. 513.
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e 4 T
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6 4 9
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8 5 2
Vgl. Kudrun, Str. 1136,1 Ze vliezenden ünden waren si nun komen. —
Vgl. die Rettung Orendels durch Marias Fürsprache: Orendel, VV. 385 ff.. Dazu
Bernatzky, S. 12 und Tardel, S. 31. Die Erforschung der Mariendichtung des
12/13. Jahrhunderts ist noch eine Zukunftsaufgabe: R. Beitl, Wtb. d. dt. Volkskunde, Stuttgart 1955, S. 503. Siehe auch H. Rosenfeld, Legende. Stuttgart
1961, S. 42-46. Zu Maria stella maris: J. J. M. Timmers, Symboliek en Iconographie der christelijke kunst. Roermond-Maaseik 1947, S. 468-470. Über Stürme:
H. Gunter, Psychologie der Legende. Freiburg 1949, S. 187-190.
6 5 3
Adam, IV, 40.
Joseph Koch, Das Meer in der mittelhochdeutschen Epik. (Diss. Munster
i.W.) o.J., S. 21-22; vgl. Rudolf Much, Die Germania des Tacitus. Darmstadt
1959, S. 401.
Fridtjof Nansen, Durch Nacht und Eis, S. 146 von J. Koch zitiert. Über
diese Strömungen siehe auch Peter Freuchen, Das Buch der Sieben Meere.
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München 1964, S. 90-92. Adam IV, 40 hat "quod fluctuatio crescens did solet".
Fluctuatio, Flutwirbel, dead water, the eddy-water: a current of water running
against the main stream, a minor whirlpool. Siehe auch Günter Dietrich, Ozeanographie. Physische Geographie des Weltmeeres. Braunschweig 1959, S. 43: "Totwasser".
E. G. R. Taylor, The Haven-Finding Art, S. 83. Der deutsche Text ist
Rudolf Meissner, Der Königspiegel Konungsskuggsjd. Aus dem Altnorwegischen
übersetzt. Halle/Saale 1944, S. 96-97 entnommen.
Fr. Nansen, Nebelheim, 1. Bd., S. 464-465.
P. H. Blair, Anglo-Saxon England. Cambridge 1956, S. 62-63. Peter
Freuchen, Das Buch der Sieben Meere. München 1964, S. 83: "Im Nordatlantik
. . . sind die vorherrschenden Winde Westwinde". Siehe auch Anmerkung 613.
E. Martin, Kudrun, zu Str. 85. Vgl. auch die Kudrunausgaben von Symons,
Boesch-Symons, Bartsch, Bartsch-Stackmann, Piper zu Str. 85, 261, 1137.
J. Koch, Das Meer in der mittelhochdeutschen Epik, S. 19.
Vgl. Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 362. Panzer halt S. 367-368, Str. 1137
für einen Hinweis auf einen "Sturm vor der normannischen Kuste". Es ist aber
kennzeichnend für "gruntweïlen", dass sie "die heftige bewegung der see" sind,
"welche nach schweren stürmen noch einige tage fortdauert": E. Martin, Kudrun,
zu str. 85.
So richtig Martin, Kudrun zu Str. 85; vgl. The Concise Oxford Dictionary,
s.v. groundswell: heavy sea caused by distant or past storm or earthquake.
Günther Dietrich, Ozeanographie. Physische Geographie des Weltmeeres.
Braunschweig 1959, S. 40. Vgl. W. J. Jong, Vertalen van Vaktermen. Weekblad
van het "Genootschap" van Leraren aan Nederlandse Gymnasia en Lycea. 55
(1962), S. 959.
Es fragt sich, ob französisch "une houle violente" für die starken gruntwelle, wie André Moret, Kudrun. Paris 1955, zu Str. 85 übersetzt, wohl der
terminus technicus ist. Man vergleiche hierzu Paul Sébillot, Légendes, Croyances
et Superstititions de la Mer. Première Série: La Mer et le Rivage. Paris 1886,
S. 139 ff.: Les Raz de Marée et les Marées extraordinaires. — Die westeuropaischen
Sprachen geben gerade in diesem Bereich vielfach Anlass zu Unklarheiten und
ungenauen Übersetzungen: W. J. Jong, Vertalen van Vaktermen. Weekblad van
het "Genootschap" 55 (1962), S. 959-960.
So wurde 1966 der italienische Luxusdampfer "Michelangelo" durch
plötzlich hoch aufgetürmte Seen gepackt und "zusammengestaucht", nachdem er
ein Sturmzentrum duchquert hatte (Rheinische Post 7. Mai 1966). Ein ahnlicher Fall wird ebenda von einem britischen Frachter berichtet: "Er hatte ein
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Strumtief ohne Mühen hinter sich gebracht und stampfte ledighch noch gegen
eine See an, die keine grosse Kraft meer besass. Wie aus heiterem Himmel — die
Sonne war tatsachlich bereits durch die Wolken gebrochen — rollte plötzlich auf
das Schiff eine See zu, die die gewaltige Höhe von über 30 Meter hatte". Über
solche Flutwellen nach einem Sturm oder einem Seebeben, siehe auch Peter
Freuchen, Das Buch der sieben Meere. München 1964, S. 104-105; Farley
Mowat, Westviking. The ancient Norse in Greenland and North America.
London 1966, S. 75-76.
J. Grimm und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch. 4. Bd. Leipzig 1935,
Sp. 927 s.v. Grundwelle. Vgl. R. E. Coker, Das Meer der grösste Lebensraum.
Eine Einführung in die Meereskunde und die Biologie des Meeres. Hamburg
und Berlin 1966, S. 101 über die "Grundseen".
Besonders sei hier hingewiesen auf E. Martin, Kudrun (1883), S. XXXXIII; K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 121-167 und A. E. Schönbach, Das
Christentum in der altdeutschen Heldendichtung. Graz 1897, besonders S. 137145; Friedrich Hilgers, Die Menschendarstellung in der "Kudrun". (Diss. Köln).
Düsseldorf 1960, S. 38. Siehe auch meine Erörterungen zu Sivrit von Morlant
im zweiten Kapitel.
Jean de Lavarende, Romantische Scheepvaart (Übersetzung aus dem
Französischen: La Navigation sentimentale). Amsterdam-Brussel 1960, S. 141:
"Waarschijnlijk stond het zeilen over de Middellandse Zee voor de noorderlingen
gelijk met een partijtje spelevaren, zo gering leken er de gevaren vergeleken bij
die waar ze in hun eigen zeeën (Aermelkanal und Nordsee) aan gewend waren,
met hun veelvuldige mist, hun wisselende waterstanden, de in de winter zo lange
nachten".
Hertha Marquardt, Die Hilde-Gudrunsage in ihrer Beziehung zu den
germanischen Brautraubsagen und den mittelhochdeutschen Brautfahrtepen.
ZfdA. 70 (1933), S. 22.
J. Schröbler, Wikingische, S. 98.
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 63.
Jean Carles, Le poème de Kudrun, S. 277.
Jean Fourquet, ZfdA. 85 (1954/55), S. 145-147; K. Droege, ZfdA. 54
(1913), S. 144-146, 151, 158.
M. Weege, Das Kudrunepos, S. 38, 94. Vgl. L. Wolff, Das Kudrunlied
(in) Wirk. Wort: Sammelband II: Altere deutsche Sprache und Literatur. Düsseldorf 1962, S. 173-174.
Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 368 ff.
I. Schröbler, Wikingische, S. 98.
6 7 7 w . Frahm, Das Meer und die Seefahrt in der altfranzösischen Literatur,
S. 14; I. Schröbler, Wikingische, S. 98, Fussnote.
Das geschieht nicht "bloss um zu zeigen wie viel endlich gottes macht
und güte vermag", wie K. Müllenhoff, Kudrun, S. 23-24 behauptet. Nach ihm
sind solche Züge "leere erfindung.. . die ohne grund ist und im folgenden ohne
alle bedeutung bleibt'. Wesentlich richtiger urteilen A. E. Schönbach, Das
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Christentum, S. 114; M. Weege, Das Kudrunepos und besonders Ludwig Wolff,
Das Kudrunlied. Wirkendes Wort. Sammelband II. Altere deutsche Sprache
und Literatur. Düsseldorf 1962, S. 166-176, bes. S. 173-174.
679 Wie sehr man Gott fürchtet und anfleht, erblickt man in mehreren Texten
aus der Wikingerzeit: W. Vogel, Die Normannen, S. 110-112 (schon oben zitiert).
Ein solcher Sturm hatte auch Rollo, der spatere Gründer der Normandie zu
bestehen, als er auf einer Fahrt nach Walcheren war. Man merke sich die fast
formelhafte Schilderung, worauf ich schon auch für die Kudrun und Adams
Bericht hingewiesen habe. Das gilt auch für eine Stelle aus den Annates Quedlinburgenses, die auf Flandern bezogen wird (Auch Heliand, vv. 2231 en 2899 ff.
schildert das Sturmwetter).
Dudo erzahlt in De gestis Normanniae ducum Libri Tres (die wir ausgiebig
zur Aufdeckung einer wichtigen Quelle der Kudrun benutzt haben), Liber secun­
dus: Rollo (Patrologia Latina Tomus 141, Sp. 635-636):
Coelum crebrescentibus fulguribus intonuit, densarumque tenebrarum nox
atra illis incubuit. Remis confractis, ventorum rabiem vela ferre non possunt.
Itaque viribus exhausti, omnia ventis permittunt. Hue illucque naves quasi
per montes et valles fluctuant, mortemque repentinam omnibus intentant.
Tune Rollo protensis manibus prostatas incubuit navi, humilique voce talia
profudit:
Oratio Rollonis.
O Deus omnipotens, coelestia lumine complens,
Qui coelum terramque tenes per secula, cujus
Numen et aeterno complectens omnia giro,
infectum vitiis peccati et faece repletum,
Qui me Christicolam fieri vis munere visi
Temporis exiguo cursu volvente futuri:
Vgl. auch H. Andresen, Wace's Roman de Rou, I. Bd., S. 221, der darauf
hinweist, dass der Sturm zwar in Wace nicht erzahlt wird, doch in den Chroniken
und in Benoits Werk erscheint.
Die Annates Quedlinburgenses
A. 1014-1015 {Patrologia Latina, Tomus 141,
Sp. 546) schildern einen Sturm in derselben Gegend:
Res miseranda nimiumque stupenda contigit in partibus occidentalium
regionum 3 Calend. Octobris feria quarta Walachri et Flanderi. Horrendae
nubes apparuerunt, quae per tres noctes, miro immobiles, minas intuentibus
dederunt: tertia vero die tonitrui inauditus fragor adveniens, turbavit maria,
ut terribiliter intumescerent, et incredibiliter crescendo nubibus inhaererent.
Cumque gementes incolae repentinae calamitatis miseriam in tantae inundationis mole conspicerent, et sicut post mortem Juliani Apostatae naves
ad praerupta montium penderent vel in antiquum chaos omnia redirent,
timore mortis percussi, terga vertere coeperant; sed peccatis praepedientibus
multa milia hominum subito fluctibus interierunt, quia vultum Domini
iratum effugere non potuerunt...
Man merkt schon, wie in diesen und ahnlichen Schilderungen — man denke dabei
an Adam von Bremen IV, 39-40 und Kudrun — die gleichen Topoi wiederkerhren.
Ahnliche Züge finden sich auf in der französischen Ependichtung: W. Frahm,
Das Meer und die Seefahrt in der altfranzösischen Literatur, S. 17.
Ibn Dihja, Buch des Spielmanns über die Dichtungen der westlichen Araber
(1. Halfte des 13. Jahrhunderts) schildert eine Reise übers Meer an den Hof der
Normannen in der 1. Halfte des 9. Jahrhunderts. Es wird eine vornehme
Normannin gefreit, wobei der Spielmann die wichtigste Rolle hat (Georg Jacob,
Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und
10. Jahrhundert, Berlin und Leipzig 1927, S. 37):
Es sagte zu mir Jahja, wahrend wir zwischen Wogen gleich Bergen fuhren
Und uns Winde von West und Nord beherrschten,
Zerschlissen waren die beiden Segel, und die Handhaben
jener Taue rissen ab,
Und der Todesengel reckte sich nach uns, ohne dass
wir einen Ausweg finden könnten.
Da sahen wir den Tod, wie das Auge einen Zustand
nach einem Zustand sieht:
680 p
Bernatzky, Über die Entwicklung der typischen Motive in den mhd.
Spielmannsdichtungen, besonders in den Wolfdietrichen. (Diss.) Greifswald 1909,
S. 12.
Hermann Tardel, Untersuchungen zur mittelhochdeutschen Spielmannspoesie. (Diss.) Rostock. Schwerin 1894, S. 40.
r a n z
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Kudrun, str. 1133,1: Die da kristen hiezen, die gefrumten ir gebet. Über
das Gebetmotiv, Bernatzky, Über die Entwicklung der typischen Motive in den
mhd. Spielmannsdichtungen, S. 12-13.
Siehe Anmerkung 612 und 679.
684 Weege, Das Kudrunepos, S. 76: Anmerkung 94.
685 Ygj
h Merigarto, wo von dem lebirmer die Rede ist. Die Schiffer
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a u c
kommen nicht davon si ni uuelle got lósan, so muozzin si da fülon.
686 w . Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, S. 105: Es ist
wahrscheinlich, "dass die seefahrt str. 1124 ff., mag sie auch nicht denselben
verfasser haben wie die vogelprophezeiung, noch dazu bestimmt war, ihr unmittelbar voranzugehen".
B. Symons, Kudrun (1914), zu Str. 1127.
George Sarton, Introduction to the History of Science. Vol. II. Baltimore
1931 (reprinted 1950), S. 1031.
689 Man vergleiche zu sieser Stelle: Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 362, 367-368,
wo er die zusammenhangende Darstellung der Kudrun aus mehreren Abenteuern
in Brandan zu erklaren sucht.
M. Schönfeld, Nederlandse Waternamen. Brussel 1955, S. 127-128; vgl.
J. A. Huisman, De Hei-Namen in Nederland. Groningen, Djakarta 1953,
S. 3,7,10. — L. Freytag, Gudrun, S. 319 weist auf die Sage von den glücklichen
Insein, vom versunkenen Paradiese hin. Über das Totenreich unter der Erde
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oder unter dem Wasser, siehe Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte.
Berlin 1956, 1. Bd., S. 236. — Eine Hs. aus Cambridge (Library of Peterhouse)
weiss von einer Erzahlung Wates, die sich mit Wassergeistern beschaftigt.
Der Zusammenhang des Textes bleibt dunkel. Das von mir gesammelte Material
zur Person Wates lasst neue Einblicke in das Problem gewinnen, diese wiirden
jedoch zu weit von der Kudrunforschung abfiihren.
Gustav Goedel, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Kiel und Leipzig 1902, S. 289. Vgl. J. Grimm, Deutsche Mythologie.
Tubingen 1953, 3. Bd., S. 249: Die Seelen der Verstorbenen fahren über das
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lebermer.
6 9 2
Paul Herrmann, Erlauterungen zu den ersten neun Büchern der danischen
Geschichte des Saxo Grammaticus. 1. Teil: Übersetzung. Leipzig 1901, S. 384.
Paul Herrmann, Erlauterungen zu den ersten neun Büchern der danischen
Geschichte des Saxo Grammaticus. 2. Teil: Kommentar. Leipzig 1922, S. 587.
Joseph Koch, Das Meer, S. 23,85; Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 367-368.
J. J. Mak (in) Volkskunde 9 (1948), S. 17.
e»6 p ] Herrmann, Erlauterungen, 2. Tiel, S. 584-597; Jan de Vries, Germanische Religionsgeschichte. Zwei Bande. Berlin 1956-1957, Paragraphen 69,
158, 168, 581. Vgl. Hulda Braches, Jenseitsmotive, S. 58-65 und 116-117.
W. Wilmanns, Die Entwicklung der Kudrundichtung, S. 105-106 geht für die
Untersuchung dieser Episode von der Rede Wates aus, ohne dass er die Grundlosigkeit des Meeres und das Fallenlassen der Anker in diese Rede als Ganzes
integriert. Es geht dennoch aus dem Text hervor, dass der Aufenhalt auf den
gruntlosen iinden Wate unmittelbar dazu veranlasst, die wazzermaere zu erzahlen:
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a u
Str. 1128, 1: Sit hie lit versigélet unser \'rouwen her.
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L. Freytag, Gudrun, übersetzt und mit erlauternden Anmerkungen versehen. Berlin 1888, S. 319.
«98 . Wilmanns, Die Entwicklung, S. 106.
^gl- Fr. Panzer, Hilde-Gudrun, S. 367-368, wo mittels scharfsinniger
Kombination und Umdeutung einiger Brandanstellen versucht wird die in Frage
stehenden Kudruntexte zu erklaren.
Franz Bly, Onze Zeilvischsloepen. Gent 1910, S. 58: "Het groot anker
wordt in zee geworpen, wanneer de sloep, tengevolge van een ongeluk of andere
omstandigheden van overmacht, niet meer kan bestuurd worden, of wel als zij
bij stonnweer aan lager wal is bezet". F. A. Stoett, Nederlandsche Spreekwoorden,
Spreekwijzen, Uitdrukkingen en Gezegden. Zutphen 1915, 2. Deel, S. 156:
Plechtanker: "bij uitneemendheid een swaar anker, dat men in de uiterste nood
gebruikt... oneigendlijk beteekend het plegtanker, de eenigste toeverlaat"...
"Het woord komt in eigenlijke zin reeds bij Kiliaen en in het Mnd voor . . . " .
Maurice d'Hartoy, Initiation au langage des gens de mer. Genève (1944),
S. 23: On appelait autrefois "ancre de miséricorde" l'ancre maitresse d'un
batiment.
Die Übersetzung stammt von L. Freytag, Gudrun. Berlin 1888. Sie trifft
sehr gut den Sinn der Strophe.
W
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7 0 2
7 0 3
Siegfried Beyschlag, Das Nibelungenlied als aktuelle Dichtung seiner Zeit.
Germanisch-Romanische Monatsschrift 48 (1967), S. 231. Vgl. auch Friedrich
Hilgers, Die Menschendarstellung in der "Kudrun". "Inaugural-Dissertation
Köln). Düsseldorf 1960, S. 71-72.
Paul Herrmann, Erlauterungen zu den ersten neun Büchern der danischen
Geschichte des Saxo Grammaticus, 2. Teil, S. 593.
7 0 4
ANMERKUNGEN ZUM SCHLUSSWORT
7 0 5
Hugo Kuhn, Kudrun (in) Miinchener Universitats-Woche an der Sorbonne
zu Paris vom 13. bis zum 17. Marz 1956, hrsg. von Jean Sarrailh und Alfred
Marchionini. München 1956, S. 135-143, bes. S. 141.
J. van Mierlo, De letterkunde van de middeleeuwen. Geschiedenis van de
letterkunde der Nederlanden. Deel I. 's-Hertogenbosch-Brussel 1939, S. 77-100;
J. Jacobs, De Westvlaamsche Spreek- en Schrijftaal. Overdruk uit de Verslagen
en Mededeelingen der Koninklijke Vlaamsche Academie voor 1928, S. 12-13.
Vgl. auch W. P. Gerritsen, Les relations littéraires entre la France et les Pays-Bas
au Moyen Age. Quelques observations sur la technique des traducteurs. Actes du
Septième Congres National de la Société de Littérature Comparée. Poitiers, 27-29
Mai 1965. Moyen Age et Littérature Comparée. Paris 1967, S. 28-46.
Otto Höfler, Die Anonymitat des Nibelungenliedes (in) Zur germanischdeutschen Heldensage, hrsg. von K. Hauck. Darmstadt 1961, S. 330-392.
Hugo Kuhn, Kudrun, S. 143.
Siegfried Beyschlag, Das Nibelungenlied in gegenwartiger Sicht (in) Zur
germanisch-deutschen Heldensage, S. 212.
Ibid., S. 209.
Siegfried Beyschlag, Das Nibelungenlied als aktuelle Dichtung seiner Zeit.
Germ.-Rom. Monatschrift 48 (1967), S. 225-231.
Ibid., S. 230.
Vgl. Jan de Vries, Das Motiv des Vater-Sohn-Kampfes (in) Zur germanischdeutschen Heldensage, S. 257: "Sie (die Sage) will diese Vorzeitgestalten zu einer
gewissen paradigmatischen Geltung erheben; sie drückt in ihnen das Wesentliche
des eigenen Lebensinhaltes aus".
Karl Hampe, Abendlandisches Hochmittelalter, S. 299-604 (in) Das
Mittelalter bis zum Ausgang der Staufer 400-1250 (in) Propylaen-Weltgeschichte.
3. Bd. Berlin 1932, S. 544. Th. Luykx, De Nederlanden en de Europese politiek
1191-1244 (in) Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 2. deel. Antwerpen
1950, S. 231-255, bes. S. 245-251. W. Kienast, Die deutschen Fürsten im
Dienste der Westmachte bis zum Tode Philipps des Schonen von Frankreich.
Bijdr. Inst. von Midd. Gesch. Utrecht: Nr. X. Utrecht 1924, S. 200-222.
Karl Ferdinand Werner (in) Hohes und spates Mittelalter: Historia Mundi,
6. Bd., Bern 1958, S. 145. — Hermann Kellenbenz hat reiches Material gesammelt zu dem Problem: "Der Norden und die iberische Halbinsel von der
Wikingerzeit bis ins 16. Jahrhundert" (in) Germ.-Rom. Monatschrift 43 (1962),
S. 113-138.
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P. B. Wessels, Heldendichtung und Geschichte. Groningen 1965, S. 4.
Zu der Vorstufen-Forschung, siehe Siegfried Beyschtag, Das Nibelungenlied in gegenwartiger Sicht (in) Zur germanisch-deutschen Heldensage, S. 214-247.
J. van Mierlo, De letterkunde van de middeleeuwen. Geschiedenis van de
letterkunde der Nederlanden. 's-Hertogenbosch-Brussel 1939, S. 101-102.
Wolfgang Jungandreas, Die Gudrunsage in den Ober- und Niederlanden.
Eine Vorgeschichte des Epos. Göttingen 1948, S. 90.
Hugo Kuhn, Kudrun, S. 142. Über die "Singularitat" des Kudrunstoffes
in Deutschland, siehe W. Hoffmann, Kudrun, Stuttgart 1967, S. 250, 298, 308.
Siehe K. Stackmann, Kudrun, S. XXXII.
Friedrich Neumann, Das Nibelungenlied in seiner Zeit. Göttingen 1967,
S. 177.
Friedrich Neumann, Kudrun (Gudrun). Stuttgart 1958, S. 14.
Fedor Schneider, Mittelalter bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Darmstadt 1963, S. 431.
Das Mittelalter bis zum Ausgang der Staufer 400-1250 (in) PropylaenWeltgeschichte. 3. Bd., hrsg. von W. Goetz. Berlin 1932, S. 584. Zu diesem
Problem, siehe Sammelband Stupor Mundi. Zur Geschichte Friedrichs II. von
Hohenstaufen, hrsg. von G. Wolf. Darmstadt 1966.
Der Aufstieg des Germanentums und die Welt des Mittelalters (in) Die
Neue Propylaen-Weltgeschichte, hrsg. von W. Andreas. Berlin 1940, S. 344.
Ex Rogeri de Wendower Floribus Historiarum. Monumenta Germaniae
Historica SS, Tomus XXVIII, S. 72.
Geschichte des Mittelalters, 2. Bd.: Von den Kreuzziigen bis zum Zeitalter
der Renaissance, bearbeitet von G. Diestel. Leipzig o.J., S. 144.
K. Droege, ZfdA. 54 (1913), S. 135. Fr. Hilgers, Die Menschendarstellung
in der "Kudrun", S. 33.
K. Stackmann, Kudrun, S. XIII.
Hugo Kuhn, Kudrun, S. 139 betont, dass der Dichter der Kudrun "mit
all ihren Nibelungenlied-Anklangen . . . dem — gattungs-geschichtlich natürlich
alteren und auch tieferen — tragischen Frauenkonflikt des Nibelungenliedes in
einem auch tragischen Frauenkonflikt ein Rechts- und Friedensbild der Frau"
entgegengesetzt hat, "ganz im Sinne des milderen 13. Jahrhunderts in Deutsch­
land"," — Vgl. auch C. Soeteman, De polariteit van het vrouw-zijn in de middel­
eeuwse literatur (in) Het beeld van de vrouw in de literatuur. Den Haag 1967,
S. 26-43, besonders S. 34-35 über Kriemhilde und Kudrun. Die Deutung der
Gegensatze im Sinne Kuhns braucht nicht die einzige mögliche zu sein.
K. Stackmann, Kudrun, Einleitung, S. XII-XIII, XXXI ff., XXXVIIXLI. Hugo Kuhn, Kudrun (in) Münchener Universitatswoche an der Sorbonne
zu Paris von 13. bis 17. Marz 1956. München 1956, S. 135-143; Werner Hoff­
mann, Kudrun. Ein Beitrag zur Deutung der nachnibelungischen Helden­
dichtung. Stuttgart 1967, S. 250-288.
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L. Wolff, Das Kudrunlied (in) Wirkendes Wort. Sammelband II: Altere
deutsche Sprache und Literatur. Düsseldorf 1962, S. 172.
REGISTER
I. Wort- und Sachverzeichnis
(A. = Anmerkung)
Adalberon von Reims: 35.
Adam von Bremen: 75-76, 130-137,
143, 152, 155, 159; A. 358, 606,
648, 649, 650, 653, 655, 679.
Aeneis: 17, 63, 135; A. 82, 554, 559.
Armelkanal: 12; A. 668.
Athelstan: 47-50; A. 199.
Aetna: 129, 131, 134, 137, 155.
Agabi, Abagi, Abakie: 63-65.
Akaba: 64; A. 292.
Alexanderlied: 90-95; A. 149, 162,
318, 450, 451, 498.
Almeh: A. 296.
Alpen: 123.
Alsabê, Alzabê: 63-65.
Amelê (die wise von): A. 296.
Angelsachsen: 49, 118-120.
Angelsachsisch: 73.
Anglonermannen: 70-72, 101-102,
158, 160, 162-163, 165; A. 318,
324.
Anglo-Saxon Chronicles: A. 199.
Anker: 151, 153-154; A. 696, 700,
701.
Annales Bertiniani: 99.
Annales Quedlinburgenses: A. 679.
Annolied: A. 622.
Antike (s. auch Matilone, Veliocasses,
Virgil): 119, 123-124; A. 620, 622.
Antwerpen: 169, 172.
Arabê: 63-65.
Araben (die wise von): A. 296.
Araber: 137.
Arabien: 64.
Arabische Namen: A. 291.
Archaologie: A. 261.
Aristo, Orlando Furioso: 62.
Ariosto: A. 562.
Arismasper: 135.
Artus: 78-79.
Aschenputtel-Motiv: A. 571.
Ascloa (Asselt): A. 261, 389.
Asselt: 59, 63, 71, 77; A. 261, 269.
Asser, Historia de rebus gestis Alfredi:
71.
Attila: A. 427, 435.
Altnordischer Stoff: A. 164.
Bach: A. 562.
Baiocasses: 52.
Baljdn: 40, 45, 48-51, 53, 54, 69-70,
101; A. 213, 394.
Ballade: 104, 106, 107, 110.
barfüeze: 113-116.
barnakarl: A. 90.
Bayern: 55.
Bayeux: 17, 52.
Begrabnisstatte: A. 476.
Befreier: 21.
Befreiung: 16, 23, 31, 104, 105, 110,
158, 160; A .364.
Begegnung: 110, 113-114.
Beratung: 25.
Bernardus: 21.
Berthar: 121.
Bestattung: 25, 30, 97-98, 149.
Bethaus: A. 363.
Betten: A. 295.
Binnenlander: 113; A. 519.
Biterolf: 77, 80-84, 86; A. 377.
Bodenbeschaffenheit: 88; A. 556.
Boendale, J. van (Jan de Klerk): A.
225, 389.
Bornhöved: A. 363.
bossolo: 141.
Bouvines (1214): 163-166, 169, 172,
A. 363.
Brabantsche Geesten: A. 225.
Brandaan: 129, 130, 135, 136, 137,
138, 153, 155; A. 615, 624, 637,
689, 699.
Branwen: 138, 139; A. 556, 635-637.
Brautfahrtepen: 150.
Bremen: A. 363.
Broecke, M. van den: A. 338.
Bruder: 104, 106, 107, 110, 158; A.
496, 510.
hrun: A. 276.
Brunnen: A. 561.
Buch des Spielmanns: A. 679.
Iwrg-Namen: 88.
Burgen: A. 427, 556.
Burgund: A. 552.
Bjarni Kolbeinssohns Preislied: 73.
Caesar, J.: A. 286.
Calais: A. 332.
Cambridger Lieder: 115.
Campatille: 56; A. 426.
Campus: A. 426.
cantigas marineras: 117.
Cardigan: 66.
Caritas: 32.
Casletani: 53.
Cassian: 52; A. 222.
Chalusus: A. 360.
Chanson de Guillelme: A. 117.
Chaucer: A. 188.
Chlotar I: 121.
Christentum: 30-31, 98; A. 104, 590.
Clodo: A. 400.
Cochlaeus, J.: A. 282.
Confoederatio cum principibus ecclesiasticis: 168.
Danemark: 75, 87.
Danen: 12, 15, 17, 21, 23, 24, 25,
31, 39, 40, 44, 54, 80, 84, 87,
100-103; A. 112, 302, 380.
Dan(e)marche, Denemarche: A. 332.
Danemark: A. 311, 380.
Danisch: 17, 80.
Dartmouth: A. 350.
De excidio Thoringiae: 121-124.
dead water: A. 655.
Demophon: A .553.
Deutschland: 10.
Deutschorden: A. 363.
Dichter (mittelhochdeutsch): 162,
167, 172.
Dichter (niederfrankischer): 162-169,
172-173; A. 432.
Dietmers: 56, 71, 76, 101.
Dietrich van Bern: A. 455.
Dithmarschen: 76.
Divisiekroniek: A. 427.
Doppelbenennung: A. 426.
doppelte Entfiihrung: 160-161.
Dorestat: 97, 99.
Dreigliedrigkeit: 6.
Dreizehntes Jahrhundert: 8, 90, 96,
107, 109, 135, 140, 141, 155, 159,
162, 164-165, 172.
Dublin: 48-50; A. 205, 213.
Dudo, De Moribus: 14, 15, 16-17,
19, 21, 23, 27-32, 39-40, 42, 47,
49-51, 53-54, 77, 81, 101, 102,
157, 160; A. 40, 53, 82, 86, 101,
105, 117, 123, 176, 185, 224,
370, 378, 679.
Eberhard: 46, 50.
Eckenlied: 77.
Eddica Minora: A. 153.
Eid: 131; A. 607.
Eis: 118-121; A. 559.
Elegie: 115-123, 126; A. 575.
Elftes Jahrhundert: 11, 107, 108,
109, 111, 115, 137, 139, 155.
Elsass: 46.
Elsloo: A. 261, 269.
Engel: 13.
England: 47-51, 67-70, 95, 164, 169170.
Entdamonisierung: A. 486.
Entfiihrung: 8, 9, 10, 24, 37-38, 67,
85, 88-89, 104, 105.
Entstehung der Kudrun: A. 17, 589.
Entstehungszeit: 26.
Episierung: 115; A. 215.
Epos: A. 215.
erbarme: 154.
Etkundigungsfahrt: A. 532.
Erniedrigung: A. 540.
Erwachen: 13, 16, 21.
galinê: 142.
Etene, Heten: 87.
47, 48, 50.
Gebet: 132-133, 150, A. 682.
Gefahren des Meeres: A. 640, 648,
679.
Gefangene: 25-26, 39, 85, 122.
Generationen: 2, 6, 110, 161.
genibele: 113-132.
Gent: 63.
Geographie der Kudrun: A. 212, 311.
Gerberga: 15, 17, 18, 23, 28, 32-33,
39, 41-44, 469, 54, 103; A. 176.
Gerlint: 11-12, 18, 23, 32-33, 36-37,
39, 41-45, 54, 82-83, 86, 102, 126127; A. 114, 124, 176, 182, 183.
Germanische Heldensage: 124.
Gerolf: A. 434.
Gesang: 130-131.
Geschichte: 8-9, 15-16, 34, 38-39, 54,
58, 89, 109, 126, 158, 160, 161,
164-167, 172; A. 431.
Geschichte und Sage: A. 55, 63, 101,
215, 521, 525.
Geschichten von den Orkaden: A.
345.
Gever: 75, 76.
Euhemerismus: 38.
Exkommunikation: 79.
Fabelhaftes: 14.
Feinefiz: 57.
Ferrand (van Portugal): 164-165, 167.
Finnsburgsage: 16.
Finsternis: 132, 141.
Flamen: 70, 72-74; A. 282, 285, 324,
430.
Flandern: 60-63, 66, 77, 81, 99, 100101, 132, 158, 161, 164-167; A.
236, 272, 276, 388, 552.
Fortunatus (Venantius): 122-124, A.
568, 576, 577.
Franken und Sachsen: A. 40.
frankisch: 12, 98.
Frankische Namen: A. 48.
Frankische Sage: A. 48.
Franko: 59.
Frankreich: 63, 79-81, 90, 165-166;
A. 249, 380.
Franzosen: 28-29, 31, 38, 49-50, 161.
Französische Epik: 57, 96, 100; A.
332.
Frau: A. 731.
Frauengedicht: 115-117.
Frauenriten: 122-125.
Freigebigkeit: A. 363.
fretum morinum: 62, 63.
Frideschotten: 40, 45-48, 50, 54, 67.
Friede: 13, 24, 27-32, 53, 100, 157,
162, 169.
Friedenswille: A. 92, 731.
Friedich II.: 130, 163-164, 169-172.
Friesen: 11, 15, 56, 85, 96-99, 130,
131, 134-136, 141-143, 155-156,
159.
Friesland: A. 311.
Frost: 115, 118.
Friihling: A. 561, 562.
Fruote: 25, 44, 75-76, 101; A. 170,
183.
Fulham: 63.
Galeis: 56, 68-70; A. 332.
Galitzenlant: A. 394.
Gallois: A. 315.
Garadine, Garadie, Garadê: 40, 45,
gewaltic herzoginne: 42-43.
Gewinnnung einer Braut — eines
Landes - Krieg: A. 153, 160.
Ginnungagap: 143.
Gisela: 39, 59, 81; A. 159.
Giselbert: 46, 50.
Givers (Berg): 129, 131, 133-135,
137, 138, 139, 147, 148.
Givers (Ort): 74-76, 101.
Gjenner, Gienner, Genner: 75.
Giederung des Stoffes: 110, 111, 112,
114, 121, 127, 128, 149, 160; A.
546.
glockenspise: 140-141, 151; A. 641.
Godevaert: 82.
Godofrid(us): 56-57, 58-59, 71, 77,
81, 84.
Gold: A. 339.
Goldciff: 74; A. 346.
Goltwart; 78, 80-81, 84.
Gondebald: A. 434.
Gormo und Thorkillus: 130, 134,
152.
Gott: 132, 149, 150, 151, 154, 158.
Gottes Macht: A. 678, 679.
Gottfried von Monmouth: 104.
Goustert, Goutstart, Gouster: A. 335,
336, 337, 348.
groundswell: A. 662.
gruntlós: 139, 152-153; A. 696.
gruntwelle: 139, 145-147; A. 661,
662, 664, 665, 666.
Gruss: A. 562.
Gualacras, Walcheren: 97.
Gudrun, Kudrun: 89-90, 159; A. 364,
394, 432, 433, 434.
Gudrunfabel: 7, 89, 101, 108, 113,
124, 160, 161, 168, 172, A. 8, 52.
Gudrunlied: 11, 89, 106.
Gudrunsage: 7, 9, 10, 77; A. 25.
Gudrunteil: 4-6, 7, 10, 11, 13, 38,
67, 95, 124, 162.
Gudula: A. 434.
Gundobaldus, Gondobaldus: 90, 159.
Gunther: A. 433.
Gustrdte, Goltstert, Goustert: 55, 7274, 101; A. 335.
Haar: 118, 121, 122.
Haarfarbe: 57.
Haelsingas: 76; A. 360.
Hagen: 45-50, 54, 67, 69, 90-93; A.
455, 458.
Hagenteil: 2.
Haigrold: 19, 23, 28, 43-45, 54.
Haigroldus - Heraldus: A. 181.
Haigroldus - Wate: A. 185.
Halewijn - Ulingerlied: 106.
Handschrift: 1, 2.
Harald, Heriold, Irolt: 87, 97-99.
Harlette: 109.
Hartmut: 11-12, 21, 25, 32-40, 42-43,
54, 60, 77, 82-86, 94-95, 97, 102,
125, 169, 172; A. 112, 144, 364,
377, 394, 400, 458.
Hasnon: A. 389.
Hass: 32-36, 39.
Hautfarbe: 57, 63.
Hedensee, Hedenese, Hedineze,
Hedinsee, Heidensee: 55, 95.
Heer, das Grosse: A. 285.
Hegelingen: 12, 21, 23, 25, 31, 43,
69, 98, 102, 129; A. 364.
Heiden: 58, 63; A. 249, 302.
Heidentum: 30-31; A. 590.
Heidnischer Fiirst: A. 254.
Heiligenlegende: 125.
Heiligenvitae: A. 536, 571.
Heimkehrsage: 36, 58; A. 106, 254.
Heimlicheit der Heimlicheden: A.
561.
Heinrich: 46-51.
Heinrich der Vogler: A. 215.
Heirat: 32-33, 39, 169-171.
Heirat und Politik :A. 158.
Heldenlied: A. 456.
Heldensage: 54; A. 61, 571, 713.
Heldenzeitlied: 106.
Helgistoff: 105.
Heliand: A. 679.
Heorrenda: A. 421.
Herbert von Vermandois: 79-80, 102;
A. 375.
Herbert: A. 150, 380, 394.
Herbortfabel: 12, 77-84, 86, 94, 102,
158; A. 394.
Herbortsage: A. 380.
Herburt: 78-79.
Herburtsaga: A. 368.
Herewich: 90-94, 102; A. 149, 448,
450, 451, 455, 458.
Hergart: 40, 41-43, 54 84, 102; A.
177.
Hergart-Leutgarde: A. 176.
Heriold, siehe Harald, Irolt
Heriveus: 87.
Hermann: 78-80; A. 377, 378.
Herodotus: A. 622.
Herrant: A. 421.
Herrants saga ok Bósa: A. 296.
Herwig: 32, 36-39, 58, 60, 66, 77, 81,
84-94, 100, 102, 105; A. 140, 144,
150, 160, 257, 448, 451, 532.
Herwigsage: 7, 84-94, 102; A. 380,
451.
Herzog Ernst: 136-140, 141, 156;
A. 622, 624.
HeteZ: 58, 67, 69, 93, 95; A. 364,
427.
Heten: 87.
Hilde: 67; A. 394, 434, 455.
Hildeburg (von Ormanie, Portugal):
11-12, 32, 77, 82-83, 102, 165,
170.
Hildeburg: A. 75, 394, 455.
Hildefabel: 7, 76, 90-95, 101, 103,
108, 160, 172; A. 161, 236.
Hildelied: 95; A. 161, 364.
Hildesage: 7, 9, 10, 37, 39, 55, 86,
124, 148, 160, 161, 164.
Hildestoff: 106, 126.
Hildeteil: 3, 67, 95, 162.
Hildiko: 89.
Hjarranda: A. 421.
Hjarranda-hljód: A. 296.
Hlotarius: A. 400.
Höfische Dichtungen: 68, 124-126.
Holcetae: 76.
Holstein: 76.
Holzdnelant: 56.
Holzsaezen: 56, 75-76, 101.
Horant: 75-76, 101; A. 170, 296, 421.
Horaz: A. 293.
Hornsage: A. 254.
Hortlant: A. 494.
Hospitalers: A. 363.
Hugo: A. 375.
Hugo der Grosse (von Paris, von
Franzien): 50, 79-80, 102.
Hugobold: 77, 79-80.
huote - hoeven - hevenen: A. 477.
Ibn Dihja: A. 679.
Ingilde: A. 574.
Iren: 15, 49; A. 212.
Irland: A. 205, 212, 213.
Mant: 48, 54, 66-68, 95, 101.
holt, Heriold, Harald: 87, 96-99, 102,
105.
Isabella von Engeland: 169-171.
Island: 136-137.
Jacob van Maeslant, Alexanders
Geesten: 65.
Jan van Doendale, Brabantsche Geesten: 52, 81-82.
Jesajas: A. 293.
Johanniter: 95-96.
Jungfrauliche Ehre: 111.
Kalte brunnen: 17, 19, 118.
Karadine, Karadie, Karadê,
(siehe
auch Garadine): 48, 54, 66, 70-71,
101, 147.
Karl III: 58.
Karl (III) der Einfaltige: 39, 46, 59,
80.
Karolinger: 28, 38-39, 46, 88, 102;
A. I l l , 112.
Kassiane: 9, 40, 44, 51-53, 54; A.
105, 222.
Kirchliche Bildung: 119.
Kirchlicher Einfluss: A. 562.
Kloster: 95-96, 149; A. 363, 476,
477.
Komposition (s. auch Gliederung):
A. 592.
Königtum: 33-36.
Konungs Skuggsja: 144-145; A. 611,
656.
Krakumal:: A. 430.
Kreuzzuge: 17, 52, 63, 66, 100, 111,
130, 134, 142, 147, 156; A. 249,
292, 302, 350, 363.
Krieg und Brautraub: A. 153, 156.
Kriegerkultur: 126-127.
Kriemhild: 89, 170-171; A. 731.
Kudrun, Gudrun, Gudrun: 89.
Kudrun, siehe Gudrun
Kuste: 55, 73-74, 88-89, 111, 112,
113, 114-124, 127, 128, 161.
Kyklopen: 133-135, 137, 139, 155;
A. 622.
Lambrecht, s. Alexanderlied
Landung: 17, 21.
Laon: 79.
Lateinische Elemente: A. 552.
Laub: A. 562.
Lebermeer: 129, 131, 136, 143-144,
152.
Legende: 122, 125, 126; A. 536, 652.
Lehen: 45-51, 87, 97.
Leichen im Meer: A. 104.
Leiden (Stadt): 88, 90, 102.
Leiden(sgeschichte): 7, 13, 37, 103,
104-128, 154, 158, 161; A. 545,
571.
Leutgarde: 28, 40, 41-43, 54.
Leutgarde-Hergart: A. 176.
Liebende: 24.
Lied: A. 215.
Limburg: A. 433.
Literarische Arbeitsweise: 108, 121,
127.
Litus saxonium: A. 380.
Loos: A. 433.
Lothar (9 Jh.): 87.
Lothar II.: 59.
Lothar (10 Jh.): 15, 18, 28, 29, 3334, 36, 40, 41, 54, 84; A. 400.
Lothringen: 46, 49-51, 79; A. 552.
Lübeck: A. 363.
Ludwig (9 Jht.): 97-98.
Ludwig: 11-12, 18, 19-21, 23, 32-35,
39, 40, 42-44, 45, 48-49, 54, 59,
77, 79-80, 82-86, 94-95, 102, 122;
A. 111, 114, 400.
Ludwig (IV) Ultramarinus: 14-15,
17, 18, 19, 23, 28, 32-35, 39, 40,
44, 46-47, 52, 54, 59, 69, 79-80,
102-103; A. 85, 111.
Luftperspektive: A. 352.
Maas: A. 389.
Mabinogion: 138.
Machtkampf: 25, 35-36, 39, 163.
Maerlant, J. van: A. 435, 561.
Martyrerin: 125.
Marz: A. 561, 562.
Marchenmotive: A. 571.
Magnetberg: 137-139, 140, 153, 156.
Magnetnadel: 137, 141; A. 643.
Magnetsteine: 131, 138, 139, 140,
141, 144, 149, 151-152, 156, 158;
A. 637.
Mai: 31, 32.
Marchen: 110.
Marchia Wallie: 69, 72, 101; A. 316.
Mariendichtung: A. 652.
Marienkult: A. 363.
marini: A. 271.
mariscus: 101; A. 276.
Mars: 23, A. 86.
Mateldne: 9, 53, 56, 85-86, 88-90,
94, 99, 102-103, 155, 159; A. 229,
394, 428.
Mathilde: 109.
Matilone (Matilo, Macilo): 88-90, 99,
102, 155, 159;A. 424, 427, 428.
Maximilian, Kaiser: 1.
Meer: A. 545, 556, 679, 686.
Meereslandschaft, siehe Kuste
Meeresstrand: A. 556.
Menapii: A. 285.
mere-candel: A. 342.
Merigarto: 136; A. 261, 626, 685.
merzische winde: 118.
Metra des Boethius: 73.
Misshandlung: A. 574.
Mittelmeer: 129, 134, 147-148, 156;
A. 668.
Moeren: 57, 100.
Moerland: A. 272.
Mohr: A. 276, 302.
Mohren: 57, 61-63, 66, 100, 148.
Mohrenkopf: A. 276.
Moor, de: A. 276.
Mori: A. 268.
Moriaen: 57; A. 253.
Moriani: A. 285.
Morini: 61-63, 100-101; A. 271, 278,
280, 281, 285, 286.
Mórlant: 56-66, 101; A. 247, 270,
276, 278, 302.
morus: 101; A. 276.
Mündliche Überlieferung: 134, 155,
172; A. 52, 215, 620, 624.
Musik: A. 296.
Nam languens: 115-117.
Namen: 12.
Namenkunde: A. 261, 270, 291,
305, 351, 400.
Namenübertragung: A. 521.
Natur: 112-127.
Nausikaa: A. 545.
Nebel: 131-132, 142.
Nebenbuhler: 10, 37-39, 58, 105,
106, A. 254.
Neuntes Jahrhundert: 159, 164, 172.
Neustria: A. 112.
Nibelungenlied: 1, 2, 15, 26, 89-90,
108, 162-163, 166-168, 170-171;
A. 17, 295, 432, 435, 731.
Niederdeutsch: A. 29, 215.
Niederfrankische Stufe: 55, 67, 95,
101, 108, 158, 159, 160, 162, 163,
165-168, 170, 173; A. 318, 350,
433, 435.
Niederlande: 10, 11, 45, 55, 56-59,
66, 70, 72, 75, 77, 86, 89-90, 99-
103, 126, 136, 147, 155, 157,
159, 161-162, 166, 169, 172; A.
363, 517.
Niederrheinisch: 55; A. 350.
Nordfrankreich: 56, 126; A. 552.
Nordmannen: A. 302.
Nordpolreise: 130, 152.
Nordsee(raum): 2, 11, 12, 15, 55103, 107, 108, 126, 134, 154, 158;
A. 668.
Normandie: 2, 11, 12, 13, 15, 19, 25,
28-32, 32-36, 38-40, 45, 52, 54,
69, 80, 86, 94, 102, 108, 111, 112,
155, 161, 164-165; A. 112, 164,
212, 388, 532, 679.
Normannen: 7, 11, 15, 17, 18, 23,
33, 38, 49, 69, 81-82, 88, 94, 102,
126, 161; A. 45, 112, 164, 205,
213, 302, 285, 364, 389, 394.
Normannennenburg: 17, 19-22.
Normannia: A. 112.
Northumbria: A. 201.
Oertzee: 99.
Ofen heizen: 104, 111, 121.
Olimpia-Episode: A. 71, 268.
Orcus: 23; A. 86.
Orendel: A. 652.
orientalisch: 63-66, 101, 156.
Orlando Furioso: A. 268, 562.
96-99, 102.
Ortrün: 32, 96-100, 102.
Ortsnamen: 10, 15, 45, 56, 72, 74,
95.
Ortwin: 32, 66, 96-100, 102, 105;
A. 455, 498.
Parzival: 6, 57, 69; A. 251, 253, 313,
314.
Persönliches in der Heldendichtung:
A. 162.
Pharaildis: 105, 161; A. 163, 236,
434, 486.
Philipp II. August: 163-165.
Philippe Mousket: 109.
Phönix: 119.
Plyllis: A. 553.
Pilger: 95-96.
Point of Start: 72.
Pseudo-Turpin: A. 434.
Quellen: 54, 56, 71; A. 566.
Rabenschlacht: 79.
Rache: 24, 96, 97, 98, 129, 141,
148.
Radegund: 121-124.
Ragnar Lodbrókr: A. 380.
Raoul Glaber: 35.
Raub: 24, 25, 29-31, 38, 86, 88, 94,
103, 105, 106, 107, 124, 136, 159,
160; A. 156, 434.
Regensburg: 52.
Reinhilde: A. 434.
Rhein (gegende): 55.
Rheinland: A. 552.
Richard I: 14-15, 17, 28-33, 38-40,
41-42, 53, 103; A. 101.
Richer von Reims: 34, 47, 62; A. 197,
280.
Ried, Hans: 1.
Rodenburg: A. 424.
Roger de Wendower: A. 727.
Rollo: 14, 39, 59, 81; A. 679.
Rom: 49.
Roman de Rou: 33, 109; A. 526,
679.
Roomburg, Rodenburg, Matilone:
88.
Orwig, Rorich, Horich: 87-89, 102.
Rorich, Horich,
Ostsee: 15, 55, 76.
Otten: 47, 49.
Otto (der Grosse): 40, 45-47, 49-51,
79-80, A. 215, 375.
Otto III: A. 375.
Otto IV: 164.
Paradies: A. 690.
Parallelen: 16, 27, 53; A. 566.
102.
Rouen: 14, 28, 52-53, 79; A. 105.
Rückentführung: 149.
Rudolf van Ems, Weltchronik: 71.
Saba: 64; A. 293.
Sachsen: 49, 75-76, 80, 102; A. 380.
Sachsen und Franken: A. 40.
Ormandine, Hormandine: 87.
Ormanie: 13, 33, 40-45, 51-52, 77,
82, 129, 131, 148, 149, 150, 155,
165, A. 268.
Ortlant, Hortlant, Nortlant: 56, 87,
saekonungr: 38.
Orwig, 87-89, 94,
Saga: 77; A . 215, 431.
Sage: 16, 58, 89, 94, 103.
Sage und Geschichte: A. 55, 63, 101,
215.
Salomosage: 17; A. 78.
Sangeskunst: A. 296.
salwer varwe: 57.
Sancte Marie in Wlpis: 96.
Sarazenen: 58, 63, 66; A. 249, 296,
302.
Sassine: 53.
Schatze: 133-137, 139, 152, 153, 158.
Schelde: 45, 55, 94-95, 160, 173;
A. 311.
Schenke: 40, 42; A. 170.
Schiffahrt: A. 351.
Schiffbau: 18-19.
Schnee: 112, 113, 115-118, 121; A.
559.
Schottland: 47-48.
Schouwen (Insel): 99.
Schutzgewalt: A. 510.
Schwaben: A. 363.
Schwester, die wiedergefundent: A.
Seeburg: A. 556.
Seefahrt: 129-156, 158.
Seerauber: A. 249.
Seesturm: 149-150.
Sehnsucht: 113-123.
Staete: 124-125.
-start, -stert, -stort: 72-74, 101.
Start Point: A. 336, 350.
Statthalterschaft: A. 105.
Statutum in favorem principum: 168.
Staub wischen: 104, 111, 121.
Stedinger: A. 363.
Stella Maris: A. 652.
steort: A. 347.
Stormarii: 76.
Sturmi: 76.
Sturmlant, ze Stiirmen: 56, 76, 101.
Süddeutsche Fassung: 141, 162.
Süddeutschland: A. 249.
Südeliballade: 104, 105, 106; A. 496.
Süditalien: A. 212.
Südwinde, siehe auch Sturm: 129,
131, 132, 133, 149.
Siihne: 149.
Sünde: 149, 150.
swaere: 153-154.
Swinmündung: 95.
Tausendundein Nachte: 64, 138; A.
291, 293, 294, 632.
Tedmarsgoi: 76.
Tenemarke, Teneriche, Tendant: 21,
spital: 95; A. 363, 476.
56, 71, 101; A. 332, 363.
Terwaen (Thèrouanne): 63.
Thetbald: 28-29, 41-42, 54; A. 101,
176.
Thidrekssaga: 6, 78-80, 102.
Thietbold (und Gerolf): 88, 90; A.
434.
-tille, -til, -tilo; A. 426.
Toten von Kindern: A. 90.
Tót: 23.
Totenbestattung: A. 486.
Totenreich: 152-153; A. 690.
Totwasser: 144.
Transzendenz: 125, 154; A. 582.
Trave: A. 360.
Tristan: 6, A. 553.
Troiare liet: 92.
Typologie: A. 118.
onhistorische Erfindung: A. 55.
Unholdland: A. 624.
Unstimmigkeiten: 108, 127.
Utrecht: 87, 136-137.
Stabreim: 38.
varwe kristenliche: A. 250.
Sêlant: 56, 61, 66, 71, 86.
Sentimentalitat: 115, 167.
Sêwart: 78, 80-81, 84; A. 380.
Sêwen: 56; A. 272.
Siegfried (Nibelungen): A. 435, 455.
Sifridus Dacus: 63.
Sigifrid(us): 56-63, 66, 71, 81, 84.
Singularitat: A. 720.
Sirret: 7, 56-58, 84-85, 100, 102,
147-148, 159; A. 257, 268, 269,
302, 380, 667.
Sizilien: 130.
Spanien: 31-32.
spanischez messe: 141; A. 641.
spielmannisch: 13.
Spielmann(sepos): 7, 36, 55, 148.
Spielmannsepik: A. 28, 46, 161,
254, 506.
Veliocasses: 52-53; A. 226.
Venantius Fortunatius: 122-124.
Verdopplung: 9, 160-161.
Verlobter: 105, 107, 110.
Versöhnung: 24, 26, 27-32, 157, 162.
Versöhnungswille: A. 92, 394.
Verstorbene: A. 691.
Verwandte: A. 562.
Verwechslung (Manner-, Frauenrollen): A. 164.
vinster mer: 129, 131, 132, 133, 137-
138, 140, 142, 152, 158.
Virgil: A. 82.
Vogel: 116-118, 120-123; A. 562.
Vogelprophezeiung: A. 686.
Vorbereitungen zum Kampf: 18-22,
53.
Vorlage, Vorstufe: A. 29, 244, 318,
432, 517, 544, 588.
Vorzeitdichtung: 163.
Vorzeitsaga: A. 215, 624.
Waal: A. 307.
Wace: A. 84, 281, 526.
Walcheren, Gualacras: 97.
Walcheren: A. 307, 679.
Waleis: 561, 67-72, 101; A. 315,
323, 332.
Wales: 48, 67-71; A. 205, 307, 316.
Walkure: A. 86.
Wallia, Wallie: A. 316.
Walpergers Karte: 139, 144.
Wappen: 100-101.
Wasche: 104, 107, 109, 110, 111,
112; A. 531, 545, 556, 566, 570.
Wascherin: 13, 112, 113, 114, 121122, 127, 158.
Wassergeister: A. 690.
Wasserholen: 110, 111, 121.
wassermaere:
140,
142,
152,
153,
154, 155-156; A. 696.
Wate: 19-20, 23, 24, 25, 40-41, 4445, 54, 67, 76, 90-93, 97, 101,
112, 153; A. 183, 185, 186, 188,
192, 458, 690, 696.
Wate-Haigraldus: A. 185.
Weisse Hande: A. 570.
Werbung: 36, 38-39, 105, 149, 161,
169; A. 257, 409.
Westwinde: 139, 144-145; A. 613,
658.
Wetterumschlage: 112, 120.
Widerspriiche: A. 566.
Widsith: 76, A. 186, 192, 360.
Wiedererkennungszone: 105.
wiedergefundene Schwester: 104.
Wikinger: 7-13; 18, 24, 27-32, 36,
38-40, 44-52, 54-56, 58-63,_66,
68, 71, 77, 81, 86-90, 93-95, 97,
100-103, 105, 107, 126, 132, 147148, 157-159, 161; A. 45, 106,
239, 249, 268, 409, 430, 715.
Wilhelm von Holland: 130.
Wilhelm von Junnièges: 29, 62; A.
103, 105, 153, 185.
Wilhelm Langschwert: 14, 17, 28,
49-51, 54, 161; A. 215, 375.
Willelmi Conquestoris Gesta: 62.
Wilhelm der Eroberer: 109.
Wind: A. 561.
Windstille: 131, 139, 142-143, 149.
Winter: 119, 123; A. 562.
Wirklichkeitsgehalt: 107-108, 120,
128.
Witterung: 112-123, 158.
Wolfenwert,
Wülpenwert
Wulpen-
sant: 91-92; A. 451.
Wolfram: A. 450.
Wolfram von Eschenbach: A. 251,
313, 314.
Wolfwin: 90-94, 102; A. 450, 451,
455, 458, 498.
Worms: 170-172.
Wulpen: 94-96, 101.
Wulpensant: A. 270, 311, 363, 477,
486.
Wülpenwert,
Wulpensant,
Wolfen-
wert: 9, 55, 66, 67, 69-70, 91-97,
101-102, 149, 160, 164.
Yseult: A. 553.
Zeeboek, Het: A. 336.
Zeghefrijt: 82.
Zehntes Jahrhundert: 13, 159.
Zeitfolge: A. 179.
Zeitgedicht: 15, 108.
II. Autorenverzeichnis
zu den
Anmerkungen
Das Autorenverzeichnis eignet sich zum Auffinden der verwendeten Literatur.
Es wird nur auf eine Stelle verwiesen, obwohl ein Aufsatz oder ein Buch öfters
herangezogen sein mag. Brauchbare Literaturverzeichnisse findet man bei Carles
(1963), Wisniewski (1963), Schneider-Wisniewski (1962), Stackmann (1965),
Hoffmann (1967), Siefken (1967).
Albrecht, G. (1892): 476.
Alexander, M. (1966): 562.
Andreas, W. (1940): 195.
Andresen, H. (1877-79): 124.
Andrieu-Guitrancourt, P. (1952):
527.
Anson, P. F. (1965): 613.
Baesecke, G. (1907): 151.
Baetke, W. (1924): 345.
Barlow, Fr. (1965): 324.
Bartsch, K. (1880): 56.
Bartsch, K. (1932): 313.
Bayerschmidt, C. F. (1965): 616.
Beck, A. (1956): 15.
Becker, H. (1953): 7.
Becker, Ph. A. (1940): 117.
Bédier, J. (1914-'21): 375.
Beer, L. (1889): 34.
Behrend, Fr. (1928): 153.
Beitl, R. (1955): 652.
Bellemans, A. T. W. (1942): 253.
Bernatzky, Fr. (1909): 680.
Bertrich, Fr. (1966): 529.
Betz, W. (1962): 61.
Beyschlag, S. (1961): 717.
Beyschlag, S. (1967): 703.
Bezzola, G. A. (1956): 55.
Blair, P. H. (1956): 200.
Blamires, D. (1966): 213.
Bly, Fr. (1910): 700.
Bollinger, K. (1939): 591.
Boer, R. C. (1908): 501.
Boesch, B. (1940): 516.
Boesch, B. (1954): 234.
Boesch, B. (1964): 16.
Bolhuis, J. H. van (1834): 423.
Bolhuis van Zeeburgh, J. (1873): 434.
Boor, H. de (1957): 6.
Boor, H. de (1961): 419.
Bostock, J. K. (1960): 591.
Bosworth and Toller (1954): 342.
Bowra, C. M. (1961): 52.
Braches, H. (1961): 622.
Bradford, E. (1966): 350.
Braunfels, W. (1965): 170.
Brinkmann, H. (1925): 549.
Brinkmann, K. (o. J.): 181.
Br0nsted, J. (1960): 379.
Bruch, H. (1964): 242.
Bruinier, J. W. (1915): 38.
Bugge, A. (1919): 386.
Buist, W. (1950): 553.
Cameron, I. (1965): 624.
MacCana, Pr. (1958): 556.
Carles, J. (1963): 167.
Carles, J. (1965): 75.
Cassidy, V. H. D. (1965): 616.
Chambers, R. W. (1912 u. 1965):
186.
Chambers, R. W. (1959): 75.
Claesby-Vigfusson (1947): 90.
Coker, R. E. (1966): 666.
Colditz, S. (1961): 35.
Crossland, J. (1959): 55.
Curschmann, M. (1964): 28.
Curschmann, M. (1966): 28.
Curschmann, M. (1967): 624.
Curtius, E. R. 1960): 65.
Curtius, E. R. (1963): 54.
Dam, J. van (1967): 552.
Damsteegt, C. B. (1942): 351.
David, H. W. C. (1957): 325.
Davies, R. H. C. (1958): 170.
Dawson, Chr. (1961): 552.
Denucé, J. u. Gernez, D. (1936):
336.
Depping, G. B. (1844): 213.
Deutschbein, M. (1906): 54.
Dieffenbacher, J. (1919): 202.
Diestel, G. (o. J.): 728.
Dietrich, Ge. (1966): 559.
Dietrich, Gü. (1959): 655.
Dirks, J. (1842): 356.
Doornbosch, A. (1966): 338.
Douglas, D. C. (1964): 325.
Douglas, D. C. (1966): 324.
Draak, M. (1948): 624.
Droege, K. (1913): 63.
Dronke, P. (1965): 553.
Duchesne, A. (1619): 225.
Dümmler, E. (1866): 55.
Edwardes, A. (1965): 296.
Edwards, J. G. (1956): 316.
Ehrismann, G. (1905): 402.
Ehrismann, G. (1922-'27): 622.
Eis, G. (1958): 641.
Ekwall, E. (1960): 191.
Es, W. J. L. van (1940): 280.
Essen, L. van der (1907): 536.
Ettmüller, L. (1841): 206.
Falconer, A. Fr. (1964): 611.
Fécamp, A. (1892): 112.
Feldhaus, Fr. M. (1931): 641.
Fliche, A. (1929): 372.
Fourquet, J. (1954): 532.
Fowler, R. (1966): 558.
Fox, C. (1938): 205.
Frahm, W. (1914): 607.
Franck, J. (1967): 356.
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Freeman, E. A. (1896): 158.
Frenzel, E. (1962): 8.
Freitag, K. E. (1926): 272.
Freuchen, P. (1964): 655.
Freytag, G. (o. J.): 607.
Freytag, L. (1888): 88.
Friis, E. J. (1965): 616.
Frings, Th. (1924): 236.
Frings, Th. (1930): 154.
Frings, Th. (I939-'40): 254.
Frings, Th. (1943): 457.
Fromm, H. (1961): 513.
Ganshof, F. L. (1949): 263.
Ganshof, F. L. (1965): 170.
Genzmer, S. F. (1951): 510.
Gerhard, G. (1962): 477.
Gerritsen, W. P. (1967): 706.
Giesebrecht, W. von (o. J.): 170.
Giles, J. A. (1896): 285.
Glastra van Loon, O. (1966): 296.
Goedeke, K. (1884): 49.
Goedel, G. (1902): 691.
Golther, W. (1895): 651.
Gordon, I. L. (1960): 562.
Gosses, I. H. (1946): 425.
Gottschalk, M. K. (1955): 471.
Graus, Fr. (1965): 163.
Grein, C. W. M . (1930): 557.
Grimm, J. (1842): 204.
Grimm, J. u. Grimm, W. (1935): 666.
Grimm, J. (1953): 691.
Gröbel, F. (1959): 606.
Gröber, G. (1963): 66.
Griiters, O. (1911): 255.
Grüters, O. (1940): 504.
Grundmann, H. (1940): 195.
Gunter, H. (1949): 652.
Gutenbrunner, S. (1949): 215.
Habel, E. (1959): 606.
Halbach, K. H. (1966): 551.
Hampe, K. (1932): 714.
Hankamer, P. (1930): 413.
Hardenberg, H. (1944): 299.
Hartland, E. S. (1891): 528.
Hartoy, M. d' (1944): 701.
Hartsen, M . J. (1941): 114.
Hauck, K. (1961): 707.
Heil, A. (1914): 113.
Hellwald, F. von - Schneider L.
(1887): 326.
Hempel, H. (1962): 62.
Hennig, R. (1928): 292.
Hennig, R. (1944-'56): 607.
Hermand, M. A. (1837-'38): 285.
Herrmann, P. (1901): 692.
Herrmann, P. (1922): 86.
Hertz, W. (1898): 251.
Hettema, H. (1951): 424.
Heusler, A. (1905 u. 1965): 4.
Heusler, A. (1909): 125.
Heusler, A. (1911'19): 5.
Heusler, A. (1922): 504.
Heusler, A. (1941): 559.
Highet, G. (1951): 558.
Hilgers, F. (1959): 117.
Höfler, O. (1961): 707.
Hoffmann, W. (1964): 9.
Hoffmann, W. (1967): 242.
Holwerda, J. H. (1927): 427.
Honig, G. N. (1947); 427.
How, W. W. (1957): 622.
Hugenholtz, F. W. M. (1966): 118.
Huisman, J. A. (1953): 690.
Huisman, J. A. (1965): 261.
Huizinga, J. (1937): 489.
Hunke, S. (1965): 291.
Jacob, G. (1927): 679.
Jacobs, J. (1928): 706.
Janssens, E. (1949): 380.
Jellinek, M. H. (1915): 73.
Jellinek, M. H. (1930): 147.
Jellinek, M. H. (1935): 527.
Jiriczek, O. L. (1919): 411.
Jonckbloet, W. J. A. (1852): 297.
Jong, W. J. (1962): 663.
Jongkees, A. G. (1961): 434.
Jordan, K. (1962): 539.
Jungandreas, W. (1932): 424.
Jungandreas, W. (1943): 222.
Jungandreas, W. (1948): 3.
Kaemmel, O. (o. J.): 111.
Kalbow, W. (1915): 400.
Kalff, G. (1966): 637.
Kaufmann, H. (1965): 400.
Kellenbenz, H. (1962): 715.
Kennedy, Ch. W. (1960): 562.
Klaeber, Fr. (1959): 75.
Klee, G. L. (1873): 48.
Kienast, W. (1924): 714.
Kirk Dobbie, E. van (1942): 207.
Knuttel, J. A. N. (1958): 435.
Knuvelder, G. (1957): 228.
Koch, J. (o. J.): 352.
Kömer, J. (1921): 1.
Kohier, R. (1858): 164.
Kohl, J. G. (1869): 607.
Kolisch, A. (1879): 30.
Krabbo, H. (1909): 620.
Krapp, G. Ph. (1932): 344.
Krapp, G. Ph. (1936): 557.
Kroes, H. W. J. (1954): 10.
Kroes, H. W. J. (1955): 10.
Kuhn, Hans (1952): 61.
Kuhn, Hugo (1956): 138.
Lamer, H. (1956): 617.
Lair, J. (1865): 53.
Lair, J. (1893): 53.
Lane, E. W. (1895): 296.
Laubscher, A. (1954): 145.
Lauer, W. (1954-'55): 112.
Lavarende, J. de (1960): 668.
Lenselink, S. J. (1967): 244.
Leo, Fr. (1881): 568.
Leslie, R. F. (1961): 562.
Leslie, R. F. (1966): 562.
Lewis, A. R. (1958): 324.
Leyen, Fr. von der (1912): 58.
Leyen, Fr. von der (1962): 59.
Licquet, Th. (1835): 81.
Littmann, E. (1953): 291.
Loey, A. van (1964): 356.
Loon, G. van (1734): 426.
Lord, A. B. (1960): 52.
Lord, A. B. (1965): 590.
Lot, F. (1891): 81.
Lübbing, H. (1929): 476.
Ludieke, V. (1910): 108.
Lulofs, Fr. (1963): 540.
Luykx, Th. (1950): 714.
Mak, J. J. (1948): 695.
Malone, K. (1962): 360.
Marquardt, H. (1933): 73.
Marquardt, H. (1938): 342.
Martin, E. (1883): 175.
Martin, E. (1902): 40.
Martini, Fr. (1935); 3.
Martini, Fr. (1957): 578.
Martinius, C. (1880): 479).
Matz, W. (1947): 179.
Mazheri, A. (1957): 296.
Meissner, R. (1923): 78.
Meissner, R. (1944): 656.
Menéndez Pidal, R. (1936): 144.
Meusel, H. (1960): 286.
Mierlo, J. van (1939): 156.
Möller, H. (1883): 74.
Moerman, H. J. (1956): 356.
Mone, Fr. J. (1830): 413.
Mone, Fr. J. (1836): 112.
Moret, A. (1955): 89.
Mowat, F. (1966): 665.
Much, R. (1902): 74.
Much, R. (1911-1919): 363.
Much, R. (1920): 361.
Much, R. (1959): 654.
Mudrak, E. (1939): 3.
Müllenhoff, K. (1845): 87.
Müllenhoff, K. (1865): 302.
Müllenhoff, K. (1886): 391.
Müllenhoff, K. (1892): 599.
Müllenhoff, K. (1920): 111.
Muller, C. (1914): 74.
Muller, W. (1886): 111.
Muller, J. W. (1911): 427.
Musset, L.(1951): 213.
Nansen, Fr. (1911): 606.
Naumann, H. (1926): 248.
Neckel, G. (1923): 249.
Neckel, G. (1924): 40.
Neumann, Fr. (1936 u. 1955): 455.
Neumann, Fr. (1958): 2.
Neumann, Fr. (1967): 722.
Noblesse Beige, La (1902): 276.
Norman, F. (1964): 68.
Nygard, H. O. (1958): 510.
Oman, Ch. (1949): 199.
Onslow, Earl of (1945): 111.
Orthbandt, E. (1955): 153.
Panzer, Fr. (1901): 10.
Panzer, Fr. (1903): 511.
Panzer, Fr. (1903): 600.
Peeters, L. (1961): 263.
Philippson, E. A. (1966): 8.
Philips, Ch. J. (1952): 227.
Piers, H. (1833): 286.
Piper, P. (1895): 20.
Pirenne, H. (1961): 112.
Ploennies, W. von (1853): 105.
Plummer, Ch. - Earle, J. (1952): 199.
Portmann, M. - L. (1958): 115.
Prentout, H. (1911): 53.
Prentout, H. (1916): 61.
Ranke, Fr. (1961): 500.
Rapp, H. (1928): 119.
Rees, W. (1959): 205.
Reese, W. (1941): 40.
Remppis, M. (1911): 252.
Renesse, Th. de (1895): 276.
Reuschei, H. (1932): 164.
Reuschei, H. (1933): 624.
Rey, E. (1906): 576.
Roediger, M. (1920): 599.
Romer, R. C. (1854): 476.
Rosenfeld, H. (1961): 652.
Rosenfeld, H. (1962): 241.
Rosenfeld, H. (1966): 96.
Runciman, St. (1965): 292.
Rüttgers, S. (o. J.): 22.
Rychner, J. (1955): 52.
San Martel (= A. Schulz) (1836): 56.
Saran, Fr. (1922): 533.
Sarton, G. (1931): 688.
Schaar, J. van der (1964): 427.
Scheel, O. (1938): 263.
Scherer, W. (1892): 599.
Scherer, W. (1899): 116.
Scherer, W. (1905): 534.
Scheurleer, D. F. (1914): 338.
Schlüter, W. (1910): 620.
Schmeidler, B. (1917): 358.
Schneider, F. (1963), 111.
Schneider, H. (1925): 12.
Schneider, H. (1943): 13.
Schneider, H. (1925 u. 1962): 499.
Schneider, H. - Wisniewski, R.
(1928 u. 1962): 15.
Schneider, H. (1951): 510.
Schneider, H. - Wisniewski, R.
(1964): 72.
Schnetz, J. (1932): 424.
Schönbach, A. E. (1897): 17.
Schönfeld, M. (1955): 493.
Schönfeld, M. (1959): 261.
Schott, A. (1845): 36.
Schreiber, G. (1956): 624.
Schreiber, G. (1956): 624
Schröbler, I. (1934): 46.
Schroder, E. (1920): 222.
Schroder, E. (1944): 400.
Schutte, G. (1933): 380.
Schulz, A. (= San Marte) (1836): 56.
Schuster, M. (1955): 577.
Schutzeichel, R. (1960): 645.
Schwietering, J. (1941 u. 1957): 7.
Sébillot, P. (1886): 664.
Seemann, E. (1959): 506.
Siedlmayer, M. (1947): 582.
Siefken, H. (1967): 120.
Smith, A. H. (1956): 191.
Söchtig, O. (1903): 155.
Soeteman, C. (1954): 447.
Soeteman, C. (1967): 731.
Sprey, W. 1954): 286.
Stackmann, K. (1965): 18.
Stanley, E. G. (1966): 75.
Steenstrup, J. (1925): 121.
Vries, J. de (1927): 439.
Vries, J. de (1954): 19.
Vries, J. de (1956-1957): 690.
Vries, }. de (1961): 713.
Vroomen, E. (o. J.): 421.
Waitz, G. (1880).
Walshe, M. O'. C. (1962): 8.
Wapnewski, P. (1960): 24.
Wastelain, Ch. (1761): 227.
Weege, M. (1953): 89.
Wehrli, M. (1961): 163.
Wells, J. (1957): 622.
Wentersdorf, K. P. (1966): 188.
Werner, K.-F. (1958): 715.
Wessels, P. B. (1945): 352.
Wessels, P. B. (1965): 716.
Whitelock, D. (1959): 200.
Willems, J. F. (1839): 225.
Williams, A. H. (1949): 205.
Wilmanns, W. (1873): 76.
Wilmotte, M. (1933): 315.
Wilpert, G. von (1964): 575.
Winkel, G. te (1878): 253.
Wiora, W. (1959): 506.
Wisniewski, R. (1963): 74.
Wisniewski, R. s. auch Schneider,
Stein, S. (1932): 249.
Steinen, W. von (1959): 170.
Steinmeyer, E. (1892): 599.
Stenton, F. M. (1955): 199.
Stichtenoth, D. (1938): 81.
Stoett, F. A. (1915): 700.
Stolte, D. H. (1963): 424.
Storm, G. (1878): 420.
Storm, G. (1890): 616.
Strecker, K. (1926): 553.
Stroheker, K. Fr. (1965): 64.
Symons, B. (1883): 405.
Symons, B. (1905): 19.
Symons, B. (1914): 75.
Tardel, H. (1894): 681.
Tatlock, J. S. P. (1950): 285.
Taylor, E. G. R. (1956): 611.
Thomas, M. S. (1935): 627.
Timmers, J. J. M. (1961): 652.
Trillmilch, W. (1961): 606.
Tschang, Fr. J. (1959): 606.
Vaerenbergh, É. (1874): 327.
Vargyas, L. (1967): 505.
Vedel, W. (1911): 584.
Verhuist, A. E. (1958): 471.
Verhuist, A. E. (1960): 471.
Verlinden, Ch. (1931): 276.
Villars, J. B. (1951): 162.
Vogel, W. (1906): 263.
Vogel, W. (1911-1919): 643.
Voigt, E. (1884): 490.
Vorrink, J. W. (1963): 241.
Vries, J. de (1921-1922): 529.
Vries, J. de (1923): 40.
H . - Wisniewski, R. (1964).
Witkamp, P. H. (1847): 355.
Wolf, G. (1966): 725.
Wolff, L. (1953 u. 1962): 2.
Wolters, H. (1955): 527.
Zahn, H. (1964): 7.
Zeuss, K. (1925): 280.
Ziegler, M . (1937): 514.
71. Stellenverzeichnis
zur Kudrun
(A. = Anmerkung)
1-203: 2.
5: A. 645.
9: 48.
30: 48.
85: 146, 147; A. 659, 661, 662, 664.
108: 48.
116: 48.
119: 84.
130:48.
135: A. 574.
144: 48.
200: 68, 71.
204-562: 3.
204: 98.
205-206: A. 185.
206: 75.
207: 98.
208: 71, 76.
211-212:68.
219: 75.
231:96, 98.
235: 88; A. 428.
242: 75.
261: 146, 147; A. 659.
263: 75, 76.
266: 63.
267: 63.
271: 98.
285-288: A. 213.
286: 131.
288: 48.
292: 75.
293: 48.
310-31: 98.
310: 97.
366: A. 40.
382: 75.
397: A. 296.
401: A. 296.
441: 48.
465: 69, 95.
481: 96.
485: 84.
493: 69.
520: 96.
559: 48.
563-1705: 4-6.
564: 74.
574: A. 478.
575-590: A. 159.
579: 64.
580: 85.
583: 57, 63.
588: 36.
610-611:
40, 45, 46, 50, 68,
A. 322.
610: 48; A. 193.
611: 40, 47, 48 ,49, 68.
634: 96.
641: 64, 68-70, 72.
667: 64.
668-724: 58.
668-729: A. 268.
669-670: 60.
669: 61.
670: 60.
673: 61, 63, 64.
697: 69.
698: 64, 99.
702: 48, 60, 84.
706: 64.
712: 60.
719: 48, 64.
728: 64; A. 556.
731: 61, 63.
737:44; A. 182, 183.
744: A. 363.
749: 98.
750: 88-89; A. 427.
799: 71.
804: 84.
819: 45.
820: A. 185.
821-834: A. 268.
826-833: 58.
829: 64.
836: 64.
838-844: 96.
845: 96, 149.
847-818: 94.
853: 96.
864: 64.
874ff: A. 302.
881: A. 430.
901: A .430.
909-917: 95.
909:
911:
913:
915:
95, 97, 105.
97; A. 430.
A. 476.
96.
916-917: A. 477.
161;
916: 95; A .473, 476.
933: 149.
950: 95.
945-946: 18.
957: A. 143.
959: 46; A. 143.
960: A. 574.
987: A. 120.
989: A. 143.
990: A. 120.
991: A. 143.
996: 111.
997: A. 571.
1007:40, 42, 111; A. 167, 177.
1009: 111, 151; A. 570.
1011: 35.
1015: 37. A. 143, 571.
1016: A. 143.
1020-1024: A. 571.
1022-1023: 35-36.
1022: A. 120.
1023: 35.
1024: A. 571.
1126: 151; A. 120.
1027-1028: A. 571.
1027-1034: A. 143.
1127: 151.
1031: A. 120.
1032: A. 120.
1135: 151.
1036: 150; A. 571.
1040: A. 120.
1041: 110; A. 531.
1142: 151; A. 120.
1043: 35.
1047: A. 143, 571.
1048-1049: 37.
1048: 37.
1050: 35, 36; A. 136, 137.
1053-1057: A. 571.
1055-1060: A. 571.
1071: 149.
1072-1074: 18-19.
1083-1084: 75.
1087: 69.
1089: 75.
1091: A. 185.
1092: 43.
1093-1094: 40-41, 43; A. 167, 169,
171, 178.
1093: 40-43.
1094: 40, 42.
1095 :43.
1096: 98, 105, 106; A. 480, 496.
1109: 140; A. 641.
1113: 97, 105.
1114: 97; A. 480.
1116: 149.
1117-1141: 130.
II17: 130-131; A. 605.
1120-1123: 66.
1120ff: A. 302.
1120: 95; A. 203, 302.
1122: 149.
1123: 131.
1124-1144: 129.
1124ft: A.
1125-1134:
1125: 132,
1126-1134:
686.
130; A. 609.
152, 153.
131.
1126: 75, 131, 132, 138, 144, 153;
A. 629.
1127-1131: 129.
1127: 152, 153, 154;A. 639, 687.
1128: 129, 132, 133, 134-135, 140,
152, 155; A. 696.
1129-1130: 135.
1129: 136, 140.
1130: 138, 140, 142, 144, 155.
1131: 132, 136.
1132: 142; A. 646.
1133-1134: 132- 133.
1133: A. 682.
1134-1139: 145.
1134: 131, 132, 141, 142, 143, 149.
1135: 144, 146, 149, 154.
1136: 148, 149; A. 652.
1137-1139: 144.
1137-1138: 145, 146.
1137: 142, 146, 147; A. 659, 661.
1138: 142, 147, 149, 150.
1139: 118, 142, 145, 146, 147.
1140: 147, 150.
1142-1143: 19.
1143: 17, 112, 118.
1145: 112.
1150: 112.
1151: 112.
1164: 55, 72, 73, 74, 112; A. 335.
1165-1235: 126.
1165: 127; A. 531.
1166-1185: 123.
1167: 150.
1171: 150.
1180-1183: 75.
1190: A. 571.
1195: 116; A. 562.
1196: 112, 116.
1197: 112, 116.
1199: 113, 116.
1202: 112, 116.
1204: 113, 116.
1206: 113, 117.
1207: 113, 117.
1208: 111.
1209: 11; A. 571.
1216-1219: 117-118.
1216: 114, 116, 118.
1217: 116, 118; A. 562.
1218: 116.
1219: 116, 118, 120-121.
1220: A. 562.
1222: A. 527.
1232: 116, 118.
1248: 63.
I25I: 114.
1252-1253: 111.
1255: A. 532.
1268: A. 571.
1270: A. 571.
1271-1272: 121.
1271: A. 571.
1279: A. 571.
1284: A. 571.
1294: 111.
1314: 21.
1326-1327: A. 295.
1326: 63.
1331: 21.
1341-1342: 111.
1343: A. 570.
1346: 112, 118.
1348: 112.
1354-1358: 19-20.
1354: 112.
1355: 16.
1358: 21, 116, 117.
1359: 117.
1360-1364: 20.
1362: 21.
1368: A. 276.
1381-1386: 22.
1381: 42.
1385: 42.
1415: 68, 75.
1416: 97.
1419: 22.
1444-1445: 22.
1459: 25.
1471-1477: A. 176.
2471: 42.
1472: A. 176.
1476: A. 176.
1477: A. 176.
1482: 24.
1485: 24.
1488: 24.
1490: 24.
1492:24.
1498: 24.
1499: 24.
1500: 24.
1502: 22, 24; A. 90.
2502: 97.
2503: 24.
2506: 24.
2524: 40.
2525: 42.
2527: A. 571.
1528-2528: 41.
1528: 44; A. 183.
2529-2522: 111.
1523: A. 574.
1526-1528: 40.
1526: 40; A. 173.
1530: 23; A. 87.
1534: 52, 61, 63.
1535-1542: A. 105.
1535: 25, 31, 43, 44.
1537: 25.
1538-1539: 25.
1538: A. 104.
1545-1547: 27.
1545: 25.
1546-1547: 43.
1546: 25.
1547: 25.
1551-1552: 25.
1553: 25.
' 1556: 43.
1560: 25.
1562: 25.
1567: 25.
2572: 25, 26, 31.
1588: 63; A. 296.
2595: 32.
1598: 25.
I6I3: 75.
1616: 63.
1624: 32.
1663: 63.
1664: 57; A. 250.
1668: 98.
2683-2684: 64.
2684: 63.
1696: 64.
CURRICULUM VITAE
Leopold Peeters geboren am 14. Februar 1925 in Heppen (Belgien). Besuch des
humanistischen Gymnasiums in Beringen. Studium der Neerlandistik, Germanistik und Anglisnk an der Universitat Löwen. Danach Oberschul- und Gymnasiallehrer und Studium der Neerlandistik und Germanistik an der Universitat
Utrecht. Seit 1964 Dozent an der Nutsakademie in Rotterdam. Ernennung zum
Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universitat Amsterdam im
Jahre 1967.
STELLINGEN
I
De datering van het Kudrunepos in het jaar 1233 is aanvechtbaar.
Hellmut Rosenfeld, Die Kudrun. Nordseedichtung oder
Donaudichtung. Zeitschr. für deutsche Philologie 81 (1962),
blz. 296.
II
Fruotes woorden in Kudrun Str. 323,2 und ob wir ezzen solten sïlber
oder golt vinden een aanknopingspunt in een Oudnoorse overlevering.
III
D e rol, die respectievelijk door Wate in het mhd. Kudrunepos en door
Gado in Walter Map, De Nugis Curialium, Dist. II, Cap. xvii wordt
gespeeld, kan erop wijzen dat beide verhalen een gemeenschappelijke
bron hebben.
IV
D e namen der personen in Walter Map, D e Nugis Curialium, Dist. II,
Cap. xvii kunnen in verband gebracht worden met historische persoonlijkheden in West-Europa.
V
De tekst uit een manuscript van Peterhouse te Cambridge (MS no. 255,
f. 49):
Adam itaque de homine factus est quasi non homo nec tantum adam sed
omnes fere fiunt quasi non homines. Ita quod dicere possunt cum Wade:
Summe sende ylves and
summe sende nadderes,
sumne sende nikeres the biden watere wunien.
Nister man nenne bute ildebrand onne.
verbindt kennis van Germaanse heldensage met Augustiniaanse theologie.
Ter verklaring van De Reis van Sente Brandane, vv. 137-260 (Comburgse Hs.) verdient de Vita S. Macarii grotere aandacht dan dit tot nu
toe het geval is geweest.
VII
Er is reden om aan te nemen, dat de "Reise-Texte" van de mhd. en mnd.
Brandaanversies beïnvloed zijn door theologische discussies op het eind
van de elfde eeuw in de streek van de Neder Rijn.
VIII
De opvatting van Gerhard Lohse t.o.v. de bron van de mnl. Karei ende
Elegast stuit op grote bezwaren.
Gerhard Lohse, Nas Nachleben Karls des Grossen in der
deutschen Literatur des Mittelalters (in) Karl der Grosse:
Bd. IV: Das Nachleben hrsg. von Wolfgang Braunfels.
Düsseldorf 1967, blz. 343-344.
IX
Willem's Madock in Van den Vos Reinaerde, v. 1 was waarschijnlijk
een zeereisverhaal.
X
Belangrijke gebeurtenissen uit het leven van Jacoba van Beieren liggen
ten grondslag aan Canto IX-XI in Ludovico Ariosto's Orlando Furioso.
XI
De gebruikelijke verklaring van Manken van Nieumeghen, v. 144 Ey,
dobbel velleken in recente tekstuitgaven is eenzijdig, zo niet onjuist.
XII
Het is niet nodig in de duivelsnaam Modicack een "kunststuk der kabbalistische techniek" te zien.
L. C. Michels, Filologische Opstellen. Deel I: Stoffen uit de
Middeleeuwen. Zwolle 1957, blz. 178.
Behorend bij L. Peeters, Historische und Literarische Studiën zum dritten Teil
des Kudrunepos, Meppel 1968

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