von Theo Fransz / 10+

Transcrição

von Theo Fransz / 10+
Du, du und ich
von Theo Fransz / 10+
Materialmappe für Lehrerinnen und Lehrer
Das Stück
Schon seit langem merkt Franziska: Mama und Papa verstehen sich nicht mehr. Also begibt
sie sich in Protesthaltung: sie weicht den Blicken ihrer Eltern aus, schlägt sich an den Kopf
und isst nichts mehr. Merkwürdig, finden die Eltern, aber da kann man nichts machen,
„schließlich sind wir keine Filmstars oder Märchenfiguren, deren Leben lang und glücklich
ist“, sagt der Vater und verschwindet mit seiner Zigarette im Nebenzimmer. Also taucht
Franzi ab in ihre Phantasiewelt, in der sie das Sagen hat. Jetzt kann sie bestimmen, was die
Familie zusammen unternimmt und wie die Eltern miteinander sprechen. Sie erinnert sich an
vergangenes Beisammensein, stellt sich ihre Geburt vor und ihren Tod, bei dem die Eltern
furchtbar traurig sind und Franzi als Engel den weinenden Erwachsenen zuschaut. In ihrer
phantastischen Welt vermischen sich absurde Situationen mit Wunschträumen. So bringt ihr
der Vater eine vereiste Mutter vorbei, die sie als Tochter verarzten muss. „Wir müssen Ihre
Frau operieren, um ihr Herz wieder eisfrei zu machen“, rät sie und greift nach dem Bügeleisen. Jegliche Rettungsversuche sind jedoch umsonst, denn in der Realität sind die Umzugskartons schon gepackt, auch wenn Papa immer Papa und Mama immer Mama sein werden.
„Du, du und ich“ nimmt das Thema Trennung ernst und schafft dennoch eine Leichtigkeit,
die nur im Theater möglich ist. So kommt es zu durchaus skurrilen Szenen, wenn sich Franziska ihre eigene Geburt vorstellt, bei der der Vater Tipps gibt wie „Pressen“ oder „Hecheln“
und die Mutter antwortet: „Ich weiß schon selber, was ich machen muss.“ Ebenso macht
sich die eigene Tochter lustig über die Kosenamen, die sich ihre Eltern früher gaben, von
„Erdbeerschnäuzchen“ bis „Affenpopöchen“, gleichzeitig drückt sich in dieser Distanz der
Verlust aus, den sie spürt. Denn wie Franziska richtig sagt: Ihre Eltern behaupten, sie haben
etwas verloren, aber sie machen sich gar nicht die Mühe, danach zu suchen. Phantasie und
Kreativität helfen dem Mädchen, mit ihrer Situation umzugehen, auch wenn sie ihre Eltern
nicht mehr zusammenbringen kann.
Scheidung ist ein Thema, das immer mehr Kinder und Jugendliche betrifft und fast schon zur
Normalität geworden ist. Letztes Jahr wurden gerade einmal doppelt so viele Ehen geschlossen, wie Ehen geschieden wurden. Dabei wird oft vergessen, dass trotz moderner Familienkonzepte Trennungen immer Spuren hinterlassen und zu wenig Gesprächsmöglichkeiten
geboten werden. „Du, du und ich“ bietet keine Lösung, aber Denkanstöße und eine eigene
Auseinandersetzung mit dem Thema.
Premiere: Mittwoch, 21. Januar 2009, 11 Uhr im Jungen Theater, Rheinstr. 91.
Karten unter Tel.: 04421 / 9401-27. Wer vor der Premiere bucht, kommt in den Genuss des
Frühbucherrabatts: eine Karte kostet dann statt 4,40 € nur 2,20 €.
Offene Probe für alle Lehrerinnen und Lehrer: Montag, 19. Januar 2009, 19:00 Uhr im Jungen Theater. Anmeldung unter Tel: 04421 / 9401-34 oder E-Mail: [email protected]
Der Autor
Theo Fransz wurde 1958 in dem kleinen Dorf Vleuten de Meern, mitten in Holland, geboren.
Nach Besuch der Amsterdam Dramaschool, die er nicht beendete, begann er seine Theaterkarriere als Schauspieler im Fernsehen, Radio und Theater. Bald entdeckte er das Theater für
Jugendliche und gründete 1984 mit Jan-Willem van Kruyssen das Muztheater. Das Muztheater war eine der ersten professionellen Theatergruppen für Jugendliche in Holland.
Siebzehn Jahre war er künstlerischer Direktor, Autor und Regisseur dieser in Holland sehr
bekannten Theatergruppe. Mit Allan Zipson schrieb er viele erfolgreiche Stücke und Bearbeitungen von Klassikern für ein jugendliches Publikum wie „De Kast“ oder „The Beaux’ Strategem“ von George Farquhar, „Danny und Roberta“ von Patrick Shanley (nominiert für den
holländischen Theaterpreis), Shakespeare’s „Othello“ (für den er als Schauspieler nominiert
wurde) und „Macbeth“.
Neben seiner Arbeit am Muztheater war er in Gastrollen bei zahlreichen Theatergruppen,
die für ein erwachsenes Publikum spielen, zu sehen. Ein Höhepunkt seiner Theaterkarriere
war die Titelrolle in dem bekannten Stück „Gijsbrecht van Aemstel“ des berühmten holländischen Autors Vondel aus dem 17. Jahrhundert.
Im Juli 2001 verließ er das Muztheater, um als freischaffender Schauspieler, Autor und Regisseur zu arbeiten. Seine erste erfolgreiche Regie außerhalb Hollands war „Co-Starring“
(Gewinner des holländischen CJP Preises) am Carrousseltheater (heute: Theater an der Parkaue) in Berlin im Februar 2002.
Theaterstücke
- Co-Starring
- Schwestern (Zus & Mathilde) {engl. Matty and Sis}
- Ein Hauch
- Hirte und Schaf
- Stefan
- Liebe, a bloody lovestory (Liefde, a bloody lovestory);  2007, einer von vier Nebenpreisen beim “Kaas & Kappes”-Preis
- Du, Du & Ich
Textauszug
TOCHTER
Ich hab gehört, wie meine Mutter zu meinem Vater gesagt hat,
dass irgendetwas in ihr kaputt gegangen ist.
Wenn etwas kaputt ist, dann muss es repariert werden.
VATER
(zur Tochter) Doktor, Doktor, meine Frau ist eiskalt und soeben auf einmal ein bisschen ohnmächtig geworden.
TOCHTER
Hm ... Wann hat es denn angefangen?
VATER
Sie hat schon ein paar Monate lang gezittert,
und heute Morgen beim Kämmen fielen lauter Flocken aus ihrem Haar,
und gleichzeitig wurde sie überall eiskalt und steif.
TOCHTER
Hm ...
Klingt wie ein besonders schwerer Fall von Schneeschuppen.
VATER
Als sie das Thermometer raus zog, war es ganz und gar vereist.
TOCHTER
Vereist?
VATER
Ja, total vereist.
TOCHTER
Das kann nur eins bedeuten.
VATER
Was denn, Doktor? Was bedeutet das?
TOCHTER
Eisschmerzkoliken, verursacht durch ein Herz
mit einem ganz schlimmen, nassen Schnupfen.
Hat sie manchmal Treibeis?
VATER
Nur dienstags und freitags, Doktor.
Und dann auch nur bis zu den Knien ...
TOCHTER
Hm ...
VATER
Doktor, Doktor, bitte retten Sie meine Frau!
Ich kann nicht ohne sie leben!
TOCHTER
Reden Sie erst einmal mit ihr. Ich halte mir die Ohren zu.
Versuchen Sie, ein wenig zu weinen, dann taut sie vielleicht leichter auf.
(holt Waschlappen) Hier. Waschlappen.
Singen und rubbeln Sie sie damit mal schön warm ...
VATER
Liebchen, wenn ich schon gemeinsam mit jemandem alt werden will,
dann bist du es.
TOCHTER
Singen!
Musik: „Bleib bei mir“ (Roy Black).
VATER
(steht auf, singt mit dem Waschlappen als Mikrofon)
Ich hol dir vom Himmel die Sterne,
und du, was gibst du mir dafür?
Dein Herz, nur das möcht ich so gerne,
MUTTER/ TOCHTER
Ach so gerne.
VATER
damit ich dich nie mehr verlier,
MUTTER/ TOCHTER
dich nie mehr verlier.
VATER
Bleib bei mir,
bleib bei mir,
ich hab Sehnsucht nur nach dir.
Und meine Seele, die weint.
Was auch war,
das vergeht,
denn du weißt, ich hab dich lieb.
Du bist die Sonne, die scheint.
MUTTER/ TOCHTER
Du bist die Sonne, die scheint!
TOCHTER
Ja, das reicht!
Fragen zum Text
1.
2.
3.
4.
Warum möchte Franziska ihre Mutter verarzten?
Was fehlt der Mutter?
Was heißt das: die Mutter hat Eiskoliken?
Was für ein Lied soll Franziskas Vater singen und warum?
Szenische Vorbereitung
1. Stellt die gelesene Szene nach (mit eigenen Worten). Wie könnte die Szene nach dem Lied
weitergehen? Probiert unterschiedliche Möglichkeiten aus.
2. Spielt eine Szene aus eurem Leben, in der sich zwei Menschen streiten. Eine dritte Person
kommt hinzu und schlichtet den Streit.
3. Erzählt euch von Situationen, in denen ihr euch gefreut habt, weil ihr als Familie etwas Schönes miteinander unternommen habt.
4. Welche Kosenamen gebt ihr euch in der Familie?
Auszug aus: Strobach, Susanne: Scheidungskindern helfen. Übungen und Materialien. Weinheim und
Basel, 2002. S. 9-16.
Spiele zum Thema Trennung / Selbstwertgefühl / Wer bin ich?
Weitere Literatur: Härtling, Peter: Lena auf dem Dach. Weinheim und Basel, 1993.