Das Schreiben an die Stadträte - Kontra Fluglärm

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Das Schreiben an die Stadträte - Kontra Fluglärm
Bettina und Dr. Jürgen Marx
Ulla Haug-Rößler und Ottmar Rößler
Jutta Schlag-Fischer und Günter Fischer
Alle Gerokstraße
71665 Vaihingen
Vaihingen, den 16. 09. 2015
An
Herrn Oberbürgermeister
Gerd Maisch,
die
Damen und Herren Stadträte im Technischen Ausschuss
sowie
Herrn Stadtrat Eberhard Zucker
Fraktionsvorsitzender der Fraktion Freie Wähler
Herrn Stadtrat Erich Hangstörfer,
Fraktionsvorsitzender der Fraktion der CDU
Frau Stadträtin Susanne Schwaz-Zeeb
Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Herrn Stadtrat und Ortsvorsteher Eberhard Berg
Fraktionsvorsitzender der Fraktion der SPD
Herrn Stadtrat Friedrich Wahl
Vereinigung der FDP
Herrn Stadtrat Peter Schimke
Wahlvorschlag die Linke
Herrn Stadtrat Prof. August Lachenmann
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
der Stadtteilausschuss hat in seiner Sitzung am 14. September den Antrag der Verwaltung auf
Zustimmung zur Erweiterung des Segelfluggeländes abgelehnt. In der Sitzung wurde dem
Flugsportverein empfohlen, seinen Antrag zurückzuziehen und sich bei einem Neuantrag auf das zu
beschränken, was bisher rechtlich zugelassen ist. Wir freuen uns über diese eindeutige
Positionierung des Stadtteilausschusses und erhoffen uns, dass auch der Technische Ausschuss den
von uns vorgetragenen Argumenten gegen die Zulassung von Motorflugbetrieb auf dem bisherigen
Segelflugpatz folgen kann. Wir haben diese nachfolgend in aktualisierter Form zusammengestellt.
Bei den Sitzungsunterlagen ist bisher weder der konkrete Antrag des Flugsportvereins noch die
zugehörige schalltechnische Untersuchung enthalten. Die schalltechnische Untersuchung konnte auf
Nachfrage im Bauverwaltungsamt eingesehen werden.
Die bisherige Genehmigung erlaubt lediglich Segelflugbetrieb mit Windenstart und den Betrieb eines
Motorseglers im Rahmen einer befristeten Genehmigung. Nach Aussagen des Vereins betreibt er
jedoch vier solcher Maschinen. Soweit den einsehbaren Unterlagen zu entnehmen, ist jetzt eine
beträchtliche Ausweitung des Motorflugs und dauerhafte Genehmigung des Betriebs von
motorisierten Luftfahrzeugen vorgesehen:
 Flugzeugschlepp: Künftig dürfen Segelflugzeuge auch mit motorbetriebenen Flugzeugen
(oder Motorseglern) in die Luft gezogen werden. Zugelassen werden Propellerflugzeuge als
Schleppmaschinen mit einer Startmasse bis 2000 kg.
 Propellerflugzeuge: Die schaltechnische Untersuchung hält es für zulässig, dass sonstige
Propellerflugzeuge mit einer Höchststartmasse bis 2000 kg betrieben werden. Dies würde
eine Ausweitung des bisherigen reinen Segelflugbetriebs auf Motorflugzeuge bedeuten. D. h.
auch der eigenständige Betrieb von Motorflugzeugen wäre künftig möglich.
 Motorsegler
 Luftsportgeräte u.a. Ultraleichtflugzeuge: Laut Wikipedia sind von diesen motorisierten
Ultraleichtflugzeugen in Deutschland folgende Typen zugelassen: aerodynamisch gesteuerte
Maschinen, die den größeren einmotorigen Motorflugzeugen im Äußeren ähneln, Trikes mit
drei Rädern und einem beweglichen „Drachen“-Flügel, fußstartfähige motorisierte
Hängegleiter und Paragleiter, Tragschrauber, sogenannte Gyrocopterie. Dies würde eine
zusätzliche Ausweitung des bisherigen reinen Segelflugbetriebs bedeuten.
 Modellflugzeuge bis 5 kg Gewicht
Laut schalltechnischer Untersuchung sollte der Betrieb begrenzt werden:
 Von Montag bis Samstag sind in der Zeit von 8.00-20.00 Uhr je Tag maximal 380 Starts mit
Motorfluggeräten zulässig (in den Ruhezeiten 6-8 und 20-22 Uhr jeweils weitere 20 Starts).
Die Sitzungsvorlage enthält keine Aussage, welcher Flugbetrieb Wochentags beantragt
wurde. Zu beachten ist, dass alle startenden Flugzeuge auch wieder landen werden, d. h. real
werden doppelt so viele Flugbewegungen erfolgen.
 An Sonn und Feiertagen wurden laut Sitzungsunterlage max. 50 Starts je Tag für
Motorfluggeräte beantragt (zwischen 12 und 13 Uhr max. 10 Starts; Flugbetrieb an
Wochenenden zwischen 7 und 22 Uhr). Das schalltechnische Gutachten hält 90 Starts je Tag
für zulässig, zusätzlich möglich seien je 20 zwischen 7-9, 13-15 und 20-22 Uhr. Zu beachten
ist, dass alle startenden Luftfahrzeuge auch wieder landen werden, d. h. real doppelt so viele
Flugbewegungen erfolgen.
Die Formulierung im Beschlussvorschlag ist nicht eindeutig: „Die Luftfahrtbehörde beabsichtigt, dem
Antrag unter Beachtung der Einschränkungen aus dem vorgelegten Schalluntersuchungsberichts zu
folgen und die Genehmigung des Segelflugplatzes auf den Betrieb der beantragten Luftfahrzeuge,
soweit diese bestimmungsgemäß zum Schleppen von Segelflugzeugen Verwendung finden
(Hervorhebung durch Schreiber dieses Briefes), zu erstrecken“. Dies würde bei wörtlicher Auslegung
bedeuten, dass sowohl Propellermaschinen als auch Motorsegler nur zum Schleppen betrieben
werden dürfen. Soweit wir es verstanden haben will der Flugsportverein jedoch einen dauerhaften
Betrieb von eigenstarttauglichen Segelflugzeugen (Motorseglern) und weiteren motorbetriebenen
Fluggeräten erreichen (auch ohne Schleppbetrieb, s. Absatz 3 des Sachvortrags).
Die beantragte Genehmigung bzw. die in der schallschutztechnischen Untersuchung für möglich
erachteten Flugbewegungen bedeuten eine erhebliche Ausdehnung des Flugbetriebs quantitativ wie
qualitativ. Zulässig wird der dauerhafte, motorisierte Flugbetrieb in erheblichem Umfang. Bisher
wurde nur ruhiger Flugverkehr betrieben (Segelflugzeuge und Motorsegler im Windenstart, ein
Motorsegler mit zeitlich befristeter Genehmigung). Künftig werden motorisierte Luftfahrzeuge wie z.
B. Propellermaschinen und Ultraleichtflugzeuge zugelassen und damit von der Thermik unabhängiger
Flugbetrieb. Eine Begrenzung der Anzahl der Maschinen ist weder im Antrag des Vereins noch im
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Entwurf der Genehmigung enthalten. Dies bedeutet eine erhebliche zeitliche Erweiterung der
Lärmbelästigung für die Anwohner. Denn bisher war der Flugbetrieb im Wesentlichen überwiegend
auf die Wochenenden mit Thermik begrenzt. Künftig kann mit einer durch die Genehmigung nicht
begrenzten Anzahl von Propellerflugzeugen, Ultraleichtflugzeugen und Motorseglern auch bei
fehlender Thermik bis 22 Uhr geflogen werden. Die Sitzungsvorlage gibt leider keinen Aufschluss, in
welchem Umfang wochentags geflogen werden kann. Die schalltechnische Untersuchung hält, wie
bereits beschrieben, 380 Starts pro Tag für möglich.
Der erstmals regelmäßig zugelassene Motorflugbetrieb würde auch zu einer Verlärmung des
Weitfelds führen, das von zahlreichen Fußgängern und Radfahrern zur Erholung aufgesucht wird.
Dieses Gebiet würde durch startende und landende Motorflugzeuge und Ultraleichtflugzeuge, die
dort ihre Runden drehen werden, erheblich verlärmt. Wenn auch „nur“ im Rahmen der zulässigen
Grenzwerte.
Als sicher kann gelten, dass die Immobilien im Bereich von Schwabstraße, Gerokstraße,
Eichendorffstraße und angrenzend erheblich an Wert verlieren werden, da sie künftig in der
Flugschneise eines Flugplatzes liegen werden, in dem motorgetriebene Luftfahrzeuge starten und
landen dürfen.
Wir empfinden es als äußerst unbefriedigend, wenn sich der Sachvortrag und der Beschlussvorschlag
im Kern darauf zurückziehen, dass die schalltechnische Untersuchung ergeben habe, dass die
zulässigen Lärmwerte eingehalten würden. Auch das rechtlich zulässige Maß an Lärm bedeutet eine
erhebliche Verlärmung der (überwiegend reinen) Wohngebiete im Bereich Schwabstraße,
Gerokstraße, Hebelweg, Eichendorffstraße (und angrenzend) bis zum immissionsschutzrechtlich
zulässigen Grenzwerte. Diese liegen für das reine Wohngebiet als zeitlich gemittelter Pegel bei 50
dB(A) und als Spitzenpegel bei 80 dB(A). Für allgemeine Wohngebiete gelten noch höhere
Grenzwerte. Die Einhaltung dieser Grenzwerte durch den Flugsportverein ist eine pure
Selbstverständlichkeit. Das ist geltendes Recht und kein Zugeständnis an die vom Lärm betroffenen
Anwohner.
Die Stadt ist Eigentümerin wesentlicher Teile des Flugplatzes und hat damit direkt
Einwirkungsmöglichkeiten auf den Flugsportverein. Diese gehen über die Möglichkeiten einer bloßen
Stellungnahme der Stadt gegenüber dem Regierungspräsidium als Genehmigungsbehörde hinaus. Es
dürfte dem Verein kaum möglich sein, auf städtischen Flächen, Flugsport in einem Umfang zu
betreiben, der von der Stadt nicht gebilligt wird. Daher sollte die Stadt auch ihre Einflussmöglichkeit
als Eigentümerin der Grundstücke nutzen.
Nachdem wir den Flugsportverein mit Mail vom 13. September um Informationen gebeten hatten,
fand vergangen Sonntag ein Gespräch mit einem Teil der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner
dieses Briefes mit dem Vereinsvorsitzenden, Herrn Artur Mayer, statt. Herr Mayer erläuterte den
Antrag des Flugsportvereins und erklärte, dass der Genehmigungsentwurf des Regierungspräsidiums
über den Genehmigungsantrag des Vereins hinausgehe. Eigentlich wolle man gar nicht alles, was im
Genehmigungsentwurf stehe, z. B. keine motorgetriebenen Modellflugzeuge und auch keine
Zulassung von Fallschirmspringern. Gleichwohl beabsichtige der Verein den Bau eines
motorgetriebenen Schleppflugzeugs und die Beschaffung von Ultraleichtflugzeugen. Auf eine
konkrete Begrenzung der Zahl der Maschinen wollte sich Herr Mayer nicht festlegen.
Konkret bitten wir die Stadtverwaltung und die städtischen Gremien um Folgendes:
 Offenlegung des formellen Antrags des Flugsportvereins. Der Flugsportverein informiert auf
seiner Homepage nicht über sein Vorhaben. Es ist teilweise unklar, was der Verein will und
in welchem Umfang er damit berechtigte Belange der Anwohner beeinträchtigt. Die
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Sitzungsvorlage ist als Information nicht ausreichend. Sie ist bezüglich des beantragten
Umfangs des Flugbetriebs unvollständig und zum Teil widersprüchlich.
Offenlegung des Genehmigungsentwurfs des Regierungspräsidiums.
Öffentliche Vorstellung und Diskussion der Pläne im Detail: Welche Maschinentypen
werden künftig zugelassen? Gibt es Beschränkungen bezüglich der Anzahl der Fluggeräte
und des Umfangs der Flüge unter der Woche?
Offenlegung der bisherigen Pachtbedingungen für die städtischen Grundstücke.
(Insbesondere Datum des Pachtvertrags, Nutzungsbedingungen/-auflagen, Laufzeit).
Nutzung der Einflussmöglichkeiten auf den Flugsportverein durch die Stadt als Eigentümerin
wesentlicher Teile des Geländes.
Gegenüber dem Regierungspräsidium sind die Belange der Anwohner und der
Erholungssuchenden zur Geltung zu bringen. Außerdem sollte gefordert werden, dass das
Regierungspräsidium einen Verfahrensweg wählt, bei dem die Bürgerinnen und Bürger
angehört werden, einen rechtsmittelfähigen Bescheid erhalten und damit gegebenenfalls
klagen können. Der Verweis auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben oder Zuständigkeiten
reicht nicht. Dazu ist die Genehmigungsbehörde ohnehin verpflichtet.
Nicht zugelassen werden sollte insbesondere:
o der Schleppflug mit Propellermaschinen
o der Betrieb von Propellermaschinen generell (d. h. auch im Nicht-Schleppbetrieb)
o der Betrieb von Luftsportgeräten, insbesondere Ultraleichtflugzeugen
o der Betrieb von Luftfahrzeugen zum Absetzen von Fallschirmspringern,
o der Betrieb motorisierter Modellflugzeuge.
Insgesamt ist für uns unverständlich, dass über ein Vorhaben, das die Belange von zahlreichen
Einwohnern in erheblichem Umfang tangiert, bisher weder von der Stadtverwaltung noch vom
Verein öffentlich über die Inhalte des Antrags oder der beabsichtigten Genehmigung informiert
wurde. Gerade deswegen wünschen wir uns von den kommunalen Gremien, dass sie Ihre Rolle als
Entscheidungsträger zum Wohl der Anlieger des Fluggeländes nutzen.
In mehreren Telefongesprächen zwischen einem der Unterzeichner dieses Briefes mit dem für
Luftverkehr zuständigen Referat des Regierungspräsidiums konnte nicht geklärt werden, auf welcher
Rechtsgrundlage dieses das Genehmigungsverfahren durchführt. Das Regierungspräsidium war
bisher offenbar der Auffassung, dass durch die Einführung des Motorflugbetriebs Rechte anderer
nicht beeinflusst würden und daher keine Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich sei. Nach Auskunft
vom 14.9. sei aber noch nicht abschließend entschieden, ob nicht doch ein förmliches Verfahren mit
Offenlegung der Unterlagen und Anhörung der Öffentlichkeit durchgeführt werde. Bisher jedenfalls
hatten die Bürgerinnen und Bürger keinerlei Möglichkeiten ihre Belange formell vorzutragen. Da also
völlig offen ist, ob den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt eine Möglichkeit eröffnet wird, sich in
einem rechtsförmlichen Verfahren zu äußern, kommt dem Beschluss des Technischen Ausschusses
entscheidende Bedeutung zu. Mit diesem Beschluss wird über die Stellungnahme der Stadt
gegenüber dem Regierungspräsidium entschieden. Diese Stellungnahme der Stadt an das
Regierungspräsidium ist die einzige rechtsförmliche Möglichkeit, der in der Bevölkerung deutlich
vorherrschenden Ablehnung des Motorflugs Gehör zu verschaffen.
Wir sind uns bewusst, dass die Stadt „nur“ als Träger öffentlicher Belange gehört wird und formal das
Regierungspräsidium entgegen der Stellungnahme der Stadt entscheiden könnte. Wir halten es aber
für sehr unwahrscheinlich, dass sich das Präsidium in dieser Angelegenheit über ein eindeutiges
Votum der Großen Kreisstadt Vaihingen an der Enz hinwegsetzen würde.
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Das in der Anlage beigefügte Flugblatt wird in den nächsten Tagen im Stadtgebiet verteilt. In ihm sind
unsere Argumente und Forderungen in komprimierter Form zusammengestellt. Nach den zahlreichen
Rückmeldungen, die wir in den letzten Tagen erfahren haben, sind wir davon überzeugt, dass in
Kenntnis dieser Informationen noch viel mehr Bürgerinnen und Bürger unser Anliegen unterstützen
werden. Die breite Mehrheit will keinen Motorflug über unserer Stadt und dem Weitfeld.
Mit freundlichen Grüßen
gez.:
Günter Fischer, Ulla Haug-Rößler, Bettina Marx, Dr. Jürgen Marx, Ottmar Rößler, Jutta Schlag-Fischer
1 Anlage
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