Romantik 1. Definition 1.1 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Im

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Romantik 1. Definition 1.1 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Im
Romantik
1. Definition
1.1 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Im Wesentlichen kennzeichnen diese Epoche radikale Veränderungen, die sich auf
das literarische Schaffen unterschiedlich auswirken:
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Vorbereitung der industriellen Revolution durch die vom Steinschen
Reformen (1806); Aufhebung der Gutsuntertänigkeit (Voraussetzung für die
Entwicklung von Arbeitsverhältnissen auf der Grundlage von Vertragsfreiheit
und Kündbarkeit), Einführung der Gewerbefreiheit (Konkurrenz wird in
absolutem Umfang möglich)
Veränderung der Sozialstrukturen. Auflösung der Großfamilie, bürgerlicher
Alltag führt zu einem formelhaften Leben in Routine; Verstand statt Gefühl
Bürgerliches Leben: Dominanz des Verstandes (Über-Ich) führt zur
Unterdrückung der Sinne, Leidenschaften; Anpassung statt
Selbstverwirklichung
Neuordnung Europas und auch Deutschlands (Napoleonische Kriege;
Wiener Kongress etc.) sowie
fortschreitende Entfaltung der Naturwissenschaft und ihr Einsatz in der
Technik (Dampfmaschine, Dampfpflug etc.) führen zu neuen Lebensformen,
auf die sich die Menschen nur schwer einstellen können.
Diese Entwicklung führt zur
o Entfremdung des einzelnen (von den Romantikern als „Bruch“
empfunden) Menschen von sich und seiner Umwelt und zur
o Entwicklung des Bedürfnisses, die gesellschaftliche als individuelle
Realität zu erfahren (statt der Welt der Vernunft und Zahlen die Welt
des Gefühls und des Wundersamen). Der einzelne Mensch (hier der
bürgerliche) verliert die Einsicht in die Zusammenhänge, sieht sich von
den Ereignissen überrollt und findet außerdem in beruflichen und
privaten Zusammenhängen nur schwer Erfüllung.
1.2 Inhalte:
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Der Epochenbegriff leitet sich vom französischen romance (=Versroman
des Mittelalters) ab und steht ab 1740 bedeutungsgleich mit gefühlvoll,
schwärmerisch. Vertreter der Romantik wie Schlegel und Novalis setzen
romantisch auch gleich poetisch. Andererseits steht er für die Abfassung
von Schriften in romanischer Sprache, also für in den entsprechenden
Ländern in Volkssprache verfasste Schriften. Romantische Autoren
wenden sich Themen aus ihrer eigenen Kultur und Geschichte zu. Damit
distanzieren sie sich von klassischen literarischen Formen (Erklärung für
die Vorliebe für fragmentarische Schreibweise). Der Bezug auf die eigene
Kultur beinhaltet zudem einen stärkeren Bezug zur Sagen- und
Mythenwelt des Mittelalters.
Letztlich steht der Begriff inhaltlich für den Protest gegen die
bürgerliche Alltagswelt, der gegenüber in der Fantasie und im Rausch
eine Alternative formuliert wird. Deshalb liegt die Thematik
schwerpunktmäßig im Phantastischen, Gefühlvollen, Wunderbaren,
Leidenschaftlichen sowie Märchenhaften. Letztlich steht das Subjektive
und seine Umsetzung im Vordergrund; damit einher geht die Ablehnung
des Zwanges zur Anpassung sowie Unterordnung und der Wunsch nach
Freiheit.
In diesem Zusammenhang nehmen die Romantiker eine Vielzahl der
Erkenntnisse Freuds vorweg, denn sie befassen sich mit Prinzipien der
Traumdeutung und mit dem Unbewussten.
Folgende Motive erhalten in diesen Zusammenhängen Bedeutung:
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Todeserlebnis bzw. Todessehnsucht
Offenbarung jeglicher Wahrheit im Traum und
Rausch
Doppelgängermotiv
die Jahreszeiten
die Reise, das Unterwegssein
Sehnsucht, Heimweh
Wander- und Reisemotiv, Fernweh
Mystifizierung des Mittelalters
Kritik des spießbürgerlichen Lebens
Diese Motive finden ihre Umsetzung in Bildern bzw. Handlungsorten wie
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kühler Grund
Waldestiefe
Wildbach
Berginnenräume und Höhlen
Natürliches – Übernatürliches – Märchenhaftes
Ruinen etc.
Das zentrale Symbol der Romantik bildet die sogenannte „Blaue Blume“
(zentrales Symbol aus dem Kunstmärchen Heinrich von Ofterdingen von
Novalis), welches die Sehnsucht nach umfassender Harmonie in sich und mit
der Umwelt, die Erfassung des Lebenssinns sowie die Liebe (bzw.
Liebessehnsucht) umfasst.
Zusammengefasst beinhaltet die Romantik:
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Widerstand gegen den Rationalismus der Aufklärung. Inhaltlich soll in
bewusster Abgrenzung von der Tradition der Aufklärung und Klassik die
Auseinandersetzung mit der (gesellschaftlichen) Wirklichkeit nicht nur auf
Grundlage der verstandesmäßigen Reflexion, sondern mit Hilfe der Kunst und
Literatur erfolgen. Beide sind hier nicht nur Mittel, sondern auch Gegenstand
der Erkenntnis.
Betonung des Subjektivismus und Irrationalismus. Die Romantik
thematisiert den Bereich des Gefühlvollen, des Fantastischen, dem
Wunderbaren und Märchenhaften.
Hieraus wird ersichtlich, dass nicht, wie in Aufklärung und Klassik, die
Etablierung des Neuen, sondern stattdessen die Suche des Verlorenen (= das
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in der geforderten Vereinheitlichung von Individualität und gesellschaftlichem
Anpassungszwang verlorene Ich) im Vordergrund steht.
Suche nach dem Einheitlichen. Die Romantiker wenden sich zurück an das
Mittelalter, weil sie annahmen, zu dieser Zeit eine Gesellschaft vorzufinden
die von Einheitlichkeit (eine Religion, traditionelle Familien- und
Sozialstrukturen, Einheit von Leben und Arbeit etc.)
Romantisierung der Wirklichkeit. Fantasie als Verwandlung der realen
Welt; deshalb sucht man die verloren gegangene Welt in den Zeugnissen aus
der Kindheit der Menschheit, in den Märchen und Sagen, in Volksliedern, in
der Mystik des Mittelalters.
Romantische Ironie. Das freie Spiel von Geist und Fantasie, die witzige
Kombination von Gefühl und Gedanken ermöglicht es, die Wirklichkeit
distanziert und nicht so ganz ernst wahrzunehmen und bietet die Möglichkeit,
eigene Schwächen erträglich zu gestalten. Sie ist Ausdruck der Erkenntnis,
dass Ideal und Wirklichkeit nicht in Einklang zu bringen sind und mildert die
Konsequenzen dieser Einsicht ab. Der Autor steht über seinem Werk und
macht deutlich, dass man diesen Zustand mit einem „Augenzwinkern“
ertragen muss.
Betonung des Natürlichen. Aus diesem Grund erhält die Natur als Sinnbild
des nicht Beherrschbaren (oder = angeborene Triebstruktur des Menschen;
z.B. Sexualität) zentrale Bedeutung.
Mit anderen Worten: Die Vertreter der Romantik rebellieren gegen den
Zwang, die Bedürfnisse der gesellschaftlichen Konvention unterwerfen zu
müssen, um als bürgerliche Individuen gesellschaftsfähig zu sein. Konkret
wenden sie sich gegen rigide Moralvorstellungen und Verhaltensregeln, die
jegliche individuelle Freiheit begrenzen; eine Gegenwelt finden sie nur in der
Fiktion.
Die bedeutende Reaktion auf diese Erfahrung der
Entfremdungszusammenhänge stellt im Wesentlichen das Bedürfnis, etwas
wie die Einheit aller Dinge zu schaffen, dar.
2. Das literarische Leben
Es findet vornehmlich in so genannten Salons, oftmals von Frauen geführt (u.a. Rahel
Varnhagen, Karoline Pichler, Dorothea Schlegel, Karoline v. Günderode, Bettina v.
Arnim), statt. Hier trifft sich die intellektuelle Elite und diskutiert kulturelle,
politische und künstlerisch-literarische Themen.
Form und Inhalt romantischer Literatur führen zu einer wachsenden Kluft zwischen
den Autoren und der Leserschaft, da letztere größeres Interesse an reiner Unterhaltung
besitzt. Der Einfluss der Verleger wächst, da sie die Literaturproduktion entsprechend
den Massenbedürfnissen lenken. Aus diesem Grund steigt die Produktion der
Massenliteratur und die Abhängigkeit der Autoren von den Verlegern wächst; deshalb
können nur wenige unabhängige Schriftsteller existieren.
3. Fomales
Wie bereits angeführt, streben die Romantiker die „Romantisierung der Wirklichkeit“
an, d.h. die Realität soll durch die Nutzung sämtlicher Sinne erfasst und von ihrer
Alltäglichkeit befreit werden. Zu diesem Zweck finden folgende Stilmittel
Verwendung:
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romantische Ironie als Ausdruck der Schwierigkeit, Wirklichkeit umfassend
erkennen zu können, wird zum Stilmittel und drückt die kontrollierte
Selbstdistanzierung und –relativierung der Literaten im Schaffensprozess aus;
Botschaft an die Leser, dass das literarische Produkt Fiktion bleibt und nicht
ganz ernst zu nehmen ist
Das Fragment wird zur beliebten Form der Werke, da, da es die
Fantasietätigkeit der Leser anregt und den prozesshaften Charakter der
Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit in ihrem unendlichen Bezug darstellt
Die Sprache zeichnet sich durch einfache Volkstümlichkeit aus. Man umgeht
die Verwendung von Fremdwörtern und führt Ausdrücke des Mittelalters
wieder in die Sprache ein. Zur Unterstützung des fragmentarischen Charakters
fällt der Ausdruck häufig abgerissen und unklar aus. In der Lyrik dominiert
der volksliedhafte Tone, die Titel sind einfach in Strophenform mit Reimen
gehalten.
 Spezielle Gattungen romantischer Literatur sind:
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Volksmärchen (aus der Kulturgeschichte zunächst mündlich überlieferte
tradierte Stoffe, die von den Romantikern, beispielsweise von den Brüdern
Grimm, schriftlich fixiert wurden)
Kunstmärchen (märchenhafte Handlung eines erzählenden Textes, meist eine
Novelle, die Ausdruck künstlerisch-literarischen Schaffens einer Person ist)
Roman
fantastische Erzählungen
Schicksalsdrama
Lyrik
Zusammenfassend kann die Literaturepoche der Romantik wie folgt charakterisiert
werden: „In Literatur und Philosophie vertrat die romantische Bewegung eine Weltund Lebensanschauung, die das Dasein als ewiges Werden des einzelnen als
Ausdruck eines Unendlichen ansieht [...] Dem Un- und Unterbewussten [...] und der
‘Nachtseite der Natur’ (Mesmerismus, Magnetismus) wurde wachsende
Aufmerksamkeit zugewandt. Als Ziel der Kunst galt bes. der dt. Romantik die
Verwandlung der Welt in Seele und Geist durch die von Sehnsucht nach dem
Unendlichen bewegte Phantasie (F. Schlegel). Die R. hebt die Grenzen zwischen den
Gattungen und den Künsten auf und vereinigt die Empfindungsweisen (Synästhesie);
sie bevorzugt offene und fragmentarische Formen. – Gesellschaftlich führte der
romant. Subjektivismus zur Infragestellung sozialer Konventionen, zur Auffassung
des Lebens als Kunstwerk.“ (dtv-Brockhaus-Lexikon Bd. 15, F/M. 1986, S. 231)
4. Phasen und Zentren der Romantik
4.1 Frühromantik
Mit Mittelpunkt in Berlin und Jena; Wilhelm und Friedrich Schlegel, Tieck,
Wackenroder, Novalis, Schelling, Fichte und Schleiermacher knüpfen an den Sturm
und Drang an und erheben den Subjektivismus zum literarischen Programm. Weitere
inhaltliche Gesichtspunkte bilden:
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Genie, Natur und Freiheit
Volkpoesie als Urgrund der Dichtung
nationales Geschichtsbewusstsein
Wiederentdeckung der Gotik
Zusammengenommen führt die Aufnahme dieser Aspekte in die Kunst und Literatur
zur Lösung von der Klassik. In der Abkehr vom Rationalismus der Aufklärung sowie
Klassik und der programmatischen Forderung der Lösung des Dichtergenies von bzw.
aus jeglicher Abhängigkeit von den Gesetzen bzw. Konventionen liegt die Bedeutung
dieser Phase der Romantik.
4.2 Hochromantik (1805 – 1808)
Mit den Zentren in Heidelberg und Berlin liegt das Schwergewicht nun im
literarischen Schaffen selbst und nicht mehr wie in der Frühromantik in der
philosophischen Auseinandersetzung.
Man glaubte, im Volksgeist bzw. in der Volksdichtung (z.B. die mündlich
überlieferten Märchen = Volksmärchen) zur Quelle des Ursprungs des Menschlichen
gelangen zu können.
Die Hinwendung zu volkstümlichen und nationalen Stoffen besitzt ihre Ursache in der
Suche nach Identität bzw. Heimat. In diesen Zusammenhang sind ebenfalls die
Hochschätzung des Mittelalters und die Ordnung der historischen Wissenschaften
einzuordnen.
Wesentliche Vertreter dieser Phase gehören dem sog. Heidelberger Kreis um die
„Zeitung für Einsiedler“ (die Brüder Schlegel, Tieck, die Brüder Grimm, Uhland,
Kerner, von Arnim, Brentano, Eichendorff) an.
4.3 Spätromantik (ab 1810)
Kennzeichnend für diesen Abschnitt ist das Umschlagen des Sinns für Vergangenes
und Überlieferung in eine konservative Haltung. Es kündigt sich das Biedermeier an
und zeigt ebenfalls die Auswirkungen der Restauration nach 1815.
Bedeutsam wird hier die sog. „Schwäbische Schule“ (Uhland, Schwab, Kerner).
4.4 Die schwarze Romantik
Sie stellt eine Strömung innerhalb der Romantik dar, die das Irrationale, Unerklärbare
(dazu gehören Ängste, Träume, psychische Defekte, Wahnvorstellungen,
Gespenstisches u.a.) in den Mittelpunkt stellt. Letztlich findet die literarische
Auseinandersetzung mit dem Un- bzw. Unterbewussten statt. Als Hauptvertreter in
Deutschland gilt E.T.A. Hoffmann, international zählt man E. A. Poe, Charles
Baudelaire und Lord Byron zu den Hauptvertretern.
Nach: http://www.lektueretipp.de/html/epochen_13.html