Download: Nr. 13 – Beschleunigung

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Nr. 13 - Beschleunigung
Die Größe die alles in Bewegung hält
Jan Strehlow
26. September 2013
Inhaltsverzeichnis
2
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
3
Vorwort
3
Disclaimer
3
Symbole
4
1
4
Beschleunigung
1.1
1.2
1.3
Physikalische Beschreibung . . . . . . . .
Erdbeschleunigung . . . . . . . . . . . . .
Beschleunigungen im Fahrzeug . . . . . .
1.3.1 Längsbeschleunigung im Fahrzeug .
1.3.2 Querbeschleunigung im Fahrzeug .
1.3.3 Vertikalbeschleunigung im Fahrzeug
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. 4
. 5
. 7
. 8
. 10
. 17
2
Memos oder Thesen
18
3
Witziges am Rande
18
Literatur
19
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Abkürzungsverzeichnis
3
Abkürzungsverzeichnis
ABS
Anti-Blockiersystem
D
Drehpunkt/-achse
ESC
electronic stability control, deutsch: elektronische Stabilitätskontrolle
NEFZ
Neuer Europäischer Fahrzyklus
S
Schwerpunkt
Vorwort
Sie verursacht einen flauen Magen beim Überfahren einer Bergkuppe oder einen Adrenalinschub, wenn man mit Vollgas auf die Autobahn fährt und in den Fahrersitz gepresst wird.
Sie sorgt unter anderem dafür, dass die Menschen wortwörtlich bodenständig bleiben.
Die Beschleunigung. In diesem Artikel wird auf die verschiedenen Beschleunigungsarten
eingegangen, denen man im Automobil ausgesetzt sein kann.
Disclaimer
Die dargestellten Informationen sind von Jan Strehlow, ehemaliger Diplomand bei der BMW
Forschung und Technik GmbH, recherchiert und zusammengestellt worden. Derzeit bin ich als
Projektassistent/Dissertant an der TU Wien am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik angestellt. Die Mitteilungen stellen nicht unbedingt die Meinung der BMW Group dar.
Die Intention des Newsletters ist das Teilen meiner Freude über Technik und das Wecken einer
Begeisterung für den automotiven Bereich. Nebenbei wird über den ein oder anderen interessanten Zusammenhang aufgeklärt. Weiterhin versuche ich, die Empfehlungen allgemeingültig für
alle Automobilfahrer zu formulieren. Obwohl ich mit den Blogartikeln nicht die Absicht habe,
Reklame zu machen, können in den Nachrichten einige Abschnitte als Werbung klassifiziert
werden.
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Beschleunigung
4
Formelzeichen
Symbol
Einheit
h i
Beschreibung
h i
Beschleunigung
rad
s2
α
m
s2
a
F
h
m
t
v
h
Kraft
h i
Gravitations- oder Erdbeschleunigung
[kg]
Masse
m
s2
g
M
kg m
s2
i
Winkelbeschleunigung
kg m
s3
i
2
[s]
m s
Moment
Zeit
Geschwindigkeit
1 Beschleunigung
1.1 Physikalische Beschreibung
Solange keine äußere Kraft auf ein ruhendes Objekt einwirkt, wird es in seinem gegenwärtigen Zustand verharren. Diese Eigenschaft nennt man Trägheit. Existiert eine solche
äußere Krafteinwirkung, wird sie dazu beitragen, dass der Körper eine Beschleunigung
erfährt. Somit ist die Beschleunigung in der Physik eine1 Auswirkung der Antriebskraft
(Ursache) auf Objekte (Vermittler ).
Die zu erwartende Beschleunigung hängt von der Höhe der wirkenden Kraft und der
Masse des Körpers ab, auf den diese wirkt. Festgehalten ist dieser Zusammenhang im
zweiten Newtonschen Gesetz. In der bekannten Form von Gl. 1.1 hat sie zuerst Euler
im Jahr 1750 aufgeschrieben. Je größer die Masse, desto weniger Beschleunigung erfährt
das Objekt bei gleich großer äußerer Kraft.
~F = m ·~a
(1.1)
Die Beschleunigung ist die Ableitung oder zeitliche Änderung der Geschwindigkeit, die
ihrerseits die zeitliche Änderung der Position ist. Leitet man die Beschleunigung weiter
nach der Zeit ab, erhält man die dritte Ableitung des Ortsvektors, der Ruck genannt
1
Eine andere Auswirkung wäre zum Beispiel die Verformung.
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Beschleunigung
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wird. Der Ruck spielt zum Beispiel im Zeitpunkt des Anfahrens eine Bedeutung, wenn die
Beschleunigung initial einsetzt oder kann anhand von einer Bremsung erläutert werden,
die zunächst gemächlich, aber dann immer intensiver ausgeführt wird. Der Ruck ist eine
Größe um diese Änderungen der Beschleunigung zu beschreiben. Eine vierte Ableitung
des Ortes ist nach den Gesetzen der Newtonschen Mechanik nicht sinnvoll, wird aber
häufig benutzt, um Lehrlinge aufs Korn zu nehmen. Spaßeshalber wird diese Ableitung
dann als „Wupptizität“ bezeichnet.
Unausgeglichene äußere Kräfte führen zu Beschleunigung, die wiederum zu veränderter
Dynamik führt. Beispielsweise ist die Kräftebilanz in Längsrichtung nicht ausgeglichen,
wenn die Vortriebskraft eines Motors die Haft-, Roll- und aerodynamischen Reibungskräfte
eines Fahrzeugs übersteigt. Dieses Ungleichgewicht führt zu einer Beschleunigung aus
der gegenwärtigen Geschwindigkeit. Das Fahrzeug fährt an oder wird schneller. Nicht
ausgeglichene Bilanzen, sei es in Quer-, Längs-, Vertikal- oder Drehrichtung führen stets
zu einer veränderten Bewegung.
1.2 Erdbeschleunigung
Zur Veranschaulichung wird häufig mit dem Äquivalent der Erdbeschleunigung2 gerechnet.
Die Schwerebeschleunigung ist der Ausdruck der Anziehungskraft zweier massebehafteter
Körper in Abhängigkeit der Distanz ihrer Schwerpunkte. Deshalb sinkt mit zunehmender
Höhe die Erdbeschleunigung um etwa 3 µm s-2 pro gestiegenem Meter3 . Da sich der
Abstand zwischen Erdkern und Bauchnabel, der repräsentativ als menschlicher Schwerpunkt herhält, sich jedoch in der Regel nicht ändert, kann der wahrnehmbare Wert für
Menschen als konstant angenommen werden.
Auf der Oberfläche am Äquator beträgt der Wert ungefähr 9,78 m s-2 . An den Polen
ist der Wert höher, da die Erde die Form eines Rotationsellipsoids4 besitzt. Der Abstand
zum Gravitationszentrum ist dort um circa 10 km geringer5 und der Wert beträgt etwas
mehr als 9,83 m s-2 . In Mitteleuropa liegt die Erdbeschleunigung auf dem Niveau der
Normalfallbeschleunigung bei 9,80665 m s-2 . Das ist der Standardwert, der für kurze
Rechenbeispiele verwendet wird. Das Standardmaß wird zu Vergleichszwecken mit dem
Symbol g abgekürzt.
2
Die Erdbeschleunigung bezeichnet die Schwerebeschleunigung zwischen der Erde und einem zweiten
Objekt, deren Masse gegenüber der Erde vernachlässigbar klein ist.
3
Beziehung ist nichtlinear, Faktor gilt nur für erdnahe Objekte bis etwa 1.000 km Höhe.
4
Kugel, die durch Eigenrotation die Pole abplattet und den Durchmesser am Äquator vergrößert.
5
Zusätzlich hängt die Erdbeschleunigung von den Dichten der verschiedenen Mantelmaterialien ab,
welche im Erdinneren nicht komplett gleich verteilt sind - Stichwort: Schwereanomalien.
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Beschleunigung
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Diese Unterschiede bedeuten für einen Standard-Menschen aus Deutschland, der 70 kg
wiegt, dass er am Nordpol 182 g schwerer und am Äquator 188 g leichter ist6 . Würde man
jedoch auf einen Mount Everest-großen Berg am Nordpol steigen, würde die Höhenwirkung
das zusätzliche Gewicht kompensieren und man hätte wieder „Normalgewicht“.
Obwohl die Erdbeschleunigung beständig auf uns einwirkt, bewegen wir uns nicht
spürbar von der Stelle. Der Grund dafür ist ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis am
Boden unserer Füße. Der Mensch bewegt sich als Objekt auf einer Kreisbahn um den
Erdmittelpunkt. In Bild 1.1 entspricht der Zentripetalkraft die Gravitationskraft, also der
äußeren Kraft, die auf den Körper wirkt und ihn ins Zentrum zu versuchen zieht. Auch im
scheinbaren Stillstand wirken auf den Menschen mehrere entgegengesetzte Kräfte. Durch
die Erdrotation erfährt jedes Objekt eine Zentrifugalkraft (Fliehkraft). Diese beträgt
an der Erdoberfläche nur 0,034 m s-2 , also drei Tausendstel der Gravitationskraft und
genügt nicht, um einen Menschen von der Erde abheben zu lassen. Erst in einer Höhe
von circa 36.000 km ermöglicht die Fliehkraft7 geosynchron stationierten Satelliten, ihre
Umlaufbahn zu halten.
~v
~FZentrifugal ,~aZentrifugal
b
Objekt
~FZentripetal ,~aZentripetal
+
D
Bild 1.1: Beständige Kreisbahn eines Körpers und wirkende Kräfte
Das Kräftegleichgewicht an den Füßen wird durch die elektromagnetische Wechselwirkung, neben der Gravitationskraft, einer der vier Grundkräfte der Physik, komplettiert. Im
Gegensatz zu Gasen bringt einem der Festkörper genügend Widerstandskraft entgegen,
damit man nicht in den Boden sinkt. Dieser Widerstand begründet sich aus der mikroskopischen Verschiebung von geladenen Teilchen, die durch die Gewichtskraft verursacht wird.
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Voraussetzung: Benutzung der identischen Waage für die Messungen.
Wie weiter oben angemerkt, sinkt mit zunehmender Höhe auch die Gravitationskraft (Nichtlinearer
Zusammenhang).
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Beschleunigung
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Die strukturelle Verschiebung der Teilchen führt zu einer heftigen Gegenspannung. Die
Wechselwirkung von so wenigen Atomen und Molekülen ist um 30. . .40 Dekaden stärker
als die Anziehungskraft, die aus dem Gesamtgewicht des ganzen Planeten resultiert und
verhindert so, dass man selbst nach einem Sprung nicht bis zum Erdkern durchfällt,
sondern auf der obersten Schicht des Erdkruste gebremst wird. Ebenfalls anschaulich
ist der gravitative Kräfteausgleich am Beispiel der Büroklammer, die bereits mit einem
daumengroßen Magneten in der Schwebe gehalten werden kann.
1.3 Beschleunigungen im Fahrzeug
Im Alltag sind Menschen an eine Belastung von 1 g in vertikaler Richtung gewöhnt. In
Längs- und Querrichtung beträgt die Beschleunigung im Normalfall 0 g. Änderungen
von diesen Werten werden nur durch den Einfluss äußerer Kräfte auf das System Körper
wahrgenommen. Körpereigene Beschleunigungen, wie zum Beispiel nach dem Startschuss
zum 100 m-Lauf, können nicht wahrgenommen werden, da sie nicht von außen wirken.
Die Folge einer Längsbeschleunigung von 1 g kann man mit der Anstrengung vergleichen,
die notwendig ist, um einen Liegestütz in horizontaler Lage zu halten. Die Wirkung von
2 g entspricht dann einem in horizontaler Lage gehaltenen Liegestützes zuzüglich eines
Gewichts, das zum Beispiel durch einen auf dem Rücken sitzenden Trainers aufgebracht
werden kann.
Eine Beschleunigung von 1 g bedeutet, dass an der Grenzfläche des Körpers eine
Kraft wirkt, die den gleichen Betrag wie die eigene Gewichtskraft aufweist. Man spürt
diese Kraft, da die meisten Bestandteile des Körpers sich zusammenstauchen lassen und
man sich intuitiv gegen dieses Zusammendrücken mit Muskelkraft wehren kann. Aus
physikalischer Sicht ist das nicht notwendig, wenn man durch Sitzbegrenzungen in seiner
Position gehalten wird, aber aus gesundheitlicher Sicht können Organe und Gallertkörper
nur bis zu einem gewissen Grad komprimiert werden, bevor sie Schaden nehmen. Zusätzlich
wird Blut aus dünnen, komprimierten Adern gepresst und verhindert die lebenswichtige
Versorgung der Organe. Die ertragbare Schwelle liegt für untrainierte Menschen bei circa
4 g, bevor die Anstrengungen zur Bewusstlosigkeit8 führen. Trainierte Sportler können
Belastungen von bis zu 9 g aushalten. Es gibt auch Angaben von Belastungsschwellen von
über 100 g. Diese sind aber nicht repräsentativ, da die überlebten Belastungen impulsiver
Natur sind und nur wenige Millisekunden andauerten9 . Die Angaben für 4. . .9 g gelten
für eine Belastungsdauer von 3. . .5 s.
8
Bereits ab 2. . .3 g beginnen Effekte, die man durch Muskelkraft nicht kompensieren kann. Beispielsweise
bewirken Hautfalten, die nicht unter der Kontrolle der Muskeln stehen, ungewöhnliche Gesichtszüge
bis hin zu Einengungen des Sichtbildes.
9
Die Erträglichkeit von derart hohen Impulsen wird unter dem Stichwort Schockresistenz beschrieben
und ist unter anderem auch für die Stabilität von Festplatten ein essentieller Faktor.
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Beschleunigung
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Durch die Beschleunigung wird der Trägheitszustand verändert. Im Fahrzeug entsteht
eine Dissonanz zwischen dem bereits bewegten Automobil und dem noch in seiner
Trägheit verharrenden Fahrgast, der erst durch die mechanische Begrenzung der Sitzschale
mitgerissen wird. Auch hier existiert ein Kräftegleichgewicht. Der Kraft (F), die sich
aus Körpergewicht (m) und Fahrzeugbeschleunigung (a, siehe Gl. 1.1) ergibt, wird
durch den Zusammenhalt des Sitzmaterials überlagert. Diese entgegengesetzte Kraft der
zusammengestauchten Moleküle ist wieder die elektromagnetische Wechselwirkung, die
analog zum Beispiel der Erdbeschleunigung, um ein Vielfaches größer werden kann als die
Beschleunigungskraft. Im Endeffekt verhindert dieser Zusammenhalt, dass der Mensch
durch den Sitz nach hinten aus dem Fahrzeug herausgeschleudert wird.
1.3.1 Längsbeschleunigung im Fahrzeug
Die Längsbeschleunigung beschreibt jene Vorgänge, die aus dem Auge des Betrachters
nach vorn oder nach hinten gerichtet sind. Zum Beispiel sind damit das Anfahren oder
Bremsen auf Geraden gemeint.
Positive Längsbeschleunigungen beschreiben das Anfahren. Der Beschleunigungsvorgang ist durch die notwendige Kraftübertragung der Antriebsleistung auf die Straße
begrenzt. Bei zu starken Momenten an den Rädern drehen diese durch, verlieren die
Traktion und verhindern somit eine weitere Zugwirkung. Die maximal mögliche Beschleunigung wird durch die Reifenhaftung10 bestimmt und liegt ungefähr bei 1,2 g. Doch nur
Supersportwagen erreichen ansatzweise diesen Grenzwert und übertrumpfen damit sogar
Verkehrsflugzeuge, aber keine Kampfjets11 : Zum Beispiel benötigt der neu im März 2013
vorgestellte LaFerrari zur Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km h-2 weniger als 3 s.
Tabelle 1.1 listet auf, welche g-Kräfte in Längsrichtung auf den Fahrer unter Annahme
einer gleichbleibenden Beschleunigung einwirken. Als Vergleich dazu wird in der vorletzten
Zeile die standardisierte Beschleunigung des NEFZ12 mit aufgeführt. Als praxistauglicher
Wert listet die letzte Zeile ein eigenes Rechenbeispiel auf.
Die negative Längsbeschleunigung dagegen beschreibt das Bremsverhalten von Fahrzeugen bis hin zum Extremfall des Crash’. Die Bremsbeschleunigungen liegen in der
Regel wesentlich höher als die Anfahrbeschleunigungen, da sich das Bremsmanöver technisch einfacher und effektiver realisieren lässt. Bei Bremsungen spielt die Haftung der
Bremsbacken eine wichtige Rolle. Ist die Bremskraft zu stark führt das zur vollständigen
Haftung des Bremsklotzes auf der Bremsscheibe und somit zu blockierenden Rädern. Die
10
welche ihrerseits stark von den Wetterbedingungen abhängt
Gilt nur für den Katapultstart. Bei Vergleichsrennen zwischen Formel-1-Boliden und Kampfjets durch
Eigenantrieb siegt auf den ersten hundert Metern stets das Automobil.
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Neuer Europäischer Fahrzyklus
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1
Beschleunigung
9
Tab. 1.1: Vergleich von positiven Längsbeschleunigungsvorgängen
Szenario
t
a
km
h
[s]
[g]
0. . .100
0. . .200
0. . .300
100. . .200
200. . .300
<3
<7
15
≈4
≈8
≥ 0,94
≥ 0,81
0,57
≈ 0,71
≈ 0,35
NEFZ
0. . .50
26
0,05
Alltag
0. . .50
10
0,14
LaFerrari
LaFerrari
LaFerrari
LaFerrari
LaFerrari
h ∆v i
gewünschte Verzögerung war in dem Fall zu groß, um die Trägheit des sich bewegenden
Fahrzeugs abzufangen. Fortan wirkt nur noch die Gleitreibung zwischen der Reifenauflage
und dem Straßenbelag, die in vielen Fällen geringer ist als eine vergleichbare Reibkraft an
den Bremsbelägen. Den Flaschenhals bei der maximalen Verzögerung repräsentiert wieder
die Haftreibung der Reifen auf dem Asphalt, weshalb die maximale Bremsbeschleunigung
unter Ausnutzung von ABS13 -Systemen ebenfalls bei etwa 1,2 g gehalten werden kann.
Gegenüber Serien-Pkw werden in Formel-1-Wagen und Flugzeugen andere Bremssysteme und Reifen eingesetzt. Sie ermöglichen auf griffigem Untergrund weit höhere Werte
bei der Verzögerung. Ohne Aerodynamik wären auch bei Serienfahrzeugen nur maximale
Längsbeschleunigungen von 1 g möglich. Dadurch, dass die meiste anströmende Luft
über das Fahrzeug gelenkt wird, entsteht ein Überdruck oberhalb des Fahrzeugs, der
jenes auf die Straßenoberfläche presst (Anpressdruck). Dadurch erhöht sich die äquivalente Gewichtskraft, die, multipliziert mit dem konstant bleibenden Reibkoeffizienten, die
maximale Längsbeschleunigung einschränkt.
Zusätzlich erhöhen breite Reifen die Auflagefläche, sodass die Gewichtskraft auf
ein größeres Gebiet verteilt wird. Dadurch sinkt der ausgeübte Druck auf einzelne
Reifensegmente und infolgedessen wird die Haftreibung erst später überschritten14 . Bei
Formel-1-Wagen werden beide Prinzipien auf die Spitze getrieben: Bereits ab einer
Geschwindigkeit von circa 150 km h-1 erreicht das Äquivalent des Anpressdruckes mehr
als 1 g. Das heißt, bei diesem Tempo könnte ein Formel-1-Bolide kopfüber an der Decke
fahren. Aus diesem Grund erreichen diese Fahrzeuge eine maximale Bremsverzögerung
13
14
Anti-Blockiersystem
Breite Reifen führen mitnichten zu höheren Rollreibungsverlusten, da das hierfür entscheidende
Fahrzeuggewicht gleich bleibt. Ihnen kann höchstens erhöhte aerodynamische Reibung angelastet
werden. Die Zusatzmasse, die durch die Verbreiterung der Reifen entsteht, kann vernachlässigt
werden.
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Beschleunigung
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von bis zu 5 g. Das entspricht dem vierfachen einer alltäglichen Vollbremsung, weshalb
man eher von einem „Crash ohne Unfall“ oder einem „Ankerwerfen“ sprechen sollte.
Bei einem Frontalaufprall sind die g-Kräfte hoch, aber nur von sehr kurzer Dauer.
Der Verzögerungsweg entspricht in diesem Fall der Knautschzone, die beim Unfall
zusammengedrückt wurde. Nachfolgende Tabelle 1.2 zeigt verschiedene Szenarien eines
Auffahrunfalls und die jeweilige Belastung für die Fahrgäste, die sich aus g-Kraft und
Zeitdauer zusammensetzt. Die Bremsverzögerung wird als gleichbleibend über der Strecke
angenommen. Zeile 4 bezeichnet schon einen Grenzfall, da bei Geschwindigkeiten über
100 km h-1 die unbeschädigte Fahrgastzelle nicht mehr ausgeschlossen werden kann15 .
Die letzte Zeile listet einen Fall, in welchem sich die Knautschzone aus konstruktiven
Gründen weniger verbiegt und soll verdeutlichen wie wichtig es ist, dass sich auch bei
einem kleinen Aufprall die Energie durch möglichst großflächige Verformung aufgenommen
werden sollte, auch wenn das zu Lasten der Reparaturkosten geht.
Tab. 1.2: Vergleich von negativen Längsbeschleunigungsvorgängen
h v i Knautschzone
km
[m]
h
30
50
80
120
80
0,3
0,5
0,8
1,2
0,5
a
Wirkzeit
[g]
[ms]
11,8
19,7
31,5
47,2
50,4
72
72
72
72
45
1.3.2 Querbeschleunigung im Fahrzeug
Die Querbeschleunigung beschreibt jene Vorgänge, die aus dem Auge des Betrachters
zu beiden Seiten hin gerichtet sind. Zum Beispiel sind damit Kurvenfahrten oder starke
Windböen gemeint. Die maximale Querbeschleunigung ist abermals durch die Reibung des
Straßenbelags auf den Reifen gegeben und kann durch den Anpressdruck in gleicher Art
und Weise beeinflusst werden wie es für die Längsdynamik in Kapitel 1.3.1 beschrieben
wurde.
Die Querbeschleunigung lässt sich ebenfalls an Bild 1.1 beschreiben. Nun entspricht
die Zentrifugalkraft jener Kraft, die durch die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs in der
Kurve verursacht wird. Die Größe der austreibenden Kraft wird maßgeblich durch den
15
Darüber hinaus sind die Knautschzonen selten über 1 m lang. Die Frontpartie des Fahrzeugs wird auf
ein Mindestmaß bei maximaler Verformung verkürzt, verschwindet aber nicht gänzlich.
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Beschleunigung
11
Radius der Kurve und die Geschwindigkeit beeinflusst. Je kleiner der Radius bzw. je
größer die Geschwindigkeit, desto größer sind die zu ertragenden Kräfte. Die resultierende
Gegenkraft wird durch das Einlenken der Räder initiiert. Durch die Verstellung der Räder
in Richtung Kreismittelpunkt entsteht, unter Mitwirkung der trägen Fahrzeugmasse, eine
Scherkraft auf der Grenzfläche zwischen Reifenauflage und Straßenoberfläche, welche
entgegen der Zentrifugalkraft wirkt. Die Teilchen im Verbund des Gummis verschieben sich gegeneinander und verursachen abermals eine elektromagnetische Gegenkraft,
welcher dieser ungünstigen Verteilung von positiven und negativen (Mikro-)Ladungen
entgegenwirkt.
Gegen die nach außen hin zeigende Kraft, muss stets eine mindestens gleichwertige
Zentripetalkraft erzeugt werden, damit das Fahrzeug nicht aus der Kurve gerät. Der
ungewöhnliche Grenzfall des Gleichgewichts des Kräftepaars deutet sich manchmal, aber
nicht immer, mit einem Reifenquietschen an. Übersteigt die Zentrifugalkraft nur um eine
Nuance die einlenkende Kraft, bricht das Fahrzeug in der Regel zuerst mit dem Hinterteil
aus und gerät ins Schleudern. Fahrerassistenzsysteme, welche diese kritischen Umständen
verhindern, werden unter dem Kürzel ESC16 zusammengefasst17 .
Um die maximale Querbeschleunigung von 1,2 g beim Einsatz konventioneller Technik
in Kurvenfahrten, auch aus Sicherheitsgründen, in jedem Falle zu unterschreiten, werden
Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Straßenverkehrsordnung eingesetzt. Das Tempo
ist (fast) die einzige Größe, mit welcher der Fahrer die Querdynamik aktiv beeinflussen
kann, da der Radius der Kurve durch die Straßenführung und die maximale Reibkraft
durch den Querbeschleunigungskoeffizienten und die montierten Reifen vorgegeben sind.
Daher sollten Geschwindigkeitsbegrenzungen vor Kurveneinfahrten schon aus physikalischen Gründen noch ernster genommen werden als beispielsweise Begrenzungen auf
Autobahnkreuzungen, wo sie primär der Übersicht und Rücksicht dienen.
In der Formel-1 können, analog zur Aussage in Kapitel 1.3.1, durch die gesteigerte
Anpresskraft g-Kräfte in Querrichtung von bis zu 5 g auftreten. Man kann durch weitere
Maßnahmen g-Kräfte von bis zu 10 g erreichen! Beschleunigungen dieser Höhe treten
sonst nur noch für Piloten in Kampfjets und im Raumflug bei Slingshot-Manövern auf.
Zunächst werden im Rennsport extrem breite Reifen benutzt, die neben den bereits
erwähnten Vorteilen in der Kurvenfahrt die wirkende Scherkraft ebenfalls auf die vergrößerte Auflagefläche verteilen. Damit stehen mehr Teilchen zur Verfügung, die sich
quer verschieben können. Als anschauliches Beispiel kann man sich vorstellen, dass ein
16
17
electronic stability control, deutsch: elektronische Stabilitätskontrolle
ESP. . .Elektronisches Stabilitäts-Programm ist nur der Markenname der Daimler AG, die meisten
anderen Automobilhersteller besitzen ebenfalls ESC’s, aber mit anderen Abkürzungen.
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Beschleunigung
12
Autoreifen, den man versucht quer zu schieben, mehr Widerstand leistet als ein Fahrradreifen gleichen Durchmessers aber geringerer Breite. Andererseits ist es kaum möglich
einen einzelnen Reifen quer zu schieben, ohne in die Bedrängnis des Kippens zu kommen,
was die Verhältnismäßigkeit der Haftreibung gegenüber dem geringen Widerstand zum
Kippen verdeutlicht, selbst wenn man nicht an der oberen Kante sondern an der Radachse
schiebt.
Weiterhin wird der Radsturz verändert, und zwar so, dass die Räder geometrisch nach
innen zur Fahrzeugmitte gekippt sind. Diese Aktion vermindert zwar die Höchstgeschwindigkeit um einen kleinen Prozentsatz, dafür können engere Kurven mit Hochgeschwindigkeit durchfahren werden. Darüber hinaus ist ein von null verschiedener Radsturz im
normalen Straßenverkehr nicht ratsam, da die gekippte Radstellung eine unsymmetrische
Abnutzung an der Innen- oder Außenseite der Radschulter hervorruft. Abschließend werden
weichere Gummimischungen eingesetzt. Die ohnehin größere Menge an Teilchen können
näher aneinander gepresst werden, bevor der Reifen als Ganzes quer über den Asphalt
rutscht. Das hat zur Folge, dass mehr Seitenführungskräfte ausgehalten werden können,
aber die Langlebigkeit darunter leidet.
Die positiven Effekte des negativen Radsturzes oder einer Steilkurvenfahrt werden
anhand von Bild 1.2 und 1.4 erläutert18 . Als einführende Abstraktion wird zunächst das
Beispiel eines Fahrradfahrers herangezogen. Der Schwerpunkt des Fahrradfahrers befindet
sich stets in Verlängerung der Reifenlauffläche. In der Geradeausfahrt steht der Reifen
lotrecht auf dem Boden, sodass nur Kräfte in Vertikalrichtung existieren. Hier, wie für
alle folgende Fälle gilt, dass die Gewichtskraft, die vom Schwerpunkt ausgeht, durch eine
äquivalente Gegenkraft, die am Auflagepunkt der Räder wirkt, ins Gleichgewicht gebracht
wird. Wieder verhindern die inneren elektromagnetischen Wechselwirkungen im Boden,
dass das Vehikel einsinkt.
Würde in der Situation des aufrecht fahrenden Radlers eine Kraft seitlich wirken,
würde der Fahrer umfallen. Zwar kann die Kraft in Querrichtung durch die Reifen
kompensiert werden, aber der Grund für die Fallbewegung (Drehung) ist ein nicht
ausgeglichenes Kippmoment, dass sich aus der seitlichen Störkraft und dem Abstand
zwischen Schwerpunkt und Drehmittelpunkt bildet. Der Drehmittelpunkt ist in diesem
Fall der Auflagepunkt des Reifens auf der Erdoberfläche.
Für eine Richtungsänderung legt man sich als Fahrradfahrer intuitiv „in die Kurve“,
damit man der Fliehkraft entgegenwirkt. Die Kräftebilanz in der Vertikalen ist, wie bereits
diskutiert, ausgeglichen. Die Bilanz in der Waagerechten ist ebenfalls ausgeglichen, da
18
Es wird für alle Fälle angenommen, dass die Fliehkraft stets im Schwerpunkt des Vehikels angreift
und somit ein Ausbrechen des Hinterteils unmöglich macht.
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1
Beschleunigung
13
MKipp
MFall
S
FStör MAufricht
+
S
+
FFlieh
FGewicht
FGewicht
b
D
FHaft
FEM-Zusammenhalt
FStör , SD ; MKipp 6= 0 ; α 6= 0
FGewicht = FEM-Zusammenhalt ; aVertikal = 0
FStör = FHaft ; aHorizontal = 0
b
D
FHaft
FEM-Zusammenhalt
FFlieh , SDsenkrecht ; MAufricht . . .
FGewicht , SDwaagerecht ; MFall . . .
MAufricht = MFall ; α = 0
FGewicht = FEM-Zusammenhalt ; aVertikal = 0
FFlieh = FHaft ; aHorizontal = 0
Bild 1.2: Kräfte- und Momentenbilanzen im Querschnitt für (von links nach rechts) ein
Fahrrad bei Geradeausfahrt und ein Fahrrad in der Kurve
die Fliehkraft durch die Haftreibung der Lauffläche auf dem Boden abgefangen wird.
Die Fliehkraft bewirkt aber durch den Abstand ihres Angriffspunktes (im Schwerpunkt)
zum Boden zusätzlich ein Kippmoment, dass nur durch Verlagerung des Schwerpunktes ausgeglichen werden kann. Durch einen nun entstandenen waagerechten Abstand
vom Drehzentrum wird ein bewusstes Fallmoment produziert, sodass sich auch die Momentenbilanz im Gleichgewicht befindet. Durch erneute Schwerpunktverlagerung am
Kurvenausgang wird ein Ungleichgewicht eingestellt, um wieder in die aufrechte Position
zu gelangen, weshalb dieses (kurzzeitig dominierend wirkende) Kippmoment auch als
Aufstell- oder Aufrichtmoment bezeichnet wird.
Das besprochene Prinzip wird nun auf ein mehrspuriges Fahrzeug nach Bild 1.4
übertragen. Bei einer Kurvenfahrt werden, bedingt durch das Kippmoment, die FederDämpfer des Fahrwerks auf der Außenseite stark belastet und gestaucht - die Anpressung
auf die Straße steigt. Dagegen wird die Innenseite entlastet und gestreckt - die Anpressung
sinkt. In Grenzfällen19 verlieren die Räder auf der Innenseite annähernd die Bodenhaftung
und die gesamte Anpresskraft konzentriert sich auf die Räder der Außenseite.
19
Im Normalfall behalten die innen laufenden Reifen ihre Haftung, aber ihre Haftreibung entspricht nur
einem Bruchteil der an der Außenseite wirkende Kräfte.
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Beschleunigung
14
Analog zum in der Kurve liegenden Fahrradfahrer existiert durch den negativen Radsturz
ein „nach innen zur Fahrzeugmitte“ gerichtetes Fallmoment20 . Das bedeutet eine erhöhte
Widerstandswirkung gegenüber einem Kippen, da sich im Bedarfsfall die Reifen wie
Stützräder bei Kinderfahrrädern21 aufstellen. Selbst im extrem Fall des kompletten
Verlustes der inneren, einseitigen Bodenhaftung würde das Fahrzeug nicht überkippen.
Für dieses Szenario würde sich die Drehachse auf die Außenseite verlagern und durch
den nun unsymmetrisch liegenden Schwerpunkt ein Fallmoment erzeugen. Damit sich
ein Fahrzeug seitlich überschlägt, muss sich der Schwerpunkt über der Lotrechten der
Drehachse befinden. Dank der breiten Ausdehnung und des niedrig liegenden Schwerpunkts
eines Fahrzeugs ist das bei handelsüblichen Vehikeln quasi erst der Fall, wenn die Felgen
auf der an der Straßenoberfläche kratzen, wie Bild 1.3 verdeutlicht. Geschieht der
Übergang zur Kurvenfahrt jedoch ruckartig genug, beispielsweise wenn man durch schnelle
Lenkbewegung einem auf die Straße laufenden Kind ausweichen möchte, kann der Impuls
ausreichen, um das Fahrzeug über die Drehachse hinweg zu kippen. Ein noch immer
präsentes Beispiel dafür ist der Mercedes-Benz A-Klasse, der in seiner Urform einen
sehr hoch liegenden Schwerpunkt besaß, sodass er im „Elchtest“ durchfiel, aber auf der
anderen Seite Anstoß gab, um ESC’s zu entwickeln.
Bild 1.3: Beinah gekippter BMW, bei dem der Schwerpunkt in Geradeausfahrt in fast
lotrechter Verbindung zur Auflage der Reifenkanten liegt [Jazyk, 2011]
Nun befindet sich ein Fahrzeug, dank der beidseitigen Ausstattung von Feder-DämpferPaketen, in leichter Schieflage bei der Kurvenfahrt. Dieses zugelassene geringfügige
Kippen tritt auch im üblichen Straßenverkehr auf. Im Rennsport ermöglicht dieser Effekt
allerdings in Verbindung mit dem negativem Radsturz das Abfangen immer höherer
Kurvenkräfte. Je weiter sich das Fahrzeug nach außen lehnt, desto mehr sind die Reifen
20
Fahrzeuge ohne Fallmoment haben ihren Schwerpunkt auch zwischen den Reifen, weshalb ein Überkippen verhindert wird. Die Fliehkräfte müssen aber komplett durch die Seitenführungskräfte der
Räder aufgenommen werden, weshalb diese im Ernstfall nach außen wegzubrechen drohen.
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bei denen die Stützräder auch nach innen gekippt sind, bzw. die Achsen so nach oben gebogen sind,
sodass maximal nur eines der beiden Stützräder aufliegt.
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Beschleunigung
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aufgestellt und stellen ihre volle Lauffläche als Kontaktzone zur Verfügung. In den
äußeren Reifen müssen die Teilchen somit erst innerlich verspannen, welche Ausdruck
der scherenden Haftreibungskräfte sind, wenn das Kippmoment groß genug ist, um eine
deutliche Verlagerung der Haftkräfte zu bewirken. Dieses gewissermaßen sequentielle
Kompensieren der nach außen wirkenden Kräfte hat zum Ergebnis, dass die maximal
ertragbare Querbeschleunigung nach oben verschoben wird.
MKipp MFall
S + FFlieh
FGew.
b
FHaft
D F
EM-Zusammenhalt
vernachlässigbare Haftung
FFlieh , SDsenkrecht ; MKipp . . .
FGewicht , SDwaagerecht ; MFall . . .
MKipp = MFall ; α = 0
FGewicht = FEM-Zusammenhalt ; aVertikal = 0
FFlieh = FHaft ; aHorizontal = 0
y
FFlieh
x
FHaft,1
FHang
S+
FNorm.
FEM-Zusammenhalt,1
FHaft,2
FGewicht
Neigungswinkel
FEM-Zusammenhalt,2
FGewicht ; FHang , FNorm . . .
FNorm = FEM-Zusammenhalt,1+2 ; aVertikal,gekippt = 0
FFlieh = FHang + FHaft,1+2 ; aHorizontal,gekippt = 0
Bild 1.4: Kräfte- und Momentenbilanzen im Querschnitt für (von oben nach unten) ein
Kfz mit negativem Radsturz in Kurvenfahrt und einem Kfz in einer Steilkurve
Für den Fall der Steilkurve22 wird die Fliehkraft durch die Schrägstellung der Fahrbahn
ausgeglichen. Die Gewichtskraft lässt sich in zwei, jeweils senkrecht aufeinander stehende
und achsenparallele Bestandteile aufteilen. In negativer y-Richtung wirkt die Normalkraft
22
Momentenbilanz hier nicht aufgestellt, da beide Räder auf der Straße aufliegen und das Kippmoment
höchstens groß genug ist, um eine unsymmetrische Feder-Dämpfer-Situation hervorzurufen.
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Beschleunigung
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und in negativer x-Richtung die Hangabtriebskraft, die ein zum Tal gewandtes, stehendes
Fahrzeug zum Hinabrollen zwingt. Die Fliehkraft wird also neben der bekannten Haftreibung, die durch den Kurveneinschlag bedingt ist, zusätzlich durch die Hangabtriebskraft,
die durch die Schrägstellung der Ebene bedingt ist, kompensiert. Entscheidend ist hier,
dass die Hangabtriebskraft die Reifen entlastet, da sie direkt die nach außen treibende
Kraft vermindert und nicht durch die Scherkräfte am Reifen aufgenommen werden muss.
Die in den letzten Absätzen genannten Phänomene können stets nur greifen, wenn
die maximale Gegenkraft zur Fliehkraft auch an den Reifen aufgenommen werden kann.
Wird die Haftungsgrenze überschritten, ist ein Ausgleiten aus der Kurve unausweichlich,
ganz gleich wie schräg die Reifen gestellt sind oder wie steil die Kurvenebene23 ist. Durch
die Konzentration der Kräfte auf einer Spurseite können die maximalen Grenzen eher
überschritten werden als wenn die Belastung auf alle Räder des Vehikels gleichmäßig
aufgeteilt ist. Das ist auch ein Grund, warum man sich als Fahrer intuitiv nach innen
lehnt, um dem wirkenden Kippmoment, dass für eine Disharmonie der Kräfteverteilung
sorgt, entgegenzuwirken und den Schwerpunkt, analog zum Fahrradfahrer in Kurvenfahrt,
mehr in Richtung Innenseite legt.
Einen Spezialfall bilden GoKarts. Da diese üblicherweise kein Differentialgetriebe24
besitzen, muss, bei Auflage aller Räder, in der Kurvenfahrt ein Hinterrad gleiten. Das
führt zu einer erhöhten Neigung zum Rutschen und Übersteuern. Wenn man nun durch
geschickte Gewichtsverlagerung aber das Fahrzeug dazu bewegt, eine Spur zu entlasten,
entfällt der bremsende Effekt von schlitternden Reifen und Kurven können schneller
durchfahren werden. Da die äußeren Räder bereits höher belastet sind als die inneren,
sollte man sich daher nach außen lehnen, um die Haftreibung der inneren Räder minimal
zu halten. Wie weit sich dieser Mechanismus treiben lässt ist abhängig von der maximal
ertragbaren Haftreibung, auch Grip genannt.
Bei genügend großer Geschwindigkeit kann man auch aus einer 89,9◦ aufgestellten Kurve geschleudert
werden. Für den Grenzfall, dass die Ebene 90◦ zur Bodenfläche aufgestellt ist, fährt man auf einer
inneren Zylinderwand. In diesem Fall findet keine Kurvenfahrt mehr statt, sodass man auch nicht
hinausgetragen werden kann! Vergleiche Bild 1.2: Würde der Radfahrer hypothetisch auf der Straße
liegend eine Kurve fahren können, bestünde kein senkrechter Abstand mehr zwischen Schwerpunkt
und Drehpunkt. Somit kann sich kein Kippmoment ausbilden.
24
Das Differential sorgt für unterschiedliche Rotationsgeschwindigkeiten, da die Räder auf der Innenseite
einen kleinen Weg als die Außenräder in der Kurvenfahrt zurücklegen müssen.
23
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Beschleunigung
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1.3.3 Vertikalbeschleunigung im Fahrzeug
Die Vertikalbeschleunigung beschreibt jene Vorgänge, die aus dem Auge des Betrachters
nach oben oder nach unten gerichtet sind. Zum Beispiel sind damit Fahrten über
Bergkuppen oder durch Talkessel gemeint. Während der Tal- oder Bergfahrt sind die
Vertikalbeschleunigungen null, denn die Sink- oder Steiggeschwindigkeiten ändern sich
idealerweise nicht. Ein Vergleich mit einem Personenaufzug als Beispiel zeigt: Nur das
Anfahren oder das Abbremsen wird von den Fahrgästen bemerkt, jedoch nicht die Fahrt
zwischen diesen Zuständen.
Bei einer Steilkurvenfahrt empfindet man Vertikalbeschleunigungen. Obwohl die Fliehkraft quer zur Fahrzeugebene wirkt, ließe sich diese in zwei Bestandteile aufsplitten,
welche in die nominalen (absolute Waagerechte und Senkrechte) Richtungen zeigen.
Anhand von Bild 1.4 zeigt sich, dass ein Anteil, abhängig von dem Neigungswinkel der
Kurve, tendenziell in Richtung Boden zeigt. Dieser Kraftanteil hat zur Folge, dass man
als Fahrgast mit dem gesamten Fahrzeug, analog zur aerodynamischen Anpresskraft,
zusätzlich auf die Fahrbahnoberfläche gedrückt wird.
Weitere vertikale g-Kräfte im Fahrzeug sind vernachlässigbar klein und oftmals nur
spürbar, wenn eine Bergfahrt abrupt in eine Talfahrt übergeht und umgekehrt. Zusätzlich
werden die Vertikalkräfte durch die Feder-Dämpfer-Pakete im Fahrzeug entkräftet, welche
tendenziell nur in dieser Ausrichtung wirken.
Zur Größenvorstellung wird daher auf ein nicht bodenständiges Vehikel eingegangen dem Space Shuttle. Um die Schwerkraft zu überwinden und senkrecht zu starten, müssen
die Triebwerke, wie ein Mensch, der zum Sprung ansetzt, eine gerichtete Kraft erzeugen,
welche größer als 1 g ist. Der Startvorgang ist in zwei Phasen unterteilt. Zunächst
brennen die 3 Haupttriebwerke des Space Shuttle und die Hilfsantriebe (Feststoffbooster)
für 2 min. Danach erfolgt der Abwurf der Feststoffbooster und ein weiteres Brennen der
3 Haupttriebwerke für 6 min 30 s.
Während der ersten zwei Minuten beschleunigt das System auf circa 4.800 km h-1
(1.333 km s-1 ). Zu diesem Zeitpunkt werden die Feststoffbooster abgeworfen und das
Gesamtsystem hat bereits fast 2 Millionen Liter flüssigen Sauerstoff und Wasserstoff
verbraucht. Nach insgesamt 8 min 30 s werden ebenfalls die Haupttriebwerke abgeschaltet,
da der Vorrat von fast 1.600 t Treibstoff aufgebraucht ist. Das Space Shuttle fliegt jetzt
in einer stabilen erdnahen Umlaufbahn mit einer Geschwindigkeit von 8 km s-1 . Unter der
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3
Witziges am Rande
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Annahme der gleichbleibenden Beschleunigung beträgt die Belastung der Insassen25 in
der ersten Phase lediglich 1,13 g und während der zweiten Phase 1,74 g.
Im Hinblick auf Nr. 12 wird hier angemerkt, dass bei einem Raumflug-Start, trotz der
großen Mengen an sichtbarer Wolkenbildung, die mehrheitlich von den Feststoffboostern
verursacht werden, keinerlei CO2 entsteht. Die Reaktionsprodukte der Treibstoffe bestehen
fast nur aus Wasserdampf und etwas Stickstoff. Weitere Elemente wie Aluminium oder
Chlor bringen den Nachthimmel, ähnlich wie zu Sylvester, in der Nähe von Startrampen
manchmal zum Leuchten.
2 Memos oder Thesen
• ~F = m ·~a
• Komponenten, die einen positiven Einfluss auf das dynamische Verhalten haben:
Radsturz, Reifenbreite, Gummimischung, Steilkurve, Aerodynamische Anpressung
3 Witziges am Rande
Motorengeräusche, besonders von leistungsstarken Fahrzeugen, sind für viele Autoliebhaber Musik in den Ohren. Dass zum Beispiel Formel-1-Motoren tatsächlich als Musikinstrument taugen, soll ein angehängtes Video zeigen, in dem ein Renault F1-Motor mit
10 Zylindern die Melodie von „God save the Queen“ intoniert.
25
Der zu erbringende Schub von den Triebwerken entspricht während der senkrechten Startphase den
angeführten Werten plus eins. Die Anschnallposition der Astronauten bedingt, dass die Belastungen
alle in Längsrichtung wahrgenommen werden.
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Literatur
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Literatur
[Jazyk 2011] Jazyk, H.: Stuntmen aus Grevenbroich. 2011. – URL http://www.n
gz-online.de/
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