der recruiter wird zum sourcer
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der recruiter wird zum sourcer
DIE NEUE ROLLE DES RECRUITERS TREND DER RECRUITER WIRD ZUM SOURCER Warum teuer einkaufen, was man selbst erledigen kann: Aufgaben, die einst Personalberatern vorbehalten waren, landen nun auf dem Tisch des Recruiters. Drängen Recruiter Personalberater in die Defensive? Und was zeichnet das Berufsbild des Recruiters mittlerweile aus? Autor: Winfried Gertz, freier Journalist, München F Für Birgit Bruns ist die Welt noch in Ordnung. Obwohl die Düsseldorfer Personalberaterin beobachtet, dass immer mehr Betriebe in eigener Regie auf Kandidaten zugehen, sieht sie ihren Aktionsradius noch nicht gefährdet. Erfolgversprechender ist ihrer Ansicht nach, wenn ein Personalberater eingeschaltet wird. „Er ist auf das aktive Rekrutieren spezialisiert und mit seinen Mitteln Unternehmen häufig voraus.“ Diesen Kompetenzausweis würde kein Headhunter öffentlich anzweifeln. Doch 10 Guide 2014 unter Personalberatern, beobachtet Wolfgang Brickwedde, Gründer des Institute for Competitive Recruiting ICR in Heidelberg, bröckelt die Zuversicht, dass auch in Zukunft niemand an ihren Diensten vorbeikommt. Als Brickwedde nach einem Vortrag die anwesenden Headhunter fragte, was für die Personalberatung bliebe, sobald Unternehmen sich selbst auf die Suche nach potenziellen Kandidaten begeben würden, löste er damit „große Verwirrung“ aus. „Eine überzeugende Antwort auf diese Herausforderung haben die allermeisten Perso- nalberater noch nicht gefunden.“ Nicht vorbereitet sind Headhunter darauf, dass Recruiter selbst auf Kandidaten zugehen und sich damit endlich vom „Post and Pray“ verabschieden. Anzeigen schalten und auf Bewerber warten – das war einmal. Nach Angaben von Brickwedde stieg der Anteil von Unternehmen, die neben der Anzeigenschaltung immer auch proaktiv nach latenten Kandidaten suchen, von zehn in 2010 auf inzwischen 25 Prozent. Ebenso wenig rechnen Personalberater damit, dass Recruiter sich selbst als Verkäufer und Berater gegenüber avisier- ten Zielpersonen zeigen und damit einst fest zugewiesene Rollen im Personalmarkt getauscht werden. Und Personalberater glauben immer noch, dass sie allein die Qualifikation zur Diagnostik und Interviewführung für sich beanspruchen können. Auch das ist eine Illusion. BERUFSBILD DES RECRUITERS Dass diese Debatte im Personalberaterlager längst überfällig ist, bekräftigt Ina Bourmer mit Nachdruck. Die Recruitingleiterin der Microsoft Deutschland GmbH in Unterschleißheim erinnert sich noch gut an die Situation, als ihr vor etwa 15 Jahren in einem IT-Unternehmen die Aufgabe übertragen wurde, dringend benötigte Fachkräfte zu suchen. „Ich war erschüttert über die geringe Qualität, die Personalberater lieferten. Ohne zu verstehen, worum es fachlich bei der gesuchten Position ging, ohne Bereitschaft, sich mit der Kultur des Unternehmens zu befassen, stellten sie Kandidaten zwar zügig, aber völlig abweichend vom gesuchten Profil vor.“ Headhunter: Nein, danke? Bourmer ist eine der ersten Experten, die dem Recruiting ein anderes Gesicht verleihen und damit die Personalberaterbranche in Zugzwang bringen. Ehe die Informatikerin zu Microsoft wechselte, brachte sie die Personalsuche bei der Deutschen Telekom auf Vordermann. Während die Aufgaben des Recruitings nach Brickweddes Beobachtung derzeit noch meist in den Händen des Personalreferenten liegen, „der nur einen Bruchteil seiner Ressourcen dafür aufwenden kann“, erläutert Bourmer, wie sich das Berufsbild des Recruiters zunehmend professionalisiert. Dazu gehöre, dass ein Recruiter „nicht in erster Linie“ HR-Mitarbeiter sei. Entscheidender sei laut Bourmer, dass sich der Recruiter in einem speziellen Umfeld richtig gut auskenne, fachlich etwa in SAP stattelfest und deshalb auf Augenhöhe mit den dort tätigen Kandidaten sei. Zudem wüsste der Recruiter, was in diesem Markt geschehe. Drittens sei der Recruiter ein „Vertriebsmensch“. Er vermarkte Kandidaten im Fachbereich und den Arbeitgeber gegenüber Kandidaten. Bourmer: „Er brennt für seine Auf- gabe.“ Dieses Profil ergänzt Robindro Ullah, Top-Recruiter der Voith GmbH in Heidenheim, um die Qualifikation des Netzwerkers und Kommunikators: „Der Recruiter weiß, wie er seine Zielgruppe anspricht und welche Wege ihm dafür offen stehen.“ Ullah, der jüngst seine Aufgaben als Recruitingleiter der Deutschen Bahn in Süddeutschland an den Nagel hängte, um beim Familienunternehmen Voith neue Strukturen aufzubauen und eine schlagkräftige Recruitingtruppe zusammenzuschweißen, möchte bei der Neuprofilierung des Recruiter-Berufsbildes nicht unter den Teppich kehren, dass an Recruiter schon zuvor hohe Anforderungen gestellt wurden. Zum alten Kern des Recruitings, der durch neue Kompetenzen erweitert werde, zähle etwa, „wie man anforderungsgerechte Auswahlverfahren konzipiert, Interviews führt und Vergleichbarkeit gewährleistet“. In seinem Webinar über das Berufsbild des Recruiters im Wandel, bei dem sich regelmäßig zahlreiche Personaler und Berater ins Internet einloggen, erörtert Ullah ein von ihm bei der Deutschen Bahn entwickeltes Kompetenzprofil: Als Grundlage für die Ausbildung von künftigen Recruitern sieht Ullah neben der bereits skizzierten Kommunikationskompetenz auch die Technikkompetenz. Für Ullah sind Recruiter „überaus ITaffin“. Demnach müssten Recruiter mobile Endgeräte beherrschen, sich mit Bewerbermanagementsystemen auskennen und versiert sein in technischen Neuerungen. Hinzu komme Social Media-Kompetenz. „Er durchschaut die viralen Gesetze von Netzwerken und kann mit ” Solange sie noch nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um ein professionelles Recruiting aufzubauen, greifen Unternehmen auf Personalberater zurück. Ina Bourmer, Recruitingleiterin, Microsoft Deutschland GmbH Boolschen Operatoren umgehen“, so Ullah. EXECUTIVE SEARCH – DEN PERSONALBERATERN VORBEHALTEN? Doch woher kommen besonders geeignete Kandidaten? Weiterbildungsansätze gibt es laut Brickwedde kaum. HR-Verbände und Personalerakademien bieten zwar Seminare an. Sie seien Brickwedde zufolge aber inhaltlich weit entfernt vom „professionellen Hardcore-Recruiting“, das die Unternehmen wirklich benötigten, um Positionen zu besetzen. Potenziell eignen sich fürs „Recruiting 2.0“ Personalreferenten, die ein „Faible fürs Recruiting“ mitbringen, so Brickwedde. Ebenfalls eine gute Wahl seien Leute, die Business und Technik gleichermaßen verstehen. „Ihnen gelingt es gut, die Anforderungen der Fachabteilung in den Suchprozess zu integrieren.“ Die mit Abstand beste Herkunftsquelle sind laut Brickwedde jedoch Personalberater und Personalvermittler. Ihr Steckenpferd: komplizierte Aufträge. „Die Notwendigkeit zu verkaufen hat beim Berater eine höhere Priorität als beim Personaler im Unternehmen.“ So weit sind die allermeisten Unternehmen noch nicht. „Solange sie noch nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um ein professionelles Recruiting aufzubauen“, erläutert Bourmer, „greifen sie auf Personalberater zurück“. Regina Ruppert, Personalberaterin und Vizepräsidentin des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), lässt die hier und da anklingende Gewichtsverschiebung vom Headhunter zum Recruiter kalt. Einerseits versteht sie, warum Unternehmen ihre „Recruiting Power“ verstärken: „Bei ihnen ist der Fachkräftemangel aufgeschlagen. Nicht zuletzt deshalb wollen sie eine Arbeitgebermarke entwickeln.“ Dass für Personalberater deshalb aber weniger vom Kuchen übrig bliebe, diese Annahme kann sie nicht teilen. Würden Unternehmen direkt rekrutieren, dann suchten sie meist Kandidaten in Netzwerken wie Xing, um sie mit ihrem Stellenprofil abzugleichen. „Das ist lediglich ein Teil dessen, was ein Personalberater leistet. Sein Aktionsradius ist weit größer.“ Während sich Recruiter bei der Ansprache auf Fachkräfte und jüngere Führungskräfte konzentrierten, sagt Ruppert, bliebe die Suche nach Führungskräften für die oberen Hierarchieebenen unverändert Personalberatern vorbehalten. Was Ruppert verschweigt: In den letzten Jahren haben Personalberater nicht allein Top-Manager gesucht, ihr angestammtes Klientel. Zunehmend wildern sie auch in darunterliegenden Hierarchieebenen. Guide 2014 11 DIE NEUE ROLLE DES RECRUITERS ” TREND Der Recruiter weiß, wie er seine Zielgruppe anspricht und welche Wege ihm dafür offen stehen. Robindro Ullah, Head of Employer Branding and HR Communication, Voith GmbH Sogar Fachkräfte ohne Führungsanspruch geraten ins Visier. Niemand könnte diese Entwicklung besser dokumentieren als Kerstin Neureuter, eine freiberufliche Researcherin aus Berg am Starnberger See, die seit vielen Jahren im Auftrag von Personalberatern Zielpersonen aufspürt und kontaktiert. „Während ich früher Kandidaten mit einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro und weit höher identifizieren sollte, sind es inzwischen immer mehr Positionen im unteren Level. Längst sind Fachkräfte, die 60 000 Euro verdienen, in den Blickpunkt gerückt.“ RECRUITING-KODEX EINHALTEN Tatsache ist, dass Unternehmen unverändert in großem Umfang Personalberater beauftragen, um zum Beispiel Ingenieure zu suchen. Noch scheuen Personaler diesen Aufwand. Sie wissen nicht, was sie dafür leisten müssten. Mangels Ressourcen reichen Headhunter die Aufträge gleich an freie Researcher weiter. „Während ich früher 30 Zielfirmen benötigte, brauche ich heute 50 oder mehr, um Potenzial zu identifizieren und so eine Position besetzen zu können.“ Je niedriger das Level, erläutert Neureuter das Prinzip, desto komplizierter und aufwendiger die Suche. Und genau hier kommen sich Recruiter und Personalberater neuerdings ins 12 Guide 2014 Gehege. Immer mehr Akteure streiten im Wettbewerb um eine zahlenmäßig schrumpfende Zielgruppe. Mit fatalen Konsequenzen: Fach- und Führungskräfte mit eigenem Profil in beruflichen Netzwerken sind zunehmend verärgert, weil sie laut Ruppert häufig unprofessionell auf offene Positionen angesprochen würden. Personalberaterin Bruns erfährt nach eigenen Angaben „häufig“, dass Kandidaten auf Xing mit Angeboten überschüttet würden. Sie selbst wähle einen anderen Weg: „Erst nachdem wir das Profil eines Zielkandidaten gemeinsam mit dem Auftraggeber möglichst genau eingegrenzt haben, steuern wir aktiv auf das Ziel zu.“ Voith-Recruiter Ullah sieht das anders. Dass heftig umworbene Experten gleichzeitig von mehreren Unternehmen angesprochen werden, daran seien auch viele Headhunter beteiligt. Nicht alle beherrschten die anspruchsvolle Aufgabe, Zielpersonen dezent anzusprechen und nicht über Gebühr zu stören. Dafür hätten Recruiter gegenüber dem Headhunter in vielen Fällen einen entscheidenden Vorteil: „Ihnen wird nicht auferlegt, Stillschweigen über den Namen des Unternehmens zu bewahren, was oftmals abschreckend wirkt.“ Umgekehrt empfiehlt Ullah, Recruiter sollten nicht zu ambitioniert vorgehen. „Sie sollten nicht wie Headhunter mit Cover Stories durch Unternehmen navigieren.“ Statt sich über Ausschlussklauseln und verbriefte Absprachen hinwegzusetzen und Mitarbeiter von Kooperationsunternehmen abzuwerben, sollten sie Regeln, etwa einen existierenden Recruiting-Kodex, konsequent einhalten. Grundsätzlich empfiehlt Ullah Unternehmen, unverzüglich Netzwerke aufzubauen und Datenbanken voll profunder Kandidaten einzurichten, um den Qualitätsunterschied zum Personalberater zu verringern. GRAVIERENDE QUALITÄTSDISKUSSION Kritisch beurteilt Ullah, dass Headhunter viele Aufträge erhielten, die sie ohne viel Aufhebens via Xing erledigen könnten. „Das hätte ein Recruiter ebenso gut selbst erledigen können.“ Umgekehrt zeige die Lernkurve von Unternehmen steil nach oben: Der Vormarsch von gut ausgebildeten Recruitern, so Ullah, werde eine „gravierende Qualitätsdiskussion“ auf den Tisch der Personalberater bringen. Davon ist auch Microsoft-Recruiterin Boumer überzeugt. Zwar bleibe der Personalberater auch in Zukunft ein wichtiger Partner von Unternehmen, allerdings hauptsächlich für die Suche nach Führungskräften der obersten Ebenen. „Im Fachkräftebereich werden sie die größten Einbrüche hinnehmen.“ Nur diejenigen Personalberater würden überleben, folgert Bourmer, die Talent Management praktizierten, die Kultur ihrer Kunden verstehen und vermitteln könnten und die sich auf bestimmte Nischen konzentrierten. Microsoft zum Beispiel kooperiert mit einer Personalberatung, die ein Netzwerk von weiblichen Führungskräften unterhält. „Zwar haben wir selbst 2012 damit begonnen, ein solches Netzwerk aufzubauen“, sagt Bourmer, „doch darin sind uns die Berater weit voraus.“ DER RECRUITER WIRD ZUM SOURCER Wie wird sich das Recruiting in den kommenden Jahren ändern? Qualität im Sinne von Präzision werde viel wichtiger, erwartet Ullah. „Wir können uns künftig nicht mehr erlauben, uns um viele Bewerber zu kümmern und viel Zeit für Absagen zu verlieren. Stattdessen müssen wir uns den richtigen Kandidaten zuwenden.“ Der Recruiter wird also zum „Sourcer“. Wie einem Goldgräber, so Brickwedde, sei es ihm einerlei, ob aus dem gefundenen Gold später ein Ring oder ein Armband wird. Vor allem Konzerne, beobachtet Brickwedde, hätten bereits solche Sourcer-Teams aufgestellt. Impulse für die überfällige Professionalisierung des Recruiting-Berufsfeldes erhält Ullah übrigens aus dem Ausland und dort insbesondere aus den Ingenieurmärkten und der IT-Branche. Speziell in der IT entwickle sich die Arbeitswelt schnell weiter. „Klassische Arbeitsverhältnisse lösen sich in Projektbeziehungen zwischen freien Akteuren im Netzwerk auf.“ Während sich Entwicklungswege unternehmensübergreifend gestalten, so Ullah, „wandelt sich das Recruiting zum Relationship Management“.