Glazial - Institut für Geographie | Universität Stuttgart

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Glazial - Institut für Geographie | Universität Stuttgart
Universität Stuttgart
Institut für Geographie
Ebhausen den 27.05.2001
Seminar zur
Norddeutschland-Exkursion
Thema Nr. 7 :
Seminarleitung: E. Wehmeier
B. Jakob
Bearbeiter: Jochen Wegenast
Inhaltsverzeichnis
1. DIE EISZEITEN UND IHRE GEOMORPHOLOGISCHE BEDEUTUNG ................. 3
1.1 ZEITLICHE GLIEDERUNG ................................................................................................... 3
2. GLAZIALEROSION: PROZESSE UND FORMEN ....................................................... 5
2.1. DETERSION UND DETRAKTION ......................................................................................... 5
2.2. RUNDHÖCKER UND FELSBECKEN ..................................................................................... 6
2.3. DER MORÄNENBEGRIFF ................................................................................................... 6
2.4. ABGELAGERTES MORÄNEN-MATERIAL ............................................................................ 6
2.5. MORÄNEN ALS LANDFORMEN .......................................................................................... 7
2.6. DRUMLINS ........................................................................................................................ 7
2.7. KAMES UND OSER ............................................................................................................ 8
2.8. SANDER ............................................................................................................................ 8
2.9. BÄNDERTONE ................................................................................................................... 9
2.10. DIE GLAZIALE SERIE....................................................................................................... 9
3. PERIGLAZIALPROZESSE UND FORMEN................................................................. 10
3.1. DEFINITION, GRENZEN ................................................................................................... 10
3.2. KAMMEIS - NADELEIS - PIPKRAKE.................................................................................. 11
3.3. FROSTSPRENGUNG .......................................................................................................... 11
3.4. AUFFRIEREN VON STEINEN ............................................................................................. 11
3.5. STRUKTURBÖDEN ........................................................................................................... 11
3.6. BODENFLIEßEN / SOLIFLUKTION ..................................................................................... 11
3.7. KRYOTURBATIONEN ....................................................................................................... 12
3.8. FROSTSPALTEN ............................................................................................................... 12
3.9. EISKEILE......................................................................................................................... 12
4. NORDDEUTSCHE LANDSCHAFTEN .......................................................................... 12
4.1. DAS JUNGMORÄNENLAND .............................................................................................. 13
4.2. DAS ALTMORÄNENLAND................................................................................................ 14
5. LITERATUR ...................................................................................................................... 16
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1. Die Eiszeiten und ihre geomorphologische Bedeutung
Eiszeiten sind Abschnitte der Erdgeschichte, in denen große Gebiete der Kontinente von
Inlandeis bedeckt waren. Aus Glazialablagerungen entstandene präkambrische und
karbonisch-permische Gesteine zeigen an, dass es Eiszeiten nicht nur im Pleistozän gegeben
hat. Vom Blickpunkt der Geomorphologie her sind jedoch die pleistozänen Eiszeiten von besonderer Bedeutung, weil die Entwicklung vieler der gegenwärtigen Landformen in das
Pleistozän zurückreicht.
1.1 Zeitliche Gliederung
Die Dauer der Pleistozäns betrug etwa zweieinhalb Millionen Jahre. In dieser Zeit wechselten
mindestens sechs große Kaltzeiten mit dazwischenliegenden Warmzeiten ab. Glaziale oder
Eiszeiten sind Kaltzeiten mit weiträumiger Ausdehnung von Inlandeisgletschern in Gebieten,
die heute gletscherfrei sind. Interglaziale oder Zwischeneiszeiten heißen die zwischen den
Glazialen liegenden Warmzeiten.
Abbildung 1 stellt die Abfolge dieser Zeitabschnitte und ihrer in Norddeutschland, den Alpen
und Nordamerika benutzten Namen zusammen, die auch international häufig gebraucht
werden. Da die Quartärforschung vielerorts auf lokalen Wurzeln aufbaut, gibt es weitere
andere Namen für diese Zeitabschnitte in Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Russland
und anderswo.
Abb. 1 Gliederung und Zeitstellung
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Die Ausdehnung des Inlandeises variierte in den verschiedenen Eiszeiten. In der ElsterEiszeit drang das Inlandeis am weitesten nach Süden bis an die Mittelgebirge vor. Während
der Saale Eiszeit, welche in drei Zwischeneiszeiten gegliedert wird (Saale1, Saale 2,
Saale3)ereichte das Eis fast die Ausdehnung des Elster Glazials. Die Weichsel Eiszeit war
von kürzere Dauer und das Inlandeis drang nicht so weit nach Süden vor. Da das
Jungmoränenland der Weichseleiszeit nicht mehr periglazial überprägt wurde lässt sie sich gut
in drei Teile untergliedern ( Brandenburger Stadium, Frankfurter Stadium und Pommersches
Stadium) Siehe Abbildung 2 und 3.
Abb. 2 Ausdehnung des Inlandeises
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Abb. 3 Eisränder der verschiedenen Eiszeiten
2. Glazialerosion: Prozesse und Formen
2.1. Detersion und Detraktion
Unter dem Druck des bewegten Gletschereises wird die Landoberfläche erodiert,
Lockermaterial wird als Grundmoräne in den Boden des Gletschers aufgenommen und trägt
dazu bei. den Felsuntergrund schleifend zu bearbeiten. Der Fels wird durch den
Gletscherschliff geglättet. Dieser Prozess wird auch als Detersion bezeichnet. In die
Unterseite des Eises eingebettete Steine erzeugen Gletscherschrammen, deren Orientierung
im anstehenden Gestein auch nach dem Ende der Vergletscherung die Richtung der
Eisbewegung erkennen lässt. Die Reibung zwischen den Steinen der Grundmoräne und dem
Fels nutzt beide ab und produziert sehr feinkörniges Gletschermehl, das als Schwebfracht in
die Schmelzwasserbäche transportiert wird und dort die Gletschermilch genannte grünlichweiße Trübung des Wassers hervorruft.
Detersion wirkt besonders auf die der Eisbewegung zugewandte Stoßseite von Erhebungen
des Felsuntergrundes. Auf der abgewandten Leeseite der Erhebungen ist der Eisdruck auf den
Untergrund geringer. Der typische Erosionsprozess auf der Leeseite von Erhebungen unter
dem Eis ist die Detraktion von Blockschutt, der unter dem Eis durch lokale Druckentlastungs5
verwitterung entsteht. Aber auch durch Gefrieren und Wiederauftauen von Schmelzwasser in
den Klüften des Gesteins. Der Gletscher nimmt den Schutt als Grundmoräne in seine
Unterseite auf und zieht ihn mit sich fort.
2.2. Rundhöcker und Felsbecken
Detersion und Detraktion verwandeln Erhebungen des Felsuntergrundes in Rundhöcker. Dies
sind asymmetrische Felsbuckel mit stromlinienförmig gerundeter, abgeflachter Stoßseite und
kantiger, von Kluftflächen begrenzter Leeseite Rundhöcker treten in großer Anzahl in den von
Glazialerosion geprägten Kernbreichen der pleistozänen Inlandeis-Vergletscherungen auf,
z.B. in Nord- und Mittelschweden. Aus der Orientierung ihrer Stoß- und Leeseiten kann man
noch heute die lokalen Richtungen der Eisbewegung rekonstruieren.
2.3. Der Moränenbegriff
Der aus dem Französischen entlehnte Begriff Moräne bezieht sich auf vom Gletscher mitgeführten bzw. abgelagerten Gesteinsschutt. Dabei wird dieser eine Begriff auf zumindest
dreierlei verschiedene Weise angewendet:
1. auf den noch im Gletscher oder auf seiner Oberfläche liegenden und mit ihm bewegten
Schutt,
2. auf das vom Gletscher abgelagerte Schuttmaterial, das auch lange nach dem Ende der
Vergletscherung die Landoberfläche bedeckt, und
3. auf die Oberflächenform dieser Ablagerungen.
Wegen dieser verschiedenen Anwendungen bleibt der Begriff nicht immer eindeutig und
muss durch Zusätze oder aus dem jeweiligen Zusammenhang verstanden werden.
2.4. Abgelagertes Moränenmaterial
Im Gegensatz zur materialsortierenden Flussarbeit transportiert ein Gletscher seine
Schuttfracht ähnlich wie ein Fließband. Er bewegt feinsten Staub und große Felsblöcke
nebeneinander mit gleicher Geschwindigkeit und über die gleiche Distanz. Das Moränenmaterial bleibt daher sowohl im Transport als auch am Ort seiner Ablagerung völlig unsortiert. Grobkiespartikel, Steine und Blöcke nennt man glaziale Geschiebe, ein etwas unglücklich gewählter Begriff, denn das Gletschereis schiebt seine Fracht nicht einher, sondern
bewegt sie mit, auf und in dem Eis selbst. Durch Reibung aneinander und am Untergrund des
Gletschers sind die Geschiebe häufig gekritzt d.h. ihre Oberfläche weist linienhafte
Schrammen auf. Abgelagertes Moränenmaterial enthält in der Regel außer den Geschieben
auch erhebliche Mengen feinerer Korngrößen bis herunter zu Schluff und Ton. Es heißt in
diesem Fall Geschiebelehm, oder, wenn es kalkige Bestandteile enthält, Geschiebemergel. Allerdings sind auch reine Grobmaterialablagerungen möglich.
Wichtige Anzeiger für die Herkunft .des Materials der Moränen der pleistozänen Vergletscherungen sind die Erratika oder erratischen Geschiebe. Bruchstücke von Gesteinen, die
im Ablagerungsgebiet nicht anstehen. In Norddeutschland findet man z.B. in den Moränen
Fragmente skandinavischer kristalliner Gesteine. Wenn ein solches Gestein nur in einem
kleinen Gebiet ansteht, kann die Verbreitung seiner Erratika recht genau den Weg anzeigen,
den das Eis zurückgelegt hat. Eine alte Bezeichnung für große erratische Blöcke ist Findling.
Die Größe von Findlingen übersteigt nicht selten mehrere Meter. In Norddeutschland wurden
sie in vorgeschichtlicher Zeit als Baumaterial megalithischer Gräber (Hünengräber) benutzt.
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2.5. Moränen als Landformen
Die Oberfläche der Moränenablagerungen liegt nach dem Rückzug des Gletschereises frei.
Ihre Formen sind eine Folge ihrer Lage relativ zum Gletscher während der Zeit ihrer
Aufschüttung und geben somit Auskunft über Umriss und Eisbewegung des inzwischen verschwundenen Gletschers. Die Untersuchung und Kartierung von Moränenablagerungen und formen gehört daher zu den wesentlichen Komponenten glazialmorphologischer
Geländearbeit.
Am Ende der Gletscherzunge wird alles mitgebrachte Gesteinsmaterial als Endmoräne
abgelagert. Deren Volumen hängt ab von der Rate der Schuttzufuhr durch den Gletscher
sowie von der Dauer des stationären Zustands, in dem das Gletscherende seine Position
beibehält. Je mehr Moränenschutt pro Zeiteinheit am Gletscherende ankommt und je länger
dieses an derselben Stelle bleibt, um so höher kann der Gletscher seine Endmoräne
aufschütten.
Bei einem längeren Stillstand bleibt das Gletscherende gewöhnlich nicht absolut fixiert,
sondern es treten kleine Oszillationen auf. kurzen Vorrück- und Rückzugsphasen, die sich
jeweils nur über wenige Zehner von Metern erstrecken, aber dennoch eine Verbreiterung des
aufgeschütteten Endmoränenrückens bewirken und ihm außerdem eine unregelmäßige
Kaminform verleihen.
Wegen dieser Oszillationen des Eisrandes sind echte Endmoränen und
Ablationsmoränenschutt (= Schutt der durch Abtauen des Eises abgelagert wird) kaum
voneinander zu trennen. Unter dem Schutt einer dicken Ablationsmoräne bleibt das Eis vor
Sonneneinstrahlung relativ geschützt. Die Rate seines Abschmelzens wird daher verlangsamt.
Sie ist außerdem innerhalb kurzer Entfernungen unterschiedlich groß, je nach der Mächtigkeit
des aufliegenden Schutts. Teile des Gletschers schmelzen völlig weg. andere werden von
dessen Hauptmasse isoliert, bleiben jedoch länger erhalten und werden zu Toteis, d.h. sie
bewegen sich nicht länger.
Mit dem Schmelzen des Toteises sackt die darüberliegende Ablationsmoräne nach, es
entstehen Toteislöcher oder Sölle. Kleine Sölle sind meist annähernd kreisrund und
trichterförmig, doch große Toteismassen hinterlassen unregelmäßiger geformte Wannen oder
Kessel.
Am Ende einer spaltenreichen Gletscherzunge kommt es schon bei kleinen Oszillationen zur
Abtrennung von Toteisblöcken. Die Aufschüttung der Endmoräne und die Bildung von
Toteislöchern geschieht daher mehr oder weniger gleichzeitig und in unmittelbarer Nähe
voneinander. Dementsprechend ist die typische Geländeform junger Endmoränen eine
Kuppen-und-Kessel-Landschaft.
2.6. Drumlins
Im Ablagerungsbereich von Gletschern kommen, meist in Scharen, stromlinienförmige Hügel
vor, die aus Lockermaterial bestehen gewöhnlich aus Moränenmaterial, doch können auch
fluviale Schotter von Schmelzwasserflüssen beteiligt sein. Diese Hügel heißen Drumlins. Ihr
Grundriss ist oval und in der Fließrichtung des Eises gestreckt. Ihr Längsprofil ist
asymmetrisch, wobei das gegen die Fließrichtung des Eises gekehrte Ende steiler ist als das
leeseitige Ende. Ihre Form ähnelt der einer umgekehrten Löffelschale, deren breites Ende dem
Fließen des Eises zugekehrt ist. Die Höhe von Drumlins beträgt meist einige Zehner von
Metern, ihre Länge wenige 100 Meter.
Drumlins zeigen an, dass hier vorher abgelagertes glaziales, in manchen Fällen auch
glaziofluviales, Lockermaterial von einem neuen Gletschervorstoß überfahren worden ist.
Daher rührt ihre stromlinienförmige Gestalt, als Form der Grenzfläche zwischen den beiden
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beweglichen Medien Gletschereis und Lockermaterial. Die Drumlins sind in der Regel nicht
gleichmäßig über die gesamte Breite einer Gletscherzunge verteilt, sondern bleiben offenbar
auf Bereiche beschränkt, in denen die Fließgeschwindigkeit des Eises ihre Entstehung
begünstigte und genügend Lockermaterial für ihre Formung vorhanden war.
2.7. Kames und Oser
Das schottische Wort Käme (= steilhängiger Hügel aus Lockermaterial) wird als
geomorphologischer Begriff für isolierte Schuttablagerungen unter stagnierendem
Gletschereis verwendet, die nach dem Abschmelzen des Eises als Schutthügel im Gelände
stehen. Ihre Entstehungsweise kann unterschiedlich sein. Oft ist das Lockermaterial der
Kames sortiert und zeigt an, dass es sich um lokale Akkumulationen der Fracht von
Schmelzwässern handelt. Die Ablagerung kann auch zunächst in einer Spalte oder Wanne des
stagnierenden Eises erfolgt und erst mit dem Abschmelzen auf die Landoberfläche gesunken
sein, oder die Schmelzwässer akkumulierten den Schutt von vornherein in einem lokal
begrenzten Hohlraum unter dem Eis.
Mit den Kames verwandt sind die Oser, lange, oft gewundene Dämme aus sortiertem,
geschichtetem Sand und Kies. Als Formen offensichtlicher Ablagerung durch fließendes
Wasser, die höher sind als ihre Umgebung, erscheinen sie ein wenig paradox. Sie sind als
Schotterfüllungen von Gletschertunneln entstanden. Ihre Flanken waren von den Seiten des
Eistunnels begrenzt,. Nach dem Abschmelzen des Eises blieben sie als erhabene Landformen
zurück. Zur Zeit der Aufschotterung muss das Eis bereits Toteis gewesen sein, denn eine
Gletscherbewegung hätte den Schotterdamm zerstört. Die Bildung von Osern gehört daher in
die Endphasen einer Eiszeit. In den Gebieten der pleistozänen Inlandvereisungen sind Oser
häufig und erreichen mitunter große Längen.
2.8. Sander
Glaziale Schmelzwässer mit hinreichender Transportkraft, die zunächst unter dem Gletscher
entlangfließen und dann die randlichen Moränen queren, führen große Mengen von
Geröllfracht mit sich, die im Gletschervorland als Schwemmkegel wieder abgelagert werden.
Die Schwemmkegel benachbarter Gletscherbäche schließen seitlich aneinander an zu
Schwemmflächen, die als Sander bezeichnet werden. Die Sander setzen an der dazugehörigen
Endmoräne an und dachen sich von dort nach außen ab, wobei ihr Gefälle und ihre Korngröße
mit wachsender Entfernung von der Endmoräne abnimmt. Stillstandsphasen eines im
Rückzug begriffenen Gletschers erzeugen neue Sander, die das vor der neuen Endmoräne
liegende Gebiet vorhergehender glazialer und fluviglazialer Ablagerungen teils überdecken,
teils zerschneiden. Da der Ansatzpunkt des neuen Sanders weiter rückwärts liegt als der eines
vorhergehenden, ist sein Profil in das des letzteren eingesenkt. Der ältere Sander wird bei der
Entwicklung des jüngeren zerschnitten und bildet nun eine über dem Niveau des
Schmelzwasserflusses liegende Aufschüttungsterrasse. Die Aufschüttungsfläche des jüngeren,
eingesenkten Sanders ist zunächst talsohlenartig schmal und verbreitert sich dann
trompetenförmig nach außen. Deshalb gab Troll (1926) diesen in den älteren Sander
eingeschnittenen jüngeren Sanderstrecken den Namen Trompetentälchen.
Im nördlichen Schleswig-Holstein liegen 10-20 km breite Sanderflächen vor den von
Flensburg nach Schleswig verlaufenden Endmoränenzügen der letzten pleistozänen Eiszeit.
Die Sander überdecken teilweise die nach Westen anschließenden Grundmoränen der
vorhergehenden Eiszeit und sind in sich wegen der Stillstände des letzten Eisrückzugs
ebenfalls terrassiert, allerdings mit nur wenigen Metern Höhenunterschied zwischen den
Niveaus.
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2.9. Bändertone
Während des Gletscherrückzugs legt das Abschmelzen des Eises Felswannen oder Vertiefungen im Grundmoränengebiet frei, die durch Schmelzwasserzuflüsse in Seen verwandelt
werden. In ihnen lagert das Schmelzwasser seine aus Ton- und Schluff-partikeln bestehende
Schwebfracht ab. Die jahreszeitlichen Abflussschwankungen erzeugen dabei eine zyklische
Schichtung: der geringe Abfluss im Winter lagert nur eine dünne, tonige und durch
organische Reste dunkel gefärbte Schicht ab, der kräftige Sommer-Abfluss dagegen eine
dickere, grobkörnigere hellere Schicht. Beide Schichten zusammen bilden eine meist wenige
Zentimeter dicke Jahreslage. Im Anschnitt erscheinen die übereinander liegenden Jahreslagen
als eine hell-dunkle Bänderung, daher der Name Bändertone für diese Sedimente.
2.10. Die glaziale Serie
In ihrem für die gesamte spätere Eiszeitforschung maßgebenden Werk „Die Alpen im
Eiszeitalter“ haben A. Penk & E. Brückner (1901-1909) die typische räumliche Anordnung
der vom Eis und seinen Schmelzwässern geschaffenen, aus Lockermaterial bestehenden
Landformen des Alpenvorlandes beschrieben und in einem Diagramm als glaziale Serie
dargestellt. Dieses Schema gilt noch heute als brauchbares graphisches Modell der
Landformanordnung in Gebieten früherer Vorlandgletscher. Darüber hinaus repräsentiert es
mit gewissen Einschränkungen auch die Formenanordnung der Zungenbereiche des
pleistozänen Inlandeises und anderer Gletschertypen.
Nach diesem Muster liegt der, sich im Flachland als große Zunge radial ausbreitende
Gletscher in einem von ihm geschaffenen, ausgedehnten Zungenbecken, das mit
Grundmoräne ausgekleidet ist und mehr oder weniger halbkreisförmig von einem Kranz von
Endmoränen umgeben ist. Zwischen dem Zentrum des Zungen-Beckens und dem inneren
Rand des Endmoränenkranzes liegt vom Eis überfahrenes Material älterer Endmoränen in
Form von Drumlins; und außerhalb des Endmoränenkranzes erstreckt sich die nach außen
sanft abgedachte Sanderfläche.
Abb. 4: Die Glaziale Serie
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Jede Eiszeit bildet ihre eigene Glaziale Serie aus und prägt sich in die vorherige Serie nach
einem bestimmten Schema ein:
1. Frühglazial: Mit der Verschlechterung des Klimas beginnt das nivale Regime. Die
Gletscher beginnen das Vorland zu überfahren. Die reißenden, mit viel Geröll beladenen
Schmelzwasser schneiden sich vor den Gletschern tief in das Vorland ein.
2. Hochglazial: Im Hochglazial herrscht ein kalt-trockenes Klima, da ein Großteil des
Wassers als Eis und Schnee gebunden ist. Die tief eingeschnittenen Gletscherflüsse
können wegen nachlassender Wassermengen die Geröllfracht nicht mehr transportieren Þ
Akkumulation. Die zuvor eingeschnittenen Täler werden wieder aufgeschottert.
3. Spätglazial: Mit der Erwärmung des Klimas nehmen die Wassermengen und damit auch
die Erosionskraft der Flüsse wieder zu Þ erneutes Einschneiden der Flüsse, meist am
Rand der Schotterflächen, Þ Talverlegung.
In Norddeutschland schuf das Inlandeis in seinen Randgebieten Zungenbecken, die allerdings
oft stärker seitlich ineinander übergehen als die von den weiter auseinanderliegenden
pleistozänen Vorlandgletschern geschaffenen Zungenbecken des Alpenvorlands. Dadurch
sind die Endmoränenzüge Norddeutschlands eher flach konvex nach außen gebogen als
halbkreisförmig. Die Sander in Norddeutschland sind weiträumiger als in Süddeutschland.
Ein besonderes Formelement der glazialen Serie in Norddeutschland sind die Urstromtäler,
nämlich die Talzüge, die längs des äußeren Randes der Sanderflächen verlaufen. Sie nahmen
die vom nordeuropäischen Inlandeis kommenden Schmelzwasserströme auf und leiteten sie
nach Westen zum Becken der heutigen Nordsee ab.
3. Periglazialprozesse und Formen
3.1. Definition, Grenzen
Bereich mit kaltem Klima ohne Gletscher; umfasst Formen und Prozesse im Umkreis der
Gletscher bzw. in gletscherfreien, kalten Regionen. Grenzen: einerseits ziemlich scharf gegen
Gletschereis, zu wärmeren Zonen unscharf. Hierzu gehören von polaren zu mittleren Breiten
die Zonen vegetationslosen Frostschutts, waldloser Tundren und Teile des borealen Waldes
und die entsprechende Höhengliederung alpiner Gebirge.
Im engeren Sinne versteht man unter diesem Begriff Formungsvorgänge durch Frost und die
von ihnen hinterlassenen Spuren. Im weiteren Sinne gehören dazu auch Wirkungen des
Windes, des stehenden und fließenden Wassers.
Die zunächst meist wenig sichtbaren Frostwirkungen auf den festen Untergrund erhalten
durch unzählige Wiederholung der Gefrier- und Tauvorgänge ihr Gepräge; sie werden in
wasserreichen »frostempfindlichen« (d.h. insbesondere Schluff und Feinsand enthaltenden)
Böden besonders gut erkennbar. Manche dieser Prozesse sind auch außerhalb der eigentlichen
Periglazialzone, in gemäßigten Klimabereichen wirksam: u.a. Gefrieren und Auftauen
oberflächennaher Schichten, zeitweise Bodenversiegelung durch Frost, Frostsprengung,
Bildung von Kammeis und Eislinsen, Vereisung von Seen und Flüssen.
Die Periglazialzone umfasste in den Kaltzeiten den gesamten deutschen Raum, soweit er nicht
unter Eis lag; die heutige Landschaft wurde durch periglaziale Erosionsvorgänge in etwa
einem Dutzend Glazialen nachhaltig geformt.
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3.2. Kammeis - Nadeleis - pipkrake
Bei Frost wachsen auf nassen Böden, oft an Bachrändern, dicht gescharte dünne Eisstengel
bis zu einigen cm Höhe senkrecht zur Erdoberfläche (an geneigten Hängen also schräg) auf.
Meist tragen sie auf ihrer Oberfläche gefrorene Erdkrümel oder Steine, während ihre Basis
auf wassergesättigtem ungefrorenem Boden steht, der den Nachschub an Eis liefert. Beim
Tauen sinkt die gehobene Erde senkrecht nach unten, an geneigten Hängen tritt dadurch eine
Bodenverlagerung hangabwärts ein.
3.3. Frostsprengung
Die Volumenvergrößerung durch das Gefrieren des Wassers beträgt nur 9 % des Wasservolumens, doch genügt dies, um Gesteine, in die auf Fugen und Klüften Wasser eindringen
konnte, durch mehrmaligen Frostwechsel in grob- und feinstückigen Frostschutt zu zerlegen.
3.4. Auffrieren von Steinen
Das Auffrieren von Steinen ist eine der auffälligsten Frostwirkungen: Die in den Boden
vordringende Gefrierfront hebt durch die Ausdehnung des zu Eis gefrierenden Bodenwassers
den Boden an, mit ihm angefrorene Steine, die nach unten noch in den nicht gefrorenen
Boden ragen. Dadurch entsteht unter ihnen ein Hohlraum, in dem Eiskristalle wachsen und
den Stein nach oben schieben. Beim Auftauen wandert die Auftaufront von oben nach unten.
Der aufgetaute Feinboden sinkt nach unten, während der auf noch gefrorenem Sockel sitzende
Stein nicht sinken kann; wenn der Tauvorgang beendet ist, liegt der Stein etwas höher als
vorher. Pro Gefriervorgang beträgt der Hub mehrere Millimeter bis Zentimeter, so, dass die
Steine verhältnismäßig rasch nach oben wandern; quer liegende stengelige Steine werden
hierbei in die Vertikale aufgerichtet.
3.5. Strukturböden
Strukturböden bestehen auf ebenen Oberflächen aus meist fünf- bis sechseckigen Steinnetzen,
Steinpolygonen oder Steinringen, an geneigten Hängen aus Steinstreifen in Gefällsrichtung.
Steinnetze bzw. -Streifen bilden sich auf der Oberfläche, der Untergrund ist oft mehr oder
weniger steinfrei, weil Frosthebung alle Steine an die Oberfläche beförderte.
Über den Mechanismus ihrer Entstehung gehen die Meinungen auseinander. Er hängt mit den
durch wiederholtes Gefrieren und Auftauen verursachten vertikalen und lateralen
Bewegungen der Bodenteilchen zusammen.
3.6. Bodenfließen / Solifluktion
An geneigten Hängen kriecht aufgetauter Boden abwärts, an seiner meist von Gras bewachsenen Oberfläche entstehen Fließwülste im Innern bilden sich Fließstrukturen mit
Übereinanderschichtungen, kleinen Verwerfungen, Schuppen, Fließfalten,
»Verknäuelungen«, bei vorwiegendem Schieferschutt kleine Knick-Falten; an Hängen sind
die oberen Lagen abwärts gebogen = Hakenschlagen. Solifluktion bewirkt eine weitflächige
sehr wirksame Abtragung des periglazialen Reliefs und damit die Einebnung des
Altmoränenlandes.
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3.7. Kryoturbationen
Als Kryoturbationen bzw. Schichtverwürgungen bezeichnet man Deformationen oberflächennaher Bodenschichten, die durch den Wechsel zwischen Auftauen und Gefrieren in der
aktiven Zone entstanden. Es sind wellige Schichtverbiegungen aus guirlandenartig aneinander
gereihten nach unten konvexen Bögen = Girlandenböden, bei stärkerer Deformierung stark
verknäulte zwiebelschalig angeordnete, nach unten konvexe Sinkformen. Durch
Kryoturbation entstehen bei flachem Relief auch die Strukturböden.
3.8. Frostspalten
Zwar dehnt sich wasserhaltiger Boden beim Gefrieren aus, ist er aber gefroren, unterliegt er,
wie jeder feste Körper, bei weiterer Abkühlung der Zusammenziehung ( ab –22°C). Da weite
Bodenflächen zusammenhängend gefroren sind, äußert sich die Raumverkürzung in statistisch
verteilten Zerrungsrissen. Zuerst bilden sich zwei-, drei- oder mehrstrahlige Spaltensterne, sie
wachsen bei anhaltender Kälte zu einem Spaltennetz zusammen. Es ist ein ähnlicher Vorgang
wie bei der Bildung von Trockenrissen in tonigen Böden.
3.9. Eiskeile
In die Frostspalten wird Schnee oder Sand (Sandkeile) geweht, in Tauperioden füllen sie sich
mit Wasser, das sofort zu Eiskeilen gefriert. Bei wiederholten Frostvorgängen vergrößern sich
die Spalten, im sommerlichen Tauwetter verschwinden sie im oberen Bodenbereich, der
breiartig aufgetauten aktiven Zone. Im nächsten Winter bilden sie sich erneut an gleicher
Stelle, die durch den unter der Auftauzone im Permafrostboden noch erhaltenen Eiskeil
festgelegt ist. Eiskeile bleiben in den nicht bindigen Lockergesteinen Sand und Kies schmal,
in bindigen, besonders schluffreichen, wird ihr oberes Ende über 1 m breit.
4. Norddeutsche Landschaften
Während des Elster- und des Saale-I-Glazials drang das Eis bis in die Mittelgebirge, es
entstand ein Abflusssystem aus Stauseen, rand- und subglazialen Flüssen und Überlaufrinnen
über Gebirgspässe. Die Aufstauvorgänge lassen sich nach Geländeformen, Sedimentresten
und dem Verhalten rezenter Eisstauseen rekonstruieren.
Die meisten Gletscher entwässern radial nach außen, das Nordeuropäische Inlandeis aber
tangential, weil es entgegen dem nordwärtigen Gefälle der Tiefebene „bergauf“ nach Süden
vorstieß. Vor und unter seinem Rand sammelte sich nicht nur das Eisschmelzwasser, sondern
auch das Wasser der von Süden kommenden Flüsse. Solange der Eisrand auf der Tiefebene
lag, bildete sich vor ihm ein nach Westen gerichtetes »Urstromtal«. Wich das Eis nach
Norden zurück, durchbrachen die Flüsse stellenweise die vorher benutzten Urstromtäler und
kehrten in die alte Süd-Nord-Richtung zurück. Norddeutschland ist infolge der
Verschiebungen der Eisränder von einem Netz tangentialer (ost-west-orientierter) und radial
(süd-nord-angelegter) Talstücke bedeckt.
Im Zusammenhang mit bekannten Eisrandlagen werden daraus folgende durchlaufenden
Urstromtäler rekonstruiert:
Breslau-Magdeburg-Bremer-Urstromtal vor den Moränen von Saale III;
Glogau-Baruther-Urstromtal vor den Moränen des Brandenburg-Stadiums;
Warschau-Berliner-Urstromtal vor den Moränen des Frankfurter Stadiums;
Thorn-Eberswalder-Urstromtal vor den Moränen des Pommerschen Stadiums östlich Berlin.
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Abb. 5 Urstromtäler und Endmoränen
4.1. Das Jungmoränenland
Als Jungmoränenland wird das vom Weichseleis geprägte Land bezeichnet. In dieser Eiszeit
stößt das Inlandeis von Nordeuropa über den Ostseeraum bis nach Norddeutschland vor. Es
hat seine maximale Ausdehnung im Brandenburger Stadium (vor 20.000 bis 19.000 Jahren);
diese Eisrandlage verläuft im großen Bogen von Flensburg nach Bad Segeberg, Hamburg,
Mölln und Parchim, greift hier über Rathenow und Brandenburg bis Luckenwalde nach Süden
aus und erstreckt sich in östlicher Richtung über den Oberspreewald nach Guben an der
Neiße. Es erreicht aber nur in der Zeit zwischen 25000 und 12000 vor heute das
mitteleuropäische Festland. In Schleswig-Holstein sind die Eisrandlagen dicht geschart, in
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erlauben weite Zwischenräume eine klare
Untergliederung. Die regelhafte Abfolge der Formen der glazialen Serie (Grundmoräne, Endmoräne, Sander, Urstromtal) ist gut zu erkennen.
Glaziale- und periglaziale Prozesse sowie warmzeitliche Bildungen formten die Oberfläche.
Als Charakteristika des Jungmoränenlands zählen sein großer Seenreichtum (rd. 20.000), die
vielen abflusslosen Hohlformen (ca. 200.000) und das z. T. stark geböschte, von einem
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unübersichtlichen Gewässernetz gestaltete Relief aus flachwelligen und kuppigen
Grundmoränenlandschaften und Sanderzonen.
Das südliche Jungmoränenland hat aufgrund seiner längeren Eisfreiheit eine intensivere
periglaziale Umformung erfahren als die nördlichen Abschnitte. Die periglaziale
Überformung des eisfreien, klimatisch aber noch vom nahen Eis geprägten Vorfelds
modifizierte das glaziale Relief. Unter kaltzeitlichen Klimabedingungen (Dauerfrost,
Tundrenvegetation) herrschte beim sommerlichen Auftauen der oberen Bodenschicht schon
bei leichter Hangneigung Solifluktion; bei winterlicher Bodengefrornis bildeten sich Frostrisse, die von Eiskeilen gefüllt wurden; es kam zu Verwürgungen und Brodelerscheinungen
(Kryoturbationen) im Boden; das durch Frostsprengung zerkleinerte Material wurde in breiten
Tälern abgeführt; bei spärlichem Pflanzenwuchs (Moose, Gräser, Sträucher) wurde
Lockermaterial durch den Wind ausgeblasen (Deflation), der es in windgeschützten Lagen als
Binnendüne oder Flugsanddecke wieder ablagerte.
Insgesamt wurde dadurch das südliche Jungmoränenland leicht eingeebnet jedoch längst nicht
so stark wie das Altmoränenland.
Nach der glazialen und periglazialen Überformung des Reliefs erfolgte mit dem
warmzeitlichen Auftauen der Toteiskörper beim Schwinden des Dauerfrosts eine letzte
markante Veränderung der Oberfläche. Die natürliche Umgestaltung im Holozän ist dagegen
gering, so dass das Relief und der aufgeschüttete Untergrund des Jungmoränenlands mit
Recht als pleistozänes Erbe betrachtet werden können.
Während des Übergangs vom Spätglazial zum Altholozän bildete sich das seenreiche,
unübersichtliche Gewässernetz; Flusslaufverlagerung und Seenbildung verlaufen parallel. Die
warmzeitliche Phase geringer natürlicher Erosion leitet die Verlandung der Seen ein. Der
letzte, gegenwärtige Abschnitt ist von anthropogenen Eingriffen bestimmt; künstliche
Flussbettverlegungen und Eingriffe in den Wasserhaushalt der Seen sind seine
Charakteristika.
4.2. Das Altmoränenland
Als ungefähr 400 km langer und bis 30 km breiter Streifen zieht sich das Elbtal zwischen
Hamburg und Riesa durch das Tiefland. Nur zwischen Tangermünde und Havelberg berührt
es das Jungmoränenland, während sein Weg sonst durch das Altmoränenland führt. Es ist eng
mit der Genese beider Räume verknüpft.
Seit dem Rückzug des saalezeitlichen Inlandgletschers bildete sich das Gewässernetz der Elbe
neu. Südlich des Fläming fließt sie zunächst durch das Breslau-Bremer Urstromtal. Dies
verlässt sie bei Magdeburg mit dem Durchbruch zwischen Fläming und Letzlinger Heide. Bei
Jerichow erreicht sie das Glogau-Baruther Urstromtal. Ihm folgt der Fluss bis Havelberg. Die
dort eingeschlagene nordwestliche Fließrichtung hält er bis zur Mündung bei. Auffallend sind
der etappenweise Wechsel der Hauptfließrichtung, das „Springen“ von einem Urstromtal zum
anderen, sowie das Übergewicht der rechts-elbischen Nebenflüsse (asymmetrischer
Strombaum). Ganz ähnlich lässt sich auch der Lauf von Weser und Oder charakterisieren.
Das von der Elbe durchflossene Altmoränenland wurde in der Saaleeiszeit (vor etwa 300.000
bis 128.000 J.) mit dem Formenschatz angelegt, der aus dem Jungmoränenland bekannt ist.
Erst die weichselzeitliche periglaziale Überformung schuf ein eingeebnetes Relief. Die
saalezeitliche Eisrandlage ist nicht mehr als markanter Höhenzug auszumachen, die ehemals
auffallenden Formen sind „gealtert.“
Die schleswig-holsteinische Geest und die Prignitz bilden einen 10 bis 50 Kilometer breiten
Streifen zwischen der Marsch und dem Jungmoränenland, der von der dänischen Grenze bis
zur Niederung der Dosse bei Wittstock reicht. Geest ist ein niederdeutsches Wort und
bedeutet trocken, unfruchtbar. Die Geest besteht aus zwei Raumtypen.
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Das Gebiet der Saaleeiszeit bildet die Hohe Geest. Grundmoränen, Endmoränen und Sander
des Stadiums Saale II und III nehmen diesen Raum ein. Weil periglaziale Prozesse hier in der
gesamten Weichselkaltzeit wirksam waren, ist das Relief so stark eingeebnet, dass selbst die
warthestadiale Endmoräne kaum sichtbar ist. Der Westrand der Geest ist durch einen
Geländeknick deutlich von der Marsch abgesetzt. Insgesamt zerfällt die Hohe Geest in
zahlreiche isolierte Platten.
Die Niedere Geest besteht aus den Schmelzwasserablagerungen der letzten Eiszeit. Sie
zeichnen als Schlauch- oder Flächensander die Entwässerungsbahnen zur Nordsee nach.
Flächenhaft befinden sie sich als Schleswigsche und Holsteinische Vorgeest zwischen den
Alt- und Jungmoränen.
Nach Osten zu setzt sich in der Prignitz diese landschaftliche Gliederung fort. Im Hagenower
Land wechseln Flächensander und Altmoränenplatten ab, die u.a. von der Sude und ihren
Nebenflüssen (Schaale, Rögnit) getrennt werden.
Die Grundmoränenplatten sind periglazial stark eingeebnet und von Geschiebedecksand
überzogen. Feuchte Niederungen, die als Reste des eiszeitlichen Urstromtalnetzes aufzufassen
sind, tragen Flach- und Hochmoore (z. B. Teufelsmoor bei Bremen). Sie sind im regenreichen
atlantischen Klima auf den Geestrand hinaufgewachsen und nehmen rund 30% des Raumes
ein.
5. Das Münsterland
5.1. Subglaziale Erosion
Die Form des Münsterlandes gliedert sich in ein niedriges flachwelliges Höhengebiet in der
nördlichen Westhälfte mit kleinen nach Westen zum Rhein gerichteten Flüssen, Ost- und
Südteil bilden eine große flache Wanne; sie wird nach Norden durch die Ems, nach Westen
durch die Lippe entwässert Im Grenzbereich beider Flüsse fehlt eine erkennbare
Wasserscheide, ein Zeichen dass nicht Ems- und Lippe-Erosion die Talwannen erodierte. Sie
entstanden durch subglaziale Erosion unter der besonders wasserreichen Ost- und Südflanke
des Münsterlandgletschers. Das Wasser kam teils subglazial um das Nordende des
Teutoburger Waldes herum, teils durch dessen Bergpässe ins Münsterland. An der Oberfläche
liegen ca. 10 m bis ca. 60 m mächtige quartäre Sedimente aus Grundmoränen, Sand, Kies,
Schlaffen und Tonen.
5.2. Rinnen
In den Untergrund haben subglaziale Ströme Rinnen erodiert, sie strahlen vom Nordrand nach
Südwesten, Süden und Südosten aus und zeigen ehemalige Eisfließrichtungen an. Zwei
besonders lange und große seien erwähnt: Westlich Bentheim die bis zum Rhein reichende
süd- bis südwest gerichtete Twente-Achterhoek-Rinne östlich Bentheim die südöstlich
gerichtete Rinne des Münsterländer Kiessandzuges.
5.3. Münsterländer Kiessandzug
So wird ein Sandrücken bezeichnet, der in einer ca. 80 km langen in etwa 1/2 bis 1 km breiten
bis ca. 30 m in die Basis aus Kalken und Mergeln eingeschnittene Rinne liegt. Er besteht aus
Kies und Sand; die Rinne hat Gefälle nach Norden, ihre Sedimentfüllung wird nach Süden
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feinkörniger, die Schüttung erfolgte von Norden in einer Höhle an der Eisbasis, also
subglazial, er entstand als ein großes Os unter dem von Norden in das Münsterland
eingedrungenen Inlandeis.
Im Nordteil enthält der Kiessandzug eine Vielfalt grober nordischer kristalliner und sedimentärer Gerölle, am Südende kommt fast nur Sand mit wenig Kies, auffallend viel Bernstein und Geröll aus Braunkohle und Holz vor.
R.SCHÄFER fand im Geschiebematerial einen Grünsandstein aus dem Helvetikum der
Alpen. Dieses Stück wurde also vom Rhein in den Norddeutschen Raum befördert, dort vom
Inlandeis aufgenommen und von subglazialem Schmelzwasser in den Münsterländer
Kiessandzug verfrachtet.
Der Verlauf des Kiessandzuges verrät Fließbedingungen des Münsterlandgletschers: Das
östlich von ihm ins Münsterland eindringende Eis (Warendorfer Teilgletscher) verbreitete
sich nach Süden bis Münster beträchtlich, dann aber verschmälerte es sich weiter südlich,
erkennbar am Einbiegen des Kiessandzuges nach Osten, sodass das rechts (westlich) benachbarte Eis des Coesfelder Gletschers sich stärker ausbreiten konnte. Die Verkleinerung des
Südendes des Warendorfer Teilgletschers ist eine Folge starker Eisschmelze an den Bergpässen des Teutoburger Waldes
6. Literatur
BENDA, L. (Hrsg.): Das Quartär Deutschlands. Borntaeger Verlag. Berlin Stuttgart. 1995.
HAVERSATH, J.B.: Deutschland der Norden. Westermann Verlag. Braunschweig 1997.
HESEMANN, J.: Geologie Nordrhein-Westfalens. Bochumer Geographische Arbeiten 1975.
LIEDTKE, H.: Eiszeitforschung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 1990.
LIEDTKE, H. und MARCINEK, J.: Physische Geographie Deutschlands. Justus Perthes
Verlag Gotha GmbH. 1. Auflage. 1994.
THOME, K. N.: Einführung in das Quartär. Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg. 1998.
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