Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders

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Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders
Rijksuniversiteit Groningen
Faculteit der Letteren
Magisterarbeit (LDX999M20.2013-2014.2)
Begleiter: Dr. Henk Harbers
Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders Ein Entwicklungsroman?
Endfassung
Datum: 17.8.2014
Clymene Celine van Tolie
Matrikel-Nr.: 1999648
Adresse: --Tel.: [email protected]
Inhaltsangabe
0
Einleitung
4
0.1
Leitfrage und Motivation
4
0.2
Entwicklungsroman oder Bildungsroman?
4
0.3
Aufbau der Arbeit
5
1
Zusammenfassung des Romans
6
2
Das Parfum als Entwicklungsroman
9
2.1
Die erste Interpretationsmöglichkeit: Der psychologische
Entwicklungsroman
9
2.1.1 Formale Aspekte des psychologischen Entwicklungsroman und
der Vergleich mit Das Parfum
2.2
2.3
9
2.1.2 Äußerliches und das soziale Verhalten Grenouilles
11
2.1.3 Gescheiterte Ideen und Grenouilles Umgang damit
17
2.1.4 Gerüche und Geruchlosigkeit
19
2.1.5 Die Metapher des Zecks
20
Die zweite Interpretationsmöglichkeit: Die Entwicklung eines Genies –
Der Künstlerroman
22
2.2.1 Genie – was verstehen wir darunter?
22
2.2.2 Äußerliches und das soziale Verhalten Grenouilles
23
2.2.3 Das Scheitern und Grenouilles Umgang damit
25
2.2.4 Gerüche und Geruchslosigkeit
28
2.2.5 Blumen und Blüte
31
2.2.6 Abschließende Gedanken
32
Weitere Interpretationsmöglichkeiten
33
2.3.1 Das Parfum – Ein Kriminalroman
33
2.3.2 Das Parfum – Der olfaktorische und historische Roman
34
2.3.3 Das Parfum – Ein postmoderner Roman
36
2
3
Süskinds Parfum im Vergleich zu Tykwers Perfume
40
3.1
Erzählinstanz und Redewiedergabe
40
3.2
Die Darstellung von Gerüchen
41
3.3
Grenouille im Roman vs. Grenouille im Film
43
3.4
Abweichungen zwischen Buch und Film
44
3.4.1 Abweichende und ausgelassene Szenen
44
3.4.2 Herausgehobene Szenen und Motive
46
Zusammenfassung und Fazit
49
4
Literatur
52
3
0
Einleitung
0.1
Leitfrage und Motivation
„Sie konnten ihn nicht riechen“.1 Dieser Satz bedeutet, dass man jemanden aus der Umgebung
unausstehlich oder widerwärtig findet und nichts mit ihm zu tun haben will.2 Das Sprichwort
gibt das Hauptthema des von Patrick Süskind geschriebenen Romans Das Parfum. Die
Geschichte eines Mörders3, das 1985 erschien, schön wieder. Das Werk handelt sich nämlich
um „das flüchtige Reich der Gerüche“ (5) und das Leben der Hauptfigur, Jean-Baptiste
Grenouille, das von Gerüchen, sowie von seiner eigenen Geruchslosigkeit bestimmt wird. Der
Roman ist noch bis heute ein Riesenerfolg, sowohl in Deutschland als auch in anderen
Ländern und ist in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt worden. Die Vielzahl an
Interpretationsmöglichkeiten hat dafür gesorgt, dass der Text auch heute noch häufig
besprochen und analysiert wird.4 Auch ich habe den erfolgreichen Roman zum Gegenstand
meiner Magisterarbeit genommen. Die Forschungsfrage bezieht sich auf die verschiedenen
Lesarten des Werks. Inwiefern lässt sich „Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders“ von
Patrick Süskind als Entwicklungsroman interpretieren?
0.2
Entwicklungsroman oder Bildungsroman?
Die Grenzen zum Bildungsroman, eine Abart des Entwicklungsromans, 5 sind fließend, und
häufig finden diese Gattungen sich in einem Werk vereint.6 Diese Arbeit geht vom Begriff des
Entwicklungsromans als einer Art Oberbegriff von beiden aus. Eine Begriffsklärung beider
Gattungen ist daher erwünscht.
Im Bildungsroman wird weniger die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung des
Helden beschrieben als vielmehr der Einfluss der Kultur und der personalen Umwelt auf die
seelische Reifung und damit auf die Entfaltung und Ausbildung des Charakters und Willens
zur Persönlichkeit.7 Der Entwicklungsroman beschreibt den inneren und äußeren Werdegang
eines Menschen von den Anfängen bis zu einer gewissen Reifung der Persönlichkeit mit
psychologischer Folgerichtigkeit. Er stellt die Ausbildung im Zusammenhang mit
Umwelteinflüssen dar. Das Streben und Irren der Hauptfigur führt aus eigener Kraft auf
1
Süskind 1985, 30. Alle Zitate aus Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders sind dieser Ausgabe entnommen
und werden von nun an im Text nur noch mit Seitenzahlangaben nachgewiesen.
2
Vgl. Duden.
3
Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders wird im Folgenden nur noch als (Das) Parfum angedeutet.
4
Vgl. Matzkowski 2001, 16ff.
5
Vgl. Von Wilpert 1979, 96.
6
Vgl. Ebenda, 218.
7
Vgl. Ebenda, 96.
4
gewisse Vollkommenheit.8 Der Entwicklungsroman hat Interesse am menschlichen Ich, am
Vorgang des (seelischen) Werdens. Der Einzelne und sein Inneres rückt mehr und mehr in
den Vordergrund.9 Die Geschichte des Entwicklungsroman spiegelt die Geschichte, in der der
Einzelne sich von der Gemeinschaft löst und nach fester Verwurzelung und einer bindenden
Lebensordnung sucht.10
Diese Arbeit geht nicht nur vom Parfum als Entwicklungsroman aus. Auch auf andere
Genres wird Bezug genommen. Mehrere Forscher haben sich schon mit der Frage nach den
verschiedenen Lesarten des Werks beschäftigt. Frizen und Spancken analysieren den Roman
als Entwicklungsroman, Kriminalroman, olfaktorischen Roman und Künstlerroman.
Matzkowski sieht im Werk auch einen Roman der Postmoderne. Es stellt sich heraus, dass das
Werk mehrere Interpretationen zulässt, und dass ihnen zugleich auch widersprochen werden
kann: Scheint der Roman zunächst einer Interpretation als Kriminalroman nahe zu legen,
rückt auch eine Interpretation als Künstlerroman, indem wir den Werdegang des
Protagonisten zu einem Genie verfolgen, in den Blick. Der Roman lässt also einen großen
Deutungsspielraum und diese Arbeit untersucht und analysiert die verschiedenen
Möglichkeiten, hauptsächlich anhand von den vorher erwähnten Materialien von
Frizen/Spancken und Matzkowski, und natürlich anhand von Zitaten im Roman selbst. Auch
die Meinungen und Interpretationen anderer Forscher werden mit einbezogen. Außerdem
wurde Süskinds Roman 2006 auch verfilmt, was dieser Arbeit eine extra Dimension gibt.
0.3
Aufbau der Arbeit
Ich gehe in fünf Schritten vor. Kapitel 1 fasst den Roman zusammen, damit in Kapitel 2 mit
den Interpretationen des Werks angefangen werden kann. Kapitel 2.1 interpretiert Das Parfum
als psychologischen Entwicklungsroman, indem wir die psychische Entwicklung der
Hauptfigur verfolgen. Kapitel 2.2 befasst sich mit der zweiten Interpretationsmöglichkeit in
Bezug auf den Entwicklungsroman. In diesem Kapitel wird der Roman als Künstlerroman
analysiert, indem der Leser die Entwicklung eines Genies verfolgt. Kapitel 2.3 bespricht auch
andere Möglichkeiten: Inwiefern kann der Roman dem Genre des Kriminalromans,
olfaktorischen und historischen Romans und des postmodernen Romans zugeordnet werden?
Anschließend wird in Kapitel 3 der Film besprochen, der die psychologische Interpretation als
Ausgangspunkt nimmt. Kapitel 4 schließlich fasst die Befunde zusammen.
8
Vgl. Von Wilpert 1979, 218.
Vgl. Gerhard 1968, 2.
10
Vgl. Ebenda, 168.
9
5
1
Zusammenfassung des Romans
Patrick Süskind wurde 1949 geboren. Man weiß eigentlich recht wenig von ihm, denn der
Autor von unter anderem Der Kontrabaß und Die Geschichte vom Herrn Sommer entzieht
sich Talkshows, Interviews usw. Obwohl ihm mehrere Literaturpreise angedient wurden, hat
er alle abgelehnt. Süskind hat in München Geschichte studiert und hat nach seinem Studium
als freier Schriftsteller gearbeitet.11 Im Folgenden wird eine Zusammenfassung seines
erfolgreichsten Romans gegeben.
Schon am Anfang des Romans wird deutlich, warum es geht: „das flüchtige Reich der
Gerüche“. Der Roman fängt mit der Geburt von Jean-Baptiste Grenouille an, am 17. Juli
1738, „am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs“ (7). Seine Mutter hat schon
mehrere Kinder geboren, alle jedoch „Totgeburten oder Halbtotgeburten“ (8), und hat vor,
Jean-Baptiste, wie die anderen Kinder vor ihm genau am selben Ort einfach liegen und
sterben zu lassen, aber das Kind schreit, lebt, und seiner Mutter wird daraufhin den Kopf
abgeschlagen. Danach wechselt er ständig die Amme. Keine der Ammen will das Kind lange
halten, weil es „zu gierig“ sei (9). Letztendlich kommt Grenouille zu Madame Gaillard, die
keinen Geruchssinn und keine Gefühle hat, jedoch für viele Kinder sorgt.
Grenouille ist ein Außenseiter. Die anderen Kinder mögen ihn nicht, sie haben Angst
vor ihm und versuchen ihn sogar zu ermorden, was nicht gelingt. Grenouille spricht schlecht,
er kennt nur Wörter, die ihn „geruchlich überwältigten“ (31). Als die Kirche nicht mehr für
ihn bezahlt, verkauft Madame Gaillard ihn. Bei Monsieur Grimal, einem Gerber, arbeitet
Grenouille in schlechten Umständen und er bekommt den Milzbrand, welchen er übersteht.
Weil er nicht mehr leicht zu ersetzen ist, wird besser für ihn gesorgt und Grimal gibt ihm
einen halben Sonntag und abends eine Stunde frei. An diesen freien Tagen säugt Grenouille
alle Düfte in sich hinein, und er weiß „daß er ganz andere Wohlgerüche würde herstellen
können“ (48). Einmal riecht Grenouille zum ersten Mal etwas Schönes an einem Menschen
und er glaubt, dass sein Leben ohne den Besitz dieses Duftes keinen Sinn mehr hat. Er würgt
das Mädchen, dessen Duft er so herrlich fand, „und hatte nur die eine Sorge, von ihrem Duft
nicht das geringste zu verlieren“ (56). In dieser Nacht beschließt Grenouille, dass er „der
größte Parfumeur aller Zeiten“ (58) werden will. Ein bekannter Parfümeur in der Stadt,
Baldini, braucht Häute vom Gerber Grimal. Baldini hat sich gerade dafür entschieden, seine
Parfümerie zu schließen, denn ein anderer Parfümeur, Pélissier, ist heutzutage der beste der
Stadt – und Baldini verkauft nichts mehr. Vor dieser Entscheidung versucht er das Parfum
11
Vgl. Matzkowski 2001, 8ff.
6
‚Amor und Psyche‘ von Pélissier zu kopieren. Grenouille, der Baldini die Tierhäute bringt,
riecht den Duft von Baldinis Stirn und weiß, was ihm fehlt. In Baldinis Laboratorium kopiert
er das Parfum mühelos und schafft sogar einen besseren Duft, woraufhin Baldini ihn als
Lehrling nicht verweigern kann. Die Zeit in Baldinis Geschäft ist für Grenouille sehr
lehrreich. Jedoch, als es ihm eines Tages nicht gelingt, Lebloses wie Steine und Glas zu
destillieren, wird er lebensbedrohlich krank, aber er gesundet auch wieder, nachdem er
versteht, in Grasse mehr dazulernen zu können.
Mit der Zustimmung Baldinis geht er nach einer Weile auf den Weg nach dem Rom
der Düfte: Grasse. Außerhalb Paris riecht Grenouille keinen Menschen. Das gefällt ihm so
gut, dass er in einem 500 Meter tiefen Stollen beim Vulkan ‚Plomb du Cantal‘ verbleibt. Hier
entdeckt Grenouille nach sieben Jahren, dass er selbst keinen Geruch hat. Daraufhin verlässt
er den Plomb du Cantal und macht sich auf den Weg nach Grasse.
Unterwegs stößt er auf einen Wissenschaftler: Den Marquis de la Taillade-Espinasse,
der in Grenouille seine fluidale Theorie bestätigt sieht. In Montpellier führt er Grenouille vor
viele interessierte Menschen. Eine Kur würde dafür sorgen, dass er schnell besser aussehen
wird. Mit einer Ausrede bekommt Grenouille die Zeit, ein Parfum zu schaffen, das nach
Menschen riecht (oder nach Grenouille: stinkt). Sobald er das Parfum anwendet, wird er von
den Menschen gesehen. Ab dem Moment weiß er, dass er einen Duft schaffen will, womit
Menschen ihn lieben. Er zieht nach Grasse, wo er mit neuen Destillierweisen und sowohl
leblosen als lebendigen Gegenständen experimentiert.
Als ihm das gelingt, versucht er auch die Düfte verschiedener Mädchen zu destillieren:
Er ermordet sie, ohne verhaftet zu werden. Am Ende fehlt noch ein Duft: der Duft der Tochter
Richis‘, Laure. Der Vater ahnt die Pläne des Mörders und will seine Tochter verheiraten,
damit sie schwanger wird und ihre Schönheit verliert. Seine Vermutung stimmte. Grenouille
ermordet das Mädchen, aber wird in der Nacht gesehen und soll später hingerichtet werden.
Inzwischen hat er sein Parfum allerdings schon fertig gemacht und er wendet es an. Die
Hinrichtung endet in einem Bacchanal, ausgelöst durch seinen Duft. Er „könne unmöglich ein
Mörder sein“ (299), die Leute fühlen nur Zuneigung, Zärtlichkeit und kindische Verliebtheit.
Grenouille ist „sein eigener Gott“ (304). Sogar Richis, dessen Tochter Grenouille ermordet
hat, liebt ihn. Aber Grenouilles Triumph ist nur von kurzer Dauer. Er ekelt sich vor den
Menschen. Sie lieben nicht ihn, sie lieben sein Parfum. Um zu sterben geht Grenouille zurück
nach seinem Geburtsort, der sich nach Mitternacht mit Dieben, Mördern und anderem
Ausschuss belebt. Dort besprenkelt er sich mit seinem Parfum. Plötzlich sei er „von Schönheit
7
übergossen“ (319) und die Leute, die um ein Feuer herum standen, stürzen sich auf ihn: Sie
fressen Grenouille auf, und glauben, sie haben es „aus Liebe getan“ (320).
8
2
Das Parfum als Entwicklungsroman
Das Parfum wird häufig als Entwicklungsroman bezeichnet. In dieser Einordnung gibt es
zwei Lesarten: Man kann den Roman entweder als psychologischen Entwicklungsroman
lesen, indem man den psychischen Werdegang einer Person verfolgt, oder als Künstlerroman,
indem man die Entwicklung eines Künstlers bzw. Genies verfolgt. Das Werk lässt im Prinzip
beide Interpretationen zu, wie die nächsten Subkapitel aufzeigen. Kapitel 2.1 beschäftigt sich
mit der ersten Interpretationsmöglichkeit; Kapitel 2.2 mit der zweiten.
2.1
Die erste Interpretationsmöglichkeit: Der psychologische
Entwicklungsroman
Dass es sich beim Parfum um einen psychologischen Entwicklungsroman handelt, das heißt
als einen Roman, in dem wir der psychischen Entwicklung der Hauptfigur folgen, wurde
schon mehrmals erwähnt: Der Leser verfolgt den inneren und äußeren Werdegang des
Protagonisten Jean-Baptiste de Grenouille von der Geburt bis zu seinem Tod.12 Bei der
psychologischen Deutung geht es aber auch um die psychologische Deutung des
Lebenszusammenhangs der Hauptfigur.13
2.1.1 Formale Aspekte des psychologischen Entwicklungsromans und der Vergleich
mit Das Parfum
Das Strukturgefüge des Romans weist auf einen Entwicklungsroman hin. Wir erkennen
mindestens drei Stationen: Die Lehrjahre, die Wanderjahre und die Meisterjahre, daneben
vielleicht noch den Höhepunkt der Entwicklung Grenouilles. Seine Entwicklung verläuft wie
folgt. Der erste Teil, die sogenannten Lehrjahre, erzählt Geburt, Aufwachsen und Lehrjahre
bei Baldini.14 Im zweiten Teil erlebt er seine Wanderjahre,15 die vor allem von seinem
Aufenthalt in der Höhle und der Entdeckung seiner eigenen Geruchslosigkeit handeln,
woraufhin sich ein Umschlag feststellen lässt. Er zieht in diesem Teil nach Montpellier, wo er
einige Wochen bleibt und ein Parfum entwickelt, das nach Menschen riecht. Der dritte Teil
kann mit ‚Meisterjahren‘16 angedeutet werden. In diesen Jahren entwickelt er das Parfum, mit
12
Matzkowski 2001, 20.
Vgl. Ulrichs 2011, 135.
14
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 25.
15
Vgl. Ebenda, 25.
16
Vgl. Ebenda, 25.
13
9
dem er sich zum Geliebten (oder eher: Verehrten) macht. Im vierten Teil kehrt Grenouille
nach Paris zurück und lässt sich dort von Mördern, Huren, Dieben usw. auffressen.
Der psychologische Entwicklungsroman schildert das Gefühl, das Innere der
Hauptfigur. Das Innenleben wird beobachtet, moralisch reflektiert und psychologisch
vertieft.17 Es werden nicht nur Geschehnisse erzählt, sondern es gibt mehr Interesse an den
Vorgängen des Inneren; das wird gespiegelt und analysiert.18 Im psychologischen
Entwicklungsroman ist das zu entwickelnde Ich häufig gefährdet. Die Figur wächst meist
auch am Rande der Gesellschaft auf. Zudem sehnt die Person sich nach Freundschaft und
Liebe, was die Triebfeder für ihr Leben ist.19 Den Liebesschmerzen und –Entzückungen im
Leben haftet häufig etwas Künstliches an.20 Der Entwicklungsroman zeigt nicht die
Umgestaltung eines Menschenlebens, sondern verkörpert die unwillkürliche Entfaltung eines
Menschen ins künstlerische Gebilde.21
Die zentrale Figur des Romans Das Parfum ist Jean-Baptiste Grenouille. In den
meisten Kapiteln (mit Ausnahme von 9-13) steht er im Mittelpunkt. Alle andere Figuren sind
um ihn gruppiert und viele von ihnen sterben sogar, sobald Grenouille sie verlassen hat. Einen
Gegenspieler hat Grenouille aufgrund seiner Genialität nicht.22 Der ganze Roman dreht sich
also um Grenouille. Der Leser folgt nur seiner Entwicklung. Der Protagonist wächst am
Rande der Gesellschaft auf: An einem stinkenden Ort wird er geboren, unter sehr vielen
anderen Kindern in einem Haus wird er von einer Amme gefüttert, als Handarbeiter verrichtet
er die schmutzigsten Arbeiten und er wird dabei nicht menschlich behandelt usw., mit anderen
Worten: von Integration in die Gesellschaft ist keine Rede. Man könnte Grenouilles
Verhalten, sein künstlerisches Schaffen eines Duftes demnach als den Wunsch nach Liebe
und Anerkennung in der Gesellschaft interpretieren. Mit dem Duft, der nach Menschen riecht,
erreicht er schließlich, dass die Leute ihn sehen.
Der Schmerz, nicht anerkannt oder geliebt zu werden, führt zu Grenouilles
künstlerischem Schaffen. Dies kann nur am Anfang, als Grenouille noch ein Kind ist, als
unwillkürliche Entfaltung des Künstlerischen interpretiert werden, zur Zeit also, in der er alle
Gerüche noch speichert, in die kleinsten Teilchen spaltet und in Gedanken versucht, neue
Düfte herzustellen.
17
Vgl. Gerhard 1968, 90f.
Vgl. Ebenda, 92.
19
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 26f.
20
Vgl. Gerhard 1968, 90.
21
Vgl. Ebenda, 2.
22
Vgl. Matzkowski 2001, 33.
18
10
Alles, alles fraß er, saugte er in sich hinein. Und auch in der synthetisierenden Geruchsküche
seiner Phantasie, in der er ständig neue Duftkombinationen zusammenstellte, herrschte noch
kein ästhetisches Prinzip. Es waren Bizarrerien, die er schuf und alsbald wieder zerstörte wie
ein Kind, das mit Bauklötzen spielt, erfindungsreich und destruktiv, ohne erkennbares
schöpferisches Prinzip (48f.).
Es dauert aber nicht lange, bevor Grenouilles sich seiner eigenen Genialität bewusst wird, und
sich dem Wunsch, der größte Parfümeur der Welt zu werden, anpasst. Bevor dieser Wunsch
aber wirklich zur Entfaltung kommt, braucht Grenouille einige Zeit in der Höhle, in der er
über sich selbst reflektieren kann. Hier rückt das Innenleben Grenouilles in den Blick. Wir
lesen von seinem Hass und seinen Rachegefühlen. Nach Frizen und Spancken geht es hier um
den Rückzug in das eigene Subjekt.23 Als es Grenouille deutlich wird, dass er selbst keinen
Geruch hat, entwickelt sich ein ‚neuer‘ Grenouille, der sich den Rest seines Lebens dem
Schaffen eines (übermenschlichen) Duftes widmet.
2.1.2 Äußerliches & das soziale Verhalten Grenouilles
Schon in seinem Namen wird auf Grenouilles Äußerliches, sowie auf das zukünftige Unheil
hingedeutet. „Grenouille“ bedeutet im Französischen „Kröte“ oder „Frosch“, was im
Christentum oft für das Böse bzw. in Verbindung mit dem Teufel steht. 24 Er ist ein starkes
Kind, das sich nicht nur wohlerwogen, „für das Leben“ (28) entscheidet, sondern auch „die
Masern, die Ruhr, die Windpocken, die Cholera, einen Sechsmetersturz in einen Brunnen und
die Verbrühung der Brust mit kochendem Wasser“ (27) überlebt, sowie Mordanschläge
anderer Kinder. Was ihm davon übrig bleibt, sind Narben, Schrunde, Grind und ein leicht
verkrüppelter Fuß, die Grenouille hässlich machen. Er ist nicht groß und nicht stark. Die
Arbeit beim Gerber Grimal macht ihn noch hässlicher „als er ohnehin schon war“ (42), denn
der Milzbrand, eine typische Gerberkrankheit, hinterlässt ihre Spuren, „Narben der großen
schwarzen Karbunkel hinter den Ohren, am Hals und an den Wangen“ (42).
Es könnte Grenouilles Äußerliches sein, das ihn aus der Gesellschaft ausschließt,
jedoch ist es vielmehr die Tatsache, dass er von seiner Geburt an nichts von Menschenliebe
weiß und eigentlich auch nichts damit zu tun haben will. Er kann sich nicht unter den
Menschen zurechtfinden. Sein Geburtstagsschrei war ein wohlerwogener Schrei für das Leben
und „gegen die Liebe“ (28) gewesen. Von seiner Geburt an verzichtet Grenouille auf die
23
24
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 33.
Vgl. Delseit/Drost 2000, 5.
11
Liebe, er braucht sie nicht: „Geborgenheit, Zuwendung, Zärtlichkeit, Liebe – oder wie die
ganzen Dinge hießen, deren ein Kind angeblich bedurfte – waren dem Kinde Grenouille
völlig entbehrlich“ (28). Seine Sozialisation sei nach Frizen und Spancken auf den Kampf
ums Dasein reduziert,25 man könnte seine Existenz sogar als „tierisch“ beschreiben. Man
könnte sagen, dass Grenouille sich vom Tier zum Menschen entwickelt. Zunächst wird er als
Tier behandelt. Seine Mutter will ihn zwischen den toten Fischen sterben lassen. Bei Madame
Gaillard wird Grenouille als eines der anderen Kinder des Rudels angesehen, indem das
Essen, die Aufmerksamkeit, sogar die Schläge verhältnisgleich verteilt werden.
Als nicht mehr für ihn bezahlt wird, wird Grenouille verkauft. Bei Grimal, dem
Gerber, kommt seine tierische Behandlung noch mehr zum Ausdruck. Eigentlich wird
Missbrauch von ihm gemacht. Er geht als „Zeck“ (siehe Kapitel 2.1.5) durch das Leben, hat
kein Ziel, keine Regungen, lebt rein „vegetativ“ (29) und nur „aus reinem Trotz und reiner
Boshaftigkeit“ (28).26 Süskind beschreibt, wie Grenouille nach seiner Krankheit als
„nützliches Haustier“ (43) behandelt wird. Die Entwicklung zum Menschen fängt meiner
Meinung nach jedoch bei Grimal an. Als er nach seiner Krankheit mehr Freiheit bekommt,
riecht er ein Mädchen. Der herrliche Duft dieses Mädchens sorgt dafür, dass Grenouille sein
Ziel vor Augen sieht, für das er Leben will.27 Die Menschwerdung setzt ein, aber erst in der
Zeit bei Baldini wird besser mit Grenouille umgegangen und wird er als Mensch angesehen.
Um sein Ziel zu erreichen, braucht Grenouille handwerkliche Fähigkeiten, die er bei
Baldini lernt. Und erst hier fängt denn auch, obwohl auch Baldini ihn gebraucht, und obwohl
er auch dort ein Außenseiter ist, ein eher menschliches Dasein für Grenouille an.28 An Geld ist
er nicht interessiert: Dass Baldini mit seinen Kompositionen Geld verdient, ist ihm
gleichgültig. Er interessiert sich allerdings schon für einen bürgerlichen Deckmantel und
Fachkenntnisse, die er braucht, um sein Ziel zu erreichen:
Die eine [Voraussetzung] war der Mantel einer bürgerlichen Existenz; mindestens des
Gesellentums, in dessen Schutz er seinen eigentlichen Leidenschaften frönen und seine
eigentlichen Ziele ungestört verfolgen konnte. Die andre war die Kenntnis jener
handwerklichen Verfahren, nach denen man Duftstoffe herstellte, isolierte, konzentrierte,
konservierte und somit für eine höhere Verwendung überhaupt erst verfügbar machte (121).
25
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 29.
Vgl. Matzkowski 2001, 34.
27
Vgl. Ebenda, 36.
28
Vgl. Ebenda, 34.
26
12
Sprechen tut Grenouille fast nicht, erst mit vier spricht er sein erstes Wort und auch im Laufe
seines Lebens spricht er nie fließend, seine Wörter klingen „herausgepreßt, hervorgezischelt,
schlangenhaft“ (92), was die Sozialisation natürlich nicht leichter macht. Schwierigkeiten hat
er mit abstrakten Begriffen, „vor allem ethischer und moralischer Natur“ (33). Mit anderen
Worten: Seine Zivilisation lässt zu wünschen übrig, und da er so wenig sozialisiert ist, wird er
für „schwachsinnig“ (35) gehalten. Nur, wenn es die Kommunikation mit anderen Menschen
erforderlich macht, spricht Grenouille.
Im Umgang mit anderen Menschen ist Grenouille immer ein Außenseiter. Er ist ihnen
unheimlich. Jedoch ist er „nicht aggressiv, nicht link, nicht hinterhältig, er provozierte nicht.
Er hielt sich lieber abseits“ (31). Es scheint, dass Grenouille den Außenseiter sein will und
genau das wird mehrmals im Werk impliziert. „Er lebte in sich selbst verkapselt und wartete
auf bessere Zeiten“ (29); „Nach außen hin wurde er immer verschlossener. Am liebsten
streifte er allein durch den nördlichen Faubourg Saint-Antoine […]“ (35). Freunde hat er nie.
Er wirkt immer distanziert und auch gefühlsarm. Für Madame Gaillard spürt er keine Liebe
oder Zuneigung oder Dankbarkeit. Sogar Strafen scheinen ihn kalt zu lassen.
Grenouilles Außenseiterposition gerät ins Extreme, als Grenouille sich auf den Weg
nach Grasse macht. Die Luft außerhalb Paris ist frei. Bald will Grenouille überhaupt keinem
Menschen mehr begegnen – oder eigentlich: riechen.
Bisher hatte er immer geglaubt, es sei die Welt im allgemeinen, von der er sich wegkrümmen
müsse. Es war aber nicht die Welt, es waren die Menschen. Mit der Welt, so schien es, der
menschenleeren Welt, ließ sich leben (149).
Letztendlich trifft Grenouille auf den „menschenfernste[n] Punkt des ganzen Königreichs“
(152), der sich im Zentralmassiv der Auvergne, „auf dem Gipfel eines zweitausend Meter
hohen Vulkans namens Plomb du Cantal“ (152) befindet. Erst da bekommt er ein Gefühl der
Euphorie, und er feiert die Einsamkeit: „Er war dem verhaßten Odium entkommen! Er war
tatsächlich vollständig allein! Er war der einzige Mensch auf der Welt!“ (154) Er weint sogar
vor Glück als er einen fünfzig Meter tiefen Stollen gefunden hat, in dem er sich den größten
Teil der Zeit aufhält (156). In diesem Stollen, in diesem Rückzug in das Ich,29 rekapituliert er
sein Leben und empfindet Hass, Zorn und Rache gegenüber den Menschen (159), während er
im ersten Buch gefühlsarm erschien. Im zweiten Teil ist er sehr empfindlich. Er kann kein
helles Licht ertragen, sogar die Luft,
29
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 33.
13
die zartesten Gerüche wirkten streng und beizend auf seine weltentwöhnte Nase. Grenouille,
der Zeck, war empfindlich geworden wie ein Krebs, der sein Muschelgehäuse verlassen hat
und nackt durchs Meer wandert (168).
In dem Berg träumt Grenouille von seiner eigenen Geruchslosigkeit. Als er danach versucht,
sich selbst zu riechen, stellt sich heraus, dass er tatsächlich keinen Eigengeruch hat (siehe
dazu Kapitel 2.1.4). Grenouille wird mit seiner eigenen Nichtigkeit konfrontiert, und diese
Nichtigkeit verlangt nach Menschwerdung.30 Daraufhin lässt er die Vergangenheit hinter sich,
wird sich seiner eigenen Kraft, Kreativität und bevorstehenden Macht bewusst, und verlässt
den Plomb du Cantal um sein Ziel zu erfüllen. Die Zeit im Vulkan stellt nach Hallet eine Art
Vergangenheitsbewältigung, nachgeholte Sozialisation dar.31 Erst hier kommt der wahre
Grenouille zum Ausdruck, erst hier entwickelt, sozialisiert er sich.
Mit seiner Erscheinung zwischen den Menschen erschreckt er viele, aber in der Stadt
„machte er Sensation“ (176). Der Marquis de la Taillade-Espinasse, der eine sogenannte
Fluidaltheorie entwickelt hat, ist sehr interessiert an Grenouille und lässt ihn in sein
Laboratorium bringen. In ihm sieht er seine Theorie bestätigt und er will Grenouille als
wissenschaftliches Demonstrationsobjekt nach Montpellier bringen. Obwohl man ihn dort für
„halb verwest und unrettbar verloren“ (182) hält, hat Grenouille schon eine Metamorphose
durchgemacht. Er fühlt sich „durchaus gesund und kräftig“ (182). Der Marquis unterzieht ihn
danach einer ‚wirklichen‘ Metamorphose, bestehend aus einer Entseuchungs- und
Revitalisierungskur, guter Kleidung und Schminke. Als er sich selbst in dem Spiegel sieht,
sieht Grenouille
dass der Monsieur im Spiegel, diese als Mensch verkleidete, maskierte, geruchslose Gestalt,
nicht so ganz ohne sei; zumindest schien ihm, als könnte sie- würde man ihre Maske nur
vervollkommnen – eine Wirkung auf die äußere Welt tun, wie er, Grenouille, sie sich selbst
nie zugetraut hätte (186).
In diesem Moment wird ihm bewusst, dass er eine Wirkung haben kann, mit anderen Worten:
Dass es die Möglichkeit gibt, gesehen zu werden, und möglicherweise sogar mehr als das…
Die innere Metamorphose setzt durch. Mit einer Ausrede lässt sich Grenouille zum besten
Parfümeur der Stadt bringen, wo er ein Parfum kreiert, das nach Menschen riecht. Es
30
31
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 32.
Vgl. Hallet 1989, 281f.; zitiert nach: Matzkowski 2001, 48.
14
funktioniert: Grenouille wird auf der Straße zum ersten Mal bemerkt. Freunde hat er immer
noch nicht, aber der Duft macht ihn sympathisch. Der Marquis umarmt ihn sogar:
Er ging auf Grenouille zu, umarmte ihn und nannte ihn ‚mein fluidaler Bruder‘ […] und dies
sagte er, indem er sich von Grenouille löste, und zwar sehr freundschaftlich, nicht im
geringsten angewidert, fast wie von seinesgleichen löste – (201).
Grenouilles Freude um die Anerkennung verwandelt sich in schwarzen Jubel, „ein böses
Triumphgefühl“, er verachtet die Menschen, „weil sie stinkend dumm waren; weil sie sich
von ihm belügen und betrügen ließen; weil sie nichts waren, und er war alles!“ (197) Nachher
weiß Grenouille, dass er einen Duft kreieren kann, mit dem man ihn „von ganzem Herzen
lieben mußte“ (198). Sein Parfum ist wie das Tüpfelchen auf dem ‚i‘: Es macht ihn
vollkommen, menschlich. „Wo vor Wochenfrist ein geschundenes, verrohtes Tier gekauert
hatte, da stand jetzt wahrhaftig ein zivilisierter, wohlgestalter Mensch“ (202). Das Parfum
macht sogar, dass man ihm vertraut: Er kann ein Kind auf den Arm nehmen und dankbar
angeschaut werden. Die Zeit in Montpellier trägt zu seiner Menschwerdung bei. Er lernt sich
unter den Menschen entsprechend zu verhalten, auch in der Konversation, und ist sich seiner
Fähigkeiten mehr bewusst.
Nach dieser Offenbarung zieht Grenouille nach Grasse, dem „Rom der Düfte“ (211).
Hier erlebt er seine sogenannten Meisterjahre.32 Schon am Anfang seines Aufenthalts in der
Stadt riecht er den Duft des rothaarigen Mädchens, das er früher ermordet hat. In seiner
Menschwerdung ist er aber schon so weit, dass er seine Wünsche und seine Triebe
beherrschen und zurückstellen kann. Bei Madame Arnulfi weiß er eine Stelle als Geselle zu
ergattern. Hier erlernt er die Mazeration und die Enfleurage à froid, andere Möglichkeiten,
Düfte aus zum Beispiel Blumen zu gewinnen. In dieser Zeit bespritzt Grenouille sich
abwechselnd mit verschiedenen Parfums und löst damit bei anderen Menschen jeweils eine
andere Reaktion aus. Er schafft unter anderem einen „Unauffälligkeitsgeruch“ (231), ein
„rasseres, leicht schweißiges Parfum“ (232) und einen „mitleiderregende[n] Duft“ (233). Er
experimentiert nicht nur mit Düften für sich selbst, er experimentiert auch mit Tieren, und
wenn es ihm gelingt, den Duft eines Hundchens zu destillieren und später sogar den Duft
lebender Menschen, beschließt er zur wirklichen Tat fertig zu sein: „es war nicht nötig, daß er
es sich erneut bewies“ (240). Was folgt, sind vierundzwanzig Mädchenmorde, deren Düfte
Grenouille gefallen und „die Liebe inspirieren“ (240). Die Tochter Richis‘, Laure, ist der
32
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 25.
15
Schlussstein und sie wird als Letzte ermordet. Da Grenouille aber in der Nacht des Mordes
gesehen ist, kann man ihn trassieren. Die Leichen der anderen Mädchen werden auch
gefunden. Es findet ein Prozess statt und man bereitet sich auf die Hinrichtung vor, genauso
wie Grenouille.
Grenouille ist aber gut vorbereitet. Er wendet das Parfum der Düfte der
fünfundzwanzig Mädchen an und verführt damit das Volk bei seiner Hinrichtung zur
Massenkopulation. Statt Grenouille wird Druot, der Geselle von Madame Arnulfi für die
Morde verantwortlich gehalten und hingerichtet. Grenouille kommt ungestraft davon, und
wird sogar von Richis angebetet: Er will ihn als Sohn adoptieren. Grenouilles
Menschwerdung endet in Grasse. Er ist zivilisiert, er kann sich unter den Menschen
zurechtfinden, hat eine Stelle und damit einen gesellschaftlichen Status.33 Aber der Moment,
nach dem er sich gesehnt hatte, für den er alles gegeben hatte, endet in einer Enttäuschung.
Die Menschen lieben nicht ihn, sie lieben seinen Duft, oder besser: seine Maske. Vom Anfang
an ist Grenouille der Außenseiter zwischen den Menschen und am Ende ist er das noch: Sogar
an dem Bacchanal hat Grenouille keinen Teil. Er hat seine Machtvollkommenheit erreicht,
aber zugleich auch den Gipfelpunkt seiner Einsamkeit. Es gibt für Grenouille offenbar nur
noch eine Lösung: sterben.
Grenouille wächst ohne Familie und ohne Liebe auf. Das einzige Familienmitglied,
das dem Leser bekannt ist, ist die Mutter, aber ihr wird der Kopf abgeschlagen. Jeder Mensch
braucht Bestätigung und Liebe seiner Mitmenschen, aber Grenouille bekommt weder
Zuwendung noch Zärtlichkeit, die für die normale Entwicklung eines Menschen notwendig
sind.34 Nach Barbetta ist die Familie das Abbild der Gesellschaft, ohne die es keine
Sozialisation in die Gesellschaft gebe.35 Da Grenouille ohne Familie in die Welt geschickt
wird, sei Sozialisation schon im Vorab ausgeschlossen. Die Sozialisationsinstanzen, die die
Familie ersetzen, sind Madame Gaillard, Grimal und Baldini, bei denen Grenouille
aufeinanderfolgend Kostkind, Kuli und Lehrling ist.36 Was er hier von der Welt sieht, ist aber
alles andere als menschlich, und auch bei ihnen ist Sozialisation eine unmögliche Aufgabe.
Ließen diese Umstände ihn zum Massenmörder werden? Möglicherweise schon. Dass
Grenouille sich also zum Abschaum, Mörder, oder wie man ihn auch nennen möchte,
entwickelt, kann man ihm seiner Jugend wegen vielleicht nicht übel nehmen. Er hat immer
nur Ablehnung und Hass und – im besten Fall – Gefühllosigkeit empfunden, wurde nie als
33
Vgl. Matzkowski 2001, 62.
Vgl. Raab/Oswald 1997, 55.
35
Vgl. Barbetta 2002, 115.
36
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 29.
34
16
Individuum zwischen den anderen Menschen akzeptiert, sondern war, sowohl bei den
Ammen, als auch beim Gerber Grimal und bei Baldini eine Einkommensquelle. Ist es nicht
logisch, dass er seinen Mitmenschen dieselbe Gefühlslosigkeit und Hass entgegenbringt, die
er selbst bekommen hat?
Die Morde begeht der Protagonist nach der psychologischen Interpretation nicht aus
Mordsucht, sondern aus dem Willen, einen Duft zu kreieren, der ihm die Menschwerdung
möglich macht: Er will ein Teil der Menschenwelt sein, er will anerkannt und geliebt werden.
Wie später in dieser Arbeit erläutert wird, ist diese Interpretation Ausgangspunkt für den Film
Perfume: The Story of a Murderer.
2.1.3 Gescheiterte Ideen und Grenouilles Umgang damit
Mehrmals gibt es im Roman Stellen, an denen Grenouille oder seine Ideen scheitern. Er wird
daraufhin ernsthaft krank. So wird Grenouille lebensbedrohlich krank, wenn es ihm nicht
gelingt, den Geruch von Glas, Messing, Porzellan und Leder, Korn, Kieselsteinen usw. zu
destillieren.
Er bekam hohes Fieber, das in den ersten Tagen von Ausschwitzungen begleitet war und
später, als genügten die Poren der Haut nicht mehr, unzählige Pusteln erzeugte. […] Nach
einer Weile sah Grenouille aus wie ein von innen gesteinigter Märtyrer, aus hundert Wunden
schwärend […] Es handle sich um eine syphilistische Spielart der schwarzen Blattern
untermischt mit eiternden Masern in stadio ultimo (130-133).
Grenouille wird auch schlecht, wenn er daran denkt, dass die Düfte vielleicht nicht ewig
bleiben: „Er fröstelte. Es überkam ihn das Verlangen, seine Pläne aufzugeben, hinaus in die
Nacht zu gehen und davonzuziehen. Über die verschneiten Berge wollte er wandern, ohne
Rast, hundert Meilen weit in die Auvergne, und dort in seine alte Höhle kriechen und sich
zutode schlafen“ (244).
Als Grenouille mit dem von ihm geschaffenen Duft einen Bacchanal auslöst, sieht er
ein, dass die Menschen den Duft lieben, und nicht ihn: Er ist gescheitert, er hat die Liebe der
Menschen nicht gewonnen. Er will fliehen, oder eigentlich am liebsten sterben. „Er wollte
zerplatzen, explodieren wollte er, um nicht an sich selbst zu ersticken. Endlich sank er nieder
und verlor das Bewusstsein“ (308).
Sobald Grenouille seine Ideen nicht ausführen kann, sobald er nicht weiterkommt,
wird er krank, und scheint es, als ob er bald sterben wird. Grenouilles Krankheiten lassen sich
17
anhand von Maslows Bedürfnispyramide psychologisch interpretieren. Nach Maslow gibt es
fünf
Schritte
zur
Selbstverwirklichung,
nämlich:
physiologische
Bedürfnisse,
Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Individualbedürfnisse und Selbstverwirklichung.
Erst wenn physiologische Bedürfnisse erfüllt sind, kommt man einen Schritt weiter, sind die
Sicherheitsbedürfnisse erfüllt, können auch soziale Bedürfnisse erreicht werden usw.37 Nach
Maslow sind Fähigkeiten ein Bedürfnis.38 Bedürfnisse die nicht erfüllt werden, führen zu
Leiden bzw. zu Krankheit.39 Das sehen wir auch in Grenouille. Er kann sich nicht als
Parfümeur entfalten: seine Absichten scheitern. Zur wirklichen Selbstentwicklung kommt es
also nicht, weil ihm seine früheren Bedürfnisse, zum Beispiel die Fähigkeiten, Düfte zu
destillieren und zu behalten, fehlen. In der Weise kann man auch die Krankheit bei Grimal
interpretieren. Er wird wie ein Tier behandelt, bekommt schlechtes Essen und hat überhaupt
keine Freizeit. Als er aber krank ist, sieht Grimal ein, dass er Grenouille braucht, dass er
unentbehrlich ist. Erst dann ändern sich die Umstände für Grenouille: Er hat einen
Nachmittag frei, an dem er sich weiterentwickeln kann. Seine Krankheit entstand aus der
Tatsache, sich in der Situation nicht entwickeln zu können, also aus dem Bedürfnis, sich zu
entfalten. Grenouilles Empfindlichkeit in der Höhle muss genauso interpretiert werden. Er
wird krank, weil er sich nicht weiter entfaltet und weil er in seinem Inneren, in seiner
Geschichte hängen bleibt. Zur Entfaltung hat er die richtigen Mittel in der Höhle nicht. Die
Krankheit sorgt für das Bewusstsein, dass er selbst nicht riecht, und setzt ihn zum neuen
Schritt an: Zur Weiterentwicklung in der menschlichen Welt bzw. zur Selbstentfaltung.
Sein letzter Wunsch, zu sterben, muss am Ende tatsächlich erfüllt werden. Er wurde
nicht anerkannt und nicht geliebt. Erscheint es zunächst, dass er eine gelungene Entwicklung
durchgemacht hat, so wird später deutlich, dass sein Höhepunkt zugleich sein Tiefpunkt ist.
Auf seinem Weg zurück nach Paris, schreibt der Autor: „Und mochte er auch vor der Welt
erscheinen als ein Gott – wenn er sich selbst nicht riechen konnte und deshalb niemals wüßte,
wer er sei, so pfiff er drauf, auf die Welt, auf sich selbst, auf sein Parfum“ (316). Grenouille
besitzt mit seinem Parfum die Macht, den Menschen Liebe einzuflößen. Das ist aber das
Einzige, das er damit erreicht hat. Er selbst als Individuum wird nie anerkannt oder geliebt. Es
gibt keinen Grund mehr, zu leben. Der Schöpfer des besten Dufts, nur den kann das Parfum
nicht bezaubern. „Ich bin der einzige, für den es sinnlos ist“ (317).
37
Vgl. Maslow 1988, 169-188.
Vgl. Ebenda, 176.
39
Vgl. Ebenda, 186.
38
18
2.1.4 Gerüche und Geruchlosigkeit
Nach Grenouille stinken alle Menschen, nur er stinkt nicht; „er riecht überhaupt nicht“ (14).
Die Tatsache, dass die Menschheit Grenouille nicht riechen kann, dass er überhaupt nicht
riecht, während alle andere Menschen einen Eigengeruch haben, deutet auf eine mangelnde
Identität hin. Der Eigengeruch eines Menschen, der bei jedem Menschen anders ist, ist
nämlich Teil seiner Identität.40 Das entdeckt er selbst erst im Plomb du Cantal. Daraufhin
zieht er nach Grasse, wo er sich einen Menschenduft mischt. Er vermutete selbst also schon,
dass sein fehlender Eigengeruch der Grund dafür war, dass andere Menschen ihn nicht
wahrnahmen. Mit diesem selbstkreierten Duft wird Grenouille wie erwartet zwischen den
Menschen akzeptiert.
Andere Menschen nehmen den Eigengeruch anderer Individuen wahr, und dieser
spielt eine wichtige Rolle in der Kommunikation.41 Düfte lösen eine Reaktion bei anderen
Menschen aus und sind auch im Bereich der Sexualität sehr wichtig, was im Parfum bewiesen
wird, als Grenouilles Duft ein Bacchanal auslöst:42 Der Duft sorgt dafür, dass jeder jeden
liebt. Früher, aber auch in der Gegenwart, konnte man am Geruch des Menschen erkennen, ob
man arm oder reich war.43 Der Geruchsunterschied führte zu verschiedenen Reaktionen. Gute
Gerüche lösten Gefühle von Gleichheit, Nähe, Sympathie aus und bedeuteten soziale
Zugehörigkeit, moralische Integrität, Sauberkeit und Gesundheit. Schlechte Gerüche lösten
Gefühle von Antipathie aus und bedeuteten Fremdheit, Ausgrenzung, Gefahr und Krankheit
bis zu moralischer Verkommenheit.44 Auch heute bestimmen Gerüche noch die soziale
Akzeptanz. Grenouille riecht überhaupt nicht, hat also keinen guten, aber auch keinen
schlechten Duft: Eigentlich ist er unsichtbar, was seine Außenseiterposition beweist. Er wird
einfach nicht gesehen. Wenn er aber gesehen wird, dann wird er nicht als Mensch
wahrgenommen, sondern eher als Teufel – „Er ist vom Teufel besessen“ (14) – oder jedenfalls
als Etwas, das Angst erzeugt. Man kann anhand seiner Geruchlosigkeit einfach nicht
bestimmen, ob er gut oder schlecht ist.
Nach Frizen und Spancken ersetzt Grenouilles Geruchssinn alle anderen Sinne: das
Hören und Sehen, das Tasten, das Schmecken,45 mit anderen Worten: Das Riechen ersetzt alle
andere Wahrnehmungsorgane. Diese werden quasi ausgeschaltet. Das deutet auch auf
Grenouilles Lieblosigkeit hin, auf seinen Mangel an Gefühlen.
40
Vgl. Raab 2001, 67.
Vgl. Burdach 1988, 66.
42
Vgl. Maiworm 1993, 39.
43
Vgl. Raab 2001, 77.
44
Vgl. Ebenda, 88.
45
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 85.
41
19
Sowohl die Tatsache, dass er ein Außenseiter ist, als auch die Tatsache, dass er wenig
bis keine Gefühle kennt, weisen auf Autismus hin.46 Grenouille ist unfähig, normale
Beziehungen zu Menschen einzugehen, hat Schwierigkeiten mit der Kommunikation und in
der sozialen Anpassung, schon vom Anfang seines Lebens an.47 Diese Probleme führen zu
einer Kontaktstörung. Charakteristische Symptome sind des Weiteren zum Beispiel
Spezialinteressen oder sprachliche Besonderheiten:48 Grenouilles Spezialinteresse liegt im
Geruch. Sprachliche Besonderheiten lassen sich auch finden: Grenouille spricht kaum,
eigentlich nur wenn es den Umgang mit anderen Menschen fördert, und hat große
Schwierigkeiten mit moralischen Ausdrücken. Im Erwachsenenalter verbessern sich bei
Autisten die Fähigkeiten im Sozialverhalten und der Alltagskompetenz.49 Auch das gilt für
Grenouille. Im Laufe der Zeit täuscht er den Menschen vor, selbst auch menschlich zu sein,
dazu zu gehören, einerseits mithilfe seiner Parfums, andererseits durch angelernte
Fähigkeiten, die ihm den Umgang mit den Menschen leichter machen und das Erreichen
seines Ziels vereinfachen. Für Autismus spricht auch die Tatsache, dass Grenouille erst in der
Höhle zu sich selbst kommt, erst am Punkt, wo es zum Imitieren keine Leute mehr gibt, wo er
ganz und gar in sich selbst zurückkehren kann.50 Wirklich Mensch wird Grenouille aber nie.
Er wird zwar unter ihnen akzeptiert, gesehen, aber er gehört nie dazu. Erscheint es zuerst, dass
er sein Ziel am Ende erreicht hat, wird Grenouille dadurch aber nur enttäuscht. Während des
großen Bacchanals wird Grenouille (oder eigentlich: sein Parfum) gerochen und damit
gesehen. Er wird aber nicht wirklich in die Gruppe aufgenommen. Sogar mit dem perfekten
Parfum kann Grenouille nicht zu den Menschen gehören. Er suchte Liebe, Anerkennung,
findet aber nur Verherrlichung; Er wollte Mensch sein, aber wird als göttliches Wesen
angesehen.
2.1.5 Die Metapher des Zecks
Erst mit dem Parfum wird Grenouille als Heiliger angesehen, und er wird eher als positiv
wahrgenommen. Durch den ganzen Roman hindurch wird er aber häufig mit Tieren
verglichen: „sie verschränkte entschlossen die Arme unter ihrem Busen und warf einen so
angeekelten Blick auf den Henkelkorb zu ihren Füßen, als enthielte er Kröten –“ (17);
„klappte […] in sich zusammen wie eine kleine schwarze Kröte“ (96); „so daß er aussah wie
46
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 26.
Vgl. Kumbier et al. 2010, 56.
48
Vgl. Ebenda, 60.
49
Vgl. Ebenda, 60f.
50
Vgl. Hallet 1989, 281f.; zitiert nach: Matzkowski 2001, S. 48.
47
20
eine schwarze Spinne“ (99). Wenn er spricht, klingen seine Worte „schlangenhaft“ (92).
Meistens wird er aber mit einem Zeck verglichen, zum ersten Mal bei Madame Gaillard: „Er
war zäh wie ein resistentes Bakterium und genügsam wie ein Zeck, der still auf einem Baum
sitzt und von einem winzigen Blutströpfchen lebt, das er vor Jahren erbeutet hat“ (27). Die
Gemeinsamkeiten zwischen Grenouille und einem Zeck liegen auf der Hand: Sie leben
zurückgezogen und im Hintergrund, sind unauffällig, halten ihre eigenen Interessen zurück,
bis zum Zeitpunkt, an dem sie ihren Interessen nachgehen können:51 „Es lebte in sich selbst
verkapselt und wartete auf bessere Zeiten“ (29), wird über Grenouille gesagt. Die besseren
Zeiten kommen, und zwar bei Grimal. Seine Freizeit nutzt er, um die Düfte der Stadt Paris
kennenzulernen. „Die Zeit des Überwinterns war vorbei“ (71). Im Laufe des Werks taucht die
Metapher des Zecks nach Matzkowski nur dann auf, wenn Grenouille in eine neue Phase
seines Lebens tritt. Bei Grimal überdauert er auf „zeckenhafte Manier“ (41). Nach seiner
Krankheit regt sich „der Zeck Grenouille“ (43) wieder. Ein neuer Lebensabschnitt kommt bei
Baldini. Hier taucht die Metapher des Zecks erneut auf. „Der Zeck hatte Blut gewittert“ (90).
Die nächste Lebensphase vollzieht sich am Plomb du Cantal: „Grenouille, der Zeck“ (168).
Danach wird Grenouille nochmal als Zeck bezeichnet, nämlich in Grasse, als er Laures Duft
gerochen hat: „der solitäre Zeck“ (242).52
Am Anfang wird er häufiger mit einem Zeck verglichen als im zweiten Teil, was nach
Matzkowski Grenouilles Entwicklungsprozess entspricht: Früher war seine Existenz fast rein
animalisch, aber im Laufe des Werks entwickelt Grenouille sich zum Menschen. Die
Metapher des Zecks sei somit im Laufe seines Lebens nicht mehr voll gerecht.53 Er wird zum
letzten Mal als Zeck bezeichnet auf Seite 244:
Der Zeck Grenouille, vor die Wahl gestellt, in sich selbst zu vertrocknen oder sich
fallenzulassen, entschied sich für das zweite, wohl wissend, daß dieser Fall sein letzter sein
würde (244).
Das könnte bedeuten, dass Grenouille seine Existenz als Zeck, seine animalische Existenz
fallengelassen hat, damit der Prozess der Menschwerdung sich vollziehen kann.
Auch die Metapher des Zecks weist also auf das Werk als psychologischen
Entwicklungsroman hin, indem wir den Werdegang der Hauptfigur Jean-Baptiste Grenouille
verfolgen. Im dritten Kapitel wird gezeigt, dass der Film von Tom Tykwer die psychologische
51
Vgl. Matzkowski 2001, 70.
Vgl. Ebenda, 70ff.
53
Vgl. Ebenda, 73f.
52
21
Interpretation als Ausgangspunkt nimmt. Das nächste Kapitel allerdings geht noch auf die
andere Interpretationsmöglichkeit ein: Das Parfum als Künstlerroman, welche nach Frizen
und Spancken zunächst als glaubwürdiger angenommen wird. Ihrer Meinung nach kann man
wegen Grenouilles Tod nicht von einem Entwicklungsroman sprechen. Es erscheint ja, als ob
Grenouille nie existiert hat, da er sich ins Nichts auflöst. Er hinterlässt überhaupt keine
Spuren. Zudem wird er nie in seiner wahren Existenz zur Kenntnis genommen.54 Der Roman
könne somit eher als Antibildungsroman interpretiert werden:55 Die Entwicklung Grenouilles
ist nur eine scheinbare Entwicklung – am Ende wird deutlich, dass er sich überhaupt nicht
entfaltet hat.
2.2
Die zweite Interpretationsmöglichkeit: Die
Entwicklung eines Genies – Der Künstlerroman
Im vorigen Kapitel wurde Das Parfum als psychologischer Entwicklungsroman interpretiert.
Diese Deutung erscheint mir genauso glaubwürdig wie die in diesem Kapitel vorgeschlagene
Deutung. Einige Forscher, wie Frizen und Spancken, interpretieren Grenouille zunächst als
ein Genie.56 Der Roman soll somit als Künstlerroman gelesen werden, als ein Roman also,
indem man die Entwicklung eines Genies verfolgt. Was der Begriff des Genies beinhaltet,
wird in 2.2.1 besprochen, bevor in 2.2.2 mit der Interpretation angefangen wird.
2.2.1 Genie – was verstehen wir darunter?
Die Periode, in der der Begriff des Genies entstand, war der Sturm und Drang. In dieser
Epoche wurde der Künstler als wahrer Gott, als Schöpfer angesehen. Das geniale Werk
repräsentierte das Absolute, das Kunstwerk sprach die Wahrheit und der Künstler war „der
Hohepriester des heiligen Geistes“.57 Nach Von Wilpert bedeutet Genie „Begabung zu
eigenschöpferischer Gestaltung und Träger dieser Fähigkeit, gekennzeichnet durch Intuition,
Originalität und Spontanität“.58 Frizen und Spancken sehen den Künstler als exzentrische und
problematische Existenz, ein Thema der Geniegeschichten, auch als Thema des Parfums.59
Sie definieren ,Genie‘ anders als Von Wilpert, nämlich als eine Krankheit mit folgenden
Symptomen: Körperliche Abnormität, Infantilität, mangelndes Intellekt, Neigung zum
54
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 25ff.
Vgl. Ebenda, 29.
56
Vgl. Ebenda, 51.
57
Vgl. Ebenda, 56f.
58
Von Wilpert 1979, 305.
59
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 53.
55
22
Wahnsinn, aus der Gesellschaft ausgestoßen, beansprucht Autarkie.60 Zum Begriff des Genies
gehören nach Matzkowski einerseits rauschhaftes genialisches Schaffen, und andererseits
innere Zerrissenheit.61
Süskind hat einen Künstler und dessen Schaffen zum zentralen Thema seiner
Geschichte gemacht. Der Roman kann also als Künstlerroman gelesen werden. Dass es sich
bei Grenouille um ein Genie handelt, wird in den nächsten Kapiteln erläutert.
2.2.2 Äußerliches und das soziale Verhalten Grenouilles
Ein Merkmal (oder Symptom, wie Frizen und Spancken das nennen) eines Genies ist
körperliche Abnormität. Mehrmals wird im Werk angedeutet, dass Grenouille hässlich ist. Die
Krankheiten, die er im Laufe seines Lebens überdauert, machen ihn noch hässlicher. Zudem
hat er einen Klumpfuß und einen Buckel (181), die die Menschen glauben lassen, dass der
Mädchenmörder der Teufel selbst ist. Körperlich abnorm ist Grenouille also zweifelsohne.
Das kommt nach Frizen und Spancken teilweise von der Mutter, die auch schon ungesund
war,62 die „außer der Gicht und der Syphilis und einer leichten Schwindsucht keine ernsthafte
Krankheit“ (8) hatte.
Auch ist ein Genie „infantil“, das heißt, dass er nie wirklich erzogen oder erwachsen
wird, sondern ein großes Kind bleibt.63 Das gilt auch für Grenouille. Obwohl er aufwächst,
wird er nie erzogen: Die Sozialisationsinstanzen lassen, wie schon im vorigen Subkapitel
erläutert, zu wünschen übrig. Außerdem passt Grenouille sich den Umständen an. Er wird
geschlagen, aber das lässt ihn kalt, er muss beim Gerber harte Arbeiten leisten, aber er schafft
es, ohne sich zu beklagen. Dass er sich anpasst, bedeutet aber auch, dass er sich nie wirklich
entfaltet, wie normale Menschen das tun. Alles dient einem höheren Zweck, Grenouille strebt
nur seinem Ziel nach: Er will ein Schöpfer von Düften sein. Hat Süskind Fichte im Hinterkopf
gehabt? „Das ich setzt sich selbst“,64 so behauptete er. Dies gilt tatsächlich auch für
Grenouille. Keine Sozialisationsinstanz kann ihn ‚setzen‘, erziehen – er erzieht sich selbst und
wird infolgedessen nie erwachsen, sondern bleibt, sogar in seinem Äußerlichen kindlich.
Frizen und Spancken behaupten, dass Genie und Intelligenz nicht identisch sind. Das
Genie hat eine Begabung, aber ist nicht per se hochintelligent. Grenouille wirkt nicht wirklich
klug. Erst mit vier spricht er sein erstes Wort, „Sein Lehrer hielt ihn für schwachsinnig“ (35)
60
Vgl. Ebenda, 58ff.
Vgl. Matzkowski 2001, 21.
62
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 58.
63
Vgl. Ebenda, 58.
64
Fichte 1997, 16; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 58.
61
23
und „das Denken war nicht seine Stärke“ (317). Nur seine Begabung und seine
Durchsetzungsfähigkeit machen ihn zum Genie.65 Nach Frizen und Spancken wirkt sich seine
Infantilität vor allem auf moralischem Gebiet aus,66 was ihn zugleich zum Wahnsinnigen
macht. Er fällt aus der Menschheit heraus, neigt zu auffälligem Verhalten und wird für
verrückt gehalten.67 Das kommt nicht nur aus der Gesellschaft, sondern auch aus ihm selbst:
Er ist mehr oder weniger ein Menschenfeind: Mit ihnen in der Nähe fühlt Grenouille sich
nicht wohl, was seine Zeit in der Höhle, weg von den Menschen, bestätigt.68 Sein Wahnsinn
kommt in dem Vulkan wirklich zum Ausdruck. Hier schafft er seine eigene Welt, in der er
sich selbst als Gott sieht: „Und der Große Grenouille sah, daß es gut war, sehr, sehr gut“ […]
‚Siehe, ich habe ein großes Werk getan, und es gefällt mir sehr gut [..]. Aber wie alles
Vollendete beginnt es mich zu langweilen‘“ (162). Grenouille verherrlicht sich selbst.
Er sieht sich selbst als Schöpfer, aber will das auch sein, so wird später deutlich. „Er
wollte der omnipotente Gott des Duftes sein, so wie er es in seinen Phantasien gewesen war,
aber nun in der wirklichen Welt und über wirkliche Menschen. Und er wußte, daß dies in
seiner Macht stand“ (198). Die Tatsache, dass Grenouille so ein Schöpfer sein will, entspricht
dem Prometheus-Mythos,69 was später im Werk nochmal genannt wird: „Er war noch größer
als Prometheus“ (304). Grenouille lebt aber, wie die Zeit in der Höhle klar macht, in seiner
Phantasie, in einer Scheinwelt. Er hat seine eigene Welt geschaffen und ‚vollendet‘. Dass das
Vollendete ihn langweilt, beweist, dass er in seinem schöpferischen Dasein nie fertig sein
wird. Aber was hat er hier eigentlich vollendet? Er hat nur sein eigenes Phantasiereich, seine
innere Welt vollendet. Seine Wirklichkeit ist eine Scheinwelt. Er ist zwar ein Schöpfer, aber
nur einer „im künstlichen Paradies“.70
Ein Genie beansprucht Autarkie. Grenouille braucht nichts: Keine Geborgenheit, keine
Zuwendung usw.; er ist bindungslos und will das sein. Im Gegensatz zur ersten Interpretation,
die davon ausging, dass Grenouille aus der Sehnsucht nach Liebe handelt, geht diese
Interpretation davon aus, dass Grenouille sich der Liebe verweigert und dass er somit ein
„Verweigerungskünstler“71 ist, das heißt ein Künstler, der nicht anerkannt und geliebt werden
will. Das bedeutet auch, dass er seine Kunst nicht einsetzen will, um andere Menschen zu
überzeugen, er will zum Beispiel keine eigene Parfümerie, es geht ihm nicht um Geld usw. Er
65
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 58f.
Vgl. Ebenda, 60.
67
Vgl. Ebenda, 59.
68
Vgl. Stark 2006, 224.
69
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 56.
70
Frizen/Spancken 2008, 62.
71
Ebenda, 60f.
66
24
ist nicht am äußeren Erfolg seines Genies interessiert.72 Er lehnt es ab, seine Kunst zur
Kommunikation mit anderen Menschen zu gebrauchen:73 Geht die psychologische Deutung
davon aus, dass Grenouille aus Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe handelt, geht diese
Interpretation davon aus, dass Grenouille aus Liebesverzicht handelt, und nur aus dem Willen,
verehrt zu werden, verherrlicht, einfach um ein eigener Gott zu sein. Soziales Handeln passt
nicht zu diesem Genie: Er muss alleine sein, um sich zum Genie entfalten zu können. Er kann
nicht erzogen werden, denn das würde seinem Genie schaden. Er braucht nur sich selbst, seine
inneren Ideen, um sein Ziel zu erreichen. Sprache benötigt er nicht, denn seine Gerüche
brauchen keinen Namen, um für ihn unterscheidbar zu bleiben; aber um die handwerklichen
Fähigkeiten kennenzulernen, kann Grenouille nicht anderes als die Sprache lernen. Ohne die
Sprache würde er sich nie mit den Menschen mischen können und würde er nie eine Stelle als
Geselle bekommen. Sein (a)soziales Verhalten kann man in der Weise denn auch als bewusst
interpretieren. Dass er ‚schlangenhaft‘ spricht, und Angst bei den Menschen erzeugt (quasi als
Wahnsinniger angesehen wird), macht seinen Werdegang zum Genie leichter: Je mehr
Menschen er um sich herum hat, desto schwieriger diese Entwicklung verläuft. Deswegen
braucht Grenouille auch einige Zeit in der Höhle: Weg von den Menschen kann er sich voll
entfalten, seine Ideen ausarbeiten, sozusagen seine Geniewerdung beschleunigen. Leider wird
ihm dort seine Geruchslosigkeit bewusst, wodurch das Bild des Genies ins Schwanken
gebracht wird. Statt Genie, ist Grenouille ein Nichts, das noch zum Genie gemacht werden
muss, das sich selbst noch schaffen muss.
2.2.3 Das Scheitern und Grenouilles Umgang damit
Grenouilles Scheitern mündet im Werk immer in eine Krankheit, und später sogar in seinen
Tod. Grenouille scheitert ständig an der Gesellschaft bzw. an der Normalität, aber er scheitert
auch an seiner eigenen schöpferischen Kunst: Weiter als Gerber kommt er zunächst nicht und
danach verplempert er seine Zeit als Lehrling bei Baldini. Im Vulkan liest der Leser, wie er in
seinem Inneren eine ganze Welt von Düften schafft – nur in seiner eigenen Phantasiewelt
also. Zum genialen Schaffen in der realen Welt kommt es in der Zeit nicht.
Wenn Grenouille krank ist, ändern sich die Umstände für ihn immer. Die
psychologische Interpretation geht davon aus, dass Grenouille krank wird, weil er sich nicht
voll entfalten kann. Diese Interpretation gilt teilweise auch für die Interpretation des Werks
als Künstlerroman. Grenouille wird krank, weil er sich nicht voll entfalten kann, aber seine
72
73
Vgl. Stark 2006, 224.
Vgl. Ebenda, 220.
25
Krankheiten können besser als Trick interpretiert werden. „Und wie es sich für ein Genie
gehört, das die Verwirklichung seiner innersten Visionen gefährdet fühlt, flüchtet er sich in
die Krankheit“.74 Mit anderen Worten: Grenouille wird krank, weil er das will. Alles was ihm
im Werk geschieht, geschieht aus seinem Willen, einfach, weil er es so beabsichtigt hat.
Nehmen wir die Szenen, in denen er krank ist, einmal dazu. Er wird zum ersten Mal krank bei
Grimal. Im Allgemeinen, so erzählt uns das Werk, verläuft der Milzbrand tödlich. Aber
Grenouille genest. Zunächst erscheint es, dass diese Krankheit typisch etwas für Gerber ist,
aber im Text stehen Hinweise, die auf eine tiefere Bedeutung schließen. Zum ersten werden
wir auf den Unterscheid zwischen Grenouille und den anderen Arbeitsleuten in der Gerberei
aufmerksam gemacht: „Dadurch unterschied er sich nicht nur von den Lehrlingen und
Gesellen, sondern auch von seinen eigenen potentiellen Nachfolgern“ (42). Wie schon in
Kapitel 2.2.1 erläutert, unterscheidet ein Genie sich von der Menge. Grenouille hat das mit
dieser Krankheit – und vor allem mit der darauffolgenden Resistenz gegen den Milzbrand –
also schon erreicht. Aber es wird auch auf die Zukunft hingedeutet, wenn über seine
potenziellen Nachfolger gesprochen wird. Lesen wir hier, dass Grenouille sich
möglicherweise schon orientiert, sein Leben zu ändern, sich vom Gerber zu verabschieden?
Grenouilles Lebensumstände verbessern sich nach dem Milzbrand: Er bekommt besseres
Essen, eine eigene Decke und so weiter. Das Wichtigste ist, dass er einen halben Sonntag frei
bekommt, und später sogar jeden Abend eine Stunde. „Er hatte gesiegt, denn er lebte, und er
besaß ein Quantum von Freiheit, das genügte, um weiterzuleben“ (43), beschreibt der Text.
Wird hier nicht darauf hingewiesen, das Grenouille mit Absicht krank geworden ist? Dass er
die Krankheit sozusagen als Waffe eingesetzt hat? Er hat gesiegt, wird geschrieben, und das
sorgt dafür, dass er weiterleben kann.
Die zweite Krankheit Grenouilles findet bei Baldini statt. Das Destillieren lebloser
Düfte gelingt ihm nicht. „Als er sich über sein Scheitern klargeworden war, stellte er die
Versuche ein und wurde lebensbedrohlich krank“ (130). Erneut ist Grenouilles Krankheit
lebensbedrohlich und erneut kann man hier sagen, dass er die Krankheit brauchte, um im
Leben weiterzukommen. Bisher hat er bei Baldini nur als Lehrling funktioniert, und er hat
tatsächlich Einiges dazu gelernt, das wichtig für ihn war, denn ohne Zertifikat würde er auch
nirgendwo eine Stelle bekommen. Aber er hätte Baldini nicht einfach sagen können, dass er
Lebendiges destillieren wollte, also braucht Grenouille eine Krankheit, und zwar so eine, die
ihm die Tür zu Baldinis Wissen öffnet, eine sehr schlimme also. Dass Baldini sich anschickte,
74
Vgl. Stark 2006, 215.
26
„seinen Handel über die Grenzen der Hauptstadt, ja sogar des ganzen Landes auszudehnen“
(131) und „für eine ausgewählte Zahl hoher und höchster Kundschaft persönliche Parfums
kreieren“ (132) will, ist auch auffällig. Gerade jetzt braucht Baldini Grenouille und die
Möglichkeit, ihm irgendetwas zu verweigern, wird damit kleiner. Sobald Grenouille von
Baldini gehört hat, was er wissen wollte, wird er besser. „Er schlief nur sehr fest und träumte
tief und zog seine Säfte in sich zurück“ (137). Dieses Geschehen verläuft also sehr aktiv. Es
wird nicht geschrieben, dass sein Körper sich gesundete, sondern dass er, Grenouille dafür
sorgte, dass sein Körper genas. Das deutet darauf, dass seine Krankheit eigentlich ein Trick
ist.
Die Zeit in der Höhle – zu interpretieren als die Reaktion auf das Scheitern an der
Normalität und der eigenen schöpferischen Tat –, in der Grenouille auch krank wird, kann
einerseits psychologisch als Rückzug in das Ich gedeutet werden, andererseits – nach Frizen
und Spancken – als die Entwicklung des Genies vom kranken Sturm-und-Drang-Genie zum
dekadenten Genie.75 Grenouille scheitert am Schaffen, an seiner Künstlerexistenz und wird
daraufhin krank. Mit dekadent wird in diesem Sinne das Gefühl des Untergangs und des
Verfalls der eigenen Zivilisation gemeint, verbunden mit Pessimismus und Melancholie, einer
Vorliebe für Krankheiten und für den Tod. Figuren in der dekadenten Literatur zeichnen sich
durch eine geschwächte Vitalität aus.76 Grenouilles geschwächte Vitalität äußert sich deutlich
in seinem Erscheinen: Am Ende der Zeit im Vulkan weist Grenouille „greisenhafte
Verfallserscheinungen“ (179) auf. Auch Grenouilles Wahnsinn, der in Kapitel 2.2.2 schon
erläutert wurde, seine Phantasien und Träume, weisen auf sein Dasein als dekadentes Genie
hin77 – er möchte gerne schaffen, aber hat die Möglichkeiten und Kräfte dazu nicht78 – und
also nicht auf ein Dasein als Originalgenie.79 Grenouille will Genie sein, erkennt das auch in
sich selbst (siehe zum Beispiel Seite 198), aber ist er das auch? Er schafft zwar neue Düfte,
aber kreiert diese aus Gerüchen, die schon existierten, und außerdem auch schon ‚tot‘ und vor
allem nicht bleibend sind. Am Ende entdeckt Grenouille, dass er in seiner Absicht, Neues und
Bleibendes zu schöpfen, gescheitert ist. Er ist erneut gescheitert an der Gesellschaft: Dazu
gehören war unmöglich, denn als Mensch wird er nie angesehen, aber nicht dazu gehören,
sich wirklich von Allen unterscheiden, war auch nicht möglich, denn die Leute erkennen seine
Begabung nicht. Sie sehen ihn zwar, aber sind nicht von ihm, sondern von seinem Duft
75
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 62.
Vgl. Sørensen 2010, 117f.
77
Vgl. Ebenda, 119.
78
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 109.
79
Vgl. Ebenda, 62.
76
27
beeindruckt. Seine Künstlerexistenz, Genieexistenz scheitert, und Grenouille flüchtet sich in
den Tod. Denn in Wahrheit war das Genie nur ein Sammler, der nichts Bleibendes schaffen
konnte und sich im Nichts auflöst, als ob er nie existiert hat.80 Scheint er zunächst mächtiger
als die Menschen bzw. ein Genie zu sein, so wird das später widerlegt: Er steht eher unter
ihnen, wird nicht akzeptiert oder überhaupt gesehen. Der kritische Leser entdeckt in Süskinds
Roman also nicht nur die Entwicklung eines Genies, sondern auch die Kritik an dem Genie.
2.2.4 Gerüche und Geruchslosigkeit
Das, was Grenouille kreiert, nämlich Düfte, „ist nicht seine originale Schöpferkraft, sondern
existiert im Rückblick“,81 ist also nur ein Schatten von dem, was war – ist eine Erinnerung
und keine originale Kunst. Diese Tatsache spricht dafür, dass Grenouille nicht als
Originalgenie angesehen werden sollte, sondern als dekadentes Genie. Weder im ersten Teil
des Werks, noch bei Baldini, kann man ihn ganz gut als Originalgenie bezeichnen. Das, was
er dann schafft, sind wirklich neue Düfte, einfach inspiriert durch Grenouilles Nase. Das, was
er später aus den Mädchen schafft, ist zwar ein neuer Duft, aber besteht aus leblosem
Material, aus etwas, das früher einmal existiert hatte. Der Duft des Menschen ist eigentlich
das Einzige, in dem der Mensch sich von Anderen unterscheidet.82 Grenouille unterscheidet
sich von den Menschen, indem er überhaupt nicht riecht. Das entdeckt er in einem Traum in
der Höhle:
Und Grenouille erwachte von seinem eigenen Schrei. Im Erwachen schlug er um sich, als
müsse er den unriechbaren Nebel vertreiben, der ihn ersticken wollte. Er war zutode
geängstigt, schlotterte am ganzen Körper vor schierem Todesschrecken. Hätte der Schrei nicht
den Nebel zerrissen, dann wäre er an sich selber ertrunken – (171).
Auch seine Geruchlosigkeit ist eine Form von körperlicher Abnormität, was gut zum Genie
passt.83 Sofort danach beschließt er sein Leben zu ändern. Dass er nicht riecht, bedeutet auch,
dass er für die Menschen unsichtbar ist, ausgestoßen wird.84 Auch das entdeckt er, und er
schafft einen Duft, der nach Menschen riecht, bestehend aus Katzendreck, Essig, Salz, Käse,
fischig-ranzig-riechendem Etwas, faulem Ei, Castoreum, Ammoniak, Muskat, gefeiltem
Horn, angesengter Schweineschwarte, Zibet und Alkohol (192). Das Resultat: „in den Gassen
80
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 63.
Frizen/Spancken 2008, 63.
82
Vgl. Raab 2001, 67.
83
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 58.
84
Vgl. Ebenda, 60.
81
28
Montpelliers, spürte und sah Grenouille deutlich – und jedesmal, wenn er es wieder sah,
durchrieselte ihn ein heftiges Gefühl von Stolz-, daß er eine Wirkung auf die Menschen
ausübte“ (195). Die Folge ist, dass Grenouille seine Maske verbessern kann, aber auch, dass
er die Menschen hasst, weil „sie sich von ihm belügen und betrügen ließen; weil sie nichts
waren, und er war alles!“ (197). In dem Moment realisiert Grenouille sich, wozu er fähig ist,
und ab jetzt steuert er auf sein Ziel zu: Er will einen Duft schaffen, der Liebe erzeugt, mit dem
man ihn von ganzem Herzen lieben würde.
Grenouilles Begabung findet sich nicht nur im Schaffen von Düften, sondern auch im
Riechen von Gerüchen. Auch darin unterscheidet Grenouille sich von der Masse. Es gibt
keine andere Person, die mit so einem Geruchssinn ausgestattet ist. Er ist demnach auch der
Einzige, der sich nicht täuschen lässt, denn sein Geruch lässt ihn nie im Stich. Der Rest der
Menschen lässt sich aber leicht täuschen. Stinkend dumm, nennt Grenouille sie. Auch hier
wird das Genie wieder von dem Rest der Gesellschaft abgegrenzt und es steht quasi über den
Menschen.
„Üblicherweise rochen Menschen nichtssagend oder miserabel. Kinder rochen fad,
Männer urinös, nach scharfem Schweiß und Käse, Frauen nach ranzigem Fett und
verderbendem Fisch. Durchaus uninteressant, abstoßend rochen die Menschen“ (54). Das
Wort ‚Gestank‘ steht im Werk für alles, was hässlich, vielleicht sogar gemein ist, jedenfalls
nicht schön:
den feindlichen, dampfigen Dunst der Schlafstube von Madame Gaillard; das ledrig verdorrte
Odeur ihrer Hände; den essigsauren Atem des Pater Terrier; den hysterischen, heißen
mütterlichen Schweiß der Amme Bussie; den Leichengeruch des Cimetière des Innocents; den
Mördergeruch seiner Mutter. […] Gestank der rohen, fleischigen Häute und der Gerbbrühen
[…]; den versammelten Brodem von sechshunderttausend Parisern in der schwülen lastenden
Hitze des Hochsommers (158f.).
Mit diesen Gerüchen ruft Grenouille seinen eigenen Hass und seine Rache hervor. Das Wort
‚Gestank‘ steht also stark mit dem Wort ‚Hass‘ in Verbindung, meiner Meinung nach ein
wichtiges Motiv im Parfum. Im Gegensatz zum Motiv des Hasses, finden wir auch das Motiv
der Liebe und der Schönheit im Werk, nämlich in Verbindung mit dem Wort ‚Duft‘. Das
Mirabellen-Mädchen ist das erste Schöne, das Grenouille an einem Menschen riecht:
29
Ihr Schweiß duftete so frisch wie Meerwind, der Talg ihrer Haare so süß wie Nußöl, ihr
Geschlecht wie ein Bouquet von Wasserlilien, die Haut wie Aprikosenblüte. […] Dieser eine
[Duft] war das höhere Prinzip, nach dessen Vorbild sich die andern ordnen mußten. Er war die
reine Schönheit (55).
Die Mädchen – oder vor allem natürlich ihre Düfte – sind das Einzige im Leben, das
Grenouille zum Lieben fähig macht: „Wahrhaftig, Grenouille, der solitäre Zeck, das Scheusal,
der Unmensch Grenouille, der Liebe nie empfunden hatte und Liebe niemals inspirieren
konnte, stand an jenem Märztag an der Stadtmauer von Grasse und liebte und war zutiefst
beglückt von seiner Liebe“ (242).
Grenouille schafft im Werk Düfte, man kann sagen: Er schafft Kunst. Und die ganze
Menschheit, sowie wir sie heute kennen, benutzt diese Kunst, um seinen eigenen ‚Gestank‘,
nach Grenouille, zu maskieren. Ist die Menschheit damit nicht ‚künstlich‘, oder besser
vielleicht: falsch? Können wir den ganzen Roman denn, der von künstlichen Gerüchen
handelt, vielleicht als Kritik am Geniekult und an der Gesellschaft lesen? Auch in der
heutigen Gesellschaft ist es so, dass man aufgrund von Äußerlichkeiten und Geruch verurteilt
wird, und die ganze Gesellschaft maskiert sich selbst mit Künstlichkeit. Man lässt sich
täuschen, verzaubern von künstlichen Düften, von Kleidung, von Masken. Das schafft Raum
für ein Genie wie Grenouille, das sich selbst schaffen kann, und das weiß, wie der Mensch
sich täuschen lässt – und das schafft auch Raum, ins Extreme zu geraten. Wir können
Grenouille deshalb, vor allem im vorletzten Teil des Werks, als eine Art Hitler sehen. Nach
Frizen und Spancken sind alle Ingredienzen beisammen: „die unpolitische Haltung; die
Entmündigung und Hypnotisierung der Masse; das Versprechen einer Identität im Kollektiv,
die Entrationalisierung und Beseitigung der Ich-Zensur; die Aufhebung gesellschaftlicher
Schranken; die suggestiven, aber inhaltsleeren Mittel der Propaganda; die Auswechselbarkeit
des moralischen Systems; die Abwehrmechanismen und die Unfähigkeit zu trauern“.85
Genauso wie nach dem Zweiten Weltkrieg, wacht die Gesellschaft entsetzt auf, und muss eine
Art Vergangenheitsbewältigung stattfinden, die – zufälligerweise? – genauso verläuft wie die
Vergangenheitsbewältigung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Vielen erschien dieses Erlebnis so grauenvoll, so vollständig unerklärlich und unvereinbar mit
ihren eigentlichen moralischen Vorstellungen, daß sie es buchstäblich im Augenblick seines
Stattfindens aus ihrem Gedächtnis löschten […]. Andere, die ihren Wahrnehmungsapparat
85
Frizen/Spancken 2008, 66.
30
nicht so souverän beherrschten, versuchten, wegzuschauen und wegzuhören und wegzudenken
– was nicht ganz einfach war, denn die Schande war zu offensichtlich und zu allgemein. […]
Über die Ereignisse des Vortags und der vergangenen Nacht fiel kein Wort. So hemmungslos
und frisch man sich gestern noch gegeben hatte, so schamhaft war man jetzt. Und alle waren
so, denn alle waren schuldig (312f.).
Zunächst wird die Vergangenheit also überhaupt nicht bewältigt, es wird nicht über das
Geschehene gesprochen.86 Danach finden Strafprozesse statt87 – „Aufgrund eindeutiger
Verdachtsmomente verhaftete man Dominique Druot“ (313) und wird alles in einem früheren
Zustand wiederhergestellt – „Hierfür wurden hundertsechzig Livre bewilligt“ (313).88 Der
Geniekult ist politisch, totalitär geworden.89
2.2.5 Blumen und Blüte
Blumen und Blüte im Parfum sind zusammen ein Motiv, das von den meisten Forschern nicht
erfasst wurde. Die Blumen und Blüte repräsentieren meines Erachtens das Leben und sind
damit der absolute Gegensatz zur Kunst. Verbindet man beide Begriffe im Zusammenhang
mit dem Werk, wird der Gegensatz deutlicher: Bürgertum versus Künstlertum. Die Menschen,
mit denen Grenouille in seinem Leben zu tun hat, sind alle normale, ordnende Bürger. Siehe
zum Beispiel Baldini, der weiß, dass es beim Parfumgeschäft „nur eine, eine einzig mögliche
und richtige Art“ (103) gibt, um ein Parfum herzustellen. Grenouille hat aber seine eigene Art,
und Baldini versucht diese in Ordnung zu bringen:
Um das verrückte Geschäft, wenn nicht zu kontrollieren, so doch wenigstens begreifen zu
können, verlangte Baldini eines Tages von Grenouille, er möge sich, auch wenn er das für
unnötig halte, beim Ansetzen seiner Mischungen der Waage, des Meßbechers und der Pipette
bedienen; er möge sich ferner angewöhnen, den Weingeist nicht als Duftstoff zu begreifen,
sondern als Lösungsmittel, welches erst im nachhinein zuzusetzen sei; er möge schließlich um
Gottes willen langsam hantieren (118).
Baldini will alles aufschreiben und, wenn möglich, begreifen können. Er ist der normale
Bürger, der sich vor allem auf das Geld richtet, und Grenouilles Vorgehen deswegen festlegt.
Baldini ist ein Beweis der ordnenden Art der Bürger. Auch die Reaktion der Bürger nach dem
86
Vgl. Heimpel 1960, 45; geciteerd naar Reichel 2001, 21.
Vgl. Reichel 2001, 59.
88
Vgl. Ebenda, 27.
89
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 66.
87
31
großen Bacchanal beweist diese ordnende Art: Alles soll wieder in seinem früheren Zustand
wiederhergestellt werden. Ihnen gegenüber steht natürlich Grenouille, der spontan, wie es
einem Künstler (oder Genie) gehört, alle möglichen Düfte kreiert. Er produziert Kunst.
Zudem ist Grenouille natürlich eine künstlich entstandene Person: Er hat sich nicht wie ein
normaler Mensch entwickelt, sondern hat sich selbst geschaffen, unter anderem mithilfe
seiner Parfums. Mit diesem parfümierten Deckmantel wird er zunächst als eine Person
zwischen allen Anderen toleriert. Zugleich ist der Künstler Grenouille auch des Bürgers
Deckmantel: Baldini braucht ihn, um sein Geschäft zu retten, aber versteckt ihn zugleich für
die Masse, als ob er die Düfte selbst kreiert, und nicht Grenouille.
Aber auch der intuitive Künstler Grenouille – man könnte sagen, er ist intuitiv wie ein
Tier (vgl. die Metapher des Zecks) –, der seiner Nase folgend Düfte kreiert, versteckt sich im
bürgerlichen Deckmantel. Das zeigt sich eigentlich schon beim Gerber Grimal, aber auch als
Geselle bei Madame Arnulfi. Grenouilles Künstlerexistenz bleibt der Außenwelt verborgen,
denn als einfacher Handwerker zeigt er der Außenwelt nicht, wie anders, wie genial er
eigentlich ist.
Das Leben wird getötet, um Künstlichkeit zu erzeugen. ‚Lebende‘ Blumen werden zu
einem ‚toten‘ Duft, aber auch lebende Mädchen werden getötet, um Kunst zu schaffen. 90 Das
Leben muss um der Kunst willen sterben. Grenouille kann nicht normal leben, er kann nur
gekünstelt leben, er kann nur schaffen; darin findet sich seine einzige Existenz. Wollte der
Künstler normal leben, könnte er keine Kunst mehr erzeugen. Leben und Kunst sind
unvereinbar.91 Das, was Grenouille ist und macht, nämlich ‚Genie‘, steht ganz im Gegensatz
zu Blumen, zum Leben also. Seine Kunst ist mit dem Tod verbunden, und kann nicht mit dem
Leben verbunden werden.
2.2.6 Abschließende Gedanken
Ob man den Roman als Künstlerroman oder als psychologischen Entwicklungsroman lesen
will – und beiden wird vom Autor selbst auch widersprochen, siehe dazu Kapitel 2.3.3 –, in
beiden Fällen erkennt man im Werk Kritik an der Gesellschaft. Der erste Hinweis darauf
wurde in Kapitel 2.2.4 schon erwähnt. Des Weiteren erklärt der Tod Grenouilles, wie
identitätslos er in dieser Welt eigentlich ist. Er wird anonym geboren, wird in der Kirche
getauft und verdankt ihr seinen Namen, bleibt aber den Rest seines Lebens ein Nichts, da er
geruchlos ist, und er stirbt letztendlich auch im Nichts: Es bleibt nichts von ihm übrig, er
90
91
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 65.
Nach Nietzsche. Vgl. Kuehnemund 1948, 443.
32
hinterlässt überhaupt keine Spuren. Es ist aber nicht nur Grenouille, der geruchlos und daher
ein Nichts ist. Jeder Mensch trägt eine Maske. Mit einem Parfum wird die eigene Identität
verdeckt. Das Subjekt, ein authentisches Ich, existiert nicht mehr, und das spiegelt sich in
Grenouille, in seiner kalten Gefühlslosigkeit und in seiner Maske. Das ist nämlich, was er von
der Welt gelernt hat: Sie ist gefühlsarm, man setzt sich über das Individuum hinweg. Von
Authentizität ist auch keine Rede mehr, wie Grenouilles Parfum deutlich macht: Sein Parfum
ist kein authentisches Etwas, sondern ein gesammeltes Etwas, hergestellt von Essenzen
anderer Leute und spiegelt, wie der Mensch sich gegenwärtig anpasst an das, was man um
sich herum sieht, um nicht zum Außenseiter zu werden.
Das Werk enthält also Gesellschaftskritik, aber es gibt auch noch andere InterpretationsMöglichkeiten. Diese werden im nächsten Kapitel kurz erläutert.
2.3
Weitere Interpretationsmöglichkeiten
Nicht nur die Lesart als Entwicklungsroman ist eine gute Möglichkeit, das Werk von Süskind
zu interpretieren. In diesem Kapitel werden verschiedene andere Interpretationsmöglichkeiten
vorgeschlagen, die ziemlich gut im Zusammenhang mit den vorher erläuterten
Interpretationen gesehen werden können.
2.3.1 Das Parfum – Ein Kriminalroman
Ein Kriminalroman „behandelt ein Verbrechen im Hinblick auf psychologischen Anstoß,
Ausführung, Entdeckung und Aburteilung des Verbrechers“.92 Er bietet Einsicht in die Seele
des Verbrechers und in die soziale Bedingtheit seines Handelns.93 Der Untertitel von Süskinds
Roman, Die Geschichte eines Mörders, lässt vermuten, dass es sich hier um einen
Kriminalroman handelt. Der Roman folgt zudem dem Strukturgefüge eines Kriminalromans.
Der Mörder, Grenouille, steht im Vordergrund und der Leser folgt der Entwicklung des
Verbrechens vom Anfang bis zum Ende. Im Gegensatz zum Detektivroman weiß der Leser
von Anfang an, wer der Täter ist und somit handelt es sich nicht um die Aufklärung des
Verbrechens, wie bei einem Detektivroman:94
Er hieß Jean-Baptiste Grenouille, und wenn sein Name im Gegensatz zu den Namen anderer
genialer Scheusale, wie etwa de Sades, Saint-Justs, Fouchés, Bonapartes usw., heute in
92
Von Wilpert 1979, 432.
Vgl. Von Wilpert 1979, 432.
94
Vgl. Ebenda, 161f.
93
33
Vergessenheit geraten ist, so sicher nicht deshalb, weil Grenouille diesen berühmteren
Finstermännern
an
Selbstüberhebung,
Menschenverachtung,
Immoralität,
kurz
an
Gottlosigkeit nachgestanden hätte […] (5).
Frizen und Spancken ergänzen: „nicht der Detektiv ist das Genie, sondern der Mörder“.95
Grenouilles Schrei an seinem Geburtstag war kein „instinktiver Schrei nach Mitleid
und Liebe gewesen“ (28), sein erstes Opfer war des Schreis wegen seine Mutter, und seine
anderen Opfer dienen einem höheren Zweck, nämlich der Kunst – Grenouille hasst zum
Beispiel das Geräusch des Schlages, womit er die Mädchen ermordet. Das alles weist darauf
hin, dass Grenouille „kein Verbrecher aus verlorener Ehre, kein vom verkorksten
Unbewussten getriebenes, Mitleid erweckendes Wesen“96 ist, obwohl der Roman das an
manchen Stellen vermuten lässt, weswegen die psychologische Deutung eine der
Interpretationsmöglichkeiten ist. Der Roman ist auch keine Mischung von sex and crime,
denn Grenouille ist nicht an den Körpern der Mädchen interessiert, obwohl sie von
ausgewählter Schönheit sind, sondern nur an ihrem Duft. Alles dient einem höheren Zweck,
alles dient der Kunst.
Vor dem Mord an Laure wird ihr Vater noch zum „Hobbydetektiv“ und wird
Grenouille zum Gejagten, aber das ist alles nur von kurzer Dauer. Letztendlich ist es zufällig,
dass Grenouille gefunden und verhaftet wird. Das wirkliche Urteil findet am Ende aber auch
nicht statt, nein, Grenouille wird aufgefressen und das sogar aus eigenem Willen.97
Können wir hier von einem regelgerechten Kriminalroman sprechen? Obwohl es den
Anschein hat, dass das Werk der Struktur eines Kriminalromans folgt, entdeckt man bei
näherem Betrachten, dass das Werk diese Struktur eigentlich nur widerlegt. Nach Frizen und
Spancken wäre „Requiem auf den Kriminalroman“ ein besserer Untertitel gewesen.98 Im
nächsten Kapitel wird erläutert, inwiefern das Werk sich als olfaktorischer und historischer
Roman interpretieren lässt.
2.3.2 Das Parfum – Ein olfaktorischer und historischer Roman
„Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum
vorstellbarer Gestank“ (5), schreibt Süskind. „Und natürlich war in Paris der Gestank am
größten, denn Paris war die größte Stadt Frankreichs“ (6). Der Roman fängt schon mit einem
95
Frizen/Spancken 2008, 42.
Ebenda, 42.
97
Vgl. Ebenda, 43f.
98
Ebenda, 44.
96
34
olfaktorischen Vergleich an, und da das Werk sich um „das flüchtige Reich der Gerüche“ (5)
handelt, ist die Interpretation des Werks als olfaktorischer Roman sofort gerecht. Zudem
beschreibt der Text manchmal ausführlich, manchmal flüchtig, historische Ereignisse, zu
denen auch der Gestank und die Entwicklung der parfümierten Welt gehören. Deswegen kann
man den Roman zugleich als olfaktorischen und historischen Roman bezeichnen.
Es gibt eine Volksetymologie, die den Namen Paris vom Wort lutum ableitet, was
‚Kot‘ bedeutet. Paris heißt im Lateinischen ‚Lutetia‘ und bedeutet ‚Dreckstadt‘.99 Vielleicht
hat Süskind die Stadt deswegen als Anfangs- und Schlussort seiner Geschichte genommen.
Der Gestank in Paris scheint zu der Zeit, die Süskind beschreibt, tatsächlich unerträglich
gewesen zu sein.100 Aber die Geruchstoleranz beginnt zu sinken und die Parfumindustrie
kommt auf.101 Es findet um die Mitte des Jahrhunderts eine Revolution der
Geruchswahrnehmung statt,102 auf die Süskind offenbar Bezug nimmt, indem er Grenouille
im Jahre 1753 seinen ersten Mord begehen lässt, nach dem er „die Welt der Düfte zu
revolutionieren“ (57) beschließt.
Nach Frizen und Spancken spiegelt auch Grenouilles Zeit in dem Vulkan die
Geschichte der Sinneswahrnehmungen. In Grotten, Gebirgsfelsen usw. konnte der
Gesellschaftsflüchtling
die
Naturgerüche
genießen.
Nach
Rousseau
sind
Gerüche
Erinnerungszeichen, die dem Ich seine eigene Geschichte enthüllen.103 Grenouille wird
demnach in dem Stollen enthüllt, dass er keine eigene Geschichte, Identität hat, dass er ein
Nichts ist. Die Fluidaltheorie des Marquis de la Taillade-Espinasse kann in Verbindung
gebracht werden mit den in der Zeit üblichen Luftkuren und Luftbädern, die dazu dienten,
Geruchslosigkeit zu erzeugen.104
Das Parfum greift verschiedene Elemente aus der Geschichte der olfaktorischen
Wahrnehmung auf. Zum ersten zum Beispiel die Tatsache, dass der Mensch mehr Gerüche
unterscheiden kann, als in Worte zu fassen ist. Die Sprache reicht einfach nicht aus, wie auch
Süskind im Werk schreibt: „Andrerseits hätte die gängige Sprache schon bald nicht mehr
ausgereicht, all jene Dinge zu bezeichnen, die er als olfaktorische Begriffe in sich versammelt
hatte“ (33). Zum zweiten die Tatsache, dass jedes Individuum einen eigenen Geruch besitzt,
dass der eine Mensch von dem Anderen unterscheidet.105 Dass man Grenouille nicht riechen
99
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 44.
Vgl. Mercier 1990, 175; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 44.
101
Vgl. Corbin 1988, 81ff.; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 45.
102
Vgl. Ebenda, 86f.; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 45.
103
Vgl. Ebenda, 114; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 45.
104
Vgl. Ebenda, 122; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 46.
105
Vgl. Ebenda, 53; zitiert nach: Frizen/Spancken 2008, 47.
100
35
kann, signalisiert, wie vorher schon erläutert, die Abgrenzung der Person vom anderen.
Dasselbe passiert auch umgekehrt beim Bacchanal: Die Leute werden nur noch vom Geruch
des Parfums beeinflusst, das jeder um sich herum hat und der Liebe erzeugt. In dem Moment
liebt jeder jeden.
Haben wir es also mit einem olfaktorischen Roman zu tun? Die Tatsache, dass
Süskind das Thema des Geruchs als Mittelpunkt seines Textes genommen hat, beweist nach
Frizen und Spancken, dass es sich nur um eine Zentralmetapher handelt, die im
Zusammenhang mit der Interpretation des Entwicklungsromans gesehen werden muss, und
also nicht um einen olfaktorischen Roman.106 Die Frage nach dem historischen Roman ist
umstritten. Süskind schildert teilweise geschichtliche Ereignisse, obwohl in freikünstlerischer
Gestalt, und führt den Leser in die Parfümeurskunst des achtzehnten Jahrhunderts ein, unter
Verwendung von Fachtermini. Mit Grenouille allerdings wird keine geschichtliche Person,
wie Bonapartes, Fouchés usw. eingeführt, sondern ein fiktiver Charakter.107 Da wir den
ganzen Roman hindurch einer nicht-historischen Person folgen, kann man eigentlich nicht
von einem historischen Roman sprechen.
2.3.3 Das Parfum – Ein postmoderner Roman
Wolfram Schütte war einer der ersten Forscher, der Das Parfum als postmoderne Literatur
sah.108 Danach haben viele Forscher Das Parfum überzeugend als ‚postmodern‘ bezeichnet.
Ich schließe mich diesen Meinungen an, aber bevor das Werk als postmoderner Roman
entlarvt wird, soll der Begriff der „Postmoderne“ erläutert werden.
Die Postmoderne entstand etwa 1970 als Reaktion auf die Moderne. Man rückt von
der institutionalisierten Kunst ab. Die Grenzen zwischen Kunst und Leben sollen aufgehoben
werden. Es gibt verschiedene Kernbegriffe, die die Postmoderne prägen. Einer davon ist
Pluralität, das heißt, dass es nicht eine Wahrheit, einen Stil, eine Form oder eine Interpretation
von Kunst gibt, sondern viele Wahrheiten und Antworten, die nebeneinander existieren
können und dürfen. Merkmale der internationalen Postmoderne sind Relativierung, ironischer
Zweifel und das Spiel mit verschiedenen Möglichkeiten.109 Auch Mehrfachkodierung ist einer
der Kernbegriffe und bedeutet, dass mehrere literarische Genres und deren Wert- und
Bedeutungsebenen ineinandergeschoben werden.110
106
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 47.
Vgl. Von Wilpert 1979, 342.
108
Vgl. Schütte 1985; zitiert nach: Delseit/Drost 2000, 66.
109
Vgl. Harbers 1996/97, 3.
110
Vgl. Delseit/Drost 2000, 69.
107
36
Ein anderer Begriff der Postmoderne ist der des fröhlichen Skeptizismus. Man sucht
nicht, wie in der Romantik, nach Wahrheit und Einheit, sondern man ist skeptisch und
ironisch, aber leidet nicht darunter. Verlust wird als eine positive neue Möglichkeit
gesehen.111
Ein weiterer Kernbegriff der Postmoderne ist Fragmentarisierung. Das bedeutet, dass
alle feste Werte zweifelhaft sind, und aller Zusammenhang weg ist. Chronologie, Kausalität
oder Logik gibt es nicht mehr.112 Diskontinuität ist auch eine der Schlüsselbegriffe. Der Leser
kann einen Zusammenhang oder einen Sinn entdecken, aber man weiß nie, ob dieser
gerechtfertigt, intendiert oder eben nützlich ist.113
Des Weiteren gibt es noch zwei Schlüsselbegriffe der Postmoderne, nämlich
Intertextualität, ein Spiel mit anderen Kunstwerken, wie Hinweise nach, Zitate aus usw., und
Metafiktionalität, eine Methode, die den Leser immer daran erinnert, dass das Gelesene
Fiktion bzw. ein Kunstwerk ist, das aus Sprache oder anderem Material besteht.114
Letztlich gibt es noch zwei Elemente, worauf in Bezug auf die Postmoderne
hingewiesen werden soll. Zum ersten die Tatsache, dass Fiktion und Wirklichkeit in
postmodernen Werken nicht mehr unterscheidbar sind.115 Zum zweiten, dass es in
postmodernen Werken kein Subjekt gibt: Die Figuren bestehen aus Sprache, und sind nur Teil
der Geschichte von Sprache und Strukturen ohne festen Kern.116
Inwiefern kann Das Parfum, mit diesen Merkmalen im Hinterkopf, als postmodern gelesen
werden?
Zunächst kann man das anhand
der vorher erläuterten Genres bzw.
Interpretationsmöglichkeiten bestimmen. Legen die deutliche Chronologie und der Untertitel
des Werks die Lesart als Kriminalroman zunächst nahe, wird bei näherer Betrachtung
deutlich, dass Süskind diese Lesart eher widerlegt (siehe dazu Kapitel 2.3.1). Liest man den
Roman als psychologischen Entwicklungsroman, wird das im Tod Grenouilles widerlegt;
lesen wir das Werk als Künstlerroman, indem wir die Entwicklung eines Genies verfolgen,
scheint auch das später vom Autor widerlegt zu werden, und auch die Einordnung als
historischer Roman ist umstritten – Süskind ist von der institutionalisierten Kunst abgerückt.
Es gibt nicht einen Stil, oder eine Interpretation – und der Autor in der Postmoderne erklärt
111
Vgl. Harbers 1996/97, 8.
Vgl. Bertens/D’haen 1988, 73.
113
Vgl. Ebenda, 121.
114
Vgl. Harbers 1996/97, 5.
115
Vgl. Harbers 1997, 63.
116
Vgl. Bertens/D’haen 1988, 138.
112
37
sich seiner Leserschaft bewusst nicht, denn alles ist möglich –,117 sondern es gibt viele
Möglichkeiten. Es ist hier von einer starken Diskontinuität die Rede: Auf die bekannten
Genres wird zwar Bezug genommen, aber das Werk lässt sich nicht eindeutig zuordnen, und
so auch der Postmoderne nicht, da der Roman ein Hauptmerkmal postmoderner Literatur
verfehlt: Das Werk ist nämlich chronologisch aufgebaut und Kausalität und Logik sind auch
noch anwesend.
Wenn man ganz genau liest, lässt sich ein Beispiel von Selbstreflexivität in Süskinds
Roman finden, zum Beispiel in der Haltung gegenüber der Sprache: „Darum ist es ein façon
de parler, von diesem Universum als einer Landschaft zu sprechen, eine adäquate freilich und
die einzig mögliche, denn unsere Sprache taugt nicht zur Beschreibung der riechbaren Welt“
(160). Der Autor zeigt in dieser Weise, dass er der Sprache gegenüber kritisch ist, und das
bedeutet zugleich, da sein Werk auch aus Sprache besteht, dass er seinem eigenen Werk
gegenüber kritisch und distanziert ist.
Die postmoderne Idee, dass wir alle nur Teil von Sprache und Strukturen sind, passt
auch ganz gut zum Parfum. Es gibt im Roman nämlich kein Subjekt. Grenouille hat keine
eigene Identität, was bestätigt wird von der Tatsache, dass er als ein Nichts geboren wird, und
sich auch wieder ins Nichts auflöst (denn nichts bleibt von ihm übrig, sogar kein einziger
Körperteil). Die Identität, die er im Laufe des Romans entwickelt, bekommt er mithilfe
fremder Identitäten – der Mädchen nämlich. Ein echtes, authentisches Subjekt ist Grenouille
also nie. Seine Mitmenschen sind übrigens auch keine Subjekte, was Süskind mithilfe ihrer
Beschreibung deutlich macht. Die Nebenfiguren werden nämlich überhaupt nicht ausführlich
besprochen, sondern dienen der Entwicklung Grenouilles. Alle im Werk eingeführte Figuren
sind Objekte, keine Persönlichkeiten.118
Von Metafiktionalität ist beim Parfum keine Rede, von Intertextualität aber sehr wohl.
Süskind spielt mit altbekannten Stoffen, Motiven und Erzähltechniken.119 Mehrere Forscher,
worunter Ryan, haben viele intertextuelle Beispiele gefunden. Nach Ryan erinnert Das
Parfum zum Beispiel mehrmals an Goethes Faust, aber das Werk enthält auch Anspielungen
auf das Märchen vom Froschkönig, den Prometheus-Mythos (siehe dazu Kapitel 2.2.2) und
Goethes Zauberlehrling (welches Wort übrigens von Süskind selbst auch zur Beschreibung
Grenouilles benutzt wird: „Dieser Zauberlehrling hätte alle Parfumeure Frankreichs mit
117
Vgl. Raab/Oswald 1997, 33ff.
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 82.
119
Vgl. Delseit/Drost 2000, 67.
118
38
Rezepten versorgen können“ (117)).120 Schütte verweist darauf, dass der Anfang des Parfums
dem Anfang von Kleists Michael Kohlhaas nachgebildet ist:
Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und
abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche
gehörte (5).
An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler,
namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und
entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.121
Frizen und Spancken sehen im Parfum weitere intertextuelle Verweise auf Kleists Michael
Kohlhaas, zum Beispiel in Grenouilles outcast-Existenz und in seinem Auftreten als Engel.122
Das Parfum referiert – ein weiteres Merkmal der Postmoderne – an sich selbst, indem es
immer wieder daran erinnert, dass die Kunst aus zusammengesetztem, entlehntem Material
besteht.123 Süskind hat Zitate und Anspielungen anderer Werke und Autoren in seinem
Parfum verarbeitet, sowie Grenouille Düfte anderer Menschen in sich versammelt und zu
einem Parfum verarbeitet hat.
Die postmoderne Interpretation scheint also die beste Deutung des Werks zu sein. Es
ist aber nicht nötig, Das Parfum ausschließlich als postmodernen Roman zu sehen – wir
können den Roman zwar der postmodernen Literatur zuordnen, aber da diese immer mehrere
Interpretationsmöglichkeiten offen lässt, braucht man sich nicht für eine einzige Interpretation
zu entscheiden.
Das nächste Kapitel analysiert den Film Perfume: The Story of a Murderer und zeigt
auf, wie der Film den Roman psychologisch interpretiert hat.
120
Vgl. Ryan 1990, 97; zitiert nach: Delseit/Drost 2000, 68.
Von Kleist 1980, 7.
122
Vgl. Frizen/Spancken 2008, 111.
123
Vgl. Delseit/Drost 2000, 72.
121
39
3
Süskinds Parfum im Vergleich zu Tykwers Perfume
Die Verfilmungen eines literarischen Werks sind häufig Grund für eine Diskussion. Im
Roman kann man eine Person oder einen Raum noch so gut beschreiben, aber im Film sieht
alles ganz anders aus. Kleidung, Haltung, Mimik und Gestik können aber im Film sehr gut
dargestellt werden, während sie im Roman manchmal kaum eine Vorstellung hervorrufen.
Andererseits kann ein Text das Innenleben einer Figur sehr gut beschreiben, während
Charakter und Gefühlsleben im Film nur durch das Agieren der Figuren in bestimmten
Kontexten verdeutlicht werden kann. Beide Medien bieten also Möglichkeiten.
Leute, die sich nach der Lektüre eines Romans die ‚Literaturverfilmung‘ anschauen,
gehen häufig enttäuscht nach Hause. Umgekehrt wird einer Person die eigene Phantasie beim
Lesen eines Werks genommen, wenn man den Film schon gesehen hat. Obwohl es mir
meistens genauso geht, war Perfume: The Story of a Murderer, über den Tom Tykwer die
Regie führte, keine Enttäuschung. Normalerweise versucht eine Literaturverfilmung zu zeigen
und abzubilden, was im Roman benannt und beschrieben wird.124 Tykwer ist darin nicht
gescheitert, nur: Es gibt mehrere Interpretationsmöglichkeiten des Romans, und es ist im Film
nicht möglich, alle Interpretationsmöglichkeiten zu erfassen.125 Tykwer hat sich für die
psychologische Interpretation entschieden.
In diesem Kapitel wird der Film Perfume: The Story of a Murderer mit dem Roman
Das Parfum verglichen. Es wird unter anderem auf die Erzählinstanz, die Redewiedergabe
und die Visualisierungsmethoden eingegangen. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf dem
inhaltlichen Unterschied zwischen Roman und Film und auf der Folge der psychologischen
Deutung für den Zuschauer.
3.1
Erzählinstanz und Redewiedergabe
Es hat Einiges auf sich gehabt, die Filmrechte zu bekommen, denn Patrick Süskind gab seine
Zustimmung nicht, aber letztendlich waren es Tom Tykwer und Bernd Eichinger, die die Ehre
bekamen.126 Aber wenn man die Filmrechte denn endlich hat, muss man die Geschichte auch
noch gut ins Bild umsetzen können. Und wie kann man Grenouilles innere Vorgänge
schildern, wenn er – wie im Roman – kaum spricht? Genauso wie im Roman, gibt es im Film
einen auktorialen Er-Erzähler, der uns die Geschichte von Jean-Baptiste Grenouille erzählt:
„In eighteenth century France, there lived a man, who was one of the most gifted and
124
Vgl. Poppe 2007, 103.
Vgl. Rußegger 1995, 20f.
126
Vgl. Kissler/Leimbach 2006, 145.
125
40
notorious personages of his time. His name was Jean-Baptiste Grenouille”. Wir können der
Geschichte also genau folgen, und sie ist größtenteils mit dem Roman in Einklang. Genauso
wie im Roman hat Grenouille kaum Text zu sprechen. Gestik und Mimik allerdings sind sehr
wichtig, und Grenouilles inneres Leben wird vor allem mithilfe dieser Gestik und Mimik
deutlich gemacht (siehe dazu Kapitel 3.2).
3.2
Die Darstellung von Gerüchen
“And if his name has been forgotten today… It is for the sole reason that his entire ambition
was restricted to a domain that leaves no trace in history: To the fleeting realm of scent”, ist
der dritte Satz des Erzählers. Die Zuschauer werden sofort darauf aufmerksam gemacht, dass
sich der Film im Bereich der olfaktorischen Wahrnehmung abspielt. Auch der Anfang des
Films, indem zuerst Grenouilles Nase ins Bild kommt, ist eine erste Anspielung auf den
Geruchssinn. Texte bieten in diesem Zusammenhang mehr Möglichkeiten, oder besser:
weniger Grenzen. Süskind schafft es mehrmals, Gerüche in Worte zu fassen:
Dieser Geruch hatte Frische; aber nicht die Frische der Limetten oder Pomeranzen, nicht die
Frische von Myrrhe oder Zimtblatt oder Krauseminze oder Birken oder Kampfer oder
Kiefernnadeln, nicht von Mairegen oder Frostwind oder von Quellwasser …, und er hatte
zugleich Wärme; aber nicht wie Bergamotte, Zypresse oder Moschus, nicht wie Jasmin und
Narzisse, nicht wie Rosenholz und nicht wie Iris … Dieser Geruch war eine Mischung aus
beidem, aus Flüchtigem und Schwerem, keine Mischung davon, eine Einheit, und dazu gering
und schwach und dennoch solid und tragend, wie ein Stück dünner schillernder Seide … und
auch nicht wie Seide, sonder wie honigsüße Milch, in der sich Biskuit löst – (52).
Gelingt es im Text, Düfte so zu beschreiben, dass man sie fast wirklich riecht, haben die
Filmproduzente eine noch größere Herausforderung. Zunächst wird aber vor allem auf den
Geruchssinn hingedeutet, so oft, dass es für den, der den Roman gelesen hat, überdeutlich ist,
dass der Film davon handelt. Grenouille hat seine Augen verschlossen und läuft den Weg
durch Paris mithilfe seiner Nase. Seine Nase bringt ihn an den menschenfernsten Punkt der
Welt, was vom Erzähler verdeutlicht wird. In Grasse riecht er, dass Madame Arnulfi „busy“
ist (mit Druot im Bett liegt). Immer wieder wird vom Erzähler auf die Nase und den Geruch
hingedeutet oder kommt Grenouilles Nase ins Bild.
Zweifelsohne ist es jedem Zuschauer also deutlich, dass der Film vom Geruch bzw.
vom Geruchssinn handelt, aber wo der Text Düfte beschreiben kann, muss der Film mit
41
anderen Mitteln arbeiten. Mithilfe von Musik und bildlichen Elementen ist es möglich, die
Schönheit eines Dufts wiederzugeben. Ein Beispiel ist die Verbesserung des Parfums ‚Amor
und Psyche‘. Grenouille ist weg, und Baldini läuft in seinem stillen Keller zum Parfum.
Sobald er das Parfum zu seiner Nase bewegt, beginnt die Musik – es wird Spannung
aufgebaut. Der Kamera dreht sich um ihn herum und das Bild verändert sich: Wir sehen
farbige Blumen und eine Frau mit schwarzen Locken, die Baldini „I love you“ ins Ohr
flüstert, und hören engelhafte Musik, eine Kirchenglocke und zwitschernde Vögel im
Hintergrund. Der Leser des Romans erkennt diese Szene:
Baldini schloss die Augen und sah sublimste Erinnerungen in sich wachgerufen. Er sah sich
als einen jungen Menschen durch abendliche Gärten von Neapel gehen; er sah sich in den
Armen einer Frau mit schwarzen Locken liegen und sah die Silhouette eines Strauchs von
Rosen auf dem Fenstersims, über das ein Nachtwind ging; er hörte versprengte Vögel singen
und von Ferne die Musik aus einer Hafenschenke; er hörte Flüsterndes ganz dicht am Ohr, er
hörte ein Ichliebdich und spürte, wie sich ihm vor Wonne die Haare sträubten, jetzt! jetzt in
diesem Augenblick (111).
Mithilfe einiger Spezialeffekte wird deutlich gemacht, wie gut der Duft riechen muss. In der
Szene, in der Grenouille eigentlich hingerichtet werden würde, lässt er sein Taschentuch mit
dem Parfum über dem Publikum schweben. Der Zuschauer sieht wie eine Art Flimmern über
die Menschen gleitet, und wie das Publikum dem damit verbildlichten Duft folgt. Ein anderes
Beispiel findet sich sofort am Anfang des Films, bei der Geburt Grenouilles. In Paris am
Fischmarkt wird die Schmutzigkeit bildlich dargestellt. Die Leute tragen alte, schmutzige
Kleidung und sehen ungepflegt und schweißig aus. Grenouilles Mutter hat blutige Hände vom
Fischschneiden, jeder Mensch hat Schmutz unter den Fingernägeln. Am Marktplatz gibt es
überhaupt nichts, dass sauber aussieht. Verschiedene stinkende Gegenstände werden ins Bild
gesetzt: Fisch, totes, rottendes Fleisch, das von Hunden gegessen wird, Maden, Ratten,
Tierköpfe, Eingeweide eines Schweins, ein kotzender Mann... Das Bild wird vom Erzähler
verdeutlicht, der uns auf das stinkende Paris im achtzehnten Jahrhundert weist, und ergänzt,
dass es vor allem der Fischmarkt war, wo der Gestank am schlimmsten war. Die Geräusche
im Hintergrund, zum Beispiel die Geburt Grenouilles, sorgen dafür, dass sich der Zuschauer
die Schmutzigkeit und dazugehörigen Gerüche noch besser vorstellen kann. Gerüche können
also ganz gut bildlich dargestellt werden, und wo die Bilder nicht ausreichen, greift der
Erzähler ein.
42
3.3
Grenouille im Roman vs. Grenouille im Film
Tykwer und der Produzent des Films wussten von Anfang an, dass die Geschehnisse vor
allem in der Psychologie der Hauptfigur herausgearbeitet werden mussten. Grenouilles
Grundkonflikt finde sich, wie die psychologische Deutung in Kapitel 2.1 auch zeigte, in der
Suche nach Liebe.127 Der Roman lässt mehrere Interpretationen der Hauptfigur zu. Die
Filmmacher haben sich aber deutlich für die psychologische Deutung entschieden. Auch
Grenouilles Träume werden im Film psychologisch gedeutet. „In der Psychoanalyse spricht
man vom Traum als dem ‚Bruder des Todes‘. Grenouille erträumt sich während seiner
siebenjährigen Bergeinsamkeit ein Reich, in dem er der Herr aller Gerüche ist und in dem alle
schlechten Gerüche verbannt sind“.128 Er schläft sich hier fast zu Tode, aber ändert sein
Leben, das zum Bacchanal und später zu seinem eigenen Tod führt.
Die Tatsache, dass man sich für die psychologische Deutung entschieden hat, hat auch
Folgen für die Wahl der Hauptfigur. Der Zuschauer muss sich – jedenfalls ein bisschen – mit
ihm identifizieren können. Das bedeutet, dass der Protagonist nicht so hässlich sein darf, dass
man ihm keine zwei Stunden folgen kann. Ben Whishaw spielt Jean-Baptiste Grenouille. Im
Roman wird er als hässlich beschrieben, und im Film wird das teilweise nachzubilden
versucht. Es bleibt aber bei einem aparten Äußeren: „Man traut ihm zwar alles zu, aber er
bleibt immer attraktiv. Er hat diese unglaublich komplizierte Mischung“, so Tykwer. 129 Im
Film wird nicht erwähnt, dass Grenouille den Milzbrand bekommt, und dass die Narben ihn
noch hässlicher machen. Er läuft aber krumm und faserig und hält seine linke Hand immer
krampfhaft, ein wenig autistisch aussehend, vor seiner Brust.
Grenouille wird als Person aus einer besonderen Mischung dargestellt, nämlich aus
Unschuld und Abgrund,130 und nicht als blutrünstiger Mörder. Er ist im Film ein Mensch mit
einer autistischen Art, der aus unbewusster Sehnsucht nach Liebe handelt. „Etwas läuft dabei
schief, er trifft falsche Entscheidungen, bleibt eingesperrt in einem privaten System, die Welt
zu verstehen“.131 Bleibt im Roman noch einige Zweifel, ob Grenouille alles aus der Suche
nach Liebe getan hat, lässt der Film überhaupt keine Zweifel übrig: Grenouille sucht nach
Liebe und Anerkennung, aber findet sie nicht. Die Folge ist, dass der Zuschauer Mitleid
empfindet und dass man sich einigermaßen mit ihm identifizieren kann.
127
Vgl. Kissler/Leimbach 2006, 137.
Vgl. Ebenda, 143.
129
Pauli 2005.
130
Vgl. Kissler/Leimbach 2006, 156.
131
Tykwer; Vgl. Kissler/Leimbach 2006, 159.
128
43
3.4
Abweichungen zwischen Buch und Film
Der Beginn des Filmes ist anders als der Beginn des Romans. Der Film fängt mit Grenouille
im Gefängnis an. Sein Urteil wird ausgesprochen: Man wird seine Knochen zerschlagen,
nachdem sie ihn gekreuzigt haben. Die Kamera zieht uns mit in die Nase Grenouilles und der
Titel des Films erscheint. Erst dann wird über die Geburt Grenouilles berichtet, während das
der Romananfang ist. Während der Roman die Geschichte also chronologisch erzählt, ist der
Film zum größten Teil ein Flashback. In diesem Kapitel werden weitere abweichende Szenen
und Motive besprochen.132
3.4.1 Abweichende und ausgelassene Szenen im Film
Dem Leser des Romans wird in Kapitel zwei und drei deutlich gemacht, dass Grenouille
anders ist als die anderen Kinder. Amme Jeanne Bussie hat schon vernommen, dass das Kind
nicht riecht. Die Kinder bei Madame Gaillard verstehen auch sofort, dass irgendetwas nicht
stimmt. Diese zwei Kapitel werden im Film verkürzt dargestellt. Der Zuschauer hat noch
keine Ahnung, was mit dem Kind los ist, obwohl schon deutlich gemacht wird, dass es etwas
Besonderes auf sich hat. Während der Leser schon vom Anfang an weiß, dass Grenouille
keinen Eigengeruch hat, werden die Zuseher sich erst gleichzeitig mit Grenouille seiner
Geruchslosigkeit bewusst.
Es ist unmöglich, den ganzen Roman in einen Film zu fassen. Viele Szenen müssen
also verkürzt bzw. ausgelassen werden. So wird vom Erzähler nur kurz auf Grenouilles Zeit
beim Gerber Grimal hingewiesen. Vielleicht war seine Zeit dort auch kürzer als im Roman,
denn im Film wird er erst mit dreizehn Jahren – statt mit acht, wie im Roman – an den Gerber
verkauft. Die lange Geschichte von Madame Gaillard wird uns erspart, stattdessen sehen wir,
wie sie in einigen Sekunden ermordet wird. Auch betritt Grenouille erst als junger Mann die
Stadt Paris – und zufälligerweise auch noch genau an dem Tag, als er den Duft des
Mirabellenmädchens riecht. Außerdem wird die Lehrzeit bei Baldini verkürzt – und nach
seiner Krankheit in stadio ultimo braucht er Baldini nur 100 Formeln für Parfums zu
diktieren, bevor er sich auf den Weg nach Grasse begeben kann. Die Zeit im Plomb du Cantal,
in der wir im Roman Einsicht in Grenouilles Innenleben bekommen, das ausführlich
beschrieben wird, wird im Film bis auf wenige Minuten gekürzt. Er entdeckt sehr schnell
seine eigene Geruchslosigkeit, und der Erzähler ergänzt: „He realized that all his life he had
132
Zwischen dem Film und dem Roman gibt es natürlich Gemeinsamkeiten. Jedoch halte ich die für diese Arbeit
für weniger interessant und ich habe sie deswegen ausgelassen.
44
been a nobody to everyone“. Im Roman trifft er nach dieser Szene auf den Marquis de la
Taillade-Espinasse, aber das wird ausgespart. Er macht sich sofort auf den Weg nach Grasse,
und hier wittert er auch sofort den Duft von Laure, die im Film Laura heißt und er sieht sie
auch sofort. Im Roman riecht Grenouille zwar ihren Duft, aber ein Gesicht bekommt sie bis
zum Ende nicht. Dies wird im nächsten Kapitel weiter ausgeführt.
Es gibt nicht nur ausgelassene oder verkürzte Szenen; es gibt auch Ergänzungen und
Änderungen des Regisseurs. So erklärt Baldini Grenouille, dass ein Parfum aus zwölf
Essenzen besteht:
Just like a musical cord, a perfume cord contains four essences or notes […]. Each perfume
contains three cords: The head, the heart and the base, necessitating twelve notes in all. The
head cord contains the first impression, lasting a few minutes, before giving way to the heart
cord, the theme of the perfume, lasting several hours, finally the base cord, the trail of the
perfume, lasting several days. The ancient Egyptians believed one can only create a truly
original perfume by adding an extra note. One final essence, that will bring out and dominate
the others.
Diese letzte Essenz interessiert Grenouille am meisten. Später im Film sehen wir ihn mit
einem Holzkästchen, das dreizehn Flakons enthält, in denen er die Düfte der Mädchen
aufbewahrt, die er für sein Parfum braucht. Diese Szene ist nicht im Roman drin. Auch tötet
Grenouille im Roman insgesamt sechsundzwanzig Mädchen, von welchen er fünfundzwanzig
für sein Parfum benutzt – im Film sind das also nur dreizehn.
Er tötet im Film aber mehrere Frauen. Auf den Lavendelfeldern arbeiten Frauen, von
denen Grenouille eine für ein Experiment braucht. Tot wird sie in den Glastank der
Enfleurage gesteckt. Dann tritt eine neue Nebenfigur auf: Eine Frau, die Blumen bringt. Sie
ist neugierig und will das Tuch am Glastank aufheben, um zu sehen, was sich darin versteckt.
Diese Figur ist im Roman nicht anwesend. In der Szene danach sucht Grenouille eine
Prostituierte auf, deren Duft er absorbieren möchte: Ein weiteres Experiment, wovon im
Roman keine Rede ist. Im Roman experimentiert er schon mit Menschen, aber ohne sie zu
töten, und meistens sogar, ohne dass sie davon wissen. Nur ein kleines Hundchen wird von
Grenouille getötet, als letzter Beweis. Danach ist er fertig, das beste Parfum aller Zeiten zu
schaffen. Die ersten zwei Mädchen, die Grenouille für sein Parfum im Film tötet, sind
Freundinnen von Laura, während sie im Buch unbekannte Mädchen sind.
45
Verschiedene Figuren, die im Roman nur Personen mit Namen sind, die Grenouille für
die Herstellung seines Parfums braucht, bekommen im Film mehr Bedeutung. Madame
Arnulfi und Druot, die Grenouille im Roman die freie Hand geben, stören ihn im Film immer
wieder bei seinen Experimenten. Laures Vater, der im Roman eine relativ große Rolle hat (im
Vergleich zu den anderen Figuren), hat im Film eine noch größere Rolle. So übernimmt er
zum Beispiel das Verhör mit Grenouille.
3.4.2 Herausgehobene Szenen
Während manche Szenen, die im Werk eine wichtigere Stelle einnahmen, ausgelassen oder
verkürzt sind, gibt es auch Szenen die stark herausgehoben wurden. Die wichtigste Szene
steht mit dem wichtigsten Thema/Motiv in Zusammenhang, nämlich mit der Liebe. Für
Regisseur Tykwer war es wichtig, „ob man sich vorstellen kann, dass eine Liebesgeschichte
zwischen ihnen [Grenouille und dem Mirabellenmädchen] entstehen könnte“; nach ihm sei
das Mädchen „die einzige, mit der er wirklich hätte Erfüllung finden können“.133
Im Buch nimmt die Begegnung mit dem Mirabellenmädchen eine besondere Stellung
ein, da sie Grenouille zu seinem Ziel bewegt. Im Film wird die Szene herausgehoben und
mehrmals wiederholt. Der Unterschied ist aber, dass Grenouille das Mädchen im Roman fast
kaltblütig ermordet:
Er seinerseits sah sie nicht an. […] er hielt seine Augen fest geschlossen, während er sie
würgte, und hatte nur die eine Sorge, von ihrem Duft nicht das geringste zu verlieren. Als sie
tot war, legte er sie auf den Boden mitten in die Mirabellenkerne, riß ihr Kleid auf […]
Er will nur ihren Duft, es geht ihm nicht um das Mädchen. Im Film aber tötet Grenouille das
Mädchen aus Versehen. Bei der Parfümerie von Pélissier riecht Grenouille es plötzlich. Die
Kamera flitzt von Grenouille zu (Teilen von) dem Mädchen und wieder zurück. Mehrere
Menschen drehen sich der schönen jungen Frau zu, das Licht scheint auch vor allem auf sie
und die Musik im Hintergrund bekräftigt, dass sie besonders schön ist. Um Grenouilles Mund
zeigt sich sogar ein Lächeln. Er verfolgt sie, sieht zu, wie sie einem Bettler Mirabellen
anbietet. Grenouille läuft dicht hinter ihr her. Das Mädchen erschrickt, „what do you want?“,
bietet ihm dann Mirabellen an. Grenouille nimmt ihre ganze Hand und riecht daran. Das
Mädchen erschrickt erneut und rennt davon. Grenouille sucht sie wieder auf, findet sie an
einem Innenhof. Nochmal erschrickt sie und will zu schreien anfangen. Er will aber nicht
133
Vgl. Kissler/Leimbach 2006, 160.
46
auffallen, will nicht, dass sie schreit, denn ein Liebespaar könnte sie hören, aber das Mädchen
kann nicht mehr atmen und stirbt. Grenouilles Gesichtsausdrücke kann man als Schrecken
und Bedauern interpretieren. Danach nimmt er trotzdem ihren Duft in sich auf. Die Idee aber,
dass er sie nicht mit Absicht ermordet hat, prägt den Rest der Film. Mehrmals wird auf diese
Szene zurückgegriffen, zum ersten Mal in seinen Lehrjahren bei Baldini. Er träumt von dem
Mädchen und wird von Baldini aufgewacht. Der Traum macht ihn davon bewusst, dass Düfte
verloren gehen können: „I have to learn how to capture a scent“, sagt Grenouille Baldini. Das
zweite Mal taucht das Mädchen in einem Traum von Grenouille auf im Plomb du Cantal. Sie
ist es in diesem Traum, die Grenouille auf seinen fehlenden Eigengeruch weist: Er verfolgt
das Mädchen in Paris. Als sie sich umdreht, steht Grenouille hinter ihr, aber sie sieht ihn
nicht. Grenouille wacht danach auf, und versucht sich selbst zu riechen. Hier werden sowohl
ihm als auch dem Zuschauer Grenouilles Geruchslosigkeit bewusst.
Während des Bacchanals sieht Grenouille, wie ein Korb mit Mirabellen umfällt.
Daraufhin denkt er an das Mirabellenmädchen, sein erstes Opfer. In diesem Tagtraum sieht
sie ihn sehr wohl, sie nimmt ihn bei der Hand, sie umarmt ihn, küsst ihn sogar. In dem
Moment laufen Grenouille zwei Tränen über die Wangen. Was denkt er hier? Im Roman
empfindet Grenouille an dieser Stelle Hass, im Film aber erscheint er nur Liebe und Bedauern
zu fühlen. Um sich herum sieht er, wie die Leute einander lieben, aber er hat hieran keinen
Teil. Er steht da nur noch ganz alleine und träumt von dem Mädchen, das er aus Versehen
ermordet hat. In diesem Moment scheint er zu realisieren, dass das Mirabellenmädchen ihn
betäubt hatte, und dass ihr Duft, sowie die Düfte der anderen Mädchen, umsonst gewesen
sind: Denn immer noch, immer noch hat er keinen Teil an der Liebe der Menschen. Er wird
anerkannt, einerseits, er wird zum ersten Mal gesehen, verherrlicht sogar, aber andererseits
wird er nicht anerkannt für das, was er eigentlich ist. Die Menschen haben kein Auge für ihn
und ebenso wenig für sein Talent. Alles ist nur Schein: Es ist sein Duft, der die Menschen
bewegt.
Lauras Vater rennt auf Grenouille zu. Er will ihn ermorden. „Grenouille! You can’t
fool me!“ Grenouille ist fertig, will sterben, er breitet seine Arme aus, er übergibt sich ihm.
Aber Richis lässt sich auch verzaubern. Er fällt vor Grenouille nieder, entschuldigt sich bei
ihm, nennt ihn „my son“. Das Bild wird weiß. In der folgenden Szene ist die Nacht
eingetroffen. Grenouille ist auf seinem Weg nach Paris. Der Erzähler kommentiert: „There
was only one thing the perfume could not do. It could not turn him into a person who could
love and be loved like everyone else.”
47
Das Mirabellenmädchen verkörpert im Film die Liebe, die Grenouille im Gegensatz
zum Roman in sich hat. Da sie so häufig vorkommt, wird sie quasi zum roten Faden und zum
Trauma Grenouilles, weil er schließlich an ihrem Bild zu zerbrechen erscheint. So wird dem
Mädchen im Film bedeutend mehr Bedeutung zugemessen als im Roman.
Neben dem Mirabellenmädchen gibt es noch eine Figur, die im Film von größerer
Bedeutung ist als im Roman: Laure, im Film Laura. Sie und ihr Vater, Richis, werden im Film
stark herausgehoben. Im Roman bleibt Laure nur der Duft, während sie im Film eine Person
ist, die zum Beispiel ihren Geburtstag feiert. Während im Roman also deutlich ist, dass es
Grenouille nur um Laures Duft zu tun ist, erscheint es im Film, als ob es ihm wirklich um
Laura zu tun ist. Ihr Vater ahnt das, in Einklang mit dem Roman, und bekommt somit auch
eine wichtigere Stelle im Film. Die Ermordung seiner Tochter ist im Werk der einzige Mord,
der ausführlich beschrieben wird.
Das Geräusch des Schlages war dumpf und knirschend. Er haßte es. […] nachdem es vorüber
war, stand er noch eine Weile lang steif und verbissen da […]. Als erstes faltete er das
Beduftungstuch auseinander, bereitete es locker mit der Rückseite über Tisch und Stühle und
achtete darauf, daß die Fettseite unberührt blieb. Dann schlug er die Bettdecke zurück. Der
herrliche Duft des Mädchens, der plötzlich war und massiv aufquoll, berührte ihn nicht. […]
Mit raschen Scherenschnitten schlitzte er das Nachtgewand auf, zog es ihr aus, ergriff das
befettete Laken und warf es über ihren nackten Körper. […] umhüllte sie von den Zehen bis
an den Stirn. […] Sie war perfekt verpackt. Es blieb nichts mehr zu tun, als zu warten, sechs
Stunden lang […] (275f.).
Im Film aber, wird der Mord überhaupt nicht gezeigt. Wir sehen nur, wie Grenouille den
Schlüssel von Lauras Zimmer aus Richis Zimmer klaut, während Richis schläft, und wie das
Mädchen sich umdreht und Grenouille ansieht. Die nächste Szene zeigt wie Richis seine
Tochter findet. Das Verhör Grenouilles wird – im Gegensatz zum Roman – von Richis
durchgeführt, kurz danach findet das Urteil statt, mit dem der Film auch begann. Ab dann
spielt der Film sich noch kurze Zeit in der Gegenwart ab. Die Geschichte mit Laure wird mehr
beleuchtet als im Roman, um den Film spannender zu machen, und nicht nur Grenouille als
Figur darzustellen, sondern auch andere Figuren einzuführen. Andererseits wird damit
versucht, deutlich zu machen wie wichtig Laura für Grenouilles Parfum ist. Sie ist der
Schlussstein, wie Richis es im Roman schon ahnte (siehe dazu Seite 259).
48
4
Zusammenfassung und Fazit
Diese Studie hat gezeigt, wie vielfältig Patrick Süskinds Roman Das Parfum. Die Geschichte
eines Mörders, der von Jean-Baptiste Grenouille und dem „flüchtige[n] Reich der Gerüche“
handelt, zu interpretieren ist. Das Werk lässt mehrere Deutungen zu, wie zum Beispiel die
Deutung als Kriminalroman, historischer Roman, olfaktorischer Roman, postmoderner
Roman und als Entwicklungsroman. In dieser Interpretation gibt es zwei wichtige
Möglichkeiten, von welchen diese Arbeit ausgegangen ist.
Das Werk kann als psychologischer Entwicklungsroman gelesen werden. Der Leser
verfolgt die innere und äußere Entwicklung der Hauptfigur von der Geburt bis zu seinem Tod.
Das Innere des Protagonisten wird geschildert. Meistens wächst das zu entwickelnde Ich am
Rande der Gesellschaft auf und die Person sehnt sich nach Liebe und Freundschaft. Die
Entwicklung besteht aus den Lehrjahren, den Wanderjahren, den Meisterjahren und dem
Höhe- bzw. Tiefpunkt. Bis hierher erkennen wir alles noch in Jean-Baptiste Grenouille, der
im Mittelpunkt des Romans steht. Der hässliche Grenouille hat eine sehr feine Nase, mit der
er alle Gerüche in Einzelteile zerlegen kann. Er wächst ohne Liebe und ohne Familie am
Rande der Gesellschaft auf, seine Sozialisation lässt zu wünschen übrig und er ist ein
Außenseiter. Er wird in seinen ersten Lebensjahren, bis er zu Baldini, dem Parfümeur,
kommt, als Tier behandelt. Sein erster Mord findet in Paris statt, als er noch beim Gerber
Grimal arbeitet. Das Opfer ist ein schönes Mädchen, dessen Duft Grenouille sehr gefällt. Das
Mädchen sorgt dafür, dass Grenouille das Ziel seines Lebens vor Augen sieht: Er will der
größte Parfümeur aller Zeiten werden. Bei Baldini lernt er alle handwerklichen Fähigkeiten
kennen, die er braucht, um ein perfektes Parfum herzustellen. Auf seinem Weg nach dem
Rom der Düfte, Grasse, zieht Grenouille sich im Plomb du Cantal, einem Vulkan, zurück, in
dem er sich seiner eigenen Geruchslosigkeit, die auf seine Außenseiterposition und Mangel an
Identität hinweisen, bewusst wird. Dieser Rückzug in das Ich trägt zu Grenouilles
Menschwerdung bei. Nach diesem Aufenthalt kommt er in Montpellier an, wo er sich unter
den Menschen entsprechend zu verhalten lernt, während er selbst immer auf Ablehnung, Hass
und Gefühlslosigkeit gestoßen ist. In Grasse erlebt Grenouille seine Meisterjahre. Hier
entwickelt er das Parfum, mit dem er sich zum Geliebten macht. Oder doch nicht? Am Ende
wird deutlich, dass sogar das Parfum der fünfundzwanzig Mädchen Grenouille nicht die
Anerkennung und Liebe geben konnte, ohne die er sein ganzes Leben gelebt hatte und nach
denen er sich so gesehnt hatte. Diese Interpretation ist der Ausgangspunkt für den Film
Perfume: The Story of a Murderer. Nach den Interpreten Frizen und Spancken kann Das
49
Parfum aber auch als Antibildungsroman gelesen werden, da Grenouilles Entwicklung aus
dem Nichts sich auch wieder in das Nichts auflöst. Er wird zudem nie in seiner wahren
Existenz zur Kenntnis genommen.
Der Film Perfume: The Story of a Murderer hat die psychologische Interpretation zum
Ausgangspunkt genommen und das Motiv der Liebe herausgehoben. Im Film erscheint es,
dass das Leben des autistischen Grenouilles vom Mirabellenmädchen beeinflusst wird, sie
wird quasi zum Trauma Grenouilles, an dem er am Ende zerbricht. Er hat sie aus Versehen
getötet, während sie das Erste in seinem Leben war, das ihm gefiel. Mehrmals wird die Szene
mit dem Mädchen wiederholt und geändert. So ist sie diejenige, die Grenouille von seiner
Geruchslosigkeit bewusst macht. Wie im Roman beschließt er daraufhin ein Parfum zu
machen, das Liebe erzeugt. Beim großen Bacchanal sieht Grenouille einen Korb mit
Mirabellen umfallen. Daraufhin denkt er wieder an sein erstes Opfer und es wird ihm
deutlich, dass das Parfum ihn nicht zu einer Person machen konnte, die lieben und geliebt
werden kann.
Süskinds erfolgreichstes Werk kann auch als Künstlerroman interpretiert werden,
indem der Leser die Entwicklung eines Genies verfolgt. Ein Genie erkennt man nach Frizen
und Spancken an bestimmten Symptomen. Er ist zum Beispiel körperlich abnorm, infantil,
Ausgestoßener aus der Gesellschaft, neigt zum Wahnsinn, beansprucht Autarkie und braucht
zudem nicht per se intelligent zu sein. Außerdem hat ein Genie eine Begabung. In allem
erkennen wir Grenouille, dessen Begabung natürlich sein scharfer Geruchssinn ist. Grenouille
kann am Anfang, bis zu seiner Zeit bei Baldini, als Originalgenie gedeutet werden. Die Zeit
im Plomb du Cantal beweist aber, dass Grenouille gerne schaffen will, aber die Möglichkeiten
und die Kräfte dazu nicht hat – er ist eher ein dekadentes Genie. Die Interpretation geht davon
aus, dass Grenouille ein Genie ist, und dass er sein Leben nicht der Suche nach Anerkennung
und Liebe widmet, sondern der Suche nach Macht. Am Ende wird deutlich, dass Grenouilles
Absicht gescheitert ist. War er ein Genie, oder doch eher ein Sammler? Bleibendes konnte er
nicht schaffen, und das Genie selbst löst sich ins Nichts auf, ohne irgendwelche Spuren zu
hinterlassen. In Süskinds Roman lässt sich statt nur die Entwicklung eines Genies, auch die
Kritik an dem Genie erkennen.
Die zwei glaubwürdigsten Interpretationsmöglichkeiten sind der Roman als
Entwicklungsroman und der Roman als Künstlerroman, aber es bleibt dem Leser des Werks
überlassen, für welche Interpretation er sich entscheidet. Da beide Interpretationen von
sowohl Frizen und Spancken als auch vom Autor selbst in seinem Werk widerlegt werden,
bleibt die Frage nach der wahren Deutung offen. Das weist auf eine Deutung als
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postmoderner Roman hin. Die vielen intertextuellen Verweise und die Tatsache, dass
Grenouille im Roman kein eigentliches Subjekt ist, sondern eine (Nicht-)Identität, die von
verschiedenen Mädchendüften gemischt ist, bestätigen diese Meinung. Die postmoderne
Interpretation wäre demnach meines Erachtens die beste Interpretation des Parfums.
Allerdings glaube ich, dass die beiden anderen Interpretationen als psychologischen
Entwicklungsroman und Künstlerroman genauso glaubwürdig sind, sowie auch die von
Frizen und Spancken vorgeschlagene Deutung, dass das Werk vor allem eine Parodie auf
beide Romangattungen ist.
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Literatur
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