Hochspannend: Hybrid- und Elektrofahrzeuge
Transcrição
Hochspannend: Hybrid- und Elektrofahrzeuge
Werkstattpraxis Hochvoltfahrzeuge Hochspannend: Hybrid- und Elektrofahrzeuge Arbeitsschutzrichtlinien, Fachbegriffe, Aufbau und Komponenten einer Hochvoltanlage (Teil 1) Kfz-Profis, die künftig Service- und Reparaturarbeiten an Elektro- und Hybridfahrzeugen vornehmen möchten, müssen sich mit spezifischen Anforderungen und der Technik des neuen Fahrzeugsystems Hochvoltanlage auseinandersetzen. Um ausführlich darüber informieren zu können, folgte KRAFTHAND einer Einladung von Honda und nahm an einer Schulung zum Fachkundigen für Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen teil. Welche Voraussetzungen für Service- und Reparaturarbeiten an solchen Fahrzeugen gegeben sein müssen, behandelt der erste Teil des Beitrags. T rotz des Hypes in den Medien und auf Automobilausstellungen um Hybridfahrzeuge bewegen sich deren Verkaufszahlen gegenwärtig auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Für Elektroautos gilt dies erst recht. Folglich spielen die im Technikjargon auch als Hochvoltfahrzeuge (HV-Fahrzeuge) bezeichneten Automobile im Straßenverkehr wie auch im Werkstattalltag kaum eine Rolle. Noch! Denn, selbst wenn einige Experten aus den ver- Blitzgescheit: Für das Arbeiten an der Hochvoltanlage eines Hybridfahrzeugs muss der Mitarbeiter über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Bringt er zudem das Bewusstsein mit, die notwendigen Sicherheitsregeln einzuhalten, besteht keine Gefahr bei derartigen Tätigkeiten. Bild: Schmidt 10 Krafthand 22/2011 www.krafthand.de Hochvoltfahrzeuge Werkstattpraxis Abziehen: Bei Toyota und Lexus ist der ServiceDisconnect zum Trennen des Hochvoltstromkreises als Stecker ausgeführt. Bilder: Schmidt schiedensten Gründen vor allem das Elektroauto skeptisch sehen, gibt es viele Entscheider in der Automobilindustrie, die genau darin die mobile Zukunft sehen – zumindest für den großstädtischen Bereich. Als Brückentechnologie auf dem Weg zum Elektroautomobil dienen die Hybridfahrzeuge. Trotz der noch relativ niedrigen Verkaufszahlen wächst durch die stetig zunehmende Modellvielfalt ihre Verbreitung und nimmt weiter zu. Aus diesem Grund sollten sich Kfz-Betriebe mit den spezifischen Besonderheiten dieser Technologie auseinandersetzen. Natürlich betrifft dies derzeit in erster Linie Kfz-Profis in den Markenbetrieben. Aber auch Pannenhelfer oder Abschleppdienste müssen sich mit dieser Thematik befassen – und mittelfristig werden wohl auch freie Werkstätten nicht daran vorbei kommen. Auch dann, wenn sie gar nicht vorhaben sollten, an einer Hochvoltanlage selbst zu arbeiten. vom Hochvoltsystem ausgehende elektrische Gefährdungen unterwiesen sein muss. Gleiches gilt für Pannenhelfer, die etwa auf der Straße eine erste Schadensfeststellung am Kundenfahrzeug vornehmen und dazu bestimmte Demontagearbeiten und Prüftätigkeiten leisten – zum Beispiel im Motorraum an der Fahrzeugelektrik. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Vorgaben ist grundsätzlich der Unternehmer oder der betriebliche Vorgesetzte, dem diese Fürsorgepflicht übertragen wurde. Wird diese nicht ernstgenommen und es arbeiten nichtberechtigte Personen an solchen Fahrzeugen, können zivilrechtliche Schadenersatzforderungen und sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen. Nicht zuletzt deshalb muss eine jährlich zu wiederholende und zu dokumentierende Unterweisung der Mitarbeiter zu dieser Thematik erfolgen. Aber wer darf überhaupt unterweisen? Berechtigt sind Mechatroniker und Kfz-Meister, die eine Qualifizierung zum ‚Fachkundigen für Arbeiten an Hochvoltanlagen’ (ehemals Elektrofachkraft) erfolgreich abgeschlossen haben. Gibt es keine solche Fachkraft im Kfz-Betrieb, muss die Unterweisung in einer Institution mit entsprechendem Schulungsangebot erfolgen. Dabei ist es natürlich sinnvoll, gleich die zweitägige Qualifizierung zum Fachkundigen zu absolvieren. Das hat nicht Wer darf was? Wie Thilo Klemm, technischer Trainer bei der Honda Akademie, seinen Teilnehmern in der Qualifikation zum ‚Fachkundigen für Arbeiten an HVeigensicheren Fahrzeugen’ erklärt, sind in einem Kfz Betrieb Servicetätigkeiten an Hybrid- und Elektrofahrzeugen ohne eine entsprechende Einweisung nicht statthaft. So fordert die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung beziehungsweise Berufsgenossenschaft beispielsweise, dass für alle nicht-elektrotechnischen Arbeiten – zu denen beispielsweise Karosseriearbeiten, aber auch ein Rad- oder Ölwechsel zählen – der jeweilige Mitarbeiter über mögliche www.krafthand.de Umlegen: Honda hat den Service-Disconnect als Schalter ausgeführt. Bild: Schmidt Krafthand 22/2011 11 Werkstattpraxis Hochvoltfahrzeuge nur den Vorteil, selbst unterweisen zu können, sondern berechtigt den KfzProfi auch, am Hochvoltsystem zu arbeiten. Dazu allerdings muss er drei Sicherheitsvorkehrungen in folgender Reihenfolge getroffen haben: 1. Hochvoltsystem spannungsfrei schalten (freischalten) 2. Hochvoltsystem gegen Wiedereinschalten sichern 3. Spannungsfreiheit prüfen. Im Gegensatz zu einem Fachkundigen ist es den unterwiesenen Personen nicht erlaubt, selbstständig an einem Fahrzeughochvoltsystem zu arbeiten. Diese dürfen nur unter Aufsicht und auf Anweisung des Fachkundigen Hand anlegen, etwa um ihn bei der Demontage von Komponenten zu unterstützen. Angesichts dieser Tatsachen kommt über kurz oder lang wohl kaum eine Reparaturwerkstatt darum herum, wenigstens einen Mitarbeiter zum Fachkundigen für Arbeiten an HV-Systemen zu qualifizieren. Denn es kann durchaus notwendig sein, für eine normale Unfallreparatur, den Ausbau des Hochspannungsschütz Hochvoltbatterie Schalttafel Batteriemodule Bypasschütz Ansteuerung über Steuergerät Temperatursensoren Batteriehauptschalter / Service-Disconnect HV-Sicherung Signalabgriff für Spannungswerte Signalabgriff von Temperatursensor Quelle: Honda © Krafthand Schaltschema: Wie am Beispiel des Honda Civic Hybrid zu erkennen, wird über die Schalttafel der Stromkreis zwischen Hochvoltbatterie, dem Elektromotor und anderen Komponenten der Hochvoltanlage geschlossen beziehungsweise getrennt. In der Schalttafel sind der Hochspannungs- und Bypassschütz untergebracht, über die das Schließen und Trennen des Hochvoltstromkreises nach dem Einschalten beziehungsweise Ausschalten der Zündung erfolgt. Die Ansteuerung der Relais übernimmt ein Steuergerät, das mit Bordspannung (Klemme 15) arbeitet. Zur Schalttafel gehört außerdem der Service-Disconnect zum Trennen des Batteriestromkreises vor Arbeiten am HV-System. Bild: Honda 12 Krafthand 22/2011 Zylinderkopfs oder des Getriebes das Hochvoltsystem freischalten zu müssen. Zum Beispiel wenn Komponenten der Hochvoltanlage beziehungsweise Hochvoltleitungen ‚stören’ und deshalb teilweise oder ganz zu demontieren sind. Schaltprinzip: eigensicheres HV-System Serienmäßige Hybrid- und Elektrofahrzeuge werden auch als Fahrzeuge mit eigensicherer Hochvoltanlage oder HV-eigensichere Fahrzeuge bezeichnet. Eigensicher bedeutet: Mit dem Ausschalten der Zündung oder dem Abklemmen der Batterie schaltet automatisch die Hochvoltanlage ab. Dazu muss man wissen: Prinzipiell wird die Hochvoltanlage über Hauptrelais (auch Schütze genannt) aktiviert respektive abgeschaltet. Die Relais wiederum steuert ein mit normaler Bordspannung (Klemme 15) arbeitendes Steuergerät der Hochvoltanlage an. Bleibt die Spannungsversorgung aus, ist es nicht mehr funktionsbereit und kann demnach auch die Hauptrelais der Hochvoltanlage nicht mehr ansteuern. Auch wenn es hier natürlich Unterschiede im Detail gibt, vom Grundsatz her erfolgt das De-/Aktivieren der HV-Anlage bei allen Herstellern auf diese Weise. Damit ist auch gewährleistet, dass Bergungskräfte durch Ausschalten der Zündung oder Abklemmen der 12-VBatterie bei Unfallfahrzeugen das HVSystem deaktivieren und sich somit vor Stromschlägen schützen können. Eigensicher bedeutet aber auch: Ist die Isolierung einer HV-Leitung beschädigt und es kommt zu einem Masseschluss, erkennt die Steuerelektronik über die Veränderung des Widerstands dieses Problem. Das HV-System wird dann automatisch abgeschaltet. Beim Toyota Prius beispielsweise ist das auch der Fall, wenn ein Airbag auslöst. Schutzmaßnahmen Der Kfz-Profi muss sich stets bewusst sein, dass sich die Hochvoltbatterie selbst natürlich nicht spannungsfrei schalten lässt, sondern eben nur die www.krafthand.de Werkstattpraxis Hochvoltfahrzeuge Steht allen offen Für die Ausbildung zum ‚Fachkundigen für Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen’ steht die Honda Akademie im hessischen Erlensee auch KfzProfis offen, die nicht aus einem Honda-Autohaus kommen. Neben praktischen Übungen an den verschiedenen Hybridmodellen des Herstellers vermittelt Trainer Thilo Klemm interessante theoretische Details – auch zu den Modellen anderer Anbieter – rund um das Thema Hochvolttechnologie. Dabei spielen unter anderen Begriffe wie Inverter, Gleichstromwechsler, paralleler oder serieller Hybrid eine Rolle. Übrigens Bauteile, deren Funktion in der KRAFTHAND 1-2 / 2012 genauso zur Sprache kommen werden wie der grundsätzliche Aufbau der verschiedenen Hybridsysteme. ts Auf Hochspannung prüfen: Bevor Fachkundige an einer spannungsfreien Hochvoltanlage arbeiten dürfen, müssen sie checken, ob tatsächlich keine Spannung mehr anliegt. Bild: Schmidt Krafthand Motip Dupli wirbt mit seinem Werkstattsystem ‚Pro Repair’ um Partnerbetriebe für Smartrepair. Dabei handelt sich aber nicht um ein Franchisesystem, sondern um eine freie Partnerschaft, die mit wenigen Investitionen Kunden und Umsatz bringen möchte, so Verkaufsleiter Jürgen Miederer im Krafthand-Talk. Interview direkt mit dem Smartphone oder Tablet-PC hören www.krafthand-talk.de 14 Krafthand 22/2011 Das Interview hören Sie im Krafthand-Talk auf www.krafthand.de Komponenten der HV-Anlage. Nicht zuletzt deshalb haben die Fahrzeughersteller den sogenannten Service-Disconnect in den Stromkreis der Hochvoltbatterie (Grafik Seite 12) integriert. Dieses als Stecker oder Schalter ausgeführte Bauteil trennt nach dem Abziehen respektive in Stellung ‚off‘ nicht nur den Stromkreis der HV-Anlage, sondern auch den der Batterie (Grafik Seite 12) – und das in oder annähernd in der Mitte. Aber warum gerade hier? Durch das Trennen der Batteriemodule/-zellen teilt sich die Kapazität entsprechend und damit das von der Batterie ausgehende Gefährdungspotenzial für einen Stromschlag. Zum besseren Verständnis: Würde eine Hochvoltbatterie über sechs Zellen sowie eine Kapazität von 100 V verfügen und der Disconnect trennt Zelle drei und vier voneinander, liegen auf beiden Seiten nur noch 50 V an. Käme es dann trotz aller Arbeitsschutzrichtlinien dennoch zu einem Stromschlag, wären die Folgen entsprechend geringer als bei 100 V. Zum Entfernen/Ausschalten des Servicesteckers beziehungsweise Batteriehauptschalters sind grundsätzlich spezielle Elektrikerhandschuhe zu tragen, die aufgrund ihres Materials vor einem eventuellen Lichtbogen und Stromschlag schützen. So wie es gilt, als Sicherung gegen Wiedereinschalten der HV-Anlage den Zündschlüssel und den Servicestecker abzuziehen und sicher aufzubewahren, muss auch eine Wartezeit (je nach Hersteller) vor dem Prüfen auf Spannungsfreiheit der Anlage eingehalten werden. Honda beispielsweise gibt für seine Hybridmodelle fünf Minuten an. Erst danach ist sichergestellt, dass die im Inverter enthaltenen Kondensatoren zum Glätten des Stroms und Absorbieren von Spannungsspitzen vollkommen entladen sind. Für den Prius von Toyota gilt dem Hersteller zufolge eine Wartezeit von zehn Minuten. Zum Prüfen der Spannungsfreiheit dürfen Fachkundige nur dafür zugelassene und mit einem GS-Zeichen versehene Spannungsprüfer benutzen. Hat der Fahrzeughersteller eine entsprechende Kontrollleuchte im Cockpit www.krafthand.de Hochvoltfahrzeuge Werkstattpraxis KRAFTHAND-Wissen Hochvolt Der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung beziehungsweise Berufsgenossenschaft zufolge spricht man von Hochvolt im Fahrzeug, wenn mehr als 25 V Wechselspannung (AC) oder 60 V Gleichspannung (DC) an einem System anliegt. Ab diesen Schwellwerten und einem Kurzschlussstrom von 3 mA (AC) beziehungsweise 12 mA (DC) geht man von einer elektrischen Gefährdung aus. (z.B. BMW X6) platziert, die über das Freischalten informiert oder hat er einen Modus installiert, über den die Spannungsfreiheit mit dem Diagnosetester festzustellen ist, lässt der Gesetzgeber auch das zu. Hier wie auch bei allen anderen Maßnahmen sind natür- Auf Prüfzeichen achten: Zum Arbeitsschutz für Arbeiten an Hochvoltanlagen gehört es, nur dafür zugelassene (am GS-Zeichen zu erkennen) Prüfinstrumente sowie spezielle Elektrikerhandschuhe zu verwenden. Bild: Schmidt lich stets herstellerspezifische Vorschriften zu beachten. Außerdem soll an dieser Stelle noch einmal eindringlich darauf hingewiesen sein, dass nur ein Kfz-Profi mit dem Nachweis ‚Fach- kundiger für Arbeiten an HV-eigensicheren Fahrzeugen‘ auch selbstständig an der HV-Anlage arbeiten darf. Torsten Schmidt Die point S Gruppe Welche Anforderungen Sie auch haben – bei uns sind Sie richtig ! Sprechen Sie uns an. Unsere Serviceline ist 24 Stunden für Sie da: 06154 / 639 170 Ihr Jürgen Benz Geschäftsführer Servicequadrat point S (Development) point S (Deutschland) AUTOMEISTER Der unabhängige Partner für Ihre Flotte. Ein Gemeinschaftsunternehmen von point S und Top Service Team. Die Europazentrale. Weil Reifen den Service von Profis brauchen. Alle Marken. Alle Achtung ! über 1.100-mal in Deutschland über 2.000-mal weltweit über 600-mal in Deutschland über 140-mal in Europa www.servicequadrat.de www.points-development.com www.point-s.de www.automeister.de