Konzept Fahrende Kanton Aargau

Transcrição

Konzept Fahrende Kanton Aargau
Departement
Bau, Verkehr und Umwelt
Konzept Fahrende
Kanton Aargau
Aarau, November 2007
Impressum
Herausgeber und Bezug
Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Fachstelle Fahrende
Entfelderstrasse 22
5001 Aarau
Tel. 062 835 32 90
www.ag.ch/raumentwicklung
Fotos
BVU/ARE
Gemeinde Bonaduz
Radgenossenschaft der Landstrasse
Konzept Fahrende Kanton Aargau
Vorwort
Wenn vom fahrenden Volk die Rede ist, werden Bilder wach. Es sind Bilder von
Wohnwagen und Lagerfeuern, Musikern und Tänzerinnen, Wahrsagerinnen und
Scherenschleifern. Aber auch von Taugenichtsen, Vagabunden oder Dieben.
Diese Bilder sind häufig romantisch verklärt – aber nicht immer falsch. Ungerechtfertigt sind meist die Vorurteile, auch wenn es wie überall auch bei den
Fahrenden Leute mit unterschiedlichen Lebensweisen und Wertvorstellungen
gibt. Die Fahrenden haben einen Teil ihrer Sprache und ihrer Kultur erhalten
können und versuchen weiterhin, ihren traditionellen Idealen und Lebensvorstellungen treu zu bleiben. Obwohl viele Fahrende heute sesshaft leben, bleiben die Wanderschaft in der warmen Jahreszeit und der selbstständige Erwerb
Kernpunkte ihrer Lebensweise.
Lustig ist das Zigeunerleben, sagt uns das Volkslied. Die Wirklichkeit sieht anders aus, mindestens was die Wohnsituation der aktiv Fahrenden betrifft. Es
fehlt an legalen Haltemöglichkeiten, insbesondere an Standplätzen für den Winter und Durchgangsplätzen für den Sommer. Als Folge davon wird auch die
Ausübung der typischen Gewerbe – Recycling, Dienstleistungen, Handel usw. –
stark erschwert.
Laut Entwicklungsleitbild sind wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität die
Leitmotive des Regierungsrates für die kommenden Jahre. Wer im Aargau
wohnt und lebt, soll sich wohl fühlen, sicher sein vor Gefahren und Gewalt und
in Notlagen auf die Solidarität und Unterstützung des Staates zählen können.
Diese Leitmotive gelten auch für das fahrende Volk, speziell für die zahlreichen
Jenischen, welche im Kanton Aargau wohnen oder heimatberechtigt sind.
In diesem Sinne hat der Regierungsrat eine Fachstelle Fahrende geschaffen
und die Grundsätze für das vorliegende Konzept und dessen Umsetzung beschlossen.
An erster Stelle der Bestrebungen steht die Bereitstellung von Stand- und
Durchgangsplätzen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Realisierung solcher
Plätze nur in Zusammenarbeit mit den Gemeinden möglich ist. Die vorliegende
Broschüre soll den Gemeinden Informationen und Entscheidungsgrundlagen
bieten und sie anregen, sich ebenfalls dafür einzusetzen, dass die Fahrenden
ihre angestammte Lebens- und Arbeitsweise weiterführen können.
Peter C. Beyeler, Regierungsrat
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Inhaltsverzeichnis
1. Fahrende in der Schweiz ................................................................................. 4
Identität und Lebensweise ............................................................................... 4
Die Stiftung "Zukunft für Schweizer Fahrende" ............................................... 6
Die Radgenossenschaft der Landstrasse........................................................ 7
2. Drei Arten des Haltens .................................................................................... 8
Der Standplatz ................................................................................................. 8
Der Durchgangsplatz ....................................................................................... 8
Der Spontanhalt............................................................................................... 8
Kriterien und Standortanforderungen .............................................................. 9
3. Fahrende im Kanton Aargau ......................................................................... 10
Ausgangslage ................................................................................................ 10
Rechtliche Grundlagen .................................................................................. 11
4. Aufgaben des Kantons und der Gemeinden ................................................. 12
Fachstelle ...................................................................................................... 12
Konzept "Standplätze und Durchgangsplätze".............................................. 13
Kantonale Plätze............................................................................................ 15
Kommunale Plätze und weitere Möglichkeiten der Gemeinden.................... 16
Anhang 1: Muster "Betriebsvereinbarung"
Anhang 2: Muster "Platzordnung"
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
1. Fahrende in der Schweiz
Identität und Lebensweise
Die Gemeinschaft der Fahrenden in der Schweiz zählt schätzungsweise 30'000
Personen. Nicht zuletzt wegen der «Aktion Kinder der Landstrasse», die im
Namen des Schutzes fahrender Kinder mehr als 600 ihren fahrenden Eltern
weggenommen und zwangsweise sesshaft gemacht hatte, lebt heute eine
grosse Mehrheit der Fahrenden sesshaft. Ihre Zahl kann nur geschätzt werden,
da viele Jenische wegen ihrer leidvollen Erfahrungen ihre Herkunft lieber verschweigen.
Trotzdem bleibt das Nomadentum nach wie vor eines der wesentlichen Elemente der kulturellen Identität der Fahrenden und ist unmittelbar mit der Ausübung
ihrer verschiedenen Erwerbstätigkeiten verbunden. Wegen der Bedeutung der
fahrenden Lebensweise verwenden die Fahrenden heute wieder zunehmend
den lange verpönten Begriff «Zigeuner», um die kulturelle Identität der Gruppe
hervorzuheben. Heute pflegen noch rund 3'000-5'000 Fahrende schweizerischer Nationalität eine halbnomadische Lebensweise. Die Zahl der regelmässig
aktiv Fahrenden beträgt auf Grund einer Erhebung der Nutzungszahlen der
1999 bestehenden Stand- und Durchgangsplätze etwa 2'500.
Die meisten aktiv Fahrenden schweizerischer Nationalität verbringen den Winter auf einem Standplatz in Wohnwagen, Holzchalets oder Container. Ihre Kinder besuchen dort die Quartier- oder Dorfschule, und die Fahrenden sind dort
ganzjährig behördlich registriert. Neben ihren angestammten Berufen (Scherenschleifer, Schirmflicker, Korbflechter, Schausteller oder Marktfahrer) bieten
sie verschiedenste Handwerkerdienste an, reparieren und schleifen z.B. Rasenmäher und Aktenvernichter, richten Herdplatten, restaurieren Möbel und
Lampen, handeln mit Altmetall, Kleidern, Teppichen oder Antiquitäten. Die
meisten Fahrenden sind selbständig erwerbend, kennen sich oft in mehreren
Bereichen aus und passen ihr Angebot laufend der Nachfrage an. Während der
Sommermonate sind die Fahrenden in kleinen Gruppen innerhalb der Schweiz
unterwegs, halten zumeist ein oder zwei Wochen auf Durchgangsplätzen und
besuchen von dort aus ihre Kunden. Während dieser Zeit bleiben die Kinder mit
ihrer Schule in engem Kontakt; sie lassen sich den Unterrichtsstoff nachsenden
und schicken die Aufgaben zur Korrektur an ihre Lehrkräfte zurück.
Demgegenüber reisen ausländische Zigeunergruppen (meist Roma und Sinti
aus Frankreich oder Italien, zunehmend auch aus dem Osten) oft in grossen
Verbänden. Sie halten sich meist nur einige Tage in der Schweiz auf, ihre Präsenz ist jedoch viel auffälliger und einzelne Gruppen von ihnen verursachen
häufig grössere Probleme im Zusammenleben mit den Sesshaften.
Die Jenischen bilden die Hauptgruppe der Fahrenden schweizerischer Nationalität. Jenische Gruppen leben vorwiegend in Mitteleuropa (Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweiz). Der Rest der Schweizer Fahrenden gehört zumeist
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der Gruppe der Sinti (Manusche) an, die sich ethnisch wie die Roma mit nordwestindischen Wurzeln identifizieren.
Die Jenischen pflegen eine eigene Sprache, das Jenische. Diese gesprochene
Sprache hat den Charakter einer Schutzsprache und wird zumeist nur innerhalb
der Gruppe verwendet und weitergegeben. Erst 2001 ist das erste jenische
Wörterbuch überhaupt erschienen (Roth Hansjörg: Jenisches Wörterbuch. Aus
dem Sprachschatz Jenischer in der Schweiz. Frauenfeld 2001). Das Jenische
wird in der Regel als «Soziolekt», als Sondersprache oder auch als Sonderwortschatz, allenfalls als «Ethnolekt» bezeichnet. Die Sprechenden verwenden
dabei in der Regel die grammatische Struktur der deutschen Sprache. In der
Schweiz «bedient sich das Jenische der schweizerdeutschen Satzstruktur innerhalb der es die umgangssprachlichen Dialektwörter mit dem grössten Informationsgehalt (Substantive, Verben, Adjektive) durch eigene Ausdrücke ersetzt». (Roth, S. 98)
Quelle: Bundesamt für Kultur BAK
LINKS
www.bak.admin.ch > Themen > Sprachen und kulturelle Minderheiten >
Fahrende
www.ag.ch/raumentwicklung > Zusammenarbeit > Fachstellentätigkeit > Fachstelle Fahrende > Flyer "Die Jenischen stellen sich im Aargau vor"
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Die Stiftung "Zukunft für Schweizer Fahrende"
Die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende» wurde 1997 vom Bund gegründet. Sie hat den Auftrag, die Lebensbedingungen der fahrenden Bevölkerung in
der Schweiz zu sichern und zu verbessern sowie einen Beitrag zur Wahrung
des kulturellen Selbstverständnisses dieser in unserem Land während langer
Zeit diskriminierten und verfolgten Minderheit zu leisten.
Die Stiftung wurde gestützt auf das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994 betreffend die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende», mit einem Stiftungskapital
von 1 Million Franken dotiert und erhält – gegenwärtig gestützt auf den Bundesbeschluss vom 20. September 2001 – einen jährlichen Betriebsbeitrag von
150'000 Franken. Ihr Stiftungsrat umfasst elf Mitglieder: fünf Vertreter der Fahrenden und je zwei Vertreter von Bund, Kantonen und Gemeinden. Präsident
der Stiftung ist alt Regierungsrat Werner Niederer, Herisau, Geschäftsführer Dr.
iur. Urs Glaus, St. Gallen.
Die Stiftung leistet gemäss Stiftungszweck fachliche, juristische und politische
Unterstützung für die Anliegen der Fahrenden, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen:
• Die Stiftung befasst sich intensiv mit der Bereitstellung einer ausreichenden
Anzahl von Stand- und Durchgangsplätzen für Fahrende.
• In Bezug auf das zweite wichtige Anliegen der Fahrenden – die Gewerbepatente – konnte die Stiftung einen wichtigen Erfolg verzeichnen. Die eidgenössischen Räte haben am 23. März 2001 ein neues Reisendengewerbegesetz verabschiedet. Eine kantonale Bewilligung für die Ausübung des Reisendengewerbes ist seit dem 1. Januar 2003 in der ganzen Schweiz und
während einer Dauer von fünf Jahren gültig.
• Nur am Rande hat sich die Stiftung bisher mit Fragen der schulischen Ausbildung befasst. Grund dafür ist die Tatsache, dass Schulbehörden und Lehrerschaft dem Hauptanliegen der Fahrenden heute in der Regel mit Verständnis und Wohlwollen begegnen: Die Kinder der Fahrenden erhalten in
der Regel ohne weiteres die erforderlichen Unterrichtsdispensen für die
Sommermonate. Auch die Begleitung durch die Lehrerschaft, d.h. die Zustellung des Unterrichtsstoffs und die Korrektur der Aufgaben während der Reisezeit, ist gewährleistet. Die Stiftung betrachtet es als ihre Aufgabe, bei der
Suche nach Massnahmen, die den spezifischen Ausbildungsbedürfnissen
der jenischen Kinder Rechnung tragen, durch konkrete Lösungsvorschläge
mitzuwirken.
• Die Stiftung finanziert verschiedene Projekte und nimmt auch ihre Rolle als
Plattform des Gedanken- und Erfahrungsaustausches ernst, indem sie gemeinsam mit der Radgenossenschaft Tagungen durchführt, an denen
Vertreterinnen und Vertreter von Fahrendenorganisationen und von interessierten Gemeinden, Kantonen und Bundesstellen teilnehmen.
LINK
www.stiftung-fahrende.ch
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Die Radgenossenschaft der Landstrasse
Die Interessengemeinschaft des Jenischen Volkes wurde 1975 gegründet und
ist seit 1985 die vom Bund anerkannte und subventionierte Dachorganisation
des jenischen Volkes in der Schweiz. Die Tätigkeit der Radgenossenschaft hat
die folgenden Schwerpunkte:
• Sie setzt sich bei Gemeinden, Kantonen und auch bei privaten Grundstückbesitzern für die Schaffung von neuen Stand- und Durchgangsplätzen ein.
Sie vermittelt bei Problemen zwischen den verschiedenen Beteiligten beim
Betrieb der Plätze.
• Sie bietet Unterstützung bei Verhandlungen mit den Schulbehörden der
einzelnen Kantone, um individuelle Lösungen bei Einschulungs- und Schulproblemen sowie Dispensationsgesuchen zu finden.
• Sie hilft den Jenischen bei allgemeinen bürokratischen Angelegenheiten,
Steuerabklärungen, Einholen von Auskünften und bietet Unterstützung im
gesamten Lebensbereich. Sie nimmt Hilfsgesuche entgegen und reicht sie
bei Hilfswerken und karitativen Institutionen ein.
• Sie publiziert vierteljährlich die Zeitschrift "Scharotl". Diese berichtet über
aktuelle Vorkommnisse im täglichen Leben der Jenischen, informiert ausführlich über die Tätigkeit der Radgenossenschaft und dient auch als kultureller Veranstaltungskalender.
• Zur Förderung der gegenseitigen Akzeptanz zwischen der sesshaften und
der fahrenden Bevölkerung engagiert sich die Radgenossenschaft stark in
der Öffentlichkeitsarbeit. Unter anderem betreibt sie in Zürich das europaweit erste Dokumentations- und Begegnungszentrum der Jenischen.
LINK
www.radgenossenschaft.ch
KONTAKT
Radgenossenschaft der Landstrasse
Hermetschloostrasse 73
8048 Zürich
Tel.
044 432 54 44
E-Mail [email protected]
Im Dokumentations- und Begegnungszentrum wird die Arbeit der Radgenossenschaft einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich gemacht.
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2. Drei Arten des Haltens
Der Standplatz
Standplätze dienen dem stationären Aufenthalt, insbesondere über die Wintermonate und als ganzjährige Basis. In den Standplatzgemeinden sind die Fahrenden ganzjährig angemeldet, ihre Kinder besuchen dort die Schule.
Der Durchgangsplatz
Durchgangsplätze dienen dem kurzfristigen Aufenthalt – bis zur Dauer von einem Monat – während der sommerlichen Reisetätigkeit.
Der Spontanhalt
Spontanhalte sind ebenfalls kurzfristiger Natur. Hier werden die Wohnwagen
meist bei Verwandten und Bekannten oder anderen Grundeigentümern (z. B.
Landwirte, Gewerbebetriebe, öffentliche Flächen von Gemeinden) gegen Entgelt aufgestellt. Oft erfolgt dies regelmässig über Jahre an den gleichen Orten.
Campingplätze sind für Fahrende nicht geeignet, denn sie dienen primär der
Erholung. Fahrende hingegen benötigen Halteplätze, die ihnen die Ausübung
ihrer Arbeit ermöglichen.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Kriterien und Standortanforderungen
Für einen erfolgreichen Betrieb von Stand- und Durchgangsplätzen sind spezifische Kriterien und Standortanforderungen zu beachten:
Standplatz
Durchgangsplatz
Geographische Lage
Grössere Gemeinden
und Agglomerationsgebiete
Keine speziellen
Anforderungen
Regionale Verteilung
Ohne Bedeutung
Nach Möglichkeit
regionale Abstimmung
Nutzungsperiode
Ganzes Jahr,
Schwerpunkt Oktober–
März
März–Oktober
Belegungsdauer
Mehrere Monate bis
ganzes Jahr
Maximal 1 Monat
(erneute Belegung meist
nach 1 Monat möglich)
Belegungsart
Wohnen und Arbeit periodisch, Schulbesuch
Wohnen und Arbeit temporär
Grösse des Areals
ca. 2'000 m2
(inkl. Gemeinschaftsflächen)
1'500–2'000 m2
Kapazität
ca. 10 Stellplätze
5–15 Stellplätze
Erschliessung
Infrastruktur
Guter Zugang zu Hauptverkehrsstrasse
Trinkwasser, Abwasser, Stromanschluss,
Abfallcontainer
Mischformen zwischen Standplatz und Durchgangsplatz sind möglich (z. B. ein
Durchgangsplatz mit einem dauerhaften Stellplatz für eine Familie, die gewisse
Platzwartfunktionen übernimmt). Das Vermischen von Stand- und Durchgangsplätzen ist wegen ihrer unterschiedlichen Belegungsdauer und Belegungsart
dennoch eine Ausnahme.
Es sind einfache, aber zweckmässige
Infrastrukturen gefragt (z. B. Strombezug mit Prepaid-Karte).
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
3. Fahrende im Kanton Aargau
Ausgangslage
Im Aargau bestehen verschiedene kommunale sowie inoffizielle Stand- und
Durchgangsplätze für Fahrende sowie Gelegenheiten für spontane Halte. Mit
dem Durchgangsplatz Augsterstich in Kaiseraugst konnte ein erster offizieller
kantonaler Platz eröffnet werden, in Spreitenbach wurde ein provisorisch bis
März 2010 befristeter Standplatz für zwei Familien erstellt. Dennoch besteht
weiterhin ein Mangel an Halteplätzen für die Fahrenden. Aus den Kontakten mit
der Radgenossenschaft der Landstrasse und dem Ergebnis eines Gutachtens
der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende geht klar hervor, dass im Kanton
Aargau ein dringender Bedarf nach neuen Stand- und Durchgangsplätzen sowie nach einer Sicherung und einem Ausbau bestehender Plätze besteht.
Wie in den meisten Kantonen sind auch im Aargau viele Jenische heimatberechtigt. Namen wie Graf, Moser, Hartmann, Wiedemeier und andere mehr sind
teilweise jenischen Ursprungs. Viele wohnen aufgrund ihrer Geschichte sesshaft in normalen Wohnungen. Es besteht jedoch ein zunehmendes Bedürfnis
auch Aargauer Jenischer, wieder die fahrende Lebensweise zu pflegen.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Es ist zu beachten, dass seitens der verschiedenen Gruppierungen von Fahrenden (insbesondere die Schweizer Fahrenden und die meist in Grossgruppen
sich bewegenden ausländischen Fahrenden) unterschiedliche Bedürfnisse bestehen. Mit dem Durchgangsplatz Augsterstich liegt im Kanton Aargau für Fahrende in Grossgruppen heute ein genügendes Angebot vor.
Rechtliche Grundlagen
Die Schweiz hat das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten ratifiziert. Damit verpflichtet sich die Schweiz, die Bedingungen zu fördern, die es den Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Die Verfassung des Kantons Aargau hält in § 48 fest: "Der Kanton kann in Zusammenarbeit mit den Gemeinden nichtsesshaften ethnischen Minderheiten
geeignete Örtlichkeiten für einen befristeten Aufenthalt zur Verfügung stellen."
Die "Kann-Formel" bezieht sich auf den Ermessensspielraum im Einzelfall, nicht
aber auf die generelle Anwendung von § 48 KV (Kurt Eichenberger, Verfassung
des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980, Textausgabe mit Kommentaren,
Aarau, Frankfurt am Main, Salzburg 1986).
Im Aargau erlaubt die kantonale Gesetzgebung, Wohnwagen – wenn sie nicht
länger als zwei Monate auf dem gleichen Grundstück stehen – ohne Baubewilligung zu platzieren (§ 6 Abs. 1 lit. d) BauG). Voraussetzung ist, dass die
Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer einverstanden ist und dass die
Reglemente der Gemeinde eingehalten werden.
Eine Platzierung unter 2 Monaten ist insbesondere auch dann zulässig, wenn
die kommunalen Zonenvorschriften eine Wohn- oder Gewerbenutzung ausschliessen (§ 30 Abs. 2 lit. d) ABauV).
Diese Bestimmungen gestatten für Spontanhalte unbürokratische Lösungen
zum Wohle aller Beteiligten.
Ein Wohnwagen darf bis zu zwei Monate
am gleichen Platz bleiben, ohne als
Baute zu gelten.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
4. Aufgaben des Kantons und der Gemeinden
Fachstelle
Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt führt eine Fachstelle Fahrende.
Diese ist Anlauf- und Koordinationsstelle für alle Fragen im Zusammenhang mit
Fahrenden. Sie ist insbesondere zuständig für
• Beratung und Kriseninterventionen;
• Betreuung der Betreiber von Plätzen inklusive Betriebsabrechnungen und
Defizitübernahmen;
• Öffentlichkeitsarbeit und Medienkontakte;
• Zusammenarbeit mit Bund und Organisationen der Fahrenden;
• Evaluation, Zonierung und Bau neuer Plätze, Sanierung bestehender Plätze.
Der Fachstelle steht eine Arbeitsgruppe Fahrende als interdepartementale Koordinationsstelle gemäss § 43 Organisationsgesetz zur Seite. Sie besteht aus
mindestens je einer Vertreterin oder einem Vertreter der fünf Departemente.
Nach Bedarf können für einzelne Fragen bzw. Sitzungen eine Vertretung der
Radgenossenschaft der Landstrasse oder andere interne und externe Fachpersonen beigezogen werden.
LINK
www.ag.ch/raumentwicklung > Zusammenarbeit > Fachstellentätigkeit > Fachstelle Fahrende
KONTAKT
Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Fachstelle Fahrende
Jörg Hartmann
Entfelderstrasse 22 (Buchenhof)
5001 Aarau
Tel.
062 835 33 11
E-Mail [email protected]
Der Buchenhof in Aarau
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Konzept "Standplätze und Durchgangsplätze"
Um in der Frage der Haltemöglichkeiten für Fahrende innert nützlicher Frist zu
tragfähigen Lösungen zu kommen, sind gemeinsame Vorstellungen über die
Ausgangslage und das zweckmässige Vorgehen unumgänglich. Zu diesem
Zweck haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe Fahrende dem Regierungsrat die
Grundsätze für das vorliegende Konzept unterbreitet. Der Regierungsrat hat
diese am 30. Mai 2007 als Basis für die weiteren Aktivitäten genehmigt.
Bedarf Standplätze
• Ersatz für den provisorischen Standplatz in Spreitenbach.
• Ein weiterer offizieller Standplatz.
Bedarf Durchgangsplätze
• Weiterbetrieb des Durchgangsplatzes Augsterstich.
• Zwei neue offizielle Plätze.
• Sanierung und Sicherung gewisser bestehender Plätze.
Dieser realistische Handlungsbedarf beruht auf Beobachtungen und pragmatischen Annahmen der kantonalen Stellen, die sich in den letzten Jahren mit den
Belangen der Fahrenden auseinandergesetzt haben.
Aufgabenteilung Kanton/Gemeinde
• Der Kanton erstellt und finanziert den Neubau oder die Sanierung der Plätze. Die Plätze auf kantonseigenem Land bleiben im Eigentum des Kantons.
• Die Standortgemeinden stellen den Betrieb der Plätze sicher.
• Der Kanton (BVU) übernimmt allfällige Defizite aus dem Betrieb von Standund Durchgangsplätzen. Bis auf wenige Spezialfälle (z. B. Augsterstich) erfolgt der Betrieb erfahrungsgemäss kostendeckend. Für die Gesamtkostenabrechnung sind folgende Kosten einzubeziehen:
− Betriebs- und Unterhaltskosten (Einnahmen und Ausgaben).
− Im Falle von Standplätzen weitere, der Gemeinde nachweislich entstandene Kosten wie beispielsweise Sozialhilfekosten. Die Details sind in der
Betriebsvereinbarung für Standplätze zu regeln.
• Der Kanton unterstützt die Gemeinden bei der Aufrechterhaltung von Ruhe
und Ordnung auf den Plätzen unter Einbezug der Kantonspolizei und der
Polizeikräfte der Gemeinden (gemäss Polizeigesetz und Dekret vom 6. Dezember 2005) und auf der Basis eines platzspezifischen Zusammenarbeitsund Massnahmenpapiers.
Weitere Beteiligte
• Die Fahrenden bezahlen Mieten an die Gemeinden, welche in aller Regel
die Betriebskosten decken, und halten die Plätze sauber.
• Die Radgenossenschaft und die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende
vermitteln bei Problemen.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Finanzierung des Betriebs
Der Betrieb eines Platzes durch die Standortgemeinde umfasst die Verwaltung,
das Inkasso, die Betreuung, den Unterhalt, kleinere Reparaturen sowie die Verund Entsorgung. Mittels Benutzergebühren ist ein finanziell selbsttragender
Betrieb der Plätze die Regel. Zusätzlich wird im Hinblick auf allfällige durch die
Platzmieter verursachte grössere Schäden oder Kosten ein Depot erhoben. Die
Verrechnung des Strom- und Wasserbezugs erfolgt in der Regel verbrauchsabhängig (z. B. mittels Prepaidkartensystem). Nicht über die Mieteinnahmen finanzierbar ist die Erstellung der Anlagen (Verzinsung und Amortisation der
Anlagekosten).
DOKUMENTE
Die Aufgaben von Kanton und Gemeinden werden platzweise in einer Betriebsvereinbarung und die Regelungen für den Platz in einer Platzordnung geregelt.
Die im Anhang aufgeführten Muster basieren auf den bestehenden, rechtskräftigen Regelungen für den Durchgangsplatz Augsterstich in Kaiseraugst. Sie
müssen im Einzelfall an die spezifischen örtlichen und betrieblichen Verhältnisse angepasst werden.
Æ Anhang 1: Muster Betriebsvereinbarung
Æ Anhang 2: Muster Platzordnung
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Kantonale Plätze
Gemäss Konzept sind im Aargau durch den Kanton zwei Durchgangsplätze und
ein Standplatz neu zu schaffen sowie ein Teil der bestehenden Plätze zu sanieren und zu sichern. Im Rahmen der Konzeptumsetzung konzentriert sich der
Kanton zurzeit auf geeignete und verfügbare Staatsparzellen sowie auf den
Dispositionsbestand der Schweizer Armee, d.h. auf einzelne Immobilien des
Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, die als
Folge der Verkleinerung der Armee zum Verkauf stehen.
Trotz dieser Optionen kann ein Standplatz oder ein Durchgangsplatz nur realisiert werden, wenn die entsprechende Standortgemeinde zur Mitwirkung bereit
ist. Die Bemühungen des Kantons sind nur dann erfolgreich, wenn die Behörden und die Bevölkerung vor Ort gut über die Projekte informiert sind, sie mitgestalten und mittragen.
In dieser Situation kommt dem mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertrauten Gemeinderat im Gespräche mit dem Kanton eine entscheidende Rolle zu:
•
•
•
Der Gemeinderat meldet dem Kanton allfälligen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Anwesenheit von Fahrenden in der Gemeinde (kurzund langfristig).
Der Gemeinderat schlägt dem Kanton mögliche Standorte für einen kantonalen Platz auf eine der Gemeinde gehörenden oder erwerbbaren Parzelle vor.
Der Gemeinderat ist bereit, zusammen mit dem Kanton die Schaffung eines
kantonalen Platzes auf einer geeigneten Staatsparzelle oder VBSParzelle auf dem Gemeindegebiet zu prüfen.
Gute Lösungen dank konstruktiver
Zusammenarbeit zwischen den
Gemeinden und dem Kanton.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau
Kommunale Plätze
und weitere Möglichkeiten der Gemeinden
Unabhängig von der Schaffung und dem Betrieb von kantonalen Stand- und
Durchgangsplätzen kann jede einzelne Gemeinde einen eigenständigen Beitrag
zur Verbesserung der Situation der Fahrenden leisten:
•
Die Gemeinde sieht kommunale Möglichkeiten für Spontanhalte vor.
Das kann zum Beispiel eine Weide, ein grosser Parkplatz, ein unbenützter
Sportplatz oder sonst eine brachliegende Fläche sein. Die Anforderungen
sind nicht sehr hoch. Trinkwasser sollte in der Nähe vorhanden sein; Elektrisch und Toilettenanlage sind wünschbar, aber nicht zwingend. Fahrende
verfügen über Generatoren und chemische Toiletten. Denkbar ist auch ein
Angebot für eine Familie, zum Beispiel die Nutzung des Parkplatzes und
der Infrastrukturen (WC, Dusche) eines Freibades während des Winters.
•
Die Gemeinde ernennt eine (persönlich interessierte) Kontaktperson
zu den Fahrenden. Diese sollte Freude am Umgang mit Menschen und
Verständnis für die Lebensweise der Fahrenden haben.
•
Die Gemeinde setzt sich dafür ein, dass die Platzmieten für die Fahrenden zumutbar bleiben. Die für Campingplätze geltenden Ansätze können nicht als Massstab genommen werden. Die Platzmiete pro Tag und
Stellplatz sollte CHF 8 ohne Infrastruktur bzw. CHF 10–12 je nach Infrastruktur nicht überschreiten. Die Verrechnung des Strom- und Wasserbezugs kann in der Pauschale inbegriffen sein oder verbrauchsabhängig über
Zähler erfolgen. Es wird empfohlen, die Platzmiete für den geplanten Aufenthalt im Voraus als Depot zu erheben. Für die Entsorgung der Abfälle ist
das örtliche Abfuhrwesen einzubinden.
•
Die Gemeinde unterstützt und berät Privatpersonen, die Land für
Spontanhalte zur Verfügung stellen. Sie kann sich dabei auf die vorliegende Broschüre berufen.
•
Die Gemeinde betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Sie orientiert die Bevölkerung über die Bedürfnisse der Fahrenden und die entsprechenden Massnahmen der öffentlichen Hand. Sie berichtet über positive Erfahrungen mit
Fahrenden.
Der Kontakt mit den Fahrenden ist auch
für die Sesshaften eine Bereicherung.
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Konzept Fahrende Kanton Aargau / Anhang 1
Departement
Bau, Verkehr und Umwelt
GEMEINDE
……….……….
Betriebsvereinbarung
für den Durchgangsplatz …………… für Fahrende auf Parz. Nr. ………
in der Gemeinde ……………
____________________________________________________________________________________
zwischen
dem Kanton Aargau, vertreten durch das Departement Bau, Verkehr und Umwelt,
Fachstelle Fahrende, Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau
als Grundeigentümer
und
der Einwohnergemeinde ……………, vertreten durch den Gemeinderat, 0000 ……………
(nachfolgend Gemeinde genannt)
als Betreiberin
____________________________________________________________________________
Ausgangslage
Dank dem Entgegenkommen und der Initiative der Gemeinde ............... kann in …………… ein
Durchgangsplatz für Fahrende realisiert werden. Der Durchgangsplatz wird durch den Kanton
auf kantonseigenem Land erstellt und der Gemeinde zum Betrieb überlassen. Mit dieser Vereinbarung werden die wesentlichsten Aspekte der Überlassung und Benützung des Durchgangsplatzes und der Zusammenarbeit von Kanton und Gemeinde geregelt.
1.
Objekt
Der Kanton errichtet auf eigene Kosten gemäss dem Projekt des Departements Bau, Verkehr und Umwelt einen Durchgangsplatz für Fahrende auf dem kantonseigenen Grundstück Parz. Nr. ……… in …………….
2.
Vertragsdauer
Diese Betriebsvereinbarung wird mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung des
Durchgangsplatzes, voraussichtlich ab ……………, auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
Massgebend ist der Zeitpunkt der offiziellen Übergabe, welche in einem separaten Protokoll festgehalten wird.
2
Die Vereinbarung ist beidseitig jederzeit unter Beachtung einer Frist von 6 Monaten auf ein
Monatsende kündbar.
3.
Benützungsentschädigung
Der Kanton verzichtet auf die Erhebung einer Entschädigung zu Lasten der Gemeinde für
die Überlassung des Areals des Durchgangsplatzes und für dessen bauliche Anlagen.
4.
Betrieb
4.1
Der Durchgangsplatz für Fahrende wird mit Unterstützung des Kantons (Departement
Bau, Verkehr und Umwelt, Departement Volkswirtschaft und Inneres) im Rahmen dieser
Vereinbarung durch die Gemeinde …………… betrieben.
Die Ver- und Entsorgung (Strom, Wasser, Abwasser) erfolgt über die Gemeinde ……… .
Die Details (z. B. Abrechnungen) regeln die Gemeinden selbständig unter sich.
4.2
Für den Betrieb erlässt die Gemeinde zusammen mit dem Kanton eine Platzordnung, in
welcher die Benützung, die Kosten und Mieten sowie die speziellen Bestimmungen für die
Benützer geregelt sind.
4.3
Die Gemeinde verpflichtet sich, den Durchgangsplatz für Fahrende das ganze Jahr offen
zu halten.
4.4
Die Gemeinde besorgt insbesondere:
• die Verwaltung des Durchgangsplatzes mit der Zuweisung der Standplätze,
• das Inkasso der Mieten und Kosten (Strom, Wasser-, Abwasser- und Kehrichtgebühren),
• die Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Versorgung mit Strom und
Wasser beziehungsweise Entsorgung von Abwasser und Kehricht,
• die Sauberhaltung der baulichen Infrastruktur,
• den Unterhalt und die Instandstellung der baulichen Infrastruktur, soweit der Reparaturaufwand Fr. 2'000.-- im Einzelfall nicht übersteigt.
4.5
Die Gemeinde führt den Betrieb gemäss Punkt 4.4 und erstellt eine jährliche Betriebskostenrechnung. Die durch den Betrieb nach Abzug der Einnahmen entstehenden Kosten
gehen zu Lasten des Kantons.
Die Gemeinde ist berechtigt, die vereinnahmten Platzmieten und Betriebskostenbeiträge
(für Kehrichtentsorgung, Strom- und Wasserbezug sowie Abwasser) zur Deckung der
anfallenden Kosten zu verwenden.
Jeweils per Ende eines Kalenderjahres unterbreitet die Gemeinde dem Kanton eine Abrechnung über die ihr im abgelaufenen Jahr entstandenen Kosten und die vereinnahmten
Gebühren. Der resultierende Saldo ist innert 30 Tagen nach Bereinigung der Abrechnung
durch den Kanton auszugleichen. In den Vorjahren allenfalls resultierende Betriebsüberschüsse sind anzurechnen. Die Parteien einigen sich ausserhalb dieser Vereinbarung
über die Art der Abrechnung (Pauschalisierung, Stundenansätze etc.).
4.6
Reparaturarbeiten, welche den Betrag von Fr. 2'000.-- pro Einzelfall übersteigen, sind
vom Kanton zu vergeben und von diesem direkt zu bezahlen. Sie haben in gegenseitigem
Einvernehmen zu erfolgen.
3
4.7
Die Prämien der Gebäudeversicherung werden, soweit erforderlich (eventuelle Gebäude,
Sanitärcontainer usw.) direkt vom Kanton bezahlt.
4.8
Der Kanton verpflichtet sich, die Gemeinde schadlos zu halten, sollte sie von Dritten aus
dem Betrieb des Durchgangsplatzes, aus welchen Rechtsgründen auch immer, in Anspruch genommen werden.
Vorbehalten bleibt der Regress auf die Gemeinde für den Fall einer schuldhaften Verletzung der in dieser Vereinbarung begründeten Pflichten durch Organe und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde sowie bei unerlaubten Handlungen (Art. 41 ff. OR) derselben.
5.
Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung auf dem Durchgangsplatz
5.1
Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ist Sache der Gemeinde und des Kantons.
5.2
Die Gemeinde ist bestrebt, durch ihre Polizeiorgane die Durchsetzung der Platzordnung
sowie generell von Ruhe und Ordnung auf dem und um den Durchgangsplatz zu gewährleisten.
Ist dies nicht möglich, orientiert sie die Kantonspolizei, welche unverzüglich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zusammen mit der Gemeinde interveniert. Dies erfolgt einerseits aufgrund des kantonalen Besitzes des Durchgangsplatzes und andererseits des übergeordneten Interesses sowie im Wissen und Auftrag des Regierungsrates.
5.3
Die Kantonspolizei kontrolliert den Durchgangsplatz durch regelmässige mobile Patrouillen. Sie zeichnet für die Ausweis- und Personenkontrollen verantwortlich. Diese sind, soweit möglich, mit dem Inkasso der Gemeinde zu koordinieren.
6.
Campieren von Fahrenden ausserhalb des Durchgangsplatzes
6.1
Zielsetzung: Mit dem Durchgangsplatz …………… wird in der Region …………… eine
offizielle Aufenthaltsmöglichkeit für Fahrende angeboten. Ein Hauptziel dieses Angebotes
ist, das wilde Campieren von Fahrenden zu unterbinden. Mit einem konsequenten Vorgehen und besonderen Absprachen speziell in der ersten Zeit nach Eröffnung des Durchgangsplatzes soll dieses Ziel erreicht werden.
Der Regierungsrat unterstützt diese Zielsetzung und die dazu erforderlichen, besonderen
Massnahmen im Umfeld des Durchgangsplatzes ausdrücklich. Er weist die betroffenen Instanzen an, das Notwendige im Rahmen des Legalitätsprinzips und der Verhältnismässigkeit zu unternehmen, um dieses Ziel zu erreichen.
6.2
Zusammenarbeit und Massnahmen
Entscheidend für den Erfolg ist die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde und dem
Kanton, insbesondere der Polizeiorgane. Zu diesem Zwecke wurde während der Planung
eine Arbeitsgruppe “Umsetzung und Vollzug“ gebildet. Das durch diese Arbeitsgruppe im
Rahmen der Pilotphase gemeinsam erarbeitete “Zusammenarbeits- und Massnahmenpapier“ ist integrierender Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung. Nach der Eröffnung des
Durchgangsplatzes erstattet die Arbeitsgruppe der Gemeinde und dem zuständigen
Departement jährlich Bericht und stellt nötigenfalls Anträge für Änderungen.
Vor und während der Anlaufphase ist in den ersten ein bis zwei Jahren ein konsequentes
Handeln und Durchsetzen der Massnahmen erforderlich. Im Sinne einer Versuchs- und
Übergangslösung sind in dieser Pilotphase gemeinsame Erfahrungen zu sammeln. Darauf
4
basierend sind in einer späteren Phase langfristige Vereinbarungen zu treffen und allenfalls ergänzend in die Betriebsvereinbarung aufzunehmen.
6.3
Die Radgenossenschaft der Landstrasse als Organisation der Fahrenden stellt sich gemäss Platzordnung zur Verfügung, im Konfliktfall zu vermitteln.
6.4
Davon ist speziell bei sich abzeichnenden, polizeilichen Interventionen soweit möglich
Gebrauch zu machen.
7.
Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Vertrag
Diese Betriebsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Umsetzung von § 48
Kantonsverfassung. Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau zuständig (§ 60 Ziffer 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
vom 9. Juli 1968).
……………, ……………
Aarau, ……………
GEMEINDERAT ……………
DEPARTEMENT
BAU, VERKEHR UND UMWELT
KANTON AARGAU
Der Vorsteher
Der Gemeindeammann
Der Gemeindeschreiber
Konzept Fahrende Kanton Aargau / Anhang 2
Departement
Bau, Verkehr und Umwelt
GEMEINDE
……….……….
Durchgangsplatz ……………
Platzordnung
Allgemein, Aufenthaltsdauer
•
Der Durchgangsplatz …………… dient dem befristeten Aufenthalt von Fahrenden. Der Platz
steht ganzjährig zur Verfügung.
•
Die Aufenthaltsdauer auf dem Platz beträgt max. 1 Monat, eine erneute Belegung ist nach
einem Monat Unterbruch möglich.
An- und Abmeldung
•
Die den Platz benützenden Gruppen oder Einzelpersonen sind durch die Kontrollorgane
(Platzwart, Platzkontrolle) zu erfassen. Die Benützer sind verpflichtet, dazu die erforderlichen
Angaben (Personalien, Fahrzeuge) zu liefern. Gleichzeitig ist pro Wohnwagen ein Depot in
der Höhe der Platzmiete für den geplanten Aufenthalt zu hinterlegen. Vor dem Verlassen des
Platzes ist die Platzmiete mit den Kontrollorganen abzurechnen. Der Platz ist in sauberem
Zustand zu verlassen.
Kosten/Mieten/Abrechnung
•
Die Platzmiete beträgt pro Tag und Wohnwagen Fr. … . Diese setzt sich zusammen aus der
eigentlichen Miete von Fr. … sowie Fr. … für Kehricht-, Wasser- und Abwassergebühren
sowie die Stromkosten-Pauschale.
•
Mehraufwand durch Nichteinhalten der Platzordnung (z. B. Reinigung der Anlagen) oder
durch Beschädigungen wird nach Aufwand abgerechnet.
•
Für die Deponierung des ordentlich anfallenden Kehrichts steht auf dem Gelände eine entsprechende Mulde zur Verfügung.
Benützung
•
Der Durchgangsplatz besteht aus dem umzäunten Areal (Anlage mit Infrastruktur).
•
Wohnwagen und Fahrzeuge sind ausschliesslich innerhalb des umzäunten Durchgangsplatzes abzustellen.
•
Das Gebiet ausserhalb des umzäunten Durchgangsplatzes darf nicht genutzt werden (kein
Spiel- oder Tummelplatz, keine Materialdepots usw.). Dies gilt speziell für die Naturschutzgebiete (Biotope, Teiche) östlich des Durchgangsplatzes.
•
Auf dem Durchgangsplatz ist Ordnung zu halten, die sanitären Einrichtungen sind durch die
Fahrenden stets sauber zu halten. Kehricht ist ausschliesslich in der entsprechenden Mulde
zu deponieren.
2
•
Die Deponierung von Sperrgut und gewerblichem Abfall ist untersagt.
•
Die gewerbliche Verwendung von Chemikalien aller Art (Säuren, Laugen etc.) ist strikte untersagt. Die umwelt- und gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen sind einzuhalten.
•
Hunde müssen beaufsichtigt werden und dürfen ausserhalb der Platzumzäunung nicht frei
laufen gelassen werden.
Spezielles
•
Im Winterhalbjahr (November bis April) kann durch den Gemeinderat …………… für max. 5
Wohnwagen eine Aufenthaltsdauer bis zu 5 Monaten bewilligt werden. Dazu darf jedoch nur
die nördliche Platzhälfte genutzt werden. Der übrige Platz muss auch in diesem Fall für die
temporäre Nutzung durch andere Fahrende offen stehen.
•
Nach Möglichkeit wird ein Platzwart eingesetzt. Die Aufgaben, Pflichten und Rechte des
Platzwarts werden durch den Gemeinderat im Einzelfall festgelegt.
•
Bei widerrechtlichem Verhalten oder Nichtbeachtung der Platzordnung kann die Gemeinde
…………… eine sofortige Ausweisung in die Wege leiten oder ein Platzverbot bis zu 5 Jahren aussprechen.
•
Bei Differenzen kann die Radgenossenschaft der Landstrasse zur Vermittlung beigezogen
werden.
•
Diese Platzordnung wird durch den Kanton Aargau/Departement Bau, Verkehr und Umwelt
als Eigentümer und die Gemeinde …………… als Betreiberin erlassen und kann durch diese
gemeinsam geändert werden. Dabei muss die Radgenossenschaft der Landstrasse über die
beabsichtigten Änderungen angehört werden.
……………, ……………
Aarau, ……………
GEMEINDERAT ……………
DEPARTEMENT
BAU, VERKEHR UND UMWELT
KANTON AARGAU
Der Vorsteher
Der Gemeindeammann
Der Gemeindeschreiber
Zürich, ……………
RADGENOSSENSCHAFT
DER LANDSTRASSE
Der Präsident