Artikel lesen - Thilo Plaesser
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Bei schönem Wetter draußen... auf der Bühne – Bluessessie Die Bühne der „De Muse“ bietet Musikern die Möglichkeit, vor interessiertem Publikum zu spielen. Eine Bühne für Musiker „De Muse“ in Malden/Niederlande Ausstellung TEXT/FOTOS: THILO PLAESSER Im niederländischen Malden treffe ich Henk Kuik: Multiinstrumentalist, Museumsgründer, Konzertveranstalter, Akkordeontechniker, Händler sowie Cafébetreiber. „De Muse“ heißt das Haus, unter dessen Dach sich ein Akkordeonmuseum, ein Musikcafé und ein Akkordeongeschäft befinden. Schon öfter habe ich dort interessante Konzerte gehört und Kontakte knüpfen können. Diesmal treffe ich Henk für ein ausführliches Gespräch und werde nun auch endlich das Museum besuchen! Ungewohnt ist die Atmosphäre für mich, denn sonst ist hier „richtig was los“ – es tönen bluesige, jazzige oder folkige Klänge durch den mit Besuchern gefüllten Raum und Henk ist sehr beschäftigt, Leute zu begrüßen oder den Soundcheck zu machen. Jetzt ist es mitten in der Woche und wir haben Zeit und Ruhe. Der kleine niederländische Ort Malden liegt ganz in der Nähe von Nijmegen. Für Akkordeonliebhaber oder einfach Freunde guter Musik ist die „De Muse“ von Deutschland gut erreichbar. Interview — Erzähle uns doch über deine musikalischen Anfänge. Das ist lange her. Zu Hause hatten wir ein Harmonium. Allerdings kam ich nicht an die Balgpedale heran. Mein Bruder betätigte dann die Pedale und ich drückte die Tasten... So bekam ich eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Instrumente funktionieren. Als ich zehn Jahre alt war (ich bin heute 63), brachte mein Vater ein großes 120-BassAkkordeon mit. Schnell hatte ich ein erstes Lied einstudiert. Es war eine damals sehr bekannte holländische Ballade aus den 50er Jahren. Da ich auch etwas Gitarre spielte, habe ich schnell die passenden Akkorde auf der Bassseite gefunden. Immer wenn Besuch kam, zu Weihnachten oder zu Familienfesten, musste ich dieses Lied spielen. Das war mir einfach zu viel und so stellte ich das Akkordeon erst einmal in die Ecke... — Du spielst ja viele Instrumente, wie war deine Ausbildung? Ich studierte Musikpädagogik am Konservatorium mit den Instrumenten Geige, Saxofon und Klavier. In dieser Zeit gründete ich mit einem Freund, mit dem ich heute noch Musik mache, die Gruppe N:N: Da spielte ich dann wieder Akkordeon. Wir spielten Folkmusik, Protestsongs und alles, was uns Spaß machte. Ich hatte nie richtigen Akkordeonunterricht, aber ich denke, wenn man ein Instrument spielt, ist das zweite schon viel einfacher zu erlernen. Und dann das dritte noch einfacher. Mit dem vierten ist es dann schon leicht. Und so spiele ich auch noch Schlagzeug und Bass. Ausprobiert habe ich noch viele andere Instrumente... So auch den schottischen Dudelsack. (lacht) Dieser hängt hier aber nun als Deko an der Wand. Das Akkordeon ist mein wichtigstes Instrument geblieben. Henk Kuik in seiner Werkstatt — Was hast du nach dem Studium gemacht? Ich musste mich entscheiden, wie ich mein Geld verdiene, und so habe ich neben den üblichen Gigs eine Ausbildung für Musiktherapie gemacht. Nach der Ausbildung habe ich mehrere Jahre in einem der größten psychiatrischen Krankenhäuser Hollands gearbeitet. Das war eine schöne, aber auch sehr anstrengende Erfahrung. Dann wurde im Zuge der Rationalisierung meine Stelle gestrichen und ich musste mir etwas Neues einfallen lassen. Ich habe immer gerne in der Verbindung Musik und Menschen gearbeitet, aber auch die Technik der Instrumente hat mich fasziniert. Meine neue Tätigkeit sollte daher etwas mit Akkordeon zu tun haben. — Das war also dann der Anfang deines Geschäfts? Ja, ich hatte damals schon zahlreiche Seminare bei Hohner in Trossingen (bei Herrn Wolf Linde) besucht. Dort lernte ich das Stimmen und Reparieren von Akkordeons. Als Hobby bin ich schon länger dieser Tätigkeit nachgegangen und ab dem Jahr 1989 habe ich dann offiziell damit begonnen. Da es hier in der Gegend kaum jemand gab, der das machte, wurde das Geschäft in kürzester Zeit sehr erfolgreich. Angefangen habe ich zu Hause im Wohnzimmer, später habe ich noch den Keller ausgeschachtet, um Platz für ein kleines Geschäft zu haben. Im Jahre 1997 wurde es aber viel zu eng in unseren vier Wänden. Außerdem hatte ich schon eine beträchtliche Sammlung an Handzuginstrumenten, denn ich konnte unter anderem auf Flohmärkten akkordeon magazin #48 23 kein Instrument stehen lassen. Als ich noch das Schlafzimmer in Anspruch genommen habe, sagte meine Frau: „Entweder wir machen jetzt etwas damit oder die Instrumente kommen weg!“ So wurde die Idee eines Museums geboren. Also haben wir nach geeigneten Räumen gesucht und diese hier in Malden gefunden. Das ist jetzt die „De Muse“ in Malden. — Es ist ein sehr schönes Haus, es scheint ziemlich alt zu sein... Es ist eines der ältesten Gebäude in Malden. Es stammt aus dem Jahre 1799. In den Jahren 1872 und 1900 wurde das Gebäude erweitert und als Schule genutzt. Im Zweiten Weltkrieg diente es zur Unterbringung von Soldaten. Danach wurde es zu einem Bauernhof und als solches bis in die 1980er Jahre genutzt. Wir kauften also das völlig renovierungsbedürftige Gebäude und haben es über ein Jahr lang renoviert. 1989 war dann die Eröffnung. In seinem Geschäft findet man neue und gebrauchte Instrumente von unterschiedlichen Herstellern. Eine Sammlung ist aber noch kein Museum. Ich hatte über 400 HohnerAkkordeons. Von vielen haben wir uns getrennt und Ausschau nach interessanteren Exponaten gehalten. Heute sind wir offiziell in das niederländische Museumsregister eingetragen und haben Instrumente, um die uns andere, viel größere Museen beneiden. Es ist nicht nur das einzige Akkordeonmuseum in den Niederlanden, unsere Sammlung ist auch einzigartig in Europa! — Was hat es auf sich mit dem größten Akkordeon der Welt? Neben seltenen, einzelnen Modellen haben wir auch das „größte Akkordeon der Welt“. Dieser Ausspruch sagt ja eigentlich nichts aus und es ist „heiße Luft“. Ich habe mal geschaut, wer alles den Anspruch erhebt, das größte Akkordeon der Welt zu haben. Da gibt es einige. Es gibt zwar größere Instrumente mit riesigen Tasten und Knöpfen oder Instrumente, die nicht spielbar sind. Unser Akkordeon hat original große Tasten und Knöpfe und ist spielbar. Eines Tages bekam ich einen Anruf vom niederländischen Fernsehen mit der Bitte, das Akkordeon in der Show von Linda de Mol vorzustellen und natürlich auch zu 24 akkordeon magazin #48 Ausstellung spielen. Ich sagte sofort zu, denn die Gelegenheit, Werbung vor zwei Millionen Zuschauern zu haben, bekommt man nicht alle Tage. Allerdings sollte ich ja auch etwas spielen, das hatte ich ebenfalls leichtfertig zugesagt, denn zu diesem Zeitpunkt war das Instrument gar nicht spielbar. So habe ich drei Wochen lang jeden Tag daran gearbeitet, das 1928 von Scandalli erbaute Akkordeon wieder spielbar zu machen. — Ich habe auch eine beachtliche Sammlung von Mundharmonikas im Museum entdeckt. Ja, neben unterschiedlichen Akkordeonmodellen, Bandoneons und seltenen Fußbässen präsentieren wir eine „Hall of Fame“ der Mundharmonika. So können wir uns glücklich schätzen, unter anderem eine Mundharmonika von Ronald Reagan zeigen zu können, die er als Schauspieler in seinen Filmen benutzte. Ein schönes Ausstellungsstück ist auch das Instrument von dem bekannten Jazzmusiker Toots Thielmanns. — Wie finanziert sich das Museum? Zuerst bekamen wir finanzielle Hilfe vom Staat. Mittlerweile ist das Museum eine Stiftung, aber die zehnjährige staatliche Unterstützung ist letztes Jahr ausgelaufen. Natürlich erheben wir auch Eintritt, der ist aber mit 4 Euro pro Person gering. Wir möchten so vielen Interessenten wie möglich den Zugang ermöglichen, so kommt der symbolische Betrag zustande. Die Mitglieder der Stiftung Größenvergleich! Für jeden ist etwas dabei... kennen sich gut damit aus, wie ein Museum geführt werden muss. Es ist zwar auch ein Musiker darunter, aber hier kommt es doch mehr auf den Geschäftssinn bei der Führung eines Museums an. Natürlich haben wir auch freiwillige Helfer. Allerdings sind diese in der ländlichen Gegend schwer zu finden. Problematisch war und ist immer noch die Tatsache, dass das Museum nicht kommerziell, aber doch mit meinem Geschäft räumlich verbunden ist. Das hat uns immer schon Schwierigkeiten gemacht. Das ist ein einmalige Situation. Zwar ist die Sammlung von mir, das Museum wird aber von der Stiftung geführt. — Die „De Muse“ vereint ja mehrere Dinge unter einem Dach: das Museum, den Akkordeonladen mit Werkstatt und das Musikcafé. Erzähle uns doch etwas über die Konzerte. In unserem Musikcafé finden jeden Sonntag Konzerte statt. Es spielen Gruppen, einzelne Künstler oder Chöre. Blues, Folk, Klassik – alles ist vertreten. Leider haben wir nach meinem Geschmack viel zu wenige reine Akkordeonkonzerte. Das hat aber einen ganz pragmatischen Grund. Wir verdienen unser Geld auch mit dem Café. Pure Akkordeonkonzerte werden sehr schwach besucht. Mittlerweile wissen die Besucher, dass unser Musikangebot sehr abwechslungsreich ist. Den Musikern kann ich keine Gage zahlen. Wir nehmen einen geringen Eintritt und/oder die Musiker können ihre CDs verkaufen. Viele Musiker nutzen unsere Bühne einfach als Gelegenheit zu spielen oder sich auf größere Konzerte vorzubereiten. Wir vermieten die Räumlichkeiten auch für Feste und Gesellschaften. Natürlich möchte ich gerne das Ak- Wunderschöne Sondermodelle in bester Tradition und Handwerkskunst gefertigt! A Tradition of Innovations Der Name Valentin Zupan steht seit 1951 für Tradition und Innovation im Akkordeonbau. Heute bietet Valentin Zupan mehr denn je einen Qualitätsstandard, der seinesgleichen sucht. Zupan Akkordeons und Harmonikas sind vor allem wegen ihrer unvergleichlichen Zuverlässigkeit, der liebevollen Verarbeitung und natürlich ihrem unverwechselbaren Klang so beliebt. Deshalb vertrauen so viele internationale Stars auf Handzuginstrumente von Zupan. Viele Zupan-Modelle liegen in unserer umfangreichen Ausstellung zum Antesten für Sie bereit. Oder chlands! entdecken Sie unser großes Angebot erhalb Deuts Portofrei inn online unter www.kirstein.de n.de ei www.kirst 4 94-0 9 0 /9 1 0886 D-86956 Schongau · Bernbeurener Str. 11 Onlineshop: www.kirstein.de · E-Mail: [email protected] Zupan Slavko Avsenik V 120/38 Zupan Vanessa S72 kordeon häufiger im Konzert präsentieren. In Zukunft soll es mehr Akkordeonkonzerte und Workshops geben, dann aber in Verbindung mit dem Museum als Veranstalter. Vielleicht ist das ein Weg. — Wie wird denn das Museum angenommen? Interessant ist die Tatsache, dass Akkordeonisten gar nicht so sehr am Museum interessiert sind. Das habe ich in den letzten Jahren immer wieder festgestellt. Wenn Leute das Geschäft oder die Werkstatt besuchen und ich sie auf das Museum aufmerk- 26 akkordeon magazin #48 sam mache, finden sie das interessant, besuchen es aber dennoch nicht. Dann denke ich immer: „Seltsam – es ist doch dein Instrument und es interessiert dich aber nicht.“ An den 4 Euro Eintritt kann es ja wohl nicht liegen... (lacht) Besucher, die eigentlich nichts mit dem Instrument zu tun haben, sind nach dem Besuch begeistert, denn sie wussten nicht, was das Instrument alles kann und wie viele verschiedene Instrumente es gibt. Sie gehen mit viel mehr Neugier hinein und Begeisterung heraus. — Wie siehst du denn die Zukunft des Museums? Irgendwann in 10, 20 oder 30 Jahren (lacht) werde ich das hier alles nicht mehr machen können. Die Stiftung soll dann die Sammlung zusammenhalten, damit auch nachfolgende Generationen etwas davon haben. Natürlich mache ich mir auch Sorgen um den Fortbestand, da so etwas nur funktionieren kann, wenn genügend Interesse bei den Menschen dafür vorhanden ist. Im Moment jedenfalls funktioniert es noch ganz gut. Sicherlich würden das Museum und die Konzerte besser besucht werden, wenn wir zum Beispiel in Amsterdam wären. Dort bin ich übrigens geboren. Aber als wir damals das Haus hier kauften, waren unsere finanziellen Mittel eingeschränkt und an einen Standort in einer großen Stadt war nicht zu denken. Jetzt sind wir aber im Zentrum von Malden. Damals war alles um uns herum nur Wiese... (lacht) — Was ist DEINE Musik? Ich bin ein Bluesmensch. Zydeko liebe ich auch sehr. Ich bin aber ein musikalischer Allesfresser. Ich hatte ja eine klassische Ausbildung, da bin ich dann ein Barockmensch. — Woher kommen deine Kunden? In erster Linie natürlich aus den Niederlanden. Die Mundpropaganda hat mir im Verlauf der Jahre Kunden aus ganz Holland beschert. Aber auch aus Frankreich und zuletzt sogar einen Kunden aus Curacao. Kunden aus Deutschland habe ich eher weniger, denn sie orientieren sich in die geografisch andere Richtung. — Du sprichst ja zu 95 Prozent perfekt Deutsch. (jetzt lache ich auch mal) Wie kam das? Ich denke, als Musiker hat man ein Ohr für die Sprache. Ich spiele in ei- Ausstellung Auf geht’s zur „De Muse“ Ein Besuch der „De Muse“ ist ein Erlebnis. Ob Akkordeonspieler, Musikinteressierter oder einfach nur, um ein schönes Ziel in Holland anzusteuern. Henk Kuik spricht perfekt Deutsch, Englisch und Französisch. Aber Musik ist ja eine universelle Sprache. Führungen durch das Museum können mit ihm persönlich abgesprochen werden. Auf der Website www.demuse.nl finden Sie alle Informationen zu den Konzerten, zum Museum sowie zum Café. Ich denke, vor allem für Akkordeonorchester ist das ein lohnendes Ziel! In seinem Geschäft trifft man auf diverse Akkordeonmarken wie zum Beispiel Ballone Burini, Victoria, Polverini, Hohner und Weltmeister. Zu erwähnen sei, das der Exklusivvertrieb von Castangnari in Holland bei Henk Kuik zu finden ist. Mundharmonikas findet man von den Herstellern Hering, Hohner, Lee Oskar, Seydel und Suzuki. Kontakt: De Muse – Henk Kuik Kerkplein 12 NL – 6581 AC Malden Telefon 0031 (0)24 35 84 196 Mail: [email protected] Web: www.demuse.nl Malden liegt südlich von Nijmegen in der Provinz Gelderland. Die Gemeinde hat ca. 12 000 Einwohner. Von Köln erreicht man Malden in ca. 1,5 Stunden. nem Trio. Dort machen wir französische Musik. Chansons. Ich singe dort und höre mir die französischen Texte zuvor sehr gut an. Wie muss es klingen? Da reicht es nicht aus, nur die Vokabeln zu kennen. Zu Hause haben wir früher viel deutsches Fernsehen geschaut, so habe ich Deutsch gelernt. — Welche Akkordeonisten haben dich inspiriert? (überlegt erst lange, bevor er antwortet) Inspiriert hat mich eigentlich Musik, die nicht unbedingt etwas mit dem Akkordeon zu tun hat. Wenn ich aber zwei Namen nennen sollte, ist das zum einen Johnny Meijer, dessen Jazzstil mich sehr beeindruckt hat. Zum anderen ist es Harry Mooten, der ähnlich wie Johnny Meijer durchs Fernsehen sehr bekannt war, der allerdings eher einen populären Stil spielte. Insgesamt ist mir beim Musizieren aber das Herz wichtiger als technische Perfektion. — Du schreibst für die niederländische Akkordeonzeitschrift KLANK. Ja, aber die ist nicht so professionell wie das „akkordeon magazin“. — Lieber Henk, vielen Dank für das Gespräch und ich hoffe, dass jetzt viele Akkordeonliebhaber aus Deutschland den Weg zu dir finden. Habe dir zu danken und werde dich auf dem Laufenden halten. Viele interessante und seltene Exponate hat Henk im Laufe der Jahre zusammengetragen. akkordeon magazin #48 27