Nov 2013 Hafenrundflug

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Nov 2013 Hafenrundflug
Modell REPORTAGE
100 Jahre Wasserflug am Bodensee
Detleff Rosner
Fotos: Enenkel, Fischer, Rosner
Hafenrundflug
Wir schreiben das Jahr 1913. Es war die Zeit der tollkühnen
Männer, die mit ihren fliegenden Kisten das Publikum beeindruckten – und nicht nur dieses. Auch das Militär bekundete
bald Interesse; der technikbegeisterte Kaiser Wilhelm II wollte
eine Marinefliegerabteilung aufstellen.
U
nter der Schirmherrschaft Seiner
Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden (das ist der Text des
Original-Plakats von 1913!) richtete die
Südwestgruppe des Deutschen Luftfahrerverbands mit Unterstützung des
Reichsmarineamts vom 29. Juni bis 5.
Juli den Bodensee-Wasserflug aus. Ziel
dieses Wettbewerbs: Förderung des
Wasserflugzeugbaus für die Kaiserliche
Marine. Es meldeten sich 9 Flugzeughersteller mit insgesamt 16 „Flugmaschinen“
an. Angetreten sind dann 7 Hersteller mit
11 Flugzeugen. Konkurriert wurde um 6
verschiedene Preise; am begehrtesten
war natürlich der mit 25 000 Mark dotierte
Große Preis vom Bodensee.
Dazu musste in kürzester Zeit die
Strecke Konstanz (Baden) – Romanshorn
(CH) – Arbon (CH) – Bregenz (A) – Lindau
(Bayern) und zurück geflogen werden.
In Lindau musste der Pilot wassern, den
Motor abstellen, wieder anwerfen, starten
und dieselbe Strecke zurückfliegen. Insgesamt mussten so 200 km zurückgelegt
werden. Die Kaiserliche Marine zeigte
sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden;
für die aufstrebende Flugzeugindustrie
am Bodensee war die Flugveranstaltung
in Konstanz ein voller Erfolg!
So weit der Ausflug in die Geschichte. Jetzt schreiben wir 2013, die Ära der
manntragenden Wasserflugzeuge am
Bodensee ist lange vorbei. Zahlreiche
Schifffahrtslinien und Hobbykapitäne
durchkreuzen den Bodensee; ein Wettbewerb dieser Art kann nicht mehr stattfinden.
Ausblick in die Zukunft? Nachdruck des
Original-Plakats von 1913; vermutlich ahnt
der Pilot mit dem Modell in der Hand die
Zukunft ...
Modell oder Original? »Ju 52« von Peter Vierhauser, »Do 24 ATT Latina« von Tobias Moser,
»Blackburn Monoplane« von Hansruedi Zeller, »Do 18F« von Dr. Arnim Selinka
Am Freitag, 18. Mai 2012, gab es vor
der Uferpromenade von Friedrichshafen
eine Sensation: Gegen 19 Uhr wasserte
die »DO 24 ATT« von Iren Dornier; dafür
wurde eine Sondergenehmigung erteilt.
Die historische Maschine, deren Rumpf
aus dem Jahr 1944 stammt, wurde 1983
zum Amphibienflugzeug umgerüstet. Iren
Dornier und seine „Latina“ waren geladene Gäste anlässlich der Messe „Klassikwelt Bodensee“.
Es gibt aber eine andere Möglichkeit,
die Pioniertat von 1913 zu würdigen: eine
Scale-Veranstaltung für Wasserflugmodelle. Der FSMC Konstanz fand für dieses
Vorhaben ein offenes Ohr und großzügige
Unterstützung beim Stadtmarketing. Die
Frank Seufert lässt seine »Do 214« „anrollen“ und fliegen
Stadt Konstanz übernahm die Schirmherrschaft, die manntragende Zunft sponserte. Prof. Dr. Elmar Wilczek, Honorarprofessor und der Experte für Seeflugwesen
schlechthin, würdigte in einem Vortrag
den Wettbewerb vor 100 Jahren.
Eingeladen wurden namhafte Piloten aus den Bodensee-Anrainerstaaten
Dr. Arnim Selinka bereitet seine »Do 18F« vor. Im Vordergrund die
»Do 24« (SAR) von Rolf Breitinger
Deutschland, Schweiz und Österreich.
Alle Angeschriebenen sagten zu und waren gerne bereit, ihre wasserstartfähigen
Kostbarkeiten in der Konstanzer Bucht vor
Publikum zu fliegen.
So trafen am 24. und 25. August 21 Piloten mit 35 Wasserflugmodellen auf dem
Gelände des Konstanzer Sea Life ein.
Stets ein Blickfang: der Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor der »FF8«
von Martin Friedrich
dellen samt Einzelheiten vorgestellt werden können, der Rahmen dieses Beitrags
reicht dazu nicht aus. Jedes Modell ist ein
Highlight für sich. Wer mehr darüber lesen
(und sehen) will, kann gerne die Homepage des FSMC Konstanz besuchen, der
Link lautet www.fsmc-konstanz-ev.de.
Hier nur einige Beispiele von vielen
dieser modelbauerischen Augenweiden. Die »FF8« von Martin Friedrich, mit
Vierzylinder-Reihen-Viertaktmotor, Eigenbau, versteht sich; oder die »Blackburn
Monoplane« und Dornier-»Libelle« von
Hansruedi Zeller. Mit der »Libelle« ist er im
vergangenen Jahr von Rorschach nach
Friedrichshafen geflogen, Flugzeit 30 Minuten. Von der »Do 24 ATT« waren gleich
drei Prachtexemplare anwesend, jeweils
»Do X« von Jörg Pfister in voller Aktion
Die präsentierten Modelle umfassten alle fliegerischen Epochen, von der
»Blackburn Monoplane« und »FF8« der
Flugzeugbau Friedrichshafen über die
gesamte Dornier-Palette zu zeitgenössischen Wasserflugzeugen wie »DHC2
Beaver«, »Anderson Kingfisher« oder der
russischen »Beriev BE200«, ein amphibischer Jet.
Leser und Teilnehmer mögen dem Autor verzeihen, dass nicht alle mit ihren Mo-
Eine »Macchi MC 72« in ihrem Element
»Do 24 ATT« von Heinz Dittmar
Hansruedi Zeller lässt seine »Blackburn« gemächlich abheben
Tobias Moser und seine vielbewunderte (und
prämierte!) »Do 24 ATT«. 35 000 Nieten und
alle Blechstöße sind nachgebildet. 2500
Arbeitsstunden brauchte er für die 3,33 m
spannende Konstruktion. Hier schraubt er
noch ...
… jetzt ist sie bereit zum Abwassern
von Tobias Moser, Heinz Dittmar und Emil
Wirth, maßstabgerecht und detailgetreu
gebaut; der erfahrene Konstrukteur Rolf
Breitinger brachte seine »Do 24« (SAR)
und flog sie beeindruckend vor; »Bellanca Citabria« von Klaus Daiger, eines
der wenigen Modelle mit Verbrenner (OS
FF240).
Zwei »Do X« waren zu bewundern,
gebaut von Dr. Heinz Jürgen Götte bzw.
Jörg Pfister. Jörg führte außerdem den
»Amundsen-Wal«, einen »Do Delphin II
Lindau« und die »Do Libelle 2« vor. Zwei
»Macchi MC 72«; auch heute haben
diese Rennmaschinen nichts von ihrem
Flair eingebüßt; »Do 18F« von Dr. Arnim
Andreas Wolf (mit interessiertem Nachwuchs) macht die »Do Seastar« startklar
Die beiden »Macchi MC72« auf der „Startrampe“
Selinka; die im Original nie fertig gebaute »Do 214«, als Modell wiederbelebt von
Frank Seuffert, »Bellanca Scout« von Sven
Siedentop. Die Besonderheit an diesem
Modell: ein 7-kW-Elektromotor (!), austauschbar gegen einen 110-cm3-Boxer.
Vor allem sollen aber die Bilder sprechen. Auch hier war es schwierig, aus
Emil Wirth startet die »Do S«
Noch eine Rennmaschine: »Macchi M33« von Bernd Schweighardt. Das Original wurde für
den Schneider-Cup 1925 auf dem Gardasee gebaut
Gruppenfoto: Ein glücklicher Matthias König, Erster Vorsitzender des FSMC Konstanz,
hebt beide Daumen auf den gelungenen Flugtag
»Do Libelle« von Hansruedi Zeller
… hier im Detail vor dem Start
Eine »Pilatus PC6« bekannt als „Bunter Fredi“. Gebaut und geflogen von Hans Jürgen
Moser
über 600 Fotos die „richtigen“ auszuwählen. Die hier gezeigten Bilder sind nur ein
kleiner Querschnitt dieses einmaligen
Events. Zuschauer und Piloten kamen
voll auf ihre Kosten, auch wenn Petrus es
zeitweise stürmen und regnen ließ. Zwei
rundum gelungene Tage!
Wie der Wettbewerb 1913 ausging?
Sieger mit nur 35 Sekunden Vorsprung
»Do R4 Superwal« von Andreas Ritter. Man beachte die Scale-Vierblatt-Luftschrauben!
war Helmut Hirth auf einem »Albatros«Eindecker vor dem Schweizer Piloten Ro-
bert Gsell auf einem »FF9«-Doppeldecker
der Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH.
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