Handout

Transcrição

Handout
Sprachenzentrum der ETHZ und der UZH Alte Sprachen
FS16, Beate Beer ([email protected])
Heureka IV: Metropolen in der Antike
Modul 5: Der Golf von Neapel: Die Goldküste Roms
Kommentar:
Zu den Immobilien des Stadtrömers der Oberschicht gehörte seit der späten Republik in der
Regel auch eine Villa im Golf von Neapel, auf die er sich zurückzog, wenn der Sommer oder das
politische Klima in der Metropole Rom zu heiss wurden. Die Landschaft um Neapel übernahm
so als Naherholungsgebiet von Rom mittelbar auch eine urbane Funktion. Besonders im Golf
von Neapel bildete sich eine Villenarchitektur heraus, in die durch illusionistische Wandmalereien
Landschaftsidylle integriert wurde. Die Villen zeugen vom Luxus, mit dem sich die Römer an der
kampanischen Küste umgaben. Als Ort der Musse bot die Landschaft des Golfs ihren Gästen
aber auch Zeit und Raum, sich abseits der römischen Tagespolitik der Bildung zu widmen. In
Vergils Aeneis betritt der Held Aeneas erstmals am Golf von Neapel italischen Boden, ein
Umstand, der die Gegend über die Antike hinaus bis in die Neuzeit zum Bildungsort machte.
Lernziele:
Die Studierenden können die antike Konzeption von Landschaft anhand von Beispielen aus der
Literatur und Malerei beschreiben. Sie kennen die Anlage und Funktion der drei Villentypen (villa
rustica, suburbana und maritima) und einzelner Villen (u.a. Villa dei Papiri, Villa Oplontis, Palast des
Tiberius) sowie der Städte im Golf von Neapel. Sie verstehen die kulturellen Implikationen,
welche die Ästhetisierung des Golfs von Neapel mit sich brachte.
Programm
1. Stadt/Land-Konzeption in der Antike
2. Ökonomische und soziale Bedeutung des Landes (villa rustica, villa suburbana, villa maritima)
3. Kampanien als ideale Landschaft
4. Villenbesitzer im Golf von Neapel
5. Die Städte im Golf (Cumae, Misenum, Puteoli, Baiae, Neapel, Pompeji, Herkulaneum)
6. Bedeutende Villen (dei Papiri, Oplontis, Iovis, dei Misteri)
7. Kampanien als Ziel des antiken und neuzeitlichen Bildungstourismus’
1
Lexikalische Topographie (Teubner 1965):
Stadt
Land
urbs: Stadt, Grossstadt; Rom
rus: Landgut, Land; Bauernplumpheit
urbanus: städtisch; fein, gebildet, geschmackvoll; rusticus: ländlich; schlicht; bäurisch
witzig, keck, dreist
urbanitas: Stadtleben; Bildung, Feinheit; Scherz
rusticitas: Einfachheit, Blödigkeit
Römische Texte zur Landwirtschaft:
1. Cato maior (234-149), de agri cultura
2. Marcus Terentius Varro (116-27), res rusticae
3. Vergil, Georgica
4. Aulus Cornelius Celsus (25 v.-50 n.), Artes (mit landwirtschaftlichem Teil)
5. Lucius Iunius Moderatus Columella (*70 n.), de re rustica
Zur römischen Vorstellung von Freizeit (otium) nach Mayer 2005, 29:
otium
res privata
vita umbratica
griechisch-hellenistische
Philosophie, Kunst)
Land (locus amoenus)
Villa (villa amoena)
Luxus
Einflüsse
negotium
(Literatur,
res publica
vita forensis
Tradition
römischer
Vorfahren
Ämterlaufbahn, Rechtssprechung)
Stadt
Forum
altrömische Bescheidenheit
(Politik,
Berühmte Villenbesitzer:
1. Jh. v. Chr.: Ciceros Villen insgesamt: Cumanum, Puteolanum, Tusculanum, Formianum,
Pompeianum, Arpinas, Antium
1. Jh. n. Chr.: Plinius’ Villen, belegt in seinen Briefen: Tuscum, Laurentinum, zwei am Comersee,
Tusculum, Praeneste, Tibur
4. Jh. n. Chr.: Symmachus’ Villen insgesamt: Laurentinum, Praeneste, Tibur, Formiae, Cumae, Bauli,
Baiae, Puteoli, Neapel
„Campania felix“:
Plinius, nat. 3,60: Hinc felix illa Campania est, ab hoc sinu incipiunt vitiferi colles ..., atque (ut veteres dixere)
summum Liberi Patris cum Cerere certamen. ... haec litora fontibus calidis rigantur, praeterque cetera in toto mari conchylio
et pisce nobili adnotantur. nusquam generosior oleae liquor est, hoc quoque certamen humanae voluptatis.
Von hier erstreckt sich jenes glückliche Kampanien, von dieser Bucht an beginnen die rebenbesetzten
Hügel ..., und (wie die Alten sagten) hier kam es zum letzten Wettkampf zwischen Liber und Ceres. ...
Diese Küsten werden von warmen Quellen benetzt, und abgesehen vom übrigen sind sie über das ganze
Meer hin berühmt wegen ihrer Austern und des edlen Fisches. Nirgendwo ist das Olivenöl feiner; dies ist
auch ein Wettkampf menschlicher Genüsse.
Plin. ep. 6,4,1: Numquam sum magis de occupationibus meis questus, quae me non sunt passae aut proficiscentem te
valetudinis causa in Campaniam prosequi aut profectam e vestigio subsequi.
2
Nie habe ich mehr über meine Aufgaben geklagt, die nicht zulassen, dass ich Dich, die Du aus
gesundheitlichen Gründen nach Kampanien aufgebrochen ist, begleite oder Dir nach Deiner Abreise
nachfolge.
Cic. Att. 2,8,2: cratera illum delicatum.
Jener bekannte Wonnekessel.
Martial 11,80,1: litus Veneris aureum.
Goldküste der Venus.
Luxuskritik:
Cicero, Att. 2,1,7: nostri autem principes digito se caelum putent attingere si mulli barbati in piscinis sint qui ad manum
accedant, alia autem neglegant.
Unsere Staatsführer aber meinen, dass sie mit dem Finger den Himmel berühren, wenn in ihren
Fischbecken bärtige Meerbarben sind, die zu ihrer Hand schwimmen, anderes aber vernachlässigen sie.
Macrobius, Sat. 3,15,6: nobilissimi principes Lucullus, Philippus, et Hortensius, quos Cicero piscinarios appellabat.
Unsere sehr berühmten Anführer Lucullus, Philippus und Hortensius, die Cicero ‚Fischzüchter‘ nannte.
Entwicklung pompejanischer Wandmalerei (nach August Mau, 19. Jh.):
1. Stil (4. –1. Jh. v.
Chr.):
farbige Pflasterung,
keine Sujets
2. Stil (80–20 v. Chr.):
3. Stil (20 v. Chr. – 50
n. Chr.):
Perspektive,
Raumerweiterung durch
Architekturillusion
Perspektive,
Raumerweiterung durch
Landschaftsillusion,
bukolische Szenen,
Mythologie, Tableaux
Grundriss der Casa del Fauno, Pompeji (aus: Coarelli 2002, 221)
3
4. Stil (50–79 n. Chr.):
Theatrale Illusion,
Wirrwarr von
vegetabilen Motiven,
Eroten,
Vernachlässigung der
Perspektive, schwarz
und rot vorherrschend
Grundriss der ausgegrabenen Teile der Villa Oplontis (Pappalardo 2009, 64)
Hypothese zur Plinius-Villa in Laurentum (ep. 2,17) (alte-sprachen.de/Plinius/Landhaus):
4
Karte des Golfs von Neapel (DNP)
Sekundärliteratur
Coarelli, Filippo (Hrsg.): Pompeji, München 2002.
D’Arms, John: Romans on the Bay of Naples: A Social and Cultural Study of the Villas and Their Owners from 150 B.C.
to A.D. 400, Cambridge Mass. 1970.
Furger, Andres et al.: Die Schweiz zur Zeit der Römer, Zürich 2001.
Mayer, Jochen-Werner: Imus ad villam. Studien zur Villeggiatur im stadtrömischen Suburbium in der späten Republik
und frühen Kaiserzeit, Stuttgart 2005.
Meller, Harald und Jens-Arne Dickmann (Hrsgg.): Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv, München
2011.
Neumeister, Christoff: Der Golf von Neapel in der Antike. Ein literarischer Reiseführer, München 2005.
Pappalardo, Umberto: The Splendor of Roman Wall Painting, Los Angeles 2009.
Schneider, Katja: Villa und Natur. Eine Studie zur römischen Oberschichtkultur im letzten vor- und ersten
nachchristlichen Jahrhundert, München 1995.
Skoie, Mathilde: City and Countryside in Vergil’s Eclogues, in: Country, Countryside, and the Spatial Organization of Value in
Classical Antiquity, ed. by Ralph M. Rosen and Ineke Sluiter, Leiden/Boston 2006, S. 297-325.
Sonnabend, Holger: Antike Einschätzungen menschlicher Eingriffe in die natürliche Bergwelt, in: Gebirgsland als
Lebensraum, hrsg. von E. Olshausen und H. Sonnabend, Amsterdam 1996, 151-160.
Stärk, Ekkehard: Kampanien als geistige Landschaft, München 1995.
Wulfram, Hartmut: Stadt und Land in einem Tag. Zu einem poetischen Motiv von Horaz bis Ausonius, in: Noctes
Sinenses. Festschrift für Fritz-Heiner Mutschler zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Heil, Matthias Korn und
Jochen Sauer, Heidelberg 2011, 162-168.
5