Im Moskauer «Metropol» stieg einst alles ab, was
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Im Moskauer «Metropol» stieg einst alles ab, was
NaTur / rEisE NaTur / rEisE Wie anno dazumal: die prachtvolle Réception. Fotos: Yuri Palmin, Dimitry Livshits, Sonja Hüssler (2) Die Lobby ist auch Treffpunkt für Politiker, der Rote Platz liegt ganz in der Nähe. Im JugendstilSpeisesaal gibt es schon zum Frühstück Lachs und Kaviar. KAVIAR MIT LENIN Im Moskauer «Metropol» stieg einst alles ab, was Rang und Namen hatte. Ein Schweizer will diese Zeiten wieder aufleben lassen. Text: Sonja Hüsler 18 TELE S amstag, 12 Uhr. Im Restaurant Savva ist kein einziger Tisch besetzt. Nur wir essen uns durch die Karte. Blini (Pfannkuchen) mit Kaviar, traditionelle russische Suppe, Borsch genannt, und Omul-Fisch vom Baikalsee. Draussen pulsiert das Leben. Das Bolschoi-Theater liegt gleich um die Ecke, der Rote Platz und Putins Schaltzentrale sind nur fünf Minuten entfernt. Dominique Godat prostet uns mit Wodka zu: «Nastrovje – auf die Verdauung.» Er kippt den Schnaps ex runter, à la russe. Wir schauen ihn erstaunt an. «Es lässt sich hier viel leichter geschäften, wenn man Antike Möbel und Gemälde: In der Executive Suite schläft sich’s geschichtsträchtig. die Spielregeln kennt.» Dazu gehört nebst Wodkatrinken auch, dass man Russisch spricht. Godard nimmt Unterricht. Seit August 2013 schwingt der 58-Jährige im Hotel Metropol das Zepter. Davor war er fast 17 Jahre lang Vize- bzw. Generaldirektor des berühmten Kulm Hotel in St. Moritz, eines der besten Häuser der Schweiz. Neugierde hat ihn in die russische Hauptstadt geführt und natürlich sein Leistungsausweis. Einst zählte das «Metropol» zu Moskaus Top-Adressen. In seiner über 110-jährigen Geschichte stieg jahrzehntelang ab, was Rang und Namen hatte: Königin Schweizer Hotelier in Moskau: Dominique Godat (58). Beatrix, damals noch Monarchin der Niederlande, der «King of Pop» Michael Jackson oder die unvergessliche Marlene Dietrich. Sogar der Zar ging ein und aus – und um 1917 fand ein historisches Ereignis statt, als Lenin von den Balkonen des Jugenstilgebäudes seine revolutionären Reden schwang. Doch der Ruhm der Vergangenheit ist seit Jahren von einer dicken Patina überzogen. Die Zimmer sind veraltet, und lange Zeit galt die Bar des «Metropol» als Treffpunkt des horizontalen Gewerbes. Damit ist nun Schluss. Umbaupläne liegen auf dem Tisch: Die Zimmer werden ab November vergrössert TELE 19 Natur / Reise Metropol damals und heute: Früher ging im noblen Haus selbst der Zar ein und aus. Hotel Metropol Nebst Dominique Godat ist noch ein anderer Schweizer dafür verantwortlich, dass es mit dem Hotel wieder bergauf geht: Michel Rey, langjähriger Direktor des berühmten Zürcher 5-SterneHotels Baur au Lac, waltet als VR-Präsident. Ab Mai 2017 soll die erste Etappe der neuen, grösseren Zimmer bereit sein. Doppelzimmer ab ca. Fr. 230.– inkl. Frühstück (metropol-moscow.ru/en). Spezialist Viele Reisende setzen vor Ort aufgrund der massiven Sprachbarriere auf organisierte Pauschalreisen und/oder auf eine deutschsprachige Reiseleitung. Kira Reisen aus Windisch hat sich auf Osteuropa spezialisiert und bietet viertägige Moskau-Trips an mit drei Übernachtungen im DZ im Hotel Metropol inklusive Flug: ab Fr. 615.–/Person (www.kiratravel.ch; 056 200 19 00). Aktuelle Situation Auf der Website des auswärtigen Amtes www.eda. admin.ch lassen sich Reisehinweise für Russland abchecken. Einschätzung Christian Rothenfluh von Kira Reisen ist optimistisch, dass sich die Situation in Moskau noch weiter entspannen wird. Es sei keine akute Bedrohung mehr vorhanden, das Ganze sei vielmehr «eine Sympathie-Angelegenheit». Adressen Gastronomie und Bars können ohne weiteres mit New York mithalten – sofern man die richtigen Adressen kennt. Darum ist eine fundierte Vorbereitung oder Reiseberatung das A und O. Moskau 20 TELE RUSSLAND Fotos: Igor Uranov, PD Wissenswertes und moderne Bäder eingebaut. Die Stadtregierung hat grünes Licht gegeben: Bald legen also die Handwerker im denkmalgeschützten «Metropol» Hand an, damit die Infrastruktur wieder mit jener des nahen «Park Hyatt» und des «RitzCarlton» mithalten kann. Godat ist zugleich seit drei Jahren damit betraut, das geschichtsträchtige Haus wieder an die Weltspitze heranzuführen. Mit seiner bestimmten, aber charmanten Art bringt er der russischen Equipe bei, was er schon in St. Moritz mit Bravour erreicht hat: Dienstleistung und Gastfreundschaft in höchster Vollendung zu zelebrieren. Seine 400 russischen Mitarbeiter seien begeistert vom Konzept: «Die Leute sind stolz, im einst bedeutendsten Hotel der Stadt arbeiten zu können. Das Ziel ist, gemeinsam wieder die Nummer eins zu werden.» Viel fehlt nicht mehr. Das «Metropol» rangiert auf der Online- Reiseplattform Tripadvisor zurzeit auf Platz 11 von 285. Nach der Krim-Annexion durch Russland liessen die Besucherströme aus Europa kurzfristig nach. Auch Schweizer Touristen trauten sich nicht mehr so viele nach Moskau wie noch vor drei Jahren. Dabei ist die Ukraine 1500 km entfernt, etwa 10 Zug-Stunden. Zudem ist der Rubel noch immer günstig zu haben: So preiswert konnte man schon lange nicht mehr in Moskau übernachten. «Erfreulicherweise hat sich die Situation inzwischen wieder beruhigt», sagt Dominique Godat, «in den ersten sechs Monaten logierten 17% mehr Schweizer Gäste bei uns als noch im Vorjahr.» Sie werden die exquisiten Blini bestimmt genossen haben. T Mythos Moskau Reportage Metropole im Wandel Samstag, 13. August, 13.15, MDR