Jeremy Bentham - wissen bloggt
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Jeremy Bentham - wissen bloggt
® Jeremy Utilitarismus Bentham: Die wenigsten kennen Jeremy Bentham und seine Thesen. Doch erst mal kurz seine Vita: Geboren in einem wohlhabenden Elternhaus am 17. Februar 1748 in Spitalfields, London, verstorben am 06.Juni 1832 ebenda. Er war Jurist, Philosoph und Sozialreformer. Bentham war der Begründer des „Utilitarismus“ also der Philosophie der Nützlichkeit und war auch der Kopf des politischen Arms, der English radicals. Seine Radikalität ging vielen seiner berühmten Zeitgenossen viel zu weit. Sogar Goethe echauffierte sich derart über ihn mit dem Zitat: Ein höchst radikaler Narr. In seinem Alter derart radikal zu sein, ist der Gipfel der Tollheit. Man darf nicht vergessen, es war die Zeit des Biedermeier und der Friede, Freude, Eierkuchen-Heimeligkeit. Da waren die Burschen noch Burschen und die Männer noch Männer. Die Frauen hatten gefälligst gehorsam, sittsam und zart zu sein und wehe wenn eine der Ladies aufmuckte! Und die Kirche hatte ihren wohlzementierten, angestammten Platz in der Gesellschaft. Selbst Karl Marx, dieser Tunichtgut an seiner Familie, man muss das einmal erwähnen, dass dieser Marx (nicht zu verwechseln mit dem Bischof Marx in Bayern), ein sehr schlechter und miserabler Ehemann und Vater war. Die Berufstätigkeit von Frauen war damals nicht so gern gesehen. Nur in den untersten Gesellschaftsschichten waren die Frauen gezwungen, für den Lebensunterhalt ihrer Familien zu arbeiten und das meistens mit 8 bis 12 Kindern im Durchschnitt, von denen eh die meisten starben aufgrund der miserablen Lebensverhältnisse. Gerade dieser Karl Marx schlenderte tagein und tagaus und jahrein und jahraus in den verschiedensten Caféhäusern und Kneipen der Stadt umher und kümmerte sich einen Dreck um seine Familie. Seine Frau musste arbeiten, aber das Geld reichte hinten und vorne nicht. Herrn Marx war das egal, Hauptsache er konnte sein „Kapital“ fertig schreiben. In der Zwischenzeit verhungerten mindestens 2 oder sogar noch mehr Kinder aus seiner Familie. Gerade dieser Ausbund an „treusorgender Vaterfürsorge“, sagte über Bentham: Wenn ich die Courage meines Freundes Heine hätte, würde ich Herrn Jeremias ein Genie der bürgerlichen Dummheit nennen. Fragt sich, wer ist hier der Dümmere? In Deutschland wurde Bentham besonders heftig angefeindet, wegen seiner kompromisslosen Radikalität, die den meisten miefigen Spießbürgern entschieden zu weit ging. Im postrevolutionären Frankreich 1792, wurde ihm mit anderen Berühmtheiten aus seiner Zeit wie: George Washington, Friedrich Schiller, Johann Friedrich Pestalozzi usw. die Ehrenstaatsbürgerschaft angetragen. In seiner Heimat Merry old England wurde er erst Anfang des 19. Jahrhunderts bekannter. Man fragt sich: Was verursachte bei seinen Zeitgenossen derart heftige Reaktionen? Was sogar einen Herrn von Goethe so ausflippen ließ, schließlich waren die beiden Herren im selben Alter. Er hatte, für die damalige Zeit, aber auch für unsere Zeit sehr fortschrittliche, absolut moderne Thesen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Allgemeine Wahlen Frauenstimmrecht Errichtung des modernen Wohlfahrtsstaates Tierrechte Abschaffung der Todesstrafe Legalisierung der Homosexualität Pressefreiheit Er war nicht nur ein Vordenker des Feminismus. Er trat auch für direkte Demokratie, Liberalismus und Laizismus ein. Er war ein radikaler und kompromissloser Atheist. Und das in einer Zeit, wo auch die hochgebildeten Honoratioren dem Klerus kräftig den Hintern puderten. Tja, der Mann hatte Mut und Rückgrat. In den feinen Salons der Zeit wurde zwar hochgestochen auf Französisch über die verschiedensten philosophischen Aspekte parliert, aber Konsequenzen zog man daraus nicht. Es lebte sich doch so bequem und es verursachte den feinen Herrschaften immer wieder einen Schauder, der über den voll gepuderten Rücken lief, wenn sie radikale Ansichten diskutierten. Bentham kritisierte auch scharf die französische Menschenrechtserklärung und war sehr enttäuscht, dass einige seiner Thesen nicht einbezogen wurden. Wenn man sich einmal anschaut, was im revolutionären Frankreich ablief, dann kann man ihm im Nachhinein nur Recht geben. Die später berühmtesten Köpfe der großen Revolution in Frankreich waren Georges Danton, Antoine St. Just, Jean-Paul Marat. Diese Männer haben sich damals in England aufgehalten und waren fleißige Zuhörer und auch Anhänger von Bentham. Besonders Georges Danton war angetan von seinen Thesen. Aber wie die Geschichte zeigt, wurden er und seine Anhänger von Robespierre gestürzt. Selbst den radikalen Jakobinern in Paris gingen sie zu weit. Außerdem konnten sie von einem derart verklemmten Frauenhasser wie Robespierre nicht erwarten, dass dieser Gnom für den Feminismus eintrat. Er trat auch für Wucherzinsen ein und lieferte Argumente für den legitimen Einsatz der Folter. Für diese beiden letztgenannten Punkte, wurde er scharf angegriffen. Die Ehtik von Bentham kann man folgendermaßen definieren: Das größte Glück der größten Zahl – greatest happiness principle. Eine Handlung bewertet sich demnach allein nach ihren sozialen Folgen. Eine Handlung ist moralisch richtig, wenn Allgemeinheit (bzw. der größten Zahl) nützt. sie der Eine Handlung erweist sich als moralisch falsch, wenn sie der Allgemeinheit schadet. In diesem Sinn ist die utilitaristische Ethik eine Konsequenzethik, d. h. innere Beweggründe spielen für die Bewertung einer Handlung keine Rolle. Als logische Konsequenz dieser Ethik, forderte er Rechtsgleichheit und zwar für alle Gesellschaftsschichten. Ich persönlich finde dieses Prinzip richtig und kann daran absolut nichts Verwerfliches sehen. In der damaligen Zeit war dies natürlich ungeheuerlich. Sägte es doch an den Stützen der Gesellschaft und stellte somit die „sogenannte Gott gewollte Ordnung“ in Frage. Bentham war auch radikaler Atheist und stellte alles in Frage was mit dem Glauben zu tun hat. Man könnte ihn wie Kant als Anthropozentriker bezeichnen. Hier übrigens eine interessante Aussage über die Tierrechte, die er so vehement auch verteidigte: Der Tag wird vielleicht kommen, an dem der Rest der belebten Schöpfung jene Rechte erwerben wird, die ihm von der Hand der Tyrannei vorenthalten werden konnten. (Anmerkung von der Autorin: Da soll mir bloß keiner kommen und sagen, die Christen hätten auch den Tierschutz propagiert und wir hätten doch unseren Franzl von Assisi. Natürlich habt ihr den, aber dieser Mann war eine rühmliche Ausnahme. Ansonsten steht doch in der Bibel: Macht die Erde euch untertan. Wie sie das wörtlich auslegten, sieht man an den katastrophalen Ergebnissen) Weiter in seiner Aussage: Die Franzosen haben bereits entdeckt, dass die Schwärze der Haut, kein Grund ist, ein menschliches Wesen hilflos der miesen Laune eines Peinigers auszuliefern. Vielleicht wird eines Tages erkannt werden, dass die Anzahl der Beine, die Behaarung der Haut und die Endung des Kreuzbeines ebenso wenig Gründe dafür sind, ein empfindendes Wesen diesem Schicksal zu überlassen. Was sonst sollte die Fähigkeit des Verstandes oder die Fähigkeit der Rede? Ein voll ausgewachsenes Pferd aber oder ein Hund ist unvergleichlich verständiger und mitteilsamer als ein einen Tag oder eine Woche alter Säugling. Doch selbst wenn es anders wäre, was würde das ausmachen? Die Frage ist nicht: Können sie verständig sprechen oder: Können sie verständig denken? Sondern: Können sie leiden? Diese letzte Frage kann man sicher mit einem großen JA beantworten. Insofern waren seine Thesen in seiner Zeit ein geistiger IMPACT und zwar im positiven Sinne. Auch wenn seine Zeitgenossen sich kräftig das Maul zerrissen haben, ändert es doch nichts an seiner Aktualität. Bentham war und ist cool, um es mal in unserem Zeitjargon auszudrücken. Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Hingerichtet (2) Es hat wahrscheinlich niemals in der Geschichte der Menschheit eine Zeit gegeben, in der nicht Menschen Menschen Böses antaten. Im Überlebenskampf der Spezies Mensch muss Verbrechen eine der möglichen Strategien sein, die zum Erfolg führt, sonst gäbe es keine Verbrechen. Keine Zivilisation, keine Kultur und auch keine Religion haben jemals etwas daran ändern können: Verbrechen gab es schon immer und vermutlich wird es immer Verbrechen geben. Gewandelt hat sich die Art und Weise, wie die Gesellschaft auf Verbrechen reagiert. Ein großer Unterschied zu früher liegt bereits in der heutigen medialen Konfrontation mit dem Verbrechen, die es damals noch nicht in diesem Umfang gab. Grosse Untaten wie die des Massenmörders Hamann wurden auch ehemals schon breit in der Presse ausgewalzt, damit dem Publikum ein heiliger Schauer über den Rücken fuhr. Heute jedoch, im Zeitalter der schnelllebigen Informationsverkaufs tickert es sofort um die ganze Welt, wenn irgendetwas irgendwo passiert und sei es die geringste Nebensächlichkeit. Pardon, wenn ich es so ausdrücke: selbst wenn ein Waschbär in Kassel furzt und dann ein Eichhörnchen gekillt wird, oder wenn es noch so unsinnige und unwichtige Nachrichten sind. Es wird über alles berichtet und auch mächtig übertrieben. Wenn dann wirklich furchtbare und grausame Verbrechen geschehen, dann wird dies wochenlang in den Weltmedien aufgebauscht, dass es einen graust. Wir verfügen heute über ein Informationsspektrum, wie wir es noch nie in unserer Geschichte hatten. Doch zurück zur Reaktion der Gesellschaft auf kapitale Verbrechen. Was sind das für Menschen, die in den Todestrakten z. B. der USA sitzen? Es stimmt, die meisten haben gemordet oder waren an einem Mord beteiligt. Manche von ihnen haben mehrere Menschen auf dem Gewissen. Man muss auch erwähnen, dass manche Verbrechen so grausam sind, dass man sich zu Recht fragt: Wie soll man so einen Schwerverbrecher überhaupt in der menschlichen Gemeinschaft belassen? Falls so ein Unhold wieder frei kommt, besteht da nicht Rückfallund Wiederholungsgefahr? Wie kann sich die Gesellschaft am besten nachhaltig vor solchen Unmenschen schützen, ohne selbst unmenschlich zu werden? Ist es inhuman, ihnen das Leben zu nehmen? Was soll man tun? Es ist zweifellos ein großer Fortschritt für den Humanismus, dass die Körperstrafen wie Folter und Züchtigung abgeschafft wurden. An vorderster Front kämpften die Humanisten für Menschlichkeit. Nicht aber die Kirche. Sie stellt lieber die Gefängnispfarrer, die sich um das „Seelenheil“ des Delinquenten kümmern, wenn es zum Galgen geht. Dies zeigt, dass sich Kirche nie vollständig vom Mittelalter gelöst hat. Einer der wichtigsten Gründe für die Abschaffung der Todesstrafe war nicht nur die mögliche Grausamkeit der Strafe als solche, sondern auch, um die Folgen von Fehlurteilen zu vermeiden. Es muss erwähnt werden, dass es immer wieder zur Hinrichtung von Unschuldigen kam. Auch nutz(t)en skrupellose Machthaber die Todesstrafe dazu, um unliebsame Gegner auszuschalten. Die Todesstrafe ist also auch ein furchtbares Machtinstrument und Druckmittel, um Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten. Beispiele gab es in der Vergangenheit und es gibt sie auch heute noch immer wieder. Es kommt häufig zu leidenschaftlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen um dieses Thema, dass immer wieder aufflammt und kein Ende findet, solange es die Todesstrafe auf der Welt gibt. Andererseits muss man auch die Seite des Opfers und seiner Hinterbliebenen betrachten, die auch ein Recht auf Sühne haben. Wie furchtbar ist es z. B. für eine Mutter oder einen Vater, wenn sie entweder eines ihrer Kinder oder ihr einziges Kind verlieren. auszuhalten. Der Schmerz ist unerträglich, nicht Da war doch dieser spektakuläre Fall der Marianne Bachmeier, dessen kleine achtjährige Tochter ermordet wurde. Der Mörder berichtete grinsend, wohlgemerkt grinsend, dem Richter den Tathergang und lachte dabei auch noch. Dass der Mutter und einigen im Gerichtssaal die Galle überlief, das war sehr wohl verständlich. Das Ende der Geschichte kennen wir alle. Die Mutter erschoss diesen Kerl. Sie genoss große Sympathien in der Bevölkerung. Sie hat es aber niemals verwunden. Frau Bachmeier wurde nach ein paar Jahren vom damaligen Bundespräsidenten von Weizsäcker begnadigt und verließ Deutschland. Nach einiger Zeit erkrankte sie an Krebs und starb daran. Wenn ich mir unsere Rechtsprechung anschaue, dann muss ich leider auch des Öfteren kotzen. Sorry für diesen Ausdruck. Aber leider ist es so. Man gewinnt den Eindruck, dass weder Gesetzgeber noch Richter in der Lage sind, Gerechtigkeit herbeizuführen. Wenn ein Dieb härter bestraft wird als ein Totschläger oder Vergewaltiger, dann frage ich mich: Habt ihr Richter noch alle Tassen im Schrank? Oder eine durchgeknallte Sozialpädagogin oder Psycho-Tante macht gemeinsame Sache mit einem gefährlichen Mehrfach-Killer. Noch dazu steht in der Zeitung dann die groß aufgemachte Story, dass sich diese Knall-Charge in den Killermops verliebt hat, weil er so schöne Kuschelaugen hatte und eine soooo schwere Kindheit durchlitt. So frei nach dem Motto: Der Hamster war aufsässig und die Katze war hochschwanger im Sozius Motorrad gefahren. So witzig wie das klingt, ich möchte da nur aufzeigen, dass diese Brüder um keine noch so blöde Ausrede verlegen sind, und diese Psycho-Knaller glauben diesen Leuten jeden Mist. Außerdem frage ich mich. Was zieht Frauen an solchen Typen an? Ist es der Effekt: Die „Schöne“ und das wilde Biest? Ich weiß es nicht. Bleibt mir ein Rätsel und im Grunde genommen auch egal. Ich sage mir nur: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Nachtrag: Die Todesstrafe wurde in der BRD am 20. Januar abgeschafft und in der ehemaligen DDR am 17. Juli 1987. 1951 Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Hingerichtet (1) Grausam und blutrünstig ist Geschichte der Henker, wenn man ihren Spuren durch Geschichte folgt. Deshalb wurde auch in Geschichtsschreibung nicht viel Aufhebens um sie gemacht, für gewöhnlich bedeckt man diesen Beruf mit dem Mantel Schweigens. die die der und des Ursprünglich wurde die Todesstrafe durch Angehörige des Opfers vollstreckt und damit war die Sache erledigt. Aber bei den Römern gab es schon berufsmäßige „Vollstrecker“. Dieser wirklich schreckliche Beruf wurde meistens von ehemaligen Sträflingen oder anderen Ausgestoßenen der Gesellschaft ausgeübt. Später dann im Hochmittelalter und noch bis in die Neuzeit hinein, wurde diese Tätigkeit von sogenannten Angehörigen der ehrlosen Berufe ausgeübt. Die Angehörigen der „ehrbaren Berufe und der Stände“, wollten mit dieser Klientel absolut nichts zu tun haben. Ein kleines Beispiel: Angehörige der ehrbaren Berufe waren z. B. Bäcker, Schmiede, Tuchhändler, Kaufleute etc. Die Angehörigen der Ehrlosen waren z. B.: Abdecker, Bader, Anisölbrenner, Aschenbrenner, Arzt (Feldscher, Wundarzt) und auf der untersten Stufe die Henker und die Prostituierten. Auch mussten der Henker und seine Familie außerhalb der Stadtmauern wohnen, oder wie in Nürnberg z. B. auf der Pegnitzinsel. Der Richtplatz war auch meistens vor den Toren der Stadt und nicht immer am Marktplatz. Vor den Toren der Stadt waren auch die Henkersgehilfen (die sogenannten Abdecker) mit ihrem Chef, dem Henker, mit einer anderen Tätigkeit beschäftigt: dem Abdecken und Verarbeiten von verendetem Vieh. Eine ekelhafte und stinkende Tätigkeit, die noch dazu gesundheitlich sehr gefährlich war. Etliche Henker und ihre Gehilfen haben sich durch diese scheußliche Tätigkeit den Milzbrand zugezogen und verstarben elendig daran. Das Herrichten und Abdecken des Viehs wurde auf dafür vorgesehenen Wiesen vor der Stadt gemacht. Diese Abdeckerorte wurden Wasen genannt. Heutzutage findet man dieses Wort Wasen in vielen Ortsnamen, wie z. B. Eichwasen, Cannstatter Wasen usw. usf. Eine andere unappetitliche Tätigkeit, die der Henker und seine Gehilfen verrichten mussten, war die Reinigung der Kanalgruben. Man kann sich vorstellen, wie gut der „Odeur“ der Personen war, die dies machen mussten, 4711 war nichts dagegen. Mit einem Wort: Es stank entsetzlich. Eine weniger unangenehme Aufgabe war, die Aufsicht über die sogenannten Frauenhäuser sprich Bordelle. Der Henker hatte dort Hausrecht und jede der Hübschlerinnen oder Freudenmädchen, musste einen Teil ihres Lohnes an den Henker bezahlen. Immer wieder hört man auch den Begriff „Scharfrichter“. Die Erklärung ist die: Der Henker richtete noch vor langer Zeit „trocken“ also mit dem Seil und der Scharfrichter richtete „nass“, also blutig mit dem Schwert. Später hat man diese Bezeichnung nicht mehr getrennt, sondern der Henker musste auch die „nasse“ Hinrichtung beherrschen. Die Henkers- und Abdeckerfamilien vererbten ihre Tätigkeit meistens vom Vater auf den Sohn. Geheiratet wurde auch in andere Henkersfamilien hinein. Keiner, von den Angehörigen der ehrbaren Berufe, wollte schließlich ein Mitglied dieser Sippe in seiner Familie haben. So entstanden ganze Henkerdynastien, vor allem im Süden von Deutschland und bis in die Schweiz und Österreich hinein. Eine ganz berühmte Familie war die Sippe der Hamberger, dessen Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel ein alter Schulkumpel von mir war. Die Angehörigen des Henkers mussten sich auch dementsprechend auffällig kleiden, am besten in den Farben Grün und Rot. Oder sie mussten an den Ärmeln ihrer Bekleidung einen aus Stoff gefertigten Galgen anhängen und Glöckchen tragen, damit man nicht nur visuell sondern auch akustisch die Sippe bemerkt. Eine Anmerkung zu der Bedeutung der Farben: Rot und Grün. Rot steht für das Blut und Grün für die Erde (der Arme beißt im wahrsten Sinne des Wortes ins Gras). In der Kirche mussten der Henker und seine Familie hinten abseits sitzen. Auf dem Friedhof wurden er und seine Sippe abseits begraben und durften nicht mit verstorbenen Angehörigen der Ehrbaren in Berührung kommen. Ein richtiges Paria-Dasein. Ausgestoßen und verfemt von der Gesellschaft. Das Verrückte an der Sache war aber: Der Henker und seine Sippe standen auch in dem Ruf, besonders begabt in Heilungsangelegenheiten zu sein. Was den Aberglauben und die Zauberei anging, da ging man nachts klammheimlich zum Henkerhaus und besorgte sich die entsprechenden Utensilien. Zum Beispiel so makabre Sachen wie abgehackte Gliedmaßen zum Schutz vor Diebstahl etc. Bäh! Oder ein ganz widerlicher Brauch war, das Blut von Enthaupteten aufzufangen und den Blutbecher den Epileptikern zum Trinken zu geben. Der Aberglaube sagte, dass dieses Blut die Epilepsie nicht nur lindern sondern auch heilen kann – was für ein Graus! Man fragt sich natürlich, ob diese Zunft so was wie eine Ausbildung genoss. Dies war tatsächlich der Fall. Der zukünftige Henker musste bei seinem Meister regelrecht in die „Lehre“ gehen. Es dauerte so 2 bis 3 Jahre, bis der Henkerslehrling zum Gesellen wurde. Geübt wurde an Tieren. Die Leichen der Hingerichteten dienten als Anschauungs- und Anatomieobjekt. Die Henker hatten im Mittelalter viel bessere anatomische Kenntnisse als die Ärzte, verbot doch die Kirche bei Todesstrafe das Obduzieren des Leichnams. Seine Gesellenprüfung bestand der zukünftige Henker dadurch, dass er eine Enthauptung sauber und schnell durchführen konnte. Es war damals keine Seltenheit, so makaber es klingen mag, eine Enthauptung in mehreren Schritten durchzuführen, was ohne Zweifel grauenhaft für den bedauernswerten Delinquenten war. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Hinrichtung der berühmtesten Königin der Schotten, an Maria Stuart. Der Henker war bei ihr so stümperhaft, dass er erst beim sechsten Schlag ihren Kopf abhacken konnte. Diese Stümperei bei Enthauptungen, hatte erst ein Ende, als Dr. Joseph Ignace Guillotin am 10. Oktober 1789, einen – wir würden heute sagen – Bauplan vorführte von einer Maschine, die anatomisch gerecht schnell den Menschen um einen Kopf kürzer machte. Die Ironie der Geschichte war, dass damals Ludwig XVI., diese Maschine als sehr human erachtete für zukünftige Hinrichtungen und er erlaubte auch mit Billigung des obersten Henkers von Paris, Charles Henri Sanson, der übrigens ein sehr gebildeter und kultivierter Mann war mit Medizinstudium in Leiden, den Bau dieser Maschine, die dann am 20. März 1792 in Auftrag gegeben wurde. Mit dieser Maschine wurden auch der König und die Königin später hingerichtet. In der Französischen Revolution hatte sie nicht nur ihre Premiere, sondern wurde auch massenhaft eingesetzt. Später wurde das sogenannte Fallbeil in fast ganz Europa verwendet. Außerdem schaffte Frankreich erst 1969 die Todesstrafe offiziell ab. Bis dahin war das Fallbeil immer wieder im Einsatz. Die Todesstrafe im geteilten Deutschland hatte ihr Ende mit der Alliiertenregierung der 3 Westmächte nach dem 2. Weltkrieg. Im damaligen Ostteil von good old Germany war die Todesstrafe noch vorhanden. Dies nur beiläufig erwähnt. Wie bereits erwähnt, die Henker mussten eine regelrechte Lehre machen, um nicht nur sauber und schnell eine Hinrichtung zu vollziehen, sondern auch in den Foltermethoden wurden sie unterwiesen. Auch die Henker hatten so eine Art Ehrenkodex: Dem Delinquenten so wenig wie möglich Schmerz, weder bei der Hinrichtung, noch bei der Folter zuzufügen. Bei der Folter war es bei einem „gut ausgebildeten Henker“ Brauch, den Gepeinigten nicht zu Tode zu foltern. Er wurde auch deswegen in der Wundheilung unterwiesen. Es war paradox, aber dies war tatsächlich der Fall. Soweit ein kleiner Überblick über das Leben und die Arbeit des Henkers. Heutzutage sollte man nicht vergessen, dass es in vielen Ländern auf der Welt die Todesstrafe immer noch gibt und zwar in 64 Ländern, sowie in vielen Bundesstaaten der USA, wird die Todesstrafe immer noch vollstreckt. Der Henker heißt heutzutage „Justizvollzugsbeamter“, reine Wortkosmetik und ist genauso lächerlich wie „Bodenmasseuse“ für Putzfrau. Die Hinrichtungsmethoden sind nur in den Golfstaaten genauso blutig und archaisch wie im Mittelalter. Dort werden die Delinquenten öffentlich in einer Sandarena hingerichtet und zwar mit dem Schwert. Der Henker dort ist hochangesehen und verkündet öffentlich, dass er den Willen „Allahs“ vollstreckt. In den USA werden die Hinrichtungen noch zusätzlich von dem Gefängnisarzt durchgeführt. Er setzt die Nadel für die Venüle des Giftcocktails, der dann per Knopfdruck von dem Justizvogel-Beamten ausgeführt wird. Ende der Fahnenstange. Danach wird der Leichnam untersucht und im Knastfriedhof beigesetzt. In den anderen Ländern wird erschossen und aufgeknüpft, entweder klassisch mit Galgen oder am Baukran wie im Iran. Wie man sieht, haben sich die Methoden ein wenig geändert und sind z. T. nicht mehr so blutig. Aber sie sind nicht weniger grausam. Allen Delinquenten ist gemeinsam: Die Angst vor dem Sterben, was ja verständlich ist. Im zweiten Teil meines Artikels soll das Für und Wider der Todesstrafe erörtert werden. Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Die Türkei vor der Wahl Die Türkei wird am Sonntag wählen. Seien wir einmal gespannt, was als konkretes Ergebnis dabei herauskommen wird. Schließlich hat dieses Land, allein schon durch seine geographische Lage, eine Brückenfunktion zwischen Orient und Okzident. Was wird kommen? Eines kann man mit Sicherheit sagen: die Partei von Ministerpräsident Erdogan, die AKP, wird gewinnen. Ob dieser Sieg dazu ausreichen wird, eine die Verfassung ändernde Mehrheit im Parlament zu erringen, bleibt abzuwarten. Den Wirtschaftsboom hat diese Regierung dem Land beschert. Ob dieser Boom aber nachhaltig sein wird, das wird sich bald herausstellen. Namhafte Wirtschaftsexperten sagten dem Land einen baldigen Crash voraus. Dies ist nicht von der Hand zu weisen. Die Ölstaaten und auch der Iran haben in türkischen Banken ihre Gelder angelegt. Ein Immobilienkauf-Boom war in den letzten Jahren zu beobachten. Viele Reiche aus den Golfstaaten kauften in den besten Lagen von Istanbul und auch in anderen türkischen Großstädten, Häuser und Grundstücke usw. usf. Der Boom hält noch an und deswegen wird auch Erdogan die Wahl wieder gewinnen. Der Weg nach Europa aber und die Einhaltung Menschenrechte, kann man getrost vergessen. der Die Partei der AKP hat eine streng nationalistische und religiös ausgerichtete Zielrichtung. Das besondere Menetekel ist die erste Kopftuch-First-Lady, Hanim-Effendi Hayrünnisa Gül. In der Beurteilung der Zustände in der Türkei findet langsam ein Wandel in der deutschen Presse statt. Wurde vor nicht allzu langer Zeit noch reichlich Lob ausgeschüttet über die angeblichen Demokratisierungsbemühungen des Herrn Erdogan, greift nunmehr Ernüchterung um sich. Man erkennt die große Gefahr, dass neben der Wirtschaft nun auch die Religion wieder floriert und von der AKP ganz offen gefördert wird. Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind unübersehbar, so dass sogar Die Welt die Frage stellen kann, ob die Türkei sich in eine islamistisch-faschistische Richtung bewegt. Lesen Sie dazu bitte auch den Artikel Erdogan führt Opposition als Gotteslästerer vor, in dem die Perfidie der Vorgehensweise überdeutlich wird. Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Schwul in Istanbul „Na und“ würden wir zu diesem Titel mit Recht sagen. Jeder soll schließlich so leben, wie es ihm gefällt. Und das ganze „Gender-Getue“ ist schlicht unnötig wie ein Kropf am Hals. In dieser Beziehung ist West-Europa schon längst aufgeklärt. Ausnahmen finden sich allenfalls in den hinlänglich bekannten Publikationen wie z. B. dem „Schwarzen Kanal“ (Politically Incorrect), in denen häufig primitivstes Homo-Bashing betrieben wird. In diesem Beitrag möchte ich über ein lesbisches Paar in Istanbul erzählen und mich überhaupt über die Situation der Homosexuellen dort auslassen. Wer Istanbul das erste Mal sieht, ist begeistert und auch erstaunt über die vielen Gesichter der Stadt. Eine uralte Megapoli, vormals Byzanz / Konstantinopel, die Griechen bezeichnen heute noch Istanbul „Konstantinopoli“. Der Name Istanbul kommt von Islam bol und erinnert an die Bemerkung von Fatih Sultan, dem Eroberer, das Byzanz nicht mehr christlich sei, sondern voll der Religion des Propheten, also wörtlich übersetzt: „voll Islam“. Die Knabenliebe war bei den alten Griechen und auch bei den nachfolgenden Sultanen am Hof, ein sehr beliebter Zeitvertreib. Man sollte nicht vergessen, dass der jüngere Bruder des späteren Fürsten Vlad III., bekannter unter dem Namen Fürst Dracula, zusammen mit seinem Bruder am türkischen Hof des Sultans als Geisel lebten. Der jüngere Bruder hieß Radu der Schöne und war einer der Lieblinge des Sultans. Wie man an diesem historischen Beispiel sieht, war dies im Serail keine „exotische Lustbarkeit“ sondern gang und gäbe. Mit der Geschichte von meinem unglücklichen Paar möchte ich daran erinnern, dass in der heutigen Türkei, verschlimmert durch den in den letzten Jahren leider erstarkten religiösen Fanatismus und Nationalismus, das Leben der Minderheiten, egal ob es ethnische, religiöse oder auch Menschen, die in ihrer sexuellen Orientierung eben anders sind, das Leben zunehmend zur Hölle gemacht wird. Man wird es nicht glauben. Die Türkei war in den 60er, den 70er und den 80er Jahren wesentlich liberaler und prowestlicher ausgerichtet als heute. Diese fatale Entwicklung haben wir unter anderem der Fetullah-Gülen-Bewegung zu verdanken. Die Auswirkungen der dauernden Indoktrination sind leider zu sehen, wie das negative Beispiel von Sibel Üresin zeigt. Man kann darüber nur den Kopf schütteln. Meine beiden Ladies, dessen Identität ich natürlich nicht preisgeben werde, stehen stellvertretend mit ihrem Leben für hunderte anderer Pärchen: Wie kommen sie zurecht? Ganz einfach, sie verstecken ihre Neigung so gut es geht. Außerdem gibt es in der türkischen Gesellschaft so eine Art, ja wie kann man es am besten bezeichnen, ich nenne es mal „schizoides Verhalten“, das eine heimliche Beziehung von 2 Frauen akzeptiert, natürlich verspottet, aber diesen Frauen nichts antut. Die Beziehung von zwei Männern ist dagegen etwas anderes. Verrückt, nicht wahr? Diese Homo-Beziehung wird sanktioniert und auch gesellschaftlich geächtet, dass den betroffenen Männern sogar der Ehrenmord droht. Es ist absolut zum Haare ausraufen. Ich muss ganz ehrlich sagen, mir geht das nicht in den Kopf und ich will es eigentlich gar nicht verstehen. Das Leben dieser beiden Frauen ist geprägt von Notlügen und Versteck spielen. Wenn sie ihre Familien besuchen, dann wissen nur die engsten Familienangehörigen oder auch nur ganz enge Freunde von ihrer Neigung. Sie leben zusammen und wenn die Nachbarn mal neugierig nach ihrem Leben oder ihrer Sulale / Familie fragen, dann antworten sie: Ja sie haben Familie und die eine davon war schon mal verheiratet aber es wird verheimlicht, dass sie von ihrem Mann geschieden wurde. Die andere hatte gar nicht geheiratet. So leben nun diese beiden Frauen in einer Art Schicksalsgemeinschaft zusammen und hoffen jeden Tag und beten deswegen auch fleißig zu „Allah“, dass sie ihr Leben in Ruhe fortsetzen können. Es ist tragisch. Bei großen Familienfesten erscheinen beide nur getrennt in ihren Familien. Es soll ja nichts an die Öffentlichkeit kommen. Der Nachbarschaft erzählt man dann, dass man in enger Freundschaft und wie Geschwister zusammenlebt und sich deswegen gegenseitig hilft. Zwei Frauen sind schließlich keine Gefahr, vor allem, wenn sie schon älter sind und nicht mehr so jung und knusprig. Die beiden Frauen kämen auch gar nicht auf die Idee, sich einem Imam anzuvertrauen, schließlich würde dieser Würdenträger die Frauen sofort ermahnen und ihnen bei Strafandrohung der Dschehenna, die Rückkehr zu einem „normalen Leben“ befehlen. Dieser Kerl hätte absolut kein Verständnis, geschweige denn den Intellekt dazu. Bei Männern ist die Lage noch wesentlich schwieriger. Manche vertrauen sich dem Imam an und sind tatsächlich verzweifelt über ihre Neigung, weswegen es auch zu Suiziden kommt. Ich habe mich mal mit einem Betroffenen unterhalten: er hatte sich auch dem Imam anvertraut. Der Imam sagte ihm, er solle auch einen Psychiater und Nervenarzt aufsuchen und sich behandeln lassen. Zusätzlich solle er den Koran studieren und seine 5maligen Gebete besonders inbrünstig ausführen. Wenn er dies befolge, dann helfe ihm Allah hundertprozentig. Auf die Idee wie die katholischen Ärzte in Deutschland, Homosexuelle durch Homöopathie zu heilen (siehe Homohomöopathie), sind die Imame allerdings noch nicht gekommen. Außerdem solle er so schnell wie möglich heiraten und eine Familie gründen. Das, so meinte der Imam zusätzlich, könne ihm auf den richtigen Weg helfen. Das Tragische an dieser Geschichte ist aber folgendes: Dieser junge Mann hatte geheiratet und eine Familie gegründet, hatte sämtliche Ratschläge des Imam befolgt, aber es hat nur eine kurze Zeit lang genützt und die eigentliche Neigung kam eruptiv durch. Er ließ sich scheiden und verließ seine Familie. Wo er heute lebt, weiß niemand. In der großen Schwulen-Szene in Istanbul leben viele der Betroffenen sehr gefährlich. Sie sind Freiwild für die türkische Macho-Gesellschaft und etliche bezahlen immer wieder mit ihrem Leben. Die Polizei macht keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Leute und dementsprechend sind ihre so genannten „kriminologischen Untersuchungen“ sehr schlampig. Aber wenn dann einer von den Schwulen zu einem großen Künstler aufsteigt, dann wird er verehrt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Bülent Ersoy oder an den ebenso unvergessenen, aber leider verstorbenen Zeki Mürren. Diese Frauen/Männer sind und waren großartige Sänger und Musiker. Ihre SchauspielKarriere war ein bisschen, na ja, drollig. Aber als Musiker waren sie unvergleichlich. Bei Bülent Ersoy war der Weg auch recht steinig. Er hatte schon als Mann ein sehr feminines Aussehen und hat sich dann Jahre später in London zu einer Frau umwandeln lassen. Dass er dies öffentlich gemacht hatte, ist schon klasse und mutig an sich. Die Türkei hat ihm sogar nach der Geschlechtsumwandlung eine Zeitlang die Einreise verweigert, die dann später natürlich wieder zurückgenommen wurde. Eine kleine Anmerkung am Schluss: Meine persönliche Erfahrung und Meinung ist die, dass die Türkei sich sehr weit entfernt hat was Fortschritt und Toleranz angeht. Ich befürchte sogar, dass es in Richtung einer Theokratie hinausläuft wie im Iran. Es wäre gut, wenn meine Befürchtungen nicht einträten, aber die Erfahrung zeigt mir keine Alternative. Auch wenn Istanbul noch Boomtown ist: Wer weiß wie lange, und was kommt danach? Inshallah das Beste….. Es gibt aber auch immer wieder Türken, die mit hohem persönlichen Einsatz für die Rechte der Homosexuellen in der Türkei eintreten: „Wir haben die Eier, es laut zu sagen“ berichtet das Magazin Café Babel und weiter: Die Homophobie in der Türkei habe Fälle physischer und sexueller Gewalt zur Folge. Die Morde an mehreren Transsexuellen und Transvestiten seien beunruhigende Entwicklungen, stellt der Bericht der EUKommission von 2009 über die Erweiterung und den Beitritt der Türkei fest. Trotzdem gibt sich die Schwulenszene in Istanbul zunehmend offener. An der Gay Pride 2010 nahmen in diesem Jahr 5.000 Leute teil; die erste Transgender-Parade fand im Juni statt. Wir haben zum ersten Geburtstag der Schwulenbar mit einem der Gründer des Frappé Istanbul gesprochen: … Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Eine Frau allen! allein gehört Ein provokanter Titel, ok, aber mal sehen, was dies bedeutet. Dieser Ausspruch ist im Orient gang und gäbe. In meinem Erlebnisbericht will ich die Alltagssituationen schildern, die ich mit den Frauen dort selbst erfahren habe. Wir kennen alle die Szenen auf der Straße, Frauen mit Kopftüchern oder sonstiger Verschleierung und immer in Gruppen. Für mich persönlich, man soll mich ruhig steinigen und von mir aus auch böse angiften, kein fremdes oder ungewöhnliches Bild, da ich weiß, wie ein Großteil dieser Frauen lebt. Wer wie ich jahrelang im Ausland, vor allem im Orient war, der weiß, was Sache ist. Es fängt schon in der Kindheit an. Die Erziehung der Mädchen ist wesentlich restriktiver als die der Jungen. Das heißt aber nicht, dass die orientalischen Väter ihre Töchter nicht liebten. Ich habe auch im Laufe der Jahre sehr viele gute und herzliche Menschen kennen und lieben gelernt, mit denen ich heute noch in engem Kontakt bin. So schön wie die Länder und die ganze Atmosphäre dort unten sind, so schwierig sind die Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung, besonders der Frauen. Die gebildete Oberschicht ist da anders und passt sich sehr der westlichen Lebensweise an und verinnerlicht sie auch. Dies hat zum Glück auch Auswirkungen auf die Erziehung der Mädchen. Außerdem ist es in der Oberschicht nicht ungewöhnlich, dass ausländische Ehepartner gewählt werden. Die einfache Bevölkerung hat da weniger Möglichkeiten sich zu entfalten. Der Familienzusammenhalt ist zwar im Allgemeinen sehr stark und ausgeprägt, aber dies erfordern die schweren Lebensbedingungen zwangsläufig. Wenn kein Geld für Essen und Medikamente usw. da ist, wer springt dann in die Bresche? Die Familie, sprich die Verwandtschaft. Die Grund- und Hauptschule dauert in den meisten Ländern des Orients nur knapp 5 Jahre. Wer dann weiterhin seine Kinder in die Schule schicken will, benötigt Geld und zwar nicht wenig, das die meisten nicht haben. Sie sind froh, wenn sie genug zum Essen auf dem Tisch haben. Da liegt natürlich auch der Hase im Pfeffer, wie man bei uns so schön sagt. Die Bildung fehlt. Es gibt auch rühmliche Ausnahmen im orientalischen Sprachraum. Das ist Tunesien und man sollte das auch erwähnen. Israel ist ebenfalls eine rühmliche Ausnahme. Ich will mich aber mehr auf den muslimisch orientierten Kulturkreis beschränken. Wenn die Familien kein Geld haben, um alle ihre Kinder auf die Schule zu schicken, dann wird es folgendermaßen gehandhabt: Der älteste Sohn darf weiterhin auf die Schule gehen und die Töchter bleiben dann bis zu ihrer Verheiratung zuhause. Die Ehe wird natürlich von den Eltern arrangiert. Zum großen Teil wird in der eigenen Verwandtschaft nach einem passenden Partner gesucht, weil, so das Argument, man kennt sich schließlich und ist angeblich vor bösen Überraschungen sicher. Tja, was sollte ich als Ausländerin da schon sagen. Die linguistische Variante ist da schon interessanter. Wenn jemand, wie gesagt, einen Partner für seine Kinder sucht, sollte er aus der „Sulale“, also aus der Verwandtschaft kommen. Wenn eine Frau geschieden wird oder verwitwet ist, geht sie meistens in ihre Ursprungsfamilie zurück. Eine verwitwete Frau wird bedauert, aber bei einer geschiedenen Frau hält sich das Mitleid in Grenzen. Wer weiß, wie schlecht sie war, weil der Mann sich hat scheiden lassen müssen. Es ist eine Doppelmoral, die mir oft die Haare zu Berge stehen ließen. Ein Beispiel aus dem Türkischen: Dul Kadin = Witwe, Bosanmis Kadin = Geschiedene. Diese beiden Frauen haben eines gemeinsam. Na klar, keinen Mann! Insofern heißen sie auf türkisch auch, man staune: Sahibsiz Kadinlar, also „Herrenlose Frauen“, ich habe mich damals weggeschmissen vor Lachen, aber nicht weil es so lustig war. Es war die pure Ironie. Ich konnte es nicht fassen. Bei dem Begriff herrenlos, denke ich automatisch an streunende Hunde und Katzen. Dass dieser Begriff auch auf allein stehende Frauen angewandt wird, war für mich einfach nicht zu verstehen. Ein anderes Erlebnis war auf einer Busfahrt in Istanbul mit meinen Leuten. Der Bus war wie immer rappelvoll und die Hitze und Ausdünstungen ließen die Stimmung im Bus auf den Nullpunkt sinken. Es ist tatsächlich eine komische Marotte in vollen Bussen in Istanbul, den Frauen einfach fest in den Hintern zu kneifen. Ich wurde, bevor wir in den Bus einstiegen, extra von meinen Leuten darauf aufmerksam gemacht. Dies ist halt so, wurde mir gesagt. Ok dachte ich mir, lass mal den Poppeskneifer an mich herantreten, dann gibt’s Zoffff… Wir stiegen in den Bus und ich konnte tatsächlich beobachten, wie andere Schnurrbartträger die Weibsen vor uns in den Vollmond kniffen. Mir und meinen Leuten liefen die Tränen vor Lachen herunter und ich musste mich so zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten. Auf einmal spürte ich ein Kneifen in meinem Sitzpolster und der Kerl grinste mich an und sagte: Hallo du schöne blonde Frau. Ich drehte mich abrupt um und packte den Schnurrbart an der Gurgel. Ich sagte dann auf Türkisch zu ihm, dass ich ihn zur Frau machen werde. Der ganze Bus tobte und alle gackerten wie Hühner wild durcheinander. Es war einfach herrlich – Satire pur. Der arme Busfahrer kam sofort und entschuldigte sich bei mir und schmiss den Mann raus. Ich sagte ihm, dass dies natürlich nicht seine Schuld war und solche Deppen überall anzutreffen sind. Aber ich denke, ich habe einiges bewirkt. Bei der Weiterfahrt kamen wir ins Gespräch mit den anderen betroffenen Frauen und die gaben mir Recht und sagten zu mir: „Sen Aslan gibi Kadinsin.“ Das bedeutet, du bist eine Frau, wie ein Löwe. Der Schnurri hat mit Sicherheit an diesem Tag keine Frau mehr in ihren Vollmond gezwickt. Aber es ist schon bezeichnend, dass die Frauen nicht gekniffen wurden, die einen männlichen Begleiter bei sich hatten. Moderne Frauen in Tunesien In Tunesien war das nächste lustige Erlebnis, lieber Wim. Es war wieder zum Brüllen. Wir waren in Hammamet. Eine tolle Küsten- und Piratenstadt mit einer ummauerten Medina. Meine Freundin und ich schlenderten am Abend die Küstenstraße entlang und wollten noch einen Pfefferminztee trinken und evtl. eine Shisha rauchen. Na ja, wie es so ist in diesen Touristenstädten, eine Menge heißblütiger junger und nicht mehr ganz so taufrischer „Kobolde“ lauerten auf weibliche Beute. Etliche habe ich ganz cool und lässig abweisen können, nur 2 besonders hartnäckige, die wichen zum Henker uns nicht von der Seite. Sie bezirzten und beschleimten uns über eine Stunde. Wie sind wir doch so schön und wir wären wie die Blumen der Nacht. Das Augenrollen ging bei meiner Freundin hin und her. Dann hatte ich eine Idee und gab meiner Freundin ein Zeichen, dass ich den Burschen ein wenig Dampf machen würde. Ich habe nach dem ganzen Geschleime dann eine todernste Miene gemacht und den Kobolden sagte ich: „Hört mal her Jungs. Ich muss euch was sagen.“ Die Kobolde waren ganz Ohr. Ich sagte zu ihnen, dass meine Freundin eine echte Frau sei, aber ich in Wirklichkeit ein Transvestit. Auf einmal trafen mich alle möglichen Beschimpfungen auf Arabisch und die Kobolde liefen schnurstracks davon. Wir lachten uns schlapp und tranken dann weiter unseren Tee und genossen die Shisha. Der Wirt fragte uns dann freundlich, warum wir so lachten. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte und versicherte ihm, dass ich aber in Wirklichkeit doch eine echte Frau sei. Der Mann lachte sich kaputt und sagte dann zu uns, dass dies eine sehr gute Idee von mir war, um diese Strolche loszuwerden. Er würde sich das merken und diesen Tipp an andere Touristen weitergeben, damit die ihre Ruhe hätten. Ich bereiste auch Algerien und Marokko. Marokko gefiel mir sehr gut, Algerien war auch teilweise sehr schön, aber die politische Situation damals zwang mich, das Land schleunigst wieder zu verlassen. Es war einfach traurig. Im Großen und Ganzen muss ich sagen, die Situation der Frauen ist nach der Jasmin-Revolution in Tunesien vielleicht, und dies sage ich mit leiser Hoffnung, besser geworden. Aber in den anderen orientalischen Ländern eben nicht. Die Türkei wird fundamentalistisch werden, mit einem verurteilten Volksverhetzer und Islamisten als Staatspräsident, kein Wunder. In Syrien geht der Punk ab. Im Libanon ist die Hizbollah die starke Kraft. Wenn ich an diese beiden Länder denke, bin ich betrübt. Damaskus ist eine tolle Stadt und der Libanon ein herrliches Land mit einer sehr gebildeten Französisch sprechenden meist christlichen Elite. Jordanien sitzt auf dem Pulverfass und Israel genauso. Von der arabischen Halbinsel möchte ich gar nicht erst reden. Ägypten wird seine Muslimbrüder bekommen. In Libyen tobt der Irre immer noch umher. Und in diesen Ländern sind die Frauen diejenigen, die die Hauptlast in der Familie tragen. Der Ausspruch: Eine Frau allein gehört allen, existiert tatsächlich. Er besagt, dass eine Frau ohne Mann oder männlichen Schutz ein Nichts ist, mit der man machen kann, was man will. Die Frauen dort definieren sich nur dann als vollwertige Frau, wenn sie mindestens ein Kind geboren haben, wenn möglich, einen Sohn. Im Nahen Osten wird die Frau immer mit dem Vornamen ihres ältesten Sohnes angesprochen – es ist eine Form der Ehrerbietung. Wie z. B.: Die Frau von Hassan xy hat einen Sohn mit Namen Abdul, dann heißt die Frau nicht Frau xy sondern Umm Abdul, also Mutter des Abdul. In der Familie hat die Frau zu dienen, auf türkisch vazife. Erst dem Ehemann, dann den Schwiegereltern vor allem der Schwiegermutter, dann den Schwestern des Mannes und den Brüdern also der ganzen Sippschaft des Ehemannes. Sie muss den ganzen Haushalt schmeißen, denn dazu ist sie da. Dafür hat sie den lebenslangen Schutz ihrer Sippe. Wehe sie verliert ihn, dann ist sie verloren und wird von der Gesellschaft geächtet. Jeder kann also mit ihr machen was er will. Viele Frauen sind deswegen in die Prostitution hineingeraten aufgrund dieser patriarchalischen Familienstruktur, die keine Gnade kennt. Nur Ehre, lebenslanger Dienst an der Familie und Gehorsam. In den Moscheen wird das immer wieder gepredigt. Die gehorsamen Frauen behaltet und beschützt sie, aber die Widerborstigen, jagt sie davon! Ich habe viele traurige Gesichter im Nachtleben von Istanbul gesehen und konnte darin lesen wie in einem Buch. Mit vielen bin ich ins Gespräch gekommen und mit einigen bin ich noch heute eng befreundet. Ich denke, es wird noch lange dauern, bis die Türkei und auch der Orient den Humanismus und Laizismus als selbstverständlich annehmen wird. Die jetzige Entwicklung sagt nichts Gutes voraus. Einen lieben Gruß an Kantomas-Kardesim. Istanbulu dinliyorum, Gözlerim kapali. Die Meinung des Gastautors muss nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Titelillustration von Azrail