05/2012
Transcrição
05/2012
mai| Auf ein Wort Verschon mich mit Honig er diese Assoziation, die sich im Zitat niederschlug. Da hilft nur eines: neu übersetzen, so dass es in den Kontext passt, sich reimt und doch noch irgendwie honigsüß und nach viel Geld klingt, sprich: inhaltlich möglichst nah am Original bleiben. Wie ja auch in allen ungereimten Fällen. In Edward Lears „Kauz und Katze“ kommt eine Wortschöpfung des Dichters vor, ein runcible spoon, ein Esswerkzeug, das gleichzeitig Löffel und Gabel sein soll. Was ich in der vierten Zeile mit „Die gabel- und löffelten sie“ wiedergebe. Normalerweise unsinniges und ungrammatisches Deutsch, aber dem runcible spoon angemessen. Oder angegessen? Vielleicht ginge auch eine deutsche Neuprägung. Wie wäre es denn mit: Die Katze steckte wie das Käuzchen / Den Zinkenlöffel sich ins Schnäuzchen? Doch nein, das ist ja viel zu lang – das Original widmet dem Zwei-in-eins-Besteck nur eine Zeile, und außerdem hat das Käuzchen doch kein Schnäuzchen. Also, da capo: Zum Schnäbelchen führt nun das Löffelgäbelchen – na, wer wohl? Erraten! Das Käuzchen. Und den Zinkenlöffel sich die Katz ins Schnäuzchen? Ach nein, das zieht sich ja immer mehr in die Länge. Bleiben wir bei gabel- und löffelten sie. Kurz und bündig. Aber lässt sich Klebriges wirklich nicht auf Bares reimen à la Lear? The Owl and the Pussy-cat went to sea / In a beautiful pea-green boat, / They took some honey, and plenty of money, / Wrapped up in a five pound note. Der Kauz und die Katze stachen in See / Im schmucken erbsgrünen Boot, / Beladen mit Honig und reichlich Gold, / Das war in einen Fünfpfundschein gerollt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann göffeln sie noch heute. Christiane Bergfeld, seit 1985 hauptberuflich Literaturübersetzerin, Belletristik und Sachbücher, auch im Kinder- und Jugendbuchbereich © Michael Roher, Picus Verlag Kauz und Katze, Vers III: […] Gesagt, getan, und anderen Tags / Hat der Truthahn die beiden getraut. / Sie speisten Haschee und Quittengelee, / Die gabel- und löffelten sie. / Und Hand in Hand, am Rand, auf dem Sand, / So tanzten die beiden im Schein / Im Schein … / Im Schein … / Im silbernen Mondenschein. Soweit ein Auszug aus meiner Übersetzung Kauz und Katze (The Owl and the Pussy-Cat) von Edward Lear. Auch bekannte deutsche Dichter versuchen sich gern an Nursery Rhymes und Nonsensversen, nebenbei bemerkt meine allerliebste Spielwiese. Oft weichen sie inhaltlich vom Original ab und sind dann für unsere Zwecke – in Romane eingebettete Zitate – nicht zu gebrauchen. Nachdichtung statt Übersetzung bietet sich an, wenn es in der Zielsprache nur hübsch und gefällig klingen soll, ohne Rücksicht auf die ursprünglichen dramatis personae und deren Vokabular. Da in englischen Romanen oft und gern solche Reime zitiert werden – ein Glas Honig weckt bei der geneigten englischen Leserschaft vielleicht die Assoziation „owl – pussy-cat – honey – money“ oder The king sat in his counting-house, counting all his money; the queen sat in the parlour, eating bread and honey. Dann spinnen sie einen Gedanken rund um Honig und Geld immer weiter fort, und beim Übersetzen haben wir Pech, denn Geld und Honig reimen sich auf Deutsch nun mal nicht. Das wäre ja auch zu einfach. Bei uns läge die Verbindung „Geld – Welt“ viel näher, und der Honig bleibt auf der Strecke kleben. Wir suchen also nach bereits erschienenen deutschen Übersetzungen, um das Zitat in den Text einzuflechten, und müssen leider feststellen, dass in der bekannten deutschen Version weder Geld noch Honig vorkommen. Vermutlich eher andere Dinge (der süße Stoff, aus dem die Reime sind?), mit denen sich das Leben versüßen und angenehmer gestalten lässt, aber unser Autor reitet unbeirrt auf Geld und Honig herum. Nicht umsonst hatte Kontakt: www.vdue.de Das dunkle Geheimnis von Gévaudan Junge Erwachsene • 5 [D] 17,99 ISBN 978-3-473-40070-6 www.ravensburger.de Frankreich, 1766. Steckt hinter mehreren grausamen Morden eine Bestie in Wolfsgestalt? Thomas, Angehöriger einer Delegation des Königs, offenbart sich bald ein dunkles Geheimnis: Weder ein Dämon noch ein Wolf allein kann die Morde begangen haben ... Für seinen Verdacht setzt Thomas sein große Liebe aufs Spiel – und sein Leben. Der neue historische Thriller von Nina Blazon eselsohr mai 2012 | 11 Ravensburger Buchverlag