aus aller welt
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aus aller welt
Foto : Werner S chmitz aus aller welt 54 Wild und Hund 8/2011 Mähnenspringer Jagd unter Geiern Foto : Halb Schaf, halb Ziege. In der Sahara zu Hause, in Spanien heimisch. Werner Schmitz bejagte die faszinierenden Mähnenspringer in Andalusien. Und die Geier schauten zu. Wild und Hund 8/2011 55 aus aller welt Karstige Hänge, Krüppelkiefern, Steineichenbüsche. Im schroffen Südosten Spaniens fühlen sich die Mähnenspringer seit 40 Jahren wohl. Die kopfstarken Rudel äsen vor allem die Früchte der Steineichen. A uf dem Plateau hocken die Geier. Wie Sargträger vor der Friedhofskapelle warten sie in den Kalkfelsen, die die Einheimischen La Muela nennen, den Molar. „Die machen sich Hoffnungen“, sagt Antonio. Genau wie wir. Einen Mähnenspringer wollen wir erlegen, Jagdführer Antonio, Förster Andrés und ich, der Bergjagd-Novize aus dem Ruhrpott. Karnickeljagd auf Zechenhalden, näher kann man dem Himmel bei uns nicht kommen. La Muela ist ein anderes Kaliber als der Monte Schlacko. Mir wird mulmig, als wir die Geröllhänge abglasen. Da soll ich rauf? „Arrui!“ Der mollige Andrés hat ein Rudel Mähnenspringer entdeckt. Es äst knapp unter der Kaufläche des Molars. Zwei Dutzend fahle Flecken auf grünem Grund. Sehr hoch und sehr weit weg. „Vielleicht finden wir welche, die ein facher anzupirschen sind.“ Antonio ist in Hannover aufgewachsen und spricht akzentfrei deutsch. Nur beim Molar leistet er sich einen kleinen Dreher. Statt Backenzahn nennt er ihn „Zahnbacke“. Auf Schotter quält sich der Geländewagen, schaukelt zwischen Schwarzkiefern und Steineichen bergan. Solche Wälder sind selten in Andalusien. Die Spanier haben die Gegend zum Naturpark erklärt. „Bereich der Reserve. Kein Übertreten“, verkündet ein Schild in eigenwilligem Deutsch. Wir dürfen dennoch durch. Antonios Jagdunternehmen „iberhunting“ hat das vierzehntausend 56 Wild und Hund 8/2011 Hektar große Revier von der Gemeinde gepachtet. Immer wieder halten wir an, um die Hänge der Muela nach Mähnenspringern abzusuchen. Erfolglos. Hinter einer Spitzkehre parkt Antonio das Auto. „Wir pirschen.“ Während wir das Jagdgeraffel auspacken, geht Andrés ein Stück vor. Keine Minute später ist er wieder da. „Arrui“, flüstert er. Hundert Meter hinter der Biegung stehe ein Rudel auf dem Weg. Hektik pur. Ich stopfe Patronen in die geliehene Büchse. Antonio fährt die Füße des Dreibeins aus. „Vamos, Werner!“ Schritt für Schritt schleichen wir um die Kurve. Antonio entdeckt das Rudel im Hang. Neugierig äugen die Springer zu uns herunter. Hoch oben auf einem Felsen thront der Macho des Rudels. „Ora, Ora!“, zischt Andrés. „Jetzt.“ Bevor ich den Bock ins Glas bekomme, springt er ab. „Nimm den untersten, das ist auch ein guter Bock.“ Antonio stellt das Dreibein um. Ich wackle mit dem Absehen aufs Blatt. 208 Meter zeigt der Entfernungsmesser. So weit habe ich noch nie geschossen. Die .270 Weatherby Magnum kickt mir in die Schulter. Der Bock ist weg, das Rudel auch. Die innere Spannung nach dem Schuss. Wir warten eine Zigarettenlänge. Am Anschuss findet Andrés den Kugelriss im Kiefernbusch. Glatt überschossen. Ich habe mich schon besser gefühlt. Klein, aber oho. Förster Andrés (l.) führte mich auf Mähnenspringer. Und gab mit seinem Krückstock den Anstoß zum Erfolg der Jagd. Fotos : Werner S chmitz aus aller welt Wo laufen sie denn? Guide Antonio und Förster Andrés sind auf der Suche nach Mähnenspringern. Felswand, mehr als einen halben Kilometer entfernt, und verschwindet in einer Nische, als er uns entdeckt. Mähnenspringer äugen sehr gut. Antonio meint, sie bekämen zur Geburt ein 8x40 geschenkt. Trotzdem harrt der Jagdführer aus. „Vielleicht ist er nicht allein.“ Nach ein paar Minuten zieht der Rest des Rudels dem Macho hinterher. „Die gehen wir an.“ Weit kommen wir nicht. Ein Bauer hat sein Feld gegen das Wild gezäunt. Kein Durchkommen. Antonio findet einen brusthohen Felsblock, legt meinen Rucksack darauf und schaut durch die Optik der Büchse. „330 Meter. Das schaffst Du, Werner.“ Ich bin mir da nicht so sicher. Dann kommt das Rudel genau an die Stelle, an der der Bock gestanden hat. Sie verhoffen. Ein Macho steht frei. Ich schieße. Gesund springt der Bock ab. Die zweite Chance ist vertan. Antonio versucht, mich zu trösten. „Mit diesen Distanzen haben andere auch Probleme, Werner.“ Ich bin frustriert. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, das Sprichwort dichte ich auf mich um. „Schmitz, bleib bei deinen Rehen.“ Zu Hause brauche ich zum Jagen keinen Hochsitz, aber die 58 Wild und Hund 8/2011 Rehe, die ich auf der Pirsch erlege, stehen vielleicht fünfzig Meter weit weg. Es ist warm geworden am Mittag. Die Mähnenspringer rasten im Schatten der Steineichen. Wir fahren nach Vélez Blanco zu Pepe ins „Restaurante Molino“ und stärken uns. Nach einem ordentlichen Stück Fleisch und einem Glas Rotwein sieht die Welt schon freundlicher aus. Pepe war früher Förster und weiß genau, wie einem Jäger nach zwei Fehlschüssen zumute ist. „Weizmannheil“, wünscht er mir zum Abschied. Ich kann schon wieder lachen. Am Nachmittag pirschen wir wieder bei der „Zahnbacke“. Ein Wanderfalke schießt an uns vorbei. Wilder Thymian duftet mit dem Rosmarin um die Wette. Weit unter uns leuchten weiße Felder mit Mandelbäumen. Schräg fällt das Sonnenlicht auf die Kalksteinwände der Muela. Allein für diesen Anblick lohnte es sich, in Andalusien zu jagen. Um das Bild perfekt zu machen, taucht weit vor uns ein Bock auf. Mächtig zeichnet sich das Gehörn gegen den Himmel ab. Eine Stunde brauchen wir, um den Kilometer zwischen uns und dem Macho zu überwinden. Es geht mitten durch Mähnenspringerland. Kreisrunde Betten haben die Tiere gescharrt, meist im Windschatten eines kleinen Grates, dort, wo es ein wenig Erde gibt. Der Bock ist verschwunden. Ihn zwischen all den Steineichenbüschen und Krüppelkiefern zu finden, erscheint mir aussichtslos. Aber Antonio schafft es. „Da, im Gegenhang. Er zieht mit dem Rudel.“ Bei Mähnenspringers hat die Brunft begonnen. Leider zieht das Wild von uns weg. Antonio schaut auf die Uhr. Sechs. „Das schaffen wir heute nicht mehr.“ Und nach einem Blick in mein enttäuschtes Gesicht. „Keine Angst, Werner. Die übernachten hier. Morgen kommen wir zurück und holen uns den Bock.“ Andrés nickt. „Claro.“ Am Morgen vor dem letzten Jagdtag nehmen wir noch einen café con leche in der Bar. Der Laden ist rappelvoll mit Grünröcken. Die Jäger von Vélez Blanco wollen auf Wildschweinjagd. Die Stimmung ist wie überall vor der Drückjagd: erwartungsvoll und fröhlich. Wir lassen uns anstecken. Antonio erzählt, wie die Mähnenspringer aus Nordafrika nach Südspanien gekommen sind. „Ein marokkanischer Minister war in den Siebzigerjahren in Murcia zu Gast. Araber bringen doch immer Gastgeschenke mit. Ein Dutzend Hengste, zwei Dutzend Jungfrauen. Dieser hat dreihundert Mähnenschafe mitgebracht. Die haben sie hier ausgesetzt. Scheint ihnen zu gefallen.“ Antonio kippt noch schnell einen Ánis. „Gegen die Kälte.“ Dann fahren wir zur Muela. Es ist windig am Berg. Die Geier kreisen schneller als sonst. Vor uns zischt ein roter Blitz über die Piste. „Zorro,“ sagt Andrés. Antonio übersetzt sicherheitshalber: „Fuchs.“ Wir lassen den Wagen stehen und pirschen unter dem Hang, in dem gestern das Rudel stand. Es ist noch da. Äst Steineicheln im Windschatten der Muela. Unter dem „Backenzahn“ erlegte ich meinen Mähnenspringer. Nach drei Tagen Bergpirsch ging ich auf dem Zahnfleisch. entsichere und warte. Irgendwann muss der doch da rauskommen. Plötzlich tippt mir Antonio auf die Schulter. Genervt über die Störung schaue ich mich um. Er zeigt mit dem Daumen nach rechts. Ich drehe den Kopf. Vor mir auf vielleicht siebzig Meter ein Mähnenspringer. Er bummelt direkt auf uns zu. „Schießen!“, zischt Antonio. Leichter gesagt als getan. Vorsichtig verschiebe ich den Rucksack auf dem Felsen, schwenke die Waffe um neunzig Grad und lege mich auf dem Bauch dahinter. Der Blick durchs Zielfernrohr macht Mit Trophäe auf dem Weg ins Tal. Die Jagd macht mich glücklich, zufrieden und stolz. Antonio erklärt mir, wo der Bock steht. „Siehst Du die tief gegabelte Steineiche? Links davon.“ Dann habe auch ich den Macho im Glas. Man muss kein Spanier sein, um zu erkennen, wie kapital der Bock ist. In einem Riesenbogen versuchen wir, auf Schussentfernung heranzukommen. Immer wieder weichen wir seitlich aus. Von Steineichen und Kiefernbüschen gedeckt arbeiten wir uns bis auf zweihundert Meter an das Rudel heran. Näher geht nicht. Sie stehen etwas unterhalb im Gegenhang. Ich lege mich hinter einen Felsblock, darauf den Rucksack und das Gewehr. Zwei Geißen stehen frei. Ich nehme eine ins Visier. Ruhig steht das Absehen auf dem Blatt. Der Bock kann kommen. Tut er aber nicht. Er turnt in einem Steineichenbusch herum und nascht. Einmal sehe ich kurz die Schläuche, dann ein Stück seiner falben Decke. Ich mich schwach. Formatfüllend steht der Macho vor mir. Kommt immer näher. Spitz auf mich zu. Die Mähne auf seiner Brust weht im Wind. Dahin will ich nicht schießen. Bloß nicht die schöne Trophäe zerstören! Lieber noch ein paar Sekunden warten, bis er sich ein bisschen dreht. Wenn der nur nicht abspringt! Auf fünfzig Meter ist er jetzt heran – und macht einen halben Schritt nach links. Das Fadenkreuz steht zwischen Mähne und Blatt. Ich drücke ab. Der Bock fällt wie in Zeitlupe. Im Liegen wackelt er noch einmal mit dem Lauscher. Stille. Schweigend gehen wir den Macho von der Muela an. Ich falle Antonio um den Hals. „Bedank Dich bei Andrés. Der hat ihn zuerst gesehen und mir seinen Krückstock ins Kreuz gebohrt.“ Muchas gracias, Andrés! e Wild und Hund 8/2011 59