Fidelity Hifi Magazin Mai-Juni N 03, 2014

Transcrição

Fidelity Hifi Magazin Mai-Juni N 03, 2014
D 12‚– € ™ A/IT/BENELUX 13‚80 €
CH 19‚80 SFR ™ S 145 SKR
3/2014 ™ Mai /Juni 2014 ™ Nr. 13
YOUR EQUIPMENT. YOUR MUSIC.
High End extrem
High End bezahlbar
High End unter Freunden
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Boxen waren gestern: Avantgarde Acoustic Zero 1
HORNY HORNS!
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Moon Evolution 700i – 10 800 €
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Stichworte „High End” und „Kanada”? Da fällt mir immer zuerst „groß” und „stark” ein.
Ganz ähnlich wie bei den einschlägigen US-Gerätschaften – nur mit weniger „Blingbling”
Von Cai Brockmann. Bilder: IS
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VOLLVERSTÄRKER
O
h ja, prima: ein großer Vollverstärker. Aus Kanada. Von Moon.
Ich mag große Vollverstärker, ich
mag Kanada, und ich mag Moon.
Denn alles, was mir bisher mit dem
Moon-Logo über den HiFi-Weg
gelaufen ist, hatte diesen ganz bestimmten, leicht
herben Charme von unaufgeregtem Handwerk und
professioneller Könnerschaft. Sie wissen, was ich
meine? Eben nicht „shiny“ mit zig Lämpchen und
glänzenden Chromringen drumherum, und auch
nicht das große „Booaah!“ mit immer noch größeren Gehäusen/Knöpfen/Elkos/Silikonbrüsten, wie
es vor allem die Amis … – Verzeihung: wie es vor
allem die US-Amerikaner draufhaben. Andererseits
sind Kanadier auch nicht gerade als selbstverliebte
Designfreaks bekannt, wie wir’s von gewissen Italienern oder auch Franzosen kennen.
Moon? Das ist weder Harley-Davidson noch
Ferrari fürs Wohnzimmer. Moon ist einfach
für dich da und hilft dir weiter, ohne große
Shows oder Eitelkeiten. Im konkreten Fall
ist das schlicht Musikhören – auf extrem
hohem Niveau.
Das Problem daran? Die ganz normale
Perfektion fällt nicht auf. Deswegen hat Moon seiner
„Evolution“-Serie ein paar
markante Details spendiert, die sich dann doch
ein wenig absetzen
vom herkömmlichen
HiFi-Look. So besitzt
der speziell gefräste
Gerätedeckel einen
dickeren Mittelteil,
in dem eine bierdeckelgroße Aluplatte
mit Firmenlogo und
Schriftzug eingearbeitet ist. Das sieht
fast schon nach „VorabTuning“ aus. Wer braucht
da noch einen Shakti-Stone
oder Ähnliches? Auch an den Seiten
gibt’s etwas zu entdecken: Höhenverstellbare,
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abgeflachte Schraubkonusse stecken in bauchig
gerundeten Alu-Dreiecksprofilen, selbst die horizontal verstrebten Kühlkörper bieten dem Auge
eine taillierte Abwechslung. Letztlich aber wirkt der
Evolution 700i wie ein klassischer Amp.
Als klassisch empfinde ich den dicken Moon
in erster Linie deswegen, weil er ziemlich vielen
Schnickschnack nicht zu bieten hat. Er ist von seiner Funktion her ein geradeaus konstruierter StereoVollverstärker, kein selbst ernanntes Multitalent der
Neuzeit. So besitzt er keine D/A-Wandlerplatine
(dafür gibt’s externe DACs, zum Beispiel von Moon),
kein Phonoboard (dafür gibt’s externe Phonoentzerrer, zum Beispiel von Moon), und er ist auch frei von
drahtlosen Empfangsmodulen (dafür gibt’s Devialet, zum Beispiel). Nicht, dass ich persönlich etwas
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gegen derlei Ausstattung hätte, aber ein klassischer
Line-Vollverstärker trägt so etwas einfach nicht.
Was ein ordentlicher Amp dieses Kalibers – immerhin bewegen wir uns schon in knapp fünfstelliger Preisregion – stattdessen bieten sollte, sind 1aBauteile und allerbeste Messwerte, eine erkennbare
Liebe zum minutiösen Detail sowie einen tadellosen
Maßanzug. Stabile Power ohne Ende ist natürlich
Pflicht, schließlich tritt man in dieser Liga üblicherweise gegen Einzelbausteine an, und nicht gegen
die schwächsten. Mit all diesen Forderungen hat der
Moon 700i überhaupt kein Problem.
Angenehme Features – ideal für Kurzsichtige
und Im-Dunkeln-Hörer wie mich – sind der sahnig
laufende, superfein zu dosierende Laustärkeregler
sowie das große, dimm- und abschaltbare Punktmatrix-Display. Nicht weniger als 530 Schritte des
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Volume-Reglers reichen für wirklich jedes nur
denkbare Umfeld aus, von der intimen Hintergrundberieselung bis zum Dubstep-Inferno – und dabei ist
völlig egal, welcher Schallwandler an den Klemmen
hängt. Dazu gleich mehr. Für die Pegelregelung
nutzt der 700i eine Moon-eigene Schaltung mit der
leicht kryptischen Bezeichnung „M-eVOL2“. Sie
„übersetzt“ die Befehle des Volume-Stellers für ein
integriertes Widerstandsnetzwerk, das keine Klang-
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Tipptopp und tadellos: massiver Deckel mit eingelassener
Logo-Platte‚ schwere Vollaluminium-Fernbedienung
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Balanceakt: Getrennte Anschlussfelder verdeutlichen
den symmetrischen Innenaufbau
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VOLLVERSTÄRKER
verluste produzieren und extrem rauscharm arbeiten soll. Die
Bedienung erfolgt intuitiv und quasi-analog: Wird nur zaghaft am
großen Rad gedreht, geht’s – zumindest zwischen moderaten „30“
und Vollgas auf „80“ – in supersmoothen Zehntel-dB-Schritten hinauf oder hinab. Ist das zu langsam, beschleunigt man einfach die
Drehung aus dem Handgelenk. Die Steuerung merkt’s und regelt
nun mit zehnfachem Speed rauf oder runter.
Das haben Sie so oder so ähnlich möglicherweise schon mal
bei Mark-Levinson-Gerätschaften gesehen? Ja, gewisse Ähnlichkeiten gehen auch über die markante Bicolor-Ausführung
des Testgerätes hinaus. Wer nun Eigenständigkeit demonstrieren oder den Moon in ein bestehendes Audiosystem integrieren
möchte, das nur Schwarz oder Silber (ver)trägt, der ordert den
Amp mit entsprechend einfarbiger Front. Am technischen Inhalt
des 700i ändert das natürlich überhaupt nichts.
Die Rückseite mit den streng getrennten Anschlussfeldern für
rechten und linken Kanal lässt es schon vermuten: Hier handelt
es sich um einen komplett symmetrisch aufgebauten Verstärker.
Unmittelbar nach der Netzbuchse und einem Extra-Netzteil für
den „Standby“-Betrieb – der übrigens alle klangrelevanten Sektoren des Amps weiterhin auf Sendung hält – ist konsequentes
Doppelmono-Design angesagt. So machen sich beispielsweise
zwei kapitale Ringkerntrafos im vorderen Teil des Amps breit. An
den Seiten bemühen sich jeweils ein halbes Dutzend speziell für
Moon angefertigte Leistungstransistoren, die Kühlrippen ihrer
Bestimmung zuzuführen. Bis etwa fünf Watt Ausgangsleistung
läuft der 700i dabei im Class-A-Betrieb, was ihn im Leerlauf, aber
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auch im halbwegs zivilisierten Betrieb zu einem nur
lauwarmen Zimmergenossen macht. Wer den Amp
als superb klingenden Heizungsersatz fehlverwenden und spürbar temperieren will, muss entweder
sinistre Hintergedanken hegen oder mit Lautsprechern gesegnet sein, die ihren Namen nicht wirklich
verdienen. Meine kleinen KEF LS 50 beispielsweise,
die ich zunächst nur zum Einspielen des nagelneuen
Die enorme Potenz und Durchzugskraft des
Edel-Amps offenbart sich zweifellos schon an
den kapriziösen Mini-Monitoren von KEF, doch
eigentlich hat der Siebenhunderter adäquatere
Spielpartner verdient. An meinen bewährten Stereofone Dura beispielsweise zeigt sich, dass seine
klangliche Abstimmung fürs echte Langzeithören
ausgelegt ist. Während er die Basslagen tatsäch-
Moon benutze, danach aber auch noch zu neuen
Höchstleistungen treiben will, kitzeln den kanadischen Kraftbolzen kaum. Selbst bei Dauerpegeln
kurz vor dem Membrantod der Engländerin bleibt er
völlig entspannt und halbwegs cool. Und genauso
klingt er dann auch. Solche Souveränität, die nur ein
wahrer Muscle-Amp bieten kann, birgt jedoch die
Gefahr, „mal eben mit links“ die sprichwörtliche Sau
rauszulassen, die Grenzen auszuloten. Nun, der Amp
wird dann schlicht einmal tief durchatmen und dem
armen Zwerg im Zweifelsfall das Lebenslicht auspusten. Also aufpassen! Ich werde drauf verzichten.
lich mit geradezu schraubstockartiger Kontrolle zu
einer knackigen, dabei tief hinabreichenden und
sehr schön durchhörbaren Gangart verpflichtet,
soll er laut Hersteller mit zunehmender Frequenz
die Zügel immer lockerer lassen. Das bedeutet
aber keineswegs, dass es sich hier um einen „nach
oben raus“ irgendwie nachgiebigen Schönklinger
handelt – ganz im Gegenteil. Auch an der superb
auflösenden, unmissverständlich direkten Piega
Coax 120.2 mit ihrem Koaxial-Bändchen für Mittelund Hochtonlagen bietet der 700i ein vergleichbares Bild. Er spannt einen großen Raum auf, kein
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innerer Spannung und Verve. Er findet jeden roten
Faden in der Musik sofort, und zwar vollkommen
unabhängig von den äußeren Umständen. Ein unbeirrbarer Könner seines Fachs, das steht fest.
Im Sinne eines relaxten Hörvergnügens macht
Moon für die mitreißende Spielweise seines Vollverstärker-Flaggschiffs auch den bewussten Verzicht
auf eine Über-alles-Gegenkopplung verantwortlich.
Wie auch immer diese angeblich gegenkopplungsfreie Schaltung in den einzelnen Verstärkerstufen
ausgelegt ist – der 700i ist klanglich ein verdammt
angenehmer, zugleich mitreißender Dauerläufer, der
trotz aller Detailfreude und Durchhörbarkeit seine
grizzlyhafte Kraft auch für eine herrlich substanzielle
tonale Balance einsetzt. Dieser prächtige Kanadier
ist kein Poser und auch kein Blender, sondern ein
äußerst ansehnliches Werkzeug in absolut erstklassiger Qualität. Für Schnäppchenjäger definitiv zu
kostspielig, aber für Kenner ein Traum.
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[email protected]
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aufgeblasenes Zirkuszelt. Alle, wirklich alle Details
bis hinauf ins Atmosphärische sind ins farbstarke
Klangbild bestens integriert, aber er streicht die Details nicht auch noch mit Leuchtfarben an. Gut so!
Übrigens zeigt sich auch an der anspruchsvollen Piega mit ihrer konventionellen DoppelbassBestückung die besondere Qualität dieses MoonRakers: Zurückzucken ist seine Sache nicht – volle
Kontrolle ist angesagt! Ohne mit der Wimper zu
zucken schaufelt der Kanadier blitzartig enorme
Leistungen an die Schweizerin und erzeugt mühelos
den Eindruck von „Originalpegel“. Wer will, kann
damit spontan eine High-End-Party feiern. Oder
doch besser Lounge-Musik laufen lassen? Wie auch
immer: Der Doppelmono-Doppelmoppel – und daran
lässt sich seine wahre Größe erst richtig festmachen
– transportiert auch komplexe Pianissimo-Passagen
oder betont sanften Clubjazz mit reichlich Luft, mit
Moon Evolution 700i
Vollverstärker
Nennleistung (8/4 ): 2 x 175/350 W
Eingänge: 5 x Hochpegel unsymmetrisch (Cinch)‚
1 x Hochpegel symmetrisch (XLR)
Ausgänge: 1 x Lautsprecher (Schraubklemmen)‚
1 x Pre Out‚ 1 x Tape Out (Cinch)
Besonderheiten:MHGHU(LQJDQJNRQJXULHUEDU1DPHš0D[Lmalpegel‚ Pegelabgleich‚ Durchschleifen oder Überspringen)‚
Vollaluminium-Systemfernbedienung‚ RS232- und TriggerAnschlüsse‚ höhenverstellbare Standfüße
Ausführung: Silber‚ Schwarz oder Bi-Color (s. Testgerät)
Maße (B/H/T): 48/14/46 cm
Gewicht: 27 kg
Garantiezeit: 7 Jahre (nach Registrierung)
Preis: 10 800 €
Audio Excellence
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In der Höhle der Bären: konsequenter DoppelmonoAufbau bis hin zu zwei massiven Ringkerntrafos
Harderweg 1‚ 22549 Hamburg
Telefon 040 2785860
www.audio-components.de‚ www.audioexcellence.de
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