Stellungnahme des Vereins der Volkermordgegner

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Stellungnahme des Vereins der Volkermordgegner
Verein der Völkermordgegner e.V. Frankfurt / Main
Soykırım Karşıtları Derneği (SKD); Kontakt : Ali Ertem Tel.: 0049/69/5970813; E-Mail: [email protected]
Aufruf zum Widerstand gegen den Krieg,
Kriegsverbrechen und Antisemitismus im Nahen Osten
(Deutsche Übersetzung aus der türkischen Originalerklärung vom 15. Januar 2009)
Seit dem Beginn der Operationen durch die israelische Armee am 27. Dezember 2008 im Gazastreifen sind etwa 900 Menschen getötet und über 3000 sind verletzt worden. Die Mehrheit
der Getöteten und Verletzten bilden Zivilisten, unter denen sich auch viele Kinder befinden.
Der Gazastreifen ist für die Palästinenser, die ohnehin durch Israel aus der Luft, vom Land
und von See her in die Zange genommen werden, zu einer Hölle geworden, in der sie keine
Zuflucht mehr haben.
Dass die Bevölkerung des Gaza-Streifens gegen die mit modernen Waffen ausgestatte israelische Armee schutzlos ist, zeigt sich auch anhand der Opferzahlen.
Israel bedient sich im Gaza-Streifen unverhältnismäßiger Mittel, um die Raketenangriffe der
Hamas abzuwehren. Es greift die Wohngebiete der Palästinenser an, und macht die lebensnotwendigen Ressourcen der Bevölkerung wie Nahrung, Gesundheit, Wasser und Elektrizität
zunichte, indem es die Infrastruktur des Gaza-Streifens zerstört. Der Krieg richtet sich aus
diesem Grund nicht nur gegen die Hamas, sondern hat sich zu einem gegen alle gerichteten
Krieg Palästinenser ausgeweitet. Die größten Opfer bringen in diesem Krieg die Kinder, die
Alten, die Frauen, kurz: die Zivilbevölkerung.
In den Nachrichten wurde verlautbart, dass nach einem Angriff der israelischen Luftwaffe auf
eine von der UN-Organisation UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für PalästinaFlüchtlinge im Nahen Osten) geführte Schule, sind mindestens 30 Kinder ums Leben gekommen. Es wurde auch erwähnt, dass die Schule in keiner Weise mit der Hamas in Verbindung
stand und dass die israelischen Piloten die Koordinaten des Umkreises der Schule gut kannten. Wenn die Informationen der Wahrheit entsprechen, dann stellt der Angriff auf diese
Schule einen eklatanten Bruch internationaler Kriegsabkommen bzw. ein Kriegsverbrechen
dar. Der Tod der Kinder ist dann nicht mehr als ein „Kriegsunfall“ zu bezeichnen, sondern
stellt ein wissentlich durchgeführtes Massaker dar.
Am 8. Januar 2009 gab der Fernsehsender Euronews bekannt, dass das Rote Kreuz seine humanitäre Hilfe eingestellt hat. Während die Krankenhäuser voll mit Hunderten von Toten und
Verletzten waren, erhielten wir die Nachricht, dass das zentrale Krankenhaus im Gazastreifen
bombardiert wurde. Das Boot mit dem Namen Dignity der Bewegung Freies Gaza, das medizinisches Hilfsmaterial und Ärzte transportierte, wurde angegriffen.
Derartige Aktionen des israelischen Staates überschreiten die Grenzen des Selbstschutzes. Der
Krieg ohne Regeln entartet vor den Augen der Weltöffentlichkeit offen zum Kriegsverbrechen.
Derweil ist die Hamas mit ihren Raketenangriffen auf die zivilen Wohngebiete Israels, durch
die Benutzung palästinensischer Zivilisten und Einrichtungen als Schutzschild bei Angriffen
2
und durch ihre die Grundlagen des Friedens zerstörende Ablehnung des Existenzrechts Israels, einer der Hauptakteure, die vom Fortgang der kriegerischen Auseinandersetzungen
profitieren.
Durchkreuzen wir gemeinsam das Spiel der antisemitischen Profiteure!
Feinde der Juden haben aus Anlass des Krieges die Zügel ihrer antisemitischen Propaganda
fallen lassen. Der Antisemitismus ist Dynamit, das man unter die Fundamente des israelisch-palästinensischen Friedens legt.
Dass die israelische Führung den Krieg auf die Spitze treibt und offenbar internationale Standards der Kriegsführung verletzt, wird von manchen Gruppen als einmalige Gelegenheit gesehen, ihre antisemitische Politik im israelisch-palästinensischen Konflikt zu verdecken und
sie in aufstachelnder Art und Weise zu legitimieren.
Der Krieg wird dazu benutzt, immer stärker die muslimischen Massen gegen die jüdische
Bevölkerung in verschiedenen Teilen der Welt zu mobilisieren, Allianzen mit antisemitisch
orientierten Gruppen verschiedener Religionen und Nationen zu schmieden und alle Menschen, die sich als Juden begreifen, pauschal zur Zielscheibe zu machen. Es wird versucht, in
jeder sich bietenden Situation ein Massaker zu begehen. Die mehrfachen blutigen Angriffe
auf jüdische Gebetsstätten in der Türkei sind denn auch das Resultat dieses Geistes.
Das Existenzrecht des jüdischen Volkes als eines der ältesten Völker des Nahen Ostens und
sein Recht auf einen eigenen Staat zu verkennen sowie Drohungen, „den jüdischen Staat von
der Landkarte ausradieren“, entsprechen dem vom Nationalsozialismus übernommenen Antijudaismus.
Es ist zutiefst antisemitisch, das Judentum als Grund allen Übels in der Welt darzustellen und
wegen der zeitweise groben Rechtsverletzungen des israelischen Staates alle Juden zu Feinden zu erklären. Folgendes Zitat des Abgeordneten der Hamas, Dr. Yussuf Al-Sharafi, ist der
konkrete Ausdruck der Strategie, „Israel von der Landkarte auszuradieren“: „Der jüdische
Glaube möchte weder Frieden noch Stabilität. Denn dieser Glaube ist auf Blut und Massaker gegründet. Er sagt: ’ich bin ich, und ich töte’… Israel gründet seine Existenz nur auf
Blut und Massaker und wird mit Allahs Erlaubnis auch mit Blut und Heldentod vertrieben
werden.“1
Diese Gesinnung hat nichts mit den berechtigten Forderungen des palästinensischen Volkes
nach Gleichberechtigung, Freiheit sowie Rechten und Gerechtigkeit zu tun. Diejenigen, die
Israel wegen des harten Vorgehens und der Rechtsverletzungen verurteilen, aber diese Tatsachen nicht sehen, müssen entweder blind oder verlogen sein.
Die Haltung, die der türkische Staat im Gaza-Krieg eingenommen hat, entspricht der Haltung
„Öl ins Feuer zu gießen“. Die Sensation erheischenden antisemitischen Stellungnahmen rassistischer Staatschefs wie Mahmud Ahmadinedschad sind der Weltöffentlichkeit bestens bekannt. Jedoch übertrifft die jüngste Haltung der Türkei, die sich der Öffentlichkeit seit Jahren
als „Freund der Juden bzw. Israels“ präsentiert, die iranische Haltung und ist Israel gegenüber
alles andere als friedlich und freundschaftlich.
1
Siehe: http://www.israel-network.de/node/185
3
Ministerpräsident Erdogan erklärt: „Ich glaube daran, dass Israel an den Tränen dieser
unschuldigen Kinder, dieser unschuldigen Frauen und unschuldigen Mütter ertrinken
wird.“ Die Frau des Ministerpräsidenten, Emine Erdogan, versucht die „Tränen vergießenden“ Frauen der islamischen Welt an einer Front zu vereinen. Der Justizminister Mehmet Ali
Sahin gibt die Erklärung ab: „Israel ist der größte Anstifter des internationalen Terrors.“
(sihe: http://www.viphaber.net/index.php?option=com_content&task=view&id=8248&Itemid=9 ) Ein anderer Abgeordneter
macht den angeblichen „Witz“: „Wenn die Juden noch einmal Opfer eines Völkermordes
werden, wie werden sie dann ins Antlitz der Welt schauen?“ (Siehe: Tageszeitung „Birgün“ von 13.
Januar 2009)
Schließlich vervollständigen die Medien, die rassistischen Vereinigungen und die Leute auf
der Straße das von den Offiziellen Intendierte, aber nicht zu Ende Gesagte.
Wenn wir uns die unten zitierten Beispiele2 vergegenwärtigen, wird verständlich, warum ein
die Dunkelheit und den Hass symbolisierendes Buch wie Adolf Hitlers „Mein Kampf“ in der
Türkei zum Bestseller werden konnte, während die Verleihung des Literaturnobelpreises an
einen so ehrenwerten Schriftsteller wie Orhan Pamuk eine nationale Krise hervorruft, und
man ihn sogar töten möchte.
Jene Staatsführung, die das Völkermordverbrechen ihrer jüngsten Geschichte leugnet und ihre
Intellektuellen, die eine gesellschaftliche Aufarbeitung fordern und als symbolische Geste
eine Unterschriftenkampagne zur Entschuldigung bei den Armeniern durchführen, als „Völkermordverbrecher“ karikiert3, diese Staatsführung erntet nun, was sie gesät hat. Nämlich
Antisemitismus und Anti-Armenismus.
Zahlreiche Organisationen, die sich als links-fortschrittlich präsentieren, haben keine Bedenken, für die „Solidarität mit Palästina“ regelrecht mit rassistischen, reaktionären, religiös fundamentalistischen Gruppen und den gleichen Slogans im Namen des „Protests gegen Israel“
antisemitische Propaganda zu betreiben. Der bei den Protestkundgebungen in Anatolien offenbarte Antisemitismus besitzt ein erschreckendes Ausmaß. Der Propagandamechanismus,
der mit der Ansicht beginnt, die Juden seien das verfluchte Volk, hat an Fahrt gewonnen.
Die türkischen Medien machen im Gleichklang antisemitische, provokative Statements zu
ihren Schlagzeilen, propagieren der Öffentlichkeit das „historische Erbe“ der Türkei in Paläs2
In den letzten Tagen erschienene Artikel und Meldungen, wie z.B.:„Mörder Israel, verschwinde von der Welt! Türkische Armee auf
nach Gaza… Türkische Armee auf nach Jerusalem…Milli Gazete (Nationale Zeitung), Ayhan Demir, 6.1.2009
„Protest gegen Israel in Van: ‚Die Armee Mohammeds ist die Angst der Heiden, ‚Gegrüßt sei die Hamas, weiter mit dem Widerstand, nieder mit dem Israel!“
http://www.habergunluk.com/Yeni-guncel/22718-Israil-vahsetine-Beyazit-ta-cuma-ofkesi.html
„Was unterscheidet diese Haltung Israels, das ein ganzes Volk zur Zielscheibe macht, ohne zwischen Alten und Kindern, Zivilen und
Soldaten zu unterscheiden, vom nazistischen Völkermord?“ Aus der Erklärung der Koordinationsstelle der Cati-Partei („Gründungsinitiative einer neuen Linkspartei“). Vgl. Tageszeitung Taraf vom 8.1.2009
Die Mitglieder der „Osmangazi Kulturvereine“ in Eskisehir bei eine Kundgebung trugen rassistische Transparente mit dem Schrift: „Durch
diese Tür dürfen keine Juden und Armenier reinkommen, Durchgang für Hunde erlaubt“ Vgl.: Tageszeitung Radikal, Kemal Atlan
(DHA), 7.1.2009 http://www.radikal.com.tr/Radikal.aspx?aType=RadikalDetay&ArticleID=915950&Date=08.01.2009&CategoryID=77
„Eine Million Menschen haben Israel verflucht“ „Steh auf oh Menschheit, entweder wir schweigen oder handeln noch heute… Der israelische Botschafter muss zur persona non grata erklärt werden. Die Mörder mit blutigen Händen, die Israel regieren, müssen verurteilt werden“.
http://www.aktuelpsikoloji.com/haber.php?haber_id=3567
3
Als Ministerpräsiden Erdogan am 17.Januar 09 die Fragen der Journalisten hinsichtlich der Unterschriften Kampagne antwortete sagte er:
„Diese Leute, die sich beiden Armeniern entschuldigen, müssen sie einen Völkermord begangen haben. Die Republik Türkei hat nicht solch
ein Problem. So ein Problem habe ich habe auch nicht.“
http://www.cnnturk.com/2008/turkiye/12/17/erdogan.ozur.dileme.kampanyasini.elestirdi/505064.0/index.html
4
tina und den „genialen“ Gedanken, dass nur die „türkischen Soldaten die Sicherheit Palästinas“ gewährleisten können. Kurz, die Türkei ist mit ihrer Regierung, der Opposition und der
von ihr geführten Gesellschaft (außer einer minoritären Gruppe von standhaften Intellektuellen und Menschenrechtlern) in einem nationalen Konsens an der antisemitischen Front vereint.
Aus diesem Grund steht die jüdische Gemeinschaft in der Türkei wie auf Dornen. Sie werden
nicht als Staatsbürger gesehen, sondern als Schuldige. Die jüdische Gemeinschaft wird gezwungen, sich gegen Israel zu positionieren. Um ihre „Undankbarkeit“ aufzuzeigen, hören
Aussagen wie „wir haben sie vor dem Völkermord bewahrt, haben ihnen die Arme ausgebreitet“, besonders in diesen Tagen nicht auf.
Da die Spuren der blutigen Angriffe noch sehr frisch im Gedächtnis sind, fragen sich nicht
nur jüdische Bürger der Türkei, sondern Menschen aller Herkunft, ob es „wieder Angriffe“
geben wird. Alle, die Menschenrechte und Freiheitsrechte achten sowie sich um das gute und
friedliche Zusammenleben von Menschen sorgen, können nicht umhin, sich zu fragen, warum die türkische Regierungselite so eine erbärmliche Haltung einnimmt, warum sie die Gesellschaft zum Antisemitismus hin orientiert und warum – bis auf wenige Ausnahmen – die
intellektuellen Schichten dies akzeptieren.
Die Türkei hat derart dringende und brennende Probleme, für deren Lösung die Staatsführung
weder die Kompetenz noch den Mut besitzt, dass sie bewusst versucht, die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit auf andere Gebiete zu lenken. Es kommt uns so vor, als wollte die Türkei,
die Krise, in der sie sich befindet, auf ihre Nachbarn abwälzen. Die falsche PalästinaFreundschaft und das antisemitische Geschrei dienen genau dazu, diese Absicht zu maskieren.
Die Verantwortlichen, die die Kurden nicht als Menschen behandeln, sie mit Zwang assimilieren wollen und nicht davor zurückschrecken, Genozid-Methoden zu benutzen, beschuldigen Israel der „Völkermordverbrechen“. Es ist absurd, dass falsche Palästina-Freunde mit
ihren blutigen Händen die Probleme ihrer Nachbarn lösen wollen. Wir glauben nicht, dass
jene verantwortungsbewussten Anführer des palästinensischen Volkes die mit gesundem
Menschenverstand eine solche grobe Betrügerei hereinfallen werden.
Der Respekt und die Anerkennung der Existenz des Staates Israel bedingt, dass man
sich dessen Fehler und dessen Menschenrechtsverletzungen bedingungslos entgegenstellt. Die wahren Freunde des jüdischen Volkes sind ohne Zweifel auch die Freunde des
palästinensischen Volkes. Die Solidarität mit dem jüdischen Volk im Kampf gegen Antisemitismus erfordert überall auf der Welt auch die Solidarität mit den Opfern von Unterdrückung und Grausamkeit.
Der Verein der Völkermordgegner erklärt sich solidarisch mit den israelischen Menschenrechtlern und Menschenrechtsvereinigungen, die angesichts der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung des israelischen Staates diesen zur sofortigen Beendigung des
Krieges und zur Respektierung der Rechte des palästinensischen Volkes auffordern.
Unser Verein spricht den palästinensischen Nichtregierungsorganisationen und Intellektuellen, die im Kampf für die Rechte und Freiheiten des palästinensischen Volkes im
Namen der Freundschaft und des Friedens und gegen Antisemitismus an der Seite des
jüdischen Volkes stehen, seinen Respekt aus. Er ruft alle Organisationen und Persönlichkeiten der Türkei, denen die Respektierung der Menschenrechte wichtig ist, dazu
auf, sich gegen Antisemitismus und Krieg einzusetzen.
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Der Verein der Völkermordgegner akzeptiert weder die antisemitisch motivierten Raketenangriffe und Selbstmordattentate radikaler palästinensischer Organisationen wie der
Hamas oder der Hisbollah gegen Israel noch die unverhältnismäßige Gewaltanwendung
des israelischen Staates, wodurch das palästinensische Volk massakriert, dessen Wohngebiete zerstört und die militärische Gewalt eskaliert. Unser Verein fordert einen sofortigen beidseitigen Waffenstillstand und dass beide Seiten sich im Interesse beider Völker
(des palästinensischen und jüdischen Volkes) für einen gerechten Frieden an einen Tisch
setzen und die Fragen mit friedlichen Methoden lösen.
Das jüdische Volk gehört zu den Völkern, die am besten wissen, was Rassismus, Repression, Grausamkeit und Völkermord bedeutet. Denn kein anderes Volk war in der
Menschheitsgeschichte derart lange rassistischen Angriffen ausgesetzt und hat derart
viele Opfer gebracht. Zugleich sind die engagiertesten Menschenrechtsaktivisten, die
sich gegen die Rechtsverletzungen, gegen das unverhältnismäßige Vorgehen und gegen
die Massaker auf der ganzen Welt und auch in Israel, entgegenstellen, in den Reihen des
jüdischen Volkes zu finden. Die sinnvollste Art der Solidarität mit dem palästinensischen Volk kann auf diese Weise erfolgen.
Kämpfen wir gemeinsam gegen die antisemitische Hetze der falschen Palästinenserfreunde!

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