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Pumpspeicherkraftwerke
VGB PowerTech 9 l 2014
Energiewende erfolgreich gestalten
durch Pumpspeicherausbau
Klaus Krüger und Niklas Rotering
Abstract
Einleitung
Successful energy transition in Germany
by pumped storage expansion
In Deutschland gab es bereits im letzten
Jahrhundert „Energiewenden“ wie die Verdrängung von Kohle durch Öl in den 1960bis 1970er-Jahren oder die Verdrängung
von Öl und Kohle durch die Kernenergie
in den 1970- bis 1990er-Jahren. Deren
gemeinsames Merkmal war, dass nur der
Primärenergieträger bei unveränderter
Systemarchitektur der deutschen Elek­
trizitätsversorgung ausgetauscht wurde.
In der bisherigen Versorgungslandschaft
hatten Energiespeicher keine sehr wichtige Funktionalität, weil eine hinreichend
hohe und dauerhaft verfügbare Leistungsreserve durch Kohle- und Kernkraftwerke
(grundlastfähig mit sicher verfügbarer
Leistung) vorhanden war [1]. Die Energiespeicherung wurde bislang durch die
Natur im Primärrohstoff Kohle, Gas, Uran
oder Öl erledigt, und die Stromerzeugung
folgte danach bedarfsgerecht, das heißt,
zuerst erfolgte die Speicherung und dann
die Erzeugung.
Die subventionierte Erzeugung von er­
neuer­baren Energien aus Wind und Photovoltaik (PV) erfolgt meistens losgelöst von
der Nachfrage. In Systemen mit hohem Anteil von Erzeugung aus volatilen erneuerbaren Quellen ist folglich eine Speicherung
elektrischer statt fossiler Energie erforderlich. Somit verändert sich die Reihenfolge
der Speicherung und Erzeugung. Derzeit
wird erhofft, auf Speicher verzichten zu
können, indem der Netzausbau vorangetrieben und auf zukünftige Flexibilisierung
der Erzeugung und des Verbrauchs gesetzt
wird (Demand Side Management). In vielen Beiträgen (zum Beispiel [6] und [9])
wird vorgeschlagen, die Volatilität der erneuerbaren Energien durch regelbare und
hochflexible neue thermische Kraftwerke
(zum Beispiel Gaskraftwerke) und durch
flexible Abschaltung von Verbrauchern in
Industrie und Privathaushalten zu kompensieren.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich
mit einem komplett anderen Ansatz bezüglich der beiden systemtechnischen Haupt­
herausforderungen der Energiewende: Bereitstellung hinreichender Flexibilität bei
signifikanter Einspeisung erneuerbaren
Energien (EE) und Sicherstellung einer
Versorgungssicherheit (gesicherte Leistung) auch in Zeiten mit geringer Erzeugung aus erneuerbaren Quellen.
Voith Hydro hat im Jahre 2013 am Institut
für Elektrische Anlagen und Energiewirt-
Operational flexibility in electrical energy generation and consumption as well as the provision of reliable available capacity are two major challenges of the German energy transition
(“Energiewende”). The consistent deployment
of cost-effective and proven pumped storage
technology can provide significant contributions to meet both challenges. This paper shows
that an expansion of pumped storage plants as
part of the energy transition is a technically and
macro-economically interesting option for Germany. Two future scenarios are investigated,
one assumes an energy supply in 2030 with a
60 % share of renewable energy and another
expects a renewable energy percentage of 80 %
in 2050.
A central result of the investigations is that the
appropriate operation of the existing pumped
storage inventory and its further expansion
can provide significant system adequacy and
reduces the necessary fossil-fueled power plant
capacity for providing reliable available capacity. In a scenario with 80 % renewable energy,
23 GW pumped storage plants replace up to
16,6 GW thermal power plants. In addition, the
pumped storage power plants significantly reduce renewable energy curtailment and substitute fossil energy generation when releasing the
stored energy. This also contributes to an overall reduction of CO2 over-all emissions. Furthermore the fleet of pumped storage plants actively
compensates the volatility of renewable energy
from wind and solar generation and allow for a
smoother and more economical operation of the
remaining fleet of thermal power plants. This
compensation of volatility allows a safer operation of the power system and thereby helps to
avoid blackouts.
l
Autoren
Dr.-Ing. Klaus Krüger
Leiter FuE
Voith Hydro Holding GmbH & Co KG
Heidenheim/Deutschland
Dr.-Ing. Niklas Rotering
Forschungsgruppenleiter
Versorgungsqualität & Regulierung
Institut für Elektrische Anlagen
und Energiewirtschaft
RWTH Aachen
Aachen/Deutschland
2
schaft (IAEW) der RWTH Aachen eine Studie in Auftrag gegeben, um Szenarien zu
untersuchen, in denen die Pumpspeicherkraftwerke als „Multifunktionskraftwerke“
die erforderlichen Aufgaben als Speicher
sowie zur Bereitstellung von gesicherter
Leistung und Flexibilität erfüllen. Die Studie wurde inzwischen publiziert und basiert
auf einer Simulation des kompletten deutschen Kraftwerkparks unter der Randbedingung eines optimierten kostengünstigen
Betriebs [2].
Eine Besonderheit dieser Untersuchung
liegt darin, die kombinierten Nutzungsmöglichkeiten eines Pumpspeicherausbaus volkswirtschaftlich zu bewerten. In
der Studie wird auf zwei Zukunftsszena­
rien eingegangen, in denen detailliert eine
neue Rolle von Pumpspeicherkraftwerken
im deutschen Energiesystem beleuchtet
wird. Das erste Szenario betrachtet die
Energieversorgung in Deutschland im Jahr
2030 mit einem EE-Anteil von 60 %, das
zweite Szenario geht von einem EE-Anteil
von 80 % im Jahr 2050 aus.
Methodik und Annahmen
Die ETG-Studie [3] ist beim Fachpublikum anerkannt und wird vielfach zitiert.
Speichertechnologien wurden im Rahmen
dieser Studie aber nur vereinfacht betrachtet. Detaillierte Aussagen zu Pumpspeicherwerken (PSW) können daraus nicht
abgeleitet werden. Darüber hinaus wird
angenommen, dass stets ausreichend fossile Kraftwerke (KW) für die Bereitstellung
von gesicherter Leistung verfügbar sind.
Folglich wurde der mögliche Beitrag zur
Bereitstellung von gesicherter Leistung
aus Speichern unterschätzt. Anders als die
ETG-Studie geht die neue IAEW Studie [2]
nicht davon aus, dass stets genügend fossile KW-Kapazitäten zur Deckung der maximalen Höchstlast vorhanden sind.
Die zentrale Annahme der Untersuchungen ist, dass der zukünftige Speicherbedarf infolge des Ausbaus an EE im Wesentlichen von der energiewirtschaftlichen
Bilanzierung bestimmt wird. Dabei basiert
die Bewertung auf einem volks- und nicht
auf einem betriebswirtschaftlichen Ansatz.
Die Bereitstellung weiterer Systemdienstleistungen von Speicheranwendungen wie
die Primärregelleistung, der Ausgleich von
Prognosefehlern, Engpassmanagement,
Spannungshaltung, Sicherung der Netzstabilität und Versorgungsqualität bis hin zum
Inselnetzbetrieb wurden nicht betrachtet.
VGB PowerTech 9 l 2014
Pumpspeicherkraftwerke
4.000
Abschätzung wirtschaftlicher
Speicherzubau auf Basis der
ETG-Studie
Erwartete Residuallast
Abschätzung sichere
Leistung aus Pumpspeichern
Anpassung der Leistung von
Gaskraftwerken
Jahresbetriebsanalyse des Kraftwerks- und Speicherparks
Kostenanalyse für jedes Szenario
Bild 1. Übersicht über das methodische Vorgehen.
Die ETG-Studie nimmt ein Verhältnis
Speicherenergie zu Speicherleistung von
5 Wh/W an. In der neuen IAEW-Studie
wurden zusätzlich auch die Verhältnisse 3
und 7 Wh/W untersucht mit dem Ergebnis,
dass ein Verhältnis von 7 Wh/W am wirtschaftlichsten ist. Weitere Annahmen sind:
–– Keine Netzbeschränkungen
–– Beschränkung auf Deutschland, das
heißt Import/Export = 0
–– Sonstiger Verbrauch auf Basis von
ENTSO-E Daten [4]
–– EE-Erzeugung auf Basis des IWES-Modells und Wetterdaten des Jahres 2007
[5]
–– EE-Installationskosten und Brennstoffkostenmodell auf Basis der BMU-Leitstudie 2010 [6]
–– Perfect Foresight und stundenscharfe
Auflösung
–– Investitionskosten für Zubau PSW: 1.000
Euro/kW (Leistungsteil), 50 Euro/kWh
(Speicheranteil)
–– Verhältnis Energie/Leistung für Zubau
3/5/7 Wh/W, Wirkungsgrad: 80 %, Lebensdauer: 60 Jahre
–– Gemischter Kapitalzins von 4 %.
In den Untersuchungen wurde vereinfachend nur Deutschland betrachtet, weil
der Fokus der Untersuchungen auf dem
Beitrag von Pumpspeichern zur Versorgungssicherheit liegt. Diese ist heute im
politischen Kontext überwiegend national
und nicht europäisch definiert. Die Bilanzierung erfolgt jedoch im europäischen
Binnenmarkt. Die gemeinsame Spitzenlast
liegt hier unter der Summe der nationalen Spitzenlasten. In der Folge kommt es
zwangsweise zu Überkapazitäten, wenn
die beteiligten Nationen die Versorgungssicherheit nur durch thermische KW sicherstellen. Thermische Spitzenlast-KW
mit geringem Wirkungsgrad oder mit hohen variablen Kosten würden zwangsläufig
nicht eingesetzt werden und können dann
kaum Deckungsbeiträge erwirtschaften.
Anders als thermische Spitzenlast-KW
würden PSW auch im europäischen Bin-
60 %
3.500
80 %
3.000
2.500
Volllaststunden in h
Erwarteter Verbrauch und
Kraftwerkspark
(EE & thermisch)
2.000
1.500
1.000
500
0
0
5.000 10.000 15.000 20.000
PSW Leistung durch Zubau in MW
25.000
30.000
Bild 2. Durchschnittliche Volllaststunden versus Kurzspeicherleistung.
nenmarkt eingesetzt und könnten dann
entsprechend zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaften [2].
Als Referenzjahr für die meteorologischen
Gegebenheiten wurde aus mehreren Gründen das Jahr 2007 gewählt. Zunächst
handelt es sich bei 2007 um ein gutes, im
langjährigen Mittel positives Windjahr im
Vergleich zu 2006, 2009 und 2010. Darüber hinaus kamen 2007 einige extreme
Wetterereignisse wie Stürme, aber auch
länger anhaltende Flauten vor. Aus diesem
Grund eignet sich dieses Referenzjahr als
konservative Annahme für Fragestellungen
bezüglich des Speicherbedarfs zur Bereitstellung sicherer Leistung [2].
Das B i l d 1 zeigt den methodischen Ablauf der Studie. In einem ersten Schritt
wurde die zu erwartende Residuallast
(die Residuallast ist im Wesentlichen die
Last abzüglich der EE-Erzeugung und der
Must-Run-KW) berechnet, die durch flexible thermische KW und PSW zu decken
ist. Anschließend erfolgte die Abschätzung
des wirtschaftlichen Speicherzubaus. Basierend auf dem PSW-Zubau und der bestehenden PSW-Flotte wurde der mögliche
Beitrag von PSW zur gesicherten Leistung
berechnet. Anschließend erfolgte eine Reduzierung der Leistung der fossilen GasKW gemäß ETG-Studie um den ermittelten
Beitrag der PSW. Anschließend wurde eine
Jahresbetriebsanalyse durchgeführt, um
die Kosten für die untersuchten Szenarien
zu bestimmen.
Abschätzung des wirtschaftlichen
Speicherzubaus
Die Kurven im B i l d 2 zeigen den Zusammenhang zwischen Volllaststunden und
Leistungszubau durch PSW für die Szenarien mit 60 bzw. 80 % EE-Anteil gemäß
ETG-Studie [3]. Als Randbedingung für
einen wirtschaftlich sinnvollen Zubau wurden durchschnittlich 1.000 Volllaststunden
im Turbinenbetrieb angenommen. Dies
ist eine charakteristische Rechenzahl, die
nichts mit den tatsächlichen Betriebsstunden zu tun hat. Die Turbinen- und Pumpenbetriebsstunden sind deutlich höher, weil
das PSW unterschiedliche Leistungen in
seinem Regelband erbringen muss. Zusätzliche Auslastung kommt „on top“ durch die
genannten weiteren Systemdienstleistungen, die hier nicht betrachtet wurden. Daraus ergibt sich für das 60-%-EE-Szenario
ein wirtschaftlicher Zubau von 8 GW PSWLeistung bzw. im 80-%-EE-Szenario ein Zubau von 16 GW.
Ermittlung des Speicherbedarfs
für gesicherte Leistung
Zur Ermittlung des erforderlichen
Speicherbedarfs der PSW wurde im Simulationsmodell die zu erbringende gesicherte Speicherleistung durch PSW in
1.000-MW-Schritten erhöht und die Leistung des ther­mischen KW-Parks entsprechend reduziert. Nach der Festlegung der
gesicherten Leistung durch PSW wird über
die 8.760 Stunden des Jahres iteriert. In
jedem Schritt wird geprüft, ob die Residuallast die Leistung der thermischen KW
über- oder unterschreitet. Bei einer Überschreitung der Residuallast speichern die
Speicher aus. Das Ergebnis der Energie­
bilanz des Ausspeicherns wird zwischengespeichert. Ist die Residuallast im nächsten Zeitschritt weiterhin größer als die
Leistung der thermischen KW, erhöht sich
der Fehlbetrag der Energiebilanz entsprechend weiter. Andernfalls können die Speicher die zuvor verbrauchte Energie wieder
einspeichern und gegebenenfalls eine ausgeglichene Bilanz erreichen. Insgesamt
entspricht dieses Vorgehen der Ermittlung
der maximal erforderlichen Beckenkapazität zur Bereitstellung einer gewissen gesicherten Leistung durch PSW.
Im B i l d 3 ist dieses Vorgehen beispielhaft
dargestellt. Die Residuallast ist in der Farbe
blau dargestellt, die maximale Leistung des
thermischen KW-Parks von 50 GW ist als
durchgängige graue Linie eingezeichnet.
3
Pumpspeicherkraftwerke
VGB PowerTech 9 l 2014
8760 h Residuallast
Ausspeicherleistung definieren
8.760 h simulieren
Residuallast >
Leistung th.
Kraftwerke?
Nein
Oberbecken voll ?
Nein
Einspeichern
Ja
Ja
Ausspeichern
Nichts tun
Energiebilanz reduzieren
Maximaler Energiebedarf
70.000
60.000
10.000 MW
50.000
40.000
Leistung in MW
30.000
20.000
10.000
0
-10.000
Keine Einspeicherung, da
noch kein Energiebedarf
5
7
9
12.000 MWh
11
19
9.000 MWh
60.000 MWh
21 23 25 27 29 31 33 35
-20.000
-30.000
Zeit in h
Residuallast
Speicher
Bild 3. Residualanalyse zur Ermittlung des Speicherbedarfs für gesicherte Leistung.
Im B i l d 4 sind drei Verläufe für den
Speicherbedarf zur Bereitstellung gesicherter Leistung durch PSW für die EE-Szenarien 40, 60 und 80 % dargestellt. Je nach
EE-Ausbau und gespeicherter Energie in
den Oberbecken kann die gesicherte Leistung durch die PSW abgelesen werden. Der
schwarze Punkt beschreibt die Situation
mit 40 % EE und der heute in Deutschland
verfügbaren Speicherkapazität in PSW von
40 GWh. Mit der dazugehörigen Leistung
von 7 GW des heutigen PSW-Bestands können 7 GW an gesicherter Leistung aus PSW
bereitgestellt werden. Im 60-%-EE-Szenario führen der Bestand und der Zubau von 8
GW bei 7 Wh/W mit insgesamt 96 GWh ma4
ximaler gespeicherter Energie zu einer gesicherten Leistung von 13 GW durch PSW.
Schließlich können im 80-%-EE-Szenario
durch den Bestand und Zubau von 16 GW
mit einer maximal gespeicherten Energie
von 152 GWh bis zu 16,6 GW gesicherte
Leistung aus PSW bereitgestellt werden.
Die parabelförmigen Kurven im Bild 4
werden mit zunehmender EE-Einspeisung
immer flacher. Daher steigt bei höherem
EE-Anteil das Potenzial zur Bereitstellung
gesicherter Leistung durch PSW, und der
dazu erforderliche Energiebedarf sinkt.
Es ist zwar ein vollkommen neuer Ansatz,
aber PSW können in der Tat gesicherte
Auswirkung des Pumpspeichereinsatzes bei 60 % Anteil EE (2030)
Das B i l d 5 zeigt den repräsentativen
Lastgang einer Woche für das 2030-Szenario (oben ohne PSW-Einsatz und unten
400
Erforderliche Speicherkapazität in GWh
Für dieses Beispiel wurden 10 GW als gesicherte Leistung aus Speichern angenommen. In der Farbe rot ist die Residuallast abzüglich der Leistung des thermischen KWParks dargestellt, also die Leistung, die für
die Speicher auslegungsrelevant ist. Im Beispiel ist die geringe Residuallast bis Stunde
19 ohne Bedeutung, weil die Oberbecken
als gefüllt zu Beginn des Jahres angenommen wurden. Von Stunde 19 bis Stunde 23
würden 12 GWh aus Speichern benötigt.
Zwischen Stunde 23 und Stunde 25 können
hiervon 9 GWh wieder eingespeichert werden. Der Energiebedarf zwischen Stunde
26 und 34 beträgt 60 GWh. Zuzüglich der
3 GWh, die noch nicht wieder eingespeichert werden konnten, ergibt sich ein Energiebedarf von 63 GWh für diesen Zyklus.
Diese Rechnung wurde dann für die im Bild
3 dargestellten Szenarien für das gesamte
Jahr durchgeführt. So wurde festgestellt,
welche maximale Speicherkapazität notwendig ist, um die jeweilige gesicherte Leistung bereitzustellen.
Leistung bereitstellen, wenn die gesamte
PSW-Flotte so gefahren wird, wie in der
Studie beschrieben, das heißt, der Einsatz
als Kurzzeitspeicher für zwei bis drei Tage
und die „Bevorratung“ der Speicherbecken erfolgt abhängig von der Residuallast
durch EE und/oder durch den thermischen
KW-Fuhrpark. Natürlich sind PSW nicht in
der Lage, wie thermische KW die Grundlast zu decken. Die maximale nationale
Höchstlast, die für die Dimensionierung
der vorzuhaltenden gesicherten Leistung
relevant ist, setzt sich jedoch immer aus
dem Grundlastanteil und einem variablen
Spitzenlastanteil zusammen. Aus diesem
Grund können Speicher sehr wohl die
durch fossile Kraftwerke vorzuhaltende
Leistung reduzieren, indem sie den Spitzenlastanteil decken. Sie leisten somit tatsächlich einen Beitrag zur Bereitstellung
gesicherter Leistung. Voraussetzung hierfür ist, dass die Leistung der thermischen
KW während der Nacht immer ausreicht,
um die Last zu decken und zusätzlich die
Oberbecken der PSW weitestgehend zu füllen, und zwar – und dies ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung – auch dann, wenn überhaupt keine
EE-Einspeisung verfügbar ist.
Das erste wesentliche Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass die Bereitstellung gesicherter Leistung aus allen PSW
bei entsprechendem Zubau bis 2030 von
heute 7 auf 13 GW und bis 2050 sogar auf
16,6 GW steigen kann. Hierdurch lässt
sich der Zubau einer zusätzlich fossil vorzuhaltenden KW-Reserve (Gas-KW) in der
gleichen Größenordnung vermeiden.
300
200
100
0
0
4.000
8.000
Gesicherte Leistung in MW
EE 40 %
12.000
EE 60 %
Bild 4. Speicherbedarf zur Bereitstellung gesicherter Leistung.
16.000
EE 80 %
VGB PowerTech 9 l 2014
100
Pumpspeicherkraftwerke
Ohne PSW
Abregeln von EE
80
60
40
Leistung in GW
20
0
100
Mit PSW
Einspeichern EE
Reduktion der Abregelung
Ausspeichern EE
09:00 16:00
80
08:00 17:00
01:00
60
40
Glättung
20
0
MO
DI
Reduktion
Spitzenlast
MI
Thermisch
Ausspeichern
DO
Wochentag
FR
Erneuerbare & Must Run
Abregeln
SA
SO
Einspeichern
Last
Bild 5. Wochenlastgang 2030 (60 % EE).
mit PSW-Bestand und Zubau von 8 GW).
Mit grau ist der Anteil EE + Must-Run-KW,
mit gelb der Anteil thermischer KW und
mit rot das Abregeln von EE gekennzeichnet. Als Must-Run-KW-Leistung zur Stabilisierung des Übertragungsnetzes wurden
in diesem Szenario 10 GW angenommen.
Der gelbe Anteil im oberen Teilbild ist nicht
das Ergebnis eines einsatzoptimierten KWFahrplans, sondern die Differenz zwischen
Lastgang und Anteil EE + Must-Run. Diese
Darstellung wurde gewählt, um einen Eindruck zu bekommen, wie volatil die thermische KW-Flotte eingesetzt werden müsste, wenn weder Energieimporte/-exporte
möglich noch Pumpspeicher vorhanden
wären. In den Bildern mit PSW-Einsatz
sind die gelben Lastkurven hingegen immer das Ergebnis eines einsatzoptimierten
KW-Fahrplans gemäß den Berechnungsergebnissen des IAEW-Modells.
Ohne PSW-Einsatz entstehen regelmäßig
Erzeugungsüberschüsse aus EE, die auch
durch eine fast vollständige Abschaltung
der fossilen Stromerzeugung nicht kompensiert werden können. In dieser Situation nimmt die PSW-Flotte die entstehenden
EE-Überschüsse auf und gibt diese Stunden
später wieder ins Netz ab. Dadurch wird
die Abregelung von Wind- und Photovoltaikanlagen vermieden, es entsteht also eine
Win-Win-Situation zwischen PSW-Flotte
und EE.
Das Bild 5 illustriert eine weitere Win-WinSituation zwischen PSW und den thermischen KW, weil die konsequente Nutzung
der PSW als Kurzzeitspeicher den Leistungsverlauf der fossilen KW glättet und
die Spitzenlast der fossilen KW reduziert.
Dies führt wiederum zu folgenden Vorteilen für die thermischen KW:
–– Die Anzahl der Anfahr- und Abschaltvorgänge geht zurück, und die Lastgradienten werden reduziert. Das verringert die
Beanspruchung hochbelasteter Bauteile
wie Dampferzeuger und -turbine samt
verbindenden Dampfleitungen.
–– Dadurch werden auch die An- und Abfahrkosten signifikant reduziert. Die
volkswirtschaftliche Betrachtung in der
Studie berücksichtigt diese Kosten für
die thermischen KW genauso wie deren
lastabhängigen Wirkungsgrad.
–– Durch den PSW-Ausbau werden außerdem die gelben Flächen kleiner, das
heißt, der PSW-Einsatz schont den Einsatz des fossilen Langzeitspeichers Gas
bzw. Kohle. Die tatsächliche Einsparung
ist allerdings noch deutlich größer als in
der Grafik dargestellt, weil dort die oben
angesprochenen An- und Abfahrverluste
der thermischen KW in den gelben Flächen nicht berücksichtigt sind.
Besonders deutlich ist das optimierte Zusammenspiel zwischen der PSW-Flotte und
dem thermischen KW-Park am Wochenende zu erkennen. An diesem Samstag ist
die Ausbeute aus EE sehr gering, deshalb
erhöhen die thermischen KW ihre Leistung
zwischen 9 und 16 h, um Energie einzuspeichern. Anschließend wird diese Energie ab
16 h wieder ins Netz ausgespeichert, was zu
einer Reduzierung der thermischen Spitzenlast führt. Am Sonntag liegen die Verhältnisse ganz anders: Die EE-Überschüsse
können tagsüber nicht durchgehend aufgenommen werden, weil für einige Stunden
die EE-Überschussleistung sogar geringfügig höher als die gesamte installierte
PSW-Leistung von 15 GW ist. In diesem
Fall ist die Abregelung des verbleibenden
Differenzüberschusses kostengünstiger
als thermische KW zu drosseln oder diese
sogar ab- und wenige Stunden später wieder anzufahren. Die kosteneffizienteren
thermischen KW speichern sogar tagsüber
Energie in die Oberbecken der PSW ein
(die Fläche des blauen Höckers im unteren
Diagramm ist deutlich größer als die des roten EE-Höckers im oberen Diagramm), um
Sonntagabend und -nacht genügend Energie zum Ausspeichern zu haben und um die
Aktivierung von kostenintensiven Spitzenlastkraftwerken zu verhindern.
In dieser Situation profitieren insbesondere die vorhandenen Braunkohle-KW, die
eine höhere Auslastung erreichen. Im Bild
5 ist auch zu erkennen, dass der PSW-Einsatz einen durchgehenden gelben Grundlaststreifen für die thermischen KW-Blöcke
für diese exemplarische Woche erzeugt.
Im Szenario 60 % EE verdrängen billige
Brennstoffe teure Brennstoffe, das heißt,
Kohle verdrängt Gas, und das verhinderte
EE-Abregeln ersetzt Gas, wenn die Energie
mittels PSW wieder ausgespeichert wird.
Die durchgeführte Abschätzung zeigt, dass
die PSW-Flotte mit einer installierten Leistung von 15 GW (7 GW Bestand + 8 GW
Zubau) das Abregeln von 6.000 GWh EE
verhindert (72,5 % von 8.300 GWh EEÜberschüssen).
Im diesem 60-Prozent-Szenario werden
PSW intensiv eingesetzt. Die hydraulischen
Maschinen des gesamten Speicherparks
inklusive des Bestands erreichen bis zu
1.100 im Turbinen- und 1.400 Volllaststunden im Pumpbetrieb.
Auswirkung des Pumpspeichereinsatzes bei 80 % Anteil EE
(2050)
Das B i l d 6 illustriert denselben repräsentativen Lastgang einer Woche für das
2050-Szenario. Es entstehen regelmäßig
nahezu täglich Erzeugungsüberschüsse aus EE, die auch durch ein komplettes
Abschalten der fossilen Stromerzeugung
nicht ausgeglichen werden können. In
diesem Szenario ist gemäß der BMU-Leitstudie der Must-Run-KW-Anteil zu null
gesetzt worden, das heißt, die volle Flexibilisierung von Kraft-Wärme-Kopplung
(KWK) und Laufwasser-KW ist vorausgesetzt [6]. In den EE-Überschussstunden
nimmt die PSW-Flotte die entstehenden
EE-Überschüsse auf und gibt diese kurze
Zeit später wieder ins Netz ab. In diesem
Szenario kommt es häufiger vor, dass keinerlei elektrische Energie durch thermische KW erzeugt wird (zum Beispiel am
Donnerstag). Die EE-Überschussleistung
ist tagsüber sogar deutlich höher als
die installierte PSW-Gesamtleistung von
23 GW, sodass auch im System mit PSW
(unteres Diagramm) abgeregelt werden
muss.
Ähnlich wie im Szenario 2030 besteht auch
im 2050-Szenario eine Win-Win-Situation
zwischen PSW und den verbleibenden
thermischen KW (Bild 6). BraunkohleKW sind im 80-%-Szenario gemäß der
zugrundeliegenden BMU-Leitstudie [6]
nicht mehr vorgesehen. Die verbleibenden
Kohlekraftwerke werden mit Steinkohle
betrieben. Die konsequente Nutzung des
PSW als Kurzzeitspeicher glättet auch hier
den Leistungsverlauf der fossilen KW und
reduziert deren Spitzenlast. Die damit verbundenen Vorteile für die thermischen KW
entsprechen denen im 60-%-Szenario. Es
stellt sich jedoch die Frage, wer in diesem
5
Pumpspeicherkraftwerke
100
VGB PowerTech 9 l 2014
Ohne PSW
Abregeln von EE
80
60
40
Leistung in GW
20
0
Einspeichern EE
100 Mit PSW
80
Reduktion der Abregelung
Ausspeichern EE
Reduktion
Spitzenlast
60
40
Glättung
20
0
MO
DI
MI
DO
Zeit in Tagen
Thermisch
Ausspeichern
FR
Erneuerbare
Abregeln
SA
SO
Einspeichern
Last
Bild 6. Wochenlastgang 2050 (80 % EE).
Jahresproduktion von 150 Windrädern
der 2- bis 3-MW-Klasse
im Pumpbetrieb. Um auch im Pumpbetrieb
die nötige Flexibilität durch kontinuierliche Regelbarkeit zu erreichen, müssen
deshalb im PSW-Zubau Maschinen vorgesehen werden, die als Betriebsart den hydraulischen Kurzschluss beherrschen.
Hauptergebnisse durch
den Pumpspeicherausbau
Die Untersuchungen auf der Grundlage des
60-%-Szenarios 2030 haben ergeben, dass
die PSW-Flotte mit 15 GW (7 GW Bestand
+ 8 GW-Zubau) 13 GW gesicherte Leistung zur Verfügung stellen kann und entsprechend ebenso viel Gas-KW-Leistung
35
30
25
Mrd €/a
Szenario im thermischen KW-Park von
dem Einsatz der PSW profitiert. Im Gegensatz zum 2030-Szenario, in dem die Braunkohle profitiert hat, erhöhen sich in diesem
Fall die Volllaststunden der effizienten
Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen und der
Steinkohle-KW (gemäß Merit-Order-Reihenfolge). Dies verdeutlichen die ermittelten Zahlen für die KWK-Flotte: Kohle-KWK
laufen 1.303 statt 1.237 h, Gas-KWK 1.987
statt 1.915 h und Biomasse-KWK 3.758
statt 3.680 h. Die Erzeugung aus KWK
nimmt 2050 insgesamt um 2.500 GWh zu.
Für dieses Szenario wurde abgeschätzt,
dass die PSW-Gesamtflotte mit einer installierten Leistung von 23 GW (7 GW Bestand + 16 GW Zubau) das Abregeln von
17,6 TWh EE (64,5 % von 27,3 TWh EEÜberschüssen) verhindern kann. In diesem Fall kommt es zu einer signifikanten
Verdrängung von Erdgas durch die wieder
ausgespeicherte EE.
Im 80-%-Szenario werden PSW noch intensiver als im 60-%-Szenario eingesetzt.
Die hydraulischen Maschinen des gesamten Speicherparks inklusive des Bestands
erreichen bis zu 1.400 Volllaststunden im
Turbinenbetrieb und 1.800 Volllaststunden
entbehrlich macht. Darüber hinaus verhindert die PSW-Flotte, dass die gesamte Jahresproduktion von 900 Windrädern der 2bis 3-MW-Klasse (6 TWh) abgeregelt und
damit verworfen werden muss.
Für das 80-Prozent-Szenario 2050 würde
mit der 23 GW-PSW-Flotte (7 GW Bestand
+ 16 GW Zubau) die Bereitstellung von gesicherter Leistung durch PSW auf 16,6 GW
steigen, und entsprechend viele Gas-KW
müssten nicht mehr gebaut werden. Außerdem würde das Abregeln bzw. Verwerfen
der gesamten Jahresproduktion von 2.640
Windrädern gleicher Baugröße (17,6 TWh)
verhindert.
Es gibt auch Vorschläge zu einem Überausbau von EE-Anlagen, um EE-Zwischenspeicherung zu vermeiden und um die Szenarien 60 und 80 % EE früher zu erreichen.
Jedoch wird hierbei übersehen, dass Wind
nur 1 % der installierten Leistung als gesicherte Leistung einbringen kann, und bei
Photovoltaik ist der Beitrag zur gesicherten
Leistung gleich null [7]. Wie in diesem Paper gezeigt wurde, können PSW hingegen
signifikante Beiträge zur Bereitstellung gesicherter Leistung liefern.
Ein Hochtechnologieland wie Deutschland sollte sich eine Verschwendung
aufwändig erzeugter EE durch Abregeln
nicht leisten sondern sollte Überschüsse
sinnvoll und effizient nutzen, zum Beispiel indem diese mittels PSW „recycelt“
werden – insbesondere, wenn sich solche intelligenten Lösungen auch noch
volkswirtschaftlich rechnen. Es gibt zwar
eine Reihe von anderen Vorschlägen, wie
mit EE-Überschüssen umgegangen wer-
1 Pumpspeicher mit 1.300 MW
20
15
10
5
0
Gas KW mit
1.000 MW
Bild 7. E
in PSW mit 1.300 MW verhindert das Abregeln von
1 TWh Wind und stellt gleichzeitig 1.000 MW gesicherte
Leistung bereit.
6
60 % Szenario
80 % Szenario
Invest. Speicher
Variable Stromgestehungskosten
KWK
Gaskraftwerke
Steinkohle
Geothermie
Laufwasser
Braunkohle
Photovoltaik
Wind
Biomasse KWK
Bild 9. Stromgestehungskosten für das 60-%- und das 80-%-EE-Szenario.
VGB PowerTech 9 l 2014
Pumpspeicherkraftwerke
1.500
954,8
1.000
775,6
477,4
500
102,5
Mio. €/a
Wertschöpfung =
Investition in D
0
0
102,5
179,2
102,5
179,2
0
0
-5,1
-102,5
-179,2
-184,4
-380
-500
-1.000
-1.500
Verbrauchervorteil
/-nachteil in D
374,9
179,2
0
Einsparung von
Brennstoff
=
Mindertransfer von
Kapital ins Ausland
-960
Investitionen in
Gaskraftwerke
Investitionen in
Pumpspeicherkraftwerke
Gesamtinvestitionen
in Deutschland
Einsparung variabler
Stromgestehungskosten
durch Speicherzyklen
Veränderung der
Stromgestehungskosten
in Deutschland
Bild 8. Investitionen und Veränderung der Stromgestehungskosten in Deutschland.
den könnte (zum Beispiel power to gas,
power to heat), aber die Wirkungsgrade sind hier deutlich schlechter als bei
PSW, und diese Lösungen liefern nicht als
„Nebenprodukt“ eine gesicherte Leistung
in der Größenordnung von 13 bis 16,6 GW.
Ein großes PSW mit einer Leistung von 1,3
GW kann den Verlust von 1 TWh Windstrom durch Abregelung verhindern. Dies
entspräche der Jahresproduktion von 150
Windrädern der 2- bis 3-MW-Klasse, die
dann nicht gebaut werden müssen, nur um
stillzustehen ( B i l d 7 ). Außerdem kann
EE-Ausbau mit PSW die Vorhaltung von
Gas-KW-Kapazität vermeiden (wie im Bild
7 unten rechts symbolisch dargestellt), EEAusbau ohne PSW hingegen nicht.
Im Bild 8 sind die volkswirtschaftlichen
Investitionen und die Veränderung der
Stromgestehungskosten mit und ohne
PSW-Ausbau für beide Szenarien illustriert. Die Graphik ist wie folgt zu verstehen: Wenn keine neuen PSW gebaut werden, dann müssen zusätzliche Gas-KW im
Wert von 102 Mio. Euro/a im 2030-Szenario oder 179,2 Mio. Euro/a im 2050-Szenario gebaut werden. Wenn 8 bzw. 16 GW an
PSW neu installiert (und dafür Gaskraftwerke eingespart) werden, dann müssen
477 bzw. rund 955 Mio. Euro/a investiert
werden. Durch Addition der beiden ersten
Spalten ergeben sich dann die Gesamtinvestitionskosten. Demgegenüber entstehen durch den PSW-Zubau die in der Spalte 4 gezeigten Einsparungen an variablen
Stromgestehungskosten.
In beiden Szenarien gilt in etwa folgende
Aufteilung: 80 % der eingesparten variablen Stromgestehungskosten sind vermiedene Brennstoffkosten für Gas und die rest­
lichen 20 % die dazugehörigen BrennstoffCO2-Zertifikate. Anders herum betrachtet
bedeutet das: Wenn die PSW nicht gebaut
werden, müssen deutsche Kraftwerksbetreiber pro Jahr im 2050-Szenario 764 Mio.
Euro/a an die Gaslieferanten überweisen
und Ausgaben in Höhe von 191 Mio. Euro/a
für CO2-Zertifikate kalkulieren [2].
In der letzten Spalte sind die Veränderungen der Stromgestehungskosten in
Deutschland aufgezeigt, die sich aus der
Differenz der Spalten 3 und 4 ergeben. Der
Zubau von PSW bedeutet auch einen Vorteil für den Verbraucher, weil die Stromgestehungskosten verringert werden (wie
rechts im B i l d 8 dargestellt).
Nun wird sicherlich der eine oder an­dere
Leser fragen, in welchem Verhältnis die
nicht unerheblichen Investitionen für einen PSW-Ausbau zu den anderen Kosten
der Energiewende stehen. Das B i l d 9
zeigt die jährlichen Stromgestehungskosten (basierend auf [6]) für die beiden
Szenarien 2030 und 2050 heruntergebrochen auf variable Stromgestehungskosten
(Brennstoffkosten + CO2-Zertifikate), Investitionskosten für Speicher und Investitionskosten für Kraftwerke (EE und konventionell). Wie man leicht sieht, bilden die
Speicherinvestitionen einen relativ kleinen Bruchteil der notwendigen Gesamt­
investitionen, rechnen sich aber dennoch
volkswirtschaftlich, wie im Bild 8 gezeigt
wurde.
Pumpspeicherpotentiale
in Deutschland
Aktuell befinden sich 23 PSW mit einer
Leistung von über 7 GW in Planung und
Genehmigungsverfahren, die den derzeitigen deutschen PSW-Park mehr als verdoppeln könnten ( Ta b e l l e 1 ) . Mit Blick
auf die vorgestellten Untersuchungen in
diesem Beitrag darf darauf geschlossen
werden, dass dem gezeigten Zubau-Be-
darf von rund 8 GW PSW-Leistung für das
2030-Szenario schon heute genügend Projekte gegenüberstehen, die gut geografisch
verteilt sind:
–– Niedersachsen: Leinetal
–– Nordrhein-Westfalen: PSW Lippe
–– Thüringen: Schmalwasser
–– Hessen: Ausbauprojekt Waldeck II+
–– Rheinland-Pfalz: RIO
–– Bayern: Riedel
–– Baden Württemberg: Forbach, Atdorf
Aber auch dem weiter steigenden Bedarf
in einer zukünftigen Energieversorgung,
die sich gemäß des 2050-Szenarios zu
80 % aus EE speist, sind ausreichende
Stand­
ortoptionen vorhanden. Standortscreenings haben folgende PSW-Potentiale
ausgewiesen: Im Einzugsgebiet der RWE
stehen 6 GW zur Verfügung, bei EnBW
19 GW und nach dem Pumpspeicherkataster Thüringen weitere 4,8 GW [8].
Zusammenfassung
Die Bereitstellung von Flexibilität und gesicherter Leistung sind zwei wesentliche
Herausforderungen im Rahmen der Energiewende. Die konsequente Nutzung der
kostengünstigen und bewährten Pumpspeichertechnologie zur Nutzung als Kurzzeitspeicher kann wesentliche Beiträge zur
Lösung dieser Herausforderungen leisten.
Pumpspeicher können die durch fossile
Kraftwerke vorzuhaltende gesicherte Leistung reduzieren. 15 GW PSW mit einem
Speichervolumen für 96 GWh ersetzen in
einem 60-%-Szenario bis zu 13 GW aus
Gaskraftwerken. In einem 80-%-Szenario
ersetzen 23 GW PSW mit einem Speichervolumen für rund 152 GWh sogar bis zu
16,6 GW thermische Kraftwerke.
In den Untersuchungen wurde gezeigt,
dass der Ausbau der PSW um 8 GW bis zum
7
Pumpspeicherkraftwerke
VGB PowerTech 9 l 2014
Tab. 1. Deutsche Pumpspeicherkraftwerke in Planung.
Kraftwerksname
Pges [MW]
Status
Unternehmen
Atdorf
1.400
Planfeststellungsverfahren
Schluchseewerk AG
Blautal
60
Raumordnungsverfahren
Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH,
Eduard Merkle GmbH & Co KG
Forbach
200
Raumordnungsbeschluss erhalten
EnBW AG
Sorpeberg-Ermecketal
420
Planung
Mark-E Aktiengesellschaft,
Grünwerke GmbH
RIO
300
Raumordnungsbeschluss erhalten
Stadtwerke Trier
Halde Sundern
10 bis 15
Machbarkeitsstudie
RWE Innogy GmbH, RAG
Montan Immobilien GmbH
Energiespeicher Riedl
300
Planfeststellungsverfahren
Donaukraftwerk Jochenstein AG
Waldeck 2+
300
Investitionsentscheidung
ausstehend
E.ON SE
Einöden
150
Planung
Pumpspeicherwerk Einöden GmbH
Lippe
320
Machbarkeitsstudie
Hochtief AG
Jochberg
700
Planung
Energieallianz Bayern
GmbH & Co. KG
Nethe
390
Raumordnungs- und Regionalplanänderungsbeschluss erhalten
Trianel GmbH
Leinetal
200
Raumordnungsbeschluss erhalten
Hochtief AG
Rottachsee
40 bis 60
Planung
Allgäuer Überlandwerk GmbH
Breitenstein
60
Planung
Allgäuer Überlandwerk GmbH
Leutenberg
380
Planung
Strabag AG
Ellrich
640
Planung
Strabag AG
Schmalwasser
über 1.000
Raumordnungsverfahren
Trianel GmbH
Heimbach
280 bis 320
Raumordnungsverfahren
Stadtwerke Mainz AG
Naturstromspeicher
Gaildorf
16
Plangenehmigungsverfahren
MBS Naturstromspeicher GmbH
Osser
k. A.
Planung
Visprion Engineering GmbH
Hainleite
240 bis 500
Raumordnungsverfahren
Hochtief AG
Poschberg
450
Machbarkeitsstudie
Max Aicher Poschberg
Projekt GmbH
Summe in MW
7.856 bis 8.181
Jahre 2030 und um 16 GW bis 2050 gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein kann. Ihre
Investitionskosten werden aus volkswirtschaftlicher Sicht durch einen reduzierten
Konsum von Erdgas sowie aufgrund von
geringeren Investitionen in Gaskraftwerke
amortisiert. Zusätzlich bestehen weitere
volkswirtschaftliche Vorteile durch die
optimierte Nutzung des thermischen KWParks und die Abdeckung weiterer Systemdienstleistungen zur Absicherung der Versorgungsqualität – die hier nicht monetär
bewertet wurden. So hat ein PSW-Ausbau
auf 23 GW zum Beispiel auch in Ausnahmesituationen wie dem Netzwiederaufbau
Vorteile, weil im Unterschied zu thermischen KW PSW grundsätzlich schwarzstartfähig sind.
Die CO2-Emissionen gehen durch den
Einsatz der Speicher um bis zu 2 Mio. t/a
zurück, weil die Speicher Abregeln verhindern und mit der eingespeicherten Energie
fossile Erzeugung verdrängen [2]. Darüber
hinaus können effiziente KWK-Anlagen
langfristig besser eingesetzt werden und
höhere Volllaststunden erreichen.
Der Einsatz von PSW verhindert signifikant
die Abregelung von erneuerbaren Energien.
Im Vergleich zum Szenario ohne jegliche
PSW müssen Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Jahre 2030 (60 % EE) um 72,5 %
8
rer Flexibilität stärker berücksichtigen.
Hiervon profitieren auch PSW, weil sie
als Multifunktionskraftwerke eingesetzt
werden können (gesicherte Leistung,
Ausgleichsenergie bei Prognosefehlern,
extrem steile Lastgradienten etc.).
–– Einführung eines abgestimmten Begriffs
für Stromspeicher und deren Befreiung
von Letztverbraucherabgaben. Dies sollte für den Bestand und auch für den Zubau gelten.
–– Der heutige und zukünftige Nettoexport von deutschen EE-Überschüssen in
Nachbarländer (häufig zu sehr niedrigen
Preisen) sollte signifikant reduziert werden, um die eigenen fossilen Brennstoffe
in Deutschland zu substituieren. Diese EE-Exporte verdrängen nämlich die
fossilen und nuklearen Energieträger
im Ausland und verbessern die CO2-Bilanz der Nachbarstaaten auf Kosten der
deutschen EEG-Umlagezahler. Auf diese
Weise wird ein Hauptziel der deutschen
Energiewende nicht erreicht [10].
Aus politischer Sicht kann ein Pumpspeicherausbau auch über die hier dargestellten Zusammenhänge hinaus von Interesse
sein. Zum einen weisen die hiermit verbundenen Investitionen gegenüber dem
Konsum von fossilen Energieträgern volkswirtschaftliche Vorteile auf, zum Beispiel
zusätzliche Arbeitsplätze. Zum anderen
ist ein weiterer offensichtlicher politischer
Nutzen die Reduzierung der Abhängigkeit
von Gasimporten.
Literatur
und 2050 (80 % EE) um 64,5 % weniger
abgeregelt werden. Darüber hinaus werden
die eingespeicherten EE-Überschüsse CO2frei ein- und später wieder CO2-frei ausgespeichert. Die PSW-Flotte kompensiert die
Volatilität der EE und ermöglicht dadurch
einen schonenden und wirtschaftlichen
Betrieb des thermischen KW-Parks. Durch
die Absorption der Volatilität der EE kann
größtenteils auf die Abschaltung von Verbrauchern in Industrie und Privathaushalten verzichtet werden. So kann durch eine
Verzahnung des weiteren Ausbaus von EE
mit dem Zubau von PSW die Energiewende
einfacher umgesetzt werden.
Dies kann allerdings nur dann Realität
werden, wenn einige Rahmenbedingungen
geändert werden:
–– Der überwiegende Teil der bisherigen
Studien zur Entwicklung des Kraftwerksparks in Zentraleuropa fokussierte ausnahmslos nur auf flexible thermische Erzeugungsanlagen wie Gasturbinen und
Gas-KW zur Bereitstellung gesicherter
Leistung. PSW sollten insbesondere bei
der Betrachtung möglicher Kapazitätsmechanismen explizit berücksichtigt
werden. Im europäischen Ausland entspricht dies dem Stand der Technik [4].
–– Änderungen am Strommarktdesign sollten den Wert von kurzfristig verfügba-
[ 1] Pfenning, U., und Hess, D.: Zur Soziotechnik von Energiespeichern – Sinn- und Akzeptanzfragen. Energie-Speicher-Symposium, DLR Stuttgart, 12. März 2014.
[ 2] Moser, A., Rotering, N., und Schäfer, A.: Unterstützung der Energiewende in Deutschland durch einen Pumpspeicherausbau
– Potenziale zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit (im Auftrag der Voith Hydro). IAEW
RWTH, Aachen, 4. April 2014, Online:
www.wasserkraft.info.
[ 3] VDE eV: ETG, Energiespeicher für die
Energiewende, Frankfurt am Main, 2012.
[ 4]ENTSO-E: Consumption Data, Online:
www.entsoe.eu, 2012.
[ 5]Fraunhofer IWES: Modell „Virtuelles
Strom­versorgungssystem“, Kassel, 2012.
[ 6] Nitsch, J., et al.: Leitstudie 2010, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit: 2010.
[ 7] ENTSO-E, Winter Outlook Report 2012
and Summer Review 2011, Online: www.
entsoe.eu.
[ 8] Dymek, T.: RWE Power: Pumpspeicherkraftwerke: Energiewirtschaftliche
Rahmen­bedingungen; 43. Internationales
Wasserbau-Symposium Aachen, 10. und
11. Januar 2013.
[ 9] Netzentwicklungsplan Strom (NEP) 2013
bestätigt durch die Bundesnetzagentur,
Online: www.netzausbau.de/nep-ub2.
[10] Bettzüge M.-O.: Nationaler Hochmut oder
cui bono? Physik Journal 13, Nr. 5, 2014.l