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Sächsisches Staatsministerium des Innern
GRUßWORT DES MINISTERS
Die Staatsregierung verleiht 2004 ein weiteres Mal den Sächsischen
Staatspreis für Baukultur, um vorbildliches Planen und Bauen angemessen zu würdigen.
Das Sächsische Staatsministerium des Innern stellt den diesjährigen
Staatspreis bewusst unter das Thema „Stadtmaßstab Mensch – Neues
Leben für Industriedenkmale“ um das Augenmerk auf den zeitgemäßen Umgang mit wertvoller Industriebausubstanz zu lenken. Erwartet
wurden beispielhafte Lösungen, die unter Bewahrung der grundlegenden Elemente des baukulturellen Erbes Zukunftsbeständigkeit aufweisen. Neben den bedeutsamen Industriebauten im städtischen Bereich
sollte auch die Denkmalsubstanz der so genannten „Industriedörfer“
Beachtung finden.
Mit dem Staatspreis 2004 wurde das so genannte „Stelzenhaus“ –
ehemals Wellblechwalzwerk – ausgezeichnet. Sowohl die besondere
Bedeutung des „Stelzenhauses Leipzig“ als Industriedenkmal im Sanierungsgebiet Leipziger Westen als auch die qualifizierte Herangehensweise bei der Entwicklung der funktionalen und gestalterischen Lösung
der Aufgabe, überzeugten das Preisgericht. Die prägnante und funktionale Architektur des „Stelzenhauses“ ist zu einem unverwechselbaren
und wichtigen Bestandteil der industriell geprägten Kulturlandschaft
entlang des Karl-Heine-Kanals geworden.
Die Vergabe des diesjährigen Staatspreises anlässlich der Europäischen
Messe für Restaurierung, Denkmalpflege und Stadterneuerung –
denkmal 2004 ist mit der Hoffnung verbunden, dass künftig zahlreiche
ähnliche Projekte zur Zukunftsfähigkeit wertvoller Industriebausubstanz
im Freistaat Sachsen beitragen.
Horst Rasch
Sächsischer Staatsminister des Innern
DER PREISTRÄGER
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FÜR
BAUKULTUR
2004
STADTMA ß STAB MENSCH –
NEUES LEBEN
FÜR INDUSTRIEDENKMALE
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STELZENHAUS LEIPZIG
Entwurfsverfasser:
Weis & Volkmann Architektur, Leipzig
Bauherr:
SKS Projektentwicklungs-Gesellschaft mbH
ein Unternehmen der MIB AG Immobilien und
Beteiligungen, Leipzig
Bauunternehmen:
KW-Baugesellschaft mbH, Leipzig
Im hoch industrialisierten Leipziger Westen
war schon in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts das Bauland rar. Diese Platznot veranlasste den Architekten Hermann
Böttcher den Neubau einer Fabrik zur
Zinkblechherstellung in den Bogen des KarlHeine-Kanals hineinzuschieben. Mit Hilfe
einer Stahlbetonkonstruktion konnte die
Böschung überbrückt und die Gründung
direkt bis an die Uferkante geführt werden. Da die Böschung relativ hoch war,
ergaben sich lange Stahlbetonstützen auf
der Wasserseite, die Anlass waren, das
Gebäude Stelzenhaus zu nennen. Bald ein
stadtbekanntes Markenzeichen.
Mit der Renaturierung des Karl-Heine-Kanals zu Beginn der neunziger Jahre und
der damit einhergehenden Wandlung des
Industriestandortes Plagwitz zum bevorzugten Gebiet für Wohnen, Arbeit, Freizeit,
erkannte man die städtebauliche Bedeutung des inzwischen leer stehenden Industriebaus. Dieses Betriebsgebäude der Firma Grohmann und Frosch gilt als herausragendes Architekturzeugnis der klassischen
Moderne.
Sowohl die besondere Bedeutung des
Objektes als Industriedenkmal im Sanierungsgebiet Leipziger Westen, als auch
die qualifizierte Herangehensweise bei der
Entwicklung der funktionalen und gestalterischen Lösung der Aufgabe, überzeugten das Preisgericht.
Die Arbeit wurde aus dem Kreis der Beiträge der „Engeren Wahl“ mit
dem Sächsischen Staatspreis für Baukultur 2004 ausgezeichnet.
Mit der Auszeichnung sollen das Ergebnis und die Qualität der Zusammenarbeit von Bauherren, Architekten und Ingenieuren und den Bauausführenden gewürdigt werden.
Die Mitglieder des Preisgerichtes waren sich darüber einig, dass die
Qualität der Zusammenarbeit der am Bau Beteiligten ein wesentliches
Indiz für die Bewahrung und Förderung der Baukultur ist.
Erläuterungen zum Objekt:
Der gesamte Komplex musste grundlegend saniert, die Klinkerfassaden und auch sämtliche Betonelemente gereinigt und materialgerecht
ausgebessert werden. Das Dach wurde entsprechend der historischen
Dachkonstruktion erneuert und neue Fenster eingebaut. Bemerkenswert der sensible Umgang mit einer markanten Industriestruktur, die
durch zurückhaltende Eingriffe für eine zeitgemäße Wohn- und Gewerbenutzung entwickelt wurde.
Zwischen denkmalpflegerischen Auflagen und neuen Nutzungsinteressen
(zusätzliche Geschossflächen und größere Fenster) wurde ein geschickter Ausgleich gefunden. Die herausragende Lage am Kanal mitten im
Stadtgebiet wurde mit großem Erfolg genutzt und zum Gewinn des
gesamten Viertels ausgebaut.
Die Neubelebung der alten Industrieruine hat sowohl durch die neuen
Arbeitsplätze als auch durch die Wohnungsmieter und das gastronomische Angebot mit hohem Freizeitwert einen attraktiven Ort entstehen
lassen. In der Halle 1 entstanden Ateliers mit Flächen zum Wohnen und
Arbeiten. Jedes Atelier erhält einen direkten Zugang von außen, über
den der Raum, unterteilt in EG, OG und Dachterrasse, erschlossen wird.
Fenster zum Kanal mit ca. 4 m Breite und 4,5 m Höhe, sowie großflächig angelegte Dachverglasungen. Im Gleiskopf entstand ein Büroraum
mit anteiliger Galerieetage und einer weiteren Etage mit vollständiger
Glasfassade zwischen den Betonsäulen. Erschlossen wird diese Einheit
durch einen großzügig verglasten Eingangsbereich im EG. Die Halle 2
wurde wie der Gleiskopf zwischen den Stelzen um eine gläserne Etage
ergänzt. Es wurden hier Büroeinheiten konzipiert, sämtlich direkt vom EG zugänglich.
Anteilig erstrecken sich die Büros über drei
Etagen. Eine Dachverglasung sorgt im OG
für intensive Belichtung, die Glasetage wird
über die Reflexion des Wassers erhellt.
Auf der Hofplattform als bisher unbebaute
Fläche entstand ein gläserner Gastronomiepavillon. Dieser bedient den Freisitz und
nimmt gleichzeitig das Treppenhaus zur
Glasetage unter der Plattform auf. Dort
entstand eine einzigartige Fläche mit vollständiger Glasfassade zum Wasser und
zusätzlichen Oberlichtern in der Plattform.
Das Restaurant ist direkt vom Park und
über eine Freitreppe zum Bootsanlegesteg,
vom Kanal zugänglich. In der zugehörigen
freistehenden Villa entstanden drei großzügig belichtete Einheiten zum Wohnen und
Arbeiten. Neben Stellplätzen für PKW und
Fahrrädern erhielt das Grundstück zwei
Bootsanlegestege am Karl-Heine-Kanal für
Bewohner und Besucher. Eine Außentreppe mit Abgang zwischen Halle 1 und Gleiskopf schafft einen zusätzlichen Zugang zum
Wasser.
Diese Mischung aus Gastronomie, modernem Wohnen und kreativem Gewerbe im
Stelzenhaus wird einen wichtigen Beitrag
zur Vitalisierung des Stadtviertels leisten.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte die Restaurierungsarbeiten bereits
2000 mit rund 62.000 Euro.
STELZENHAUS LEIPZIG
Historische Darstellung der Wellblechfabrik der
Firma Grohmann & Frosch im Baujahr 1939
Die Kanalseite vor dem Umbau
Wuchtige Betonstützen tragen die klinkerverkleideten, schmucklosen
Riegel dieses Reliktes der Schwerindustrie. Das ehemalige Wellblechwalzwerk ragt über das steile Kanalufer hinaus.
Das Gebäude in Leipzig-Plagwitz, auch als Stelzenhaus bekannt geworden, wurde 1939 als Verzinkerei und Wellblechwerk der Firma Grohmann
und Frosch auf dem Grundstück Weißenfelser Straße 65 errichtet und
nach 1945 vom VEB Bodenbearbeitungsgeräte genutzt. Es gilt als
hervorragendes Beispiel für Industriearchitektur der klassischen Moderne.
Alle Gebäudeteile – Halle 1, Gleiskopf, Halle 2, Plattform standen vor
der Umnutzung leer. Heute wird das Gebäude vorrangig gewerblich
genutzt, in der ehemaligen Halle 1 sind 4 Wohneinheiten entstanden.
Luftbild mit Zustand heute
Innenansicht einer Gewerbeeinheit
Ansicht Hofseite
Schnitt Gleiskopf: Gewerbe
Zwischen die Stelzen wurde gedankenlos eine
große Menge Zink-, Kadmium- und Bleistaub
gekippt. Nach der Dekontaminierung.
Ansicht Kanalseite
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FACHHOCHSCHULE ZITTAU-GÖRLITZ
Nach dem Umbau entstanden zehn Gewerbeeinheiten zwischen 100 und 400 Quadratmetern, vier Wohnungen und ein Restaurant.
Unterhalb der Erdgeschosse wurde ein
durchlaufender, gläserner Kasten zwischen
die Stelzen gehängt, was den Schwebezustand betont. Unter der so genannten Plattform entstand das Restaurant „Stelzenhaus“, das zu einem beliebten Ausflugslokal für die Leipziger geworden ist. Der Ort
verfügt über einen direkten Anschluss an
den Karl-Heine-Kanal mit Bootsanleger.
Der haldenartig zwischen den Stelzen und
neben der Plattform abgelagerte Zinkstaub
wurde aufwändig entsorgt. Das Objekt wurde bis auf wenige Eingriffe in seine vorhandene Substanz in einen originalgetreuen
Zustand versetzt. Die alten Stahlfenster wurden durch neue, thermisch getrennte Stahlbzw. Aluminiumfenster ersetzt. Dabei wurde die optisch nach außen wirksame Profilstärke minimiert, um das vorhandene
Fassadenbild in gleicher Fensteraufteilung
wieder herzustellen. Die Vergrößerung der
Fenster im Nordflügel trägt zur Stärkung
der Authentizität bei. Die innenliegenden
tragenden Stahlkonstruktionen wurden
sichtbar erhalten und nach statischen Erfordernissen saniert, gereinigt und gestrichen. Das „landseitige“ weit auskragende
Vordach erhielt zur besseren Belichtung eine
Verglasung.
Die prägnante und funktionale Architektur
des Stelzenhauses ist zu einem unverwechselbaren und wichtigen Bestandteil der industriell geprägten Kulturlandschaft entlang
des Karl-Heine-Kanals geworden.
Der Baubeginn erfolgte im Jahr 2000, die
Fertigstellung des Umbaus wurde 2003
abgeschlossen.
Aufzug
Plattform
Innenansicht des Restaurants „Stelzenhaus“
BESONDERE ERWÄHNUNG
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FROM COTTON TO CULTURE –
NEUES LEBEN IN DER BAUMWOLLSPINNEREI
Entwurfsverfasser:
Michael Wetzelt Architektur, Leipzig
Bauherr:
Leipziger Baumwollspinnerei,
Verwaltungsgesellschaft mbH
Bauunternehmen:
Kaiser GmbH, Gesellschaft für Baumanagement, Leipzig
Der im 20. Jahrhundert größten Baumwollspinnerei des Kontinents, einem
gigantischen Komplex von Gebäuden hervorragender Architektur, galt es, neue
Nutzungen und damit neues Leben zu vermitteln. Denn nach der politischen
Wiedervereinigung Deutschlands musste dieses hochbedeutsame Zeugnis der
Industriegeschichte aufgelassen werden.
Dieser Aufgabe ungewöhnlicher Dimension hat sich nicht ein Großinvestor oder eine
Bauträgergesellschaft, sondern letztlich eine für den Standort engagierte, weil motivierte Bürger-Öffentlichkeit gestellt. Und dies mit hervorzuhebendem Erfolg!
Unter dem Motto „From cotton to culture – neues Leben in der Baumwollspinnerei“ haben Planer und Handwerker, Künstler, Dienstleister und Lageristen,
Wohnungssuchende, Gastronomen, Veranstalter, ABM-Mitarbeiter und andere
Beispielhaftes geleistet. Eine Vielzahl alternativer, sich aber auch ergänzender
Nutzungen wurden, an Maßstab und Bedürfnissen des Menschen orientiert, im
Industriedenkmal etabliert. Konzeptionell wurde alles Bemühen nach einem
Masterplan auf die für das Gemeinwesen konstitutiven Aspekte Kultur, Bildung
und Kunst ausgerichtet und von den Nutzern angenommen. Die baulichen
Strukturen sind inzwischen weitgehend gesichert, behutsam saniert und durch
schonende Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen heutigen Anforderungen
angepasst, ein zeitgemäßes Wegeleitsystem, Parkstellflächen und neue
Freiflächengestaltung eingeschlossen.
In dem Vorhaben sieht die Jury ein herausragendes Beispiel, wie der Erhalt
eines so umfänglichen, städtebaulich unverzichtbaren Industriedenkmales auch
durch bürgerschaftliches Engagement Gewähr leistet werden kann. Es steht im
angebrochenen Jahrhundert der Reparaturen nach jahrzehntelangem ungehemmten Flächen- und Ressourcenverbrauch für nunmehr verantwortungsbewussten, nachhaltigen Umgang mit dem uns Überkommenen. Die Baumwollspinnerei darf Modell für die Lösung anstehender Generationsaufgaben genannt werden.
Die vorliegende Arbeit ist ein wegweisender Beitrag dafür, ungenutzte Industriedenkmale unter Wahrung der grundlegenden Elemente des baulichen Erbes
mit neuem Leben zu erfüllen. Ungeachtet der Standortbesonderheiten findet
sich für unsere sächsische Planungs- und Baukultur viel Vorbildliches, Veröffentlichungs- und Nachahmenswertes.
Mit dieser Beurteilung verleiht die Jury dem Bewerbungsgegenstand das Prädikat „Besondere Erwähnung“!
FROM COTTON TO CULTURE – NEUES LEBEN IN DER BAUMWOLLSPINNEREI
So einzigartig wie die Geschichte der Leipziger Baumwollspinnerei ist
auch ihre Gegenwart. Gegründet 1884 erwarb die Gesellschaft ein 6 ha
großes Areal am Karl-Heine-Kanal das bis 1921 zur größten Spinnerei
des Kontinents mit ca. 100.000 m² Bruttogeschossfläche ausgebaut
wurde. Die Anlage ist perfekt durchdacht: In unmittelbarer Nähe der
Produktionshallen befanden sich Arbeiterwohnungen und eine Erholungssiedlung. Die vierstöckigen Produktionshallen waren und sind architektonische Meisterleistungen, deren Etagenhöhen und Fenstergrößen genau
auf eine Belichtung bis tief ins Innere der Gebäude abgestimmt sind. Die
soliden Backsteinmauern und die filigran anmutenden gusseisernen
Kastenfenster unterbieten selbst bei Deckenhöhen zwischen 4,30 m
und 5,40 m die Heizkosten einer umfassend sanierten Altbauwohnung.
Seit 1992 hat sich in der Anlage eine schrittweise Umnutzung einzelner
Flächen vollzogen. Günstige Mieten und ein nahezu unbegrenztes Angebot an attraktiven Flächen haben bis zum heutigen Tage Künstler,
Handwerker, Bildungseinrichtungen, Büros, Dienstleistungsgewerbe,
Designwerkstätten, Wohnateliers, Lagerhaltung, Veranstaltungsgastronomie und Kulturevents auf dem Gelände etabliert.
Diese einmalige Nutzungsvielfalt soll auch in Zukunft Vorbild für die
Erschließung und schonende Sanierung weiterer Produktionshallen der
Baumwollspinnerei sein.
Vorhandene Strukturen werden gepflegt und ausgebaut. Besonderes
Augenmerk wird der inneren Erschließung mit den Themen PKW-Stellplätze, Wegeleitsystem und Teilbegrünungen gewidmet.
Kunst, Kultur und Bildung sehen wir als die wichtigsten Eckpfeiler für die
weitere Entwicklung des Anwesens.
Entwurf / Projekte
Die Entwicklung der Leipziger Baumwollspinnerei zu einer lebenden
Stadt ist für den Wettbewerbsteilnehmer ein Prozess, der sich in unterschiedlichen Einzelschritten darstellt. Das Ziel, die hervorragende histo-
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rische Bausubstanz mit Nutzungen und
damit Leben zu füllen und somit ihren Erhalt langfristig zu sichern, wird sowohl durch
schonende Sanierungs-, Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen und als auch durch
Vermarktung und das Herstellen von Öffentlichkeit vorangetrieben. Für die Teilnahme am Wettbewerb ist es daher nicht sinnvoll, einzelne Maßnahmen herauszugreifen und darzustellen, da dadurch die Komplexität der Aufgabe ein gesamtes ehemaliges Fabrikareal nach heutigen Maßstäben umzunutzen, verfälscht würde.
Denkmalschutz bedeutet hier hauptsächlich, den Erhalt der historischen Substanz
durch Füllen mit unterschiedlichen, sich
gegenseitig ergänzenden Nutzungen zu sichern, Sanierungsmaßnahmen sowohl
denkmal- als auch nutzergerecht durchzuführen.
Stadtmaßstab Mensch
Dieses Motto ist wohl für kaum ein anderes
Projekt so zutreffend, wie für die Leipziger
Baumwollspinnerei. Gebaut als Stadt in der
Menschen arbeiteten und lebten, ist ihre
bauliche Hülle heute noch gegenwärtig und
ein Vermietungsstand von über 40 % zeigt,
dass auch der Mensch hier wieder seinen
Platz beansprucht. Vergleiche mit ähnlichen
Projekten sind in Deutschland kaum mög-
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lich, international lassen sich Parallelen mit
Projekten wie Mass MoCa in North Adams
(USA) oder The Baltic in Gateshaed-OnTyne (BG) ziehen.
Maßgebend für das Ziel, alle Flächen zu
beleben, ist ein Masterplan, nach dem seit
ca. 2 Jahren bei der Entwicklung des Areals gearbeitet wird.
Kaum eine Nutzung bleibt für das Gelände
ausgeschlossen. So existieren heute Büros
und Ateliers von Kreativen wie Architekten
und Designern, Künstlerateliers, Werkstätten von Bauunternehmen und Handwerkern, gastronomische Einrichtungen und
Eventlocations und ruhige Wohnnutzungen
nebeneinander, ohne sich gegenseitig negativ zu beeinflussen.
ENGERE WAHL
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ALTENPFLEGEHEIM IN DER ALTEN MÄLZEREI
Entwurfsverfasser:
Bauplanung Sachsen - Architekturbüro
Steinbrück + Möhlenhoff, Dresden
Bauherr:
Wohnpflege Dresden GmbH - poli care, Dresden
Bauunternehmen:
Dipl.-Ing. H. Bendl
Hoch- und Tiefbau GmbH Sebnitz
Ein Mälzereigebäude aus dem Jahre 1887 und das zugehörige
Fabrikantenwohnhaus von 1844 wurden für die neue Nutzung als Altenpflegeheim umgebaut. Die Gebäude stehen in Dresden-Kleinzschachwitz,
in der Nähe des Lockwitzbaches, in einem von Villen und offener Wohnbebauung mit viel Grün und Gärten geprägten Stadtteil Dresdens.
Besonders positiv hervorzuheben, ist die baugestalterisch geglückte
Einordnung der zwei zusätzlichen Wohnhäuser zur historischen Bausubstanz. Durch die Anpassung an die vorhandenen historischen
Baukörperformen, wie Gebäudehöhen, Dachform, Dachneigung, Dachdeckung und die Gliederungen der Fassaden als Lochfassade, Heraushebung der Fenster durch Gewände und Erker, Fortführung der Simse,
durch die Fassadengliederung der Giebel, alles in moderner zeitgemäßer Formensprache, korrespondieren die Neubauten mit ihren modernen Materialien hervorragend mit den denkmalgerecht sanierten Altbauten. Sie bilden ein geschlossenes städtebauliches Ensemble um
den neu gestalteten Eingangshof und im rückwärtigen Bereich zum
naturbelassenen Lockwitzbach.
Bei der Sanierung des Mälzereigebäudes wurden die historischen Bauteile, wie gusseiserne Säulen, Gewölbe, Holzkonstruktionen, Ziegelund Sandsteinmauern freigelegt, mit vorhandenen Materialien teilweise ergänzt und in die Gestaltung der Gemeinschaftsräume, Flure und
Treppenhäuser unter Beachtung besonderer Brandschutzanforderungen
integriert.
Erwähnt werden muss die gute Zusammenarbeit mit dem Baubetrieb
und die zügige Fertigstellung trotz Überflutung durch das Jahrhunderthochwasser 2002 zu Beginn der Bauphase. Die bauliche und haustechnische Ausbildung im Untergeschoss, im Küchenbereich, im Lagerbereich berücksichtigt nunmehr auch den Hochwasserkatastrophenfall.
Die Gesamtanlage überzeugt durch ihre funktionelle und baugestalterische Qualität sowie die solide Bauausführung.
ALTENPFLEGEHEIM IN DER ALTEN MÄLZEREI
Denkmalgerechte Sanierung des historischen, denkmalgeschützten
Mälzereigebäudes durch Wiederherstellung der originalen Architektur
des Baujahres 1887 bei Erhaltung bzw. Wiedergewinnung der ursprünglichen Raumstruktur. Die Einordnung der neuen Funktion des Gemeinschafts- und Sozialbereiches des Heimes unter Sichtbarmachung der
ursprünglichen Funktion des ehemaligen Industriegebäudes gelang
durch die Beibehaltung und Herausarbeitung der charakteristischen
historischen Bauteile (Gusseisenstützen, Kappengewölbe, historisches
Sandstein- und Ziegelmauerwerk und historischer Dachstuhl).
- denkmalgerechte Sanierung des historischen Wohnhauses durch
Wiederherstellung der originalen Architektur des Baujahres 1844/
1916 nach Befund und historischen Bauplänen
- Wiederherstellung des ursprünglichen Hofcharakters durch Errichtung von zwei neuen Wohnflügeln in traditionsbewusster und standorttypischer Gestaltung (Lochfassade, feinplastische Differenzierung,
Werkstein, Satteldächer mit Biberschwanzdeckung)
- straßenseitiger Abschluss des Hofes durch geschlossene Sandsteineinfriedung mit bewusst ausgebildeter Torsituation in axialer Ausrichtung auf das historische Mälzereigebäude
- Beibehaltung der naturnahen Ufervegetation entlang des Lockwitzbaches, Renaturierung durch Schaffung eines rückwärtigen Grünbereiches im Anschluss an das Landschaftsschutzgebiet „Altelbarm“
durch Abriss der vorhandenen Schuppen, Werkstätten und Garagen
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Funktion
- Altenpflegeheim mit 60 Plätzen,
Wohngruppenprinzip mit großzügigen
Gemeinschaftsräumen in jedem Geschoss des historischen Mälzereigebäudes sowie in mehreren Terrassenbereichen, im Mehrzwecksaal, Küchenbereich und Therapiebereich
- Gemeinschafts- und Sozialtrakt in historischer Mälzerei, 44 Wohnungen für
eine Person und 8 Wohnungen für zwei
Personen in den beiden neuen Wohnhäusern und im historischen Wohnhaus
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KULTURHAUS SCHLOSS GROßENHAIN
Entwurfsverfasser:
Springer Architekten, Berlin
Bauherr:
Stadt Großenhain
Bauunternehmen:
Bauunternehmen Morgenrot GmbH Großenhain
Auf den ersten Blick fällt es schwer, die Worte Schloss und Industriedenkmal miteinander verbinden zu können. In Großenhain offenbart
ein genaueres Hinschauen, dass sich hinter dem jetzigen Kulturschloss
mit dem bis 1969 als Ofenfabrik genutzten Gebäude eines der ältesten
Industriebauten Sachsens verbirgt.
Brachgefallen und gut durchgrünt hielt das Denkmal seinen Dornröschenschlaf. Der verwunschene Anblick und die exponierte Lage am
Rande der Altstadt halfen den Großenhainern, sich jederzeit mit ihrem
Schloss zu identifizieren.
Wiedererweckt wurde es mit der Landesgartenschau 2002. Von angrenzenden Nebengebäuden befreit und einseitig entkernt, entstanden außen und innen öffentliche Räume mit hoher Qualität.
Überzeugend ist der Einklang von Alt und Neu. Der Bestand zeigt offen
die Narben der Geschichte. Ergänzungen der Gebäudehülle und funktional notwendige Einbauten sind sensibel eingefügt, ohne ihren Zeitgeist zu verleugnen. Konstruktive Eingriffe beschränken sich auf das
Notwendige.
Details bestechen mit ihrer einfachen Eleganz und ihrer guten handwerklichen Ausführung.
Das gebaute Ergebnis sowie die kurze Planungs- und Bauzeit von zwei
Jahren sprechen für ein gutes Miteinander zwischen allen am Bau
Beteiligten.
Die freie Grundrissgestaltung und die anpassungsfähigen Haustechnikanlagen erlauben eine sehr flexible aber auch kostengünstige Nutzung
des Gebäudes.
Damit besticht nicht nur die Architektursprache mit ihrer Sparsamkeit.
Geeignet für Veranstaltungen unterschiedlichster Ansprüche ist ein Ort
der Kultur entstanden, welcher dem Maßstab der Stadt gerecht wird.
Mit Berechtigung kann festgestellt werden, dass das Schloss für und
durch die Menschen vor Ort lebt.
KULTURHAUS SCHLOSS GROßENHAIN
Ruine vor dem Umbau
Carl-Maria-von-Weber-Allee
Burggraben
Städtebau / Gestaltung
Die suggestive räumliche Qualität der eindrucksvollen Ruine einer der
ältesten Industriebauten in Sachsen war der Auslöser für die Entscheidung, im Rahmen der Landesgartenschau 2002 hier ein neues Kulturzentrum für die Stadt einzurichten. In der schon seit längerem gebräuchlichen und dennoch historisch eigentlich nicht korrekten Bezeichnung ‚Schloss’ kommt die besondere Identifikation der Bürger mit
diesem wichtigen Ort in ihrer Stadt zum Ausdruck. Dies war sicher auch
einer der Gründe für die große Begeisterung, mit der dieses ungewöhnliche Projekt in der Öffentlichkeit von Beginn an unterstützt wurde. Für
die Stadt Großenhain wurde ein öffentlicher Ort neu (wieder)gewonnen,
der den gewachsenen Stadtgrundriss an einer wichtigen Stelle bereichert.
Die als zeitgemäße Intervention erkennbare und dennoch in ihrer Form
sehr zurückhaltende Reparatur und Ergänzung der Ruine, bewahrt die
räumliche und die atmosphärische Qualität der Ruine. Dennoch, oder
vielleicht gerade deswegen, entstand in sehr selbstverständlicher Weise ein Spielort, der einen angemessenen offenen Rahmen für die sehr
vielfältige kulturelle Nutzung des neuen Hauses bildet.
Funktion
Das Freihalten des gesamten Gebäudegrundrisses auf der Saalebene
ermöglicht ein außerordentlich breites Veranstaltungsspektrum, das
von klassischen Konzerten im Grossen Saal bis zu (den in Grossenhain
traditionellen) Karnevalsveranstaltungen, von konzentrierten Theaterabenden bis zu geschäftigen Seminarveranstaltungen reicht. Die Aus-
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stattung mit beweglichen Podesten am
Boden und mit einer technischen Decke
über die gesamte Fläche des Großen Saales bietet ausgezeichnete Voraussetzungen
auch für höherrangige Aufführungen. Die
hervorragende Akustik kann durch bewegliche Absorberflächen in der technischen
Decke den unterschiedlichen Anforderungen für Konzert- oder Sprechtheaterveranstaltungen angepasst werden. Nicht zuletzt
die akustische Qualität macht das Haus zu
einem bevorzugten Spielort der ElblandPhilharmonie. Die begehbare technische
Decke erlaubt zudem eine problemlose
Veränderung der bühnentechnischen Einrichtungen für sehr spezielle Veranstaltungen und erleichtert die Anpassung an zukünftige technische Entwicklungen.
Konstruktion und Innovation
Mit einem klaren konstruktiven System aus
wenigen Einbauten in Ortbeton und einem
von der bühnentechnischen Nutzung bestimmten Stahl-Tragwerk werden die für
die neue Nutzung benötigten, großzügigen
Räume geschaffen. Zugleich sichern die
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Einbauten die Standfestigkeit der zuvor einsturzgefährdeten Ruine. Eine Besonderheit
ist der Wiedereinbau historischer Sandsteinsäulen im Foyer: Nach eingehender
Prüfung ihrer Belastbarkeit tragen diese Säulen heute den Boden des Großen Saales.
Das gestalterische Prinzip des selbstverständlichen Nebeneinanders historischer
und neuer Bauteile kommt beispielhaft in
der Ausbildung der Fensterleibungen zum
Ausdruck: Neu und speziell für dieses Vorhaben entwickelte Ziegelelemente erlauben den zurückgesetzten Einbau der neuen Fenster. Die Öffnungen erinnern an das
Bild der Ruine vor dem Umbau; zugleich
wird das bauphysikalische Problem des
Wärmedurchgangs an der Leibung beim
Einbau hoch-wärmedämmender Fenster in
historische Außenwände gelöst.
Weniger sichtbar aber gleichwohl von entscheidender Bedeutung sind die Innovationen bei der haustechnischen Ausstattung. Die durch den Bestand extrem begrenzten räumlichen Bedingungen, machten eine außerordentlich spezielle Installation der heute notwendigen Heizungs- und
Lüftungsanlagen mit vielen Sonderkonstruktionen erforderlich. Modernste Anlagentechnik und konsequenter Wärmeschutz bei
allen neuen Bauteilen tragen im Zusammenwirken mit den enormen Wandstärken des historischen Mauerwerks dazu bei,
dass der Niedrigenergie-Standard deutlich
unterschritten wird.
Umgang mit Ressourcen
Nur durch eine von Anfang an enge und
sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi-
Gardarobenhalle
Frauengasse
Kleiner Saal
schen allen beteiligten Ingenieuren und dem Bauherrn konnte ein
derart komplexes Vorhaben in einer Planungs- und (!) Bauzeit von
knapp über zwei Jahren im vereinbarten Kostenrahmen verwirklicht
werden. Zu diesem Erfolg trug die hier als Mitbewerber auftretende
Firma Morgenrot durch ihr Engagement bei der Bewältigung der Schwierigkeiten, die sich im Umgang mit dem historischen Mauerwerk zwangsläufig ergaben, maßgeblich bei. Neben der Vergabe des überwiegenden Teils der Bauleistungen (>80 %) an kleine und mittlere sächsische Unternehmen verdient die Verwendung des Meißener Ringofenziegels für die Ergänzungen und für das Nebengebäude besondere
Erwähnung.
Weinkeller
Grundriss Eingangsgeschoss
Grundriss Saalgeschoss
Längsschnitt
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SANIERUNG WASSERTURM EILENBURG
Entwurfsverfasser:
Ing.-Büro Röder, Doberschütz
Bauherr:
Große Kreisstadt Eilenburg
Bauunternehmen:
Fa. Dr. Waldenburger-Bausanierungen, Haselbach
Im Rahmen der Umwidmung des Standortes des ehemaligen Chemiewerkes
Eilenburg zum Industrie- und Gewerbegebiet „Kunststoff-Center“ wurde der
in den Jahren 1915/16 in Stahlbetonweise erbaute Wasserturm saniert und in
Teilen umgenutzt. Der 60 m hohe Turm war letztmalig im Jahr 1950 instandgesetzt worden. Er befand sich zu Sanierungsbeginn im Jahr 2000 in einem
äußerst schlechten baulichen Zustand.
Während einerseits der Wasserturm mit seiner ursprünglichen Funktion nicht
mehr benötigt wurde, war andererseits die Anlage eines Löschwasserbehälters
für das Industrie- und Gewerbegebiet notwendig. Aus diesem Grunde entschloss
sich die Stadtverwaltung Eilenburg, den Wasserturm zu sanieren und das
Löschwasser-Reservoire im unteren, dem 500 m³ großen Behälter des Wasserturms anzuordnen. Damit war die wirtschaftliche Voraussetzung für die
Erhaltung des dominanten Stadtbild prägenden Turmbauwerkes gegeben. Die
Dachkonstruktion des Kegelschalendaches, die vom Einsturz bedroht war,
wurde erneuert, der Turmschaft denkmalgerecht saniert.
Durch die Neunutzung gelang es, den Wasserturm unter Beibehaltung des
optischen Erscheinungsbildes als prägendes Wahrzeichen der Silhouette von
Eilenburg zu erhalten und ihn als ein bedeutendes Zeugnis der Eilenburger
Industriegeschichte zu bewahren. Die nicht mehr benötigten Funktionen des
Turminneren wurden entkernt, sodass der Turm für die Zukunft eine Reihe von
neuen Nutzungsoptionen bereithält. Während der untere Bereich des Turmes
den sanierten, 500 m³ großen Behälter für Löschwasser beinhaltet, wurden
im oberen Turmbereich Maßnahmen des Artenschutzes realisiert. So konnten
im Turmschaft 20 Nistplätze für Mauersegler eingerichtet werden.
Auch sollte der Turm weiterhin kommerziell als Netzknoten-Station der Telekommunikation Verwendung finden. In die obere Zylinderschale wurden Antennenanlagen von Mobilfunkbetreibern optisch nicht sichtbar eingefügt. Dies
geschah, indem an der Außenseite Schlitze eingelassen und wandbündig so
abgedeckt worden sind, dass sie optisch nicht wahrnehmbar sind und das
Erscheinungsbild des Turmes nicht stören. Damit wurde in besonders eleganter Weise diese Funktion in das historische Bauwerk integriert.
Planung und Realisierung erfolgten im Jahr 2003. Die Gesamtkosten beliefen
sich auf 1.597.500 Euro.
Die Jury würdigt die intelligente Neunutzung des Turmes bei gleichzeitiger
Wahrung seiner architektonischen Qualität.
SANIERUNG WASSERTURM EILENBURG
Vor der Sanierung, Südwestansicht
Schalung des Fertigteiles der Turmlaterne vor Ort
Fertiggestellte Turmlaterne
Aufsetzen auf die Dachkonstruktion
Baugeschichte
Der Wasserturm wurde im Jahre 1915/16 durch die Dykerhoff &
Widmann AG Dresden auf dem Gelände der damaligen Eilenburger
Celluloidfabrik als Brauchwasserspeicher und zur Stabilisierung des Wasserdrucks der Chemiefabrik errichtet. Der Turm verfügte über 3 Wasserbehälter (1 x 1500 m³ und 2 x 500 m³ Fassungsvermögen).
Besonders bedeutsam ist hierbei die Turmhöhe von 60,5 m über OK
Gelände sowie die Ausbildung des Tragwerkes und die Ausführung der
Konstruktion.
Das Tragwerk ist als reine Stahlbetonkonstruktion ausgeführt und zählt
zu den ersten, ganzheitlich in Stahlbeton ausgeführten Industriebauwerken seiner Zeit.
Der Turm wurde letztmalig ca. um 1950 instand gesetzt und befand sich
im Jahre 2002 vor Sanierungsbeginn in einem sehr schlechten baulichen Zustand.
Die Dachkonstruktion des Kegelschalendaches war vom Einsturz bedroht. Auf der Innenseite des Daches lag die Bewehrung in großen
Teilen frei. Der Beton der Außenhülle des Turmes war infolge Verwitterung und Betonkorrosion stark geschädigt.
A ufgabenstellung
- Sanierung des Wasserturmes unter Beibehaltung des optischen Erscheinungsbildes, als prägendes Wahrzeichen der Silhouette von Eilenburg, sowie die Erhaltung des Wasserturmes als bedeutendes Bauwerk
der Industriegeschichte am ehemaligen Chemie-Standort Eilenburg.
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- Entkernung des Turminneren.
- Nutzung des unteren 500 m³ Behälters
als Löschwasser-Reservoire für das neu
entstehende Gewerbe- und Industriegebiet am ECW-Wasserturm.
- Integration des Turmes in Maßnahmen
des Artenschutzes des Umweltamtes Delitzsch und des Sächsischen Landschaftspflegeverbandes.
- Kommerzielle Nutzung als NetzknotenStation für Telekommunikation.
- Sanierung unter Einsatz von 18 ABMKräften durch das bauausführende Unternehmen Dr. Waldenburger GmbH als
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, koordiniert durch die Regiestelle des Arbeitsamtes Leipzig (heute Bundesagentur für
Arbeit).
A usführung
- Neuherstellung des Tragwerkes des
Kegelschalendaches als Kombination aus
Stahl und Holz.
- Beton-Instandsetzung der Hüllfläche des
Turmes mit Spritzmörtel, bzw. -beton.
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Teilansicht Zylinderschale Dach
Industrie- und Gewerbegebiet „Kunststoff Center“ am ECW Wasserturm
Detail Brutplätze für Mauersegler
Freiliegende Bewehrung der Dachinnenseite
Nordostansicht
Ebene G-G, 1. Obergeschoss
Neue Dachkonstruktion
- Die Turmlaterne wurde als zweiteiliges
Stahlbeton-Fertigteil auf der Baustelle
hergestellt und mittels Kran montiert.
- Die in der Zylinderschale befindlichen
Antennenanlagen der Mobilfunk-Betreiber wurden an der Außenseite wandbündig mit GFK Verkleidungen abgedeckt
und stören das optische Erscheinungsbild des Turmes nicht.
- Im Turmschaft wurden 20 Nistplätze für
Mauersegler eingerichtet. Dazu wurden
je Ausfachung 2 Edelstahlrohre als Einflugöffnungen zu den Nistkästen hergestellt, welche von außen das optische
Erscheinungsbild des Turmes nicht beeinträchtigen.
In der Turmlaterne befinden sich weitere Nistplätze für Dohlen und Falken.
- Sanierung des 500 m³ Tiefbehälters als
Löschwasserspeicher für das Gewerbeund Industriegebiet.
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HOCHBAU SÜD DER BUNTGARNWERKE LEIPZIG
SANIERUNG UND UMNUTZUNG EINES INDUSTRIEDENKMALS
Entwurfsverfasser:
Gregor Fuchshuber & Partner - Freie Architekten, Leipzig
Bauherr:
Wohnungseigentümergemeinschaft WEG 055, Leipzig
Bauunternehmen:
Spezialbetonbau Pommer GmbH, Leipzig
Der Umbau der Buntgarnwerke Leipzig verknüpft Innovation und Tradition.
Dabei entwickelt die Anlage eine ganz besondere Atmosphäre. Das Gebäude wahrt von außen sein historisches Antlitz und offenbart sich zugleich im Inneren als gelungene Symbiose zwischen Alt und Neu. Der
mutige und konsequente Ausschnitt des Innenhofes aus dem gebauten
Gefüge zeigt die Flexibilität des alten Konstruktionssystems und haucht
dem Gebäude gleichzeitig den Atem der heutigen Zeit ein.
Das Gebäude wird im Inneren zur Bühne des Modernen, Zeitgemäßen. Die
Rahmenbedingungen des Bestands wurden dabei effektiv ausgefüllt. Die
Nutzungseinheiten, Wohnungen mit Mezzaningeschoss, sind passgerecht
in das Stützenraster eingefügt. Fünf Meter Raumhöhe des Industriebaus
lassen in den Nutzungseinheiten zwei Wohnebenen an der Innenhofseite
zu, während über Galerie und Luftraum im Wohnzimmer die ehemalige
Höhe der Fertigungsräume erlebbar bleibt. Die nach altem Vorbild nachgebauten Fenster vermitteln auf Grund ihrer großen Belichtungsflächen
Großzügigkeit und durch ihre Form Individualität.
Die sinnvolle Ergänzung von Vorhandenem mit Neuem, dazu die sensible
Auswahl wohn- wie denkmalgerechter Ausbaumaterialien gibt jedem Apartment seinen individuellen Charakter.
Die gewählte Erschließung über Laubengänge ist im Sächsischen kaum
verbreitet. Aber auch hierin überzeugt die Wohnanlage mit insgesamt 155
Lofts.
Durch die Konzentration aller gemeinschaftlichen und halbprivaten Freibereiche zum Innenhof vermittelt dieser Identität und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Der Umbau der Buntgarnwerke steht damit beispielhaft dafür, wie Wohnen in Mehrgeschossern nicht von Anonymität sondern vielmehr von
Gemeinschaftssinn geprägt werden kann. Dies bestätigt sich auch durch
die hohe Akzeptanz bei seinen Bewohnern.
Mit dem Umbau der ehemaligen Buntgarnwerke zu einer innerstädtischen
Wohnanlage wurde ein Stück Industriegeschichte erhalten und ein städtebaulich prägnanter Bereich im Leipziger Stadtteil Plagwitz mit neuem
Leben erfüllt.
HOCHBAU SÜD DER BUNTGARNWERKE LEIPZIG
Projektcharakteristik: Die Leipziger Buntgarnwerke sind als größtes
geschlossen erhaltenes Industriedenkmal ein wesentlicher Zeitzeuge
für die mitteldeutsche Industriegeschichte.
Das über etwa 50 Jahre gewachsene Gesamtensemble besteht aus
fünf eigenständigen Baukörpern, die in ihrer unterschiedlichen
Konstruktionsweise beispielhaft für die technischen Möglichkeiten der
jeweiligen Epoche stehen.
Der Hochbau Süd ist als Eisenbetonkonstruktion 1906 in Straßburg
durch die Firma Züblin geplant worden. Hinter einer konventionellen
Ziegelfassade verbirgt sich ein für die Bauzeit hochmodernes Eisenbetonskelett mit 2-schaligen Decken.
Für die Bauausführung wurde die alteingesessene Leipziger Firma Max
Pommer gewonnen, die bereits zur ursprünglichen Bauzeit in Sachsen
führend auf dem Gebiet des Stahlbetonbaus war.
Planerisch wurden für das Objekt und den Umbau des Stadtviertels in
vielfältiger Hinsicht neue Wege beschritten:
In die ehemals ca. 40 m breiten und 100 m langen Industriehallen ist
zur Belichtung der Wohneinheiten ein Innenhof eingeschnitten. Die
5 m hohen Räume sind innenhofseitig durch eine Galerie unterteilt, die
sich nach Mieterwunsch in unterschiedliche Raumaufteilungen gliedert
und sich zur geräumigen Wohnhalle öffnet.
Die Erschließung erfolgt über die zum Innenhof auskragenden Laubengänge.
Der filigrane Aufzugsturm, der sowohl die Laubengänge, als auch die
metallenen Fluchtstege anbindet, ist in zeitgemäßer Architektursprache
gestalterisch das bestimmende Element des Innenhofes. Die historischen Treppenhäuser sind unter Erhalt der originalen Ausstattung rekonstruiert worden.
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Im Wohnungsinneren ist klar abzulesen,
was originaler Bestand und was Neuzufügung ist. Die Decken sind unverputzt, die
originale Schalungsstruktur ist sichtbar. Die
Wohnungstrennwände sind in sichtbar belassenem Kalksandstein-Fasenmauerwerk
ausgeführt und farblich vom Altbestand
abgesetzt. Darüber hinaus wurde bei der
Materialauswahl und bei der Wahl der Formensprache Wert darauf gelegt, einen Einklang zwischen der funktionalen, vorgefundenen Architektursprache und einer klaren Lösung der Neueinbauten zu finden.
Das Leben in den etwa 5 m hohen Fabrik-
etagen verbunden mit den zum Wohnraum offenen Galerien, wird am
Markt als Gegenentwurf zum klassischen Geschosswohnungsbau hervorragend angenommen. Ein umfangreiches Serviceangebot mit
Consiergedienst und einer nutzerorientierten Bewirtschaftung sichert
eine hohe Wohnqualität unter vertretbaren Betriebskosten. Dies wurde
durch den Verband der deutschen Wohnungsbauunternehmen im Jahr
2003 durch den Bauherrenpreis „Hohe Qualität – tragbare Kosten“
gewürdigt.
Die Wiederbelebung der Buntgarnwerke beseitigt eine Industriebrache,
welche die Leipziger Stadtteile Plagwitz und Schleussig trennte. Das
gesamte Umfeld erlebt derzeit durch die Initialzündung Hochbau Süd
eine deutliche Wiederbelebung, die anschließenden Baukörper werden
schrittweise ebenfalls saniert und umgenutzt.
Das Projekt war Bestandteil der Präsentation Sachsens auf der Expo 2000.
WEITERE WETTBEWERBSBEITRÄGE
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Umnutzung der Industriebrache als Feuerwehrgebäude
Bahnhofstraße 4 in Olbernhau
August Horch Museum Zwickau
Denkmalgerechte Sanierung, Umnutzung und ergänzende
Neubebauung des ehemaligen Stadtgutes und der
Maschinenhalle in Zwickau
Kulturwerkstatt „Alte Färberei“ in Burgstädt
Denkmalgerechte Sanierung und Umnutzung der WIMA in
Limbach-Oberfrohna zum Industrie- und Gewerbepark
Umnutzung des Wasserwerkes Radebeul
zum Verwaltungs- und Dienstleistungsstandort
Huthaus und Dampfmaschinengebäude in Deutschneudorf
Sanierung Bahnhofsgebäude Radebeul-Ost
Umnutzung des westlichen Flügels zur Erlebnisbibliothek
Erweiterung eines Firmengeländes Neukirch/Lausitz
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr in Dresden
Sanierung Lager- und Ausstellungsgebäude / Gebäude 28
Umbau und Modernisierung
Grenzabfertigungsgebäude Zittau
Schokoladenfabrik Leipzig
Umbau einer denkmalgeschützten Fabrikanlage zu Lofts
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Elster-Lofts in Leipzig-Plagwitz
Teilsanierung ehemaliges DBM Werk II in Döbeln
Umbau und Sanierung der Konsumzentrale Leipzig
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BEWERTUNGSGREMIUM
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Vorsitzender des Preisgerichts
Herr Dr. Volker Benedix
Präsident der
Architektenkammer Sachsen
Herr Ministerialdirigent Prof. Dr. Jürgen Namysloh
Abteilungsleiter im
Sächsischen Staatsministerium des Innern
Herr Ministerialrat Jost Schulze
Referatsleiter im
Sächsischen Staatsministerium des Innern
Herr Ministerialdirigent Wolf Karl Reidner
Abteilungsleiter im
Sächsischen Staatsministerium der Finanzen
Herr Dr. Jürgen Gutsfeld
Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer Sachsen
Herr Eberhard Witzschel
Präsident der Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen,
Regionalkammer Chemnitz
Herr Wolfgang Rühlig
Präsident der Handwerkskammer Chemnitz
Herr Dr. Ulrich Böhme
Oberkirchenrat i.R.
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IMPRESSUM
Herausgeber:
Sächsisches Staatsministerium des Innern
Referat 52
Wilhelm-Buck-Straße 4
01097 Dresden
Telefon: (03 51) 5 64 35 21
Telefax: (03 51) 5 64 35 09
E-Mail: [email protected]
Internet: www.smi.sachsen.de
A utoren:
Bewertungsgremium, Wettbewerbsteilnehmer
Fotonachweis:
Architekturbüros, Wettbewerbsteilnehmer
Redaktionsschluss:
Oktober 2004
Satz und Gestaltung:
Initial Satz & Grafik Studio
Bautzner Landstraße 45
01454 Rossendorf
Druck:
Medienhaus Lißner
Fernsehturmstraße 9
01328 Dresden-Pappritz
A uflage:
4.000 Stück
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